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Verlorene Kinder

OS über die DonQuichotte-Brüder
von

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Verlorene Kinder

Wir waren schon von Anfang an vollkommen verschieden...
 

Vorsichtig stieß Doflamingo die Türe auf und lugte hinein. Das Zimmer war abgedunkelt, so wie immer, wenn er in den letzten Wochen den Raum betreten hatte. Der dünne Stoff seines Hemdes spannte sich, als sein kleiner Bruder stärker am Saum zog. So als würde er ihn mit dieser kaum wahrzunehmenden Geste daran hindern können noch einen Schritt weiter zu gehen.

Vielleicht wollte er ihn auch einfach nur zurück zu dem Mann ziehen, der sich ihr Vater schimpfte. Mochte Rocinante zu diesen Trottel noch aufschauen, er selber hatte mit ihm abgeschlossen, trug doch dieser Schwächling die volle Verantwortung für ihre Misere.

„Ju… Jungs?“

Eine schwache Stimme wehte im Zwielicht zu ihnen herüber und trotz seiner Entschlossenheit der Situation nicht zu weichen, fühlte sich Doflamingo ertappt. So wie früher als alles noch gut war und nicht wie heute, wo selbst in der belegten Stimme seiner Mutter ihn das Verderben anlachte.

„Steht doch… doch nicht…“

Ein abrupter und starker Hustenanfall beendete die Forderung und bewegte die Jungen dazu in Hektik den Raum zu durchqueren, um so schnell wie möglich an das alte Eisenbett zu gelangen, welches den meisten Platz einnahm.

Ohne zu zögern umrundete der Ältere der Brüder das Bett während Rocinante ungeschickt an die Seite ihrer beider Mutter auf die alte Matratze krabbelte. Die zierliche Frau hatte sich mehr schlecht als recht ein wenig aufgerichtet, wobei ihr die zerschlissenen Pölster ein wenig Halt gaben. Doflamingo musste ungewollt schlucken als ihm klar wurde wie dünn seine Mutter geworden war. Dabei war sie schon immer zerbrechlich gewesen.

Eines der größten Wunder, die Doflamingo bisher in seinem Leben miterlebt hatte, war zuzusehen, wie diese äußert schlanke Frau neun Monate lang ein Kind ausgetragen hatte, auch wenn die Erinnerung an die Zeit vor Rocinantes Geburt recht verschwommen in seinem Gedächtnis eingespeichert war. So wie fast ihr ganzes Leben in Mary Joa ihm ganz weit weg schien. Als wäre es nur ein Traum gewesen und sein Leben hätte sich nur in diesem Albtraum abgespielt.

Ein Albtraum, der ihre Mutter immer mehr schwächte und auf ein böses Ende ahnen ließ.

Rocinante hatte sich indes unter leisem Schluchzen an ihre Mutter gekuschelt und die Wange an die dargebotene Handfläche geschmiegt. Die andere Hand forderte schwach den Erstgeborenen auf, sich auf die Bettkante zu setzen.

Eine Anforderung, welcher dieser nur langsam nachkam. Kaum saß er auf der alten Matratze, fuhr ihm seine Mutter schon durchs blonde Haar, welches seit Wochen wieder geschnitten gehörte, wobei es bei weitem noch lange nicht so lang war, wie bei Rocinante.

Er hatte sowieso nie verstanden, wie sein kleiner Bruder, der wohl größte Tollpatsch auf Erden war, mit diesem dichten Pony vor den blauen Augen noch was sehen konnte. Eine Weile schwiegen sie alle drei, worüber Doflamingo nur froh war, konnte er nur mit Mühe zusehen, wie jedes Wort seiner Mutter immer mehr an die Substanz ging.

Ein leichtes Schnarchen signalisierte beiden, dass Rocinante eingeschlafen war und mit einem warmen Lächeln zog seine Mutter eine der Überdecken über den kleinen Leib, welcher mit tränennassen Wangen nun ruhig an in eines der alten Kissen sabberte.

„Doffy…“

Abermals überkam die Frau ein Hustenanfall und nur mühsam unterdrückte sie ihn so gut es ging, um ja nicht ihren Jüngsten zu wecken. Augenblicklich war Doflamingo bei ihr und versuchte mehr hilflos als hilfreich sie zu stützen.

„Vater hat gesagt, du sollst dich nicht anstrengen“, versuchte er in einem viel zu ernsten Tonfall für ein Kind, seine Mutter sich zum Hinlegen zu bewegen, doch zarte Hände schoben ihn leicht von sich weg, so dass sie ihm in die Augen sehen konnte.

Blaue Augen, schließlich hatte er die Farbe von ihr geerbt, wenn er sich auch bewusst war, dass er die Form seiner Augen von ihrem Großvater hatte. Ein Mann, dem es ihm schon immer unangenehm gewesen war, anzusehen, hatte er sich jedes Mal von oben bis unten abgetastet gefühlt, wenn ihn dieser angesehen hatte.

„Ich weiß…“

Die Frau lächelte und ähnelte mit dieser Geste immer mehr einem Gespenst, so weiß wie ihre Haut geworden war und so sehr sie sich nun über die Knochen spannte. Dabei war seine Mutter einst wunderschön gewesen, seiner Meinung nach, und war es noch immer, selbst wenn ihr nun der Tod nur zu sichtbar auf den Schultern hockte, sodass es dem Kind die Brust zusammenschnürte. Doflamingo wollte eben noch einmal seine Mutter ermahnen, ihre ruinierte Gesundheit nicht noch mehr zu belasten, da legten sich zwei Finger auf seine Lippen und brachten ihn zum schweigen, bevor auch nur ein weiteres Wort seine Lippen verlassen hatte.

„Bitte Doffy, hör… hör mir nur einfach zu…“

Widerwillig nickte der Junge und sah hinter seiner Brille zu seiner Mutter auf. Vorsichtig wanderten die schlanken Fingern von seinen Lippen zu den Bügeln der Sonnenbrille, hoben sie leicht an und zogen mit Bedacht diese aus dem Gesicht des Jungen. Behutsam platzierte sie diese dann über Rocinantes Kopf, bevor sie sich wieder ihrem Sohn zuwandte.

„Du kannst den gleichen Blick wie dein Großvater haben“, stellte sie mit nüchternem Tonfall fest. „So sollte kein Kind auf dieser Welt dreinschauen“

Krampfhaft versuchte der Junge seine Gesichtsmuskeln zu entspannen und ein Lächeln aufzusetzen, damit er das Urteil seiner Mutter widerlegen konnte, doch es wirkte spürbar falsch, sodass er nach wenigen Augenblicken wieder aufgab.

„Mein Sohn…“

Eine Hand fuhr ihm abermals durch das Haar und Doflamingo spürte, wie schwer es seiner Mutter fiel, dass was sie noch sagen wollte, ordentlich in Gedanken zu bündeln und fokussiert zur Sprache zu bringen. Dabei lief ihnen die Zeit davon, das war sogar ihm mit seinen acht Jahren glasklar.

„Verzeih mir, dass ich euch in einer solchen schweren Lage zu Last falle“

Ihre Stimme war nur Haaresbreite mehr als ein Hauch und auch die Worte waren nicht gemacht, um von einem Kind gehört zu werden. Einem Kind, welches sich seit Wochen mit dem den stetigen Verfall seiner Familie, seines Heimes und der Frau, welche ihm das Leben geschenkt hatte, aus unmittelbarer Nähe ansehen musste, ohne was dagegen tun zu können.

Er war acht und dennoch war sein Vater ein Wrack, seine Mutter totgeweiht, sein Bruder zu klein, um ihn eine großartige Hilfe zu sein, die ganze Situation zu überschauen.

Seine Kindheit hatte er in den ersten Wochen nach ihrer Flucht vor dem tobenden Mob abgestreift, wie eine Echse ihr altes Schuppenkleid. Doch die darunter liegende Haut war noch weich und nur allzu zart. Sie würde nicht lange den Strapazen ihres trostlosen Lebens standhalten, ohne sichtbare Narben davonzutragen. Das war auch seiner Mutter bewusst, welcher trotz jeglicher Beherrschung, silberne Tränen die Wangen herabliefen.

Doflamingo wollte etwas sagen, sie in den Arm nehmen, ihr die starke Schulter zum ausweinen geben, selbst wenn seine dünnen Schultern viel zu schwach waren dieser Belastung standzuhalten. Mit einem leichten Zittern riss sich die Frau zusammen und tupfte sich mit dem Zipfel ihrer Decke die Tränen ab.

„Tut mir leid… wenn es so weiter geht komme ich nie zu dem, was ich dir noch sagen muss…“

Von selbst fischte Doflamingo nach der filigranen Hand seiner Mutter und schmiegte seine Wange gegen die kühle Handfläche. Ein Zeichen von Sicherheit, aber auch von Zuneigung.

„Die Götter wollten, dass du der Älteste wirst, so bitt ich dich… Pass auf Rocinante auf, wenn ich nicht mehr sein sollte und dein Vater euch nicht mehr beschützen kann…“

Das verächtliches Schnauben unterdrückte Doflamingo im letzten Moment, wollte er seiner Mutter den Kummer ersparen zu merken, wie sehr er seinen Erzeuger für seine Schwäche und seine Entscheidungen verachtete.

„Er ist viel zarter als du. Mit Körper und Geist… Außerdem… nun ja… du kennst es ja… er ist ein kleiner Tollpatsch…“

Dass sein Bruder nur ein Tollpatsch war, empfand Doflamingo als Untertreibung, schlitterte der Kleine mit seinen sechs Jahren in jede missliche Lage, die ihm auflauern konnte.

„… nicht dafür geboren sich mit Gewalt einen Platz in der Welt zu schlagen“

Sie waren alle nicht dafür geboren worden in dieser dreckigen Welt zu leben, das war dem jungen Aristokraten noch aus seiner Zeit in Mary Joa nur allzu gut in Gedanken geblieben.

Er und seine Familie waren dazu geboren zu herrschen und ein Leben zu führen, welches ihrem Stand als Nachkommen der Gründer der Weltregierung würdig war.

Doch eine idiotische Entscheidung ihres Vaters hatte sie alle zu diesem Unglück verdammt. Wut auf das Oberhaupt der Familie sprudelte in der kleinen Kinderbrust zusammen, doch wurde diese gebändigt als seine Mutter fortfuhr, mit ihren Finger durch sein blondes Haar zu streichen. Er würde sich seinem Gram später hingeben, weit weg von Mutter und Bruder.

„Ich werde auf Roci Acht geben“ murmelte er schließlich, als er sich sicher war, die Schwäche in seiner Stimme kaschieren zu können.

„Mein braver Sohn. Versprich mir noch eines, lächle immer. Egal wie sehr das Leben gegen dich spielt, dein Lächeln kann dir keiner nehmen, wenn du es nicht zulässt. Meistens ist es das Einzige, was dir noch bleibt.“

Erst wollte Doflamingo nach den nähren Sinn dieser Worte nachfragen, doch dann entschied er sich anders. Das mühsam getragene Lächeln seiner Mutter entschädigte ihn für die seelischen Schmerzen der letzten Wochen, auch wenn ihm wieder bewusst wurde, wie kostbar diese Momente werden würden, stand doch der Tod vor Tür.

Er würde später noch genug Zeit haben, in selbstgewählter Einsamkeit über die Worte seiner Mutter nachzudenken.
 

Vieles haben wir uns geschworen, auch auf die Liebe und so viel haben wir gebrochen…
 

Die Dämmerung senkte sich langsam über sie und die Färbung versprach diese Nacht einen Blutmond, wie ihn Rocinante schon lange nicht mehr beobachtet hatte.

Mit Misstrauen beäugte der kleine Junge die neuen Freunde seines Bruders während er weiterhin artig ein wenig abseits auf einer Bananenkiste hockte und abwartete. Dabei mochte er keinen einzigen von ihnen und hasste diese immer häufiger werdenden Treffen mit diesem Pack.

Schweigend ließ er den Blick durch das dichte blonde Pony vor seinen Augen über die anwesenden Gestalten huschen.

Vergo war im gleichen Alter wie Doffy und doch hatte er ähnlich wie sein Bruder etwas in den Augen, was kein Zehnjähriger haben sollte. Rocinante hatte nie verstanden, woher der Junge mit der dunklen Brille und den seltsamen Koteletten kam. Bastard nannte man ihn innerhalb der Mauern der Stadt. Ein Wort, das sich dem kleinen Donquichotte völlig verschloss, nahm sich keiner die Mühe ihm die Bedeutung zu erklären.

Auch wusste er nicht, was daran so schlimm war, dass sein Vater zwar ein hohes Mitglied im Rat der Stadt war, vor welchen sie ihre momentane Bleibe errichtet hatten, seine Mutter aber die schmächtige Fischverkäuferin am Brunnenmarkt war. Der Junge blieb ihm von vorne bis hinten ein Rätsel, doch sein Bruder schien diesem sehr nahe zu stehen. Deswegen sagte Rocinante auch nichts, wenn er wiedermal die Abneigung Vergos auf der Haut spürte, kaum drehte sein Bruder ihnen beiden den Rücken zu.

Ein anderes Kaliber war hingegen Diamant. Bei ihm musste Doffy regelmäßig einschreiten, packte er Rocinante zu stark an und sei es nur, um ihn ungefragt durch die Haare zu wuscheln, während er im Würgegriff ganz blau anlief. Diamant konnte seine Stärken und Schwächen einfach nicht vernünftig einschätzen. Ein Fehlvermögen, welches der kleinen Bande öfter nur Ärger einbrockte. Dabei war der Junge ein paar Jahre älter als Doffy. Seine Stimme hörte sich eben an, wie ein schlecht eingestelltes Radio und er begann langsam den kurzen Röcken der Mädchen und jungen Frauen hinterherzugaffen. Ein Verhalten das Rocinante noch weniger verstand als Vergos seltsame Essmanieren.

Doch wer ihm wirklich Angst machte, waren nicht Vergo oder Diamant, sondern Trébol, der Älteste von den drein.

Er war sechs Jahre älter als Doffy und genau doppelt so alt wie Rocinante. Die Müllkippe, auf welcher sie nun hausten, war sein Zuhause und sein Gehabe war so schmierig, dass es Rocinante nur grauste.

Unruhig rutschte der Junge auf der umgedrehten Bananenkiste hin und her. Er wollte nur noch nachhause, zu ihrem Vater, um das ganze hier für eine Weile zu vergessen und das Gesicht in den zerschlissenen Stoff zu vergraben. Doch ohne Doffy traute er sich nicht sich auf dem Heimweg zu machen. Die Wunden von ihrer Tortur vor einigen Monaten, Augenblicke wo Rocinante den Tod im Nacken gespürt hatte, waren zwar verheilt, doch neue zogen sich auf die frisch gezeichnete Haut. Zwar stellte ihnen hier niemand mehr nach, doch das Gesetz des Stärkeren herrschte vor den Toren der Stadt unerbittlich, so dass die Donquichottebrüder mehr als einmal von ihren Streifzügen nach Nahrung und verwertbaren Schrott unter Kopfschmerzen nachhause gewankt waren.

Je mehr Prügel Rocinante bezog, je mehr Gewalt er am eignen Körper erlebte umso stiller wurde er. Aus dem einst fröhlichen Kleinkind war ein in sich gekehrter Junge geworden, der nur noch das nötigste in Worte fasste und oftmals nicht mal das. Ihr Vater fand kaum die Zeit sich mit dem besorgniserregenden Verhalten seines jüngsten Sprösslings zu beschäftigen, war er vielmehr damit beschäftigt mehr schlecht als recht nach dem Tod der Mutter und den qualvollen Ereignissen das Leben der restlichen Familie zu garantieren. Auch sein großer Bruder reagierte unzureichend auf seinen seelischen Abgrund, hielten ihn seine kleineren Gaunereien, welche er mit seinen neuen Freunden durchzog und somit die tägliche warme Mahlzeit fast immer sicherte, davon ab auf Rocinante einzugehen.

Dabei hatte sich auch Doffy massiv geändert. Er lachte viel in den letzten Wochen und trug beinahe immer das breite Grinsen, welches Rocinante als sie noch in Mary Joa gelebt haben, so sehr geliebt hatte. Doch nun war dies alles Teil einer Fassade geworden, hinter der sein älterer Bruder begann Netze von Intrigen zu spinnen. Doffy hatte ein unheimliches Talent andere zu manipulieren und Situationen zu seinen Gunsten zu drehen. Selbst vor seinen neuen Freunden machte er nicht halt, indem er sie in seinem unsichtbaren Spiel so positionierte, dass es für ihn am vorteilhaftesten war. Einzig Vergo schien das manipulative Verhalten ihres geheimen Anführers aufgefallen zu sein, doch dieser fügte sich kommentarlos. Eine Haltung, die nicht dazu beitrug, dass Rocinante Vergo sympathischer fand.

Er mochte generell die Veränderung seines Bruders seit dem Tod ihrer Mutter vor zwei Jahren nicht. Doffy war herrisch geworden und kam zwar seiner Beschützerrolle als großer Bruder nach, hatte aber auch keine Skrupel Rocinante für seine Zwecke einzuspannen.

Noch weniger als das teilweise verletzende Verhalten seines älteren Bruders mochte Rocinante den Blick hinter den getönten Brillengläsern.

Zu sehr erinnerte ihn dieser an ihren Großvater. Wenn er so nachdachte, hatte Doffy auch kaum was von ihren beiden Eltern geerbt, sah man von kleineren äußerlichen Merkmalen ab, wie die blauen Augen oder das blonde Haar. Vielmehr entwickelte er sich zu dem Vater ihrer Mutter. Eben jener Mann, der ihm allein schon durch seinen harschen Blick Alpträume verschafft hatte.

Doffy kam auf ihn zu, ohne dass er es großartig merkte.

Die restliche Bande blieb hinter ihm und zerstreute sich allmählich in alle Richtungen, sehr zu Rocinantes Erleichterung. Das sonst permanente Grinsen um die Mundwinkel seines Bruders war verschwunden, ein Zustand der den kleinen Donquichotte noch misstrauischer stimmte als er schon war. Auch lag die sonst glatte Stirn in Falten und mit Sorge betrachtete Rocinante das kleine, unscheinbare Paket in den Händen seines älteren Bruders.

„Wir gehen“, fuhr ihn dieser leicht an als der Junge seiner Meinung nach sich nicht schnell genug von seinem Sitzplatz erhoben hatte.

Hastig stand Rocinante auf, stolperte dabei über seine eigenen Beine und fiel der Länge lang hin. Für eine kurze Weile meinte der Achtjährige den verhassten musternden Blick seines Bruders auf sich zu spüren, doch dann griff eine Hand nach ihm und verhalf ihm ein wenig sanfter wieder auf die Beine.

„Irgendwann erschlägst du dich noch über deine eigenen Haxen, Roci.“
 

Schweigend machten sie sich dann auf den Weg über den Müll der Stadt zu der schäbigen Hütte, die sie ihr Heim nannten und begegneten sehr zu Rocinantes Erleichterung keinem der anderen recht gewalttätigen Bewohner des Schrottplatzes.

Der Mond war schon seit längerer Zeit aufgegangen und hüllte mit seinem blutroten Licht die Umgebung in eine schauerliche Stimmung.

Sie hatten schon die Hälfte des Weges zurück gelegt, waren dabei einer stinkenden Riesenratte ausgewichen, die im Abfall nach was zum Fressen suchte und nicht den Eindruck machte, zwei abgemagerte Jungen als Abendessen zu verschmähen, da begann Rocinante am Saum des Hemdes seines Bruders zu zupfen.

Erstaunt huschte der Blick des Älteren über ihn und bevor auch nur die Frage fiel, tippte Rocinante gegen das unscheinbare Paket in den Armen des anderen.

„Du willst wissen was da drinnen ist?“

Ein Nicken.

Auch wenn Rocinante hin und wieder sich noch in Worten ausdrückte, so hatte sein Bruder gelernt mehr auf die Körpersprache zu achten als auf die spärliche verbale Kommunikation.

Der blutrote Mond wurde für einen Augenblick von einer tiefgrauen Wolke verdeckt und die Dunkelheit hüllte sie immer stärker in ihr finsteres Nachtgewand ein. Ein unheimliches Lächeln huschte in diesem Moment über die spitzen Züge des brüderlichen Gesichts und Rocinante war sich schnell einig, dass er es nicht mochte.

„Das wirst du schon früh genug erfahren, kleiner Bruder. Zerbrich dir nicht dein kleines Köpfchen deswegen. Bald wird alles wieder gut werden, vertraue mir. Ich hole uns aus diesem Dreckloch raus“

Die Wolke zog vorbei und gab das nächtliche Licht des Mondes wieder frei, doch die Ängste begannen im kleinen Brustkorb Rocinantes noch stärker zu wütend als zuvor, lag etwas hinter dem abschreckenden Lächeln seines Bruders, das jegliche Alarmglocken in seinem Kopf zum schrillen brachte. Es sollte das letzte Mal sein, dass sie sich gemeinsam auf den Weg nachhause machten...
 

Was Rocinante noch nicht wusste war, dass sich in dieser Nacht ihr Schicksal endgültig besiegeln sollte, indem es ihrer beider Lebenswege auseinander riss. Ein Bruder kehrte dem ehrbaren Leben den Rücken zu, die Hände besudelt vom Blut des eigenen Vaters und sich der Treue seines jungen Gefolge bewusst. Der andere, jüngere und zerbrechlichere Bruder verschwand für vierzehn lange Jahren aus dem Leben seines einzig verbliebenen Anverwandten und fand Zuflucht unter dem Banner der Möwe, welches ihn auf die andere Seite des Gesetzes brachte.
 

Was wir nicht wussten… wir waren verlorene Kinder


Nachwort zu diesem Kapitel:
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lyncifer
2015-02-17T06:32:33+00:00 17.02.2015 07:32
Hey^^

Dieser OS war einfach unglaublich. Es war so schön beschrieben, dass ich es mir richtig vorstellen konnte. Und Rocinante ist einfach niedlich. ^^ Diese tollpatschige Art passt zu ihm, auch wenn es für ihn bestimmt kein Spaß ist.
Auf jedenfall hat mir die Story sehr gut gefallen und vielleicht schreibst du ja noch mehr von den beiden. Würde mich sehr freuen.

Lg
Antwort von:  Sternenschwester
17.02.2015 13:45
Danke für da Kommi^^ und das die Darstellung der Charaktere gut gefallen hat...
nun angesichts der zahlreichen Plotbunnys für die für die Ausschreibungen der verschiedenen 20Wort-Projekt Pate stehen, wird siecher noch was zu den beiden kommen...
lg, Sternenschwester


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