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Crossroads

decisions are never easy
von

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Scheideweg

„Ich kann es gar nicht glauben, dass wir wirklich das letzte Mal so zusammensitzen…das macht mich richtig traurig.“

James, der bis jetzt damit beschäftigt war, seine Haare möglichst zerzaust aussehen zu lassen, indem er mit den Fingern darin wühlte, blickte zu Peter.

„Jetzt lass mal nicht den Kopf hängen, Wurmschwanz“, meinte er und konzentrierte sich dann wieder auf sein Aussehen. „Wir werden uns ja trotzdem noch sehen.“

„Ja, aber es ist nicht dasselbe…“, murmelte der Kleinste von ihnen niedergeschlagen.

„Da hat er gar nicht so Unrecht“, brummte Sirius, der neben James in ihrem Abteil saß. „Keine Streiche mehr, keine nächtlichen Ausflüge…ernsthaft, Leute, wir müssen dieses Jahr unvergessen machen! Und – Krone, jetzt lass endlich gut sein! Sonst fallen dir die Haare noch aus und du siehst aus wie ein Troll!“

Ein Ellenbogen traf ihn daraufhin in die Rippen, doch immerhin hörte James tatsächlich auf, ließ sich mit verschränkten Armen zurückfallen. Anscheinend hatte Mrs Potter mal wieder versucht, ihrem Sohn eine Frisur zu verpassen, denn James‘ Haare wirkten ungewohnt geschmeidig. Vermutlich hatte sie dieses Haarmittel, Sleekeazy’s Hair Potion, das die Potters selbst entwickelt hatten, benutzt, um ihn am ersten Tag ordentlich aussehen zu lassen – sehr zu James‘ Missfallen.

„Sagt derjenige, der heute Morgen von meiner Mom aus dem Bad gescheucht werden musste…“, brummte dieser, während sich Sirius die schmerzende Seite rieb.

„Der Spruch war lahm, Krone.“

„Immerhin stimmt er. Selbst ohne Haare bin ich viel zu gutaussehend für deinen Troll-Vergleich.“

„Unter so viel Bescheidenheit möchte ich mich erbrechen…“

„Mit dem Neid des Pöbels lernt man mit der Zeit umzugehen“, kam es von James und er nickte Sirius wohlwollend zu.

Ein Schmunzeln zuckte um Remus‘ Lippen, während er die beiden bei ihren Neckereien beobachtete. Er wusste, dass Sirius mittlerweile bei den Potters eingezogen war, und da die beiden ohnehin unzertrennlich waren, stellte das kein Problem dar. Sirius‘ Laune schien sich in den Sommerferien verbessert zu haben, was vermutlich damit zusammenhing, dass er diese Zeit mit Menschen, denen er etwas bedeutete, verbracht hatte. Für die Potters war er schließlich wie ein zweiter Sohn und so behandelten sie ihn auch. Möglicherweise hing es auch damit zusammen, dass er James nicht ständig mit Lily teilen musste. Soweit Remus wusste, hatten sie sich in den Sommerferien lediglich geschrieben, sich aber nicht getroffen. Nicht unüblich, da sich die Schüler fast das ganze Jahr sahen und die Familie außen vor blieb. Ihm selbst hatte es auch gut getan, seine Eltern zu sehen, mit ihnen zu sprechen…trotz aller Schuldgefühle, die ihn plagten. Mittlerweile konnte er das einigermaßen ausblenden…im Gegensatz zu der Sache mit Snape, die ihn nach wie vor belastete.

Darüber zu sprechen, hätte ihm vielleicht geholfen, aber mit wem konnte er das schon? Mit seinen Freunden ebenso wenig wie mit seinen Eltern und Lily konnte er auch schlecht ins Vertrauen ziehen. Undenkbar, nein, damit musste er selbst fertig werden. Innerlich seufzte er schwer, sah auf den verpackten Schokofrosch in seinen Händen, knibbelte jedoch nur an der Pappe.

„Moony guckt auch so traurig aus der Wäsche, Krone! Wir müssen auf jeden Fall noch was reißen, damit uns die Schule nicht vergisst!“

Ein müdes Lächeln zuckte um Remus‘ Lippen, doch er schwieg dazu. Ein letzter Streich, huh? Ja, vermutlich hatte Sirius ausnahmsweise mal Recht, denn schließlich waren sie die Rumtreiber. Auch James schien dem nicht abgeneigt und Peter wurde direkt ganz aufgeregt, womit es wohl feststand, dass sie sich für dieses letzte Jahr etwas überlegen würden. Etwas, das ihre Hauspunkte nicht gefährden würde, denn sonst würde darüber wohl kein Gryffindor lachen können.
 

Remus hielt inne, als in diesem Moment eine schwarze Gestalt an ihrem Abteil vorbeihuschen wollte, dann jedoch reflexartig innehielt. Sein Herz schien für wenige Sekunden auszusetzen, während er den Blick erwiderte, allerdings zu keiner Reaktion fähig war. Es tat immer noch weh, Snape zu sehen und an die Worte erinnert zu werden, die er ihm entgegen geschleudert hatte. Remus wusste nicht, ob es ihm ein Trost sein sollte, aber der Slytherin sah nicht gut aus. Seine Wangen wirkten noch eingefallener als sonst, die Haut so blass wie eh und je…vielleicht bildete er es sich auch ein, weil er wollte, dass es dem anderen genauso schlecht ging wie ihm. Der Ausdruck in den schwarzen Augen war schwer zu deuten, doch Abscheu lag nicht darin, trotzdem er mit den anderen hier saß. Eigentlich…wirkte Snape genauso überfordert, wie er sich fühlte…und doch konnte keiner wegsehen.

Schniefelus…“, hörte er Sirius plötzlich zischen und das war der Moment, in dem sich Snape abwandte und verschwand.

Auch James‘ Miene verfinsterte sich, Peter japste auf…und er selbst zuckte bloß die Schultern. Seine Meinung hatte sich in den Sommerferien nicht geändert; er wollte keine Rache.

„Denkt ihr…er…er hat es auf uns abgesehen?“, fragte Peter ängstlich.

„Er hat uns bestimmt nicht grundlos so angeglotzt“, grollte Sirius voller Abscheu. „Vielleicht ist das seine Art, in Erinnerung zu bleiben…indem er einen von uns mit seinen dunklen Künsten umbringt.“

Remus krallte seine Hände in seine Oberschenkel, blickte verbissen vor sich hin. Was Sirius von sich gab, war nachvollziehbar, angesichts dessen, was passiert war. Andererseits war das, was er Snape an den Kopf geworfen hatte, ebenfalls abscheulich gewesen. James blieb ungewohnt still, schien darüber nachzudenken.

„Ich versteh nicht, warum der überhaupt noch auf der Schule ist. Eigentlich hätten die den rauswerfen müssen…oder in Askaban einkerkern sollen“, fuhr Sirius fort.

Remus presste die Lippen zusammen, blickte starr auf seine Hände und bemühte sich, die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, herunterzuschlucken. Er hatte oft genug versucht, sich für Snape einzusetzen, hatte ihm Chancen eingeräumt…wozu sollte er das noch tun? Der Slytherin würde es ihm nicht danken und er selbst sich wieder zum Idioten machen. Er würde bloß wieder Streit mit seinen Freunden anfangen und darunter leiden, während Snape ihn zum Teufel jagte. Er war erschöpft. Zu erschöpft, um Sirius zu sagen, dass auch er beinahe einen Mord begangen hatte, indem er seinen Todfeind damals zur heulenden Hütte geschickt hatte. Zu erschöpft, um ihm zu sagen, dass er mit seinen verletzenden Worten Snapes kürzlich verstorbene Mutter in den Dreck gezogen hatte. Jeder wäre ausgeflippt, auch wenn sich nicht jeder schwarzer Magie bedient hätte…und je mehr Remus darüber nachdachte, umso mehr Mitleid empfand er für Snape.

Vielleicht hatte er sich geirrt und man konnte nicht aus seiner Haut, sich einfach so ändern, obwohl man es sich wünschte. Snape hatte Recht, er war wie ein Hund, der sich treten ließ und dennoch immer wiederkam. Deprimierend.

„Es bringt nichts, sich darüber aufzuregen“, meinte James schließlich ernst. „Dumbledore wird seine Gründe haben, auch wenn sie keiner von uns nachvollziehen kann. Ich meine, ich bin auch wütend darüber, was er Moony angetan hat…aber wir können ihn nur im Auge behalten. Vorsichtig sein. Das ist es, was du möchtest, oder? Moony?“

Remus blickte auf, direkt in die Gesichter seiner Freunde, und er wusste, wonach James ihn fragte. Würde er sagen, dass er Rache wollte, würde keiner seiner Freunde zögern. Sie würden alles für ihn tun, begriff er, und es erzeugte eine beruhigende Wärme in seinem Inneren. Er nickte, zwang sich zu einem schiefen Lächeln.

„Ja. Das ist…was ich möchte.“

Und damit musste sich auch Sirius zähneknirschend zufriedengeben.
 

Nach diesem düsteren Thema begannen sie wieder miteinander herumzualbern, auch wenn Remus sich nur mäßig beteiligte. Dass ihn das unvermeidbare Wiedersehen mit Snape nicht kalt lassen würde, war ihm von vornherein klar gewesen…die Heftigkeit, mit der ihn seine Gefühle überschwemmten, warf ihn jedoch völlig aus der Bahn. Wie es nun wohl weitergehen würde? Vermutlich würde Snape ihn ignorieren oder sogar meiden, denn schließlich hatte Remus ihn ja selbst aus dem Krankenzimmer geworfen. Andererseits hatte er nicht gesagt, dass es ausgeschlossen war, dass er ihm verzieh und – Schluss damit! Am liebsten hätte er sich selbst geohrfeigt, denn er erkannte sehr wohl, dass er schon wieder kurz davor war, bei Snape den ersten Schritt zu machen. Wofür? Um wieder als krank und abnormal bezeichnet zu werden? Er musste wirklich damit aufhören.

„Oh, hey! Hey, da ist Evans! Bin gleich wieder da!“

Remus war regelrecht dankbar dafür, dass James aufsprang, als hätte ihn etwas gestochen. Er musste gegen seinen Willen schmunzeln, während er beobachtete, wie ihr Freund aus dem Abteil hastete, um mit Lily zu sprechen. Diese war ohnehin vor ihnen stehen geblieben, hatte sie wohl grüßen wollen, doch James nahm direkt ihre volle Aufmerksamkeit ein. Der Unterschied zum letzten Jahr war nicht zu übersehen, auch wenn sie nicht genau hören konnten, was die beiden sagten.

Anstatt sein machohaftes Gehabe an den Tag zu legen, lächelte James die Rothaarige mal mehr, mal weniger nervös an, während er immer noch in seinen Haaren wühlte. Lily wirkte von seinem Verhalten recht belustigt, der gegenüber James oftmals harte Ausdruck in ihren grünen Augen weicher. Es hatte sich einiges zwischen ihnen verändert und Remus wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die beiden ein Paar sein würden. Er versuchte den unangenehmen Funken Neid zu unterdrücken und sich stattdessen lieber für die zwei zu freuen. Eigentlich tat er das ja auch. Er gönnte es ihnen…nur wünschte er sich dasselbe.

„Oh Mann…sie hat ihn total um ihren kleinen Finger gewickelt“, hörte er Sirius brummen, doch es klang amüsiert. „Ihr hättet ihn mal in den Sommerferien erleben sollen. Hey Tatze, denkst du, Evans steht auf Blumen? Oder Schokolade? Oder Schmuck…ach ne, nein, das ist viel zu banal! Fast ein bisschen eklig, wie verschossen er ist.“

Remus unterdrückte ein Lachen, sah seinen Freund dann tadelnd an.

„Freu dich doch für ihn, dass sie ihm endlich eine Chance gibt.“

„Das tu ich ja auch – aber wie ein Idiot benimmt er sich trotzdem. Als sein bester Freund ist es meine heilige Pflicht, ihm das jeden Tag unter die Nase zu reiben!“, scherzte Sirius.

„Sehr gütig von dir“, erwiderte Remus lächelnd und der andere zwinkerte.

„Sie sind wirklich ein schönes Paar“, murmelte Peter verträumt, woraufhin Sirius grinste.

„Neidisch, Wurmschwanz?“, fragte er spöttisch, woraufhin der Kleinste von ihnen knallrot anlief.

„Ich…nein, ich…ich meine…“, stammelte er, doch Sirius unterbrach ihn.

„Wer weiß, wenn du und Moony nett zu mir seid, mach ich euch vielleicht ne Hexe klar? Wie wär‘s?“

Remus hoffte, dass er nicht genauso rot wurde, wie es bei Peter der Fall war. Er erinnerte sich noch gut daran, als er im vierten Jahr einem Mädchrn aus Hufflepuff zu lange nachgesehen hatte. James und Sirius waren nicht müde geworden, ihn dazu zu drängen, er solle sie nach einem Date fragen. Irgendwann hatte Sirius angeboten, er könnte das für ihn in die richtigen Wege leiten…und Remus hatte sich gewünscht, die Erde möge ihn verschlucken. Dieses Thema war eben nicht so einfach für ihn, schließlich konnte er die Sache mit seiner Krankheit ja nicht einfach totschweigen. Bei Snape hatte sich immerhin dieses Problem bereits erledigt. Wobei ihm plötzlich auffiel, dass der Slytherin gar nicht darauf zu sprechen gekommen war. Bei allen verletzenden Dingen, die er ihm an den Kopf geworfen hatte, hatte er nicht wegen einer Ansteckung gefragt. Vielleicht wusste er, dass man nicht durch einen Kuss zum Werwolf wurde…oder die Tatsache, dass er von einem Jungen geküsst worden war, war schlichtweg schockierender.

„Moony?“

„Eh, was? Ich…ich meine, nein, schon gut. Ich komme schon zurecht. Danke.“

„Spielverderber!“, brummte Sirius und fasste den immer noch erstarrten Peter ins Auge. „Dann kriegt Wurmschwanz eben meine Hilfe! Kann ja nicht schaden, was?“

„Ich…ich weiß nicht…“

„Vertrau mir einfach!“

Remus lächelte schief, während Peter noch immer stammelnd abzulehnen versuchte. Nun ja, es war schwer, Sirius von solchen Ideen abzubringen, wenn er sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte. Peter hatte sein Mitgefühl.
 

Die restliche Reise verlief recht ruhig, was ihn schon ein bisschen wunderte, wenn er so an die Jahre zuvor dachte. Aber gut, James unterhielt sich eine ganze Weile mit Lily und Snape bekam keiner von ihnen bis zur Ankunft zu Gesicht. Das Streitpotenzial war daher niedrig genug, um jegliche Eskapaden zu vermeiden. Wenn Remus so darüber nachdachte, war es im Zug oftmals eskaliert, weil Snape und Lily gemeinsam in einem Abteil gesessen hatten. Die Freundschaft der beiden hatte James‘ Eifersucht jedes Mal von neuem angestachelt, was ein Aneinandergeraten unausweichlich gemacht hatte.

Tatsächlich schafften sie es ohne große Vorkommnisse in die Große Halle, wo die Lehrer sie bereits erwarteten. Ihm fiel auf, dass die Stimmung ein bisschen gedrückter wirkte, als es in den vorigen Jahren der Fall gewesen war. McGonagall, die sich mit Slughorn unterhielt, machte einen noch grimmigeren Eindruck als sonst, während Slytherins Hauslehrer nervös seinen Walross-Schnurrbart zwirbelte. Unweigerlich musste Remus wieder an die Gerüchte über diesen Dunklen Lord denken, von dem immer mehr Leute sprachen. Ob sie sich darüber unterhielten?

Sein Blick schweifte zu Dumbledore, der allerdings nicht erkennen ließ, ob er dieselben Sorgen teilte. Zwar lächelte der Schulleiter, was vor allem die aufgeregten Erstklässler beruhigte, doch die Augen hinter der halbmondförmigen Brille erreichte dieses nicht wirklich. Nun, bei seiner Rede würden sie eventuell mehr erfahren…

Während sie sich einen Platz an den Tischen sicherten und ihre Mitschüler begrüßten, wurde der Sprechende Hut geholt, der wie jedes Jahr sein selbst gedichtetes Lied sang. Unweigerlich fragte sich Remus, ob das Lied in den vorigen Jahren auch schon so düster gewesen war. Ratschläge waren immer darin versteckt gewesen, manchmal mehr, manchmal weniger subtil, doch heute steckte eine regelrechte Warnung dahinter. Der Sprechende Hut sang von dunklen Zeiten, von Entscheidungen und Zielen...davon, dass jeder seinen eigenen Weg wählen musste, ihn aber besser nicht bereuen sollte. Keiner wagte es, zu tuscheln, sie alle hörten bedächtig zu, bis das Lied verklungen war…und Remus wusste, dass er nicht der Einzige war, der unweigerlich an diesen Dunklen Lord denken musste. Sollten die Gerüchte etwa doch nicht überzogen sein, wenn sogar der sprechende Hut dies als Zeichen nahm, Alarm zu schlagen? Der Sprechende Hut war nicht parteiisch, verunglimpfte nichts, aber er regte einen zum Nachdenken an. Egal, in welcher Hinsicht…und vielleicht war genau das der Sinn darin. Irgendwann musste jeder Entscheidungen treffen, die das Leben grundlegend verändern konnten. Wie bitter, dass er selbst keine Ahnung hatte, was er mit sich in naher Zukunft anfangen sollte…
 

Es war wohl das erste Mal, dass Remus die Einteilung in die vier Häuser kaum wahrnahm. Normalerweise lauschte er James und Sirius, wie sie flüsternd rieten, wohin die aufgerufenen Erstklässler verteilt wurden, doch diesmal konnte er sich nicht dafür begeistern. Vielleicht lag es an der seltsamen Stimmung, dem Gedicht des Hutes, seinen Selbstzweifeln…oder daran, dass er von seinem Platz einen guten Blick auf Snape hatte, der ebenfalls recht in sich gekehrt wirkte.

Eine steile Falte hatte sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet, während er die Tischplatte anstarrte. Schon im Zug war es ihm aufgefallen…Snape schien es nicht besonders gut zu gehen. Lag das daran, dass er die Sommerferien bei seinem Vater hatte verbringen müssen? Obwohl er es sich jedes Mal vornahm, konnte er nicht aufhören, darüber nachzudenken. Über die Sache mit seiner Mutter…den Unfall. Dabei war er nicht mal in irgendeiner Weise betroffen – wie musste es da erst Snape gehen? Trotzdem er so wenig über dessen Beziehung zu seinen Eltern wusste, konnte er sich nicht vorstellen, dass seine Zeit daheim angenehm gewesen sein konnte. Bestimmt nicht…und Snape hatte im Gegensatz zu ihm keine Freunde. Er hatte Lily verloren…und ihn…es war wirklich zum Verrücktwerden! Warum war Snape nur so furchtbar stur? Warum trieb er jeden, dem er etwas bedeutete, von sich weg?

Just in diesem Moment hob der Slytherin plötzlich den Kopf und ihre Blicke trafen aufeinander. Remus spürte, wie ihm die Röte in die Wangen schoss, weil er sich unweigerlich ertappt fühlte. Dennoch sah er nicht weg, auch wenn er sich um einen neutralen Ausdruck bemühte. Die Art, wie Snape ihn anschaute, konnte er nicht deuten, was merkwürdig war, denn er hatte entweder Verachtung oder Zorn erwartet. Allerdings drückte Snapes Miene eher Erschöpfung aus und er wandte sich auch nach kurzem ab, sah ohne echtes Interesse nach vorn zu den Lehrern, wo sich Dumbledore für seine Rede erhob. Remus versuchte, sein Herzrasen zu unterdrücken und sich auf den Schulleiter zu konzentrieren, der sich vernehmlich räusperte.
 

„Willkommen zu einem neuen Jahr in Hogwarts! Bevor wir mit unserem Bankett beginnen, möchte ich ein paar Worte sagen.“

Die älteren Schüler erwarteten nun wohl eine lockere, teilweise belustigende Rede, so wie in den letzten Jahren. Ein paar Warnungen und am Ende eine kleine Weisheit, ehe das Essen beginnen konnte. Allerdings wirkte Dumbledore immer noch ungewohnt ernst und als seine hellblauen Augen durch den Raum wanderten, jeden von ihnen zu durchleuchten schienen, schluckte Remus unweigerlich.

„Einige von euch werden in diesem Jahr ihre Prüfungen ablegen und verbringen damit das letzte Mal ihre Zeit in Hogwarts als Schülerinnen und Schüler“, fuhr der Schulleiter fort. „Danach muss jeder von euch seinen Platz in unserer magischen Gesellschaft finden. Ich nehme an, dass einige von euch bereits wissen, was sie nach ihrem Abschluss machen möchten. Andere werden möglicherweise ebenso unsicher sein, wie der ein oder andere Erstklässler bei seiner Zuteilung in das jeweilige Haus. Das ist ganz natürlich beim Prozess des Erwachsenwerdens und ein jeder muss selbst entscheiden, welchen Weg er letztendlich gehen möchte. Manchmal ist es ratsam, genauer darüber nachzudenken, sollte man sich an einer Gabelung befinden…nur ihr selbst könnt entscheiden, welcher Weg der richtige für euch ist.“

Er machte eine kurze Pause, ließ seine Rede damit für einige Sekunden wirken, ehe er weitersprach.

„An diesem Punkt möchte ich euch den Ratschlag eines alten Mannes zuteilwerden lassen: Viel mehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.“

Abermals schien Dumbledores Blick jeden von ihnen zu streifen, dann legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. Es wirkte wärmer als zuvor, doch zumindest Remus drehte sich der Magen um – und anscheinend war er nicht der Einzige, wenn er in die Gesichter der anderen Schüler sah. Selbst James und Sirius, die sich eigentlich über alles lustig machen konnten, waren still, tauschten jedoch skeptische Blicke miteinander.

„Und nun möchte ich, dass wir uns dem herrlichen Essen widmen, das für uns vorbereitet wurde.“

Wie auf ein stilles Kommando füllten sich die zuvor noch leeren Tische vor ihnen mit den herrlichsten Speisen und Getränkenund es wurde laut in der Großen Halle, wenn auch nicht so sehr wie in den letzten Jahren. Dumbledores Rede hatte zweifellos ihre Spuren hinterlassen…und als er in Snapes Richtung linste, bemerkte er, dass dieser starr auf seinen leeren Teller sah, ohne Anstalten zu machen, diesen füllen zu wollen.

Remus wandte sich ab, bevor sich ihre Blicke erneut treffen konnten; der Appetit war ihm vergangen. Anscheinend ebenso wie Snape.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nach langer Pause geht's hier auch mal weiter... ;) Komplett anzeigen

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