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Down Hill 3: Crisis

von

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Beunruhigende Entwicklung

Matt war mitten in der Nacht wieder aufgewacht und spürte die starken Kopfschmerzen. Da er so nicht weiterschlafen konnte, musste er wohl oder übel aufstehen und als er aufstand, merkte er, dass er gar nicht in seinem Zimmer war. Nein, er war noch bei Mello. Seltsam… wieso war er denn hier? Matt erinnerte sich noch bruchstückhaft daran, dass er Mello eine Lektion erteilen wollte, weil dieser sich immer noch so aufmüpfig benahm. Ja richtig, danach war er noch bei ihm geblieben. Was ihn dazu geritten hatte? Er konnte sich das nicht erklären und schnappte sich seine Jacke, dann verließ er das Zimmer und ging zu den Fahrstühlen hin. Die Kopfschmerzen waren zwischendurch vollständig verschwunden und das Medikament, was Birdie ihm versuchsweise gegeben hatte, hatte auch gut gewirkt… bis jetzt. Denn jetzt waren die Schmerzen wieder da. Hoffentlich hatte sie noch etwas von den Medikamenten und sie wirkten länger.

Er fuhr hoch in die zweite Ebene und erreichte nach kurzem das Labor, welches nun ziemlich kahl aussah, nachdem die meisten zerstörten Gerätschaften entsorgt oder zu Leaks in Reparatur gebracht worden waren. Da dieses gerade nicht besetzt war, ging er ins Bereitschaftszimmer nahe der Quarantänestation, wo Birdie zu finden war. Sie hatte einen Mundschutz und Handschuhe an und desinfizierte gerade das gesamte Mobiliar. Und so wie er sie kannte, schon zum vierten oder fünften Mal am Tag. „Birdie?“ Die blonde Frau erschrak fast und drehte sich ruckartig zu ihm um. Als sie ihn sah, atmete sie erleichtert aus. „Ach du bist es, Matt. Na komm doch rein. Was kann ich für dich tun?“

„Das Übliche“, antwortete er und musste kurz husten, da dieses Desinfektionsspray seine Atemwege etwas reizte. Nicht selten hatte er mit dem Gedanken gespielt, Birdie von ihrem Putzwahn abzubringen. Was das anbetraf, konnte sie echt eine Plage sein. Ganz egal wie freundlich und hilfsbreit sie war. „Meine Kopfschmerzen sind wieder da.“

„Und haben sie geholfen?“ fragte sie und begann seine Pupillen zu untersuchen. „Ich hab das Gefühl, mir fehlen ein paar Erinnerungen, als ich bei Mello war. Kannst du mir erklären, was das zu bedeuten hat?“ Die junge Ärztin überlegte kurz. Sie betrachtete ihn besorgt und strich ihm dann durchs Haar. „Als du hergebracht wurdest, hattest du keine Erinnerungen und Dr. Helmstedter und ich haben eine spezielle Elektroschocktherapie angewandt, um bestimmte Hirnareale zu stimulieren und somit deine Erinnerungen wieder wachzurufen. Es können womöglich Spätwirkungen sein, aber ich werde sehen, die in Stresssituationen auftreten können. Stimmungsschwankungen können auch auftreten. Wir werden das erst einmal mit der medikamentösen Behandlung weiter fortfahren und ich werde sehen, dass ich mithilfe des Equipments, das nicht völlig zerstört wurde, eine bessere Behandlung zu finden. Und wie geht es Mello denn so?“ Matt wich ihrem Blick aus und sein Gesichtsausdruck hatte etwas Melancholisches an sich. „Er ist okay“, meinte er nur und Birdie ahnte, dass da wohl irgendetwas im Argen war. Darum blieb sie bei ihm sitzen und fragte. „Was ist los mit dir, Matt? Ich sehe doch, dass dich irgendetwas beschäftigt. „Hey, du kannst gerne mit mir reden. Immerhin höre ich mir als Ärztin auch die Sorgen und Probleme meiner Patienten an und hier in Down Hill ist ja wohl so ziemlich jeder mein Patient, dem es zu helfen gilt.“ Hierbei strahlte Birdie übers ganze Gesicht und es hatte etwas sehr Herzliches, als auch Naives. Sie war eine sehr gutherzige Person, aber leider auch schrecklich naiv und tollpatschig. „Ich weiß gerade selber nicht, was mit mir los ist“, seufzte er und lehnte sich mit dem Rücken zur Wand. „Ich weiß, dass ich etwas für Mello empfunden habe und ein Teil von mir will ihn auch lieben. Aber im Grunde ist er rein gefühlsmäßig ein Fremder für mich und ich fühle mich innerlich völlig zerrissen. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat.“ Birdie nahm kurz ihre Brille ab und begann die Gläser zu putzen. Sie schien sich unsicher zu sein, was sie dazu sagen sollte und dachte nach. „Vermutlich war die Therapie zur Wiederherstellung deiner Erinnerungen nicht gänzlich erfolgreich gewesen und vermutlich kommen die Kopfschmerzen daher, weil deine Erinnerungen mit deiner emotionalen Erinnerungen in einem Konflikt stehen, weil du bei deinem Gedächtnisverlust auch diese Gefühle zu Mello verloren hast.“

„Warum hast du mir das nicht schon viel früher gesagt?“

„Ich wollte das erst noch weiter beobachten. Es hätte ja durchaus sein können, dass es nur stressbedingte Symptome sind. Aber da sie meist dann auftreten, wenn es um Mello geht, dann bleibt für mich persönlich nur die Schlussfolgerung, dass es mit der Memoria-Therapie zusammenhängt. Wir schauen erst einmal, dass wir das Ganze medikamentös behandeln können. Und wichtig ist, dass du zu mir kommst, wenn es wieder Probleme geben sollte. Wir werden schon eine Lösung finden, damit die Kopfschmerzen weggehen.“ Memoria… Matt wusste noch, wie er aufgewacht war, als er den Schlag auf dem Kopf überlebt und Birdie und Dr. Helmstedter mittels einer neu entwickelten Therapie seine verlorenen Erinnerungen zurückgeholt hatten. Sie nannten es die Memoria-Therapie… Die ganze Zeit hatte er keine Beschwerden gehabt und ausgerechnet jetzt, wo Mello in Down Hill war, fing alles an. Oh Mann, dieser Kerl machte aber auch nur Ärger. Matt nahm die zwei Tabletten ein, die Birdie ihm reichte und als er den Blick zu ihrem Schreibtisch wandern ließ, entdeckte er ein Foto von ihr, welches sie zeigte, als sie schätzungsweise noch zehn Jahre jünger war. Es zeigte sie mit einem Jungen von vielleicht sieben oder acht Jahren in einem Rollstuhl sitzen und neben ihr ein junger Mann, der ungefähr ihr Alter haben musste. Sie sahen alle drei sehr glücklich auf dem Foto aus und was auffiel, war die Tatsache, dass Birdie da noch schulterlange Haare hatte. „Das Foto da habe ich noch gar nicht bei dir gesehen.“ Er deutete auf das Bild und als Birdie seinem Fingerzeig deutete, lächelte sie traurig. „Ich hab es rausgeholt, um ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen.“

„Wer sind die beiden?“

„Mein Mann Keith und mein Sohn Casey.“ Matt stutzte, als er das hörte. Birdie hatte nie erzählt, dass sie eine Familie hatte. Sonst sprach sie immer von ihren Freunden oder Eltern, wenn sie mal zu viel aus dem Nähkästchen plauderte. „Ich wusste gar nicht, dass du eine Familie hast.“ „Ich hatte eine“, korrigierte sie und lächelte traurig. „Keith ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen und meinen Sohn habe ich auch verloren. Meine Eltern sind auch bereits verstorben, als ich 17 Jahre alt war und somit ist mein Job als Ärztin eigentlich das Einzige, was ich noch habe. Und ich bin auch froh, dass ich trotz allem nie aufgegeben habe, denn so kann ich anderen Menschen helfen. Ich habe meine Familie nicht retten können, aber ich will anderen helfen und wenn ich sehe, dass ich anderen helfen kann, dann gibt es kein schöneres Gefühl auf der Welt.“ Außer eben die Geborgenheit einer Familie, die sie verloren hatte. „Weißt du, der Spitzname Birdie kam von meinem Verlobten. Er meinte, ich erinnere ihn irgendwie an einen Kolibri. Klein, hektisch und lebhaft, aber auch süß und sie haben etwas Elfenhaftes an sich. Er hat mich immer Kolibri genannt, aber da Casey das Wort nicht wirklich aussprechen konnte, hat er mich immer Birdie gerufen.“ Die Ärztin kicherte, als sie sich zurückerinnerte und nahm das Foto in die Hand. „Übermorgen ist der Tag, an dem Keith und ich geheiratet haben. Das war vor elf Jahren. Schon verrückt. Ich war genauso alt wie du, als ich geheiratet habe. Und Keith war so alt wie Mello.“

„Wann war der Unfall?“

„Vor sieben Jahren. Casey war erst drei Jahre alt… Aber lass uns das alte Thema nicht aufwärmen. Ich hab damit inzwischen abgeschlossen und ich will auch eigentlich nicht in der Vergangenheit leben.“ Da Matt sich gerne noch etwas hinlegen wollte, bevor er wieder an die Tagesarbeit ging, verabschiedete er sich von Birdie, die ihm noch ein Medikamentendöschen in die Hand drückte. „Eine Tablette morgens und eine abends“, ermahnte sie ihn. „Sollten die Kopfschmerzen stark sein, dann nimm noch eine zusätzliche am Mittag. Dann wünsch ich dir mal eine gute Nacht. Ich leg mich auch gleich ins Bett. Es ist ja sowieso momentan nichts zu tun.“ „Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht schon wieder einen Einbruch gibt.“

„Das hoffe ich auch.“ Damit verließ Matt das Bereitschaftszimmer und ging zurück in sein Zimmer.
 

Echo schlich müde durch den Gang, während er sich mit seinem Stock vorantastete. Er ärgerte sich gerade selbst, warum er so viel hatte trinken müssen. War doch klar, dass er dann mitten in der Nacht aufwachte und dringend aufs Klo musste. Morph hatte ihn ja noch gewarnt aber nein, er hatte es trotzdem machen müssen. Wie spät es wohl war? Verdammt spät, so wie er schätzte. Es war totenstill auf dem Gang und wahrscheinlich war auch schon Birdie aus dem Bereitschafszimmer raus. Na hoffentlich lief er dabei Christine nicht über dem Weg. Wenn sie die Nachtwache hielt, konnte sie echt gefährlich sein und einmal hätte sie ihn fast erschossen. Ob es Mello wohl gut ging? Seitdem dieser Vieraugengespräch mit Morph geführt hatte, schien es recht ruhig um ihn geworden zu sein. Na hoffentlich ging es ihm gut, aber da er ja bei Leaks und Hiram war, brauchte er sich ja eigentlich keine Sorgen zu machen. Er würde schon zurechtkommen und da unten in Ebene 0 war eh nicht viel los. Morph hatte ihm auch schon angeboten gehabt, dass sie beide dort unten leben könnten, aber Echo wollte lieber nicht mit dem Cohan-Duo auf einer Ebene leben. Das machte ihm einfach zu viel Angst. Echo dachte für einen kurzen Moment nach und fühlte sich plötzlich etwas unbehaglich. Er konnte es nicht genau beschreiben, es war so, als würde ein eiskalter Schauer über seinen Rücken jagen, der leichte Beklemmung bei ihm auslöste. Vielleicht sollte er doch zu Morph ins Zimmer gehen und bei ihm schlafen. Dann fühlte er sich wenigstens sicherer. Also ging er, anstatt zurück in sein Zimmer, weiter den Gang entlang, als er die Toiletten verlassen hatte und ging langsam den Gang entlang. Sein Gehör half ihm dabei ungemein bei der Orientierung und es war ihm sogar möglich, jeden Gefängnisinsassen anhand seiner Schritte sofort zu identifizieren. So war er wenigstens vorgewarnt, wenn sich Christine nahte, denn dann musste er sich bemerkbar machen, denn lautloses Schleichen und Verstecken war extrem gefährlich und hatte nicht selten zur Folge, dass sie sofort das Feuer eröffnete. Auch wenn sie eine sehr gute Kämpferin war, so reagierte sie sehr schreckhaft und dann fast schon panisch. Insbesondere wenn es still war. Morph hatte erklärt, dass es daher kam, weil Christine unter posttraumatischer Belastungsstörung litt, was auf ihre Vergangenheit als Soldatin zurückzuführen war. Deshalb durfte man bloß nichts tun, was sie erschrecken und bei ihr eine Kurzschlussreaktion auslösen könnte. Denn der letzte Kerl, der in ihr Zimmer geplatzt war und sie aus den Schlaf gerissen hatte, dem hatte sie versehentlich eine Kugel zwischen die Augen gejagt, weil sie ihn für einen Angreifer gehalten hatte. Darum hatten sie alle wichtige Regeln einzuhalten. Und diese lauteten, dass man laut auf sich aufmerksam machen musste, wenn Christine auf ihren nächtlichen Rundgängen war und man durfte niemals ihr Zimmer öffnen und sie direkt wecken, wenn sie schlief. Stattdessen musste man laut rufen und gegen die Tür schlagen. Das war die sicherste Methode, um nicht versehentlich von ihr erschossen zu werden. Schließlich erreichte Echo einen Raum, der ihn nun neugierig stimmte. Er hörte von der anderen Seite der Tür ganz schwach aber dennoch hörbar ein leises Piepen und ein Rauschen. Es kam ihm irgendwie bekannt vor, nur konnte er es gerade nicht genau erkennen. Im Normalfall hätte er die Tür geöffnet, aber er hätte sowieso nicht sehen können, was dahinter lag. Also konnte er sich das Ganze auch genauso gut sparen. Schließlich ging er weiter und hatte Morphs Zimmer fast erreicht, da blieb er abrupt stehen, als er Schritte hörte. Zuerst dachte er, es wäre bloß Birdie, da sich diese Schritte eindeutig nach Absätzen anhörten. Doch sofort verwarf er diesen Gedanken wieder, denn die Schritte selbst klangen irgendwie anders. Sie hatten nicht dieses unbeholfene Auftreten, sondern klangen fest, zielstrebig und schnell. Das waren nicht Birdies Schritte. Aber welche Frau mit Absätzen konnte das denn sonst sein? Christine und Birdie waren die einzigen Frauen in Efrafa und Christine trug Militärstiefel. Aber wem gehörten die Schritte dann? Hatte Christine vielleicht Chain oder Abyss aus der Festung zur Verstärkung geholt? Unsicher, was er tun sollte, blieb er stehen und überlegte. Dann aber ergriff ihn plötzlich jemand, hielt ihm die Hand vor dem Mund und zog ihn irgendwo hin. Nun geriet Echo in Panik und wollte sich losreißen und um Hilfe rufen, doch da er leise ein „Keine Angst, ich tu dir nichts.“ Diese Stimme kam ihm vertraut vor, aber in seiner Angst konnte er sie nicht zuordnen. Wenn ihn sein orientierendes Gedächtnis nicht täuschte, wurde er gerade in einen Seitengang gezogen und er fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Schließlich aber blieb die Person, die ihn festhielt, stehen und hielt ihm immer noch den Mund zu. Echo horchte und konnte hören, wie die Schritte weitergingen. Sie entfernten sich wieder und dann hörte der blinde 16-jährige nur noch, wie eine Tür geöffnet wurde und die Person mit den Absatzschuhen dahinter verschwand und wie die Tür zufiel. Nun ließ die andere Person Echo los und nahm die Hand weg, sodass er wieder vernünftig atmen konnte. Dann schließlich spürte er, wie eine Hand seinen Kopf streichelte. „Entschuldige, ich wollte dir keinen Schreck einjagen. Es ist alles gut, mach dir keine Sorgen.“

„Wer… wer bist du?“

„Ich bin ein Freund.“

„Du bist nicht aus Efrafa, oder? Deine Stimme klingt nicht wie all die anderen.“

„Das ist richtig“, bestätigte der Unbekannte und zuerst rechnete Echo damit, dass dieser wieder abhauen würde, doch stattdessen blieb er noch und erklärte „Es gehen einige seltsame Dinge hier in Efrafa vor sich und ich will herausfinden, was es ist. Ich habe es einfach mal für klüger gehalten, dich aus der Gefahrenzone rauszuholen. Je weniger du weißt, desto besser ist es.“

„Und wer bist du? Wer war die Frau gerade eben und wieso hast du mich versteckt?“

„Meinen Namen kann ich nicht nennen, aber einige nennen mich den Schriftsteller.“ Schriftsteller? Das klang irgendwie nach Morph, der ja Journalist war. Aber… arbeitete dieser Schriftsteller wirklich mit ihm zusammen? „Arbeitest du für Morph?“ „Nein, aber mein Freund ist sozusagen ein Fan von ihm“. Diese Stimme klang männlich, knapp 25 bis 28 Jahre alt. Morph ertastete schlanke und vielleicht etwas zierliche Finger. Und aus der Stimme konnte er zumindest heraushören, dass diese Person keine bösen Absichten hegte, oder zumindest nicht feindselig war. Doch wirklich beruhigte ihn das auch nicht, denn er verstand überhaupt nicht, was hier vor sich ging. „Und wer war diese Frau gerade eben?“

„Eine sehr gefährliche Person, die zu allem bereit ist. Aber keine Sorge, die kommt so schnell nicht wieder. Fürs Erste hast du nichts zu befürchten. Aber sag mal, was machst du noch um 3 Uhr morgens denn hier auf dem Flur?“ Was? Drei Uhr war es schon? Oh Mann, er hatte aber auch echt ein miserables Timing, was das Aufstehen betraf. „Ich musste zur Toilette und wollte danach zu Morph.“

„Ach so“, meinte der Unbekannte daraufhin und klopfte ihm auf die Schulter. „Soll ich dich eben hinbringen, oder findest du alleine hin?“ „Ich komm schon klar“, antwortete Echo und ertastete dann wieder mit seinem Blindenstock den Weg. „Dann ist ja gut“, sagte der Unbekannte schließlich und Echo hörte, wie er davonging. „Dann wünsche ich eine gute Nacht und noch etwas: bleib nachts besser im Bett. Kinder sollten sich nicht draußen herumtreiben, wenn die seltsamsten Gestalten hier herumschleichen. Aber zumindest kannst du dich ja auf dein Gehör verlassen. Die Nacht, die uns der Augen Dienst entzieht, macht, dass dem Ohr kein leiser Laut entflieht. Was dem Gesicht an Schärfe wird genommen, muss doppelt dem Gehör zugute kommen. Und es wird nach Nacht noch Tag, selbst wenn der Hahn nicht kräht.“ Irgendwie kam Echo das mit dem Hahn bekannt vor. Das stammte doch von Shakespeare, oder nicht? Welcher Insasse zitierte denn noch mal von Shakespeare und anderen Werken? Tja, das fiel ihm leider nicht mehr ein und so beschloss er, lieber schnellstens zu Morph zu gehen, bevor er noch ungewollt in irgendetwas verwickelt wurde. Zwar konnte er sich nachts ganz gut auf sein Gehör konzentrieren, weil es so wenig Störfaktoren gab, die ihn irritieren konnten. Aber irgendwie fühlte er sich in dieser Nacht einfach nicht wohl in seiner Haut und deshalb war er auch froh, als er Morphs Zimmer erreichte. Leise öffnete er die Tür und trat ein. Dem Rhythmus seines Atems zufolge schlief dieser gerade, also war Echo nun umso leiser und tastete sich an sein Bett heran. Doch egal wie lautlos er war, er konnte trotzdem nicht verhindern, dass Morph aufwachte, als er zu ihm ins Bett kroch. Verschlafen setzte sich der Japaner auf und rieb sich die Augen. Es war stockfinster im Raum, nur die LED-Anzeige des Weckers gab ein schwaches Licht ab. „Echo… was ist los?“

„Kann ich bei dir schlafen?“

„Klar, kein Problem“, murmelte der 27-jährige müde und rückte etwas zur Seite, damit auch Echo Platz hatte. Dann legte er einen Arm um den blinden Teenager und drückte ihn fest an sich. Diese Nähe und Geborgenheit gaben dem 16-jährigen wieder etwas Ruhe und Sicherheit zurück und so dauerte es nicht lange, bis er eingeschlafen war, genauso wie Morph. Ruhe und Stille herrschte in Efrafa und es war eine außergewöhnlich friedliche Nacht, in der es keinen Angriff gab, kein Alarm ausgelöst wurde und die einzigen Geräusche stammten von den Nachtwachen, die durch die Gänge patrouillierten. Aber selbst die wurden nachlässig und so war es ein leichtes für Horace, diese zu umgehen. Er kam zum vereinbarten Treffpunkt, wo Rhyme bereits ungeduldig wartete. Nervös blickte sich der Weißhaarige um und man sah ihm an, dass Helmstedter ihn wieder ziemlich bearbeitet hatte. An Rhymes Handgelenken waren Abschürfungen, die von Fesseln herrührten und er war auch im Gesicht verletzt worden. Auch sonst schien es ihm schwer zu fallen, sich richtig zu bewegen. „Du bist spät“, bemerkte der Weißhaarige mit den magentafarbenen Augen. „Was hat dich aufgehalten?“ „Echo ist durch die Gänge geschlichen und ich wollte nicht, dass er ihr über den Weg läuft. Deshalb bin ich ein klein wenig spät. Und wie steht es mit dir? Du siehst gar nicht gut aus. Hat Helmstedter dir das wieder angetan?“ Rhyme antwortete nicht, er wollte auch nichts dazu sagen und drückte Horace einen Briefumschlag in die Hand. „Das ist alles, was ich an Informationen zusammentragen konnte.“

„Wie hast du…“

„Ich hab getan, als wäre ich in Ohnmacht gefallen und als Helmstedter den Raum verlassen hat, habe ich so schnell ich konnte alles durchsucht und hinterher aufgeschrieben, was ich als wichtig erachtet habe. Darunter habe ich einige Aufzeichnungen über ein Projekt namens Memoria gefunden. Es geht wohl um die Erforschung von Erinnerungen und des Bewusstseins. Und auch zu Boneshield und Deus Ex Machina. Nur zu Umbra habe ich noch nichts finden können. Ich bleib aber dran.“ Das war doch schon mal sehr hilfreich. Horace war mehr als zufrieden damit und wusste, dass insbesondere Kaonashi mehr über Boneshield herausfinden wollte. So viele Informationen hatten sie schon lange nicht mehr bekommen. Dann aber fiel Rhyme noch etwas ein, was er als nennenswert erachtete. „Diese Aufzeichnungen hatten nicht bloß allein Helmstedters Unterschrift. Es sieht so aus, als würde er jedes Mal ein Kürzel benutzen, was ich aber noch nicht ganz einordnen kann. Und das sind die Buchstaben B.C.“ B.C.? Damit konnte Horace erst mal nichts anfangen und das Einzige, was ihm dazu einfiel, war Before Christ und das konnte es ja nicht sein. Vielleicht war es für ihn ein Vermerk. Auf jeden Fall sollten sie das im Auge behalten, denn nichts, was Dr. Hinrich Helmstedter niederschrieb, war unbedeutend. Dazu war dieser Mann einfach zu gefährlich. „Okay“, sagte Horace schließlich und steckte den Umschlag ein. „Dann bin ich wieder weg. Und du passt auf dich auf, okay? Wir arbeiten weiter dran und bald bekommen wir noch zusätzliche Verstärkung nach Down Hill. Dann bringen wir Helmstedter und all die anderen um, die auf unserer Liste stehen. Lange wird es nicht mehr dauern, versprochen.“

„Ich komm schon klar“, versicherte Rhyme und lächelte. „Ich habe schon viel Schlimmeres durchgestanden, da ist das hier noch ganz gut zu ertragen. Und hat Kaonashi seinerseits neue Infos?“

„Ja. Mello ist jetzt unser Informant, damit wir herausfinden, was Matt für eine Rolle in Helmstedters Plänen spielt und ob der Doktor ihn vielleicht einer Hirnwäsche unterzogen hat. Vielleicht finden wir so über Umwege mehr raus. Aber sag Mello nichts von deiner Rolle. Je weniger er weiß, desto besser. Immerhin hat es fast ganz Efrafa auf ihn abgesehen und es wäre nur riskant für uns.“ Rhyme nickte und sah sich unruhig um. Wenn sie irgendjemand belauschte, dann war es aus und alles flog auf. Deswegen war es umso ratsamer, bloß vorsichtig zu sein. „Noch etwas: ich weiß nicht, ob ich mir nur irgendetwas zusammenreime, aber es gibt tatsächlich einige Hinweise in Helmstedters Aufzeichnungen, die bestätigen, dass es bald einen vierten Magnum Opus geben wird und dass sich dieser noch in der Entwicklung befindet.“

„Was?“ Nun entglitten Horace fast die Gesichtszüge, als er hörte, dass Helmstedter trotz ihrer Überwachungen und Sabotageaktionen dennoch einen weiteren Übermenschen heranzüchten wollte. „Verdammt… das hat uns noch gefehlt. Und hat der Magnum Opus schon eine Bezeichnung?“ „Leider nein, aber ich bleib dran. Ich glaub, du solltest jetzt besser gehen. Christine kommt gleich her, um hier ihren Rundgang zu machen.“ Horace nickte und verabschiedete sich, dann eilte er den Gang entlang, aus dem er gekommen war und kletterte in den nächsten Lüftungsschacht. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um diese neue Entwicklung und sein Magen verkrampfte sich. Allein der Gedanke, dass es bald noch einen Magnum Opus gab, war beängstigend. Die ersten beiden waren ja noch menschlich und stellten keine Gefahr dar. Doch Umbra war anders. Es war unmenschlich und mörderisch veranlagt. Es kannte weder Freund noch Feind, nur potentielle Beute. Und nun sollte es bald noch einen geben. Wenn dieser sogar noch gefährlicher wurde als Umbra, dann konnte es noch sehr gefährlich werden. Und dabei hatten sie wirklich alles getan, um genau das zu verhindern und nicht zuzulassen, dass noch eine solche Killermaschine herangezüchtet wurde. Aber so wie es aussah, hatten ihre Mühen nichts gebracht. Blieb nur zu hoffen, dass sie es wenigstens verhindern konnten, dass der Magnum Opus, oder auch M.O. genannt, nicht einsatzbereit gemacht wurde. Denn einen Kampf gegen ein solches Wesen konnte man nur schaffen, wenn man selbst einer war.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, damit geht auch der dritte Teil von Down Hill zu Ende und es sind immer noch viele Fragen ungeklärt. Wer ist B.C., welche Funktion hat Projekt Magnum Opus und was für Pläne verfolgt Dr. Helmstedter und welche Rolle spielt Birdie in diesem Spiel? Fragen über Fragen, die nur langsam beantwortet werden und keiner ahnt, dass die Unruhe in Efrafa erst der Anfang ist.

Im nächsten Teil geht es natürlich spannend weiter, aber ich muss euch schon mal vorwarnen: Teil 4 wird noch ein paar Tage auf sich warten lassen müssen, weil ich nämlich derzeit ziemlich viel Arbeit habe und erst noch schauen muss, wie ich das alles organisiert bekomme. Aber keine Panik! Es geht bald weiter und dann wird Mello endlich dem geheimnisvollen „Nine“ gegenüberstehen, der mehr über Wammys House und L’s Tod zu wissen scheint. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  San-Jul
2015-05-23T15:57:02+00:00 23.05.2015 17:57
Wow,
mir tut Matt leid, ich hoffe es geht ohm bald besser :)
Und es gibt immer mehr fragen. Yay, es wird immer spannender.
Es wäre wirklich passend, wenn dieser "nine" einer wäre, der direkt mit dem Wammy Hause und dem Kira Fall in Verbindung stand. Vollkommen Ironisch wäre es, wenn es Light wäre xD
Ist doch nicht schlimm, dass es etwas dauert. Du kannst dir ruhig zeit lassen :)
Ganz liebe Grüße San-Jul
Antwort von:  Sky-
23.05.2015 18:00
Nein, es wird nicht Light sein, weil es ja nicht ganz logisch wäre. Immerhin hat Kira ja die ganze Welt unterjocht und eine Diktatur aufgebaut. Da wäre es nicht sonderlich sinnvoll, wenn er plötzlich im Gefängnis wäre. Aber... ich will auch nicht zu viel spoilern. Die wahre Identität von Nine wird allerdings nicht direkt offenbart. Es gibt aber viele Andeutungen. Er selbst bezeichnet sich als L's Schatten, der sein Erbe weiterreichen soll. Sein vollständiger Deckname "Fourty-Nine" also 49) ist auch eine Anspielung. Es darf also schön gerätselt werden.
Antwort von:  San-Jul
26.05.2015 18:08
Ich muss dir jetzt mal meine Theorie unterbreiten:
Also der kleine, weiße Giftzwerg (ich hab den Namen vergessen XD) hat den Kampf gewonnen und denkt sich Light´s Idee war ganz gut, lass uns das doch weiter führen und ist jetzt Kira. Natürlich hat Light überlebt und der Giftzwerg hat ihn, um´s zu vertuschen, ihn das Gefängnis gestecket.
Zu 49:
Es ist L´s Sohn, den er mit Beyond hatte XD (es sind Ferien und ich hab bald Prüfungen und laber ständig so nen Blödsinn XD)
Aber es könnte wirklich L´s Sohn sein, oder sein verschollender Bruder (am Ende ist es Light´s Kind, dass er mit Misa hat, aber dafür wäre er ein bissl zu jung) oder es ist Watari XD
Ach nach dem Ausbruch treffen sie Light? Das wäre echt cool, aber dann mit nem richtig genialen BUUMM und Explosionen und Waffen und ja ;)
Ok, ich bin einfach zu durch für den Tag XD
Ganz liebe Grüße
San-Jul


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