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Down Hill 3: Crisis

von

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Ein rettender Anker

Christine hatte sich geräuschvoll auf einem Stuhl niedergelassen, ihre Gatling beiseite gelegt und dankend das Glas Schnaps angenommen, welches Hiram ihr reichte. Sie stürzte es in einem Zug runter und goss sich gleich noch was hinterher. „Du trinkst in der letzten Zeit viel, Reesa“, bemerkte Hiram und griff statt zum Alkohol lieber zu einer Zigarette. „Und du siehst auch sonst nicht gut aus. Der Stress da oben und diese ganzen Kämpfe müssen dich belastend für dich sein. Vielleicht wäre es besser, ich übernehme deinen Posten da oben und du dafür meinen hier und kommst dann endlich mal zur Ruhe.“ Besorgt betrachtete Hiram seine Kollegin, die für ihn eher eine langjährige Freundin war, mit der er sehr viele Erlebnisse teilte. Auf dem Schlachtfeld hatten sie des Öfteren mal zusammen gekämpft, auch wenn sie in zwei verschiedenen Einheiten waren, die zu Phoenix gehört hatte. Aber er sah sich auch nicht nur als guter Freund, sondern auch als jemand, der sich um sie sorgte. Denn er wusste von Christines selbstzerstörerischen Gedanken und ihren Problemen. Er versuchte so gut es ging ein Stück weit auf sie aufzupassen und ihr zu helfen. Doch das Problem war, dass sie keine Hilfe wollte. Sie hatte sie noch nie gewollt, weil sie alles alleine regeln und niemanden ihre Angelegenheiten hineinziehen wollte. „Das Thema hatten wir doch schon, Vincent“, seufzte die Soldatin und stützte müde ihren Kopf auf die Hand. „Da oben wird ein Anführer gebraucht, der deutlich den Ton angibt, damit kein Chaos ausbricht. Und mit dieser Ruhe komme ich einfach nicht zurecht. Das ist nicht mehr meine Welt und es ist das Einzige, was ich noch kann.“

„Aber es zerfrisst dich. Damals wolltest du doch unbedingt weg vom Schlachtfeld und ein Leben als einfache Frau führen. Was passiert ist, das war schrecklich und ich weiß, dass du dir immer noch die Schuld gibst. Insbesondere die Sache mit Amir. Aber du kannst nichts dafür. Es war ein Unfall!“

„Ein Unfall?“ rief Christine beinahe aufgebracht. „Ich hab ihn erschossen, Vincent. Er wollte mir nur helfen und ich hab ihn erschossen, verdammt. Wäre dieser scheiß Tötungsreflex nicht gewesen, dann wäre das alles nicht passiert. Scheiße noch mal Vincent, ich hab meine eigenen Kameraden getötet. Meine ganze Einheit musste sterben, weil ich Amir und sein Dorf beschützen wollte. Hätte ich mich nicht auf ihn eingelassen und wäre ich wegen meiner Schwangerschaft nicht aus dem Dienst ausgetreten, um bei ihm zu leben, dann wäre Operation Nemesis nicht eingeläutet worden. Niemand verlässt Einheit Phoenix… Das ist ihr unumstößliches Gesetz und ich war naiv zu glauben, dass es bei mir anders sein könnte.“ Ohne es zu wollen, war Christine laut und emotional geworden. Man konnte deutlich sehen, wie sehr es sie emotional mitnahm und dass sie diesen Schmerz selbst nach all den Jahren noch nicht überwunden hatte. Dazu waren die Wunden in ihrer Seele einfach zu tief. Und doch hatte sie niemals eine Träne vergossen. Nicht einmal beim Tod ihres Mannes. Denn sie hatte nie gelernt zu weinen. „Ich habe wirklich alles verloren, nur weil ich als einfache Frau leben wollte. Ich habe all meine Freunde und Kameraden und meinen Ehemann getötet und durch den Bauchschuss habe ich mein Kind verloren. Es gibt für mich einfach nichts mehr, was mir noch einen Sinn zum Weiterleben gibt. Nacht für Nacht träume ich von diesen schrecklichen Bildern. Frauen, die sterben, weil sie versuchen, mit ihren Kindern zu fliehen. Immer wieder höre ich ihre Schreie und sehe die Angst in ihren Augen. Immer noch rieche ich das Blut, das an meinen Händen klebt und selbst jetzt noch sehe ich Amir vor mir, wie er blutend auf dem staubigen Boden liegt und stirbt.“ Natürlich war Hiram klar gewesen, dass Christine das alles noch verfolgte. Es war einfach zu traumatisch gewesen das Ganze. Sie hatte Phoenix verlassen, obwohl ihr Körper extra für den Krieg modifiziert worden war, genauso wie seiner. Sie alle waren mit übermenschlicher Stärke und Ausdauer ausgestattet worden, um die perfekten Soldaten zu sein. Aus diesem Grund war Phoenix ins Leben gerufen worden. Es sollte die perfekte Waffe für den Krieg sein. Christine war die Beste von allen gewesen. Loyal, eine wahre Anführerin und gefühllos und kompromisslos im Kampf. Das Töten war für sie zum Reflex geworden und sie hatte nie etwas anderes gelernt. Sie war eine lebende Killermaschine gewesen. Bis sie dann Amir kennen lernen musste. Ein Zivilist in einem kleinen afghanischen Dorf, in den sie sich schließlich verliebt hatte. Doch solche Gefühle duldete Phoenix nicht. Es machte sie schwach. Also hatte Christine der Einheit den Rücken gekehrt, weil ihr Wunsch nach einem stabilen Leben größer gewesen war und sie etwas anderes erleben wollte, als nur den Tod. Sie war sogar schwanger geworden und hatte Amir geheiratet. Doch Phoenix war nicht bereit, ihren Ausstieg zu akzeptieren. Niemand verließ die Einheit… zumindest nicht lebend. Und deshalb schickte man ihr eigenes Team los, um das Dorf zu zerstören. Christine hatte reagiert, wie eine Soldatin reagierte, die nur das Kämpfen und Töten gelernt hatte. Sie war ihnen bewaffnet entgegengetreten und hatte sie alle getötet und die Wagen und Panzer zerstört, weil sie wusste, dass ihre Einheit auch vor den Zivilisten nicht Halt gemacht hätte. Sie hätten das ganze Dorf dem Erdboden gleich gemacht. Und um all diese Leute zu schützen, hatte Christine ihre eigenen Freunde getötet. Freunde, mit denen sie zusammen aufgewachsen war, nachdem sie als kleines Mädchen von Phoenix rekrutiert wurde. Kameraden, mit denen sie zusammen gelernt und gelacht und ihre ganze Jugend verbracht hatte. Sie waren ihre Familie gewesen. Und diese hatte sie ohne zu zögern getötet, um ihre andere zu beschützen. Doch dann hatte eine Kugel sie in den Unterleib getroffen und das Leben ihres Ungeborenen eingefordert. Verletzt war sie zusammengebrochen und Amir war zu ihr geeilt, um ihr zu helfen. Und das war sein Todesurteil gewesen. Er war von hinten gekommen, wo sie ihn nicht sehen konnte, was ein Fehler war. Dann hatte er sie an der Schulter berührt, während sie schwer verletzt und noch völlig im Rausch des Kampfgeschehens war. In dem Moment hatte ihr Reflex wieder eingesetzt. Dieser verdammte Reflex, sofort zu töten. Jeder normale Mensch hätte anders reagiert. Er hätte sich erschrocken umgedreht und vielleicht sogar die Hand weggeschlagen. Aber das war Christine einfach nicht in den Sinn gekommen, weil ihr seit ihrer Kindheit mit aller Gewalt und Grausamkeit eingedrillt worden war, sofort zu töten. Und so hatte ihr Körper einfach von allein reagiert und sie hatte geschossen. Die Kugel hatte direkt sein Herz getroffen und ihn auf der Stelle getötet. Das war der Moment gewesen, in dem Christines Leben vorbei gewesen war. Sie hatte ihre Freunde und Kameraden, ja ihre Familie getötet um ihren Ehemann und ihr ungeborenes Kind zu schützen. Und letztendlich war Amir durch ihre eigene Hand gestorben. Hiram kannte ihre Geschichte, immerhin hatte er Christine zur Flucht verholfen, als er erfahren hatte, was geschehen war. Er war mit seiner Einheit in den Irak beordert worden und auch er hatte all seine Kameraden verloren, während er selbst von einem Granatsplitter am Kopf getroffen wurde. Schließlich waren sie beide hier gelandet. „Reesa…“ Christine senkte den Blick und schwieg, dann aber holte sie eine Pistole hervor, entsicherte sie und hielt sie sich an die Schläfe. Mit ruhiger Stimme sprach sie „Immer und immer wieder habe ich es versucht, Vincent. Jeden Tag hab ich mir die Waffe an den Kopf gehalten und mir gedacht: drück ab und es ist endlich vorbei. Dann musst du nie wieder diese schrecklichen Bilder sehen und nie wieder das Geschrei von sterbenden Menschen hören. Ich habe niemals jemanden vergessen, den ich getötet habe, oder der an meiner Seite gestorben ist. Das ist meine Bürde. Aber… manchmal wünschte ich mir einfach, es wäre vorbei. Und dazu brauche ich nur den Abzug zu drücken. Ich versuche es wirklich, aber ich schaffe es einfach nicht. Ich bin einfach zu feige zum Sterben.“ Hierauf ergriff Hiram vorsichtig ihre Hand, mit der sie die Pistole festhielt und legte sie auf den Tisch, um sie davon abzuhalten, sich hier jetzt gleich umzubringen. „Du bist nicht feige. Du kannst es nur nicht tun, weil es irgendwo noch etwas geben muss, das dich an dieses Leben hält, auch wenn du es vielleicht nicht direkt siehst. Das beweist, dass du dich selbst noch nicht aufgegeben hast.“

„Wie schaffst du das nur, so stark zu bleiben? Dabei hast du nicht weniger schreckliche Bilder gesehen als ich.“

„Weil ich etwas habe, das mir die Kraft gibt, nicht aufzugeben und stark zu bleiben.“

„Etwa Leaks? Ist er dein rettender Anker?“

„So wie Amir es für dich war. Leaks ist nicht gerade stark und sehr klein geraten. Außerdem wirkt er bereits vom Aussehen her schon sehr jung und weckt eben gewisse Beschützerinstinkte. Ich liebe ihn und er gibt mir das Gefühl, dass ich auch etwas anderes bin als ein Soldat. Nämlich ein Mensch, der lieben und geliebt werden will. Er ist meine Lebenskraft. Und ich bin mir sicher, dass auch du sie noch finden kannst. Nicht alle Männer in Down Hill sind von Grund auf schlecht und du kannst noch mal neu anfangen.“

„Mach dich nicht lächerlich, Vince. Ich bin 42 Jahre alt, eine ausrangierte Soldatin und Schwerkriminelle, ich kann keine Kinder mehr gebären und psychisch bin ich ein komplettes Wrack, was sich nur noch mit Mühe und Not zusammenhalten lässt. Mein Leben ist vorbei und ich habe schon längst die Hoffnung auf ein normales Leben aufgeben. Für mich gibt es nur noch eines, was ich mir wirklich wünsche.“

„Und das wäre?“

„Ich will als Mensch sterben und nicht als Kriegsmaschine, zu der mich Phoenix gemacht hat. Das ist alles, was ich noch will. Ich bin nicht so stark wie du, Vincent. Ich kann nicht noch mal die Kraft aufbringen, um von vorne anzufangen und das alles hinter mir zu lassen. Glaub mir, ich habe es wirklich versucht. Aber selbst in einem ruhigen Umfeld verfolgt mich das alles noch.“

„Weil du Hilfe brauchst, Reesa“, erklärte er und nahm ihre Hand, was eine sehr freundschaftliche Geste war, die ihr Beistand vermitteln sollte. „Du leidest unter schweren Kriegstraumata. Posttraumatische Belastungsstörung ist etwas, was fast alle Soldaten im Außeneinsatz erwartet. Sie halten nur sechs Monate auf dem Schlachtfeld durch und wenn sie zurückkommen, ist die Welt, in der sie aufgewachsen sind, nicht mehr ihre Welt. Sie werden die ständige Angst nicht los und werden von all den Bildern verfolgt, die sie gesehen haben. In dem Fall kann ich dir leider auch nicht helfen, Reesa. Auch wenn ich es gerne würde. Aber bitte versprich mir, dass du die Selbstmordversuche sein lässt, ja? Dein Leben ist viel zu wertvoll, um es zu beenden und du bist nicht feige. Du läufst niemals weg, nicht mal vor dem Leben. Ich bin gerne als guter Freund für dich da, das hab ich dir damals schon versprochen und ich meine es ernst. Ich…“ Es klopfte an der Tür und Spencer, einer von Hirams Leuten kam herein. „Entschuldige Hiram, wir brauchen deine Hilfe beim Verladen.“ „Ich komm schon.“ Damit erhob sich der Riese und ging zur Tür, wandte sich aber dann noch mal an Christine. „Habe ich dein Versprechen?“

„Ich werde es versuchen“, antwortete sie nur und damit gab er sich erst mal zufrieden.
 

Horace war gerade dabei, seinen Text für die Vorstellung zu proben und war in einem leidenschaftlichen Monolog, wie man es von Hamlet und seinem Zitat „Sein oder nicht sein – Das ist hier die Frage!“ her kannte. Doch er wurde mittendrin unterbrochen, als die Tür aufging und Kaonashi mit einem genervten Seufzer hereinkam. „Was ist mit dir los?“ fragte der Schauspieler überrascht. „Ich dachte, du wolltest ein wenig lesen.“ „Wie denn, wenn sich Clockwise in den Kopf gesetzt hat, einen Episodenmarathon mit My Little Pony anzufangen? Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass er sich diese ganzen Märchenfilme ansehen muss, nein jetzt kommt er mit Ponys und Einhörnern, Pegasi und Pegasuseinhörnern an und das ist mir entschieden zu viel des Guten. Manchmal frage ich mich echt, was in seiner Birne vor sich geht.“ „Lass ihn doch. Er liebt es eben kitschig“, meinte Horace nur und nahm das Ganze deutlich gelassener hin. „Er ist mit seinem rosaroten Regenbogeneinhornmärchentraumland glücklich und allein darauf kommt es ja an.“ Da er die Probe wohl vergessen konnte, ließ er es dann doch sein und legte seinen Text beiseite. Stattdessen ging er zum Kühlschrank hin und holte für Kaonashi Milch heraus. „Hast du schon gehört? Dein kleiner Liebling ist noch mal mit einem blauen Auge davongekommen. Sie haben ihn nach Efrafa I gebracht und er ist jetzt zu Matts kleinem Petboy geworden.“

„Trifft sich doch ganz gut“, meinte Kaonashi und trank die Milch aus. „Das erspart uns zumindest den Aufwand, ihn zu befreien. Ich sehe, auf deine Einschätzung kann ich mich eben verlassen.“ Schließlich setzten sie sich beide aufs Sofa und Kaonashi sah sich den Text an. „Ach, willst du heute Abend Hamlet aufführen? Und ich dachte echt, du würdest dich für MacBeth entscheiden.“ „Den hatten wir doch schon letzten Monat, das wäre doch langweilig. Aber ich muss zugeben, dass ich die Rolle des MacBeth liebe.“ Und als wäre das eine indirekte Ankündigung gewesen, erhob er sich und nach einem kurzen Räuspern begann er tief Luft zu holen und seine Miene so zu verfinstern und sich stolz aufzurichten, sodass man wirklich glauben konnte, man hätte einen stolzen schottischen König vor sich, der das Wort an sein Volk richten wollte.
 

„Morgen, und morgen, und dann wieder morgen,

Kriecht so mit kleinem Schritt von Tag zu Tag,

Zur letzten Silb' auf unserm Lebensblatt;

Und alle unsre Gestern führten Narr'n

Den Pfad des stäub'gen Tods. – Aus! kleines Licht! –

Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild;

Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht

Sein Stündchen auf der Bühn', und dann nicht mehr

Vernommen wird: ein Märchen ist's, erzählt

Von einem Dummkopf, voller Klang und Wut,

Das nichts bedeutet.“
 

Beeindruckt von der Leidenschaft des Vortrages klatschte Kaonashi ihm Beifall. „Ich kenne kaum Schauspieler, die mich so überzeugen können“, lobte er und so setzte sich Horace wieder neben ihn. Zufrieden lächelnd darüber, dass er seine Arbeit gut gemacht hatte. Ja er war Schauspieler mit Leib und Seele und übernahm meist die Rolle des Gegenparts im Drama, während Clockwise immer die tragischen Helden spielte. Es kam aber auch sehr oft vor, dass Clockwise aufgrund seiner ohnehin schon etwas androgynen Erscheinung einfach in die Frauenrollen schlüpfte, eben weil es keine weiblichen Darsteller gab. Aus der Festung wagten sich die Frauen kaum raus, weil sie wussten, dass die Männer wie die Raubtiere über sie herfallen würden. Und Christine besaß nicht die geringste Leidenschaft für derlei Dinge. „Du hast wirklich Talent“, sagte Kaonashi schließlich, doch Horace ahnte bereits, dass sein maskierter Freund auf etwas Bestimmtes hinaus wollte. „Du kannst dein Umfeld perfekt täuschen und kannst selbst nicht getäuscht werden. Manchmal frage ich mich ob das Gesicht, welches du mir zeigst, wirklich dein wahres ist, oder ob es nur sehr gut geschauspielert ist.“ Das wollte Horace nun nicht auf sich sitzen lassen. Er drückte Kaonashi runter und beugte sich über ihn, wobei er wie immer diesen leicht verschlagenen Gesichtsausdruck hatte, welcher oft den Eindruck vermittelte, als würde er etwas aushecken. „Du kennst doch mein wahres Selbst, Kao. Ich hab es dir doch schon oft genug gezeigt und ich zeig es dir gerne wieder.“ Damit schob er ihm die Maske hoch, beugte sich zu ihm herunter und küsste ihn. „Aber du bist nicht der Einzige in Down Hill, der eine Maske trägt. Nur hat meine Maske einen anderen Namen. Und nur du darfst hinter diese Maske sehen, sonst niemand. Die Einzigen, die sich nicht wirklich die Mühe machen, eine Maske zu tragen, sind Rhyme und Clockwise. Die beiden sind einfach viel zu aufrichtig und gutherzig dafür.“ Schließlich aber seufzte er ganz überraschend und ging von Kaonashi runter. Dieser brauchte nicht großartig zu raten, um zu merken, dass sein Freund irgendwie frustriert war. Bevor er aber weiter darauf eingehen konnte, stand er auf und ging zu dem kleinen Kühlschrank hin und holte sich sein Sandwich raus, welches er sich als Snack für zwischendurch vorbereitet hatte. Sogleich kam von Kaonashi die Frage „Hast du auch eins für mich?“ da antwortete er konsequent „Nein, du hast immerhin noch deine Diät zu halten, bis sich dein Körper vollständig erholt hat.“ „Du bist ja fast genauso schlimm wie unsere Märchenprinzessin nebenan.“

„Weil ich als dein engster Freund und als dein Partner auch Verantwortung für dich habe. Ich weiß, dass du das nicht gerne hörst, aber dein Körper hat auch seine Belastungsgrenzen. Und insbesondere nach einem solchen Schub musst du deine Ernährung so umstellen, dass deine Knochen nicht den Geist aufgeben und du genug Energie bekommst. Und jetzt zieh nicht so ein Gesicht, es sind ja nur noch zwei Tage.“

„Woher willst du denn bitteschön wissen, was für ein Gesicht ich gerade ziehe?“

„Weil ich dich schon von klein auf kenne und weiß, wie du gestrickt bist. Schon damals warst du furchtbar rücksichtslos, was deine Gesundheit anging. Ich darf dich nur mal daran erinnern, als dich dieser Rottweiler damals fast totgebissen hätte, als du zehn warst. Jeder vernünftige Junge in deinem Alter hätte sich nicht mit einem angriffslustigen Kampfhund angelegt.“

„Was sollte ich den machen? Er hat Chris damals ins Bein gebissen und er war erst sieben. Wäre ich nicht dazwischengegangen, dann hätte dieses Mistvieh ihn gekillt.“ Ja das war auch typisch für Kaonashi. Wenn ihm jemand wichtig war, dann überlegte er nicht, sondern machte einfach, ganz egal wie groß die Gefahr auch war. Und nicht selten hatte sein extrem impulsives Verhalten zur Folge, dass er dabei selber in Gefahr geriet. Deshalb war Horace damals nie von seiner Seite gewichen, da er sich immer als Stimme der Vernunft sah und nicht selten Kaonashis Aktionen Einhalt gebieten musste. Vor allem, wenn dieser noch in eine Prügelei geriet, weil irgendjemand ihn zu sehr provoziert hatte. Als Kind war er wirklich ein kleiner Teufel gewesen. Aber seit jenem Tag, an dem Dr. Helmstedter ihr glückliches Leben zerstört hatte, hatte sich Kaonashi verändert. Er war nicht mehr so impulsiv und temperamentvoll wie damals. Er ging stattdessen auf Distanz, war ruhig geworden und eine gewisse innere Verschlossenheit hatte sich bemerkbar gemacht. Horace hatte es am deutlichsten gesehen, vor allem als er erkannt hatte, wie tief der Groll bei Kaonashi saß. Zeitweise hatte er wirklich Angst gehabt, dass sich sein Freund in diesem Groll vollständig verlieren und von ihm gänzlich vereinnahmt wurde und er nichts anderes mehr empfinden würde. Wahrscheinlich wäre es tatsächlich so gekommen, wenn er, Rhyme und Clockwise nicht als rettender Anker da gewesen wären. „Eines verspreche ich dir: sobald wir hier raus sind, werde ich ganz sicher keine Maske mehr tragen. Und du hoffentlich auch nicht.“ „Das wird eh nicht mehr nötig sein“, versicherte Kaonashi ihm. Daraufhin gab Horace ihm noch einen Kuss. Dieses Mal aber länger und leidenschaftlicher. „Deshalb hoffe ich natürlich, dass wir hier nicht mehr allzu lange festsitzen.“

„Da mach dir mal keine Sorge“, kam es von Kaonashi. „Ich hab den Komponisten unseres Teams bereits verständigt. Bei ihm bin ich mir sicher, dass er die kodierten Botschaften verstanden hat und sobald er die restlichen Angelegenheiten geklärt hat, stößt er zu unserer Gruppe dazu.“ Komponist? Horace wurde hellhörig und war sich erst nicht sicher, ob Kaonashi wirklich jene Person meinte. „Du… du hast ihn tatsächlich verständigt? Bist du dir da wirklich sicher, dass das so eine gute Idee ist? Ich meine, er hat doch eine Familie.“

„Es war sein eigener Wunsch gewesen“, erklärte der Maskierte ruhig. „Und er ist sich sicher, dass er mit seinem System den perfekten Fluchtweg aus Down Hill findet und wie wir bei der Vollendung unserer Rache vorgehen müssen. Außerdem ist er nicht auf den Kopf gefallen und weiß sich zu helfen und er hat genauso wie wir einen Grund, sich an den Helmstedters zu rächen. Immerhin haben sie seinen Bruder auf dem Gewissen.“ Zugegeben… Horace motivierte es schon deutlich mehr, wenn er daran dachte, dass der Komponist ihrer Gruppe bald als Verstärkung dazukommen würde. „Na mit ihm im Bunde dürfte es dann wirklich nur noch eine Frage von wenigen Tagen sein, dass wir hier rauskommen. Sag mal, was hat er denn all die Jahre getrieben?“

„Na was wohl? Seine Bude zugemüllt, sich von Junk Food ernährt, Ego-Shooter gezockt und mit Zahlen jongliert, wenn er nicht gerade dabei ist, Firmen abzuzocken und die Dozenten an der Uni mit seiner Art zur Verzweiflung zu bringen.“

„Ja… er ist wirklich ein schwieriger Charakter. Aber mit ihm dürfte der Ausbruch wohl kaum schief gehen. Bleibt nur zu hoffen, dass wir rechtzeitig erfahren, wann er hier auftaucht. Nicht, dass er noch in Schwierigkeiten gerät.“

„Ich werde mal versuchen, an Infos zu kommen. Nur ist es leider ziemlich schwer, Informationen von außen zu bekommen. Aber wenn ich was erfahre, sag ich dir schon Bescheid. Und nun…“ Damit war er es nun, der Horace auf die Couch niederdrückte. „Nun sollten wir endlich mal aufhören, nur über andere zu reden. Clockwise ist gerade beschäftigt und wir haben die Wohnung für uns.“ Doch so wirklich sah Horace nicht danach aus, als würde er in Stimmung sein. Und der Grund dafür lag klar auf der Hand. „Sorry Kao, aber deine Maske ist nicht gerade erotisch. Immer wenn ich sie sehe, kommt es mir so vor, als würde ein verrückter Serienmörder aus einem 80er Horrorfilm über mich herfallen.“

„Hey, du warst für das Design verantwortlich. Also beschwer dich mal nicht. Aber ich weiß schon, wie wir das Problem lösen können.“ Damit zog er seinen Gürtel aus und band damit Horace die Handgelenke über seinen Kopf zusammen. Danach legte er ihm eine provisorische Augenbinde an. „Was hältst du davon?“ Und mit einem zufriedenen Lächeln nickte Horace. „Ja, ich glaube das ist eine sehr gute Lösung. Und irgendwie macht es das auch spannend. Also dann… komm her und nimm mich!“ Und das ließ sich Kaonashi kein zweites Mal sagen.



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