Early Mornings and Fandom Discussions
Es war kurz nach acht am Morgen, als Loki sich ins Wohnzimmer setzte und beschloss, Game of Thrones zu gucken.
Er hatte Clint und Janet, die beide große Fans waren, davon reden hören, und er wollte sich nun selbst ein Bild machen. Bisher war er von den Unterhaltungsmedien auf Midgard sehr angetan gewesen und hatte eine Leidenschaft für TV-Serien entwickelt.
Natasha, die kurz nach dem Beginn der ersten Folge den Raum durchquert hatte, um auf dem Balkon Yoga zu machen, hatte nur eine Augenbraue gehoben, aber seine Serienwahl nicht weiter kommentiert.
Im Gegensatz zu Tony.
„Im Ernst?“, fragte er, als er eine halbe Stunde später ins Zimmer kam und auf den Bildschirm sah. „Bist du nicht noch ein bisschen jung dafür?“
Loki warf ihm einen flüchtigen Blick zu, bevor er sich wieder dem Geschehen im Fernsehen widmete. Eine der ausgesprochen hübschen Schauspielerinnen hatte gerade damit begonnen, sich zu entkleiden.
„Sagt der Mann mit dem Lolli im Mund“, erwiderte er.
„Zucker“, erwiderte Tony, als würde das alles erklären, und zuckte mit den Schultern. „Kann nach einer langen Nacht Wunder wirken.“
„Schlaf auch, habe ich gehört“, entgegnete der Junge.
„Nah“, machte Tony und ließ sich neben ihm auf die Couch fallen. „Schlaf wird überbewertet.“
„Glaubst du das wirklich oder lässt dich der Captain nur immer noch nicht wieder in sein Bett?“, spottete Loki.
„Autsch“, kommentierte die Elster, die hinter ihm auf der Lehne hockte.
Tony wurde auf einmal sehr still und Loki hatte den Eindruck, dass die Temperatur im Raum plötzlich um mehrere Grad sank.
Diplomatie, ermahnte er sich. Denk daran – du brauchst ihn noch.
„Tut mir leid“, sagte er schließlich. „Das war unangemessen.“
Der andere seufzte auf.
„Ich habe es vermutlich verdient“, erwiderte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Steve ist immer noch sauer darüber, dass ich ihm die Sache mit den Raketen verschwiegen habe.“
„Frag ihn, wieso er sie ihm verschwiegen hat“, forderte die Elster den Jungen auf. Loki machte eine genervte Geste mit der Hand, aber er kam der Aufforderung nach.
„Wenn ich das wüsste.“ Tony seufzte erneut. „Der Zeitpunkt war damals einfach ungünstig, da Steve sich noch um tausend andere Dinge kümmern musste, und dann war er für ein paar Wochen in Kalifornien wegen irgend so einer Armeesache, und als er wieder zurück war, habe ich einfach nicht mehr daran gedacht... Es war dumm von mir, das gebe ich zu, aber es war keine Absicht. Auch wenn es das von seinem Standpunkt aus nicht besser macht. Er denkt, ich vertraue ihm immer noch nicht...“
Er hielt inne, als würde ihm plötzlich bewusst werden, was er da sagte.
„Und warum erzähle ich dir das alles überhaupt?“
Loki setzte seine unschuldigste Miene auf. „Weil ich so vertrauenswürdig bin.“
Das brachte Tony zum Lachen, und obwohl es auf seine Kosten war, musste der Junge lächeln. Es war das erste ehrliche Lachen seit Tagen, das er von dem anderen hörte.
„Weißt du, Kleiner“, sagte Tony schließlich und klopfte dem Jungen freundschaftlich auf die Schulter, „du bist in Ordnung. Dafür, dass du der Gott der Lügen bist und so...“
„Danke.“ Loki legte den Kopf zur Seite. „Du bist auch akzeptabel... für einen Menschen.“
„Ist das ein Kompliment?“
„... möglicherweise.“
„Hah“, machte Tony. Dann schwieg er und für die nächsten Minuten verfolgten sie das Geschehen auf dem Bildschirm.
„Diese Königin“, sagte Loki nach einer Weile, „ich mag sie.“
„Warum bin ich nicht überrascht“, meinte Tony. Er hob die Arme und verschränkte sie hinter dem Kopf. „Ist sie dein Lieblingscharakter?“
„Ja!“, rief die Elster.
„Nein.“ Loki schüttelte den Kopf.
„Sondern?“
Der Junge dachte nach.
„Ihr Bruder“, sagte er schließlich. „Der Zwerg.“
„Hey, meiner auch!“ Tony warf ihm einen Blick zu. „Warum magst du ihn?“
Loki schwieg erneut, dieses Mal länger als zuvor.
„Weil er von Geburt an benachteilt ist“, antwortete er schließlich mit leiser Stimme, „und für das verabscheut wird, was er ist, aber trotzdem das Beste daraus macht und sich von niemandem unterkriegen lässt.“
Seine Worte dämpften die Stimmung spürbar und Tony sagte für lange Zeit nichts.
„Und du?“, fragte Loki schließlich, um die unangenehme Stille zu durchbrechen. „Warum magst du ihn?“
Tony grinste. „Weil er einfach cool ist.“
„Ihr wisst schon, dass er als Schurke konzipiert wurde oder?“
Natashas Stimme dicht hinter ihnen ließ die beiden auf der Couch vor Schreck zusammenzucken.
„Himmel noch mal, Natasha, musst du dich jedes Mal so anschleichen...?!“
Während Tony sie noch vorwurfsvoll ansah, hatte Loki sich bereits wieder gefangen.
„Welchen Charakter magst du denn am meisten?“, fragte er sie.
Natasha stemmte eine Hand in die Seite. Ihr Yoga-Handtuch hatte sie sich locker um den Hals gelegt.
„Den Bastard von Winterfell natürlich“, erwiderte sie. „Ich meine, habt ihr seine Bauchmuskeln gesehen?“
„Ach, ist das so“, meinte Clint, der in diesem Moment in den Raum trat. Er trug ein T-Shirt, Boxershorts und auf dem Kopf aus irgendeinem Grund eine Papierkrone von Burger King. „Dann wird es dich sicher freuen zu hören, dass er im fünften Band-“
Doch Natasha unterbrach ihn, bevor er weitersprechen konnte, und ihre Stimme war so gefährlich leise, dass Tony und Loki unwillkürlich fröstelten. „Ich warne dich, Clint: wage es nicht.“
„Sieh es als Rache dafür, dass du mir letzte Woche das Ende von The Sixth Sense verraten hast!“
„Aber der Film ist schon so alt, ich dachte, du hättest ihn bereits gesehen!“
„Die Zeit für Entschuldigungen ist vorbei.“ Clint schniefte. „Der Schaden ist irreparabel.“
„Clint, wehe du spoilst mich für Game of Thrones!“
„Was dann?“, fragte Clint sie herausfordernd. „Du bist unbewaffnet.“
Natasha hob eine Augenbraue. „Ich habe ein Handtuch.“
Plötzlich wich alle Farbe aus dem Gesicht des Bogenschützen. „Oh Shit.“
Eilig trat er den Rückzug an. Natasha folgte ihm langsam, ein gefährliches Funkeln in den Augen.
Nachdem die beiden verschwunden waren, kehrte wieder Stille ein.
„Wir sind nicht immer so“, sagte Tony nach einer Weile.
„Sicher“, entgegnete Loki mit ungerührter Miene.
„Als Team sind wir unschlagbar.“
„Mmh-hm.“
Tony gab auf. Seufzend erhob er sich und verließ das Zimmer, vermutlich, um endlich zu duschen und dann schlafen zu gehen. Oder auch nicht, bei Tony konnte man sich nie so sicher sein.
Loki blieb allein zurück und hatte nun endlich wieder seine Ruhe.
Und während auf dem Bildschirm einmal mehr jemand ermordet wurde und Kunstblut die kostbaren Gewänder rot färbte, wurde dem Jungen zum ersten Mal bewusst, dass er gerne hier war.