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This Is Called Love

Kurzgeschichten Sammlung
von

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Abschied

Wir stehen Hand in Hand am Gate und beobachten die Flugzeuge. Sie werden be- oder entladen. Mit Fracht und Passagieren. Ich verstärke den Druck meiner Hand. Seine ist angenehm warm. Trotzdem habe ich Angst sie loszulassen. Nicht zu wissen was danach kommt. Ob er wieder zurückkommt oder nicht und wenn ja, lebendig oder tot?

„Ich werde dir schreibenˮ, meint er.

„Dafür wirst du doch gar keine Zeit haben.ˮ Ich ringe mir ein Lächeln ab und sehe zu ihm. Ihm geht es nicht anders. Sein erster Außeneinsatz. Natürlich ist er aufgeregt und nervös. Man kann noch so viel dafür trainieren, letztendlich ist man sich selbst überlassen. Im Kugelhagel zählt das alles nichts mehr. Da bist nur du und der hauchdünne Faden des Lebens, den jemand jederzeit durchschneiden kann. Und wenn ich das nicht will? Wenn ich so egoistisch bin und nicht loslassen will? Wenn ich will, dass er lebt und hier bei mir bleibt? Kann mir das jemand zum Vorwurf machen?

Geh nicht. Bleib hier. Bleib bei mir.

Egal wie oft ich es mir im Kopf sage, es kommt nicht über meine Lippen. Ich kann ihn nicht von seiner Entscheidung abhalten. Er will es tun. Er will helfen. Für sein Land und seine Leute. Er will den Menschen in den Krisengebieten helfen. Wie kann ich dann so egoistisch sein?

Deswegen lasse ich seine Hand noch nicht los. Ich muss sie spüren. Muss fühlen, dass er noch lebt. Wie sich seine Wärme auf meinen Körper überträgt. Von seiner warmen Hand auf meine, welche eiskalt ist.

Ich erinnere mich an letzte Nacht als er mich in den Armen gehalten hat. Ich wünschte, die Zeit wäre in dem Moment für uns beide für immer stehen geblieben, aber sie tickt unaufhörlich weiter. Tickt und tickt und tickt. Ohrenbetäubend laut in meinem Kopf. Jede Sekunde, die verstreicht rückt diesen unausweichlichen Moment näher heran. Diesen furchtbaren Moment des Abschieds.

Was soll ich dann tun? Wie soll ich die Leere füllen? Diese Ungewissheit ob er zu mir zurück kommt oder eben nicht? Ist das hier ein endgültiger Abschied?

„Du grübelst wieder zu viel, Markus.ˮ Er zerwuschelt mir die Haare. „Ich kann die kleinen Zahnräder in deinem Gehirn sehen. Die arbeiten schon die ganze Zeit.ˮ

Meine Lippen zittern. Ich räuspere mich und lächele ihm flüchtig zu. Nur nichts anmerken lassen. Ich sollte positiv denken und mir nicht das Schlimmste ausmalen.

Er wird zu mir kommen. Ich hoffe es so sehr. Was soll ich denn machen ohne ihn? Dann ist die Wohnung ganz leer. Vielleicht habe ich mal die Chance mit ihm zu skypen, aber das ist momentan eher Wunschdenken.

„Ist bald soweit.ˮ Milo sieht auf seine Uhr und streicht mit seinem Daumen über meine Hand. Meine Mundwinkel ziehen sich herunter. Meine Fassade brökelt und bekommt Risse. Tiefe Furchen, die sich durch meine aufgesetzte lächelnde Maske ziehen.

Der Kloß in meinem Hals lässt sich nicht herunterschlucken. Ich fühle mich elend zumute. Ich will seine Hand nicht loslassen. Gleich ist es vorbei, dann ist er weg und ich bleibe zurück. Ich schniefe und sehe starr aus der Fensterfront direkt vor uns. Kann der Flug sich nicht verspäten? Wieso kann es kein Unwetter geben damit alles abgesagt wird? Nur ein paar Minuten länger. Nur eine Minute. Das würde mir schon reichen.

„Es wird Zeit, Markus.ˮ Er dreht sich mir zu und lächelt kaum merklich. Ich kann ihm ansehen, dass es ihm genauso schwer fällt wie mir. Uns ist beiden nicht zum Lächeln zumute, trotzdem müssen wir irgendwie den Schein wahren um nicht wie kleine Kinder zu heulen und uns in den Armen zu liegen.

Er küsst mich und umarmt mich fest. Ich kann kaum atmen als er mich an sich presst. Es schmerzt, aber ich will nicht, dass er loslässt. Er hat längst losgelassen. Er hat meine Hand zuerst losgelassen.

„Milo. Ich will, dass du lebst!ˮ, flüstere ich ihm ins Ohr. „Tu alles um das da drüben zu überleben und dann komm zu mir zurück.ˮ Ich kann es nicht sehen, aber er lächelt. Er tut es. Ganz sicher. Ich spüre es. Zwischen den Tränen ist irgendwo ein Lächeln zu sehen.

Dann lässt er los und greift nach seinem Gepäck. Ich atme tief durch und sehe zu wie er zum Check-In geht. Vor dem Tunnel zum Flugzeug sehe ich ihn ein letztes Mal. Meine Hand ist eiskalt.



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