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Crossroads

decisions are never easy
von

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Mitternacht

Nachdenklich betrachtete er das kleine Fläschchen, kippte dieses leicht hin und her. Die goldene Flüssigkeit darin schimmerte hell, schien in der Dunkelheit des Krankenzimmers zu leuchten. Selbst durch das Glas konnte er die angenehme Wärme fühlen, die der Trank ausstrahlte. Irgendwie erschien es ihm surreal, dass ausgerechnet Snape das Elixier gebraut haben sollte. Weder die Farbe noch die versprochene Wirkung passten zu dem Slytherin. Von der Wärme ganz zu schweigen, denn in Snapes Nähe fühlte man sich eher, als würde man mit einem Eimer Eiswasser übergossen werden. Wenn er so darüber nachdachte, gab es kaum eine positive Eigenschaft an ihm. Allein wie er mit diesem Mädchen aus Hufflepuff gesprochen hatte…oder wie vernarrt er in die dunklen Künste war, zeugte davon, dass er ein schlechter Mensch war. Snape war intelligent, sehr sogar, doch er nutzte dies, um andere zu verletzen. Er war selbstsüchtig und einfach ein unangenehmer Zeitgenosse, den die meisten mieden. Ein Außenseiter.

Abermals drehte er das Fläschchen in der Hand, während er auf dem Rücken lag und versuchte, sich möglichst wenig zu bewegen. Drei seiner Rippen waren – mal wieder – gebrochen, die Haut an einigen Stellen aufgeplatzt, doch wenigstens hatte er keine Bisswunden. Die Verwandlung war jedes Mal eine Tortur, riss seinen Körper praktisch auseinander und wenn seine Freunde nicht dabei waren, biss und kratzte er sich selbst blutig. Glücklicherweise waren James, Sirius und Peter echte Freunde, was auch der Streit nicht hatte ändern können.

Das unterschied ihn von Snape, denn er war nicht allein. Außerdem wurde er von seinen Eltern geliebt, auch wenn er ihnen viel Kummer bereitete. Wie waren wohl Snapes Eltern? Er erinnerte sich an eine hagere, finster drein blickende Frau, die Snape im zweiten Jahr zum Bahnhof gebracht hatte. Es hatte keine große Verabschiedung gegeben, so als wären die beiden Fremde anstatt Mutter und Sohn. Wenn Snapes Vater genauso kühl war, erklärte das einiges und eigentlich war das ziemlich traurig. Sicher ließ sich damit nicht alles rechtfertigen, immerhin hatte Sirius auch ein schlimmes Elternhaus, doch es war eine Begründung für Snapes Verhalten. Davon abgesehen war Sirius zwar ein Feind der dunklen Künste, hatte dafür aber auch recht radikale Ansichten. Demnach waren alle Slytherins bösartig und Feinde der Gryffindors.

Remus konnte nicht behaupten, dass er Freunde im grün-silbernen Haus hatte, doch nicht alle waren schlechte Menschen. Mit Sirius darüber zu diskutieren, brachte jedoch wenig, weshalb er meistens schwieg, wenn es zu dem Thema kam. Dass James die Meinung seines besten Freundes teilte und Peter den beiden nacheiferte, machte es nicht einfacher.

Doch sie hatten sich anscheinend geirrt, was Snape betraf. Natürlich hatte er ihnen nicht von dem Trank erzählen können. Sirius sprach endlich wieder mit ihm, nachdem er ihn wochenlang ignoriert hatte, das wollte er sich nicht kaputtmachen. Er hatte ihm noch mal ausdrücklich versichern müssen, dass er Snape wirklich nur der Fairness halber entkommen lassen hatte. Auch hatte er auf James’ Drängen hin gesagt, dass er den Slytherin nicht mochte, und das hatte Sirius besänftigt. Nun, wo er den Heiltrank in der Hand hielt, fühlte er sich deswegen verlogen. Gut, er mochte Snape wirklich nicht besonders, doch die Geste zeigte, dass da ein guter Kern sein musste. Tief verborgen, aber er war da. Es berührte Remus, dass sich Snape Gedanken um seinen Zustand gemacht hatte, um sich zu revanchieren. So garstig er auch gewesen war, die Tat sprach für ihn.

Dass er ihn vergiften wollte, glaubte Remus nicht…auch wenn Snape dazu fähig war, würde es wohl eher James oder Sirius treffen. Er musste schmunzeln, auch wenn das eigentlich kein bisschen lustig war – und er bekam prompt die Quittung, als der Schnitt an seiner Lippe wieder aufklaffte. Er stöhnte leise, als die Wunden an seinem Rücken ebenfalls wieder zu jucken und zu schmerzen begannen. Madame Pomfrey versorgte ihn nach der Verwandlung immer bestmöglich, aber es war dennoch eine Qual. Er lag hier schon seit dem Morgen nach Vollmond, hatte den Tag komplett verschlafen…und erst jetzt an den Trank gedacht, den er sich vorsorglich in den Umhang gesteckt hatte.

Unweigerlich fragte er sich, ob Snape wirklich gar keine positiven Eigenschaften hatte oder ob die Leute sie nur nicht sehen wollten. Nun, vermutlich konnte es keiner erkennen, weil Snape es mit seiner Feindseligkeit gar nicht erst zuließ. Er war intelligent, wie schon erwähnt…aber was noch? Zielstrebig, fleißig wohl auch...und er würde offensichtlich alles für Lily tun. Selbst jetzt, wo sie ihn mied, versuchte er sich immer wieder zu entschuldigen. Er bereute, was er ihr an den Kopf geworfen hatte.

Remus entkorkte das Fläschchen, betrachtete abermals die schimmernde, goldene Flüssigkeit…ehe er das Gefäß an die Lippen setzte und in einem Zug leerte. Es schmeckte bitter, so dass er schauderte, doch gleichzeitig fuhr ihm eine wohlige Wärme durch den Körper. Sie breitete sich bis in seine Fingerspitzen aus, ließ ihn sich behaglich fühlen und er seufzte leise. Was auch immer Snape ihm da zusammengebraut hatte, es war unheimlich effektiv. Schon nach wenigen Minuten fühlte sich seine gereizte Haut an, als sei sie mit einem schützenden Film überzogen. Er stellte das leere Fläschchen auf den Nachttisch, ehe er sich in die Decke kuschelte und die Augen schloss. Wenn er wieder hergestellt war, würde er sich unbedingt nochmal bei Snape bedanken müssen.
 

Als Remus wach wurde, war es immer noch Nacht…oder schon wieder? Er konnte es nicht sagen, denn es war nicht selten, dass er nach einer Verwandlung ganze Tage verschlief, da sein Körper die Ruhe dringend benötigte. Er streckte sich einmal, ehe er zusammenzuckte…jedoch grundlos. Das gewohnte Brennen seiner Wunde war nicht verschwunden, doch es fühlte sich nicht länger an, als würde er auseinander gerissen werden. Genau genommen fühlte er sich seltsam ausgeruht und viel kräftiger als sonst. Remus tastete im Dunkeln nach dem Schalter der Nachttischlampe und fand diesen schließlich auch. Verblüfft sah er auf seinen Unterarm, wo die Prellungen zu verblassen begannen. Viel schneller als sonst.

Remus fuhr sich durch das wirre Haar, schüttelte dann leicht den Kopf, ehe er sich aufsetzte. Es war nicht angenehm und er fühlte deutlich, dass seine Rippen noch angeknackst waren, doch er konnte sich bewegen, ohne dass ihm jedes Mal vor Schmerzen die Luft wegblieb. Das war einfach…

„Genial“, murmelte er, war immer noch fassungslos.

„In der Tat bin ich das.“

Remus hatte das Gefühl, gleich einen Herzinfarkt zu bekommen, und dementsprechend zuckte er auch zusammen. Ein eiskalter Schauer durchfuhr ihn, als jemand aus der Dunkelheit auf ihn zutrat, und er starrte die Person an.

„Bei Merlin, Snape!“, entwich es ihm. „Was…weißt du, wie spät es ist?!“

Der Slytherin erwiderte seinen Blick so ruhig, als sei er sich keiner Schuld bewusst.

„Ich weiß nicht, was das zur Sache tut, aber ja…eine halbe Stunde vor Mitternacht.“

„Du darfst gar nicht hier sein!“

Snape schnaubte leise, ehe er sich einen Stuhl nahm und die Nerven hatte, sich neben ihn ans Bett zu setzen. Erst jetzt fiel Remus auf, dass er ein Notizbuch dabei hatte, und er blickte ihn verwirrt an.

„Was soll der Blick, Lupin?“, erwiderte Snape kühl. „Denkst du, ich komme mitten in der Nacht hierher, um dir einen Krankenbesuch abzustatten? Verzeih, dass ich deine Erwartungen enttäuschen muss.“

Die Stimme des Slytherin triefte nur so vor Sarkasmus und Remus konnte sich nicht entscheiden, ob er sich zuerst für den Trank bedanken oder ihm sein Notizbuch um die Ohren hauen wollte. Beides wäre in dieser Situation angebracht.

„Warum bist du dann da?“, fragte er genervt und rieb sich die müden Augen.

Eigentlich ahnte er es bereits und Snape scheute sich auch nicht, seine Vermutung ohne Umschweife zu bestätigen.

„Um die Ergebnisse zu notieren…aus welchem Grund denn sonst? Wohl kaum, weil mir dein Wohlergehen so am Herzen liegt.“

„Keine Sorge, das hätte ich niemals angenommen.“

Remus lehnte sich zurück, während er Snapes blasses Gesicht musterte; in dem spärlichen Licht wirkte es noch finsterer als sonst. Hatte er Snape eigentlich jemals lächeln sehen? Nicht, dass er sich erinnerte, doch seine Freunde und er hatten ihm ja auch nie einen Grund dazu gegeben. Sicher hatte er einige Male in Lilys Gegenwart gelächelt.

„Anstatt mich anzustarren, könntest du anfangen, die Wirkung des Tranks zu beschreiben. So detailliert, wie es jemandem wie dir möglich ist…immerhin war es der erste Versuch.“

Stille.
 

„Wie bitte?!“, entfuhr es ihm dann. „Du hast mich als Versuchskaninchen missbraucht?!“

Snape hob langsam den Blick, musterte ihn mit seinen schwarzen Augen.

„Was genau ist daran jetzt so verwunderlich?“

„Das…das…“

Ja, eigentlich hatte Snape damit vollkommen Recht. Andererseits hatte er doch behauptet, dass er seine Schuld wieder gutmachen wollte?

„Und brüll nicht so herum…ich lege keinen Wert darauf, außerhalb des Schlafsaals erwischt zu werden.“

Remus funkelte ihn erbost an, erwiderte aber nichts mehr. Stattdessen verschränkte er die Arme und presste die Lippen fest zusammen. Er fand das kein bisschen amüsant, geschweige denn, dass er dafür Verständnis hatte, dass Snape ihn benutzt hatte.

Dieser schien darauf zu warten, dass er sich zu der Wirkung äußerte, als jedoch keine Antwort erfolgte, seufzte er entnervt.

„Hast du in deinem Selbstgespräch vorhin nicht erwähnt, dass ich genial sei?“

Remus errötete leicht, als er das sagte.

„Indirekt…“, wich er aus, doch Snape ignorierte es.

„Dann dürfte dir bewusst sein, dass ich ein gewisses Vertrauen in meine Fähigkeiten habe und aus diesem Grund davon überzeugt war, keinen Schaden anzurichten, als ich dir den Trank gab.“

Die Argumente waren wirklich gut, auch wenn sich Remus insgeheim darüber ärgerte. Allerdings war Snape ja wirklich talentiert, vor allem in Zaubertränke, und letztendlich hatte er ihm damit geholfen. Das Ergebnis blieb also dasselbe und die Intention…na gut, die war bei Snape ja ohnehin immer recht zweifelhaft. Er stieß einen tiefen Seufzer aus.

„Er wirkt“, gab er zu und blickte in Snapes durchdringende Augen. „Er wirkt ehrlich gesagt sogar ausgesprochen gut…auch wenn er bitter geschmeckt hat.“

Snape zuckte mit den Schultern.

„Es ist ja auch Medizin…und dass Zucker die meisten Tränke wirkungslos macht, sollte selbst jemand wie du wissen.“

„Du kannst einfach nicht freundlich sein, oder?“

„Das liegt daran, dass ich es in den meisten Fällen nicht sein will“, erwiderte Snape lapidar.

„Schaden würde es aber auch nicht.“

„Da sind wir verschiedener Ansicht.“

„Scheint so…“

Abermals herrschte Schweigen zwischen ihnen und eigentlich wartete Remus nur darauf, dass Snape ihn weiter über den Trank ausfragte. Zu seiner Verwunderung blieb dieser jedoch still, tippte mit der Feder in gleichmäßigem Rhythmus auf die Seite des Notizbuches.
 

„Warum hast du es riskiert?“

Remus sah ihn fragend an, denn er verstand nicht, wovon Snape sprach. Von dem Trank, den er ihm gebraut hatte, wohl kaum.

„Was meinst du?“

Ein leises Schnauben ertönte und die schwarzen Augen richteten sich wieder auf ihn.

„Deine…zweifelhafte Freundschaft mit Potter, Black und Pettigrew.“

„…du meinst, weil ich mich gegen sie gestellt habe?“

Ein Nicken. Remus fühlte sich unwohl unter Snapes stechendem Blick, auch wenn er eigentlich keinen Grund dazu hatte. Trotzdem hatte Snape diese Eigenschaft, einem das Gefühl zu geben, man sei der verachtenswerteste Mensch auf Erden.

„Sie wären keine echten Freunde, wenn sie mich wegen einer…Meinungsverschiedenheit ausgrenzen würden“, wiederholte er die Worte, die James an ihn gerichtet hatte.

„Black hat dich ziemlich lange gemieden.“

„Ja…Sirius ist manchmal…schwierig und…impulsiv, aber er meint es nicht so. Er verhält sich wieder ganz normal mir gegenüber.“

„Natürlich…“

Mehr Sarkasmus hätte Snape nicht in seine Stimme legen können und Remus blickte auf.

„Er hat seine Gründe, warum er so ist…das verstehst du nicht.“

Snapes‘ Augen wurden schmal, während er die Lippen zu einer dünnen Linie zusammenpresste. Remus wünschte sich sofort, er hätte den Mund gehalten. Snape war auch kein einfacher Mensch, doch die wenigsten hatten dafür Verständnis oder hinterfragten sein Verhalten. Plötzlich kam er sich unfair vor. Zu seiner Verwunderung fauchte Snape ihn nicht an, er sprang auch nicht auf und rauschte davon. Stattdessen blieb er sitzen, pinnte ihn mit seinem Blick fest.

Black interessiert mich nicht.“

Er betonte Sirius‘ Namen wie etwas furchtbar Widerwärtiges, doch Remus konzentrierte sich auf die Bedeutung des Satzes.

„Das heißt, ich interessiere dich?“, fragte er, ohne genau zu wissen, warum er so etwas von sich gab.

Die Eingebung war genauso spontan wie der Spruch mit dem Valentinstaggeschenk. Remus tat es als vergeblichen Versuch ab, Snape aus der Reserve locken zu wollen. Er konnte wohl froh sein, wenn der andere ihm keinen Fluch ins Gesicht schleuderte. Dieser zuckte zusammen, als hätte er ihn angebrüllt, wirkte kurz irritiert, ehe er sich wieder fing und ihn finster anschaute.

„Mich interessiert die Wirkung des Tranks“, wehrte er ab, was Remus schnauben ließ.

„Und deshalb fragst du mich über meine Entscheidung aus?“

„Nein, ich frage dich aus, weil ich sichergehen will, dass das kein Trick war!“

„Ein Trick?“

Remus zog die Brauen hoch.

„Du hast Sirius’ Reaktion doch mitbekommen, Snape. Sah das für dich nach einem Trick aus? Ernsthaft…ich habe es getan, weil es das Richtige war. Kannst du das nicht einfach akzeptieren? Du bist mir auch nichts schuldig, weil du dich mit dem Trank ausreichend revanchiert hast…also lass es gut sein.“

Und damit nahm er dem Slytherin den Wind aus den Segeln. Fast war Remus stolz auf sich, dass er es geschafft hatte, den anderen sprachlos zu machen. Dieser kratzte mit der Feder ziellos auf den Seiten seines Notizbuches herum, doch auch wenn seine Augen böse funkelten, fand er wohl keinen passenden Widerspruch.
 

„…das ändert nichts zwischen uns“, presste er schließlich scharf hervor und Remus seufzte.

„Es hat doch schon längst etwas geändert“, entgegnete er dann. „Du hast dir meinetwegen Gedanken gemacht und mir diesen Trank gebraut…also warst du mir dankbar.“

„Ich war nicht-“

„Doch. Warst du. Sonst hättest du einfach so getan, als wäre ich Luft und diese Nacht nie gewesen.“

Es fühlte sich gut an, in einem Gespräch mit Snape die Oberhand zu haben, ohne dass dieser etwas dagegen tun konnte.

„Stattdessen hast du mir den Trank gebraut, was dich viel Arbeit gekostet hat, und nun sitzt du mitten in der Nacht hier, um sicherzugehen, dass er auch gewirkt hat.“

Snape klappte das Buch zu, während Entrüstung und Wut in seinem Inneren kämpften – Remus sah es ihm an.

„Das ist kompletter Eigennutz!“

„…nenn es, wie du willst, aber ich weiß zu schätzen, was du für mich getan hast. Und…ich will nicht, dass wir einander hassen. Ich muss nicht um jeden Preis mit dir verfeindet sein.“

„Das hat dich sonst auch nicht gestört!“, schnappte Snape, doch es klang nicht so boshaft wie sonst.

„Jetzt tut es das aber“, hielt er dagegen.

„Es hat sich nichts geändert! Du kannst mich nicht leiden und ich dich auch nicht. Also tu nicht so, als ob-“

„Das stimmt nicht!“

Sofort bereute Remus seine voreiligen Worte und er stockte ebenso wie Snape, dessen Mund soeben zuklappte. Hatte er nicht noch vor kurzem darüber sinniert, ob Snape überhaupt positive Eigenschaften besaß? Und nun sagte er sowas, ohne zu wissen, warum dies so sein könnte. Andererseits hatte er doch eben genug Argumente genannt, die nicht ausschlossen, dass Snape gar nicht so übel war.

„Du lügst.“

Es klang ungemein trocken und Remus hob den Blick, runzelte die Stirn.

„Nein“, sagte er dann. „Ich lüge nicht…wir sind keine Freunde, aber ich hasse dich auch nicht oder wünsche dir Schlechtes.“

Er war ehrlich und vielleicht merkte Snape es auch, denn er blieb still. Es gab Remus den Mut, weiterzureden, auch wenn er merkte, dass ihm die Hitze in die Wangen stieg.

„Ich denke, du bist gar nicht so furchtbar, wie viele glauben…aber…na ja, du tust auch nicht viel dafür, dass es eben nicht so ist. Außer bei Lily…“

In Snapes Augen flackerte es und Remus rechnete schon mit einer Beleidigung, so dass er schnell weitersprach.

„…und mir gegenüber. Zumindest manchmal…du bist nicht wirklich nett, aber-“

Er verstummte, als Snape mit einem Mal sein Notizbuch zusammenschlug, ihn dabei zornig anblickte. Jedoch schienen ihm die richtigen Worte zu fehlen, denn er öffnete und schloss den Mund ein paar Mal. Es wäre amüsant gewesen, wenn es sich nicht um Snape gehandelt hätte, bei dem man nie sicher sein konnte, wie er letztendlich reagierte.

„Anscheinend…“, begann er schließlich abschätzend. „…hat der Trank Nachwirkungen, sonst würdest du nicht solch einen Unfug reden.“

Remus sah ihn empört an.

„Das ist kein Unfug, es ist-“

„Doch. Ist es. Mein Verhalten dir gegenüber beruht darauf, dass ich es nicht ausstehen kann, jemandem etwas schuldig zu sein.“

Remus fielen viele Argumente ein, um den Widerspruch nichtig zu machen, doch er hatte keine Lust mehr, dagegen anzureden.

„Wie du meinst“, entgegnete er daher lapidar. „Wenn du so ein Problem damit hast, dass dich jemand ganz in Ordnung finden könnte…“

„Erspar mir das Gewäsch, Lupin!“, grollte Snape, doch wie er dort stand, die eine Hand um sein Buch gekrampft, die Finger der anderen in seinen Umhang gekrallt, wirkte er unsicher.

Es war selten, dass man Snape so erlebte. So hin und her gerissen, weil er nicht zu wissen schien, wie er reagieren sollte. Aber es gab Remus die Hoffnung, dass er ihm vielleicht doch ein kleines bisschen glaubte.

„Du solltest schlafen…und wieder klar werden“, hörte er ihn murren und dann drehte sich der Slytherin um.

Remus seufzte innerlich, vermied aber ein Kopfschütteln.

„Gute Nacht, Snape“, sagte er stattdessen und sah zu, wie der andere davon rauschte.

Jedoch hielt er überraschenderweise noch einmal inne.

„…Nacht.“

Und mit diesem geraunzten Wort verschwand er in der Dunkelheit. Ohne sich noch einmal umzudrehen…doch Remus fand die Tatsache, dass er sich noch zu einer Erwiderung durchgerungen hatte, erstaunlich genug.

Ein feines Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er das Licht ausmachte, sich auf die Seite drehte und die Augen schloss.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Lichtregen
2016-04-06T05:20:09+00:00 06.04.2016 07:20
Ich mochte den inneren Monolog von Lupin wirklich gern. Vor allem seine Überlegungen dazu, was Snapes positive Eigenschaften sind und die ernüchternde Erkenntnis, dass es da nicht viel zu sagen gibt. XD Aber dennoch kann ich nachvollziehen, warum er ihn doch auf eine gewisse Art und Weise mag bzw. nicht mehr hasst. Und warum er trotz der Vergiftungsgefahr das Fläschchen trinkt. Denn auch wenn Snape so tut, als sei ihm alles ganz egal, zeigt er durch sein Verhalten doch, dass er sich nur Selbstverwaltung vormacht. Aber dazu später.
Sehr amüsant war die Stelle, in der Snape auftaucht. Gar nicht eingebildet, der Gute. XD Absolut perfekt! Und dann seine nüchternen Erwiderungen auf den völlig verdutzten Lupin, einfach köstlich! Ich konnte es mir bildlich vorstellen, wie Snape dort mit seinem Notizbuch auf dem Stuhl hockt, die Beine übereinander geschlagen und mit seinem prüfenden Blick, der gleichzeitig absolutes Desinteresse ausstrahlt und steril ist. Lupins irritierte Antworten waren da nur mehr als verständlich. ;)
Und Snapes Frage... Von wegen er interessiert sich nicht für Lupin! Hihi, mir hat es jedenfalls richtig gut gefallen, wie Lupin mit einem Mal das Zepter in die Hand nahm und Snape mal sprachlos war. Lupin sollte aber besser darüber nachdenken, was für zweideutige Dinge er sagt wie das mit dem Interessieren. In Snapes Vokabular klingt das schon wie „Du liebst mich.“ XD
Und Snape kann es leugnen, wie er will. Lupin hat nun einmal Recht damit, dass sich zwischen den beiden was verändert hat. Wie er das sagt, klingt auch wieder wie eine verkappte Liebeserklärung. XD Auch wenn es im Grunde total harmlos ist. Aber Snape ist so stur... Wieso kann er nicht mal zugeben, dass sie zumindest keinen Hass mehr empfinden? Es muss ja nicht mal Sympathie sein, aber selbst das streitet er ja ab. Der Kerl ist echt kompliziert. Ich stelle mir wirklich dieselbe Frage wie Lupin: Warum will er nicht, dass man ihn mag? Wegen seiner Todesser-Clique, in die er hinein will? Oder ist er einfach ständig so enttäuscht worden von anderen, dass er einfach keinen mehr an sich heranlässt? Fände ich toll, wenn du das auch nochmal genauer beschreibst, auch wenn es wahrscheinlich schon oft angesprochen wurde, ich aber nur wieder vergessen habe. X’D
Die beiden bewegen sich jedenfalls echt immer einen Schritt vor und zurück. Gut, dass bald unerwartete Ereignisse die Geschehnisse vorantreiben. Auch wenn es dadurch nicht einfacher wird. XD



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