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This Is Called Love

Kurzgeschichten Sammlung
von

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Fly High

„Wer ist der Typ, der uns immer beim Hochsprung zusieht?ˮ, frage ich meinen Kumpel Tarek. Der Junge streckt seine Glieder und sieht zur Absperrung des Sportplatzes. Nicht weit von uns entfernt steht ein Junge, die Arme auf die eiserne Stange gestützt, sieht er gar nicht mal so übel aus wie ich feststelle. Selbst aus der kurzen Distanz kann man ihn gut erkennen. Er hat kurzgeschnittenes schwarzes Haar und einen blassen Teint. Die Augenfarbe kann ich von hier jedoch nicht sehen. Braun, vermute ich. Er trägt eine dunkelblaue Jeans und einen schwarzen Pullover und ziemlich nichtssagende Schuhe.

„Ist das nicht der Typ, der letztes Jahr diesen Unfall hatte? Ihm ist irgendetwas im Fuß gerissen. Seitdem kann er keinen Sport mehr machen. Der hat doch auch Hochsprung gemacht. Hab ihn schon öfter hier gesehen.ˮ Tarek sieht zu mir. „Ich glaube, der heißt Sören irgendwas...ˮ

„Aha...ˮ, erwidere ich und sehe zu dem Jungen. Täusche ich mich oder hat er unsere neugierigen Blicke bemerkt?

„Marius! Nicht unterhalten! Du bist dran!ˮ, ruft mein Sportlehrer ungeduldig. Ich sehe aufgeschreckt zu ihm und nicke. Ich gehe ein Stück zurück und nehme Anlauf. Ich renne auf die Latte zu. Kurz vor der Stange springe ich mit einem Bein ab und drehe meinen Körper. All die Kraft aus meinen Beinen nutze ich für diesen Sprung. Ich liebe diesen Rückwärtssprung. Für einen kurzen Moment ist nichts als den Himmel zu sehen und im freien Fall das Gefühl des Fliegens zu haben ist einfach genial. Ein Zauber, der leider nach wenigen Momenten sein jähes Ende findet. Ich spüre wie mein Fußballen die Stange berührt. Sie fällt aus der Halterung der beiden Ständer und in dem Moment wird mir klar, dass ich es mal wieder vergeigt habe.

Ich falle rücklings auf die weiche Matte und vorbei ist der Zauber. Seufzend setze ich mich auf und sehe zu dem Jungen. Wie hieß er noch gleich? Sören?

Er steht noch immer an Ort und Stelle und sieht zu mir. Keine Regung ist auf seinem Gesicht abzulesen. Ich rutsche von der Matte und stehe auf, während zwei Mitschüler die Stange wieder aufhängen.

Ich stelle mich an den Rand und sehe zu Tarek, der direkt nach mir dran ist. Er nimmt weniger Anlauf als ich und legt mehr Kraft in den Absprung. Liegt ihm einfach mehr als mir. Er kommt gut hoch und springt mit einer eleganten Fließbewegung über die Stange. Für einen Moment wirkt es, als würde er die Stange berühren, doch sie bleibt unbeweglich liegen. Er fällt auf die Matte und streckt beide Arme in die Höhe. Seine Hände sind zu Fäusten geballt und er jauchzt begeistert.

Ich ringe mir ein Lächeln ab. Es ist nur eine normale Sportstunde aber das heutige Resultat fällt bei mir ziemlich ernüchternd aus. Drei Sprünge und jedes Mal habe ich einen Fehler gemacht. Beim ersten Mal habe ich den Absprung vergeigt. Beim zweiten Mal hat der Anlauf nicht gestimmt und jetzt die Stange mit dem Fuß runterzureißen ist auch keine Glanzleistung.

Da die Stunde sich ihrem Ende nähert schlendere ich ziellos hin und her. Immer mal wieder fällt mein Blick auf den Jungen, der ab und an in meine Richtung sieht.

Dann pustet der Lehrer endlich durch die Trillerpfeife und wir sind erlöst. Die ersten stürmen vom Platz, andere haben es weniger eilig. Ist ja eh die letzte Stunde für heute. Ich bleibe zurück und winke Tarek kurz zu, der sich vom Acker macht.

Ich nehme in einem halbrunden Kreis Anlauf und setze zum Sprung an. Heute ist einfach nicht mein Tag. Ich springe voll gegen die Stange. Ich lande mit ihr ächzend auf der Matte und bleibe stöhnend liegen. So ein Mist!

Als ich Schritte höre sehe ich auf und robbe von der blauen Matte herunter.

„Soll ich dir helfen?ˮ Sörens Stimme klingt sehr tief, dass passt gar nicht richtig zu seinem Äußeren. Ich kratze mich verlegen am Hals, weil es mich schon ein wenig anturnt. Außerdem ist es peinlich, dass er diesen Sprung gesehen hat.

„Ja, danke.ˮ

Wir hängen die Stange wieder ein. „Du musst viel mehr Kraft in den Absprung legen und zieh die Füße höher. Du hältst sie nicht hoch genug.ˮ

Verblüfft sehe ich zu ihm. „Okay.ˮ

„Du konzentrierst dich viel zu sehr auf den Anlauf als alles andere. Du musst an den Sprung denken.ˮ

Ich nicke und versuche mich auf den Sprung zu fokussieren. Ich laufe leichtfüßig los und springe kräftig ab. Mein Körper fliegt schwungvoll hoch und über die Stange. Ich beuge den Rücken durch und blicke in den Himmel. Erst im letzten Moment fällt mir ein, dass ich die Füße hochziehen soll. Also höher als sonst. Es klappt und fassungslos falle ich auf die Matte.

Da. Sie hängt noch. Erstaunt sehe ich von der Stange zu dem Jungen. „Es hat geklappt!ˮ

Er lächelt was mir ein kurzes Kribbeln im Bauch beschert. Oder liegt das an dem gelungenen Sprung?

Selig lächelnd bleibe ich liegen und strecke alle Viere von mir. Ich sehe zum Himmel und Glücksgefühle durchströmen meinen Körper.

„Ruh dich nicht darauf aus.ˮ Ich hebe den Kopf an. „Du musst am Ball bleiben und trainierenˮ, meint Sören.

„Woher weißt du, dass mir so viel daran liegt? Am Hochsprung, meine ich.ˮ Fragend sehe ich ihn an.

„Ich konnte es dir ansehen, außerdem bist du immer noch hier. Die anderen sind schon alle längst weg.ˮ

„Ich könnte auch ehrgeizig sein.ˮ

„Wegen einer läppischen Stunde mit Hochsprung? Wohl kaum. Oder doch?ˮ, fragt er grinsend.

Ich setze mich auf. „Ich mag diesen einen kurzen Moment, wenn man das Gefühl hat frei zu schweben und zu fliegen und dabei in den hellblauen Himmel sieht.ˮ

Ich halte inne und sehe zu Sören. „Sorry, ich bin hier am Schwärmen und du kannst ja gar nicht mehr springen.ˮ

„Ach, dann hast du es also schon gehört?ˮ, fragt er und setzt sich zu mir. Ziemlich dicht sogar, wie mir auffällt.

„Ja.ˮ

„Ich hatte einen ziemlich schweren Unfall. Das mit dem Fuß hat sich irgendwie nie gebessert. Bei Wetterumschwung schmerzt es manchmal so stark, dass ich kaum laufen mag.ˮ Er ringt sich ein Lächeln ab. Der Ärmste. Er will Sport machen und kann es nicht. Das ist doch unfair.

„Komm her!ˮ, fordere ich ihn auf und klopfe neben mir auf die Matte. Er sieht mich an, tut dann aber was ich von ihm verlange.

Ich lege mich rücklings hin und Sören ebenfalls. Wir starren in den beinahe wolkenlosen, blauen Himmel. „Schön...ˮ, sagt Sören.

„Ja, nicht wahr? Fast wie beim Sprung. Kannst du dich noch an das Gefühl erinnern?ˮ

Als ich zu ihm sehe hält er die Augen geschlossen und lächelt versonnen. „Ja, ich spüre es.ˮ

Ich grinse und sehe dann zu ihm, als er mich ansieht. Alles auf eine Karte setzend rücke ich näher zu ihm und drücke ihm einen spontanen Kuss auf die Lippen. Keine Ahnung was mich gerade überkommt. Der Moment hat sich eben angeboten und Sören sieht ja auch ganz hübsch aus. Wieso also nicht?

Sören blickt mir verblüfft in die Augen, sagt jedoch nichts. „Äh...sorry?ˮ, füge ich noch hastig hinzu.

Ein Schmunzeln schleicht sich auf seine Lippen. „Ist ja keiner hier der uns zusehen kann.ˮ

Also stört es ihn nicht? Wer hätte das gedacht. Hätte auch in die Hose gehen können.

Ich rücke also noch näher an ihn heran und küsse Sören ermutigt ein weiteres Mal. Er legt mir die Hand an den Hals, presst sich an meinen Körper und erwidert den Kuss. Jetzt bin ich aber doch verblüfft. Hat er mir verschwiegen, dass er in seiner Freizeit Jungs vernascht? Ist er auch schwul?

Mein Gehirn schaltet sich dann aber doch aus. Wir liegen eng umschlungen auf der Matte und küssen uns, während die Hände auf Wanderschaft gehen bis Sören nach einer Weile ganz über mich klettert und sich auf mich legt. Als er mich am Hals küsst, eine Hand unter meinem Shirt, die andere frech in meine Shorts greift, blicke ich in den Himmel und es ist mir egal wie weit das Ganze hier noch geht. Keiner sieht uns zu. Wir sind allein. Nur ein Vogel fliegt hoch über uns zwitschernd vorüber.



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