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Geheimnis in Dalaran

von

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Die Reise zum Hyjal


 

*****
 

 

Der Magier wartete geduldig vor dem Weitblicktal im Steinkrallengebirge. Es war noch dunkel, doch schon bald würde sie gewiss aufgehen und die Schleier der Nacht vertreiben. Dreorwyn hatte lange nachgeforscht und den Ort von Macht erfüllt gründlich überprüft. Doch der Schrein inmitten des Hyjals hatte doch die größte Macht um die betreffenden Rituale auszuführen. Er sollte für Riwena einen Schutzzauber sprechen, doch ohne, dass die betreffende Person etwas mitbekommen würde. Dafür musste sie ein Gefäß besorgen, dies hatte ihm Zeit verschafft. Weshalb er ihr nun doch half, war ihm selbst noch nicht so ganz klar. Doch er vermutete, dass er die Zeiten, in denen er mit Abscheu und Feindseligkeit an sie denken musste hinter sich lassen wollte.

 

Er atmete die kühle Nachtluft ein, als sie den Weg hinunter zu ihm ging. Ihre Ohren zuckten etwas nervös, obgleich sie ihn sofort erkannte. Leicht neigte er seinen Kopf und sah ihr ruhig in ihre grasgrünen Augen. »Grüße Dreorwyn.« Bildete er sich dies ein, oder klang sie etwas fröhlicher als sonst? »Wie ich sehe, habt Ihr gut hierher gefunden.«

 

Der Magier winkte ab und ging das letzte Stück auf Riwena zu. »Natürlich. Doch müssen wir gleich weiter. Die Zeit drängt. Der Schattenhammer schläft selten.« Er legte seine Pranke auf Riwenas Schulter. Er sah ernst in die Augen der Anführerin. Er wirkte etwas angespannt, doch nicht mehr, allein nur wegen ihrer Anwesenheit. Ihm machten die Schattenkultisten Gedanken, die sich in einigen Bereichen des Hyjals niedergelassen hatten. Mit Glück würden sie keinen begegnen. Es war noch recht früh und normalerweise sollten sie noch schlafen. Dreorwyn drängte zur Eile und auch sie erwiderte seinen ernsten Blick. Wieder war er emotionslos und ungreifbar. Kurz schlich ein Lächeln über die Lefzen des Worgen. »Ihr müsst schon nach meinem Arm greifen und Euch festhalten, wenn Ihr mitkommen möchtet.« Sein Lächeln erstarb just in dem Augenblick, als die Worte seine Lippen verlassen hatten. Riwena griff unterdessen nach seiner Schulter und nickte langsam. Ihr Blick war konzentriert, ihre Ohren zuckten einige Male nervös. »Egal was geschieht, lasst nicht los. Es wird sich etwas unnormal anfühlen, aber Ihr dürft unter keinen Umständen loslassen.«

 

Die Anführerin nickte erneut und er musterte sie. Sie wirkte verkrampft. »Am besten schließt Ihr Eure Augen.«, murmelte er und glücklicherweise folgte Riwena seinen Anweisungen ohne sie zu hinterfragen. Es war schon erstaunlich, wie normal er wieder mit ihr umgehen konnte, nachdem er sich zu diesem Gespräch mit ihr hatte breit schlagen lassen. Vermutlich war er wirklich über sie hinweg. Ob so vielleicht eine Freundschaft entstehen konnte? Wollte er dies? Der Magier atmete tief ein und schüttelte die Gedanken die seine Sinne umkreisten ab und schloss ebenfalls seine Augen. Jetzt würde er sich darauf konzentrieren, Riwena sicher zum Hyjal zu bringen und wieder zurück. Schließlich brauchte die Gemeinschaft ihre Anführerin wieder in einem Stück und er hatte nicht vor sie ihnen zu nehmen. Seine Gedanken konzentrierten sich an einen ganz bestimmten Ort. Dem Hyjal. Die Passage an dem großen Baum, wo Wurzeln in den See geschlagen wurden. Er klopfte einmal sachte mit seinem Stab auf dem Waldboden. Dreorwyn musste seine Augen nicht öffnen um die Magie zu spüren, die ihn und Riwena umwirbelte. Er wusste, dass feiner Dunstnebel aus violetten Sternen die Beiden umgab. Sie bewegten sich von ihren Füßen und breiteten sich nach oben hin weiter aus, bis die beiden Gestalten gänzlich umschlossen wurden. Langsam legte sich die Magie über sie und begann ihre Materien, dort wo sie nun standen, aufzulösen. Sie verblassten in dem schwachen Dunst und würden auf der anderen Seite, die sich der Magier als Ziel ausgesucht hatte wieder erkennbar werden. Der Teleport kam ihm vor, als würde sein kompletter Körper taub werden und in eine Starre verfallen, ehe die Körper ordentlich durchgeschüttelt wurde und gefühlsmäßig, durch ein viel zu kleines Loch gequetscht, plötzlich wieder ihre vollständigen Sinne einschalteten, als wäre nie etwas gewesen.

 

Als Dreorwyn seine Augen wieder aufschlug, erkannte er den schimmernden See, in dem der graue Schleier des dämmernden Morgenhimmels wiedergespiegelt wurde. Aufmerksam drehten sich seine Ohren unter seiner Kapuze und er beobachtete seine Umgebung. So nahe am See hielt sich der Schattenhammer nicht auf, und er hoffte sie würden auch weiter entfernt davon nicht auf sie treffen. Riwena nahm nun auch ihren Arm von seiner Schulter, sah ihn noch für eine kurze Zeit an, ehe sie seinem Blick folgte. »Wenn Ihr Euch hier auskennt, wäre es mir recht, wenn Ihr den Weg vorgeben würdet.«, sprach sie leise in die morgendliche Stille des Waldes hinein.

 

»Gewiss ich kenne den Weg.«, sprach der Magier in seinen roten Roben. Wie er jetzt feststellte, nicht unbedingt die unauffälligste Art um sich fortzubewegen. Doch es würde für diese kurze Strecke ausreichen müssen. »Wir müssen zu einem Schrein, nahe dem des Goldrinn.« Riwena neigte ihren Kopf zur Seite, als Dreorwyn seinen Stab auf seinem Rücken befestigte. Er ging ein kurzes Stück und suchte den Weg, während sie ihm möglichst unauffällig folgte. Dreorwyn war es schon gar nicht mehr gewöhnt, dass jemand ihm folgte. Früher war es für ihn so selbstverständlich gewesen und nun schien ihn dies sogar etwas nervös zu machen. Schließlich fand der schwarzmähnige Worgen den Weg, streckte seine Schnauze in den Himmel und prüfte die Luft um sich herum. Sie roch frisch, kein Anzeichen von Schattenhammer in der Nähe. Vielleicht hatten sie wirklich Glück und sie würden ohne entdeckt zu werden durchkommen.

 

Dreorwyn ließ sich auf seine Pranken fallen, ein leises Knurren entfuhr tief aus seiner Kehle, während er sich an die Haltung gewöhnte. Er war schon lange nicht mehr in dieser Form gewandelt, doch in Anbetracht der Gefahren des Hyjals, war es die sicherere Variante zu Reisen. Riwena tat es ihm nach. Ihre Muskeln spielten unter ihrer viel zu weiten Rüstung und dem Fell. Er sah zu ihr zurück und beobachtete sie aufmerksam. Sie hatte viel zu stark abgenommen. Was genau vorgefallen war, hatte sie Dreorwyn nicht verraten, aber es hatte mit Magie zu tun. Dunkler Magie, so vermutete - oder eher hoffte er dies - und nun sollte er für sie und ihre Tochter einen Schutzzauber wirken.

 

Der Magier rannte los und sie folgte ihm auf den Fuß. Mit schnellen Schritten und einem zügigen Tempo jagten sie den Weg tiefer in die Wälder und das Gebirge des Hyjals hinauf. Riwena musste große Stücke auf ihn halten, wenn sie extra ihn gebeten hatte diesen Schutzzauber auszuführen. Er fühlte sich dadurch gewiss auch etwas geschmeichelt. Doch dies waren nicht die einzigen Gründe, weshalb er ihr half. Er mochte sie und Dreorwyn wollte nicht sehen, wie die Frau die er einst liebte, langsam immer weiter einen unsicheren Weg, geplagt von seelischen Qualen, beschritt. Der Magier wollte ihr helfen, ihr den Weg so erträglich wie möglich zu machen. Vielleicht könnte er sie ja so auch wieder dazu bringen zu essen, denn so wie sie aussah, hatte sie seit einer langen Zeit nichts ordentliches mehr zu sich genommen.

 

Der Pfad wurde immer dichter und verschlungener, bis er in einer offenen Lichtung endete. »Es ist nur noch ein Stück.«, rief er über die Schulter zu ihr, als ihm ein ungewöhnlicher Geruch in die Nase stieg. Der Magier stoppte abrupt und Riwena wäre fast in ihn hinein gekracht, hätte sie nicht die Richtung gewechselt und würde nun neben ihm stehen. Sie zog ihre Lefzen an um den Geruch besser in sich aufzunehmen, auch sie hatte es bemerkt. Dreorwyn's Blick verfinsterte sich, als er sie ein Stück wieder zurück in die Büsche und Bäume drängte. »Oger.«, raunte er leise und er sollte Recht behalten. Eine Karawane, bestehend aus zwei Ogern mit riesigen Knüppeln, zwei Trollen und drei Menschen bogen langsam aus dem Weg zu ihnen entlang.

 

Der Magier duckte sich und er spürte, dass es Riwena ihm gleich tat. Er schnüffelte prüfend die Luft, doch die Oger verpesteten die Luft förmlich mit ihrem widerwärtigen Gestank. Die Trolle zogen einen großen und voll bepackten Karren mit Fellen hinter sich her, während die Männer auf ihren Rücken ebenfalls unter der Felllast leise keuchten. Mit Wilderern hatte Dreorwyn gewiss nicht gerechnet, vor allem nicht mit Wilderern die in der Begleitung von Ogern reisten. Doch immerhin war es nicht der Schattenhammer. Riwena legte neben ihm die Ohren an und er sah sie ruhig an. »Wenn sie vorbei sind, laufen wir weiter.«, murmelte er leise mit gedämpfter Stimme. Im Schatten der Büsche und Bäume würde die Karawane nicht auf sie aufmerksam werden. Sie konnten warten.

 

Langsam begann der Himmel über ihnen eine morgendliche Färbung zu erhalten und blassblau über ihnen zu erstrahlen. Es war auch nicht mehr dunkel, dass man sagen könnte die Sicht wäre stark eingeschränkt. Im Gegenteil. Dreorwyn konnte den Weg, über den die Wilderer mit ihren Lasten zogen klar und deutlich sehen. Der Weg führte zu einem Bergpass, das wusste er, ohne, dass er um die Biegung blicken musste. Struana hatte ihm genaue Beschreibungen zukommen lassen, als sie sich dem Kampf gegen die Druiden der Flamme angeschlossen hatte. Aufmerksam beobachtete er die Karawane, wie sie aus seiner und Riwenas Sichtweit verschwand und darüber hinaus wartete er noch und hielt für mehrere Augenblicke inne. Dann nickte er der Worgen neben sich zu. »Weiter.«

 

Dreorwyn preschte aus dem Dickicht vor über die Lichtung, bis er den Weg wieder erreicht hatte. Noch immer konnte er nichts anderes riechen, außer den stinkenden Ogern, die zuvor die Karawane begleitet hatten. Riwena war dicht hinter ihm und nun, da der Weg frei war, konnten sie endlich in den schmalen Pass einbiegen. Die Klippe zu ihrer Seite war steil und wahnsinnig tief. Einen Sturz würde keiner von ihnen überleben. Als die beiden um die Ecke rannten, zog Dreorwyn die Luft scharf ein und seine Haltung verspannte sich, als er auf die beiden Ungetüme starrte, die ihnen entgegen kamen.

 

Riwena spannte sich ebenso an und knurrte. Die beiden Oger hatten sie ohnehin bereits entdeckt. Unvorsichtig waren die Beiden den Weg abgebogen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass die Karawane, die sie vorbeigelassen hatten, nicht die letzte hätte sein können. Knüppelschwingend rannten die beiden Oger auf Dreorwyn und Riwena zu. Die Worgen richtete sich auf und griff nach ihrem Bogen, den sie geschultert trug und zog einen Pfeil aus ihrem Köcher, doch die Oger waren bereits sehr nahe. Der Magier sah an ihr vorbei, die steile Klippe hinab. »Riwena!«, schrie er plötzlich, rannte auf sie zu und berührte sie an ihrem Arm. Eine leichte, magische Woge umschloss sie, die sie weder sehen, noch wahrnehmen konnte. Er hoffte, sie vertraute ihm. Ihr Leben ging davon ab. »Springt!«

 

Die Worgen war verwirrt zu ihm herumgewirbelt und war fast automatisch Schritte zur Klippe entlanggegangen. Ihre panischen Augen waren aufgerissen und sahen ihn mehr als nur zweifelnd an. Vertraut mir!, dachte sich Dreorwyn hektisch, während die Oger immer näher kamen. Riwena musste sich noch nicht einmal umdrehen, sie stand ohnehin schon viel zu nahe an der Klippe. Mit einem spitzen Schrei der von den Felswänden wiederhallte verließen ihre Füße den festen Boden und sie schwebte langsam wie eine Feder die Klippe hinab. Der Magier hechtete hinterher, wobei er seine Richtung unkontrolliert eingeschlagen hatte, um einem Hieb des massiven Knüppels zu entrinnen. Während er fiel, schloss er seine Augen und wirkte den Zauber ebenfalls auf sich. Er spürte, wie er im freien Fall langsamer wurde. Sein Herz klopfte gegen seine Brust, während Dreorwyn seine Augen wieder öffnete und versuchte Ausschau nach Riwena zu halten.

 

Doch anstatt ihre dürre Gestalt langsam zu Boden segeln zu sehen, sah er vor sich eine riesige Tanne. Verdammt! Der Magier versuchte sich so gut wie möglich zu schützen, doch er konnte einen Aufprall gegen das stahlharte Holz nicht verhindern. Sein Zauber bröckelte und er segelte durch die Äste des Nadelbaumes langsam hinunter. Gut, den Rest fiel er viel mehr, doch er versuchte immerhin seinen Aufprall mit dem Boden so sanft wie möglich zu machen. Kleinere Äste und piksende Nadeln verfingen sich in seiner Robe. Harz verklebte sein Fell und dann landete er mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden. Benommen schüttelte Dreorwyn seinen Kopf und rappelte sich langsam auf. Er sah die Äste, die verstreut um ihn herum auf dem Boden lagen. Er hatte ja einiges mitgerissen und den dumpfen Schmerzen nach zu urteilen, würden sich mehrere blaue Flecken bilden.

 

Dreorwyn ging einige unsichere Schritte um die Tanne herum und sah sich auf der Lichtung aufmerksam um. Seine Ohren zuckten nervös. »Riwena?!«, schrie er laut, doch er bekam keine Antwort. Sein Herz klopfte gegen seine Brust und er begann zu laufen. Wenn ihr etwas passiert war, würde er sich dies verzeihen können? Natürlich, er hatte ihr öfter als einmal den Tod gewünscht, doch diese Zeit lag schon länger zurück. Jetzt wollte er nicht, dass ihr etwas geschehen war, nicht wegen diesem 'Fall' aus gut hundert Schritten Höhe. Sie hat mir vertraut!, rief er sich ins Gedächtnis. Sie ist abgesprungen. Ihr darf nichts passiert sein. Dreorwyn schickte ein stummes Gebet zum Arkanum, während er sich auf der Lichtung vor dem Schrein von Goldrinn umsah.

 

Und da sah er sie. Sie wirkte wie erstarrt, während sich ein Hirsch unweit von ihr entfernt schüttelte. Dreorwyn eilte zu ihr und wischte sich mehrere Äste und Nadeln aus seiner Robe, ehe er keuchend vor ihr zum stehen kam. Er musterte sie rasch. Es schien noch alles dran zu sein. Eine immense Erleichterung machte sich in seiner Brust breit. Bis auf einen kleinen Schock schien es Riwena gut zu gehen und diesen konnte er ihr noch nicht einmal verübeln. Wenn man es nicht gewohnt war, konnte einem ein Fall aus einer sehr großen Höhe schon Angst machen. Er selbst hatte sich überwinden müssen diesen Zauber zu üben, bis er letztendlich von Dalaran in den Kristallsangwald gesegelt war. Und: es war für ihn ein unglaubliches Gefühl gewesen so lange dem Abgrund entgegen z usegeln.

 

»Was... war... das? Ich dachte... das wäre...«, Riwena stockte. Ihre Ohren lagen flach an ihrem Kopf und dadurch wirkten ihre Augen sogar noch ein Stück größer.

»Was?«, fragte Dreorwyn und sah Riwena besorgt an. Vielleicht war der Schock doch zu groß? »ist alles in Ordnung, Riwena?« Doch anstatt zu antworten schüttelte sie heftig ihren Kopf, als wolle sie eine lästige Fliege vertreiben. Sie zitterte am ganzen Leib und Dreorwyn neigte seinen Kopf zur Seite. Er wischte sich einen nervigen, kleinen Ast aus der Robe. Vielleicht brauchte sie nur etwas Zeit. Doch am liebsten hätte er ihr gesagt, dass dies nur Magie sei. Doch er ließ es besser, immerhin wollte er nicht eine geklebt bekommen.

 

Riwena griff völlig perplex nach ihrem Trinkschlauch. Sie öffnete diesen bedenklich langsam und nahm dann einen kräftigen Schluck daraus. Dem Geruch der Flüssigkeit stieg dem Magier scharf und beißend in die Nase. Gut, Alkohol könnte auch helfen. Doch warum in Graumähnes Namen lief Riwena mit einem Trinkschlauch gefüllt mit Alkohol herum? Langsam verschloss sie den Schlauch wieder und hing ihn zurück an ihren Gürtel. »Es ist doch noch alles dran, oder tut Euch etwas weh?«, fragte Dreorwyn vorsichtig nach. Nervosität machte sich in seinem Herzen breit. Langsam schien Riwena ihre Stimme wieder zu finden. »Alles in Ordnung.«, sprach sie kaum hörbar, woraufhin sie sich räusperte und ihre Schultern straffte. Ihr erschrockener Gesichtsausdruck wich wieder der harten und emotionslosen Maske. »Können wir weiter?«

 

Dreorwyn nickte knapp und seufzte erleichtert. Riwena ging es gut, und schon jetzt war ihr Gesichtsausdruck wieder dieser steinharten Maske gewichen. Nachdenklich sah er zurück zu der steilen Felswand. »Das war schon ein langer Fall.«, murmelte er und legte seinen Kopf etwas zur Seite, während er die Klippe musterte. »Zum Glück hat der Schirm zu lange gehalten.«

Riwena trat näher an Dreorwyn heran und kaum merklich zuckte sie bei seinen Worten zusammen. Ein gemeines Schmunzeln zeichnete sich auf Dreorwyns Lefzen ab. Anscheinend bröckelte ihre Maske bei seinen Worten etwas. Der Schock saß ihr noch tief in den Gelenken. Lange hatte er sich nicht mehr so diebisch über einen makaberen Scherz gefreut. »Ja, weiter.«, sprach er dann und drehte sich zur Seite. Doch nun ja, sehr viel weiter mussten sie noch nicht einmal. Durch den Segelflug waren sie - zumindest Riwena, er selbst war ja in einer übergroßen Tanne gelandet - dem eigentlichen Ort den er aufsuchen wollte bereits sehr nahe.

 

Er nickte zu der kleinen Insel, die von einem kleinen Teich umrandet war. Alte, moos- und efeubewachsene Säulen die teilweise zerstört und abgefallen waren umrandeten das Innere der kleinen Insel. »Dies ist der Ort, an dem das Ritual durchgeführt werden sollte.«, sprach er, wobei Riwena matt nickte. »Und im Wasser lauert nichts böses?«, fragte sie etwas skeptisch und näherte sich dem Rand des Wassers höchst skeptisch. Verwundert hob Dreorwyn seine Augenbrauen, doch er schüttelte schließlich seinen Kopf. »Außer ein paar Fischen, nein.«, schmunzelte er und watete durch den Teich, der nicht sehr tief war. Doch es ließ sich nicht verhindern, dass seine Robe nass wurde und sich mit dem Wasser vollsog. Als er auf der kleinen Insel ankam, sah er über die Schulter zu Riwena zurück. Dreorwyn betrachtete sie abwartend und geduldig. Sie würde ihm doch noch weiterhin vertrauen, oder? Er hoffte, dass er es mit der spontanen Flucht vor den Ogern nicht übertrieben hatte.

 

Riwena stand noch auf der anderen Seite des Teiches und inspizierte den Ort eingehend, ehe sie vorsichtig durch das Wasser watete und neben ihm auf die Insel trat. Erleichtert betrat Dreorwyn gemeinsam mit ihr das uralte Gestein, das vor tausenden von Jahren hier erbaut worden war und zog die beiden Ketten, die Riwena ihm als Behältnis gegeben hatte aus seiner Tasche. Eine mit einem dunklen Kristall, die andere mit einem hölzernen Mond. Er legte die beiden Utensilien auf das steinerne Tischchen, das sich über den Lauf der Zeit erstaunlich gut gehalten hatte. Lediglich Moos hatte sich angesammelt, doch dieser würde ihn bei der Durchführung des Zaubers nicht weiter stören. Langsam umrundete er den kleinen Tisch etwas. Der Zauber den er wirken würde, das Ritual um magischen Schutz in diese beiden Ketten zu binden und eine Linie der Verbindung zwischen ihnen zu ziehen nahm seine Gedanken nun völlig ein. Eine sauberer Zauber erforderte ein hohes Maß an Konzentration. Dreorwyn nickte sich selbst zu. »Das ist gut. Kommt hierher, Riwena.«, sprach er und sah hob seinen Kopf schließlich zu ihr.

 

Die Worgen zuckte skeptisch mit ihren Ohren. Dreorwyn wusste, dass sie so magisch war wie ein Stein, vermutlich fragte sie sich, wie sie ihm dabei von Nutzen sein konnte. »Die Gegenstände mit Macht zu erfüllen und einen Speicher zu schaffen ist der langwierigste Teil. Wenn Ihr bereit seid mir etwas zur Hand zu gehen, dann legt eine Pranke auf den Tisch.«, er deutete auf das runde Tischchen auf dem die beiden Ketten ausgebreitet lagen. »Und stellt Euch darauf ein, dass Ihr Euch danach etwas...«, er neigte seinen Kopf leicht zur Seite. »... schlapp fühlen werdet. Jede Form der Energie kann verwendet werden und ich werde davon eine Menge brauchen. Und da Ihr ein Stück selbst tragen werdet, kann Eure Kraft ebenso in den Zauber mit einfließen und ihn langlebiger machen.« Riwenas Blick fiel auf den steinernen Tisch, während sie die zwei Ketten genauer betrachtete. Dann sah sie wieder zu Dreorwyn auf. In ihrem Blick lag eine tiefe Entschlossenheit, während sie nickte und ihre Pranke auf das Pult sinken ließ.

 

Der Magier bereitete sich innerlich auf die Zauber und das Ritual vor, welches er durchführen würde. Der Ort verlieh ihm eine gewisse Ruhe die er brauchte um die magischen Präsenzen um sich herum zu sammeln. Gerade der Hyjal, der über einem Teich mit der Essenz des Brunnens der Ewigkeit erbaut worden war, hatte eine Menge von freier, fließender Magie, die er nutzen konnte. Plötzlich veränderte sich die Luft um die beiden herum, als sie sich mit einer mystischen Präsenz füllte. Dreorwyn hatte begonnen einige lautlose Wörter vor sich hin zu murmeln, doch nur Luft verließ lediglich seine Lippen. Die Ansammlung der magischen Präsenzen würden für jeden auf der kleinen Insel deutlich spürbar sein. Ihm war deutlich bewusst, dass auch Riwena diese Magie spüren konnte. Er bemerkte, wie sich Riwena kurz anspannte, doch dann sogleich wieder entspannte und konzentriert ihre Augen schloss.

 

Auch Dreorwyn schloss seine Augen für einige Momente. Die Luft fühlte sich gestickt von der Magie an, erdrückend lastete sie nahezu auf ihn und wohl auch auf ihr. Doch nicht nur auf ihnen. Kleintiere huschten durch das seichte Wasser und verließen die Insel aufgrund der Ansammlung der erdrückenden Magie, die auf der Insel herumwirbelte. Eine Fliege wurde einfach gnadenlos gegen den Boden gedrückt, wo sie sich nicht mehr rührte. Der Magier öffnete wieder seine Augen. Ein blauer Nebeldunst lag über ihnen, wodurch seine Augenfarbe nahezu violett erschien. Dreorwyn löste seinen Stab von seinem Rücken und klopfte damit auf den Boden. Die schwere Magie begann zu wirbeln, sich aufzuteilen und zu spalten. Sie mehren noch weiter die Luft, bis man glauben könnte, man bekäme keine Luft mehr. Riwena könnte bemerken, wie sie sich allmählich immer schwächer fühlte. Dreorwyn versuchte nicht zu sehr auf ihre Reserven zurückzugreifen, doch es ließ sich nicht vermeiden. In aller erster Linie musste sie sich weiterhin konzentrieren, auch wenn es ihr gewiss schwer fallen würde. Die Magie um die Beiden herum manifestierte sich nun langsam und blaue und lilafarbene Schleier aus Dunst und strahlenden Linien und Runenzeichen leuchteten in der Luft um sie beiden und den Tisch herum auf.

 

Riwena fiel es sichtlich schwerer, ihre Pranke auf dem Tisch zu halten, oder sich gar auf den Beinen. Dennoch rührte sie sich nicht. Blinzelnd öffnete sie ihre Augen und starrte in die seinen, die nun von Magie erfüllt violett schimmerten. Dreorwyn erkannte, dass sie an diesem Energieverlust zu knabbern hatte, ihre Augen wirkten trüb und matt. Er wusste, dass er sich nun etwas sputen musste. »Ek kaz morgil'na Nasijante.«, verließen uralte Worte seinen Mund, dessen Bedeutung er selbst nicht kannte, sondern nur erahnen konnte. Mit seiner freien Pranke berührte er die beiden Gegenstände, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Die Magie vibrierte und der Strom veränderte sich. Es wirkte, als würde sämtliche Magie, die noch drückend auf ihren Schultern lastete in die beiden Anhänger hinein fließen. Je mehr Magie sich in der Luft verflüchtigte, desto freier und unbeschwerter konnte man wieder atmen, oder sich bewegen. Aus Dreorwyns Augen wich der Magieschleier, als sich scheinbar selbst dieser verflüchtigte und in die Anhänger hineinfloss. Noch immer starrte er konzentriert auf die Gegenstände vor ihm, die nun beide zu pulsieren begannen, als würde die Magie sich nicht einsperren lassen wollen. Weitere, unverständliche Worte verließen seinen Mund. Ein letztes Mal pulsierten die Ketten sehr stark, sodass Dreorwyn seine Pranke zurückzog, die noch immer auf ihnen geruht hatte, dann gaben sie Ruhe.

 

Die Ketten sahen an sich unverändert aus, dennoch konnte man etwas an den Ketten spüren. Da die Magie noch frisch war, konnte man deutlich spüren, dass mit ihnen etwas geschehen war. Was genau allerdings, würde sich nicht so einfach zurückverfolgen lassen. Dies war ebenso Bestandteil des Schutzes, den die Ketten ihren Trägern geben sollten. Dreorwyn verharrte auf der Stelle, während Riwenas Blick stetig zwischen ihm und den Ketten wechselte, ehe sie tief ein und wieder aus atmete und sich wieder zu ihrer vollen Größe aufrichtete. Ihm war noch nicht einmal aufgefallen, dass sie eingesunken war. Der Zauber hatte wohl doch mehr an ihren Kräften gezerrt, als er vermutet hatte.

 

Doch auch Dreorwyn musste sich nun mit beiden Pranken an seinen Stab klammern und sich daran abstützen. Unwirsch schüttelte er seinen Kopf. Er hatte sich zu sehr auf den Schutz und die Magie konzentriert und dabei außer Acht gelassen, dass ihn selbst die Kräfte verlassen hatten. Er kam sich vor wie ein Narr. Natürlich hatte sich Riwena wieder aufgerichtet, doch er selbst fühlte sich kaum in der Lage dazu. Mühselig versuchte er seine Haltung zu wahren. Seine Gedanken lagen bereits auf dem Rückweg. Einen Teleport würde er nicht mehr zustande bekommen, dafür war seine Magie zu erschöpft. Der Magier hätte etwas achtsamer mit seiner Kraft umgehen sollten, dann könnte er jetzt immerhin stehen, ohne sich auf seinen dämlichen Stab stützen zu müssen. Bestimmt sah er albern aus.

 

»Die Dinge...«, Dreorwyn musste kurz nach Atem ringen. Er blinzelte heftig und räusperte sich, ehe er erneut ansetzte. »Die Gegenstände sind nun mit Macht erfüllt. Nehmt nun zunächst die Kette, die Ihr tragen werdet, Riwena.« Er nickte ihr schwach zu. Weshalb hatte er sich so entleert? Hatte er denn nicht etwas besser aufpassen können? Fast schon wütend über sich selbst zuckte er mit seinen Ohren, während die Worgen ihn musterte. Auch er sah sie an, doch etwas merkwürdiges, war in ihrem Gesichtsausdruck zu lesen. Er war weich. Wann hatte er zuletzt weiche Gesichtszüge bei ihr gesehen? In der letzten Woche bestimmt nicht. Langsam streckte sie ihre Pranke nach der Kette mit dem schwarzen Kristall aus, kurz hielt sie inne, nur um sie dann entschlossener wieder zu der Kette zu führen. Sie nahm die Kette und band sie sich an ihren Gürtel. Skeptisch beobachtete sie diese, als würde sie sich fremd oder belebt anfühlen. Dreorwyn wusste, dass dieser Zustand binnen einigen Tagen verschwinden würde. Langsam ging er wieder etwas näher zu dem Tisch und musste sich nun mit einer Pranke darauf abstützen. Zum Glück war der kleine Tisch massiv und mit dem steinernen Boden verbunden. Ansonsten wäre er vermutlich aufgrund des Gewichtes, welches er auf einer Seite lastete umgekippt. »Das Herzstück und das Blut, verbunden durch gemeinsame Bande werden sich helfen in großer Not und lassen es sich wissen.«, murmelte er matt.

 

Die Kette um Riwenas Gürtel leuchtete gleißend blau auf, ehe es nach einem Wimpernschlag schon wieder verebbte. Kurz darauf funkelte die Kette mit dem hölzernen Mond, die noch auf dem Tisch lag, rot auf. Auch dieses Licht verschwand binnen einen Sekundenbruchteil und lag wieder reglos da, wie eine völlig normale Kette. »Der Zauber ist vollendet.«, sprach Dreorwyn matt und atmete tief durch. Er fühlte sich so leer wie schon lange nicht mehr, und das, obwohl er seiner Meinung nach die Magie schon sehr gut beherrschte. »Die Gegenstände sind jetzt miteinander verbunden.«

 

Er merkte wie Riwena unter seinen Arm griff und ihn von dem Tisch wegführte. Schließlich drückte sie ihn auf den Boden. Unter ihm war glücklicherweise ein breiter Stein auf den er sich setzen konnte. Sein Blick war verdutzt, doch schließlich ließ er es bereitwillig über sich ergehen. Er atmete durch. »Ihr tragt das Herzstück. Eure Tochter wird das Blutstück zum tragen erhalten.« Mit einem matten Kopfnicken deutete er auf die zurückgebliebene Kette auf dem kleinen Tischchen. »Wenn dem Träger des Blutstückes etwas zustößt, wird es das Herzstück wissen. Der Schutzzauber kann viel aufhalten, doch kann er mit großer Magie zerbrechen.« Aus den Augenwinkeln beobachtete Dreorwyn Riwena, die sich wieder dem Tisch zugewandt hatte und vorsichtig nach der zweiten Kette griff. Sie öffnete ihre Hosentasche und ließ sie behutsam darin verschwinden.

 

Dreorwyn drehte seinen Stab zwischen den Pranken. Er fühlte sich so erbärmlich, kaum fähig zu stehen, geschweige denn zu gehen. Aber sie mussten wieder zurück. Hier konnten sie nicht sehr lange bleiben. Sein Blick wanderte zum Himmel hinauf. Die Sonne war aufgegangen und schon bald würde der Wald belebter sein. Schlimmstenfalls mit dem Schattenhammer. Kurz schloss der Magier seine Augen, ehe er sie wieder öffnete. »Mir geht es gut.«, schwach grinste er. »Ich fühle mich nur etwas... ausgelaugt.«

 

»Seid Ihr Euch sicher?«, fragte die Worgen und drehte sich wieder Dreorwyn zu. Sie zog beide Brauen zusammen und musterte ihn abschätzend. Der Magier grinste immer noch schwach zu ihr hinauf, was vermutlich auf die ein oder andere Weise etwas dümmlich wirken könnte, doch er nickte. »Gewiss. Ich kann gehen. Ich werde nicht über meine eigenen Füße fallen.« Wenn er die Zuversicht in seinen Worten doch nur auch selbst teilen könnte. Er verkniff es sich zu seufzen. Er würde sich anstrengen müssen, doch es sollte ihm klappen, wenn er sich konzentrierte.

 

Riwena sah ihn für mehrere Augenblicke lange an. Es kam Dreorwyn wie endlose Stunden vor, ehe sie ihren Mund öffnete. »Habt vielen Dank.« Langsam nickte sie ihm zu. Mit glasigen Augen sah Dreorwyn nach oben zu ihr und musterte sie. Er hatte sich viel zu sehr angestrengt, doch er bereute es nicht. Kein Stück. Wieso war er nur bereit alles für sie zu opfern? »Gern Riwena.«, antwortete er und erwiderte merkwürdig sanft ihren Blick, ehe er ihn abwandte und seinen Stab musterte. Mühselig stemmte er sich darauf wieder auf die Beine. Zum Glück war es 'nur' Riwena die ihn in diesem Zustand sehen konnte und er versuchte vergeblich seine Gedanken zu sortieren, die wirr um ihn herum kreisten. »Wer ist der Vater?«, fragte er so plötzlich, dass er selbst überrascht war.

 

Er merkte Riwenas Unsicherheit, während sie ihn ansah. Anscheinend hielt sie es für das Beste zu schweigen, denn sie antwortete ihm nicht, während er einige unsichere Schritte ging und die Luft tief durch seine Nüstern einatmete. Warum hatte er diese Frage eigentlich gestellt? Er konnte sich doch schließlich denken, dass Grantar der Vater war. Weshalb fragte er also nach dem 'wer'? Anstatt sie anzusehen, blickte er auf den Boden vor sich. »Nun, es geht mich nichts an, eh?« Er grinste schwach, während er seinen Stab musterte und der Blick dann wieder zum Weg abschweifte. Immerhin schaffte es Dreorwyn endlich seine Gedanken zu ordnen und auch seine Gefühle. Er schluckte sie hinunter. Was einmal gewesen war, würde ohnehin nie wieder so werden, wie einst. Er sollte sich damit abfinden. Immerhin sprachen sie wieder miteinander, nicht?

 

»Legt mir keine Worte in den Mund, die ich nicht gesagt habe.«, sprach Riwena hinter ihm. Diese Worte erstaunten ihn etwas und er sah ihr nun doch in die Augen. Sein Blick wirkte müde, dennoch war er es selbst nicht. Es zeugte lediglich von den Anstrengungen durch den enormen Energieverbrauch. »Es war eine Vermutung, was Ihr sagen könntet.«, schmunzelte er leise.

 

Riwena sah ihm direkt in die Augen. Ihr Blick wirkte schleierhaft, während sie erwiderte: »Es war die falsche Vermutung.« Der Magier neigte seinen Kopf leicht zur Seite, doch ehe er darauf hätte etwas sagen können, sprach sie weiter. »Könnt Ihr ein Stück des Weges schaffen?« Unschlüssig über den Wechsel in ihrer Stimme und des Themas nickte er langsam. »Gewiss, vorausgesetzt, wir laufen nicht die ganze Strecke zurück.«

 

Die Worgen schüttelte ihren Kopf leicht. »Wir gehen das Tempo, welches Ihr vorlegt.« Dreorwyn nickte und sie verließen die Insel und die Senke mit Goldrinns Schrein. Während sie den Anstieg und den Weg hinter sich brachten unterhielten sie sich über vielerlei Dinge. Unter anderem darüber, dass es im Hyjal, dafür dass es ein Wald war, viel zu wenig Bäume gab. Belanglosigkeiten, an denen sich Dreorwyn merkwürdig aufheitern konnte. Er konnte immer besser einen Fuß vor den anderen setzen, auch wenn er mit jedem Schritt hoffte nicht über eine Wurzel oder einen Stein zu stolpern und der Länge nach auf der Schnauze zu landen. Die passierten vorsichtig den Pfad hinauf zu dem schmalen Bergpass, gingen diesmal achtsamer und vorsichtiger voran und schlüpften wieder in das Dickicht, aus welchem sie gekommen waren. Schließlich fragte Riwena noch einige Dinge über den Zauber der Gegenstände, die Dreorwyn gefertigt hatte. Wie sich der Schutzzauber auslöste und wie die beiden Ketten miteinander kommunizieren konnten. Der Zauber würde vorerst zwei Jahre andauern, was eine ziemlich lange Zeitspanne war, wenn man bedachte, dass die Gegenstände keinen eigenständigen Manaspeicher vorzuweisen hatten. Doch es war möglich diese zu erneuern. Riwena hatte nachgefragt, ob dies nicht zu anstrengend sein würde.

 

Dreorwyn lachte leise. »Nicht anstrengender als jetzt auch.« Ein beherztes Schmunzeln legte sich über seine Lefzen, während sie weiter den Weg entlang wanderten. Er konnte die stämmigen Wurzeln und den See bereits sehen. »Außerdem weiß ich in zwei Jahren ohnehin nicht mehr, wie schwach ich mich jetzt fühle.«

 

Riwena schüttelte unwirsch ihren Kopf. »Ich hoffe, das ich nicht mehr in Verlegenheit kommen werde, Euch darum zu bitten. Nach all dem, was passiert ist.«

 

Dreorwyn seufzte leise, doch langgezogen. Es könnte auch gut ein langes keuchen sein, so schlapp wie er sich fühlte und wie langsam er auch ging. »Wie heißt es so schön? Man trifft sich immer zwei Mal im Leben.« Er lächelte sanft. Mittlerweile nahm er Riwenas Gesellschaft relativ gelassen. Ja, er genoss sie sogar. Es tat ihm gut, mal wieder unter wirklichen 'Freunden' zu sein. Nicht nur Geschäftspartnern oder Arbeitsgesellen in Dalaran. Jemanden, mit dem er etwas teilte, oder etwas geteilt hatte. Machte es einen so großen Unterschied? Vermutlich wirkte er mehr als gelassen, auch wenn er mehr vor sich hin schlurfte, als dass er wirklich ging. Das einzige, das ihm wirkliche Sorgen bereitete, war die Frage, wann er stolpern und sich der Länge nach auf den Weg legen würde. Oder vielleicht war weiter hinten der Gedanke an Sturmwind auch einer der Gründe, weshalb er so gelassen und beflügelt wirkte. Wer wusste das schon?

 

Gemeinsam erreichten sie nach einem langem Fußmarsch endlich den Außenposten im Hyjalgipfel. Dreorwyn seufzte erleichtert, als er das Gebäude vor sich aufragen sah, vor dem zwei Portale von einigen Nachtelfen offen gehalten wurde. Eines, welches nach Orgrimmar führte, und ein anderes, welches den Weg nach Sturmwind erleichterte. Vor dem Gebäude drehte sich Riwena zu Dreorwyn um. »Wollt Ihr mich etwa wieder ins Gebirge begleiten?«, fragte sie verwundert und zuckte mit ihren Ohren.

 

»Hm?« Dreorwyn sah auf sie hinab und musterte sie für einige Augenblicke. Er hatte sie bei ihrem letzten Treffen, als sie ihm die Behältnisse für den Zauber überreicht hatte und sie die Details besprochen hatten zurück in das Weitblicktal begleitet. Damals hatte er sie begleitet, da sich ihre Wege wieder kreuzen würden. Sein Mund wurde auf einmal trocken und sein Herz ein kleines bisschen schwer. Doch nur ein bisschen. Denn nun schien es so, als wäre ihr kleines Abenteuer vorbei und sie hatten keinen Grund sich wieder zu sehen. Dreorwyn schüttelte seinen Kopf. »Nein Riwena, unsere Wege werden sich wohl in Sturmwind trennen.«

 

Der Glanz in Riwenas Augen verschwand und sie wirkten wieder matt. Wann war er dort hin gewandert? War es, während sie über den Wald und belanglose Dinge Azeroths gesprochen hatten? Dinge die sie bewegten, oder auch langweilten? Dreorwyn neigte seinen Kopf etwas zu ihr hinab. »Eure Welt braucht Eure Aufmerksamkeit als Anführerin. Ich hätte bereits Probleme geradeaus zu laufen. Oder jetzt... überhaupt noch weiter zu laufen.«, er grinste ihr schwach entgegen, ehe er seinen Kopf wieder hob. Riwena zog ihre Augenbrauen zusammen, als hätte sie ihn nicht so recht verstanden, oder versuchte seinen Worten zu folgen. Doch der Magier nickte zu den Portalen. »Nun, wollen wir?«, fragte er und sein Blick ruhte abwartend auf Riwena.

 

Sie nickte. »Ja.«, sagte sie knapp, leise und emotionslos. Ihre Maske wirkte wieder starr, während sie an ihm vorbeiging zu dem Portal, welches nach Sturmwind führte. Dreorwyn atmete die Luft um sich herum tief ein und wieder aus, während er ihr hinterher blickte. Wie gerne wünschte er sich, sie würden wieder eine Welt miteinander teilen...

So plötzlich der Gedanke gekommen war, so schnell vertrieb er ihn auch wieder. Es konnte nicht, es durfte nicht wieder so sein. Er würde sie wieder verletzten und nichts mehr wollte er vermeiden. Außerdem war Riwena mit Grantar liiert. Dreorwyn atmete ein letztes Mal die Luft des Hyjals in sich ein, ehe er ihr durch das Portal folgte, dessen Magie ihn verschlang und wieder zurück in die Östlichen Königreiche führte.

 

Sobald er auf der anderen Seite des Portales einen Fuß gefasst hatte, fand er sich in dem breiten Gang im Magierturm wieder. Er veränderte seine Form, so wie es Riwena vor ihm getan hatte, sodass er schließlich als Mensch mit einer weiten Robe die Wendeltreppe hinabstieg. Schweigend ging sie neben ihm her. Dreorwyn genoss die morgendliche Sonne, die auf ihn hinabschien. Das sanfte 'Tok', welches der Stab bei jedem seiner Schritte machte, während er ihn absetzte, begleitete sie dabei. Irgendwie genoss er die Stille. Es war in seinen Augen keine unangenehme Stille, oder ein Schweigen, vor dem man sich fürchten müsste. Es war im Gegenteil ziemlich angenehm. Es war nicht so, als hätten sich die Beiden nichts mehr zu sagen, es war vielmehr, dass sie alles gesagt hatten und nichts mehr offen war. Auch war es nicht die Stille die man vor einem Abschied hegte, eher wie vor einem Augenblick, an dem man in das Unbekannte ziehen würde und doch bereue man seine Schritte nicht.

 

Dreorwyn begleitete sie noch bis zum Hafen, wo die Sonne die Beiden nahezu blendete. Riwena sah ihn schuldig an, während sie sich zu ihm gedreht hatte. »Ihr hättet es nicht tun müssen, dennoch habt Ihr es getan.« Eine stumme Frage schien in ihren Augen zu liegen, doch Dreorwyn wusste keine Antwort darauf. Stattdessen sprach er: »Die Zeiten in denen ich Groll hegte liegen lange zurück, Riwena. Ich habe Euch gerne geholfen. Es ist nicht der Rede wert.«

 

Vermutlich erkannte Riwena die Lüge hinter seinen Worten. Sie stand ihm vermutlich förmlich ins Gesicht geschrieben. Er konnte nicht mogeln, noch nicht einmal, wenn es gut gemeint wäre. Ihr Blick ruht für einen Augenblick auf ihm, dann trat sie einen Schritt auf ihn zu. Sie hob ihre Hand um seine Kapuze etwas zur Seite zu schieben. Dreorwyn ließ es zu, harrte aus und wartete ab. Er fühlte sich etwas erstarrt aufgrund der plötzlichen Handlung von Riwena, doch er verspürte nicht den Drang zurückzuweichen. Nicht wie noch vor einer Woche an der Dunkelküste. Sie beugte sich vor und gab ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange. Es wirkte nicht verführerisch, sondern lediglich als eine Geste, die von tiefer Freundschaft zeugte.

 

Das Überraschen stand dem Magier förmlich ins Gesicht geschrieben und für einen kurzen Augenblick kamen stillgelegte Gefühle und Gedanken in ihm hinauf. Er genoss ihre Geste, ihr Verhalten ihm gegenüber. Doch nicht nur das-

Dreorwyn räusperte sich auffällig und legte eine Hand auf Riwenas Schulter, als sie schon von ihm zurückwich. »Nun, ich wünsche Euch sichere Pfade.« Nun... Weshalb denn das 'Nun'? Fahr doch zum Nether Sarandar, das hatte sich jetzt wirklich bescheuert angehört.

 

Riwena nickte leicht lächelnd. »Sichere Pfade.«, sprach sie leise, dann wandte sie sich von ihm ab und schritt erhaben den Weg zum Hafen hinab. Sie drehte sich nicht mehr zu ihm um, noch sah sie über die Schulter zu ihm zurück. Er blieb zurück und sie ging ihren Weg, wie er es ihr im Hyjal prophezeit hatte. Dreorwyn sah Riwena nach, während ihre Gestalt im Steg immer kleiner wurde und er sie schließlich zwischen den vielen Leuten, die sich dort tummelten, verschwand. Dann drehte er sich um und schlug den Weg zurück ins Magierviertel ein. Bei Graumähne... war er erledigt.

 
 

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