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Die von Feuer Geküsste

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Die von Feuer Geküsste

Der Schnee knirschte unter ihren Füßen, als Ignis die Stufen zum Heiligtum erklomm. Der Berg, dessen Spitze in niemals schwindenden Eisnebel gehüllt war, stellte die letzte Hürde in ihrer Lehre als Spiris dar und gehörte zu der gefährlichsten der Prüfungen, denen sie sich hatte unterziehen müssen. Neben dem Gehen über brennende Kohlen, dem Tauchen bis zur Bewusstlosigkeit und dem Freiem Fall mit notdürftiger Sicherung war das keine leichtfertige Feststellung.

Nicht alle ihrer Mitstreiter hatten die Prüfungen unbeschadet überstanden, aber das gehörte zur Auslese dazu.

Der eisige Wind drückte gegen sie und ihre Schuhe aus gefüttertem Leder rutschten trotz aufgerauter Unterseite gefährlich oft auf dem Eis ab. Mit aufgeplatzten Lippen und tauben Wangen stieg Ignis weiter, einen Schritt nach dem anderen. Sie wusste nicht, wie lange sie schon gegen den tosenden Schneesturm angekämpft hatte, aber Zeit verlor soweit oben, so nah am Tod, seine Wichtigkeit.

Hinter ihr ertönte ein schriller Schrei, als eine der anderen Spirisanwärter in die Tiefe stürzte. Der Ton verklang, je weiter sich der Körper dem Boden näherte. Mit ein wenig Glück würde sie ihr Training auch in dieser Situation nicht verlassen. Sicher war Ignis jedoch nicht.

Das Heiligtum war kulturelle Stätte und Prüfung zugleich. Nur einer, der ein Spiris im Geiste war, konnte ihn unversehrt erklimmen, und Ignis zweifelte immer mehr an diesem letzten Teil des Versprechens, das ihre Mentoren ihnen zum Abschied gegeben hatten.

Die anderen Prüfungen mochten einen Anwärter verletzt oder gar verkrüppelt zurücklassen, der Berg hingegen nahm Leben. Nur die Selbstbewussten, die Mutigen, wagten den Aufstieg.

"Da!", rief plötzlich Freezus, der schon früh die Führung übernommen hatte und nun als erster den Nebel erreichte. Seine Fähigkeit, Kälte zu widerstehen, hatte ihm schon zu Beginn der Lehre seinen Namen gesichert.

Ignis setzte weiter einen Fuß vor den anderen und bemühte sich, nicht zu oft nach Freezus Ausschau zu halten, der inzwischen im Nebel verschwunden war. Die Kälte machte ihr, einer Feuerbegabten, von allen Prüfungen am meisten zu schaffen, aber als Spiris musste sie in der Lage sein, allen Elementen gleichermaßen Stand zu halten.

Bevor sie den Nebel erreichte, hörte Ignis weitere zwei Mal einen erstickten Schrei. Niemand schien dieses Mal gestürzt zu sein, aber eine Verletzung, die am Weitergehen hinderte, galt als fehlgeschlagene Prüfung. Unter einem der Schreie meinte Ignis den ihres besten Freundes, Aquis, herausgehört zu haben, aber Hilfestellung war den Anwärtern untersagt und so sehr sie sich um ihn sorgte, war sie ihrem Ziel nun zu nahe, um noch zurückzuschauen.

Eine Woge Eiskristalle traf sie, als der Nebel sie wie aus dem Nichts umhüllte und biss in ihre Haut, durch ihre Lederhandschuhe und fraß sich zwischen allen Lücken hindurch, die durch die Nähte in ihrem Mantel entstanden waren.

Ignis hielt in der Bewegung inne und bemühte sich, ihren Fokus nicht zu verlieren. Die eisige Kälte war so überwältigend, dass sie kaum in der Lage war, zu atmen, und wenn, dann spürte sie regelrecht, wie der Frost ihre Kehle von innen zerschnitt.

Mit aller Willenskraft, die sie aufbringen konnte, drückte Ignis aus dem tiefsten Innern ihres Körpers gegen die auf sie einströmende Eiswand und beschwor alle Energie, die nicht zur Verteidigung gegen die Kälte eingeflossen war, für einen Funken Wärme in ihrem Blut auf.

Langsam aber sicher kehrte ein wenig Gefühl in ihr Gesicht, ihre Hände und Füße zurück, ein prickelnder, stechender Schmerz, auf den sie in diesem Moment gerne verzichtet hätte, aber sie zwang sich vorwärts, ein Schritt, ein Atemzug.

Sie durchbrach den Nebel.

Der Himmel war von dem leuchtenden Weinrot, das Ignis nur aus den wolkenlosesten aller Tage kannte und die beiden Monde, deren blassblaue und graugestreiften Oberflächen einander überlappten, standen wie zwei matte Scheiben am Firmament.

Der Anblick ließ Ignis´ Herz höher schlagen und sie vergaß für einen Moment, zu zittern. Dann spürte sie eine Präsenz, wie ein Atemhauch auf ihrem Gesicht und tausend leise, flüsternde Stimmen sprachen in ihr Ohr.

"Willkommen, Spiris", wisperten sie, wieder und wieder, bis die Erkenntnis ihres Erfolgs wie eine Feuerwoge durch Ignis hindurch wusch.

Sie hatte bestanden.

Erleichtert lachte sie auf, nur um zu merken, dass die Kälte in ihren Gliedern sie verlassen hatte. Ihre Finger verblieben in einem wunden Violett, doch der Schmerz war verschwunden.

"Fühlt sich gut an, oder?"

Ignis hob den Blick und entdeckte Freezus, der weiter oben auf dem Heiligtum auf sie wartete. Die letzten Steinstufen, die aus dem Nebel herausragten, wanden sich bar von Eis die schroffe Gebirgswand empor, bis sie auf das schräge Plateau führten.

Mit einem inneren Frieden in sich, den Ignis nie zuvor empfunden hatte, stieg sie die letzten Stufen empor und reihte sich neben Freezus ein, der eine Hand an ihren Hals legte, die Geste für Respekt und Anteilnahme. Ignis tat es ihm gleich und gemeinsam wandten sie sich der Treppe zu.

Sechs von ihnen hatten alle Prüfungen bis hierhin bestanden. Drei hatten ihre Chance verfehlt. Einer von ihnen musste noch um sein Bestehen ringen.

Aero entstieg dem Nebel langsam, als kämpfe er gegen zähen Schleim an, doch nach einigen, langen Augenblicken entriss er sich dem Eis und tauchte voll daraus hervor. Seine Wimpern waren schneeverkrustet, doch kaum, dass er die Augen aufschlug, schmolz alles Eis von ihm ab und er sah sich um wie ein Blinder, der zum ersten Mal die Welt erblickt.

"Du hast es geschafft", sagte Ignis und wartete geduldig, bis Aero sich gefasst hatte und zu ihnen auf das Plateau stieg.

Kaum, dass die Begrüßungen der drei ausgetaucht waren, hüllte Licht die Gruppe ein und Ignis gab eine erstickten Laut von sich, als Feuer sich durch ihre Ledergewänder fraß, die niemals hätten brennen dürfen. Flammen, so heiß, dass sie ihre Haut in Sekunden verkohlen müssen, umhüllten sie und ein verzweifelter Blick zu ihren Mitstreitern verriet Ignis, dass nicht nur ihr ein Element entgegen schlug.

Aero wurde von einem tosenden Wirbelsturm erfasst und in die Höhe gerissen, während Freezus neben ihr zu gefrieren schien, seine Haut kristallblau und dampfend.

So schnell, wie der elementare Angriff begonnen hatte, endete er auch wieder. Ignis fand sich nackt auf ihren Knien wider, so wie Aero und Freezus neben ihr. Sie atmeten erleichtert aus, unsicher, was geschehen war.

"Du bist gereinigt", flüsterten die tausend Stimmen und Ignis erhob sich, schwankend. Alles in ihr schien zu brennen, aber auf eine wunderbare, intime Weise.

"Mache dir die Elemente zum Untertan, Ignis, die von Feuer Geküsste. Deine Zeit ist gekommen."

Neben ihr holte Freezus tief Luft, bevor er sich in einer Spirale aus Eis gen Himmel tragen ließ und Aero, dessen Augen wie nie zuvor leuchteten, nahm Anlauf, sprang vom Heiligtum und flog mit den Eiswinden davon.

Ignis breitete ihre Arme aus und Feuersäulen schossen in einem Kreis um sie empor. Hitze und Funken hüllten sie ein und als die Flammen an den Unterseiten ihrer Fußsohlen leckten, ließ sie sich durch den Schub in die Höhe katapultieren.

Sie schloss die Augen − und lachte.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Kerstin-san
2017-08-06T07:46:06+00:00 06.08.2017 09:46
Hallo,
 
echt ein fesselnder One-Shot, bei dem man von Anfang bis Ende mit Ignis mitfiebert, ob sie die Prüfung wohl meistern wird. Ich finde ja, dass sie zu Beginn schon etwas abgestumpft wirkt, wie sie so über die vorausgegangenen Prüfungen und die Prüflinge, die dabei zu Tode gekommen sind, nachdenkt, aber vermutlich muss man das ganze wohl mit etwas Distanz betrachten, um sich nicht selbst anlenken zu lassen.
 
Mir gefiel, dass die vier Prüfungen sich auf jedes der Elemente konzentriert haben, sodass jeder Anwärter in einer der Prüfung einen Vorteil gegenüber den anderen hatte. Rein vom Gefühl her, hätte ich erwartet, dass Ignis mit der Wasserprüfung wohl die meisten Schwierigkeiten hätte haben müssen, aber ich kann auch den Gedankengang nachvollziehen, der ihr das Eis zur größten Schwäche werden lässt.
 
Die klirrende Kälte mit dem beißenden Wind und dem tückischen eisigen Untergrund fand ich sehr anschaulich beschrieben, da hats einen selbst etwas gefröstelt und ich hab mich mit Ignis gefreut, als sie endlich den Gipfel erreicht hatte. Zum Schluss ist mir dann nochmal kurz das Herz in die Hose gerutscht, weil ich dachte, dass da noch eine Prüfung kommt, die die drei jetzt ganz unerwartet trifft, aber das war ja zum Glück nicht der Fall.
 
Das Ende wirkt dann wie eine richtige Befreiung, so als würden die drei das, was sie bisher zurückgehalten oder irgendwie eingeschränkt hat, durchbrechen und zum ersten mal völlige Freiheit erleben.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von:  yazumi-chan
06.08.2017 16:18
Danke für die schönen Worte :D Der One-Shot war wirklich nur so was kleines für Zwischendurch, aber es freut mich, dass er dennoch gut ankommt. Jetzt hast du all meine Geschichten durch, oder? xD
Antwort von:  Kerstin-san
06.08.2017 17:23
Jup, ich hab sie alle gelesen und kommentiert :) *wirft Konfetti durch die Gegend*
Von: abgemeldet
2015-09-05T12:26:14+00:00 05.09.2015 14:26
Hallo!

Ich fand das Cover so ansprechend, und ja, die Geschichte hat am Ende etwas wahrhaft Majestätisches, Befreiendes an sich. Ich war von Anfang bis Ende gebannt, und dachte mir oft, das würde am Ende (also spätestens dort, wo sich alle ihrem Element ausgesetzt fühlen) noch einmal in eine bösartige Überraschung umschlagen. Ich fand es unheimlich spannend, dass man die Stimmen sowohl heuchlerisch, als auch gutmütig lesen konnte - je nachdem, was man ihnen zutraute. Die Atmosphäre der Geschichte ist dicht, mitreißend und es fällt zu keknem Zeitpunkt schwer, sich mit den Entscheidungen oder Gedanken von Ignis anzufreunden. Gerade, dass die Witterungsbedingungen eine große Rolle spielen, verleiht der Umgebung einen tödlichen, aber wunderschönen Anstrich.
Am Anfang gefiel mir besonders, dass Ignis eine Frau ist. Wann immer ich den Namen aufschnappte, da war es eine männliche Kreatur. Dazu der Kampf, nicht einzuknicken und die grässlichen Schreie zu überhören, oder ihrem besten Feund nicht zu Hilfe zu eilen. Einerseits wollte ich mit ihr hadern, weil ich dachte, was ist die Prüfung wert, wenn sie dieses Opfer hat, andererseits hätte es auch eine Finte sein können oder der Knackpunkt. So viel, wie sie bis dahin erduldet hatte (chronologisch wunderbar eingeflochten!), ergab es allerdings auch Sinn kaltblütig zu agieren und sich nicht ablenken zu lassen. Sie hätte rasch selbst fallen können.
Mich hat es bis zum Ende beschäftigt, ob Aqueis es geschafft hat. Ich denke, es wäre Spielraum bei drei Toten, es schlecht ausgehen zu lassen.

Fakt ist, dass ich die Geschichte um Spiris, die Eisnebel, den Berg und die kämpferische Haltung der Teilnehmer mochte. Deine Sprache war ein Hochgenuss: Leicht verständlich, aber dennoch bildhaft und fesselnd. Besonders gefielen mir die Vergleiche in der Mondbeschreibung oder Phrasen wie: Atemhauch im Gesicht, das war zerbrechlich und zart.

Tippfehler: "Unter einem der Schreie meinte Ignis die ihres besten Freundes" (den)
Wortwiederholung: "Die eisige Kälte war so überwältigend [...] wie die Kälte ihre Kehle von innen zerschnitt" (wie der Frost?)

Schade, dass es hierzu keine Fortsetzung gibt. Bei einem Buch wäre das der Grund sofort umzublättern.

Viele Grüße, Morgi
KomMission-Unterstützerin, für mehr Feedback auf Animexx :-)
Antwort von:  yazumi-chan
05.09.2015 14:37
Wow, vielen Dank für die ausführliche Review :DD Ich freue mich, dass dir dieser kleine One-Shot gefallen hat. Mich hat es damals beim Schreiben einfach überkommen. Die Fehler werden sofort ausgebessert ;)

Liebe Grüße, yazumi-chan
Von:  Kalliope
2015-05-30T18:20:59+00:00 30.05.2015 20:20
Ignis ist ein schöner, passender Name für eine Feuermagierin :) Mir gefällt es, wie allgemein die Namen zu den Elementen passen, also Ignis für Feuer, Aero für Wind, Freezus für Eis und Aquis für Wasser. Der Abschnitt ist ja nun relativ kurz, aber ich vermute mal, dass die Magier/Spiris an der Stelle am Ende ihrer Ausbildung stehen und nun ihre Aufgaben und Abenteuer erleben. Das macht Lust auf mehr :)
Antwort von:  yazumi-chan
31.05.2015 00:42
Vielen Dank :D Ich wollte einfach mal ein bisschen ausprobieren, wie gut ich eine andere Welt darstellen kann, ohne groß ins Detail zu gehen. Die Benennung der Spiris erfolgt ja nach ihrem stärksten Element, deswegen passen die so gut^^


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