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Last Desire: Devious Desire

von

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Selbstzweifel

Der Tag fing für Nabi wieder um 6 Uhr morgens an und nachdem er seinen Alkoholpegel komplett zurückgesetzt hatte, fühlte er sich auch wieder fit genug. Wie immer bereitete er das Frühstück vor und wartete geduldig, bis sein Meister um Punkt 8 Uhr aufstand. Dieser kam schlaftrunken hereingeschlurft und setzte sich zu ihm. Nabi goss ihm einen Kaffee ein und widmete sich schließlich der Zeitung. „Und?“ fragte Samajim schließlich, als er einen Schluck Kaffee getrunken hatte. „Hast du gestern ordentlich einen draufgemacht? Nakash hat dich gestern hier abgeliefert, weil du zu betrunken warst, um überhaupt wach zu bleiben.“

„Ich hab eben mit den anderen Asylanten gefeiert. Immerhin besteht für sie nach langer Zeit Hoffnung, endlich zurück nach Hause gehen zu können. Dass die Terrorherrschaft vorbei ist, stellt doch einen guten Grund zum Feiern dar.“

„Aha. Und sonst?“

„Sonst war da nichts“, erklärte Nabi knapp und stand auf. Er war unruhig und nervös. Irgendwie verstand er einfach nicht, worauf Samajim mit seinen Fragen hinaus wollte und was er damit bezweckte. Wollte er wissen, ob sein Diener sich vielleicht irgendwie anderweitig vergnügt hatte? Selbst wenn, dann würde es ihn doch rein gar nichts angehen. Und außerdem hatte Samajim selbst gesagt, er könne sich ruhig mal mit den Frauen vergnügen, weil ja eigentlich nichts dagegen sprach. Ob er mich vielleicht irgendwie testen will? Oder ist das schon wieder so eine Provokation von ihm? Nabi gingen diese Worte einfach nicht aus dem Kopf, die sein Meister ihm gesagt hatte. Und ihn ließ einfach die Frage nicht los, warum Samajim das gesagt hatte. Womöglich spielt er ja auch wieder seine Spielchen mit mir und will mich nur aus der Ruhe bringen. Zuzutrauen wäre es ihm ja alle Male. Egal wie sehr Nabi darüber nachgrübelte, er kam einfach auf keine befriedigende Antwort. „Hattest du schlechten Sex oder warum bist du so neben der Spur?“

„Haha, sehr witzig“, gab Nabi sarkastisch zurück und wollte das schmutzige Geschirr spülen, was er gestern nicht mehr geschafft hatte. „Nein, ich bin nur ein wenig mit den Gedanken woanders, das ist alles. Also Meister, habt Ihr irgendwelche Aufgaben für mich, die heute unbedingt erledigt werden müssen?“

„Äh ja. Du wolltest ja noch Twinkies einkaufen gehen und ich brauch wieder neue Hemden.“

„Ist gut. Dann erledige ich nach dem Einkauf direkt die Wäsche. Ach, bevor ich es vergesse: heute seid Ihr für die Grundschule in Greenwich eingeplant. Ihr sollt den Kindern da mehr etwas über Nächstenliebe und sozialem Engagement erklären.“

„Na super“, stöhnte Samajim, als er das hörte. „Als ob sich die kleinen Blagen in dem Alter für so etwas interessieren. Was soll ich denen denn beibringen? Die glauben ja noch daran, dass Babys von Störchen gebracht werden. Das ist doch schon eh traurig genug.“

„Ihr könnt ja wohl auch nicht im Ernst verlangen, dass kleine Kinder mit Pornos aufgeklärt werden. Wenn es nach Euch gehen würde, hättet Ihr das schon längst gemacht, wenn man Euch in Eurem Wahnsinn gewähren ließe.“

„Warum nicht? So braucht man nicht um den heißen Brei herumreden und anfangen, von Bienchen, Blümchen und was weiß ich noch zu reden. Ist mir eh ein Rätsel, wieso die Menschen so ein Problem damit haben und diese hirnverbrannten Metaphern benutzen müssen. Da versteht man doch beim besten Willen nicht, was sie damit sagen wollen.“

„Kann ja nicht jeder so freizügig sein.“ Doch Samajim gab nur ein verständnisloses „Pfft!“ von sich und begann nun selbst die Zeitung zu lesen, weil er wohl gerade nichts Besseres zu tun hatte. Dabei rauchte er wie immer genüsslich seine Zigarette. „Versteh mal einer dieses Völkchen. Vor dreihundert Jahren wurden die Frauen noch ausgepeitscht, wenn sie nicht keusch bis zur Ehe waren und heute rennen überall hochschwangere Teenies und halb nackte 13-jährige Mädchen, die sich wie Stripperinnen kleiden, durch die Gegend. In manchen Kulturen wird man schon als Kind verheiratet und woanders ist man immer noch so verklemmt. Wer soll denn da bitteschön durchblicken? Warum können die Menschen sich nicht mal auf eine einzige Sache einigen? Dann wüsste ich wenigstens, woran ich bei diesem Völkchen bin.“

„Das bringt es nun mal mit sich, wenn die Welt so groß ist und alle ihre eigene Kultur haben. Und jetzt kriegt Euch mal wieder ein und behaltet diese Gedanken mal besser für Euch. Sonst macht Ihr Euch noch unnötig Feinde. Die Kirche hatte wegen Euch schon genug Stress, weil die nämlich versucht, unsere wahre Identität zu verschleiern.“

„Mir doch egal. Die Menschen leben eh nicht lange.“

„Euch scheint aber auch alles egal zu sein. Und ich bleibe dabei: Ihr benehmt Euch anständig, wenn Ihr bei den Kindern seid und behaltet Eure Meinung für Euch.“ Hier sah Samajim kurz von seiner Zeitung auf und ein lauernder Blick ruhte auf Nabi, der sich wieder mal über die zynische Lebenseinstellung seines Meisters aufregte und immer noch mit dem Abwasch beschäftigt war. Eine Weile sagte er nichts, bis er dann fragte „Tja, da wird es wohl ziemlich einsam sein, wenn ich nicht da bin, oder?“ Ein lautes Scheppern ertönte und als Samajim aufblickte, bemerkte er, dass Nabi eine Tasse heruntergefallen war. Schnell setzte sein Diener den Schaden zurück und stellte die Tasse beiseite. „Wohl doch ein wenig neben der Spur, oder?“

„Entschuldigt, Meister. Heute ist wohl nicht ganz mein Tag. Ähm… was habt Ihr gerade gefragt? Ich hab nicht richtig zugehört.“

„Ich meine ja nur, dass es doch ziemlich einsam für dich sein muss, wenn ich nicht da bin, oder?“

„Wie kommt Ihr darauf? Ich hab doch sowieso genug zu tun, da bin ich eh den ganzen Tag beschäftigt. Und am Abend bin ich bei Nakash im Pub.“

„Schon wieder? Warum triffst du dich nicht mal mit dieser Patricia? Die schien ja richtig auf dich zu stehen. Wenn du willst, helfe ich dir dabei.“ Warum macht er das? Wieso ist es ihm so wichtig, dass ich mit jemandem zusammen komme? Nabi war vollkommen durcheinander und ließ versehentlich noch etwas Besteck fallen. Dass sich Samajim ja oft genug irgendwelche Gemeinheiten erlaubte, wusste er ja schon und das war auch nichts Neues. Er konnte damit hervorragend umgehen und es störte ihn auch nicht sonderlich. Aber diese Frauengeschichte beschäftigte ihn einfach und ließ ihn auch nicht los. Warum nur war es Samajim so wichtig, ihn zu verkuppeln? Ein schlimmer Verdacht kam den Sefira. Was, wenn er ahnt, was ich für ihn fühle und er mich deshalb verkuppeln will, weil er meine Gefühle nicht erwidern kann? Ja, das müsste doch eigentlich Sinn machen. Genau, er hegt keine Gefühle für mich und hofft auf diese Weise, dass ich mich in jemand anderes verlieben würde, damit das nicht unser gutes Verhältnis zueinander beeinträchtigt. Ja aber wie habe ich mich denn verraten? Ich hab doch immer aufgepasst, dass ich mir nichts anmerken lasse und er keinen Verdacht schöpft. In seiner Gegenwart verhalte ich mich schon seit Ewigkeiten immer gleich und da kann er doch eigentlich nichts gemerkt haben.
 

Ob ich vielleicht mal in meinem Suff zu viel ausgeplaudert habe?
 

Nabi wurde schlecht bei dem Gedanken, dass ihm das vielleicht mal passiert sein könnte. Nicht auszudenken, wenn er Samajim in diesem Zustand seine wahren Gefühle gestanden hatte. Und das Dumme war: er konnte ihn auch nicht darauf ansprechen. Wenn er das tat, dann war es raus und das wollte er auch nicht. In seinem Kopf herrschte ein unvorstellbares Chaos und er wusste einfach nicht, was er tun sollte. So verunsichert war er zuletzt gewesen, als er in Samajims Dienste getreten war. „Ach, bevor ich es noch vergesse“, sagte Samajim schließlich und unterbrach Nabis Gedanken. „Eva kommt zu Besuch vorbei. Da ihr Bruder mit seinem Liebsten in Japan ist, wollte sie die Zeit nutzen, um mal wieder hallo zu sagen.“ Aber irgendwie bekam Nabi diese Worte nicht ganz mit und hörte nur am Rande zu. Er konnte diese ganzen Gedanken einfach nicht abschalten und geriet in immer stärkere Selbstzweifel. „Meister“, begann er schließlich und räumte die gespülten Teller und Tassen weg. „Nur mal aus reiner Neugier: hab ich irgendwann mal was gesagt, als ich betrunken war?“

„Oh ja. Erst letztens hast du geheult wie ein kleines Mädchen und gefragt, warum du keine Brüste hast.“

„Na super“, seufzte Nabi. „Und Ihr habt Euch mal wieder köstlich amüsiert, alles aufgenommen und dann auf Youtube hochgeladen, oder wie? Ach nein, das geht ja zum Glück nicht. Ihr wisst ja nicht mal, wie man ein Handy vernünftig bedient.“

„Von was für einer Tube sprichst du?“

„Youtube.“

„Und was ist das bitteschön? Wieder so ein Schwachsinn wie dieses Fratzenbuch oder dieses Zwitterding?“

„Facebook und Twitter“, korrigierte Nabi und begann nun damit, den Tisch abzuräumen, als Samajim mit dem Frühstück fertig war. „Nein, Youtube ist kein soziales Netzwerk in dem Sinne. Das ist ne Seite, wo Videos hochgeladen werden. Viele Menschen filmen alles Mögliche und stellen das dann online, damit die ganze Welt es sehen kann. Wenn Ihr Euch mal auf dem neuesten Stand halten und Euch mehr mit der Technik der Menschen beschäftigen würdet, dann wüsstet Ihr das auch.“ „Die haben aber auch keine besseren Hobbys, die Menschen.“ „Das sagt gerade der Richtige.“ Schließlich, als Nabi in der Küche fertig war, zog er seine Jacke an und machte sich auf den Weg, um die Twinkies einzukaufen. Das waren die Lieblingssnacks von Samajim und wenn er seine heiß geliebten Twinkies nicht bekam, dann wurde er schnell unausstehlich und ließ sich nur noch größere Gemeinheiten einfallen. Und da ihn niemand so erleben wollte, beeilte er sich lieber, bevor das Donnerwetter losbrechen konnte. Er fuhr mit dem Fahrrad zu dem kleinen Supermarkt, der auch amerikanische Waren anbot. Es war ein angenehm warmer Tag heute und die Sonne schien hell über Greenwich. Eigentlich das perfekte Gute-Laune-Wetter, aber er war immer noch mit seinem Gedanken bei diesem einen Thema und fand einfach keine Ruhe. Im Supermarkt angekommen, begrüßte ihn sogleich Nancy Anderson, die die Regale einräumte und zu den regelmäßigen Besuchern von St. Michael zählte. Sie war ein hübsches schwarzhaariges Mädchen mit dunklen Augen, allerdings trug sie etwas zu viel Make-up, was dieses Bild auch wieder etwas zerstörte. Nachdem ihre Mutter bei einem Autounfall verunglückt war, ging sie regelmäßig zu den Messen und sie schien auch ein gewisses Interesse an Nabi zu haben. Sehr zu seinem Leidwesen, weil sie ein wirklich liebes Mädchen war und er ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber hatte, weil er ihre Gefühle nicht erwidern konnte. Nakash hatte eben Recht, als er sagte, sein bester Freund sei ein wenig zu gut für diese Welt. „Hallo Nathaniel“, grüßte ihn die 19-jährige und kam zu ihm hin. „Wie geht es dir denn so?“ „Ganz gut“, sagte er und wich etwas verlegen ihrem Blick aus. „Ich hab viel zu tun, weil der Reverend mich ganz schön auf Trab hält. Und wie geht es dir und deinem Vater?“

„Ganz gut. Die Selbsthilfegruppe, die Reverend Kings uns angeboten hat, hat uns beiden echt geholfen und inzwischen trifft mein Vater sich auch wieder mit anderen Frauen. Aber sag mal, hast du vielleicht morgen Abend mal Zeit? Wir könnten zusammen was trinken gehen.“ Das waren Momente, die Nabi hasste. Er wusste ja, dass er viel zu nett war und niemandem das Herz brechen wollte. Aber was blieb ihm denn anderes übrig? Nancy falsche Hoffnungen zu machen, war ja auch nicht in Ordnung und widersprach auch seinen persönlichen Prinzipien. „Nancy“, sagte er schließlich und atmete tief durch. „Das ist wirklich lieb von dir und es freut mich ja auch sehr, dass du dich mit mir treffen willst. Aber… ich denke, das sollten wir nicht tun. Du bist wirklich ein nettes Mädchen und du verdienst es, glücklich zu werden. Aber ich bin nicht der Richtige. Ich kann dir nicht das geben, was du dir erhoffst und ich will dir da auch keine falschen Hoffnungen machen. Es tut mir leid.“ Schweigend sah ihn die 19-jährige an und die Enttäuschung war bei ihr kaum zu übersehen. Schließlich aber nickte sie und wandte niedergeschlagen den Blick ab. „Das ist echt gemein. All die netten Typen sind immer vergeben. Du bist immer so nett und selbst jetzt willst du mir nicht wehtun. Deine Freundin muss wirklich großes Glück haben, oder?“

„Wenn ich eine hätte, dann vielleicht. Aber ich glaube, du hast auch ein falsches Bild von mir. Ich mag zwar jetzt nett wirken, aber im Grunde bin ich sarkastisch, schlagfertig und streite mich auch gerne. Und ich glaube, das will sich keiner freiwillig antun.“

„Sag so etwas nicht. Du bist ein toller Kerl.“ Nabi verabschiedete sich von Nancy und wünschte ihr viel Glück bei der Suche nach einem Freund, der ihr die Liebe geben konnte, die sie sich wünschte. Schließlich ging er zu den Regalen mit den amerikanischen Artikeln und fand sogleich auch die Twinkies. Neben denen kaufte er noch ein paar andere Sachen ein, die sie dringend brauchten und fuhr nach dem Einkauf wieder zurück nach Hause. Kaum aber, dass er sein Fahrrad abstellte, hörte er einen lauten Knall. Dieses Geräusch kannte er nur zu gut, doch er hoffte, dass er sich vielleicht doch irrte. Nachdem er die Einkäufe in die Küche gebracht hatte, eilte er in Richtung Glockenturm und stieg die Stufen hinauf. Tatsächlich sah er dort Samajim mit der Pumpgun stehen, der mal wieder auf die Tauben zielte, die sich im Dachgebälk breit machten. „Scheiß Viecher!“ rief er und schoss erneut, wobei er natürlich keinen einzigen Vogel traf und stattdessen nur das Dach erwischte. Nabi fielen fast die Augen raus und bevor Samajim erneut schießen konnte, riss er ihm das Gewehr aus der Hand. „Seid Ihr jetzt völlig bekloppt geworden, Meister? Ich dachte, ich hätte Euer Waffenarsenal im Keller eingeschlossen.“

„Hab das Schloss aufgebrochen.“

„Seid Ihr des Wahnsinns? Ich habe Euch schon oft genug gesagt, es wird nicht auf die Tauben geschossen. Manchmal habe ich echt das Gefühl, ich hätte es hier mit einem Kleinkind zu tun. Und so langsam kommt mir auch der Verdacht auf, Ihr macht das nur, um mich zu ärgern. Und überhaupt: Ihr müsst jetzt los zur Grundschule! Die Kinder warten schon und Ihr werdet Euch noch verspäten. Also Abmarsch jetzt und ich werde erst mal zusehen, dass ich wieder das Dach repariert kriege.“

„Ist ja schon gut. Mann, bist du heute schlecht gelaunt.“

„Was Ihr nicht sagt. Ich habe vorhin im Supermarkt von Nancy Anderson ein Liebesgeständnis gekriegt und musste sie zurückweisen und da fühl ich mich schon beschissen genug.“ Sie gingen die Stufen hinunter und kehrten ins Pfarrhaus zurück. Nabi brachte die Pumpgun wieder in den Keller und begann nun in der Küche die Einkäufe auszuräumen. Sogleich zündete sich Samajim eine Zigarette an und lehnte sich gegen den Herd. „Warum hast du sie abgewiesen?“ „Na weil ich keine Gefühle für sie habe.“

„Ach Nabi, du bist einfach zu gut für diese Welt.“

„Das meinte Nakash auch schon… Aber davon kann ich mir auch nichts kaufen. Und jetzt macht Euch besser auf den Weg, wenn Ihr nicht zu spät kommen wollt.“

„Ich sag einfach, ich hätte einen Teufel aus einem kleinen 12-jährigen Mädchen austreiben müssen. Das hat vor 400 Jahren schon super funktioniert.“

„Vor 400 Jahren vielleicht, aber heutzutage kauft man Euch so eine bescheuerte Entschuldigung ganz sicher nicht mehr ab. Und das mit dem Mädchen habt Ihr doch nur aus dem Horrorfilm, den wir uns letztens angesehen haben. Eure Ausreden waren auch schon mal besser gewesen.“ Damit verabschiedete sich Samajim und so war Nabi alleine. Erleichtert atmete dieser auf. Na hoffentlich komme ich jetzt endlich mal auf andere Gedanken, dachte er und räumte die Einkäufe ein. Aber daraus wurde leider nichts, denn Samajims Worte gingen ihm einfach beim besten Willen nicht aus dem Kopf. Es verunsicherte ihn völlig, dass sein Meister so ein großes Interesse daran hatte, dass er an die Frau kam und ihn sogar mit Patricia verkuppeln wollte. Nun gut, Samajim war furchtbar neugierig, aber das hatte Nabi bis jetzt noch nie so sehr durcheinander gebracht. Es war einfach diese Verunsicherung und die quälende Frage, was er tun sollte. Wusste Samajim Bescheid oder nicht? Warum kam er ständig auf dieses eine Thema zurück und wie sollte man das denn bitteschön interpretieren? Nabi seufzte geschlagen und ging zum Keller, um den Werkzeuggürtel, sowie Hammer, Nägel, Schindeln und andere Sachen zu holen, die er zur Dachreparatur benötigte. Über das Fenster im Kirchturm konnte er mit Leichtigkeit aufs Dach und mit der Arbeit beginnen. Zugegeben, ein einfacher Mensch hätte das vielleicht nicht so einfach geschafft, aber dafür konnte man als Unvergänglicher ja tricksen. Den Asylanten war es verboten, Sefira-Waffen zu besitzen oder ihre Kräfte für etwas anderes als zur Wundheilung und der Erhaltung ihres Wirtskörpers zu benutzen, aber Nabi hatte von Samajim die Erlaubnis bekommen, für riskantere Reparaturarbeiten seine Kräfte auch anders einzusetzen. So brauchte er keine Leiter oder andere Hilfsmittel, um nach oben zu gelangen. Und ebenso wenig sicherte er sich ab. Selbst seinen Sturz konnte er einfach abbremsen, wenn er wollte. Das sparte Zeit und machte das Ganze auch viel einfacher. Nabi begann nun damit, die kaputten Schindeln zu lösen und die neuen festzunageln. Zum Glück waren keine schwereren Schäden entstanden, die jetzt länger als nötig dauerten. Nach und nach wurde ein Loch nach dem anderen repariert und als nur noch ein Loch übrig war, gönnte sich Nabi eine kurze Pause und setzte sich hin. Er nahm einen Schluck aus einer Wasserflasche und betrachtete die Aussicht vom Kirchturm aus. Das machte er oft gerne, wenn er nachdenken wollte. Es verlieh ihm ein gewisses Gefühl der Freiheit und als könne er sich wenigstens für einen Moment lang von seinen ganzen Sorgen und Gedanken befreien. Er musste daran denken, was die Asylanten gestern im Pub gesagt hatten, was seine Loyalität zu Samajim anging. Nun, Nabi hatte es ja auch schon gemerkt, dass er nicht den gleichen Freiheitsdrang wie die anderen hatte. Er fühlte sich wohl in seiner Rolle, jemandem zu dienen, weil es ihm auch das Gefühl gab, gebraucht zu werden. Er hatte eine Aufgabe und auch wenn es manchmal anstrengend mit Samajim war, so fühlte er sich wohl bei ihm. Denn obwohl er sich oft die eine oder andere Provokation und Frechheit anhören musste, so zeigte Samajim ihm auch, dass er ihn respektierte und ihn auch nicht als Verbrecher oder als irgendeinen austauschbaren Sklaven ansah, den er wie Dreck behandeln konnte. Noch nie war Nabi geschlagen oder ernsthaft beleidigt worden. Samajim hatte ihn auch nie von oben herab behandelt oder ihm das Gefühl gegeben, er wäre minderwertig. Stattdessen gingen sie miteinander wie Gleichberechtigte um und Samajim hatte ihm auch nicht ein einziges Mal so etwas gesagt wie, dass er nur ein Diener sei. Stattdessen ließ er sich bereitwillig ausschimpfen und diese ganzen „Erziehungsversuche“ über sich ergehen, ohne dass er ein Mal böse deswegen wurde. Warum also war das so, wenn Samajim doch gar kein Interesse an ihm hatte und ihn stattdessen mit Patricia verkuppeln wollte? Nabi konnte sich das einfach nicht erklären. Nakash sagte ja auch schon, dass er mal endlich für klare Verhältnisse schaffen sollte, aber Nabi hatte einfach zu große Angst davor, dass Meister und Lebensretter ihn zurückweisen könnte. Diese Bemerkung gestern, dass er sich auch mal mit den Frauen vergnügen könnte, war doch eindeutig ein Zeichen dafür, dass diese Gefühle einseitig waren. Ebenso wie der Vorschlag, ihm dabei zu helfen, mit Patricia zusammenzukommen. Oder war es nur einer von diesen dummen Scherzen gewesen, die Samajim nicht ernst meinte? Er wusste einfach nicht weiter. Mit einem lauten Seufzer stand Nabi auf und reparierte auch das letzte Loch im Dach. Dann wollte er eigentlich wieder vom Dach runter, doch da er so mit seinen Gedanken woanders war, merkte er gar nicht, wie er abrutschte und hinunterstürzte. Er konnte nicht schnell genug reagieren, um den Sturz abzubremsen. Es geschah alles viel zu plötzlich, als dass er seine Gedanken rechtzeitig wieder zusammen bekam. Hart schlug er auf dem Boden auf und verlor sogleich das Bewusstsein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-02-10T15:16:55+00:00 10.02.2015 16:16
Ein tolles Kapitel. Oh je. Ich hoffe das es nichts ernstes ist.


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