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Geheimnis in Dalaran

von

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Aufbruch zum Steinkrallengebirge


 

*****
 

 

Der Magier in seiner Kammer ruhte völlig entspannt in der kreisrunden Kammer mit den drei großen, gebogenen Regalen, während er an dieses Abenteuer zurückdachte. Nether, war er erledigt gewesen. Er glaubte für fast eine Woche nicht gezaubert zu haben bis er wieder ein normales Level seiner Kräfte erreicht hatte. Wie unerfahren er damals doch gewesen war. Und wie starrköpfig er sich nicht eingestehen wollte, die Gefühle wieder zuzulassen.

 

Damals war es vermutlich das richtige gewesen. Wer hätte geahnt, dass nach diesem Abenteuer noch viele Treffen mit Riwena gefolgt hätten? Zunächst hatten sie sich in Sturmwind getroffen. Anschließend hatte sie ihn in das Steinkrallengebirge, in das Weitblicktal eingeladen, wo er sie öfters besucht hatte. Immer dann, wenn er Zeit gefunden hatte, war er dort gewesen, hatte die Zeit mit ihr und der Gemeinschaft genossen. Selbst, wenn er dieser zunächst skeptisch gegenübergestanden hatte.

 

Dreorwyn seufzte leise, während er die Augen schloss und das Buch zuklappte. Er hatte irgendwann in dem Laufe der Zeit nicht mehr darin geschrieben. Vielleicht aus Angst, er könnte seinen Gefühlen doch nachgeben? Er hatte so lange gegen sie angekämpft. Er hatte sogar versucht sie nicht wieder aufzusuchen, doch immer wieder hatten ihn seine Gedanken und seine Schritte ihn zu ihr geführt. Nicht zuletzt war es der Schutzzauber gewesen, den er vor vielen Jahren über sie gesprochen hatte, der sie wieder zusammengeführt hatte.

 

Der Magier erinnerte sich noch genau daran. In Dalaran war es bereits dunkel gewesen, als das Band zwischen ihnen beiden aktiv wurde. Er hatte die starke Panik gespürt, die Riwenas Herz ergriff. Sofort hatte er gewusst, wo sie sich aufhielt und auch, wenn es ihm vor gerade diesem Ort mehr als graute, war er über seinen Schatten gesprungen. Dreorwyn hatte alles stehen und liegen gelassen, war wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen, hatte seine Sachen gepackt und hatte sich nach Sturmwind teleportiert um den Ort aufzusuchen, an dem er sie finden würde. Und er hasste diesen Ort. Freiwillig würde er diesen nie wieder aufsuchen. Doch für Riwena, würde er alles in Kauf nehmen.

 
 

*****
 

 

Der Magier wirkte gehetzt, als er vom Greifen glitt, der ihn von dem Greifenmeister abgenommen wurde. Mit eiligen Schritten folgte er dem Weg in das kleine Dorf hinab, von dem er ausgegangen war, er würde es nie wieder betreten. Die Uhr des Bürgerbüros läutete drei Mal ihren Klang und hinterließ bei Dreorwyn eine Gänsehaut, während er der magischen Spur folgte, die noch so frisch in ihm schwang, als würde das panische Gefühl von Riwena noch immer andauern. Dunkelhain... Wie groß doch seine Abneigung vor diesem Ort war, doch noch größer war seine Abscheu vor diesem Ort in dem das Dorf stand. Im Dämmerwald.

 

Die natürlichen Geräusche der Nacht wirkten viel lauter auf ihn ein, als sie normalerweise sein sollten. Schnell überquerte er den Platz und erkannte die Taverne. Die Schwarzmähnen waren nicht mehr hier, ansonsten hätte er bereits einen von ihnen gesehen. Was mit ihnen wohl geschehen war? Kurz vor der Eingangstüre zum Roten Raben zwängte sich ein großer Worgen durch den beengten Gang und stampfte nach draußen. Sein goldener Blick fiel musternd auf Dreorwyn, der lediglich eine Augenbraue hob. Doch der Worgen sah ihn weiterhin durchdringend und schweigend an. Ein unangenehmes Gefühl, breitete sich in der Brust des Magiers aus, während er dem Blick stand hielt, ehe er an ihm vorbei zum Eingang der Taverne ging. Er hatte keine Zeit sich mit so etwas auseinander zu setzen.

 

Seine Schritte lenkten ihn weiter in der Innere der Taverne. Es war noch ruhig, was ungewöhnlich war. Der Magier kannte die Taverne belebt mit vielen Gilneern. Er hatte sie selbst gekannt. Doch nun schien sie sogar nahezu verlassen zu sein, bis auf eine Schankmaid, die hinter dem Tresen stand und gelangweilt einige Gläser putzte. Merkwürdigerweise schien sie keine Notiz von ihm zu nehmen, also schlich er sich in die Seite zu den Treppen, die in die oberen Stockwerke führten. Mit klopfendem Herzen stieg er die Treppe hinauf. Wie gut, dass er sich hier auskannte. Auch wenn er nicht sehr lange mit den Schwarzmähnen hier gelebt hatte, hatte es ausgereicht, um sich die gängigsten Räumlichkeiten einzuprägen.

 

Als er im oberen Stockwerk war, sah er sich vor den geschlossenen Türen um und schloss wieder seine Augen. Er konzentrierte sich auf das Band, welches er vor Jahren mit Riwena verflochten hatte und wieder spürte er ein unangenehmes Kribbeln, was sein Herz wieder schneller schlagen ließ. Nicht vor Erwartung, sondern aus Furcht. Dreorwyn bestimmte die Richtung und klopfte an die Türe die darin endete. Doch sie öffnete sich bereits bei der ersten Berührung einen Spalt breit wie von selbst. Der Mann atmete durch, versuchte sein Herz zu beruhigen und unter Kontrolle zu bekommen, ehe er die Türe gänzlich aufschob und in den Raum eintrat. Der Anblick, der sich ihm bot, ängstigte ihn, ebenso wie er ihn erschütterte.

 

Riwena lag in ihrer Worgenform auf der Seite mit dem Rücken zu ihm. Lediglich die dünnen Träger, welche in den Stoff grenzten, der über ihrer Brust liegen musste, bedeckte ihren Oberkörper. Das Laken auf welchem sie in dem Bett lag, war voll geblutet, aus einer Wunde, die leicht von ihrer Seite hinabfloss. »Bei Graumähne...«, stieß er aus und verkürzte den Abstand zwischen sich und dem Bett mit zwei schnellen Schritten. »Riwena? Hört Ihr mich?« Besorgt beugte sich Dreorwyn über das Bett um Riwena an der Schulter zu berühren. Vermutlich wollte er sich nur selbst überzeugen, dass sie noch lebte, doch dann sah er auch, wie sich ihre Brust langsam hob und wieder senkte. Die Wunde an ihrer Seite war vernäht worden, doch sie blutete noch nach.

 

Riwena's Leib zuckte kaum merklich zusammen, ehe sie ihren Kopf drehte und zu Dreorwyn nach oben blickte. Sie blinzelte verschlafen, ehe sie sich dann aufrichtete. »Ehre Graumähne.«, sprach sie matt. Der Magier seufzte innerlich erleichtert auf, ehe er sich an den Rand des Bettes sinken ließ. Vermutlich hätte er länger auch nicht stehen können. Er sah bestimmt gestresst aus. »Ihr seht schlecht aus.«, murmelte er und schüttelte leicht seinen Kopf um die beängstigenden Gedanken zu vertreiben. Warum hegte er sie überhaupt? Weshalb hatte er solche Sorge um Riwena? Warum hatte er geglaubt, sein Herz würde zerspringen, wenn sie gestorben wäre? Er schob die Gedanken bei Seite.

 

»Was für ein Kompliment.«, nuschelte Riwena und rappelte sich weiter auf, bis sie eine sichere Sitzposition erreicht hatte. Ihre Ohren zuckten angestrengt, während ihre grasgrünen Augen trüb und müde wirkten. »Ein besseres fiel mir auf die Schnelle nicht ein.« Verlegen neigte Dreorwyn seinen Kopf zur Seite und sah erst jetzt, dass ihre Pranke ebenso vernäht war. »Was ist geschehen?«

 

Die Worgen starrte emotionslos auf die andere Seite des Raumes und mied seinen Blick. »Ich war ein wenig spielen.«, murrte sie und winkte ab. Dreorwyn zog seine Augenbrauen zusammen. Wie konnte sie selbst jetzt noch so stolz und stur sein? »Was treibt Euch hierher?«

 

»Ein starkes Gefühl der Angst, welches wohl kaum von einem Spiel herrührte.«, brummte Dreorwyn als Antwort und musterte sie skeptisch. Er hatte keine Lust auf dieses Versteckspiel, nicht, wenn er sich solche Angst um sie gemacht hatte. Doch konnte sie dies nicht wissen. Es war besser so wenn sie es nicht wusste. Mit leicht verengten Augen beobachtete der Magier sie aufmerksam. »Was ist wirklich geschehen?«

 

Riwena hob noch immer nicht ihren Kopf um ihn anzusehen. »Ich war auf der Suche nach jemanden und bin auf alte Bekannte gestoßen. Oder besser gesagt auf deren... Neulinge.« Ein dumpfes knurren stieg aus ihrer Kehle hinauf, während Dreorwyns ernster Blick auf ihr ruhte. »Alte Bekannte? Hier, im Dämmerwald?« Man könnte meinen, etwas strafendes lag in seinem Blick, ähnlich eines Vaters, der seinen Sprössling ausschimpfte.

 

»Ihr könnt Euch denken, wen ich meine. Ich habe da wohl noch eine Rechnung offen.«, knurrte sie und sah Dreorwyn nun endlich an. Ihre Augen waren leicht geengt, ob von der Wunde an ihrer Seite, oder von der Rechnung von der sie sprach, war nicht genau zu definieren. »Aber heute war nicht der richtige Tag, geschweige denn die richtigen Bekannten, um diese zu begleichen.« Riwena schnaubte, und ein leichtes grinsen, zog sich über ihre wölfischen Gesichtszüge. »Im Endeffekt bin ich noch glimpflich davon gekommen.«

 

»Das könnt Ihr aber laut sagen.«, murrte Dreorwyn und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Die Gefühle die er vor wenigen Minuten noch versucht hatte zu verstecken, waren inzwischen in einem tiefen, dunklen Loch verschwunden. Sein strafender Blick begegnete Riwena und sie hörte auf zu grinsen. »Aber gut zu wissen, dass der Zauber immer noch wirkt. Wenn auch etwas... spät.«

 

Dreorwyn schnaufte laut und verkniff sich einen bissigen Kommentar. Auf Leute die bereits am Boden lagen sollte man keine Steine werfen, auch wenn Riwena vermutlich niemals in ihrem Leben ab Boden liegen würde. Nicht einmal, wenn man ihr beide Beine abhackte. »Wart Ihr alleine?«

 

Die Worgen nickte langsam. »Ja, ich hatte eine äußerst nette Begleitung an meiner Seite.«

»Etwa der Flohsack, der vor der Taverne steht und jeden einen grimmigen Blick zuwirft, der eintreten möchte?« Dreorwyn hob eine Augenbraue und musterte Riwena, die lediglich nur ruhig dasaß und sich wieder damit vergnügte die gegenüberliegende Zimmerwand anzustarren. Der Magier begnügte sich währenddessen damit sie weiterhin zu mustern. Herrje, was hatte sie sich nur dabei gedacht? Im Dämmerwald! War ja klar, dass da irgendetwas schief gehen musste!

 

Plötzlich wandelte sich Riwena in ihre menschliche Form zurück. Ihre Beinrüstung wurde etwas lockerer, während das Fell in ihre Haut zurückzog. Die Schnauze zog sich zurück, das Maul mit den Fangzähnen formte sich zu einem normalen Kiefer und die Knochen verformten sich knackend, während alles wieder an seinen ursprünglichen Platz fand. Die Wunde an Riwenas Seite riss wieder auf, dennoch blutete sie nur leicht. Doch das reichte aus, dass Dreorwyn erschrocken vom Bettrand aufsprang. »Riwena!«, rief er fassungslos und starrte ungläubig auf sie. Weshalb hatte sie sich jetzt gewandelt? War sie verrückt geworden?

 

Riwena hielt sich mit einer Hand den Kopf, ehe sie auf die verblassten Narben deutete, die sich schräg über ihr Gesicht zogen. »Diese Rechnung.«, sprach sie düster. Die dünnen Striemen stammen von einem Prankenhieb. Dreorwyn war davon ausgegangen, dass sie von einem Bären oder einem Wildtier stammten, welchen sie bei einer Jagd erlegt hatte. Er hob eine Augenbraue, während sein Blick über ihr Gesicht wanderte. Warum rechtfertigte sie sich vor ihm? War es ihr so wichtig, was er dachte?

 

Sie senkte ihren Blick auf ihre Wunde an ihrer Seite. »Macht Euch keine Sorgen. Noch dazu muss ich sagen, dass mich dieser 'Flohsack' immerhin heil dort raus gebracht hat.« Dreorwyn nickte und er konnte nicht verhindern, dass sein Blick ihren Hals hinab nach unten glitt. Etwas zu lange verweilte er so, doch dann bemerkte er selbst wie unhöflich er starrte und konzentrierte sich stattdessen wieder auf die Wunde an ihrer Seite. Verdammt! Er hatte sich gehen lassen. Hoffentlich hatte sie nichts bemerkt. »Na immerhin hat er Verstand.«, murmelte er leise und befeuchtete seine trockenen Lippen. Warum waren sie nur so trocken? »Ihr solltet Euch etwas überziehen... sonst erkältet Ihr Euch noch.«

 

»Nein.«, Riwena schüttelte ihren Kopf. »Die Wunde muss trocknen.«, sprach sie entschieden. Dreorwyn öffnete seinen Mund leicht um zu widersprechen, dann schloss er ihn aber wieder. Was sie sagte war durchaus logisch. Die Anführerin lächelte leicht, während sie ihn betrachtete, wie er scheinbar unbeholfen auf sie hinabsah. »Es ist kein Dauerzustand und bei der nächsten Begegnung, wird es Euch wieder leichter fallen, den Augenkontakt mit mir zu halten.«

 

Verdammt! Sie hatte es bemerkt! Dreorwyn wandte sich von ihr ab und ging um das Bett herum. Er zupfte am Saum der Bettdecke, ehe er sie anhob und ihr den Rand wie einen Mantel um die Schultern legte. »Ja, ja... Redet nur. Ich habe lediglich auf die Wunde gestarrt.«, murrte er mürrisch, doch ein grinsen legte sich auf seine Lippen. Riwena nahm den Saum der Decke und zog sich die Decke weiter über die Schulter um damit schließlich ihren Oberkörper einzuhüllen. Dreorwyn setzte sich wieder an den Rand des Bettes und neigte sich ihr zu. »Was macht Ihr nur immer für Sachen.«, seufzte er leise.

 

»Ich werde nie die Hausfrau sein und mittlerweile erwartet es auch keiner mehr.«, grinste sie und musterte ihn frech. Dreorwyn lehnte seinen Stab neben dem Bett ab und schmunzelte. »Wer erwartet das? Ich glaube man kann niemandem die Abenteuerlust... oder todesgefährliche Unternehmungen abschlagen.« Kurz lachte er beherzt. »Vor allem Euch nicht. Dennoch, ich bin froh Euch noch in einem Stück zu sehen.«, endete er schließlich und die Erleichterung in seinen Worten war nur allzu deutlich herauszuhören.

 

Riwena schüttelte sich leicht unter der Decke. Kicherte sie? Oder versuchte sie in Kichern zu unterdrücken? »Ihr werdet mich wohl nie ohne Extremitäten auffinden. Normalerweise sollte man meinen, man übernimmt nicht nur die Verantwortung, sondern auch den Verstand eines Anführers. Vielleicht trifft es auf gewisse Teile zu, aber mein Herz hängt in der Welt da draußen. An jeder Gefahr, an jeder Freude... Ihr wisst schon.«, schloss sie unbehelligt ihren Satz. Ihre Augen ruhten auf Dreorwyn und musterten ihn.

 

Der Magier nickte langsam. »Ich denke, ich verstehe Euch. Es gibt Momente, da vermisse ich meine Unwissenheit über meine Identität.« Seine Gesichtszüge nahmen einen verträumten Ausdruck an, während er weitersprach. »Irgendwie hatte ich damals alles viel mehr genossen. Der Nether weiß warum.«

 

»Wie ich vor langer Zeit bereits zu Euch sagte, ist die Vergangenheit nicht immer die schönste Erinnerung.«, erwiderte Riwena und auf ihrem Gesicht zeichnete sich ein sanftes Lächeln aus. Dachte sie an etwas bestimmtes? Dann war es gewiss nicht die Vergangenheit, die sie zuletzt miteinander verbracht hatten.

»Nicht immer, ja.«, er nickte langsam. »Aber es ist ein Teil der uns prägt, in dem Wesen, welches wir sind.« Langsam hob er seinen Kopf wieder zu Riwena und suchte ihren Blick, den sie ruhig erwiderte. »Ihr werdet wieder zu ihnen gehen, oder kann ich Euch davon abhalten?« Hoffnungsverloren sah er sie an, doch er wusste bereits, wie ihre Antwort ausfallen würde, noch ehe sie diese ausgesprochen hatte.

 

»Früher oder später werde ich das. Ich vergesse niemals.« Ihr Blick schien sich wieder zu klären, während sie zu ihm zurück sah. Mehrere Augenblicke verstrichen so und Dreorwyn konnte nicht anders als eine Leere in sich zu fühlen. »Es gibt tatsächlich Dinge in der Vergangenheit, die ich bereue.«

 

Der Magier lehnte sich auf seinem linken Arm zurück. Verdutzt hob er seine Augenbrauen. »Hm?«, fragte er nach und musterte sie. Er verdrängte die Leere in sich. Vielmehr genoss er die Unterhaltung mit Riwena, so wie sie jetzt verlief.

 

»Ich überlege oft, wie es gekommen wäre, wenn ich bei den Schwarzmähnen geblieben wäre.«, rückte sie schließlich mit der Sprache heraus und ihr Blick senkte sich zwischen ihn und sich auf die Bettdecke. Die Hälfte, die nicht über Riwenas Schultern ruhte. Dreorwyn wandte den Blick ab und kräuselte missfallend seine Lippen. Er hing den Gedanken an den Schwarzmähnen hinterher. Doch er grub noch weiter, zurück nach Surwich. Damals, als die Schwarzmähnen noch nicht von Väl vernachlässigt wurden. »Alles wäre anders gekommen. Aber ich denke, früher oder später wärt Ihr gegangen. Vielleicht aus dem selben, vielleicht aus einem anderen Grund.«, murmelte er schließlich leise in den Raum hinein. Wenn er damals nicht nach seiner Vergangenheit gesucht hätte - und diese gefunden hätte - wäre er dann mit Riwena gegangen?

 

»Vermutlich würden mir dann tatsächlich Extremitäten fehlen. Aber das wäre es vermutlich wert gewesen.«, wisperte sie sehr leise. Dreorwyn drehte seinen Kopf wieder zu ihr und runzelte seine Stirn. War das ein wehmütiger Blick? Weshalb war ihr Herz so schwer? Er neigte seinen Kopf leicht seitlich um ihre Worte zu überdenken. Riwena seufzte lautlos. »Vielleicht wäre ich mit Würde gegangen, anstatt einfach abzuhauen.«

 

Dreorwyn gluckste kurz, weswegen Riwena die Augen etwas schmälerte. War es das? Machte sie sich etwa noch immer Gedanken darüber, dass sie seinen Männerstolz angekratzt hatte? Er schüttelte seinen Kopf. »Es ist egal, was man Euch nachsagte, Riwena. Ihr seid mit Würde gegangen. Egal, welchen Schleier ich damals vor Augen hatte. Ihr habt Euch eingesetzt, dass alles noch im Ruder war, bevor Ihr gegangen seid.« Unbeschwert zuckte der Magier mit den Schultern, während sie fragend ihre Augenbrauen hob. »Wie meint Ihr das?«, fragte sie. »Immerhin war ich die Unruhestifterin schlechthin.«

 

»Richtig.«, antwortete Dreorwyn wahrheitsgemäß und sah Riwena verschmitzt von der Seite her an. »Aber Ihr wart immer ein Teil von den Schwarzmähnen, die es zusammengehalten haben.« Ein warmes Gefühl stieg in ihm auf, als er sie grübeln sah. So gefiel sie ihm besser. Nicht bedauernd, nicht reumütig. Er hatte keine Ahnung wieso, vielleicht lag es an ihren Verletzungen, aber er wollte sie so nicht sehen. »Ich... verstehe nicht.«, begann sie und hob ihren Blick wieder zu ihm. »Ich habe nichts außergewöhnliches getan.«

 

»Ihr wart da, mit Eurer spitzen Zunge und Eurem Herzen.« Dreorwyn zwinkerte ihr zu, doch dann winkte er ab. »Es ist auch nicht mehr wichtig. Jeder hatte eine andere Meinung von dem anderen. Es ist lange her und letztendlich ging doch jeder seinen eigenen Weg.«

 

»Verzeiht mir.« Dreorwyn war über die Trauer in ihrer Stimme erstaunt. Er blinzelte sie an und deutete ihren Blick in dem eine so stille, tiefe Trauer lag, dass es sein Herz berührte. »Was?«, fragte er unbeholfen und richtete sich wieder gerade auf. »Habe ich etwas falsches gesagt?« Oh ja. Unbeholfen war das richtige Wort. So klangen auch seine Worte, doch er kam gerade wirklich nicht mit, mit ihren Gedanken. Was hatte sie jetzt so tief traurig gestimmt? »Warum seid Ihr traurig?«

 

»Weil ich nie vergesse.«, murmelte Riwena sehr leise, dass ihre Worte nicht mehr als ein Flüstern waren. »Ich vergesse nicht, wie ich Euch hängen gelassen habe. Ich kann es mir nicht verzeihen. Vielleicht könnt Ihr es.«

 

Dreorwyn zog seine Augenbrauen zusammen und sah Riwena eindringlich an. Im ersten Augenblick fand er keine passenden Worte, wie er damit umgehen sollte. »Riwena...«, begann er und seufzte schwer. »Ich werde es auch nie vergessen...«, räumte er schließlich ein und hätte sich dafür am liebsten eine Ohrfeige gegeben. Warum hatte er nicht gelogen? Nein, er wusste, dass es richtig war, hierbei nicht zu mogeln. »Aber ich bin froh, dass ich einer so bezaubernden Frau, wie Ihr es seid, kennen lernen durfte.« Sein Blick hellte sich auf und ein sanftes, aufmunterndes Lächeln umspielte seine Lippen. »Und ich bin froh, dass Ihr mir nicht dem Kopf bei dem Treffen in Lor'danel abreißen wolltet.« Riwena sah ihn verständnislos an, also fügte er leise lachend hinzu: »Dafür, dass ich Grantar die Nase verbeult habe.«

 

Riwenas Augen funkelten, doch das Funkeln war für Dreorwyn undeutbar. »Grantar...«, murmelte sie knapp, doch diese Trauer war noch immer nicht gänzlich aus ihrer Stimme gewichen. »Ich denke, er hat schon schlimmeres erlebt, als eine verbeulte Nase. Aber wohl, hätte sie mehr mir zugestanden.« Der Magier hob forschend eine Augenbraue. »Habe ich da einen wunden Punkt erwischt mit 'Grantar'?«, fragte er witzelnd. Er hatte es nicht wirklich ernst gemeint und doch verriet ihr Gesichtsausdruck, dass er es sehr wohl getan hatte. Am liebsten hätte er sich geduckt, oder sich vorher mit einem Kissen selbst erdrosselt. Er hatte ein richtiges Talent von einem Fettnäpfchen in das nächste zu treten. Riwena schloss kurz ihre Augen. »Wunder Punkt...«, murmelte sie, ehe sie die Augen wieder öffnete. »Nun ja, ich weiß nicht, wie man es nennen kann, wenn der Gefährte sich um einen nicht schert. Aber vermutlich wäre es anders auch falsch. Ihr solltet Euch noch erinnern, wie schwer es ist, mir etwas recht zu machen.« Tatsächlich schlich sich ein Grinsen über Riwenas Gesichtszüge.

 

Dreorwyn lächelte erleichtert. Wieder hatte er den Themenumschwung geschafft. Doch jetzt? Er konnte Riwenas Satz bezüglich Grantar nicht einfach ignorieren. Warum kümmerte sich dieser Trottel nicht um sie? Mit wachen Augen schmunzelte er sie an. »Vielleicht sollte ich Grantar einen Grundkurs darin geben, wie man mit einer Frau umgeht?« Selbstgefällig tippte er sich auf die Brust. »Die Höflichkeit in Person kann bestimmt dem Holzkopf noch etwas beibringen, damit sich die holde Maid zukünftig nicht ohne ihren Begleiter in Gefahren begibt, wo ihr die Knie schlottern.«

 

Riwena zog die Augenbrauen zusammen und sie grinste breit. »Ich habe nie Angst.«, sprach sie, verschränkte die Arme, wobei die Decke ihr etwas an ihren Schultern herab rutschte und reckte ihr Kinn in die Höhe. Dreorwyn konnte das triumphierende Gefühl, welches sich in ihm aufbaute nicht verhindern. Da war sie wieder, ein Teil der alten Riwena. Hochmütig und dickköpfig. »Aber Ihr habt Recht. Ein Gentleman seid Ihr wahrlich. Immer schon gewesen. Zumindest in meiner Gegenwart.« Grinsend senkte sie ihr Kinn wieder und zog sich die Decke wieder über die Schultern.

 

»Zumindest in Eurer, wie?«, lachte Dreorwyn doch Riwena winkte ab. »ist doch alles was zählt, oder nicht?«, entgegnete sie breit grinsend.

 

»Nun, ich kann auch anders. Irgendwie bin ich aber froh, dass Ihr mich so nicht kennt.«, scherzte Dreorwyn. Doch er sprach wahre Worte und Riwena erkannte dies auch sogleich. »Ich fürchte mich nicht vor Eurem anderen Ich.«, sprach sie leicht. »Ihr habt ja den Vorteil, dass Ihr mich bereits kennt.«

 

Verträumt erwiderte Dreorwyn ihren Blick. Wie lange war es her, als er ihr an der Dunkelküste sagte, dass er sie vermutlich nie gekannt hatte und sie ihm daraufhin zugestimmt hatte? »Manchmal ist es besser, nicht alles zu wissen oder zu kennen. Menschen verändern sich, Riwena.« Eindringlich sah er sie lächelnd an. »Das Vergangene ist geschehen. Man muss nach vorne blicken.«

 

Riwena erwiderte seinen Blick ebenso eindringlich, aber auf eine angenehme Weise. »Ich kann aber nicht anders, als ständig zurück zu blicken. Vermutlich hängt es auch mit dem Willen zusammen.« Der Magier konnte es nicht verhindern sie etwas wehmütig bei ihren Worten anzusehen. Dass gerade die Worte mit dem Blick nach vorne von ihm gekommen waren, war so ironisch. War nicht er es gewesen, der es letztendlich gerade mal sieben Tage geschafft hatte, nicht an sie denken zu müssen? Er neigte seinen Kopf leicht zur Seite. »Willen? Den Willen wozu?«

 

»Den Willen nach vorne zu Blicken. Es fällt mir unendlich schwer.«, pflichtete Riwena bei. Dreorwyn schmunzelte. »Gerade Euch?«, fragte er und das Schmunzeln wandelte sich zu einem Grinsen. »Ihr seid von unzähligen, neuen Gesichtern umzingelt. Stürzt Euch im wahrsten Sinne des Wortes in jede Gefahr, ohne Rücksicht auf Verluste, seid eine grandiose Anführerin und Ihr wollt mir erzählen, es würde Euch schwer fallen einen Schritt vor den anderen zu setzen? Jede Hürde zu überwinden?« Leicht schüttelte er seinen Kopf. »Ihr wollt mich wohl zum Narren halten.«

 

Der Ausdruck in Riwenas Gesicht veränderte sich. Das Grinsen schwand und es blieb nur noch eine Spur eines Lächelns zurück. Sie wirkte nachdenklich und irgendwie in sich gezogen. »Es mag ja sein, dass ich mich nach vorne bewege. Aber ich stolpere über Steine, weil der Kopf ständig nach hinten blickt. Ich weiß nicht, wann ich die Drehung schaffe.« Lauschend musterte Dreorwyn sie und neigte seinen Kopf etwas überfragt. Was wollte sie ihm damit sagen? Riwena nahm tief Luft. »Ich habe sehr gute, sehr treue Leute, die ich sehr schätze. Aber es fehlen die wichtigen an meiner Seite.«, sprach sie wieder leise.

 

Dreorwyn sah sie für mehrere Augenblicke an. Wie sehr er sich wünschte, sie würde von ihm sprechen. Doch dies konnte nicht sein. Ein Grinsen legte sich wieder über seine Lippen. Es war seine beste Tarnung. »Soll ich Grantar noch einmal ins Gesicht schlagen, dass er Euch hinterherlaufen soll?«

 

Riwena sah ihn weiterhin mit nachdenklicher Miene an. »Vermutlich wäre es mir wichtiger, wenn...«, sie unterbrach sich und senkte ihren Blick wieder hinab auf einen Punkt zwischen sich und Dreorwyn. Der Magier zog seine Augenbrauen zusammen und legte seinen Kopf zur Seite. »Wenn...?«, fragte er schmunzelnd nach und rückte etwas weiter zu ihr vor. »Na los, spuckt es aus. Keine falsche Scheu.« Was auch immer es auch war, was Riwena bedrückte, man könnte da bestimmt etwas machen. Irgendwie konnte man alles wieder gerade biegen, nicht? Dreorwyn fühlte sich in diesem Augenblick so leicht, dass er erst jetzt bemerkte, wie nahe er zu ihr gerückt war. Zu nahe? Er musterte sie. Nein, gewiss nicht. Sie waren ja nur Freunde. Alte Bekannte. Ehemalige Liebende. Der Magier drückte die aufkommenden Gefühle wieder tief in sein Inneres.

 

Die Anführerin hob ihren Blick zu ihm. Ihr nachdenklicher Blick war ernst geworden und ihre grasgrünen Augen funkelten sogar ein wenig. »Ich vermisse jemanden und das mehr als meinen Bruder.«, murmelte sie. Dreorwyns Hoffnung, dass man alles wieder gerade biegen konnte schwand mit ihren Worten. Riwenas Bruder galt als verschollen, oder wohl eher als tot. Er konnte keine toten wiederbeleben oder derlei Wunder bewirken. Ruhig erwiderte er ihren Blick. »Mehr als Euren Bruder? Wen?«, fragte er sachte nach. Dreorwyn hatte nicht vor sie zu bedrängen, aber vielleicht ging es ihr besser, wenn sie über ihren Kummer sprechen konnte. Doch wer war er, dass sie sich ihm anvertrauen konnte? Doch, sagte Riwena nicht, dass er der einzige sei, der ihre Vergangenheit und von ihrem Bruder überhaupt wusste? Doch die Umstände damals, wie er es erfahren hatte, waren damals noch anders gewesen.

 

Riwena sah ihn lange an und mehrere, endlose Augenblicke verstrichen in denen Dreorwyn ein merkwürdiges Kribbeln in seinem Bauch spürte. War es ihr unangenehm? Vielleicht sollte er ablassen und ihr einfach sagen, sie solle sich nicht so viele Gedanken machen und stattdessen schlafen gehen? Doch plötzlich und völlig unerwartet antwortete sie ihm. »Euch.« Sie sprach es ohne Umschweife aus. Aufmerksam musterte sie ihn und seine Reaktion auf ihr Wort.

 

Und dieses eine Wort hatte es geschafft die Barriere, mit der er krampfhaft versucht hatte seine Gefühle zu unterdrücken loszureißen. Die tiefe Zuneigung, die er ihr gegenüber noch immer verspürte und die Gedanken, die immerzu an ihr hingen. Dreorwyn wusste sehr wohl diese Gefühle richtig einzuordnen, aber er wollte es nicht wahr haben. Es konnte nicht sein, es war bereits so lange her. Riwena konnte unmöglich noch für ihn so fühlen, nachdem, wie er sie in Surwich behandelt hatte. Der Magier schluckte den Kloß hinunter, der sich angestaut hatte. »Mich?«, fragte er zu seiner eigenen Verwunderung mit einer völlig normalen Stimme. Er blinzelte Riwena unschuldig Lächelnd an. »Aber ich bin doch genau hier, vor Euch. Außerdem...«, er tippte sich gegen die Schläfe. »Sind wir magisch miteinander verbunden.«

 

Dreorwyn versuchte diese Worte glaubhaft klingen zu lassen doch es gelang ihm nicht. Riwenas Gesichtsausdruck veränderte sich kein bisschen, während sie ihn beobachtete. Fast wäre es ihm lieber gewesen, sie würde schreien, oder ihn auslachen, doch stattdessen schlich sich wieder diese verfluchte Maske der Emotionslosigkeit auf ihr Gesicht. »Es ist wohl besser, dass Ihr nicht versteht, was ich meine.«

 

Der Magier wandte seinen Blick von ihr ab. Stattdessen sah er zum Rand des Bettes und durch seine Kapuze konnte sie sein Gesicht nicht sehen. Schwermütig schloss er seine Augen, während sich dieser verfluchte Kloß in seiner Brust anstaute und er glaubte die Luft bliebe ihm weg. Sein Herz schmerzte. Es konnte nicht sein, es durfte nicht sein. Riwena konnte unmöglich noch Gefühle für ihn übrig haben. Ihre Wege hatten sich so lange getrennt und jetzt verwoben sie sich wieder miteinander. Dreorwyn fühlte sich schlecht, wenn er an die Vergangenheit dachte. »Ihr deutet es falsch, Riwena. Ich verstehe sogar sehr gut... Aber ich will es nicht wahr haben.«, murmelte er sehr leise. Doch er fand keine weiteren Worte mehr für das was er sagen wollte. Wollte er noch etwas sagen? Er wusste es nicht und die Zeit der Stille zog sich schier endlos.

 

»Wer könnte es Euch verübeln, nachdem was war.« Ihre Frage war mehr wie eine Aussage formuliert und sie seufzte leise. »Würdet Ihr mir einen Gefallen tun?«

Dreorwyn, froh darüber aus seinem innerlichen Chaos herausgezogen zu werden hob langsam seinen Blick. »Hm?«, fragte er, doch er wusste, dass er sie sehnsüchtig und wehmütig ansah. Vielleicht sah er auch aus wie ein geprügelter Hund. Zum Glück konnte er seinen eigenen Gesichtsausdruck nicht sehen. Warum konnte er sich nicht beherrschen? Riwenas Blick ruhte auf ihn, noch immer wirkte ihr Blick schleierhaft. »Macht es mir bitte nicht nach. Verschwindet nicht.«

 

Dreorwyn sah Riwena traurig an. Er schluckte, ehe er ohne ein Wort an ihre Seite zum Bett rutschte und seine Arme um sie legte. Er drückte sie an sich, was sie zu seiner Erleichterung und teilweise Erstaunen auch zuließ. Doch was hatte er erwartet? Riwena hatte sich ihm gerade so sehr anvertraut, hatte ihm ihre Gefühle so eindeutig angedeutet, dass er vielleicht gewusst hatte, dass sie sich ihm nicht entziehen würde. Und er hatte so lange gebraucht um es zu erkennen. Um sich seiner eigenen Gefühle wieder bewusst zu werden, oder um sie zuzulassen, ohne ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber zu haben. Dreorwyn legte seine Hand auf ihren Hinterkopf, während Riwena ihren Kopf auf seiner Schulter ablegte. »Ich bin ein Magier, kein Trickkünstler, der einfach verschwindet.« Tatsächlich versuchte er noch zu grinsen, aber es gelang ihm nicht. Er wirkte eher verzweifelt, gefangen in einem chaotischen Schlachtfeld aus Gefühlen, die er jahrelang versucht hatte zu versiegeln. Wegzusperren, als würden sie nicht existieren. Doch er war machtlos dagegen. Riwena vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge und seufzte leise. Es löste in Dreorwyn einen Schauer aus, als sie tief einatmete und ihre Arme ebenso um ihn schloss.

 

Dreorwyn strich ihr mit der Hand über die kurzen Haare und atmete tief ein. Der Kloß löste sich langsam, als er sich vielerlei Dinge bewusst wurde. Er war ein solcher Narr gewesen. Doch nie hätte er gedacht, ihr je wieder so nahe zu sein. Ihr so nahe sein zu dürfen. Eine ungemeine Ruhe breitete sich in ihm aus, als würde ein jahrhunderter alter Brocken Käse, der ihm im Hals gesteckt hatte, endlich zum Magen gelangen. Der Magier schluckte und zog die Decke etwas fester um Riwena, während er sie weiterhin in seinen Armen umarmt hielt.

 

»Warum...«, murmelte sie sehr leise und gedämpft. Dreorwyn konnte nur wieder seufzen und senkte seinen Kopf leicht. Er konnte ihre Wange auf seiner Spüren, während er ihren Rücken hinabsah. Auf einmal wirkte für ihn alles so klar, so logisch. Sein gesamter Aufenthalt bei den Schwarzmähnen und auch in Dalaran, nachdem sie ihn verlassen hatte. Seine täglichen Gedanken an ihr bis zuletzt. »Es gab einen Punkt, an dem ich glaubte, ich hätte vergessen... aufgehört Euch zu lieben. Aber als ich Euch wieder sah und als Ihr mir großzügig Eure Welt im Steinkrallengebirge enthüllt habt, wusste ich, dass ich es nie getan habe.« Aber ich war ein Feigling und wollte es mir selbst nicht eingestehen., dachte Dreorwyn den Satz zu Ende. Warum nicht? Aus Angst, abgestoßen zu werden? Dass die zerbrechliche Freundschaft, die sich wieder gebildet hatte, zersplittern könnte?

 

Er spürte wie sie tief einatmete und seufzend die Luft wieder entweichen ließ. Vermutlich ging es ihr ähnlich, wenn es bei ihr nicht sogar noch tiefer griff? Es war nicht seine Absicht sie zu verwirren, indem er sich vor sie stellte und gestand, dass er noch Gefühle für sie hegte. Sie hatte Grantar an ihrer Seite und eine Gemeinschaft zu führen. Außerdem gab es da diese eine Regel...

 

Zu Dreorwyns Überraschen drehte sie ihren Kopf und küsste ihn auf die Wange. »Es tut mir leid, dass ich Euch daran erinnere... Diese Gefühle in Euch hervorrufe. Und doch bereue ich es wieder nicht.« Die Worte klangen dünn, aber sicher. Er drehte seinen Kopf zu Riwena und legte seine Stirn auf ihre. Abermals strich er ihr über die Haare und hauchte leise: »Es gibt nichts, weder jetzt noch irgendwann, was Ihr bereuen müsstet.« Langsam neigte er sein Kinn vor, vorsichtig tastete er sich zu ihren Lippen heran, ehe er sie fand. Kurz bevor er sie wirklich berührte hielt er inne, doch dann schob er seine Lippen über ihre und küsste sie sanft und innig. Riwena rührte sich nicht, sie schloss ihre Augen und erwiderte seinen Kuss. Dreorwyn spürte die Erleichterung, wie sie all die beklemmten Gefühle wegspülte und sich in seinem Körper niederließ. Kurz waren seine Gedanken in der Vergangenheit, der Zeit, wie sie sich kennen gelernt hatten. Dann wie sie sich näher gekommen waren, der erste Kuss und schließlich der Bruch. Doch dies waren nur sehr kurze Gedanken, Gedanken die bereits lange in der Vergangenheit lagen. Neue, frische Erinnerungen füllten seine Gedanken. Das Wiedersehen in Lor'danel, die Reise durch den Hyjal, die zahlreichen Besuche in Sturmwind und im Steinkrallengebirge.

 

Sanft beendete Dreorwyn den Kuss und drückte Riwena gegen seine Brust. Er atmete tief ein. Er war ein solcher Narr gewesen, nicht schon früher erkannt zu haben, wie er wirklich fühlte. Dass er sich nicht selbst treu gewesen war in dieser Hinsicht. Oder waren es die vielen Konsequenzen die drohten? Grantar? Was war mit ihm?

Abermals atmete er einmal tief ein, dann drückte er Riwena sanft zur Seite, sodass sie sich hinlegen musste. Willig tat sie dies auch. Ein leichtes, wenn auch etwas verwirrtes, Lächeln lag auf ihren Lippen, während sie ihn mit seinen grasgrünen Augen müde anblinzelte. Dreorwyn konnte nicht anders als zurück zu lächeln. »Ihr solltet jetzt schlafen, Riwena. Sonst wird die Wunde noch länger offen bleiben.«, sprach er leise und breitete die Decke besser über Riwena aus.

 

Der Magier wollte gerade aufzustehen um sich einen Stuhl zu dem Bett zu ziehen, doch Riwena griff nach seinem Arm. »Ihr werdet nicht gehen, oder? Ihr habt es versprochen.« Fast flehend sah sie ihn an und Dreorwyn sah zu ihr zurück. Er beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Ich werde Euch angrinsen, sobald Ihr beginnt zu blinzeln.«, sprach er lächelnd und beugte sich wieder zurück. Er setzte sich neben ihr zurück, sodass er sich gegen die Bettstütze anlehnen konnte. Riwena lächelte ihn müde an, dann schloss sie ihre Augen.

 

Dreorwyn beobachtete sie, während ihre Atmung regelmäßiger und konstant wurde und sie in den Schlaf gesunken war. Irgendwie wollte er immer noch nicht wahr haben, das dies gerade wirklich geschehen war. Es musste ein Traum sein, oder konnte man es als ein Wunder bezeichnen? Ein Wunder welches nicht existierte? Der Magier hatte sich vorgenommen nicht einzuschlafen, doch er wusste nicht, wie ihm geschah, als der Schlaf auch ihn zu sich zog.

 
 

*****
 

 

Der Mann schlug ganz langsam seine Augen wieder auf und spähte zu den Kerzen, die über ihm schwebten. Ihr Licht erfasste die drei Regalreihen über ihm und man konnte deren Inhalt sehr gut erkennen. Das erste Regal, welches zum Bersten überfüllt war, war an die weltlichen Reichtümer gebunden. Das zweite beinhaltete verborgenes Wissen und einen hohen mentalen Wert, mit seinen Briefen und Gedichten. Doch das letzte Regal, enthüllte letztendlich die Geheimnisse von Sarandar Glaciersmirror, seinem früheren selbst. Ein Geheimnis, welches diese Kammer in Dalaran ewig hüten würde. Wissen, welches diesen kreisrunden Raum niemals verlassen würde.

 

Dreorwyn schloss das Buch und strich gedankenverloren über den Einband. Eigentlich war es schade, dass er die letzten Einträge nicht geschrieben hatte, doch sein Leben hatte insoweit eine Wendung bekommen, dass er sich nicht ständig hinter einem Buch verkriechen konnte. Vieles hatte seine Aufmerksamkeit benötigt. Seine Studien in Dalaran, seine Handwerkskunst als Goldschmied, die Gemeinschaft der Animae Lupi und dazwischen sehr oft Riwena. Doch dafür, dass die beiden wieder einen gemeinsamen Weg fanden, wo sie doch vor langer Zeit ihre eigenen gingen, hatte er ihr verhältnismäßig weniger Aufmerksamkeit geschenkt, als er ihr nun weiterhin zumuten wollte. Er konnte es ihr nicht mehr zumuten und nach der Säuberung Dalarans, der Zerreißung der einst so wunderschönen und friedfertigen Stadt, fiel ihm diese letzte Entscheidung nicht schwer.

 

Der Magier erhob sich, schob das Buch zurück in das Regal zu den beiden Anderen und hob die gläserne Glocke auf, um die Runenbeschriebene Münze darunter zu verstauen. Noch ein letztes Mal, drehte er sich langsam im Kreis. Seine braunen Augen musterten jeden Winkel, ehe er langsam zu sich selbst nickte. Selbst wenn diese Kammer erst nach Jahren das nächste Mal geöffnet werden würde, Riwena würde wissen, was sie mit dem Wissen anfangen konnte und vielleicht auch musste.

 

Dreorwyn beugte sich zu seiner Tasche hinab, die er unter seinem Mantel schulterte. Dann hob er seinen Arm und wische damit in der Luft. Als wäre ein starker Windzug durch den kreisrunden und fensterlosen Raum geweht, erloschen die Kerzen und hüllten den Magier in tiefe Dunkelheit. Doch aus der Dunkelheit erhob sich ein schimmernder Faden, der in der Luft gezeichnet wurde. Langsam formte sich ein Kreis, während sich die Linien verbanden. Violette Manapartikel wirbelten um den schillernden Kreis, breiteten sich aus und verschmolzen zu einem Portal, während in der Mitte wabernde Strukturen erkennbar wurden. Auf den ersten Blick erkannte man nur hohe Tannen, doch dann wurde es klarer und man sah eine Lichtung in der ein großes Gebäude stand. Der leuchtende Schimmer erhellte die Gesichtszüge des Mannes, die verträumt und etwas sehnsüchtig die Oberfläche betrachteten. Er sog die Luft tief ein und dann schritt er durch das Portal in das Steinkrallengebirge, um an der Seite seiner Gefährtin sein zu können.



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