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Loving Heartbreaker

Liebe ist nicht immer leicht
von

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Letters

Es schüttete in Strömen. Seit mehr als einer Woche goss es literweise aus den Wolken, die sich über Tokio festgesetzt hatten. Die Menschen hetzten mit ihren Schirmen über die Straßen und versuchten dabei wieder schnell ins Trockene zu kommen. Das Wasser kam mittlerweile nicht mehr nur von oben. Die Gullis und Abflüsse der Stadt waren seit einigen Tagen verstopft und nahmen kaum mehr Wasser auf. Die Stadtreinigung versuchte ihr bestes, doch es brachte kaum eine Entlastung für das Abwassersystem der Metropole. Es war schlichtweg an seinen Grenzen des Möglichen angelangt. Daher stand das Regenwasser nicht mehr nur vereinzelt in Pfützen, sondern auch in Absenkungen der Straßen. Mancher Einwohner war schon gezwungen gewesen, sein Auto umzuparken. Einige Tiefgaragen waren geschlossen worden, weil das Wasser unablässig hinein floss. Es war einfach nicht mehr lustig. Von überall her drang die Feuchtigkeit durch. Selbst wenn man in einem trockenen Gebäude war, fühlte man sich durchnässt. Die Kleidung schien die hohe Luftfeuchte noch zusätzlich wie ein Schwamm aufzusagen. Es brachte also nichts, wenn man darauf bedacht war, den Pfützen auszuweichen oder den rücksichtslosen Autofahrern, die mit Bravur durch solche fuhren und damit unschuldige Passanten von oben bis unten nass machten.

Eine Blondine fluchte genau wegen so einem Fahrer. Trotz Regenmantel und Gummistiefeln plus Schirm hatte es sie eiskalt erwischt. Und natürlich suchte sich das aufgespritzte Wasser genau einen Weg zu dem kleinen Streifen zwischen Mantel und Stiefeln. Traf auf ihre Bluejeans und die sog sich augenblicklich voll damit. Wütend rief das Mädchen dem Auto Flüche hinterher, auch wenn sie wusste, dass es nichts brachte. Komplett genervt rannte sie wenige Sekunden später weiter den Fußweg entlang, bis sie endlich ihr Ziel erreicht hatte. Erleichtert seufzte sie auf und trat ein. Sie stellte ihren roten Schirm in den dafür vorgesehenen Ständer und zog sich den Mantel aus, um ihn an die Garderobe zu hängen. Ihr Blick glitt durch das Crown. Es war ihr Stammcafé, seid sie auf der Mittelschule war und es mit ihrer Klassenkameradin Ami entdeckt hatte. Später hatten sie Makoto kennen gelernt und mit hier angeschleppt. Dann kam Rei dazu und auch Minako. Mittlerweile waren sie eine eingeschworene Gemeinschaft und gern gesehene Gäste bei Motoki. Usagi schwärmte ein bisschen für den blonden, jungen Mann. Seinem Vater gehörte der Laden und er jobbte hier zwischen seinen Vorlesungen und am Wochenende. Doch sie wusste, dass er nie mehr als eine kleine Schwester in ihr sehen würde. Das verriet schon seid Blick, mit dem er sie immer bedachte. Sie war ihm nicht böse deswegen. So wusste sie wenigstens, woran sie war und jetzt war er auch noch ihr bester Freund. Sie ging zu ihm hinüber und setzte sich an den Tresen. Ohne ein weiteres Wort bekam sie ihr Lieblingsgetränk: Einen großen Schokoladenmilchshake mit extra viel Schokolade und einer doppelten Portion Schlagsahne inklusive Streuseln.

Motoki entging es nicht, dass Usagi nicht gerade die beste Laune hatte. Der junge Mann wusste, dass sie Regen hasste. Sie jammerte schon seid Tagen darüber, dass die Sonne wieder scheinen sollte. Er überlegte, wie er sie aufheitern konnte. Aber innerlich wusste er, dass nur eine bestimmte Person dazu in der Lage war, ihren Tag zu retten. Und dieser Jemand fehlte.

“Ziemlich leer bei dir.”, die Blondine sah sich um. In der hinteren Ecke bei den Spielautomaten konnte sie einige Jungs in ihrem Alter entdecken, die sich um ein neues Rennspiel versammelt hatten. Einige Grundschulmädchen standen um einen gläsernen Kasten und versuchten verzweifelt ein Plüschtier mit dem Greifarm zu ergattern. Ein paar ältere Damen schwatzen munter während ihres Kaffeekränzchens. Aber ansonsten war es leer. Sie seufzte leise. Ihre Freundinnen hatten ihr nacheinander heute Morgen abgesagt. Dabei war Samstag und doch hatte jede von ihnen eine Ausrede parat.

Ami wollte unbedingt mit ihrer Mutter zum Tag der offenen Tür an der Tôdai-Universität, um sich über ein Medizinstudium zu informieren. Dabei würde sie nächstes Jahr gerade mal auf die High School kommen. Bis zum Studium hatte sie noch locker drei Jahre Zeit.

Makoto hatte abgehoben und dabei einen Hustenanfall bekommen, der so stark war, dass sie schon nach wenigen Sekunden wieder aufgelegt hatte. Daraufhin hatten sie sich Nachrichten geschrieben. Es war schnell klar, dass die Brünette dieses Wochenende das Bett hüten würde.

Rei sagte mit der Begründung ab, dass sie überall Eimer aufstellen müsste, weil einige Stellen des Daches im Hikawa-Tempel undicht waren. Und wenn sie das beendet hatte, wollte sie kehren beziehungsweise wischen.

Minako hingegen faselte irgendetwas von einer alten Bekannten aus England, die sie noch aus der Zeit kannte, als sie dort mit ihren Eltern gelebt hatte. Zwar hatte sie Usagi zu sich eingeladen, um diese Freundin kennen zu lernen. Aber die Blondine hatte dankend abgelehnt. Minako sprach fließend Englisch. Ihre Freundin kein Japanisch und Usagi würde null verstehen.

Nun saß sie alleine hier im Crown und konnte nur hoffen, dass irgendwer noch ihren Tag retten konnte. Doch als sie ihren Blick so schweifen ließ, musste sie feststellen, dass es wohl nicht so sein würde.

“Motoki?”

”Ja.”, er drehte sich zu seiner besten Freundin und sah sie fragend an.

“Kommt Mamoru heute?”

”Keine Ahnung. Er hat nichts deswegen gesagt. Warum fragst du?”

”Nur so.”

”Dir ist langweilig, richtig.”

Das Mädchen zuckte nur mit den Schultern. Sie wusste, dass Motoki ohnehin wusste, was in ihr vorging. Sie konnte es schon seid einiger Zeit nicht mehr verheimlichen. Und mit jedem Tag wurde es schlimmer. Mit jedem Tag sehnte sie sich mehr und mehr nach ihm. Nach seiner Stimme und seinen Sticheleien. Es war furchtbar. Sie kam sich so hilflos vor. War total mit ihren Gefühlen für ihn überfordert. In letzter Zeit konnte sie nicht mal mehr richtig schlafen. Und das schlimmste war, dass es für alle total offensichtlich war. Sogar schon von Anfang an, als sie sich immer nur mit ihm in den Haaren hatte. Als sie selbst noch nichts von ihren Gefühlen für ihn wusste. Manchmal hasste sie sich selbst für ihre Lahmarschigkeit beim Begreifen von Offensichtlichem. Aber das war nun mal sie. Und so wie sie war, war Usagi für Mamoru nicht mehr, als ein naives Schulmädchen. Dabei wollte sie was ganz anderes sein. Zumindest für ihn. Er sollte in ihr mehr als das sehen.

“Vielleicht solltest du es ihm sagen.”

”Was?”, verwirrt sah sie Motoki an, der sie aus ihren Gedanken geholt hatte.

“Vielleicht solltest du es ihm sagen.”, wiederholte dieser seine Worte.

“Glaubst du wirklich, dass ich es ihm sagen muss? Wenn du es mir an der Nasenspitze ansiehst und die Mädels ebenso, glaubst du dann nicht, dass es Mamoru nicht auch schon längst bemerkt hat?! So doof ist er ja nun auch nicht. Er hat wahrscheinlich nur den Anstand, mich nicht damit aufzuziehen.”

”Du gibst ihm ja auch keinen Anlass mehr dafür.”

”Wie meinst du das?”

“Naja, du ziehst dich zurück.”

”Ich bin doch da.”

“Ja, Usa, das bist. Aber ich meine, du bietest ihm keine Angriffsfläche mehr. Du begrüßt ihn, versuchst dich normal mit ihm zu unterhalten und gehst auf seine Neckereien gar nicht mehr ein. Wenn du mich fragst, ist er mindestens genauso gefrustet wie du.”

”Blödsinn.”

”Kein Blödsinn.”, nun war es an ihm zu seufzen, “Genauso wie du dich an ihm abreagiert hast, hat er das bei dir gemacht. Aber jetzt bist du nett und zurückhaltend und er weiß nicht wohin mit sich selbst.”

Usagi sah ihren besten Freund mit großen Augen an. Hieß das etwa, dass er nach ihren Sticheleien genauso süchtig war wie sie nach seinen?

“Du, Motoki?”

“Ich weiß es nicht.”

”Was? Du weißt doch gar nicht, was ich sagen will.”, ihre Stimme nahm einen trotzigen Tonfall an.

“Usa, ich kenn dich mittlerweile lange und gut genug. Und ich weiß, was du mich fragen willst.”

Sie sah ihn herausfordernd an und er fuhr sich mit der Hand einmal quer übers Gesicht:

”Ich hab keine Ahnung, was Mamoru für dich empfindet. Er redet mit mir nicht über solche Sachen. Allgemein ist er relativ schweigsam, was seine kleine Gefühlswelt angeht. Ich weiß nur, dass er sicherlich ahnt, was du für ihn empfindest. Aber da du ja was von ihm willst, musst du auch den ersten Schritt tun. Er ist nicht Gentleman genug dafür. Eigentlich ist er echt schüchtern, was sowas angeht. Aber das weißt du nicht von mir.”

”Hast du denn wenigstens einen guten Rat für mich?”

”Sag ihm doch einfach, was du für ihn empfindest. Oder schreib ihm einen Liebesbrief.”

”Das wäre dann Nummer zweihundertvierundsiebzig.”, murmelte Usagi deprimiert und mit gesenktem Kopf.

”Was?”

“Es wäre der zweihundervierundsiebzigste.”

“Hast du die ihm alle geschickt?”

”Nein. Sie liegen alle in einer alten Schuhkiste auf dem Regal über meinem Bett. Meine Katze Luna liegt da immer drauf. Es ist ihr Lieblingsplatz.”

Dem Blonden entging nicht, wie traurig die Stimme des Mädchens plötzlich klang. Sie litt wahrscheinlich mehr unter ihren Gefühlen für Mamoru, als er es jemals hätte erahnen können.

“Seit wann schreibst du die?”

”Keine Ahnung. Seid sechs oder sieben Wochen.”

”So viele in der kurzen Zeit?”, er war ehrlich verblüfft.

“Ja. Es kommt einfach so über mich. Ich schreib ihm, wie ich mich fühle. Wie es mir ging, wenn ich ihn gesehen habe. Von meinem Herzklopfen dabei und das Kribbeln auf der Haut, das sich wie ein Stromschlag anfühlt, wenn wir uns zufällig berühren. Gott, ich bin besessen von diesem Baka!”

“Quatsch! Lediglich ziemlich in ihn verknallt.”

Usagi seufzte schwer:

”Ich nehme mir jeden einzelnen Tag vor, ihm einen Brief zu schicken. Ich hab immer einen dabei. Da.”

Motoki nahm den Brief, den sie ihm entgegen hielt. Das Briefpapier war zartrosa und es waren silberne Rosenornamente zu erkennen. Dazwischen die sauber Handschrift Usagis. Still las er ihn. Nie hätte er gedacht, dass seine beste Freundin so ein feines Gespür für die richtigen Worte hatte. Als hätte sie nie in ihrem Leben etwas anderes gemacht, als Liebesbriefe zu schreiben. Er konnte die ganze Liebe heraus lesen. Und ihm wurde klar, wie ernst Usagi ihre Liebe nahm. Er senkte den Brief und sah zu der Blondine, die sich jedoch abgewandt hatte und wie erstarrt zum Eingang sah. Der junge Mann folgte ebenfalls ihrem Blick.
 

Regentropfen liefen an seinem Gesicht hinab. Er fuhr sich durch sein rabenschwarzes Haar und schob sich so die nassen Strähnen, die wirr in sein Gesicht hingen, zur Seite. Seine Jacke hing er an die Garderobe und nahm die seiner Begleitung ab. Lächelte sie höflich an. Sie erwiderte es. Während sie ihren Regenschirm in den Ständer stellte, ließ er seinen Blick schweifen. Mamorus Blick traf den von Usagi, die sich sofort von ihm abwandte und Motoki etwas sagte, was der Schwarzhaarige jedoch nicht verstand. Er sah nur, wie sein bester Freund nickte und die Blondine selbst vom Hocker rutschte und mit ihrem Glas in Richtung ihres Stammtisches verschwand. Sie war alleine.

“Kommst du?”

Er nickte dem Mädchen neben sich zu und setzte sich mit ihr zusammen an den Tresen.

“Hey Kumpel.”, Motoki nickte ihm zu und sah dann zu der Brünetten neben ihm, “Wen hast du denn heute dabei?”

”Das ist Miyazuki Saori. Wir besuchen den selben Vorbereitungskurs für die Uni.”

“Hallo!”, die junge Frau reichte dem Blonden vor sich die Hand.

“Hallo.”

“Machst du mir einen Kaffee?”

“Ja. Was darf es für dich sein?”

“Ich hätte bitte auch einen Kaffee. Danke.”

Motoki wandte sich ab. Es war seltsam, dass sein bester Freund in Begleitung eines Mädchens zusehen. Normalerweise bestand Mamorus weibliche Gesellschaft aus Usagi, ihren Freundinnen und Unazuki, die kleine Schwester des Blonden. Er nestelte an der Kaffeemaschine rum. Sie war so auf Hochglanz poliert, dass er mühelos Usagi darin erkennen konnte, die traurig in der Ecke an ihrem Stammtisch saß. Er ahnte, wie sie sich gerade fühlen musste. Immerhin hatte er ihr noch vor wenigen Minuten gesagt, dass Mamoru schüchtern sei. Und nun saß der hier mit einem Mädchen. Dumpf drang Gelächter an sein Ohr. Es kam von dem Schwarzhaarigen und Saori. Motoki kam nicht umhin festzustellen, dass ihm dabei leicht übel wurde und Wut in ihm aufstieg. Seine beste Freundin hatte sicher Recht damit gehabt, dass Mamoru wusste, wie es um ihre Gefühlswelt stand. Aber musste er dann auch noch so rumturteln, dass selbst die Milch sauer wurde, obwohl sie in der Kühlung stand? Ärgerlich fuhr Motoki mit den Tassen in den Händen herum und knallte sie auf den Tresen. Seine Augen trafen auf die von Mamoru, der ihn verständnislos ansah. Doch der Blonde schwieg und wandte sich ab. Er hörte, wie Saori fragte, was mit ihm sei und sein bester Freund nur meinte, dass er es auch nicht wusste.

In schnellen Schritten erreichte er den Tisch der Blondine, die aus dem Fenster sah und setzte sich direkt neben sie.

“Alles gut?”

Sie nickte. Ein wenig zu heftig für seinen Geschmack. Er beugte sich ein Stück vor und erschrak. Noch nie hatte er Usagi weinen sehen. Doch jetzt, wo sie so aufgelöst neben ihm saß, war er fast schon überfordert. Hilflos nahm er sie ihn die Arme. Sie war wie eine kleine Schwester für ihn. Er wollte, dass es ihr gut ging.

“Bruderherz, was ist los?”

Überrascht sah er auf und erkannte seine kleine Schwester Unazuki, die gerade gekommen war. Sie wollte hier eigentlich in Ruhe für ihre Klausur in Geschichte nächste Woche lernen. Aber da sie genauso gut mit Usagi befreundet war wie er, war es nur logisch, dass sie selbst ein wenig überrascht war, die Blondine in dieser Verfassung zu sehen. Hektisch stürzte sie zum Tisch und schob ihren Bruder beiseite. Nahm ihre Freundin nun selbst in den Arm.

“Usa, was ist denn los?”, Unazuki sah ihre Freundin besorgt an. Doch die antwortete nicht. Sie wischte sich nur die Tränen weg und starrte auf ihre Finger, die ein Taschentuch kneteten und schüttelte den Kopf. Kurz blickte sie unter ihrem Pony hervor und hinüber zu Mamoru. Doch der bekam nicht einmal mit, wie es ihr ging. Er war viel zu sehr in ein Gespräch mit diesem Mädchen vertieft. Wie alt mochte sie sein? Bestimmt so alt wie er selbst. Vielleicht ein Jahr jünger.

“Sie besuchen den selben Vorbereitungskurs.”

Usagi sah zu Motoki, der ihr nun gegenüber saß. Sie hob die Schultern:

”Er kann machen, was er will.”

”Er soll dir aber nicht wehtun.”

“Unazuki!”

”Was denn?!”, das Mädchen sah ihren großen Bruder wütend an, “Stimmt doch. Jeder von uns weiß, dass sich Usagi in ihn verliebt hat. Das ganze Crown weiß es. Selbst die Omas da drüben. Und Mamoru weiß es genauso. Warum also schleppt er so eine Tussi an.”

Ihr Bruder folgte ihrem Kopfnicken. Sah, wie Saori übertrieben lachte und ihre Hand auf Mamorus Unterarm legte. Er zog ihn nicht weg und schien sogar noch geschmeichelt zu sein. Motokis Magen rebelliert immer mehr. Er musste sich abwenden.

“Oh Gott, bitte nicht!”, Usagis Stimme war nur ein Flüstern, doch es reichte, um alle Aufmerksamkeit am Tisch auf sich zu ziehen. Das Mädchen neben ihr erkannte das drohende Unheil und machte ihren Bruder drauf aufmerksam. Doch es war zu spät.

“Hallo Unazuki. Hallo Odango!”, Mamoru war an den Tisch gekommen. Neben ihm stand Saori.

“Hallo Mamoru. Und du bist?”

“Miyazuki Saori. Hallo!”

Unazuki hob nur eine Augenbraue und wandte sich ab. Sie hatte nicht sonderlich Lust mit ihr zu reden.

“Sagt mal, was ist das für eine Stimmung hier?”, Mamoru sah zu seinem besten Freund, der nur betreten zu Usagi sah und schwieg. Die Augen des Schwarzhaarigen folgten diesem Blick:

”Was ist los, Odango? Mal wieder einen schlechte Note bekommen?! Du musst eben mehr lernen. Ich sag es dir ja immer wieder. Aber bei so einer weichen Birne, wie du sie hast, ist es ja kein Wunder, dass da nichts hängen bleibt.”

Die junge Frau neben ihm kicherte übertrieben. Unazuki sah sie böse an:

”Was lachst du denn da?”

”Es ist so lustig, was er sagt.”

”Ach, du findest es also lustig, wenn sich jemand über andere lustig macht, denen es scheiße geht? Wow. Das ist ja echt nett von dir.”

”Hey, lass sie in Ruhe, Unazuki.”

“Ich kann es aber nicht leiden, wenn man sich über meine Freunde lustig macht. Es ist schon schwer genug, wenn du sowas zu ihr sagst. Dann muss sie nicht noch dusselig drüber kichern.”

Mamoru sah die Wut in den Augen von Motokis kleiner Schwester. Fragend sah er zu ihm, doch er stand nur auf:

”Sie hat Recht. Du siehst, dass es ihr nicht gut geht und machst sie wieder fertig. Und deine Begleiterin lacht auch noch. Manchmal bist du ein echtes Arschloch.”

Der Schwarzhaarige wollte gerade wütend antworten, als sich Usagi erhob. Drängte sich nur an Unazuki vorbei.

“Wieviel bekommst du, Motoki?”, ihre Stimme klang nicht ganz so stark, wie sie sein wollte. Fieberhaft versuchte sie ihre Tränen zu unterdrücken. Es gelang ihr nicht. Zitternd suchte sie ein paar Yen-Scheine zusammen. Biss sich auf die Unterlippe, damit sie nicht zu laut schluchzte. Sie drückte Motoki das Geld in die Hand. Versuchte dabei etwas zu lächeln. Er nahm es entgegen und sah sie aufmunternd an. Leicht nickte sie. Sie wusste, dass er immer für sie da sein würde. Ihre Augen wanderten zu Unazuki, die den selben Blick wie ihr Bruder drauf hatte. Dann sah sie zu Mamoru, der sie lediglich verständnislos ansah. Sie wandte den Blick ab und ging in Richtung Garderobe.

“Warum heult sie ständig? Passt sie sich ans Wetter an oder was?”

Mamoru konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Usagi wieder zurück war und ihm eine Ohrfeige verpasst hatte. Sie hatte ihn nur allzu gut gehört. Und es reichte ihr.

“Hey, lass deine Finger von Mamoru!”

Die Blondine drehte sich zu der jungen Frau namens Saori. Die Tränen waren auf einen Schlag versiegt. Ihre Augen funkelten wütend:

”Wenn er mich beleidigt, dann hab ich das Recht dazu, ihn in seine Schranken zu verweisen. Sei froh, dass ich dir für dein dummes Rumgegacker nicht auch noch eine klebe.”

“Sag mal spinnst du, Odango?”, Mamoru klang sauer.

“Gegenfrage: Hast du noch alle Tassen im Schrank? Mir geht es scheiße und du hast nichts besseres zu tun, als dich über mich lustig zu machen. Du bist das größte Arschloch auf Gottes Erdboden. Vielleicht solltest du vorher mal nachfragen, was los ist. Aber nein, du musst mich gleich wieder dumm von der Seite anmachen.”

”Was kann ich denn dafür, wenn du einfach nur doof bist?”

”Wenigstens hab ich soviel Verstand, dass ich nicht gleich jeden beleidige.”

”Ach, dafür reicht es noch, oder was?”

”Ja. Besser als nichts und mehr als bei dir.”, Usagi war richtig in Fahrt gekommen, “Aber du scheinst dich ja in bester Gesellschaft zu befinden, wenn ich mir die da anschaue.”

“Lass sie da außen vor.”

“Warum sollte ich?! Sie hat doch auch über mich gelacht. Genau wie du. Oh, ihr passt wirklich gut zueinander. Dumm und dümmer. Hast du dir wirklich gut ausgesucht.”

“Sag mal, was hat dich gestochen, dass du mich jetzt so angehst.”, Mamoru trat einen Schritt auf sie zu. Er sah ihre vom Weinen geröteten Augen, die gleichzeitig nur so vor Wut sprühten. Und es kam ihm so vor, als hätte er eine wichtige Information verpasst.

“Du! Du gehst mir sowas von auf den Keks! Dabei mag ich Kekse. Aber jetzt verabscheue ich sie. Egal wo ich bin, bist du. Egal was ich mache, du machst dich darüber lustig. Ich hab es wirklich versucht, mich mit dir normal zu unterhalten. Doch das war dir ja egal. Du hast dich trotzdem über mich lustig gemacht und mich beleidigt und aufgezogen. Aber weißt du was?”, sie tippte ihm energisch mit dem Zeigefinher auf die Brust, “Ich hab keine Lust mehr drauf. Wenn du ein Ventil zum Dampfablassen brauchst, dann such dir wen neues.”

Usagi wandte sich ab.

“Was hab ich dir getan?”, Mamoru war noch nicht fertig mit dieser Diskussion. Er schob Saori zur Seite, die ihn aufhalten wollte. Mit hastigen Schritten folgte er der Blondine zur Garderobe, wo sie sich ihren Regenmantel anzog. Sie versuchte ihn so gut es ging zu ignorieren. Schnappte sich ihren Schirm und ging hinaus. Der Regen prasselte immernoch geradewegs auf den Schirm. Sie war sauer auf sich selbst. Und noch mehr auf Mamoru. War er wirklich so dumm? Oder einfach nur fies? Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem. Sie hastete über die Straße.
 

Verständnislos sah Mamoru ihr durch die sich wieder geschlossene Tür hinterher. Schnell erkannte er sie nur noch schemenhaft. Langsam drehte er sich um und sah zu seinem besten Freund, der auf ihn zu kam. Saori und Unazuki folgten ihm.

“Komm mit.”, Motokis Stimme duldete keinen Widerspruch und der Schwarzhaarige folgte ihm widerwillig. Er ging durch die Tür hinterm Tresen ins Hinterzimmer. Bekam nur halb mit, wie der Blonde zu der Brünetten sagte, sie solle draußen bleiben. Innerlich war Mamoru froh darüber. Er wollte nicht, dass Saori noch mehr hinein gezogen wurde. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, wie Motoki die Tür schloss und sich dagegen lehnte. Er selbst ließ sich auf das alte Sofa fallen.

“Musste das sein?”

“Tut mir leid.”, Mamoru war klar, dass es nur den Weg mit dem Schuldeingeständnis gab. Sein bester Freund würde Usagi immer vor ihm in Schutz nehmen. Und eigentlich wusste er es selbst gut genug, dass er den Streit provoziert hatte.

“Ihr geht es nicht gut.”

”Aber bin ich immer an allem schuld, was sie betrifft?”

“In diesem Falle schon.”, Motoki kam von der Türe weg und setzte sich umgedreht auf einen Stuhl, der gegenüber dem Sofa stand und den nur ein kleiner Tisch davon trennte. Er sah seinen besten Freund durchdringend an:

”Hast du es nicht bemerkt?”

“Was denn?”

“Sie hat dich wirklich überschätzt.”, genervt fuhr sich der Blonde durch die Haare.

“Was meinst du denn?”

Doch Motoki antwortete nicht. Ihm fiel was besseres ein: Usagis Brief! Er hatte ihn vorhin schnell in die Bauchtasche seiner Schürze gesteckt, als Mamoru im Café aufgetaucht war. Dummerweise hatte er ihn seiner Besitzerin nicht mehr wiedergegeben. Es ging einfach alles viel zu schnell. Aber nun war er doch noch nützlich. Auch wenn er sich dadurch Usagis Zorn zuziehen würde. Er zog ihn aus der Tasche und schob ihn über den Tisch zu Mamoru.

“Das solltest du vielleicht mal lesen. Ist von Usa.”, er wusste ja ohnehin, was drin stand. Der Inhalt verriet nicht allzu viel. Er würde Mamoru nicht überfordern, aber ihm wahrscheinlich einen Wink mit dem Zaunpfahl geben, warum Usagi sich in letzter Zeit so benahm. Warum sie so überreagierte in Anwesenheit von Saori.

“Lass dir Zeit. Ich warte draußen auf dich.”, der junge Mann erhob sich, “Soll ich Saori heim schicken?”

”Warum?”, verwirrt sah Mamoru vom Brief zu ihm auf.

“Kann sein, dass du für sie hinterher keinen Kopf mehr hast.”

Der Schwarzhaarige verstand kein Wort von dem, was sein bester Freund sagte. Er sah ihm hinterher, als er aus der Tür ging. Hörte ihn mit Saori sprechen, dass sie jetzt nicht zu ihm konnte. Weswegen auch immer. Sein Blick fiel auf den Zettel in seinen Händen. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie dieser Brief ihm helfen sollte, Usagi besser zu verstehen.

“Rosa.”, er faltete das Blatt auseinander. Er konnte kaum glauben, dass sein Odango diesen Brief geschrieben hatte. Irgendwie dachte er immer, dass sie eine miserable Handschrift hätte. Aber stattdessen waren ihre Kanji sauber geschrieben. Nichts war verlaufen und jedes war deutlich lesbar. Er war ehrlich überrascht.

Noch mehr war er es, als er sah, dass ihm die Anrede ganz oben galt. Seine Augen glitt über die Zeilen. Und mit jedem Wort wurde er aufgewühlter. Es ging ganz klar um ihn und darum, wie sie sich fühlte, wenn er in ihrer Nähe war. Mamoru musste schwer schlucken. Sein Herz schlug einige Takte schneller. Und doch musste er das Lesen unterbrechen, als er von draußen Gepolter hörte und Geschrei. Es gab nur einen Menschen, den er kannte, der solch ein Organ vorweisen konnte. Leise zählte er von Zehn an rückwärts. Kaum erreichte er die Null, flog die Tür auch schon auf.

Usagi stand wild schnaubend im Türrahmen und sah abwechselnd von ihm zu dem Brief in seiner Hand und wieder zurück.

“Du!”

Hinter ihr tauchte Motoki auf. Das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Doch auch er konnte nicht verhindern, dass die Blondine losstürzte. Direkt auf Mamoru zu. Wütend starrte sie ihn an.

“Was hast du davon gelesen?”

Der junge Mann war unfähig sich zu rühren. Geschweigedenn was zu sagen. Dafür kamen zwei weitere Schaulustige dazu. Saori und Unazuki. Erstere drängte sich an den Geschwistern vorbei und stellte sich vor Mamoru.

“Hör auf, Mamoru so anzuschreien.”, giftete sie gegen Usagi.

Doch die ließ sich davon nicht beeindrucken. Stattdessen lugte sie an der jungen Frau vorbei:

”Was denn, Baka. Ist sie jetzt dein Bodyguard oder was?”

“Lass ihn in Ruhe!”

”Halt die Klappe, du dumme Kuh!”, das blonde Mädchen war auf mehr als hundertachzig, “Was hast du davon gelesen?”

”Nur einen Teil.”, Mamoru hatte sich erhoben und trat an Saori vorbei zu Usagi. Hielt ihr den Brief hin, den sie ihm sofort aus der Hand riss.

“Welchen Teil?”

”Die ersten Zeilen.”

”Warum?”, Tränen sammelten sich wieder in ihrem Blick.

“Weil mein Name drauf steht.”

“Es ist meine Schuld.”, Motoki kam dazu, “Ich hab ihn Mamoru gegeben.”

”Wieso? Wolltest du, dass es mir noch dreckiger geht? Wenn er es so schon nicht checkt, wie soll dann ein Brief helfen? Und selbst wenn. Du kennst ihn genauso gut wie ich. Er wird sich lustig machen. So wie er es immer tut.”

“Dann sag es ihm einfach.”

“Einen Teufel werd ich tun!”

“Usagi Tsukino! Entweder du sagst es ihm jetzt oder lässt ihn den Brief zu Ende lesen.”

”Nein!”

”Doch!”, in Sekundenschnelle hatte Mamoru den Brief aus Usagis Hand entwendet und trat einige Schritte zurück. Eilig flogen seine Worte über die geschriebenen Zeilen. Wesentlich langsamer erreichten ihre Worte seinen Verstand. Sickerten dahin durch. Er hörte seinen eigenen Herzschlag in den Ohren. Das Blut rauschte hindurch. Irgendwie wurde ihm gerade schwindlig. Vorsichtig, auf die nächste Ohrfeige von Usagi lauernd, hob er seinen Blick. Sein Herz verkrampfte sich augenblicklich, als er sie sah: Weinend. Zitternd. Blass. Das ganze Gegenteil von dem, was er sonst von ihr gewohnt war.

“Zeig mal her.”, Saori griff nach dem rosafarbenen Zettel. Aber Mamoru entzog sich ihr.

“Das ist eine Sache zwischen mir und Usagi.”, murmelte er nur und ohne den Blick von ihr zu nehmen.

“Sag schon. Was steht drin. Ist sie etwa in dich verknallt?!”

Kaum hatten dieser Satz Saoris Mund verlassen, stürzte Usagi los. Binnen Sekunden war sie aus dem Hinterzimmer und hinaus aus dem Crown gerannt.

“Sag mal, hast du sie noch alle?”, Unazuki schnauzte Saori unverblümt an, “Wenn er sagt, es geht dich nichts an, dann hast du das zu akzeptieren.”

“Woher sollte ich denn ahnen, dass die Kleine in Mamoru verschossen ist? Jetzt halt mal den Ball flach. Wenn sie so ein Affentheater daraus macht, dann kann ich ja nichts dafür.”

“Ich glaube, es wäre besser, wenn du jetzt gehst.”

“Was?”, Saori sah überrascht zu dem blonden, jungen Mann. Dann zuckte sie mit der Schultern und wandte sich an Mamoru:

“Kommst du?”

Er reagierte nicht.

“Geh einfach.”, unsanft schob Unazuki die junge Frau aus dem Hinterzimmer und schloss dann gleich die Tür. Ließ ihren Bruder und dessen besten Freund alleine. Sie musste sich ohnehin um die Gäste kümmern. Die Omas wollten sicher schon wissen, was da los gewesen war. Nur allzu gerne hörten sie Tratschgeschichten über Mamoru und Usagi.

Der Blonde bedeutete Mamoru, dass er sich neben ihn aufs Sofa setzen sollte. Der kam der stummen Aufforderung nur allzu gerne nach. Noch immer war ihm schwindelig. Seine Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf. Er stützte seine Arme auf die Knie und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Schüttelte fassungslos den Kopf. Spürte, wie ihm sein bester Freund auf den Rücken klopfte. Es sollte wohl aufmunternd wirken. In Wahrheit tat es einfach nur weh.

“Seit wann?”

“Seit ein paar Wochen.”

”Seit wann weißt du es?”, Mamoru sah ihn forschend an.

“Wahrscheinlich genauso lange. Die Mädels ebenso. Usa konnte es nicht verstecken. Und weil ihr eure Hassliebe ja immer so schön gepflegt habt und sie sich plötzlich so nett verhalten hat, war es uns schnell klar. Als wir sie drauf ansprachen, gab sie es zu. Der einzige, der es nicht bemerkt hat, warst du. Warum auch immer.”

Mamoru kam sich bei Motokis Worten wie ein kompletter Idiot vor.

“Wir haben ihr geraten, es dir zu sagen. Aber sie war der Auffassung, dass du dich nur über sie lustig machen würdest. Das sie dir Briefe schreibt, hat sie mir erst vorhin gestanden.”

”Ich habe nie einen bekommen.”

“Kannst du auch nicht. Sie hat keinen der über zweihundert Briefen abgeschickt.”

“Zweihundert?”

”Und mehr.”, seufzte der Blonde, “Sie hatte eben Angst. Ich meine, was sagst du denn dazu?”

”Keine Ahnung. Mit sowas habe ich gar nicht gerechnet.”, etwas umständlich stand der Schwarzhaarige auf und streckte sich. Sein Blick fiel auf den Boden. Der Liebesbrief lag auf dem Boden. Er hob ihn auf, faltete ihn zusammen.

“Glaubst du, ich kann den behalten?”

”Dein Name steht drauf.”, grinste Motoki schief.

“Stimmt. Der wievielte ist das?”

”Nummer zweihunderdreiundsiebzig.”

”Ob ich die anderen mal zu lesen bekomme?”

”Keine Ahnung. Was hast du denn jetzt vor?”

”Mal sehen. Ich geh erstmal heim. Ich muss ein wenig nachdenken.”, Mamoru öffnete die Tür des Hinterzimmers und ging zur Garderobe. Sein bester Freund folgte ihm.

“Magst du Usa denn?”

Der Schwarzhaarige drehte sich zu Motoki und winkte nebenbei noch Unazuki zu. Zog sich seine Jacke an und steckte Usagis Brief in die Innentasche.

“Es ist nicht so, dass ich sie hasse. Aber ich weiß nicht, ob ich mehr in ihr sehe als mein kleines, verpeiltes Odango Atama. Wir haben nichts gemeinsam und haben bisher nur gestritten. Ich muss echt drüber nachdenken.”

Accept

Der Regen hatte endlich aufgehört. Jetzt hing nur noch eine dicke Wolkendecke über der Stadt. Doch auch die ließ keinen Sonnenstrahl hindurch.

Mamoru saß auf seinem Stammplatz im Crown und starrte trübsinnig in die Tasse mit heißem Kaffee vor sich. Er machte blau. Schon seit Montag. Heute war Donnerstag. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er die Schule schwänzte. Dank seiner sehr guten Noten konnte er es sich sogar leisten. Offiziell lag er mit einer Grippe im Bett. Inoffiziell jedoch saß er seit vier Tagen von morgens bis abends hier und hoffte darauf, dass Usagi vorbei kam. Aber nichts war bisher passiert. Sie schien einen großen Bogen um das Café zu machen. Er ahnte nur allzu gut warum. Von Rei hatte er erfahren, dass sie nach der Schule sofort nach Hause ging. Sie traf sich nicht einmal mehr mit ihren Freundinnen zum Lernen. Dafür hielten sie sich nun jeden Tag hier auf. Und hatten dem Schwarzhaarigen schon am Sonntag eine heftige Standpauke gehalten.

Minako warf ihm vor, dass er vollkommen unsensibel war.

Ami erklärte ihm sachlich, wie hoch der Wert von Usagis Gefühlen für ihn war.

Rei meinte, er soll ihr definitiv sagen, wie es um sein Herz stand.

Makoto warnte ihn davor, noch einmal Saoris Namen auch nur in den Mund zunehmen.

Mamoru musste jeder von ihnen versprechen, all das zu berücksichtigen. Er wollte ja selbst nur liebend gerne mit seinem Odango sprechen. Aber selbst als er versucht hatte, sie auf dem Handy zu erreichen, hatte sie gleich wieder aufgelegt, als sie seine Stimme gehört hatte. Sie brach scheinbar den ganzen Kontakt komplett ab. Laut seufzte er auf.

Motoki sah zu ihm. So wie es Usagi am Wochenende schlecht gegangen war, ging es nun Mamoru auch nicht viel besser. Kurz haderte er mit sich selbst. Aber es konnte sowieso kaum noch schlimmer kommen.

“Mamoru?”

”Hm?”

“Ich hab mit Usa telefoniert.”

”Wann?”, war er bis eben noch tief in seinen Gedanken versunken, so war Mamoru nun schlagartig und hunderprozentig konzentriert, “Warum redet sie mit dir, aber nicht mit mir? Es geht doch um mich in den Briefen. In mich ist sie doch verliebt und nicht in dich. Und nicht nur das sie nicht mit mir redet. Sie macht um mich einen Bogen. Man könnte meinen, sie hätte die Stadt verlassen.”

”Beruhig dich! Sie weiß nicht, wie sie sich dir gegenüber verhalten soll. Du weißt jetzt, was sie für dich empfindet. Aber sie weiß nicht, was du darüber denkst oder wie du fühlst.”

“Ja dann sollte sie vielleicht mal mit mir reden. Dann wüsste sie auch, was ich darüber denke.”

“Ich weiß. Aber das ist nun mal Usa. Sie hat Angst.”

”Vor was?”

“Die Frage sollte besser lauten ‘Vor wem’.”

“Hä?”

”Sie hat Angst vor dir. Vor dir und deiner Antwort auf ihren Brief. Sie hat mich gefragt, ob ich was weiß. Aber du redest ja mit mir nicht drüber. Und von daher kann ich ihre Angst sogar verstehen. Du igelst dich ein und sagst kein Wort.”

”Geht ja auch nur mich und sie was an.”

“Ich weiß.”, Motoki seufzte, “Aber ihr müsst eine Lösung finden. Ich hab keine Lust, nur noch mit ihr zu telefonieren oder das wir einen Stundenplan aufstellen müssen, wer von euch wann und wie lange hier sitzen darf. Ihr seid mir beide wichtig.”

Mamoru vergrub das Gesicht zwischen den Händen. Ihm war selbst klar, dass eine Lösung her musste. Und wenn es erstmal eine aus der Not heraus geborene war. Doch ihm fiel nichts ein. Sein Kopf war genauso leer wie in den letzten Tagen, wo er versucht hatte, eine Lösung zu finden. Es war schier zum Verzweifeln. Er wollte mit ihr reden. Doch sie ließ ihn nicht an sich ran. Nur allzu gerne wollte er ihr etwas sagen. Er war sich nur noch nicht sicher, was überhaupt.

Das er sie nicht hasste?

Das er ihre Wutausbrüche lustig und irgendwie niedlich fand?

Das er ihr Lachen mochte?

Das er sie gern hatte?

Er war nicht in sie verliebt. So viel war ihm selbst klar. Wenn er sie sah, freute er sich. Aber das war auch schon alles. Die sogenannten Schmetterlinge im Bauch hatte er jedoch nicht. Sowas hatte er noch nie. Er war sich nicht mal sicher, ob das nicht alles nur Einbildung war. Kurz überlegte er, ob er Motoki fragen sollte. Er wusste, dass der Blonde schon seit einiger Zeit in eine Kommilitonin aus deinem Wirtschaftskurs verliebt war. Ob er sowas wohl bei deren Anblick fühlte?

”Motoki?”

”Ja?”, der Angesprochene drehte sich zu ihm und sah ihn fragend an.

“Ach vergiss es.”, Mamoru wandte sich wieder ab. Er drehte sich auf dem Hocker und ließ seinen Blick durch das Café schweifen. Sah den Passanten dabei zu, wie sie vorbei hasteten. Am liebsten wäre er nach Hause gegangen. In seine dunkle Wohnung. In seine Komfortzone. Ohne eine Chance darauf, dass er Usagi treffen würde. Ohne zu erfahren, wie sehr sie ihn wirklich liebte oder ob es nur eine Schwärmerei war. Letzteres war er nur allzu gewohnt von den Mädchen aus seiner Schule. Er wusste nicht einmal, warum sie alle scharenweise an ihm hingen. Warum er permanent kleine Zettelchen bekam mit der Frage drauf, ob er mit der jeweiligen Absenderin fix zusammen sein wollte. Mamoru wollte nie. Doch keine seiner Mitschülerinnen ließ sich davon abschrecken, ihm keine weiteren Briefchen zu schreiben. Sehr zum Verdruss seiner männlichen Schulkollegen. Er verstand nicht, was sie alle an ihm fanden. Ja, er war mit seinen achtzehn Jahren fast einen halben Kopf größer als seine Mitschüler und stach durch seine blauen Augen hervor. Seine Noten war ausgezeichnet und er war ein guter Teamplayer in der Fußballmannschaft seiner Schule. Aber das war schon alles. Darum hatte er es immer als angenehm empfunden, dass es auch Mädchen wie Usagi und ihre Freundinnen gab, die es scheinbar nicht kümmerte, wie gut er offensichtlich aussah. Sondern die ihn so nahmen, wie er war. Höflich und manchmal etwas vorlaut. Vorallem Usagi gegen über.

Doch nun war alles anders. Jetzt war ausgerechnet Usagi ihn in verliebt. Von ihr hätte er es nie erwartet. Er dachte eher, dass es Rei sein könnte. Die junge Miko aus dem Hikawa-Tempel. Sie hatte ihm ein paar Mal recht eindeutige Blicke zugeworfen. Doch auch das ging vorbei. Den letzten hatte er vor ein paar Wochen bekommen. Wahrscheinlich hatte sie Usagi zuliebe damit aufgehört. Glaubte die Schwarzhaarige etwa, dass ihre blonde Freundin Chancen haben könnte und sie ihr diese nicht verbauen sollte? Mamoru schüttelte unbemerkt den Kopf. Wieso war das alles plötzlich so kompliziert? Leise fluchte er. Fuhr sich durch die schwarzen Haare.

“Mamoru?”

”Hm?”, er hatte sich wieder Motoki zugewandt. Dieser blickte jedoch an ihm vorbei und deutete auf den Eingang des Crown. Er folgte seinem Blick und erstarrte. Alles in ihm verkrampfte sich und ihm schoss durch den Kopf, dass es Usagi wahrscheinlich jedes Mal so ergangen war, als er hier rein kam. Nur allzu gerne wollte er sich bewegen. Sich rühren. Doch jede einzelne Muskelfaser war erstarrt. Er konnte sich nur zu einem Lächeln durchringen. Mamoru ahnte jedoch, dass er dabei ziemlich dumm aussehen musste.
 

Sie hatte keine Ahnung, warum sie dem Drängen ihrer Freundinnen nachgegeben hatte. Eigentlich hatte sie sich sogar extra beeilt mit dem Säubern der Tafel, um gleich im Anschluss nach Hause gehen zu können. Aber Ami und Makoto hatten beide vor dem Schultor gewartet. Immer und immer wieder hatte sie abgelehnt. So oft, dass sie gar nicht bemerkt hatte, dass sie ihren beiden Freundinnen gefolgt war. Und als sie endlich ihren Blick wieder gehoben und sich orientiert hatte, stand sie auch schon auf der gegenüberliegenden Straßenseite vom Crown. Direkt davor standen Rei und Minako und winkten zu ihr rüber. Noch während sie über die Straße ging, wehrte sie sich mit Händen und Füßen. Als sie dann vor ihrem Stammcafé stand, hatte sie aufgehört, sich zu wehren. Aber in ihrem Kopf stellte sie immer noch auf stur. Sie wollte ihn nicht sehen. Ihn nicht sprechen. Er würde sich nur über sie lustig machen. Als sie durch die Schiebetüre trat, drangen die Stimmen ihrer Freundinnen nur noch dumpf an ihre Ohren. Vorsichtig hob sie den Blick. Sah Mamoru, wie er auf dem Hocker vorm Tresen saß und zu ihr herüber sah. Ihr Herz sackte in den Keller. Ihre Finger krampften sich um den Griff ihrer Schultasche. Sie wollte flüchten. Wollte sich nicht seinen fragenden Blicken aussetzen.

“Usagi-chan, komm!”

Die Blondine fuhr erschrocken zusammen. Ihre Augen wandten sich von dem Oberstufenschüler ab und Ami zu, die sie besorgt musterte.

“Ich sollte gehen.”

“Aber wir sind doch gerade erst gekommen.”

Usagi hörte den leicht vorwurfsvollen Unterton in Minakos Stimme. Deren Blick tat ihr übriges dazu. Doch sie schüttelte nur den Kopf:

”Ich kann das nicht.”

”Wir sind doch bei dir.”

”Das weiß ich, Rei. Und ich danke euch dafür. Aber ich kann ihm nach dieser peinlichen Aktion nicht mehr unter die Augen treten. Versteht mich doch bitte.”

”Müssen wir uns jetzt ein neues Stammcafé suchen?”, Makoto sah ihre Freundin an.

“Nein. Kommt nur weiterhin hierher. Ich brauch ein wenig Zeit, okay?”

Die Mädchen nickten. Sie alle verstanden Usagi nur zu gut. Jede von ihnen hätte genauso reagiert.

“Bis morgen!”, Usagi versuchte zu lächeln und drehte sich dann auf dem Absatz um. Gerade als sie auf den Ausgang zulief, begann sich alles um sie herum zu drehen. Ihr wurde heiß und kalt und schlussendlich schwarz vor Augen. Sie erahnte den harten Fließenboden und machte sich innerlich auf den Schmerz gefasst, der sie in wenigen Sekunden erreichen würde und doch ausblieb. Jemand hatte sie aufgefangen. Sie hörte die Rufe ihrer Freundinnen. Die Stimme von ihrem besten Freund. Und die von Mamoru. Seine Stimme verwirrte sie. War er besorgt um sie? Er klang so. Sie spürte eine warme Hand, die zärtlich über ihre Wange strich. Immer wieder wurde ihr Name genannt. Auch von dem Schwarzhaarigen. Neuerlich verlor sie den Halt unter den Füßen. Doch dieses Mal wurde sie hochgehoben. Die zwei jungen Männer sprachen miteinander. Aber die Sätze drangen nicht mehr richtig an ihre Ohren vor. Viel zu sehr war sie stattdessen von diesem Parfüm gefangen, dass sie umgab. Schokolade. Zartbitter. Und Rosen. Die ganz dunkelroten aus dem Geschäft vorne um die Ecke. Die rochen genauso sinnlich. Ihre Sinne wurden benebelt und sie eingelullt. Usagi ahnte, dass sie ihre Augen wieder hätte öffnen können. Doch sie wollte es nicht. Denn tief in ihrem Herzen ahnte sie bereits, in wessen Armen sie da lag. Und sie war egoistisch genug, um es gnadenlos auszunutzen. Hoffte innerlich, dass diese dumme Kuh von Saori jetzt in diesem Moment auftauchen würde. Leider kam sie nicht. Aber gut, sie konnte nicht alles haben. Sie schmiegte sich ein wenig mehr an ihn und konnte sein Herz schlagen hören. Es schlug schneller, als sie es vermutet hätte. Sie hörte, wie eine Tür zugeschlagen wurde. Merkte, dass sie, leider, schon wieder aus seinen Armen entlassen wurde. Er legte sie auf eine weiche Unterlage. Wahrscheinlich hatte er sie ins Hinterzimmer gebracht und sie lag nun auf dem Sofa, dass dort stand. Sie überlegte, ob er sich verdrücken würde. Er tat es nicht. Liebevoll strich er über ihre Stirn. Ihre Haut kribbelte an den Stellen, wo er sie berührte. Mühsam unterdrückte sie ein Seufzen. Warum tat sie sich das nur an? Warum schlug sie nicht einfach die Augen auf und ging? Sie geiselte sich selbst und genoss es auch noch. Scheinbar war sie wirklich masochistisch veranlagt.

Mamoru sah besorgt zu ihr hinab. Schon als sie das Café im Beisein ihrer Freundinnen betreten hatte, war ihm ihre ungewohnte Blässe aufgefallen. Das und die Augenringe unter ihren geröteten Augen. Sie schien sich in den Schlaf zu weinen und daher mit verquollen Augen aufzuwachen. Und er war dran Schuld. Weil er ihr nicht schon am Wochenende sagen konnte, wie er zu ihren Gefühlen stand. Aber bisher wusste er auch noch keine. Ihre Wangen waren ein wenig eingefallen. Sanft glitt sein Handrücken darüber. Sie fühlte sich ein wenig kalt an. Ihre Stirn hingegen schien zu glühen. Sein Blick fiel auf ihre Lippen, die leicht geöffnet waren. Sie waren das einzig in ihrem Gesicht, dass einen rosigen Ton hatte.

“Usagi! Komm bitte wieder zu dir.”

Das Mädchen rührte sich nicht.

“Bitte! Es tut mir leid, dass ich nicht so reagiert habe, wie du es dir vielleicht gewünscht hättest. Aber gib mir doch bitte auch die Chance mich zu erklären. Bitte, Usagi!”, seine Stimme war leise und flehend. So flehend, dass die Blondine ihm nicht wiederstehen konnte. Außerdem hatte jeder eine Chance verdient, erhört zu werden. Auch Mamoru! Langsam öffnete sie die Augen. Kurz musste sie blinzeln, weil das diffuse Licht sie blendete. Ihren Kopf wandte sie leicht zur Seite. Konnte so dem Schwarzhaarigen genau in die ozeanblauen Augen blicken. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Er machte sich wirklich Sorgen um sie.

“Alles gut?”, Mamoru half ihr, sich wieder aufzurichten, “Darf ich?”

Usagi rutschte ein Stück auf dem Sofa, so dass er neben ihr Platz nehmen konnte. Sie schwieg und sah zu Boden. Plötzlich war ihr das alles wieder furchtbar unangenehm und peinlich. Sie war so verliebt in ihn und er wusste nichts damit anzufangen. Konnte es noch schlimmer kommen? Konnte es! Ihr Magen knurrte in die Stille hinein.

“Hunger?”

“Hm.”

Mamoru kam der Geistesblitz und ihm wurde schlagartig klar, warum sie so blass und wackelig auf den Beinen war.

“Bleib hier sitzen. Ich hol dir was.”

”Okay.”, sie sah ihm nach, wie er zur Tür ging. Als er sie öffnete, konnte sie ihre restlichen Freunde dahinter sehen, die alle versuchten, einen Blick auf sie zu erhaschen. Doch Mamoru ließ es nicht zu. Stattdessen drehte er sich nochmal im Türrahmen um:

”Wenn ich wieder da bin, reden wir!”

Usagi konnte nur nicken. Ihre Gedanken drehten sich in ihrem Kopf. Er wollte mit ihr reden. Worüber?

Über den Brief etwa?

Über ihre Gefühle für ihn?

Über seine für sie?

Ihr Herz begann wieder zu rasen. Liebend gerne wäre sie aufgesprungen und geflüchtet. Aber das war nicht möglich. Ihre Beine fühlten sich immer noch wie Pudding an und die Möglichkeit auf eine kurze Zweisamkeit mit Mamoru bestärkten sie noch mehr, gleich wieder wegzuknicken. Leise seufzte sie. Sie sank zurück ins Sofa und legte den Kopf auf die niedrige Rückenlehne. Starrte an die Decke.
 

“Wie geht es ihr?”

Mamoru sah zu seinem besten Freund, der in der Küche des Crown stand und schnell Teig ins Waffeleisen gegossen hatte. In der Mikrowelle drehte sich ein Schüssel mit sich langsam verflüssigter Schokoladensauce. Motoki holte eine Packung mit Vanilleeis aus dem Tiefkühler und gab zwei große Kugeln davon auf einen Teller.

“Sag schon!”

”Sie hat wohl seit dem nicht mehr sonderlich viel gegessen. Zumindest verrät mir das ihr Magen. Außerdem sieht sie ja nun nicht gerade aus wie das blühende Leben. Nicht wahr?!”, der Schwarzhaarige sprühte eine Extraportion Schlagsahne auf jede Kugel und gab dann Schokoraspeln hinzu plus Amarenakirschen.

“Du weißt schon...”

”Ja ich weiß es, Motoki! Ich weiß, dass ich wohl daran schuld bin, dass Usagi zusammen gerutscht ist. Ich bin schuld für ihr momentanes Aussehen. Ich bin schuld, weil sie nichts isst und nur heult. Ich weiß es! Okay?!”

”Ich wollt es ja nur...”

”Du wolltest mich nur daran erinnern. Vielen Dank! Und keine Sorge, so schnell vergess ich das nicht.”

“Jetzt sei nicht so beleidigt.”, seufzte Motoki.

“Bin ich auch nicht. Ich steh nur nicht so drauf, wenn man mich ständig daran erinnert. Sind die Waffeln fertig?”

Dem Blonden entging der wütende Ton in Mamorus Stimme nicht. Er reichte seinem Freund den Teller mit den Waffeln, dem Vanilleeis und den Sahnehauben. Drückte ihm eine Gabel und einen Löffel in die Hand.

“Halt uns die Mädels vom Leib.”

“Was hast du vor?”

Mamoru blieb seufzend und mit hängendem Kopf vor der Küchentüre stehen:

”Keine Ahnung. Ich will nur, dass sie nicht mehr wegen mir hungert.”

Mit diesen Worten verschwand er aus der Küche. Sofort wurde er von Usagis Freundinnen umringt, die alle auf ihn einredeten. Er beachtete sie nicht weiter und ging in schnellen Schritten zum Hinterzimmer.

“Mamoru Chiba! Was ist da los?”, Reis Stimme klang härter, als sie es beabsichtigt hatte.

“Geht euch nichts an.”

”Usagi ist unsere Freundin!”

“Und es ist etwas zwischen ihr und mir.”, er öffnete die Tür und trat wieder ins Zimmer. Sah sich um.

Usagi schreckte aus ihren Gedanken auf, als sich die Tür öffnete. Sie sah, dass Mamoru mit einer Hand etwas abfällig über seine Schulter winkte. Es galt ihren Freundinnen. Sie richtete sich etwas auf und nahm ihm den Teller ab, den er in der anderen Hand trug. Sie konnte nicht anders als zu Grinsen, als sie die Waffeln sah.

”Brauchst du noch was zu trinken?”

Sie schüttelte den Kopf und begann zu essen. War Vanilleeis jemals köstlicher als heute gewesen? Wahrscheinlich nicht. Die warmen Waffeln erfüllten sie mit einem Wonnegefühl und die Sahne ließ sie fast schon genießerisch auf ihrer Zunge zergehen. Ein wohliger Seufzer entglitt ihrem Mund. Aber es war ihr egal.

Der Schwarzhaarige nahm mit Wohlwollen zur Kenntnis, dass sich ihre Wangen mit jedem Bissen mehr und mehr von ihrer Blässe verabschiedeten und sich zart rosa färbten. Sie schien mehr Hunger zu haben, als sie jemals zugegeben hätte. Mamoru wusste, dass Essen eigentlich fast schon zu ihren Hobbies gehörte. Daher war er erstaunt, dass sie selbst darauf nahezu verzichtet hatte. Er stützte seine Arme auf den Beinen ab und sah einfach nur auf den Tisch. Blätterte in einer Fachzeitschrift für Baristas. Ihm war klar, warum er hier den besten Kaffee im ganzen Viertel bekam. Und wahrscheinlich sogar den besten in ganz Tokio, wenn nicht sogar in Japan. Einige Kreationen kannte er. Meistens war er das Testkanninchen für Motokis neue Schöpfungen, bevor er diese in die Karte aufnahm. Sie waren eh immer alle gut. Und nun wusste Mamoru auch warum. Neben ihm schmatzte Usagi leise. Normalerweise hätte es ihn sicherlich gestört. Heute überhörte er es geflissentlich. Gerade als er begonnen hatte, einen Artikel zu lesen, erreichte Tellerklappern seine Ohren. Er wandte sich von der Zeitschrift ab und Usagi zu. Sie lächelte ihn schüchtern an:

“Willst du anfangen oder soll ich?”

“Was meinst du?”, er lehnte sich in die Ecke des Sofas zurück und sah sie fragend an.

“Du hast doch vorhin gesagt, dass wir reden werden. Nun frage ich dich, wer von uns anfangen soll.”

“Wie du magst.”

Usagi seufzte. Das war nun nicht gerade die Antwort, die sie hören wollte. Innerlich hatte sie gehofft, dass er anfing. Während er draußen war, hatte sie sich alles so schön vorgestellt. Mamoru würde reden und reden und ihr am Ende seine Liebe gestehen. Dann würden sie sich in die Arme fallen und heiß und innig küssen. Schon allein bei der Vorstellung wurde ihr ganz heiß.

“Sicher das es dir gut geht?”

“Was?”, verwirrt sah sie den jungen Mann an.

“Du bist so rot.”

”Äh, ja, alles gut.”

”Pass auf Usagi.”, Mamoru versuchte allen Mut zusammeln, “Ich finde es toll, was du für mich empfindest. Das du dich in mich verliebt hast. Aber ich weiß gar nicht warum. Ich meine, wir streiten uns doch nur. Ich beleidige dich immer und...”

Das Mädchen musste aufstehen. Sie war sich soweit sicher, dass ihre Beine sie wieder trugen. Etwas unruhig ging sie durch den Raum. Hin und her. So wie er das sagte, entwickelte es sich gerade nicht in die von ihr erhoffte Richtung.

“Wieso ich? Warum nicht Motoki?”

”Das frage ich mich allerdings auch.”, sie konnte sich ein hohles Auflachen nicht verkneifen und wandte sich ihm zu, “Ich hab es sicher nicht geplant. Glaub mir, mir wäre Motoki auch wesentlich lieber gewesen. Aber ich kann doch nichts dafür. Ich meine, du bemerkst es nicht einmal, wie ich dich anschmachte und scheinst mich nicht leiden zu können. Irgendwie hab ich mir das auch auch anders vorgestellt. Ich will kein Arschloch zum Freund. Du wirst dich auch sicherlich nicht so schnell ändern. Um ehrlich zu sein, will ich dich auch gar nicht als Softie kennen. Für den Part ist Motoki zuständig. Ich würde dich nur bitten, es zu akzeptieren. Ich werd dir sicher nicht auf den Keks gehen. Versprochen. Nimm es einfach hin, okay?”

Mamoru war geplättet von ihrer Ehrlichkeit und sein Herz neuerlich bei ihrem Anblick zusammen. Sie stand vor ihm wie ein Häufchen Elend und sah betrten durch den Raum. Nestelte an ihren Fingernägeln rum und trat von einem Fuß auf den anderen.

“Und vielleicht könntest du aufhören, mich zu beleidigen. Denn das ertrag ich momentan einfach nicht.”, jetzt musste sie doch mit den Tränen kämpfen. Dabei wollte sie noch einmal tapfer sein. Sie drehte sich abrupt um. Hielt sich an einem Regal fest. Sie hatte sich das ganze hier irgendwie anders vorgestellt. Das er ihr vielleicht nicht gerade seine Liebe gestehen würde, war ihr ohnehin fast schon klar gewesen. Aber das er nicht mehr als ein Stottern zusammen brachte und nun einfach nur auf dem Sofa saß, ließ die Enttäuschung in ihr immer mehr anwachsen. Sie war sauer auf ihn. War er wirklich so ein ungehobelter Gefühlsklotz, den das alles kalt ließ?

“Na gut, ich geh dann jetzt lieber. Ist ja alles schon peinlich genug. Und da du nun wohl nichts weiter zu sagen hast, sind wir ja nun auch fertig.”, sie warf ihm keinen Blick mehr zu, sondern ging in schnellen Schritten an ihm vorbei und öffnete die Tür. Wenn sie noch den kleinen Funken Hoffnung hatte, er würde sie aufhalten, so erlosch dieser jetzt vollständig. Usagi musste sie die Hand vor die Augen halten, als das grelle Tageslicht sie blendete. Im Gegensatz zum Hinterzimmer, dass lediglich durch eine Energiesparlampe erhellt wurde, war hier trotz Wolkendecke alles strahlend hell.

Ihre Freundinnen kamen auf sie zu. Sie ahnte nur allzu gut, was diese von ihr wissen wollten. Doch sie schüttelte nur den Kopf. Viel zu sehr schmerzte sie die kurze Erinnerung an das eben geschehene. Sie deutete mit einem Handwink eine Verabschiedung an und ging zu Motoki. Wollte ihm sagen, dass er wohl erstmal eine Weile auf sie verzichten müsse.

“Ich war noch nicht fertig!”
 

Die Türe vom Hinterzimmer flog auf und Mamoru stapfte wütend heraus. Er war stocksauer, dass sie ihn einfach so stehen gelassen hatte. Ohne eine Chance auf eine weitere Erklärung zu ihren Gefühlen.

Erschrocken sahen die Mädchen samt Usagi und Motoki zu ihm hin. Aber bis auf die Blondine mit den zwei langen Zöpfen beachtete er sie nicht weiter.

“Was willst du denn noch? Ich hab dir meine Gefühlswelt zu Füßen gelegt und dich darum gebeten, es einfach hinzunehmen. Und da du dich nicht weiter dazu geäußert hast, gehe ich davon aus, dass wir mit dem Gespräch fertig waren.”, ihre Stimme klang müde.

“Waren wir aber nicht. Nur du hast gesagt, wie du dich fühlst. Mir hast du nicht mal die Chance gelassen, dir zu antworten.”

”Warum sollte ich auch? So wie du eben geschaut hast, sprach dein Blick Bände.”

“Du bist nicht die einzige, die durcheinander ist.”

Gespannt horchten alle auf.

“Glaubst du wirklich, dass es mich kalt lässt, dass ausgerechnet du mir solche Gefühle entgegen bringst? Ich bin seit deinem Brief vollkommen überfordert. Frag Motoki. Ich hab wegen dem scheiß Brief die Schule geschwänzt.”

”Scheiß Brief?”, Wut begann in Usagi aufzulodern. Das er gerade erzählt hatte, dass er die Schule deswegen schwänzte, überging sie ganz einfach:

”Scheiß! Brief! Jetzt hör mal zu du Arsch, ich hätte mir auch was besseres vorstellen können, als dir seitenweise und nächtelang Briefe zu schreiben. Aber was soll ich denn machen? Und glaub mir, es war nie meine Absicht, dir diese Gefühlsausbrüche zukommen zu lassen. Ich finde es auch zum Kotzen, dass du so tust, als sei es meine Schuld, dass es dir so dreckig geht. Entschuldige bitte, dass ich mich nun mal ausversehen in dich verliebt habe. Wird nicht wieder vorkommen.”

”Siehst du, du tust es schon wieder!”, er war einen Schritt auf sie zugekommen.

“Was?!”

”Du redest nur von dir und wie es dir geht. Aber mir geht es auch nicht besser. Bis jetzt hat mir nun mal noch kein Mädchen so offen gesagt, dass es in mich verliebt ist. Also sorry, dass mich das alles gerade ein wenig durcheinander bringt und ich nun einmal nicht schnell genug antworten kann.”

”Sag doch einfach, dass du mich nicht leiden kannst. Dann kann ich einen Schlussstrich unter den ganzen Scheiß ziehen. Mich in meinem Zimmer verkriechen, eine Woche lang heulen und mich dann anderen Jungs zuwenden.”

“Wer sagt denn, dass ich dich nicht leiden kann?”

“Na was denn dann? Ist ja nicht gerade so, als würdest du mich mögen. Zumindest lässt du mich das nicht so spüren. Alles was ich von dir zu hören bekomme, ist, dass ich dumm und verfressen bin. Klingt ja jetzt nicht gerade nett, oder? Man kann uns ja nicht mal als Freunde bezeichnen. Schließlich nennen mich die anderen ja auch nicht Weichbirne oder Mondgesicht, so wie du es tust. Und ich hab einfach keine Lust mehr, dein Blitzableiter zu sein. Ganz ehrlich, vergiss einfach, was ich dir vorhin gesagt habe.”

“Hör auf die Dramaqueen zu spielen.”, Mamoru hielt sie am Ärmel fest, “Und jetzt hörst du mir mal zu, Fräulein. Ich kann nichts dafür, dass ich dir scheinbar den Kopf verdreht habe. Und es stimmt auch nicht, dass ich dich nicht leiden kann. Ich mag dich. Aber nur als Freundin.”

”Wir sind keine Freunde. Freunde beleidigen nicht einander. Und das hast du von Anfang an getan. Schon das erste Mal als wir uns begegnet sind.”

“Ja und es tut mir leid. Aber wir sind nun mal wie Hund und Katz. Deswegen brauchst du dir bei mir auch keine Hoffnungen machen. Geh und schenk dein Herz einem netteren Jungen.”, er kramte Geld aus der Tasche und legte es Motoki auf den Tresen. Wandte sich dann von Usagi und allen anderen ab, nahm seine Jacke von der Garderob und verließ das Café. Es wurde ihm einfach alles zu viel. Die Vorwürfe die ihm alle machten und das keiner ihn verstehen wollte, machten ihn einfach nur wütend. Und bevor er jetzt noch was falsches gesagt und allen vor den Kopf gestoßen hätte, verließ er lieber das Café.

Seine Füße trugen ihn in Richtung Jubaan-Park. Auf der Bank am Springbrunnen fand er bisher immer die nötige Ruhe, wenn er sie mal benötigte. Und jetzt brauchte er sie mehr als nur dringend. Heute war es sowieso noch leerer als sonst. Das Wetter lud auch nicht gerade zu einem Spaziergang ein. Mamoru ließ sich auf die Bank fallen und starrte in den grauen Himmel. Es sah nach Regen aus. Schon wieder. Er seufzte laut auf, schloss die Augen. Warum ging das alles so gründlich schief? Er wollte ihr doch nur auf nette Art und Weise sagen, dass er sie nicht so mochte wie sie ihn. Und verliebt war er in sie schon mal gar nicht. Usagi war in ihrem Inneren wirklich ein wunderbares Mädchen. Er kannte sie jetzt seit zwei Jahren. Es gab sogar Zeiten, meistens auf Geburtstagsfeiern, wo sie sich relativ gut verstanden und Spaß miteinander hatten. Aber sie war nur eine gute Freundin. Mamoru hatte mit Gefühlen einfach nicht so viel am Hut. Mit der Liebe schon mal gar nicht. Er war das ganze Gegenteil von der Blondine. Manchmal beneidete er sie sogar um die Fähigkeit, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Ihn überforderte sowas schlichtweg. So wie jetzt.

“Mamoru?”

Er schreckte aus seinen Gedanken auf. Rappelte sich ein wenig zusammen und sah in die Richtung, aus der ihre unverkennbare Stimme gekommen war. Sie war etwas atemlos, als sie langsam auf ihn zu kam.

“Sieht nach Regen aus.”

“Hm.”

”Ich werd wohl nass werden.”

”Keinen Schirm dabei?”

”Hab ich zuhause vergessen.”, Usagi ließ ihren Blick vom Himmel hinab zu ihm wandern und grinste verlegen, “Hör mal, ich wollte dich nicht wütend machen. Und du hattest allen Grund dazu. Ich hab dir wirklich nicht die Chance gegeben, dich zu erklären. Entschuldige.”

“Schon gut.”

“Okay. Ich bin dann auch schon wieder weg.”

Der Schwarzhaarige sah, wie sie sich von ihm wegdrehte.

“Usagi?”

“Ja?”

”Ich verspreche dir, dass ich ab jetzt an netter zu dir bin und das ich deine Gefühle respektiere. Auch die für mich.”, er stand auf und kam auf sie zu. Sie sah ihn nur über die Schulter hinweg an. Sie lächelte zaghaft und es wurde von ihm erwidert. Ein wenig ertrank sie in seinen Augen und musste sich ernsthaft zusammen reißen, um sich von ihm abwenden zu können. Seine Nähe nahm sie gefangen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und liebend gerne hätte es um sie herum noch einmal schwarz werden können, damit er sie wieder auffing. Was sie daran erinnerte, sich bei ihm noch dafür zu bedanken. Er nahm es nickend zu Kenntnis.

“Eigentlich bist du gar nicht so dumm.”

“Was?”, verwirrt sah sie ihn an.

“Naja, du hast dich doch in mich verliebt. In einen intelligenten Oberschüler. Das ist echt clever von dir.”, grinste er. Er sah, wie sie leicht errötete:

”Bild dir bloß nichts drauf ein. Wahrscheinlich verliebe ich mich nächste Woche schon wieder in jemand anderes.”

“Ja, wahrscheinlich. Sagst du mir dann Bescheid?”

”Warum?”

”Damit ich nicht auf den neuen Jungen eifersüchtig und vorgewarnt bin.”

“Baka.”, sie konnte nicht anders als zu lachen und ihn in die Seite zu kneifen. Sie hoffte, dass es vielleicht doch so sein würde, wie sie es ihm eben gesagt hatte. Sie würde sich neu verlieben. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie ihn an. Innerlich seufzte sie auf. Was für ein Schwachsinn. Keiner konnte Mamoru das Wasser reichen. Er war groß und gutaussehend. Kein anderer Junge den sie kannte, konnte da mithalten. Nicht mal Motoki.

“Ich muss nach Hause.”

Mamoru wollte noch was sagen, aber sie war schon losgelaufen. Er rief ihr einen Abschiedsgruß hinterher. Wünschte ihr noch einen schönen Abend. Seine Stimme erreichte ihr Ohr. Ihr Herz. Ließ es schneller schlagen als ohnehin schon. Immer wieder wiederholte sie seine Worte. Er würde es akzeptieren. Warum war er nur so verdammt verständnisvoll. Usagi wäre es lieber gewesen, er würde sich von ihr distanzieren. So war sie gezwungen, ein Spiel zu spielen. Und sie hatte keine Ahnung, wie lange sie das durchhalten würde.

Learning

Die Klimaanlage surrte über ihrem Kopf. Ein tiefer und langanhaltender Ton, der schon seit mindestens zehn Tagen allen im Café auf die Nerven ging. Natürlich hätte man sie einfach nur ausschalten brauchen. Dummerweise war es draußen jedoch viel zu heiß. Nach wochenlangem Regen hatte sich nun die Sonner hervor gekämpft und strahlte nun mit voller Wucht auf die Erde, so dass die Bewohner der Millionenmetropole Tokio unter der Hitze mittlerweile ächzten. Und es war erst Anfang Mai. Der Sommer stand noch bevor. Teilweise wünschten sie sich schon wieder Regen herbei.

Usagi versuchte das Geräusch der Kühlung durch ein geräuschvolles Blubbern durch den Strohhalm zu übertönen. Sie hatte heute zwei Stunden eher Schulschluss gehabt, weil es eine Lehrerkonferenz gab. So hatte sie bedeutend mehr Zeit, um im Crown zu sein und ihren Gedanken nachzuhängen. Wenn sie alleine war, gelang ihr das immer am besten. Ihre Freundinnen waren alle noch in der Schule und hinterher sowieso bei ihren verschiedenen Klubs. Vor fünf würde sie keine von ihnen zu Gesicht bekommen. Jetzt war es kurz vor zwei. Sie dachte darüber nach, ihre Hausaufgaben zu beginnen. Mathe. Wie sie dieses Fach doch hasste. Sie hatte nicht einmal den leisesten Schimmer, wozu sie die ganzen Formeln und Unbekannten in ihrem späteren Leben noch gebrauchen könnte. Wenn sie ihrem Vater so bei der jährlichen Steuerrechnung zu sah, dann fiel ihr jedes Mal auf, dass sie dafür nur einen einfachen Dreisatz benötigen würde. Den beherrschte sie. Sie griff neben sich auf den Hocker und zog ihr Aufgabenbuch plus Stift und Taschenrechner aus der Schultasche. Mit einem lauten Seufzer schlug sie das Buch auf und suchte die markierten Aufgaben heraus. Sie hatte jetzt schon keine Ahnung, wie sie jemals die Lösung zu dieser mathematischen Katastrophe finden sollte. Versuchte jedoch trotzdem ihr Glück.

“Hausaufgaben?”

“Ja. Mathe.”

“Und du erledigst die freiwillig?”, Motoki sah sie erstaunt an.

“Ich hab ja gerade nichts zu tun. Also kann ich die auch machen. Oder besser gesagt versuchen.”

”Stimmt. Vielleicht kann ich dir ja später helfen.”

“Das wäre toll.”, sie sah den Blonden hoffnungsvoll an und erwiderte sein Grinsen.

“Es ist schön, dass du wieder lächeln kannst. Wie läuft es denn so zwischen euch?”

Usagi wusste sofort, worauf ihr bester Freund anspielte. Schon seit gut drei Wochen herrschte eine Art Waffenstillstand zwischen ihr und Mamoru. Nach der kurzen Aussprache im Park nach ihrem Streit gingen sie netter miteinander um. Sie grüßten sich und machten Smalltalk. Ihr war klar, dass er das nur tat, um sie nicht weiter zu verletzen. Sie war froh drum. Und trotzdem war es komisch für sie. So gut es ging, versuchte sie ihre Gefühle für ihn nicht allzu sehr zur Schau zutragen. Versuchte ihr Herzklopfen zu unterdrücken und nicht zu dümmlich zu grinsen, wenn sie ihn sah. Er quittierte es immer mit seinem höflichen, charmanten Lächeln. Was ihr Herz nur noch mehr zum Schlagen brachte. Es war ein süßer Teufelskreis.

“Usa?”

“Ja?”, erschrocken sah sie zu Motoki auf.

“Du hast gerade an ihn gedacht, oder?!”

”Ja. Also, ähm, es läuft ganz okay. Wir sind Freunde.”

”Du bist echt tapfer.”

“Ich versuche es. Egal, lass uns das Thema wechseln. Wenn ich was anderes mache, muss ich vielleicht nicht zu viel an ihn denken. Also, kennst du dich damit aus?”

Die Blondine schob dem jungen Mann ihr Aufgabenbuch über den Tresen und nahm noch einen großen Schluck von ihrem Schokoshake, bevor sie ihm in kurzen Worten die Aufgabenstellung erklärte. Das Fach Mathe war an sich schon eine Katastrophe für sie, doch Textaufgaben kamen einem persönlichen Weltuntergang gleich. Sie kapierte schlichtweg nicht, wieso sie mit einem X und einem Y rechnen sollte und vorallem wie. Man konnte doch nur mit Zahlen rechnen. Und definitiv nicht mit Buchstaben. Mathematik war alleine schon eine große Unbekannte für sie. Aber wenn dann auch noch Buchstaben dazu kamen, die Zahlen ersetzen sollten, wurde das ganz für sie einfach nur noch zu einem Mysterium. So gut es ging, versuchte sie Motoki in seinen Erklärungen zu folgen. Was sie bis zu einem gewissen Punkt auch noch schaffte. Doch dann begann selbst er sich in seinen Ausführungen zu verstricken. Als dann auch noch eine dritte Unbekannte dazu kam, gab sie ganz auf und ließ den Kopf auf den Tresen sinken.

“Okay, ich geb es zu! Ich hab keine Ahnung, was die da von einem wollen.”, seufzte Motoki und schob ihr wieder das Buch zu.

“Wenigstens hast du es versucht.”

Sie erwiderte sein schiefes Grinsen. Sah ihm hinterher, als er zu einem Tisch ging, wo neue Gäste Platz genommen hatten. Missmutig schaute sie wieder auf ihre Aufgaben. Vielleicht sollte sie es einfach noch einmal probieren. Dann wäre ihre Lehrerin eventuell ja so gnädig und würde es einsehen, dass sie einfach kein Talent für sowas hatte. Immerhin hatte sie es ja versucht. Verzweifelt kaute sie an dem Bleistift rum. Radierte immer wieder die errechnete Lösung weg, um sie durch andere Zahlen, die der Taschenrechner ausspuckte, zu ersetzen. Sie fragte sich zum wiederholten Male, wieso bei nur einem Lösungsweg so verschiedene Werte raus kamen. Das ging doch eigentlich gar nicht. Vollkommen genervt schmiss sie den Bleistift hinter sich.

“Autsch!”

Erschrocken fuhr sie herum und sah in das breite Grinsen von Mamoru. Ihr Herz sackte wieder einmal in die Hose und die Röte schoss ihr ins Gesicht.

“Das wievielte Mal schießt du mich jetzt mit irgendwelchen Gegenständen ab?”, der Schwarzhaarige kam zu ihr herüber und setzte sich neben sie. Gab ihr ihren Stift zurück.

“Keine Ahnung. Hab beim zehnten Mal aufgehört mitzuzählen. Entschuldigung.”

“Schon okay. Ist ja nichts passiert.”

”Hm.”

Mamoru entging es nicht, dass Usagis Gemütszustand im Keller war. Da er seit einigen Wochen schon nicht mehr der Auslöser dafür war, zumindest nicht direkt, konnte nur was anderes dahinter stecken. Seine Augen wanderten zu dem Buch vor ihr. Ohne großes Zögern zog er es zu sich. Überflog es.

“Rechnen mit zwei Unbekannten.”

”Ja.”, ihre Stimme klang gequält.

“Wo ist das Problem?”

“Ich versteh es einfach nicht. Ich meine, warum sind die Buchstaben unbekannt? Es ist ein X und ein Y und somit klar definierte Buchstaben.”

“Aber sie stehen für eine Zahl. Oder besser gesagt für zwei.”, er musste lächeln bei ihrer teilweise doch recht logischen Ausführung.

“Ja aber für welche denn?”

”Das ist das Unbekannte daran.”

Die Blondine sah verwirrt zu ihm auf.

“Pass auf, ich erklär es dir. Schau mal. Du hast dort das Y als Ergebnis und hier in dieser normalen Gleichung das X. Du versuchst jetzt erstmal das X zu errechnen, in dem du alle Zahlen auf die Seite von Y bringst. Immer umgekehrt von dem, wie es in der Gleichung steht.”

”Also statt minus nehm ich plus.”

”Genau. Probier mal.”

Sie besah sich die Gleichung und machte es genau so, wie er es ihr wenige Sekunden zuvor erklärt hatte. Es klappte und scheinbar war es auch richtig, denn Mamoru lobte sie. Ihr Herz machte einen kleinen Freudensprung.

“Super! So, und nun hast du einen Wert für das X.”

”Und den setz ich jetzt in die Gleichung ein, rechne es normal aus und hab Y.”

”Ja, genau.”

“Echt jetzt?”

“Ja.”, Mamoru lachte sie an, “Genau so. Also, was kommt raus?”

”Ähm, warte. Siebenundzwanzig.”

Der Schwarzhaarige rechnete schnell selbst im Kopf nach und bestätigte ihr dann die Richtigkeit ihres Ergebnisses. Er sah, wie euphorisch sie war und ihm spontan um den Hals fiel. Für eine Millisekunde war er geschockt, bevor er sich entspannte und ihre Umarmung erwiderte. Sie quietschte ihm ins Ohr und ließ gleich wieder von ihm ab. Irgendwie ein wenig zu schnell für seinen Geschmack. Aber er schwieg. Beobachtete sie dabei, wie sie um den Tresen und zu Motoki lief und ihm stolz ihre gelöste Aufgabe präsentierte. Er freute sich mit ihr und gab ihr den Rat, auch noch alle anderen Aufgaben zu lösen, bevor sie den Lösungsansatz womöglich wieder vergaß. Sie nickte nur und hüpfte fröhlich an ihren Platz zurück. Vollkommen motiviert und hoch konzentriert widmete sie sich nun auch den anderen neun Aufgaben.
 

Mamoru nahm einen Schluck von seinem Kaffee, den ihm Motoki zum zweiten Mal servierte. Usagi neben ihm war immer noch in ihre Aufgaben vertieft. Sie brauchte zwar wesentlich länger, dafür waren bisher aber auch alle richtig gelöst. Er sah, dass ihr Milchshake mittlerweile einfach nur noch flüssige, zimmerwarme Milch war.

“Machst du ihr einen neuen?”

”Auf dich?”

“Von mir aus.”

Motoki grinste. Er sah es mit Wohlwollen, dass es Mamoru scheinbar schaffte, mit den von Usagi entgegen gebrachten Gefühlen umzugehen. Mittlerweile schien sich zwischen beiden doch noch eine Freundschaft zu entwickeln. Er schob Usagi den Shake vor die Nase und sie bedanke sich murmelnd.

“Ich hab es noch nie erlebt, dass sie so konzentriert an etwas Schulischem sitzt.”

“Sie brauchte wahrscheinlich nur einen, der es ihr mal richtig erklärt.”

“Aber sie lernt doch meistens mit Ami und den anderen.”

”Glaubst du wirklich, dass sie dabei die nötige Ruhe hätte, um sich zu konzentrieren? Sie braucht das anscheinend. Ruhe und Zeit. Sie ist eben nicht so schnell wie die anderen.”

”Das hab ich gehört, Baka!”

“Mach deine Aufgaben, Odango. Ich kontrollier die dann.”

Sie kicherte nur und nahm einen Schluck von ihrem Getränk. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, wie Mamoru in seiner Schultasche kramte und ein Buch hervor holte. Sie sah kurz zu ihm. Ein Biobuch. Dazu ein Block und ein Stift.

“Worum geht’s?”

“Evolution. Ich muss ein Referat über die Entwicklung vom Australopithecus zum Homo rudolfensis halten.”

“Steinzeitmenschen.”

”So ungefähr.”

Beide saßen stillschweigend nebeneinander. Machten ihre jeweiligen Aufgaben. Motoki sah erst verwundert zu ihnen, dann musste er lächeln. Er musste sich eingestehen, dass er das Bild mit den beiden einfach nur toll fand. Es war Ruhe zwischen ihnen eingekehrt. Endlich.
 

Einige Zeit war vergangen. Die restliche Clique rund um Usagi war im Crown aufgetaucht und zusammen mit der Blondine an ihrem Stammtisch verschwunden. Alle und vorallem Ami waren überrascht, dass ihre Freundin schon ihre Matheaufgaben fertig hatte. Sie waren sogar alle richtig. Und Usagi selbst mächtig stolz auf sich, dass sie die Fragen verstanden hatte.

“Und Mamoru hat es dir nur einmal erklärt?”

“Ja. Ganz langsam und in Ruhe.”, das Mädchen strahlte die Schwarzhaarige neben sich glückselig an und sah dann zu Ami, “Und die sind alle richtig?”

“Ja, warum fragst du?”

”Mamoru wollte sie noch kontrollieren.”

Usagi sah zum Tresen. Mamoru saß nicht mehr da. Verwirrt schaute sie zu ihren Freundinnen und dann zu Motoki. Er verstand sie auch so und kam zum Tisch:

”Er ist vor zirka zwanzig Minuten gegangen. Er hatte einen Anruf bekommen und sich verabschiedet. Sogar von dir.”

”Was? Nein!”

”Doch. Aber du warst so vertieft in euer Getratsche, dass du es gar nicht mitbekommen hast.”

”Ach wie blöd.”, sie seufzte und sah hinaus aus dem Fenster. Liebend gerne hätte sie sich nochmal richtig dafür bedankt. So musste sie bis morgen warten. Ihre Laune hatte mit einem Schlag Kellerniveau und ihr Gesicht spiegelte es wieder. Traurig schob sie ihren Shake von sich weg. Eigentlich hatte sie geglaubt, sie hätte sich und ihre Gefühle für ihn soweit im Griff. Und die letzten Tage und Wochen war das ja auch nicht das Problem gewesen. Aber die Nähe zu ihm vorhin, als er sich zu ihr beugte und ihr alles erklärte, ließ sie all ihre guten Vorsätze vergessen. Innerlich hatte sie ihn angeschmachtet wie ein Groupie. Es war ihr nur schwer möglich gewesen, sich nicht einfach an ihn ran zuschmiegen. Sie erinnerte sich nur allzu gut an seine Wärme und sein Deo.

“Ich hätte wieder in Ohnmacht fallen sollen.”

”Was?”

Erschrocken drehte sich Usagi vom Fenster weg. Sah zu Makoto, die sie fragend anschaute. Ihre blauen Augen huschten kurz zu den anderen. Ihre Blicke glichen dem von der Brünetten.

“Ach nichts. Nur laut gedacht.”

“Usa!”

Die Genannte sah auf und zu Motoki, der ihr mit einem Kopfnicken bedeutete zu folgen. Mehr als nur gerne kam sie seiner Aufforderung nach. So musste sie sich wenigstens nicht den weiteren Fragen ihrer Freundinnen aussetzen. Mit schnellen Schritten war sie bei ihrem besten Freund am Tresen, der ihr sofort ein Buch in die Hand drückte.

“Hier.”

”Was soll ich mit einem Biobuch für die Abschlussklasse?”

”Willst du Mamoru heute nochmal sehen?”, er sah sie grinsend an.

Es dauerte einige Zeit bis sie es verstanden hatte und dann lachend nickte. Schnell lief sie zum Tisch ihrer Freundinnen und schnappte sich ihre Schultasche.

“Wo willst du hin?”, Minako sah sie an.

“Ähm, also Mamoru hat sein Buch liegen lassen. Und er muss bald ein Referat über Steinzeitmenschen halten. Deswegen bringe ich es ihm schnell noch vorbei.”

Die Mädchen grinsten sich nur gegenseitig an und verabschiedeten dann ihre Freundin, die auch schon auf und davon war. Sie machte nur noch einen kurzen Zwischenstopp bei Motoki und ließ sich von ihm die Adresse geben. Er sah ihr nur lächelnd hinterher. Sie bekam es nicht mehr mit.
 

Die Haltestelle vom Bus lag schräg gegenüber von seinem Wohnblock. Usagi war mit jedem Meter nervöser geworden. Sie kramte nach dem Zettel in ihrer Rocktasche. Laß nochmal nach, bei welcher Wohnungsnummer sie klingeln musste. Motoki war sich nicht sicher gewesen, ob Mamoru nicht doch seinen Namen am Klingelschild stehen hatte. Wenn nicht das, dann brauchte sie die Nummer der Wohnung.

“Sechshunderteinundzwanzig.”, laß sie sich selbst vor, während sie über die Straße ging. Sie brauchte einige Sekunden bis sie das passende Schild gefunden. Es stand nicht nur die Nummer sondern auch sein Name drauf. Das war irgendwie so typisch für ihn. Genau so hatte sie das auch erwartet. Usagi atmete tief ein und wieder aus und drückte dann mit zitterndem Finger den Klingelknopf. Ein Surren ertönte und dann hörte sie auch schon seine Stimme. Kurz verschlug es ihr die Sprache. Doch als er ein weiteres mal fragte, wer da sei, nannte sie ihren Namen und den Grund ihres Besuchs. Fast schon sofort sprang die Haustüre auf, sie bedankte sich rasch und ging hinein.

Das Foyer war wenig einladend. Der graue Linoliumboden versprühte einen unangenehmen Geruch nach Reinigungsmitteln. Die Briefkästen glänzten sauber. Doch selbst eine kleine Gruppe von Grünpflanzen konnte den sterilen Charakter des Eingangsbereiches nicht mehr retten. Es quietschte unter ihren Sohlen, als sie zum Aufzug ging. Er war schon da und die Tür öffnete sich. Es überraschte sie nicht, dass es darin genauso roch wie im bisherigen Bereich des Hauses. Scheinbar war die Putzkolonne des Hauses immer sehr gründlich. Neben ihr hing ein Spiegel. Es waren keine Spritzer oder Abdrücke zu sehen. Genauso wenig wie auf der Messingstange darunter. Usagi wollte sie gerade anfassen und sich mit ihren vor Nervosität feucht gewordenen Händen darauf verewigen, als die Türe wieder aufging. Als hätte sie sich verbrannt, zog sie die Hand augenblicklich zurück. Sie würde es später noch einmal versuchen. Sie trat aus dem Aufzug und sah sich suchend nach der passenden Türe um.

“Hier hinten!”

Ihr Herz schlug mit einem Schlag schneller und ihre Augen wanderten den Flur entlang. Mamoru stand an den Türrahmen gelehnt und lächelte sie an. Es wurde noch breiter, als sie auf ihn zu kam. Vielleicht ein bisschen zu hektisch und sie musste den Drang unterdrücken, ihn einfach zu umarmen, weil sie sich so über das Wiedersehen freute.

“Welch unverhofftes Wiedersehen. Komm rein!”, Mamoru trat einen Schritt zur Seite und ließ sie vorbei. Es hatte ihn schon ein wenig geärgert, dass sie nicht bekommen hatte, wie er sich von ihr verabschiedet hatte. Aber das war nun mal sie. Wenn sie in eine Diskussion mit ihren Freundinnen vertieft war, dann bekam sie nichts mehr um sich herum mit. Er sah ihr dabei zu, wie sie sich die Schuhe abstreifte. Ordentlich stellte sie es neben ein anderes Paar Schuhe und stutzte. Sah zu ihm auf:

”Komm ich ungelegen?”

Ihm entging der leicht traurige Unterton in ihrer Stimme keinesfalls. Und er wusste, dass sie gleich noch trauriger bei seiner Antwort werden würde.

“Saori ist da.”

”Oh, dann hier.”, sie holte das Buch aus der Tasche und hielt es ihm hin.

“Usagi, wir lernen nur. Und wenn ich ehrlich bin, kann ich eine Pause gut gebrauchen.”

Das Mädchen konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er sie schon bei der Hand genommen und ins Wohnzimmer gezogen hatte. Mit schnellen Worten erklärte er Saori die Situation und zog dann Usagi weiter in die Küche. Schloss die Türe hinter sich. Verwirrt sah sie ihn an:

”Äh, was war das gerade?”

”Was meinst du?”

”Warum hast du mich in deine Küche gezogen?”

“Oh, ich dachte mir, dass es dir vielleicht unangenehm ist, wenn du mit Saori alleine bist.”

Die Blondine wurde rot bei seinen Worten. Seit wann war er so zuvorkommend? Ihr machte es fast schon Angst. Still beobachtete sie den Schwarzhaarigen dabei, wie er Wasser für Tee aufsetzte und in einem Schrank kramte. Dabei führte er Selbstgespräche und brachte sie so zum Kichern. Er drehte sich nur wenige Sekunden später zu ihr um und grinste triumphierend und mit in die Luft gestrecktem Arm. Neugierig ging sie zu ihm und nahm ihm die Kekse ab. Verteilte sie auf einem bereitstehendem Teller.

Mamoru sah zu ihr. Sie schien etwas nervös zu sein. Unsicherheit lag in ihrem Blick. Ihre Finger nestelten am Bund ihrer Ärmel rum. Er goss den Tee auf und kam zu ihr rüber.

“Nimmst du die Kekse.”

”Ja.”, ihre Stimme war leise. Sie folgte ihm ins Wohnzimmer und setzte sich auf das Sofa. Usagi wollte sich nur ungern in die Nähe von Saori setzte. Ihre Blicke reichten ihr auch so. Es lag Hochmut und Arroganz darin. Und noch etwas anderes, was das Mädchen nicht deuten konnte. Vorsichtig nippte sie an ihrem Tee. Sie wollte nur so schnell wie möglich fertig werden, um von hier und vor allem um von Saori wegzukommen. Die ganze Situation hier war absurd. Sowohl diese ihr suspekte Brünette als auch Mamoru wussten von ihren Gefühlen für ihn. Und nun saßen sie hier zu dritt zusammen und spielten Friede-Freude-Eierkuchen.

“Mamoru hat erzählt, dass er dir heute Mathe erklärt hat.”

Usagi sah erschrocken auf. Oh nein! Jetzt redete Saori auch noch mit ihr. Die Blondine versuchte ihr nettestes Lächeln aufzusetzen und nickte:

”Ja. Irgendwie hat der Lehrer das nicht so gut erklären können.”

“Hm, dabei ist Rechnen mit zwei Unbekannten ja nun nicht so schwer.”

“Stimmt. Wenn man es versteht.”

Mamoru entging der bissige Tonfall in Usagis Stimme nicht.

“Hast du noch andere Aufgaben, wo du Hilfe brauchst?”, versuchte er die Stimmung zu entspannen.

“Englisch. Verben in der richtigen Zeitform in einen Text einfügen.”

”Magst du die Aufgaben gleich jetzt machen? Dann kann ich dir zur Not helfen.”

Ohne groß darüber nachzudenken, nickte sie und angelte nach ihrer Schultasche neben sich, um die Aufgaben hervor zu holen. Er setzte sich neben sie und laß sich die Aufgabenstellung durch. Das Mädchen beobachtete ihn aus dem Augenwinkel heraus und spürte selbst den brennenden Blick Saoris auf sich. So gut sie konnte, ignorierte sie es und konzentrierte sich auf Mamorus Sätze. Er drückte ihr ein Grammatikbuch in die Hand und erklärte ihr, dass sie es erstmal damit versuchen sollte zu lösen. Wenn sie nicht weiterkam, würde er ihr helfen. Wieder nickte sie und begann mit dem Einsetzen der Verben.
 

Die Sonne stand schon tief und tauchte Mamorus Wohnzimmer in orangefarbenes Licht. Der Tee in den Tassen war längst ausgetrunken. Der Keksteller war leer. Nur noch einige Krümel lagen drauf. Zwischen dem Geschirr stapelten sich Bücher und Papier. Ein Kuli lag einsam unter dem niedrigen Sofatisch.

Mamoru schrieb die letzten Stichpunkte für sein Referat auf. Er war fertig geworden und recht zufrieden mit sich. Alles was sein Lehrer als Vorgabe gegeben hatte, hatte er mit reingenommen. Plus ein paar zusätzliche Informationen, die ihm eine Bestnote garantieren würden. Die nächsten Tage würde er alles nochmal am Laptop als Präsentation ausarbeiten. Eine Kleinigkeit für ihn.

Saori saß neben ihm und kämpfte sich durch diverse Chemieaufgaben. Dieses Fach war noch nie ihre Stärke gewesen. Doch sie wollte Medizin studieren und das an der Tôdai. Also musste sie sich reinhängen, um so gut wie möglich bei den Einstufungstests abzuschneiden. Die Plätze für das Medizinstudium waren begrenzt. Mamoru würde ohne Schwierigkeiten einen Platz ergattern. Sie musste sich mehr anstrengen. Weswegen sie nun auch mit dem Schwarzhaarigen lernte. Die Brünette hatte ihn zu Schuljahresbeginn im Uni-Vorbereitungskurs kennen gelernt. Er war ihr sofort ins Auge gestochen. Kultiviert und zuvorkommend. Es hatte einige Zeit gedauert, bis sie den Mut aufgebracht hatte, ihn überhaupt anzusprechen. Dafür waren sie umso schneller ins Gespräch gekommen. Hatten gemeinsame Interessen gefunden und waren seitdem auch ab und an mal zusammen ausgegangen. Meistens ins Kino. Er war immer nett zu ihr. Und Saori musste sich schnell eingestehen, dass sie sich in ihn verguckt hatte. Aber bisher hatte sie noch nichts von solchen Gefühlen seinerseits für sie entdecken können. Leider. Stattdessen musste sie sich nun mit einer Rivalin rumschlagen. Wobei sie sich sicher war, dass diese Blondine ihr ohnehin nicht das Wasser reichen konnte. So wie sie das Mädchen einschätzte, war sie nicht sehr gebildet. Und dennoch verbrachte Mamoru viel Zeit mit ihr und ihren Freundinnen in dieser Spielhalle. Saori konnte dem Crown nicht viel abgewinnen. Auch wenn dort Mamorus bester Freund arbeitete, fand sie es einfach nur unter ihrer Würde. Und dieser Motoki schien auch keine ernsthafte Karriere anzustreben, wenn er tagein, tagaus nur dort kellnerte. Seinem Vater gehörte wohl der Komplex. Aber man konnte ja trotzallem mehr aus sich machen, als sowas eines Tage zu übernehmen.

“Mondpudding.”

Verwirrt sahen Mamoru und Saori zu Usagi, die auf dem Sofa saß. Oder mittlerweile eher lag. Ihr Kopf war auf die Armlehne gesunken und das Englischbuch auf ihrem Bauch hob und senkte sich in den Abständen ihrer Atemzüge.

“Ist die eingeschlafen?”, Saori klang hörbar entrüstet.

“Ja.”

”Warum?”

”Lernen ist nicht so ihre Stärke. Beziehungsweise alles was mit Konzentration einher geht. Und für heute hat sie ihr Pensum schon wirklich überstrapaziert.”, grinste Mamoru. Er stand auf und ging um den Tisch herum zu dem schlafenden Mädchen. Er musste sich eingestehen, dass sie recht niedlich aussah dabei. Vorsichtig stupste er sie an.

“Hey, aufwachen.”

Sie reagierte nicht. Mamoru wusste, dass, wenn sie einmal schlief, auch nicht mehr so schnell aufwachen würde. Er wandte sich ab und begann damit, seine Notizen zusammen zulegen. Er merkte, wie Saori ihn leicht fassungslos anstarrte.

“Was ist denn?”, er verräumte alles auf seinem Schreibtisch .

“Willst du sie da jetzt liegen lassen?”

“Sicher. Stört doch nicht weiter. Außerdem sind wir ja eh fertig hier.”

”Und was ist mit Kino?”

”Kino?”

“Wir wollten heute noch ins Kino.”

“Muss wohl ausfallen. Sorry.”

“Ist das dein Ernst?”, abrupt war sie aufgestanden.

“Klar. Wo ist das Problem? Wir sind ja nicht zusammen.”

Dieser Satz versetzte Saori einen eiskalten Stich ins Herz. Natürlich hatte er Recht damit, aber trotzdem hoffte sie immer noch. Wütend schnappte sie sich ihre Unterlagen und stopfte alles in ihre Schultasche. Sie warf der schlafenden Usagi einen verächtlichen Blick zu. Das würde das kleine Biest ihr büßen. Egal wie gut sie mit dem Schwarzhaarigen befreundet war. Der gehörte ihr! Komme was wolle. Mit hocherhobenem Haupt ging sie in den Flur, zog ihre Schuhe an. Sie hatte nicht erwartet, dass er ihr folgte. Was sie nur noch wütender machte. Sie riss die Türe auf und ließ laut ins Schloss knallen.

Mamoru zuckte dabei zusammen und fluchte lauthals.

“Hm?”

Er fuhr herum.

Usagi rieb sich verschlafen über die Augen. Ihre Haarknoten hatten sich fast vollständig gelöst und dicke Strähnen standen ihr teilweise wirr vom Kopf ab. Sie sah sich um und musste sich ein wenig sammeln, um zu erkennen wo sie war. Ihre Augen suchten den Raum ab und blieben an Mamoru hängen, der wie vom Donner gerührt wenige Meter von ihr entfernt stand und sie einfach nur ansah. Dem Mädchen wurde klar, dass sie wohl nicht gerade gut aussah. Was war sie hier auch einfach auf seinem Sofa eingeschlafen? Als hätte sie sich in den letzten Wochen nicht schon genug zum Ei gemacht, toppte das hier einfach alles. Sie war einfach peinlich. Langsam schwang sie die Beine über die Sofakante und stand auf. Zupfte an ihrer Uniform rum, bis sie wieder halbwegs richtig saß.

“Entschuldige.”

”Was?”, Mamoru sah sie verwirrt an.

“Es gehört sich nicht, einfach so auf einem fremden Sofa einzuschlafen.”, sie löste ihre Haare nun gänzlich. Schwer fiel es ihr über die Schultern. Und für den Oberstufenschüler blieb die Zeit in diesem Moment stehen. Sie sah ganz anders aus. Edler. Damenhafter. Nicht mehr wie eine Mittelstufenschülerin von fünfzehn Jahren. Ohne das er was dagegen unternehmen konnte, ging er auf sie zu. Seine Hände entwickelten ein Eigenleben und angelten nach einer der goldblonden Strähnen. Vorsichtig ließ er es zwischen seinen Fingern hindurch gleiten. Ließ es dabei nicht aus den Augen.

Usagi musste ein Zittern unterdrücken. Noch nie zuvor hatte jemand sie so ehrfurchtsvoll behandelt. Sie beobachtete ihn dabei, wie er ganz fasziniert auf ihr Haar sah. Es sanft berührte. Ihr Atem ging stoßweise. Waren sie sich heute schon nah gewesen, so war diese jetzige Situation eine vollkommen andere. Sie waren ganz alleine. Nur zu zweit. In seiner Wohnung. Niemand der sie stören konnte, bei dem was immer jetzt auch geschehen würde. Niemand.
 

“Wo ist eigentlich Saori?”

Kaum hatten diese Worte ihren Mund verlassen, hätte sich Usagi selbst ohrfeigen können. Es war so typisch für sie, solche Momente kaputt zu machen. Selbst wenn es um ihr eigenes Glück ging. Sie sah, wie er abrupt ihre Strähne losließ und sie ansah. Der verträumte Ausdruck war aus seinen Augen verschwunden und der Realist in ihm hatte wieder die Oberhand.

“Oh, sie ist gegangen. Wir waren fertig mit dem Lernen und sie wollte noch ins Kino.”

“Ach so. Ähm, darf ich kurz dein Bad benutzen?”

“Ja. Gleich die Tür gegenüber der Garderobe.”

Die Blondine nickte nur und verschwand aus dem Wohnzimmer. Mamoru sah ihr nach. Was war eben bloß mit ihm los gewesen? Als sie ihre Haare geöffnete hatte, war es ihm, als hätte ein unsichtbarer Zauber von ihm Besitz ergriffen. Ihn gefangen genommen. Hätte er es nicht besser gewusst, er hätte gesagt, er wäre willenlos gewesen. Was an sich natürlich vollkommener Quatsch war. Seufzend fuhr er sich durch sein rabenschwarzes Haar. Seit ihrem Waffenstillstand war die Stimmung zwischen ihnen irgendwie anders. Besonders. Er konnte nicht sagen, woran es lag.

“Mamoru?”

“Ja?”, er drehte sich um und sah sie im Flur stehen.

“Ich muss jetzt nach Hause. Danke, dass du mir mit den Hausaufgaben geholfen hast. Und auch danke für den Tee.”, sie schlüpfte in ihre Schuhe und nahm von ihm die wieder gepackte Tasche entgegen.

“Keine Ursache. Und das meiste bei deinen Hausaufgaben hast du ja selbst geschafft.”

Sie nickte lächelnd und öffnete die Tür. Ihr Herz schlug mal wieder viel zu schnell und ihre Beine waren schon wieder weich wie Pudding. Ihre Augen trafen seine. Sie versank in diesem endlosen Ozean. Warum musste sie sich auch ausgerechnet in ihn verlieben?

Mamoru sah ihren Blick. Ihm war klar, was darin lag. Er fühlte sich einerseits unwohl, andererseits geschmeichelt. Und doch wusste er selbst nicht, wie er seine Gefühle einordnen sollte. Er mochte das Mädchen vor sich. Er genoss es, dass sie sich jetzt halbwegs gut verstanden. Und doch versetzte es ihm einen kleinen Stich ins Herz, wenn er daran dachte, dass er sie doch verletzte, weil er nicht das gleich für sie empfand. Er sah, wie sie von einem Bein aufs andere trat. Sie war sichtlich nervös.

“Usagi?”

”Ja!”, sie klang ein wenig zu aufgeregt. Es war ihr klar und augenblicklich legte sich ein Rotschimmer auf ihre Wangen. Es ließ Mamoru grinsen.

“Wenn du magst, kann ich dir ja öfters bei deinen Hausaufgaben helfen. Kontrollieren und so.”

”Das wäre nett. Ami kann das einfach nicht so verständlich erklären.”

“Sie ist eben auch ein sehr rationaler Mensch. So wie ich.”

“Ja, wie du.”, Usagis Stimme war leise. Sie wandte sich ab und öffnete die Tür, trat in den Flur hinaus. Er kam ihr ein Stück weit nach. Blieb aber auf der Schwelle seiner Wohnungstüre stehen.

“Es wird sich nie was zwischen uns ändern, oder?”

Usagi hatte der Deckenbeleuchtung ihren Blick gewidmet. Sie konnte ihn bei dieser Frage nicht ansehen. Aber sie brauchte Klarheit.

“Wir werden immer nur Freunde sein.”

“Wäre es sehr schlimm?”, seine Stimme klang ein wenig betrübt.

“Weiß ich nicht. Ich bin halt nur ein sehr emotionaler Mensch und du nicht. Ich weiß nichts von dir. Außer das du mich nicht hasst. Aber ich würde dich, um ehrlich zu sein, besser kennen lernen wollen.”

“Erstens mal hasse ich dich nicht. Und zweitens, bittest du mich gerade um eine Verabredung?”

“Nein!”, sie schüttelte heftig den Kopf, “Keine Verabredung. Nur ein unverbindliches, besseres Kennenlernen.”

”Usagi, dass ist eine Verabredung, wovon du gerade sprichst.”

“Nein, so was meine ich...”

“Okay. Ich bin dabei!”

“Was?”, verwirrt sah sie zu ihm.

“Okay. Ich bin dabei!”, wiederholter er seine Worte, “Morgen ist Samstag. Wenn du noch nichts vorhast, hol ich dich morgen um halb elf ab und wir unternehmen was. Spezielle Wünsche?”

“Äh, bummeln?”, was besseres fiel ihr auf die Schnelle nicht ein.

“Super. Dann sehen wir uns morgen.”, er grinste sie breit an.

Usagi konnte nur noch nicken und winkte ihm fast schon mechanisch hinterher, als er das gleiche tat und dann seine Türe schloss. Ihre Kopf war wie leer gefegt. Langsam ging sie zum Aufzug, stieg ein. Sie musste, wenn sie zuhause war, ganz dringend mit ihren Freundinnen telefonieren.

Date

4
 

Was hatte ihn nur geritten gestern?

Wieso war er auf ihre Bitte bezüglich eines besseren Kennenlernens eingegangen?

Und warum zur Hölle hatte er nicht einfach alles abgesagt und es als dummen Scherz seinerseits abgetan?

Mamoru seufzte mürrisch und sah sich um. Er stand mitten in einer Siedlung, zugebaut mit Einfamilienhäusern. Alle Grundstücke waren penibel durch Zäune oder Hecken oder beides voneinander abgegrenzt. Es war kaum zu glauben, dass man sich doch noch mitten in Tokio befand und das Vergnügungsviertel nur zwanzig Minuten mit der U-Bahn von hier entfernt war. Ein wenig unschlüssig blieb er an der Bushaltestelle stehen. Warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Kurz nach zehn. Er hatte noch gute zwanzig Minuten. Aus seiner Hosentasche zog er sein Handy. Usagi hatte ihm gestern Abend noch ihre Adresse geschickt und wie er am schnellsten von der Bushaltestelle dort hin kam. Er hob seinen Kopf und sah in den Himmel. Es war Mai und sie hatten jetzt schon über zwanzig Grad. Es versprach ein heißer Sommer zu werden. Langsam setzte er sich in Bewegung. Irgendwie würde er den Tag schon über die Bühne bringen. Es konnte ja nicht so schlimm werden. Sie gingen schließlich nur bummeln. Vielleicht würde er sie auf ein Eis einladen. Aber das wollte er von ihrem Verhalten abhängig machen. Obwohl das an sich ja schon eine Schnapsidee war. Genauso wie dieser ganze Tag. Sie würde sich nicht wesentlich anders verhalten als sonst. Sie würde über jeden Unsinn kichern und sich kindisch verhalten. Wenn er Glück hatte, würde sie ihn nicht allzu oft in eine peinliche Situation bringen.

Er bog um die nächste Ecke und in die Straße, wo ihr Elternhaus stand. Mamoru kannte die Schauergeschichten rund um Usagis Vater Kenji. Er hütete sein Töchterlein wohl wie einen Diamanten, der jederzeit gestohlen werden könnte. Leise musste er über diesen Vergleich lachen. Er überlegt, ob er sie vielleicht nur auf dem Handy anrufen und heraus beordern sollte. Dann würde er ihrem Vater nicht begegnen. Anderseits wäre das ziemlich unhöflich. Und der Schwarzhaarige war eigentlich alles andere als das. Also würde er sich der Herausforderung stellen. Was sollte auch schon schlimmes passieren? Er würde ihre Eltern freundlich grüßen, ein bisschen Smalltalk betreiben und versprechen, die Tochter noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder heim zu bringen.

Mamoru sah auf die Hausnummern an den Gartentoren. Wieso wohnte Usagi in so einer Gegend? Sie war die reinste Chaotin und passte so gar nicht in dieses wirklich spießige Vorstadtleben. Die Beete auf den Grundstücken waren genau ausgerichtet. Der kurz gemähte Rasen hätte dem der englischen Königin Konkurrenz gemacht. Und auch die Bäume schienen alle die gleiche Höhe zu haben. Er kam nicht umhin festzustellen, dass er viel besser hierher passen würde. Seine Wohnung war fast schon so konservativ wie die Vorgärten, an denen er gerade vorbei schlenderte. Der junge Mann überlegte, ob er sich hier jedoch überhaupt wohlfühlen würde. Er hatte nie in solch einer Umgebung gelebt. Nicht einmal als seine Eltern noch gelebt hatten. Mit ihnen bewohnte er eine großzügige Wohung, die in einem Nachbarkomplex von seiner heutigen Wohnung lag. Er konnte sich gar nicht vorstellen, überhaupt mal in so einem Haus zu leben. Wie sollte er das denn auch füllen? Schließlich war er alleine. Gut, irgendwann würde er vielleicht mal heiraten und eine Familie gründen. Aber konnte man so ein Haus dann mit Leben erfüllen? Eine geräumige Wohnung tat es sicher auch. Und dank der familienfreundlichen Politik konnte man auch auf einen der Spielplätz in den öffentlichen Parks gehen. Da brauchte man ja nun nicht zwangsläufig ein Grundstück. Für Kinder war es eh viel besser, mit Gleichaltrigen zu spielen.

Er blieb stehen. Die Hausnummer stimmte mit Usagis Angabe überein. Und selbst wenn die nicht an der Außenmauer gehangen hätte, hätte Mamoru gar nicht daran vorbei laufen können. Denn gleich unter dem Zahlenschild hing eine große Messingstafel mit ihrem Familiennamen darauf. Tsukino. Noch einmal atmete er tief ein und aus und öffnete schließlich das Gartentor. Er versuchte so entspannt wie möglich zu wirken. Obwohl es in seinem Inneren ganz anders aussah und er am liebsten schreiend weggelaufen wäre.
 

Usagi warf einen letzten Blick in den Spiegel. Sie strich ihr hellblaues Top glatt und zupfte an der beigen Hotpants. Aufmerksam hatte sie gestern Abend noch den Wetterbericht verfolgt und sich gefreut, dass das bisher gute Wetter sich noch einmal temperaturmäßig steigern würde. Sie fuhr mit der Bürste noch einmal durch ihre beiden Zöpfe. Eigentlich musste sie das gar nicht. Ihre Haaren waren so gepflegt, dass sie selten verknotet waren. Aber irgendwie musste sie ihre Nervosität loswerden.

Wieso hatte sie ihm das nur gesagt?

Warum hatte sie nicht einfach ihre große Klappe gehalten?

Und warum hatte er es als Date bezeichnet?

Es war kein Date! Sie wollte nur einmal von ihm die Chance erhalten, dass sie sich besser kennen lernten. Er sollte nicht immer von ihr denken, dass sie total weich in der Birne war. So wie er es ihr gerne an den Kopf warf. Und sie wollte auch nicht nur die kindliche, naive Blondine für ihn sein. Wenn er schon nichts von ihr wollte, dann sollte er sie zumindest so akzeptieren, wie sie war. In den letzten Wochen hatte sie ohnehin schon seine nette Seite kennen gelernt. Er sollte sie doch einfach nur mögen.

Leise seufzte sie und griff nach ihrer Umhängetasche. Packte alles nötige rein. Geldbörse und Taschentücher. Lippenpflegestift und Handy. Eigentlich hatte sie gestern Abend noch vorgehabt, eine ihrer Freundinnen anzurufen. Am liebsten alle auf einmal. Aber dann war ihr ihre Mutter dazwischen gekommen, die sie fragte, ob sie an diesem Wochenende mit zu ihrer Tante nach Itô fahren wollte. Usagi hatte sofort abgelehnt und somit die Neugierde ihrer Mutter geweckt. Die hatte sowieso einen sechsten Sinn für das Gefühlsleben ihrer Tochter. So hatte sie auch als erste bemerkt, dass die Blondine verliebt war. Und auch gestern ahnte Ikuko sofort, woher der Wind wehte. Zähneknirschend musste das Mädchen also von ihrer eigentlich nicht geplanten Verabredung erzählen. Zu allem Überfluss hatte dabei auch noch ihr Vater zugehört und der Abend wurde für sie zum reinsten Spießrutenlauf. Denn während ihre Mutter ihr Tipps gab, wie sie denn am bezaubernsten wirken würde, verlangte ihr Vater, dass sie am besten keinen jungen Mann vor ihrem dreißigsten Geburtstag traf. Und natürlich hatte ihr kleiner Bruder Shingo auch noch so manchen dummen Spruch auf Lager. So hatte sich der Abend gezogen. Als sie dann endlich in ihr Zimmer kam, war es schon nach elf gewesen. Um die Uhrzeit musste sie keine ihrer Freundinnen mehr anrufen.

Ami schlief um die Zeit schon.

Rei saß am heiligen Feuer im Tempel.

Makoto schaute irgendwelche Kochsendungen.

Minako chattete mit Jungs.

Sie musste sich also selbst den Kopf darüber zerbrechen, was sie am besten anziehen und ihm zur Begrüßung sagen wollte. Mitten drin hatte ihr dann auch noch Mamoru selbst eine Nachricht geschickt. Da war es zehn vor zwölf und sie schon im Pyjama. Er hatte sie nach ihrer Adresse gefragt. Hatte sie die ihm nicht genannt. Sie schrieb sie ihm. Liebend gerne hätte sie ihm jedoch eine Absage geschickt. Irgendetwas darüber geschrieben, dass sie ihn nur testen wollte und er das nicht ernst nehmen sollte. Aber sie tat es nicht. Sie wollte ihn nicht wütend machen und noch weniger verletzen. Auch wenn er solch einen Dämpfer auch mal ganz gut verdient hätte. Er bedankte sich kurze Zeit später bei ihr. Seine Worten waren viel zu nett und verwirrten sie nur noch mehr.

Sie ging hinüber zum Fensterbrett und strich ihrer Katze Luna über den Kopf. Wie sehr sie diese kleine Samtpfote doch liebte. Sie war immer für sie da und zeigte so manches Mal mehr Mitgefühl als ihre eigenen Freundinnen. Nie würde Usagi den Tag vergessen, als sie die kleine schwarze Katze in einem Pappkarton fand. Zusammen mit einem weißen Kater. Artemis lebte mittlerweile bei Minako.

“Bis heute Abend, Süße!”

Usagi war bewusst, dass Luna ihr nicht hinterher trauern würde. Aber die Begrüßung und Verabschiedung gehörte nunmal zu ihren Ritualen. Noch einmal hinter dem Ohr kraulen und das Mädchen wandte sich von der Katze ab. Hob den Blick und erstarrte.

Mamoru öffnete gerade das Gartentor und ging mit gestrafften Schultern in Richtung Haustüre. So schnell sie konnte rannte sie zu ihrer eigenen Türe, riss diese auf und stürzte über die Tasche, die genau davor stand.

Fluchend rappelte sie sich auf und schaute in das grinsende Gesicht ihres kleinen Bruders.

“Shingo, du Nervzwerg! Was soll der Mist? Warum stellst du deine Tasche direkt vor meine Tür?”

“Konnte ich denn ahnen, dass du aus deinem Zimmer gerannt kommst, wie von der Tarantel gestochen? Sonst bist du auch nicht gerade die Schnellste. Außer wenn es um Mamas Teriyaki geht.”

Die Geschwister gerieten beide in Rage. Beschimpften sich gegenseitig und bis aufs Blut. Neben Mamoru war Shingo Usagis liebster Blitzableiter. Beide vergaßen um sich herum alles. Beleidigungen flogen wild hin und her. Sie bemerkten nicht einmal, dass nicht nur ihre Eltern mittlerweile Zuschauer ihres Treibens waren. Und nur durch Zufall sah Usagi aus dem Augenwinkel heraus, dass Mamoru am Fuß der Treppe stand. Zwischen ihren Eltern und das ganze belustigt verfolgte. Mit einem Ruck zog die Blondine ihren kleinen Bruder am Kragen zu sich ran. Funkelte ihn wütend an.

“Das wirst du bereuen, du kleine Ratte!”

“Versuch es doch, Dumpfbacke!”

Usagi schnaupte wütend und ließ ihn los. Ohne auf Shingos Grimassen einzugehen, ging sie die Stufen nach unten. Verlegen sah sie zu Mamoru. Strich sich eine Strähne hinter das Ohr.

“Hey!”

”Hey!”, Mamoru klang unsicher. Während er die Szene zwischen seinem Odango Atama und ihrem Bruder beobachtet hatte, kam ihm in den Sinn, dass er und sie wahrscheinlich genauso lächerlich beim Streiten aussahen. Und das er Shingo beim Verhalten in nichts nachstand. Wirkte er vielleicht auf Außenstehende auch wie ein Zehnjähriger? Bei diesem Gedanken überkam ihn ein Schauer. Ein zweiter durchfuhr ihn, als er Usagi sah. Natürlich war es sommerlich warm draußen. Aber musste sie so knappe Shorts anziehen?! Und seit wann hatte sie so lange Beine und weibliche Attribute. Das Top was sie trug, betonte diese nur allzu gut. Mamoru musste sich zusammen reißen, um nicht in ihren Ausschnitt zu starren. Ihr Vater, der direkt neben ihm stand, hätte ihm die Hölle heiß gemacht. Krampfhaft versuchte er an etwas anderes zu denken. Zum Beispiel an Eis. Nur dumpf bekam er mit, wie sich Usagi von ihren Eltern verabschiedete. Scheinbar fuhren sie übers Wochenende weg. Aber er war sich nicht sicher, ob er es richtig verstanden hatte und schwieg.

“Mamoru?”

“Was?”

“Gehen wir?”, Usagi sah ihn fragend an.

“Ja sicher. Auf Wiedersehen Frau Tsukino.”, er reichte Usagis Mutter die Hand und dann ihrem Vater, “Auf Wiedersehen Herr Tsukino.”

Kenji nickte nur missmutig und Mamoru musste sich ein Grinsen verkneifen. Scheinbar dachte ihr Vater wirklich, dass er seine Tochter an ihn verlieren könnte. Gentleman-like öffnete der Schwarzhaarige der Blondine die Tür. Sie winkte ihren Eltern zu. Streckte ihrem kleinen Bruder die Zunge raus. Dann fiel die Tür ins Schloss.

Der feine Kies knirschte unter ihren Füßen. Der junge Mann war ihr einen Schritt voraus und öffnete das Gartentor. Usagi sah zu ihm auf und bedankte sich leise. Fast schon schüchtern. Ein wenig musterte sie ihn. Noch nie hatte sie ihn in so lässiger Freizeitkleidung gesehen. Er trug knielange Jeansshorts. Dazu ein kariertes grünes Hemd. Der Stoff war recht dünn. Denn als eine kleine Brise aufkam, wurde sein Hemd gegen seinen muskulösen Oberkörper gedrückt. Usagi hörte bei diesem Anblick fast auf zu atmen und musste sich regelrecht von ihm losreißen. Wahrscheinlich sah sie dabei auch noch total albern aus. Hätte sie die Verabredung doch nur abgesagt. Jetzt hatte sie den Salat. Nach diesem Tag würde er sich nur noch über sie lustig machen. Für den Rest seines und ihres Lebens. Sie konnte nur hoffen, dass ihres nicht mehr allzu lange dauerte.

Mamoru hatte bemerkt, wie sie ihn angeschaut hatte. Er war sich seiner Wirkung auf das weibliche Geschlecht durchaus bewusst. Das aber nun scheinbar auch Usagi geradezu nach seinem Körper lechzte, kam ihm irgendwie seltsam vor. Still gingen sie nebeneinander her in Richtung Bushaltestelle. Von da aus erreichten sie die U-Bahn-Station und somit dann auch fast alle Stadtteile Tokios. Aus dem Augenwinkel heraus musterte er nun sie. Ihr Oberteil betonte ihre weibliche Silhouette. Seine Augen wanderten weiter. Uwillkürlich blieben sie an ihrem Po hängen. Warum durften junge Mädchen nur solche Kleidung tragen. Ihr Hintern schrie förmlich nach seinen Händen. Diese blöde Hotpants betonte ihr Gesäß aber auch nur zu gut. Es fühlte sich für den Schwarzhaarigen wie Minuten an, bis er seinen Blick losreißen konnte. Weiter nach unten nach unten wandern ließ. Ihre endlos langen Beine hinab. Sie Sonne hatte sie schon leicht gebräunt. Unmerklich schüttelte er den Kopf und richtete seinen Blick wieder starr gerade aus. Er hätte ihr sagen sollen, dass sie Schlabberklamotten anziehen sollte. Auch wenn er bisher nicht mehr als Freundschaft für sie empfand, so brachte ihr Aufzug sein Blut doch mächtig in Wallung. Ob er wollte oder nicht. Und er musste sich eingestehen, dass ihn Usagis Anblick weniger kalt ließ als der neulich von Saori, als diese sich für einen viel zu knappen Minirock und eine Bluse entschieden hatte, an der sie die obersten drei Knöpfe offen ließ. Es sah ziemlich billig aus. Vorallem in der Kombination mit den Highheels, in denen sie ohnehin nicht laufen konnte. Aber das ständige Umknicken war eine Ausrede, um sich an ihn klammern zu können. Usagis Auswahl hingegen traf bei ihm voll ins Schwarze. Sie sah nicht billig aus. Eher vollkommen normal. Als wäre sie mit ihren Freunden verabredet. Was in gewisser Weise ja auch stimmte. Sie war mit ihm verabredet. Einem Freund.

“Sag mal, wo wollen wir eigentlich hin?”

“Ich dachte, wir könnten zum Dome fahren und uns da ein wenig amüsieren.”, Mamoru besah sich den Busfahrplan. Der nächste sollte in fünf Minuten kommen.

„Klingt gut.“
 

Sie genoss die Meeresbrise, die zu ihr herüber wehte. Ihr taten die Beine weh und sie streckte sie von sich, so weit sie konnte. Legte den Kopf in den Nacken und genoss die Sonnenstrahlen. Die Temperatur war nochmals merklich gestiegen. Sie liebte solche Tage. Auch wenn der heutige leicht schräg war. Zumindest bisher.

Sie und Mamoru hatten tatsächlich jede Menge Spaß gehabt. Waren Achterbahn und Karussell gefahren. Hatten Zuckerwatte und Eis gegessen. Das Mädchen hatte den Oberstufenschüler noch nie so lachen gehört. Er war ganz gelöst und beleidigte sie auch nicht. Wäre sie nicht schon vorher in ihn verliebt gewesen, dann hätte sie jetzt ihr Herz an ihn verloren. Leise seufzte sie, schloss die Augen. Sie ließ all die kleinen Ereignisse des bisherigen Tages Revue passieren. Ihr war klar, dass sie ihn für ewig in Erinnerung behalten würde. Langsam setzte sie sich wieder gerade auf und sah sich suchend um. Eigentlich wollte Mamoru nur was zu essen holen, aber ihr kam es vor, als wäre er schon Stunden weg. Wo war er bloß?

„So alleine?“

Erschrocken wandte sie sich zur Seite.

„Oh, du.“, Usagis Stimme war weniger als freundlich. Sie sah zu dem jungen Mann, der in ihre Parallelklasse ging. Sie mochte ihn nicht sonderlich. Er war ein Streber und Schleimer. Und das er ständig hinter ihr in der Schule her pfiff, machte das Ganze nicht besser. Sie rutschte so weit es ging an den Rand der Bank, als er sich ungefragt neben sie hockte. Musste er ausgerechnet jetzt auftauchen?

„Was machst du heute hier?“, Seiya sah sie lächelnd an. Es war selten, dass er Usagi mal ohne ihre Freundinnen antraf. Eigentlich traf er sie immer nur in Gesellschaft ihrer Mädchenclique. Und dann sah sie ihn nicht mal an. Wenn nur kurz und verbunden mit einer knappen Begrüßung. Dabei wollte er ihr so gerne näher kommen. Aber sie wimmelte ihn ab. Ohne ersichtlichen Grund. Dabei interessierten sich doch nahezu alle Mädchen aus seinem Jahrgang für ihn. Warum sie nicht? Und auch jetzt schien sie nicht den Anschein zu machen, ihm zu antworten.

„Ich bin nur zufällig hier, weißt du?! Und dann sah ich dich und dachte mir, dass ich ja zu dir kommen kann. Scheinbar sind deine Freundinnen ja heute nicht bei dir. Was hälst du davon, wenn wir zusammen ein Eisessen gehen oder so? Immerhin ist es ja auch ein wunderschöner Tag. Den solltest du nicht alleine verbringen.“

Usagi sah aus dem Augenwinkel, wie er sie anlächelte. Wieso konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen. Wie oft hatte sie ihm einen Korb gegeben. Er ließ nicht locker. Dabei hatte er soviele weibliche Anhänger, sollte er doch mit einer von denen zusammen sein. Sie verstand ohnehin nicht, was alle an ihm fanden. Er war nicht sonderlich groß und trug seine schwarzen Haare lang. So lang, dass er sie sogar zu einem Zopf zusammen gebunden hatte. Wodurch er auch noch ziemlich weiblich aussah. Männlich war definitiv was anderes!

„Und? Wie lautet deine Antwort?“

Die Blondine wollte gerade antworten, als es jemand anderes für sie tat.

„Ihre Antwort lautet Nein.“

Überrascht sah Seiya auf und in das leicht verärgerte Gesicht eines ihm unbekannten jungen Mannes, der in jeder Hand einen Hotdog hatte.

„Wer bist du denn?“

„Chiba Mamoru. Und du bist?“

„Kou Seiya. Ein Mitschüler von Usagi. Wir wollten gerade ein Eis essen gehen.“

„Sie hatte heute schon ein Eis.“, Mamorus Stimme war ein leises Knurren.

„Sie mag Eis.“

„Jetzt will sie keins.“

Die beiden jungen Männer starrten sich feindselig an. Seiya war mittlerweile aufgestanden. Er war um einen halben Kopf kleiner als sein Gegenüber, was die Szenerie ziemlich lächerlich erscheinen ließ.

Usagi erhob sich nun ebenfalls und ging einen Schritt auf Mamoru zu. Sanft berührte sie ihn am Arm, was ihn leicht aufschrecken ließ. Seine Augen wanderten von Seiya zu dem Mädchen, dass kaum merklich den Kopf schüttelte. Er sah, wie sie nach dem Hotdog in seiner Hand griff und hinein biss. Ihn dabei angrinste. Er konnte nicht anders und erwiderte es. Dann drehte sie sich zu ihrem Mitschüler.

„Sorry Seiya, aber ich bin tatsächlich schon verabredet. Mamoru hatte mich gestern schon gefragt, ob wir heute ausgehen.“

„Ich hatte dich schon vor drei Tagen gefragt.“

„Da war sie auch mit mir verabredet.“, der Oberstufenschüler zog Usagi in eine leichte Umarmung. „Wenn du uns nun entschuldigen würdest?!“

Schneller als das Mädchen reagieren konnte, wurde sie von Mamoru mitgezogen. Sie sah nur noch, wie Seiya ihr fragend und säuerlich zugleich hinterher sah. Kurz überlegte sie, ob sie ihm eine Entschuldigung und Abschiedsworte zurufen sollte. Doch sie tat es nicht. Am Ende interpretierte er nur noch was hinein. Stattdessen wandte sie sich ab und lief Mamoru wie ein treuherziger Hund hinterher. Fast schon blind stolperte sie ihm nach.

Er zog sie einfach die Promenade entlang. Sprach kein Wort. Usagi kam nicht umhin sich zu fragen, ob sie vielleicht was falsch gemacht hatte. Sein Griff um ihre Hand war relativ fest und seine Schritte schnell.

„Mamoru.“

Er reagierte nicht. Lief einfach weiter. Was hatte er denn auf einmal nur? Bis jetzt war der Tag doch nahezu perfekt und er hatte gute Laune gehabt. Und nun war seine Stimmung auf Kellerniveau und tiefer. Das gefiel ihr ganz und gar nicht. Obwohl sie dieses Date nicht wirklich wollte, so hatte sie es bisher trotzdem genossen. Sie wollte es auch weiterhin genießen.

„Mamoru!“, ihre Stimme war energischer geworden. Aber noch immer blieb er nicht stehen. Dafür tat sie es. Ganz unmittelbar.

Mamoru bemerkt, wie sie stoppte und er dadurch stolperte. Genervt drehte er sich um.

„Was?“

„Was ist mit dir plötzlich los?“

„Nichts.“, trotzig biss er in seinen fast schon kalten Hotdog. Wich ihrem Blick aus.

„Ist es wegen Seiya?“, sie sah auf ihren Hotdog. Ihr Hunger war wie weggeblasen und sie beförderte den Snack in den nächsten Mülleimer. Nervös besah sie sich ihre Finger.

Er konnte gar nichts dagegen tun. Als sie den Namen dieses Typen von eben aussprach, krampfte sich alles in ihm zusammen. Er wusste nur nicht warum. Mamoru spürte, wie sie näher an ihn heran trat. Ihn vorsichtig am Arm berührte. Ein Gefühl wie ein Blitzschlag durchfuhr ihn nur wenige Sekunden später.

„Ich wusste nicht, dass wir hier auf ihn treffen würden.“, ihre Stimme hörte sich seltsam fremd an.

„Ich gehe auch nicht davon aus, dass du mit ihm und mir gleichzeitig verabredet bist.“

Seine Augen suchten ihre. Er sah die Traurigkeit in ihnen.

„Wenn du das hier alles abbrechen willst, dann ist das okay.“

„Nein!“

Leicht erschrocken sah sie zu ihm auf und musste lachen, als er sich ebenso erschrocken die Hand vor den Mund hielt. So laut wollte er nicht werden. Und auch nicht so tollkühn.

„Nein, ich will den Tag mit dir verbringen und wir lassen ihn uns nicht vermiesen.“

„Okay.“

„Gegen mich kommt diese Witzfigur doch ohnehin nicht an. Oder?“, er zwinkerte ihr zu. Brachte sie so damit zum Erröten. Usagi schüttelte den Kopf.

„Gegen dich kommt er wirklich nicht an. Keiner kommt an dich ran.“, ihre letzten Worte waren leise. Aber Mamoru hörte sie trotzdem. Erstaunt blickte er sie an, doch sie wich ihm aus. Hielt ihr Gesicht in die Sonne und ließ sich den Wind um die Nase wehen. Er musste lächeln. Sie versuchte ihm scheinbar nicht mit ihren Gefühlen auf die Nerven zu gehen oder ihn zu überfordern. Doch sie konnte sich auch nicht verstellen. Langsam aber sicher musste er zugeben, dass es ihn mehr als nur schmeichelte, dass er seiner liebsten Feindin den Kopf verdreht hatte. Er hielt ihr die Hand hin, die sie erstaunt ansah und dann zu ihm aufblickte.

„Na lass uns noch einen Hotdog holen. Du hast deinen weggeschmissen und meiner ist auch kalt.“

Er lächelte, als sie zustimmend nickte. Etwas zaghaft ergriff sie seine Hand und ließ sich von ihm zum Hotdog-Stand führen.
 

Die Sonne stand schon wesentlich tiefer am Himmel, als Usagi neben Mamoru durch den Jubaan-Park lief. Die letzten Stunden waren einfach wunderbar gewesen. Sie hatten trotz des Zwischenfalls mit Seiya noch viel gelacht und Spaß gehabt. Öfters hatte er ihre Hand gehalten und sie an sich rangezogen, wenn es ein Gedrängel irgendwo gab. Egal ob in der U-Bahn oder beim Anstehen wegen der Hotdogs. Jedes Mal hatte er dafür gesorgt, dass ihr Herz einen Salto nach dem anderen schlug. Doch sie versuchte, es sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Er sah nur eine Mittelschülerin in ihr, mit der er nun befreundet war. Und der wusste, dass sie in ihn verliebt war. Mehr war da nicht zwischen ihnen.

„Mir tun langsam so richtig die Füße weh.“

Die Blondine sah überrascht auf, als er sich auf eine Bank am See fallen ließ und ihr bedeutete, sich auch zu setzen. Sie tat es. Erst jetzt fiel auch ihr der Schmerz in den Füßen auf. Sie waren soviel unterwegs gewesen, dass sie ihn ganz vergessen hatte. Sie blickte zur Seite und sah, wie Mamoru auf den See starrte. Nur allzu gerne hätte sie ihn gefragt, woran er gerade dachte. Aber sie traute sich nicht ihn zu fragen.

„Danke für den schönen Tag!“

„Was?“

„Danke für den schönen Tag!“, wiederholte er seine Worte.

„Ich danke dir auch dafür.“

Mamoru wandte sich vom See ab und Usagi zu. Sah ihr Lächeln und ihre strahlenden Augen. Anscheinend hatte er ihr heute wirklich eine große Freude gemacht.

„Kennst du mich nun besser?“

„Ich weiß nicht. Also ich meine, ich weiß, was du gerne tust, wenn du mal nicht lernst oder im Crown bist. Und ich hab dir erzählt, was ich sonst noch so mache.“

„Stimmt. Langsam frage ich mich, warum wir uns immer nur gestritten haben.“

„Ich weiß nicht. Wir haben einfach aneinander vorbei geredet.“

„Hm.“, er sah wieder auf den See. „Usagi?“

„Ja?“

„Warum ich?“

Über ihren Rücken fuhr ein eiskalter Schauer. Musste er unbedingt wieder damit anfangen? Sie wusste es doch selbst nicht. Sie wusste nur, dass sie in ihn verliebt war.

„Was ist so besonders an mir?“

Usagi nestelte nervös an Saum ihres Oberteils herum. Sie spürte seinen Blick. Versuchte ihm jedoch auszuweichen und hob nur die Schulter.

„Du kannst es mir ruhig sagen. Ich reiß dir nicht den Kopf ab. Versprochen!“, er versuchte locker zu klingen. Doch in Wirklichkeit war ihm speiübel vor Aufregung wegen ihrer möglichen Antwort. Bisher hatte er nie ein Mädchen gefragt, dass ihn toll fand, warum sie ihn unbedingt zum Freund haben wollte. Aber bei Usagi interessiert es ihn seltsamerweise brennend. So richtig erklärt hatte sie es ihm bisher nicht. Er beobachtete sie dabei, wie sie auf ihre Füße starrte. Ihr Atem schien stoßweise zu gehen. Sie würde doch wohl hoffentlich jetzt nicht einfach ohnmächtig werden. Schon wieder. Es war nicht so, dass er es damals als unangenehm empfand, als sie in seinen Armen lag. Es war eher das Gegenteil. Er fand es ganz nett, in diesem Moment ihr Retter auf dem weißen Pferd zu sein. Trotzdem wäre es ihm hier mitten im Park ein wenig peinlich gewesen. Immerhin waren noch einige Leute unterwegs. Er beugte sich zu ihr:

„Du musst es mir nicht sagen.“

„Du bist anders als die anderen Jungs, die ich kenne.“, sie hob den Kopf und sah ihm direkt in die Augen. Mamoru erwiderte ihren Blick.

„Anders?“

„Ja. Ich kann es nicht erklären. Ich konnte dich wirklich erst nicht leiden. Obwohl, das stimmt auch so nicht. Ich mochte dich schon. Irgendwie. Aber wir hatten einen miesen Start. Haben uns immer nur gestritten. Trotzdem habe ich mich jedes Mal auf unsere Treffen gefreut. Ich hab deine Stimme schon erkannt, da war ich noch nicht mal im Crown. Ich hatte Herzklopfen, wenn du mich angesehen hast. Und es blieb auch, selbst wenn du mich beleidigt hast. Irgendwann konnte ich nicht mal mehr sauer auf dich sein. Erinnerst du dich daran, als deine Mitschülerin samt Fanclub ins Crown kam und dich um ein Date gefragt hat?“

„Du meinst Himiko.“

„Ja. Du hast nur drei Sätze oder so mit ihr gewechselt und ihre Bitte in den Wind geschlagen. Dann hast du dich wieder mir und unsere Diskussion wegen meiner schulischen Faulheit gewidmet. Ich war damals so glücklich, dass ich dir wohl in dem Moment wichtiger war als ein Mädchen, dass dich anhimmelt. An dem Abend habe ich auch viel über unsere Diskussionen nachgedacht und über unsere Treffen. Und bei jedem Gedanken an dich bekam ich mehr und mehr Herzrasen. Ich glaub, es traf mich wie ein Blitzschlag, als ich erkannte, dass ich mich in dich verliebt hatte.“, sie lächelte. Strich sich eine Strähne hinters Ohr.

„Du hast es lange versteckt. Hätte ich es nicht durch Zufall heraus gefunden, wüsste ich es heute noch nicht.“

„Ich hab mich am Anfang auch wirklich bemüht und wollte mir auch erst sicher sein. Die Mädels haben es mir aber schon nach wenigen Wochen an der Nasenspitze angesehen und herausgefunden, dass du derjenige bist. Und den Rest kennst du ja. Jetzt sitzen wir hier und schauen auf den See.“

Mamoru sah kurz zum See. Die Abendsonne färbte den Himmel in ein Rosa und Orange und ließ Lichtreflexe über das Wasser tanzen. Dann sah er wieder zu ihr. Er sah, wie sie aufstand und einige Schritte zum Wasser ging. Gerade wollte er ihr antworten, als sie sich lachend umdrehte und ihn ansah.

„Ich mag das Gefühl, verliebt zu sein. Ich finde es schön. Und ich finde es schön, dass du meine Gefühle akzeptieren kannst. Vielleicht wirst du nie das selbe empfinden für mich, aber das macht nichts. Ich komm damit klar.“

„Wirklich?“, Mamoru war aufgestanden und an sie heran getreten.

Usagi nickte nur, wandte sich aber auch schnell ab. Seine Nähe, diese wenigen Zentimeter die sie trennten, machten sie wahnsinnig. Wären sie ein Liebespaar gewesen, hätte sie sich ihm an den Hals geworfen. Aber das waren sie nicht und würden es auch nie sein. Sie spürte, wie er direkt hinter ihr stand. Ein oder zwei Blatt Papier hätten noch zwischen sie gepasst. Verdammt! So wirklich kam sie damit gar nicht klar. Sie war so verliebt in ihn, dass es schon wehtat.

„Ich mag es, dass du in mich verliebt bist.“

„Was?“, nun drehte sie sich doch zu ihm um und sah ihn mit großen Augen an.

„Ich mag es.“, er lächelte sie an. „Bei dir weiß ich, dass du es ehrlich meinst. Das es nicht nur eine lose Teenager-Schwärmerei ist. Deine Gefühle sind echt und das mag ich. Das macht dich zu was ganz Besonderem, Usa.“

„Usa?“

„Wäre dir Odango Atama lieber?“

„Nein! Usa ist okay.“, stotterte sie verlegen.

Er hatte seine Hände in die Hosentaschen gesteckt. Er hatte es ehrlich gemeint. Sie war besonders. In jeglicher Hinsicht. Das er sich jetzt recht gut mit ihr verstand und sie auch nicht mehr stritten, machte die ganze Angelegenheit sehr entspannend für ihn. Er zog sein Handy aus der Tasche,um wegen der Uhrzeit zu sehen. Ein genervtes Aufstöhnen konnte er sich bei einem Blick auf das Display jedoch nicht verkneifen.

„Was ist?“

„Saori.“

„Oh.“

„Sie will wahrscheinlich wissen, wann wir wieder zusammen lernen.“

„Dann ruf sie am besten an. Ich warte so lange.“, Usagi lächelte ihn an.

„Nein. Ich bin mit dir heute unterwegs. Muss sie eben bis morgen warten. Also, was willst du noch machen? Es ist erst halb sieben.“

„Du lässt sie warten?“

„Ja. Also?“

Die Blondine war ein wenig überfordert. Er hatte die Brünette schon einmal unsanft abgeschoben, als sie bei ihm auf dem Sofa eingeschlafen war. Und nun tat er es wieder. Sie wusste nicht, wie sie das deuten sollte. Geschweigedenn verstehen. Empfand er vielleicht doch mehr für sie? Oder zumindest mehr für sie als für diese Saori? Gab es am Ende doch noch Hoffnung auf ein Happy End? Sie versank in Gedanken.

„Usa?“

„Dich küssen.“

Kaum hatten diese Worte ihren Mund verlassen, realisierte sie, was sie eben laut gesagt hatte. Dabei hatte sie doch eigentlich nur gerade kurz daran gedacht, wie es jetzt wäre, ihn hier am See ganz romantisch zu küssen. Aber als sie seine Augen sah, die sie erstaunt anblickten, wusste sie, dass sie ihren kitschigen Gedanken laut ausgesprochen hatte. Usagi fühlte, wie ihre Gesichtsfarbe in ein tiefes Rot wechselte und ihr Herzschlag einige Sekunden lang aussetzte. Warum war nie ein Loch zum Verkriechen in der Nähe, wenn man es mal brauchte? Sie wollte einige Schritte zurückweichen, doch sie kam nicht vom Fleck. Scheinbar verweigerten ihre Beine ihr den Dienst.

Mamoru konnte den Blick nicht von ihr wenden. Er bemerkte, dass sie zitterte und das es fieberhaft in ihr arbeitete. Wahrscheinlich wollte sie flüchten. Aber irgendwas hielt sie zurück. Ihre Worte wiederholten sich in Dauerschleife in seinem Kopf. Ihm war klar, dass sie es ihm nicht sagen wollte. Das sie nur laut gedacht hatte. Seine Augen wanderten von ihren blauen Augen hinab zu ihren Lippen. Selbst diese zitterten leicht. Und jetzt fiel ihm es selbst auf: Er zitterte genauso wie Usagi. Während sie sich nicht fortbewegen konnte, bewegte er sich noch näher auf sie zu. Seine Hände griffen nach ihren und drückten sie dabei leicht, als wollten sie sagen, dass alles gut sei. Immernoch huschte sein Blick zwischen ihren Augen und ihren Lippen hin und her.

„Hast du schon mal einen Jungen geküsst?“, seine Stimme klang ungewohnt rau. Er erkannte sie beinahe selbst nicht.

„Nein noch nicht.“

Usagi bemerkte nur allzu gut, dass er sich immer mehr zu ihr hinab beugte. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut. Ein Kribbeln durchfuhr ihren Körper.

„Warum nicht?“

„Es war nie der ein Mister Right dabei.“, ihre Stimme war tonlos.

Mamoru wusste mittlerweile nicht mehr richtig, was er hier tat. Sein Herz schlug wild gegen seine Brust. Er sah, wie sie sich unbewusst mit ihrer Zunge über ihre Unterlippe fuhr. Seine Nasenspitze traf ihre und genau wie sie musste er dabei lächeln. Es waren nur noch Millimeter zwischen ihnen. Sie hatte ihre Augen bereits geschlossen, er tat es ihr nach. Zärtlich und leicht berührte er ihre Lippen mit seinen. Nur allzu gerne wollte er den Kuss vertiefen.

„Mamoru!“

Kisses

Verwirrt sah er sich um. Wer zur Hölle rief da seinen Namen, während er gerade ein Mädchen küsste. Während er gerade Usagi küsste! Leicht säuerlich ließ er nun komplett von ihr ab, als er wieder seinen Namen hörte. Er erkannte Kobajashi, der mit ihm und Saori zusammen den Vorbereitungskurs für die Uni besuchte. Der junge Mann mit den kurzen braunen Haaren ging in die selbe Klasse wie Saori und kannte sie daher mehr als gut.

Usagi schaut unschlüssig zwischen Mamoru und dem auf sie zukommenden jungen Mann hin und her. Sie sah, wie dieser vor ihrem Gegenüber zum Stehen kam und ihn freundschaftlich begrüßte. Nur dumpf drangen die gesprochenen Worte an ihr Ohr. Es interessierte sie eigentlich auch nicht wirklich. Stattdessen hatte die Blondine viel mehr mit ihren Erinnerungen an die letzten Minuten zu tun. Was war bloß passiert? Und vorallem wie war es bloß passiert? Da die Jungs keine große Notiz von ihr nahmen, ging sie langsam zur Bank und setzte sich wieder hin. Mamoru hatte sie geküsst. Und sie hatte es erwidert. Er war zärtlich gewesen. Dabei war es nur ein dummer und laut ausgesprochener Gedanke ihrerseits gewesen, dass sie ihn gerne küssen wollte. Sie wusste noch nicht einmal, warum er dem Ganzen nachgekommen war. Vorsichtig sah sie zu ihm und seinem Freund rüber. Ihr Herz pochte immer noch unaufhörlich und viel zu schnell und laut in ihrer Brust. Hieß das denn jetzt, dass er doch mehr als nur Freundschaft für sie empfand? Vielleicht hatte er sich ja auch in sie verliebt. Vielleicht.

Mamoru hörte nur mit einem Ohr zu. Seine Gedanken waren nicht ganz bei der Sache und viel mehr bei Usagi. Ihm war es nicht entgangen, dass sie sich auf die Bank gesetzt hatte und so wie er ihren Gedanken nachhing. Ihm war klar, dass er sie verwirrt hatte. Genauso wie sich selbst. Er hatte sie geküsst und es hatte sich gut angefühlt. Fast schon zu gut. Der Schwarzhaarige hatte immer noch Herzklopfen. Irgendwie überforderte es ihn sogar. Sowas hatte er noch nie gefühlt. Außer gestern Abend als sie mit offenen Haaren in seinem Wohnzimmer gestanden hatte. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er doch glatt geglaubt, er wäre drauf und dran gewesen, sich in sie zu verlieben.

Leise seufzte er auf. Er musste das dringend klären mit Usagi und sich Klarheit über sein eigenes Gefühlsleben verschaffen.

„Hey Kumpel! Hörst du mir überhaupt zu?“, Kobajashi sah ihn fragend an. Ihm war nicht entgangen, dass sein Freund nur halb und eigentlich auch gar nicht zuhörte.

„Was?“

„Du hast mir gar nicht zugehört.“

„Doch hab ich.“

„Okay. Und was hab ich dir gerade erzählt?“

„Ähm, dass…ähm…keine Ahnung.“, Mamoru ließ die Schultern hängen und sah ihn schuldbewusst an. Der Braunhaarige lachte leise auf.

„Keine Sorge. Ich hab schon gesehen, dass du nur Augen für die kleine Blonde da auf der Bank hast. Tut mir ja auch leid, dass ich euch gestört habe. Was läuft denn da zwischen euch? Ich meine, Saori ist ja auch hinter dir her.“

„Hör mir nur auf mit der.“, Mamorus Stimme wurde augenblicklich schroffer. „Aber nun sag schon, was du mir sagen wolltest.“

„Oh, wegen Saori bin ich hier. Sie hat dich wohl tausendmal versucht anzurufen und dich nicht erreicht. Dann hat sie eben mich angerufen und gemeint, sie geht dich suchen. Und wenn ich dich vorher zufällig treffe, soll ich dir sagen, dass sie im Crown auf dich wartet. Dabei hab ich wesentlich besseres zu tun, als dich zu suchen. Bin nämlich eigentlich fürs Kino mit meiner Clique verabredet.“

„Warum wartet sie dort? Motoki hat ihr dort mehr oder weniger Hausverbot erteilt, nachdem sie Usagi dumm angemacht hat.“

„Usagi? Warte mal. Ist die Kleine dort die Usagi, mit der du dich immer nur in den Haaren hattest?“

Mamoru konnte nur nicken.

„Echt jetzt?!“, Kobajashi grinste von einem Ohr zum anderen. Er kannte nur allzu gut die Streitereien zwischen ihnen. Hatte sie das eine oder andere Mal live im Crown miterlebt. Dank Saori wusste er nun auch, dass die blonde Mittelstufenschülerin seit längerer Zeit in Mamoru verliebt war und ihm hunderte Liebesbriefe geschrieben hatte. Nie und nimmer hätte er gedacht, dass der Schwarzhaarige mit ihr auch ausging. Saori versuchte schon seit Wochen ihn rumzukriegen. Bat ihn um Verabredungen und rückte ihm auf die Pelle. Aber Mamoru ging nicht darauf ein beziehungsweise ignorierte es. Überhaupt hatte Kobajashi seinen Kumpel noch nie mit einem Mädchen gesehen. Zumindest nicht so vertraut. Am Anfang hatte er sogar gedacht, dass Mamoru vielleicht sogar auf seinesgleichen stand. Doch diese Vermutung zerfiel schnell zu Staub, als er sah, wie der Schwarzhaarige mit Mädchen durchaus flirten konnte. Sofern er wollte und Lust dazu hatte.

„Habt ihr ein Date?“

Mamoru wurde feuerrot im Gesicht und er versuchte schnell dem Blick seines Gegenüber auszuweichen. Trotzdem nickte er zur Antwort.

„Sie wollte mich besser kennen lernen.“, seine Stimme war leise. „Und da hab ich ihr das Date heute vorgeschlagen.“

„Wie? Du hast sie zum Date eingeladen?“, Kobajashi fiel fast vom Glauben ab bei dieser Antwort.

„Ja. Wir waren im Dome und sind jetzt halt hier.“

„Und ihr habt euch geküsst.“

„Ja.“

„Wie geht es jetzt weiter? Ihr seid doch jetzt zusammen. Saori wird das nicht gefallen.“

„Ach vergiss doch diese dumme Nuss!“, Mamorus Stimme war lauter geworden. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, dass Usagi dadurch aus ihren Gedanken geschreckt war und ihn fragend ansah. Er schüttelte nur den Kopf und bekam ein wundervolles Lächeln geschenkt.

„Ich weiß nicht, ob wir zusammen sind.“

„Ihr habt euch geküsst. Und ihr geht auch echt nett miteinander um. Ziemlich vertraut, wenn ich das so sagen darf. Usagi sieht wirklich niedlich aus, wenn sie lacht. Abgesehen davon das sie auch so hübsch ist. Wesentlich hübscher als Saori. Allein ihre Frisur ist genial!“, Kobajashi grinste. „Du wärst ein Idiot, wenn du sie gehen lassen würdest.“

„Ich weiß. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das selbe für sie empfinde wie sie für mich. Verstehst du?“

Der Braunhaarige nickte nur.

„Ich will sie nicht verletzen. Aber irgendwie ist da schon was. Ich meine, wir haben vorhin einen Mitschüler von ihr getroffen, der sie angegraben hat. Das hat mich irgendwie gestört.“

„Du hörst dich schon ziemlich verknallt an, Mamoru.“, lachte Kobajashi leise.

„Echt?“

„Ja.“

„Was soll ich denn nun machen?“

„Mensch, dass ich das noch erleben darf. Der große Chiba Mamoru ist komplett überfordert. Hör mal! Lasst es langsam angehen. Trefft euch öfters und nur du und sie. Lernt euch weiter kennen. So wie sie es vorgeschlagen hat. Dann wirst du sehen, wohin das alles führt.“

Der Schwarzhaarige wollte gerade antworten, als sein Freund nur den Kopf schüttelte und hinter ihn deutete. Er sah sich um und Usagi direkt in die blauen Augen.

Usagi wollte nicht mehr einfach nur rumsitzen. Irgendwie erschien ihr Mamoru verunsichert und sein Freund hingegen schien sich prächtig zu amüsieren. Was ihr reichlich unfair vorkam. Kurz berührten sich ihre Finger und es fühlte sich wie ein elektrischer Schlag an.

„Du bist also die berühmte Tsukino Usagi.“, Kobajashi verbeugte sich leicht und sie tat es ihm nach.

„Und du bist?“

„Hamato Kobajashi. Ich besuche den gleichen Vorbereitungskurs wie Mamoru. Schön dich mal kennen zulernen. Er hat schon viel von dir erzählt.“

„Hoffentlich nur Positives.“, sie grinste zwischen Mamoru und dem Braunhaarigen hin und her.

„Ja sicher doch. Also Mamoru, ich hab dich nicht gesehen.“

Der Angesprochene wusste sofort, was der andere meinte.

„Danke!“

„Ich werde sie auch so schonend drauf vorbereiten.“

„Na noch ist ja nichts fix.“

„Hm, ich denke schon. Liegt nur an dir.“, Kobajashi lachte laut auf und boxte Mamoru freundschaftlich gegen die Schulter. Dann wandte er sich an Usagi und verabschiedete sich auch von ihr. Sie erwiderte seinen Gruß. Beide sahen ihm hinterher, wie er um die nächste Ecke verschwand. Dann sahen sie sich an.

Mamoru versank in ihren Augen. Er konnte die knisternde Spannung zwischen ihnen fühlen. Sein Freund hatte ja ohnehin Recht. Sie mussten sich wirklich erst besser kennen lernen. Ein Kuss alleine tat es da nicht. Und über den mussten sie sowieso noch reden. Gerade wollte er zum Sprechen ansetzen, als Usagi seine Hand ergriff. Irgendwie hatte er immer das Gefühl, als wüsste sie schon im Vorhinein, was er tun und sagen wollte.

Langsam wurde ihr kalt. So warm es tagsüber auch war, wenn die Sonne weg war, wurde es wieder empfindlich kalt. Während sie gewartet hatte, hatte sie einen Blick auf ihr Handy geworfen. Es war kurz vor halb acht. Sie wollte das Date noch nicht enden lassen. Sie wollte aber auch nicht ins Crown, wo alle anderen waren. Aber konnte sie ihn so einfach mit nach Hause nehmen? Gut, ihre Eltern waren nicht da. Und Shingo auch nicht. Nur sie und Mamoru. Andererseits war genau das auch wieder das Problem. Sie und Mamoru. Usagi wusste, dass er ein Gentleman war und nichts tun würde, was sie nicht wollte. Und sicherlich käme es auch nicht dazu. Es gab nur diesen einen kleinen Kuss. Vollkommen unschuldig und ohne Hintergedanken.

„Soll ich dich heim bringen? Du hast eine Gänsehaut.“

„Ja, das wäre lieb. Danke!“
 

Den ganzen Heimweg über hatten sie geschwiegen. Sowohl in der S-Bahn als auch im Bus. Und den Weg von der Haltestelle zu ihrem Elternhaus ebenso. Mamoru konnte die Blicke der neugierigen Nachbarn in seinem Rücken spüren, die hinter den Gardinen standen und ihn beobachteten. Dieses Vorstadtleben war definitiv nichts für ihn. Doch er konnte verstehen, warum es Familien mit Kindern vorzogen, sich hier ein Haus zu bauen oder zu kaufen. Auf die Dauer gesehen, war es preiswerter als eine große Wohnung mit vier Zimmern mitten in Jubaan, wo er lebte. Außerdem war es sicherlich gesünder für die Kinder mit der ganzen frischen Luft.

„Da wären wir.“

Ihre Stimme riss ihn aus seinen Spießergedanken. Kurz sah er zu ihr und dann zu ihrem Elternhaus. Sie standen inmitten des Vorgartens. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie sie durch das Tor gekommen waren.

„Danke für den schönen Tag.“, Usagis Stimme zitterte ein wenig. „Ähm, magst du noch mit rein kommen? Auf einen Kaffee oder so?“

„Und deine Eltern?“

„Die sind doch heute Morgen weggefahren. Erinnerst du dich?“

„Ja.“, wieder klang seine Stimme rau. „Kannst du Kaffee kochen?“

„Nein. Aber wir haben so einen Kapselautomaten. Das kann ich. Der macht nämlich auch prima Kakao.“

Da war sie wieder: Die kleine, etwas naive Usagi die er so mochte. Und nun lud sie ihn ganz mädchenhaft noch zu sich ein. So richtig wusste er nicht, was er davon halten sollte. Aber es war auch eine gute Gelegenheit, sich über den Kuss zu unterhalten und wie es jetzt weitergehen sollte.

„Also? Nimmst du meine Einladung an?“

„Ja.“

Sie nickte nur und schloss die Tür auf. Irgendwie war das ganze hier total absurd. Kaum waren ihre Eltern und ihr kleiner Bruder nicht da, hatte sie nichts besseres zu tun, als einen jungen Mann mit zu sich nach Hause zunehmen. Leise und unbemerkt von Mamoru seufzte sie und schüttelte dabei den Kopf. Wenn sie das den Mädchen erzählen würde, würden die ihr kein Wort glauben oder sie gleich einweisen lassen. Sie streifte sich ihre Schuhe ab und legte ihre Tasche auf die Treppenstufen. Wandte sich dann an Mamoru.

„Fertig?“

Er nickte ihr nur lächelnd zu und folgte ihr in die Küche und weiter ins angrenzende Wohnzimmer. Schon am Vormittag waren ihm die vielen Familienfotos im Vorzimmer aufgefallen. Und hier war es nicht anders. Überall standen und hangen Fotos von Usagi und ihrem kleinen Bruder. Von Familienausflügen und Geburtstagen. Die Fotos die der Schulfotograf einmal im Jahr machte waren ebenso vertreten wie Babyfotos. An eines ging er näher heran. Besah es sich genauer. Mamoru musste lächeln, als er Usagi darauf betrachtete. Wie alt mochte sie da gewesen sein? Drei oder vier vielleicht. Sie versuchte einen Kinderwagen zu schieben. Wahrscheinlich lag Shingo darin. Sie stand angestrengt auf Zehenspitzen und lachte in die Kamera. Schon damals hatte sie ihre typischen Haarknoten. Nur die heraus schauenden Enden waren wesentlich kürzer als heute, wo sie ihr fast bis in die Kniekehlen reichten.

Usagi stand neben der Kaffeemaschine und wartete, bis die Kapsel durchgelaufen war. Zucker hatte sie bereits hingestellt. Sie wusste, dass er ihn schwarz aber süß trank. Ihr Blick fiel durch die Schiebetüre. Sie sah, wie er die alten Familienfotos betrachtete. In dem Moment war sie froh, dass die ganzen Babyfotos von ihr und auch die von Shingo bei ihren Eltern im Schlafzimmer hingen. Und nur weil sie und ihr Bruder sich vor zwei Jahren beschwert hatten, nach dem sich alle Freunde deswegen über sie lustig gemacht hatten. Mamoru musste nun auch nicht unbedingt sehen, wie sie quietschvergnügt auf ihrer alten rosa Babydecke rumrollte. Noch dazu nackt! Oder wie sie in der Wanne saß und heulte, weil ihre Mutter ihre Haare wusch. Geschweigedenn von den ersten Toilettenversuchen. Sowas konnte er sich in zehn Jahren ansehen. Nach ihrer Hochzeit. Innerlich schallte sie sich selbst für den Gedanken. Wie kam sie nur schon wieder auf sowas? Es lag wohl doch an dem Kuss. Usagi wandte sich ab von Mamoru und der Kaffeemaschine zu. Sein Kaffee war fertig. Fehlte nur noch ihr Kakao. Während der durchlief, ging sie zum Kühlschrank und holte sich die Sprühsahne raus. Ohne ging gar nicht.

Der Schwarzhaarige hatte gar nicht mitbekommen, dass die Blondine das Zimmer betreten hatte. Sein Blick war auf ein Bild gerichtet, dass wohl im letzten Sommerurlaub entstanden war. Es zeigte Usagi, wie sie verträumt auf einem Felsvorsprung stand und in die untergehende Sonne blickte. Sie trug eines von diesen langen Hippiekleidern. Der weiße Stoff schien ihren Körper zu umtanzen und zu umgarnen. Ihre langen Zöpfe wehten im Wind. Mamoru kam nicht umhin festzustellen, dass sie wunderschön und wie eine Prinzessin aussah. Und augenblicklich schlug sein Herz wieder schneller. Wieso war ihm nicht schon eher aufgefallen, wie hübsch sie in Wirklichkeit war? Stattdessen hatte er sie immer nur geärgert und wegen ihres übermäßigen Schokoshakeskonsum aufgezogen. Mittlerweile fragte er sich ohnehin, wo sie diese Unmengen hinpackte. Denn so wie er das heute gesehen hatte, trug sie kein Gramm zuviel mit sich rum. Stattdessen war sie an den richtigen Stellen gut proportioniert.

„Das war letztes Jahr in Itô.“

Er fuhr herum und sah auf Usagi. Beobachtete sie dabei, wie sie das Bild nahm und damit zum Sofa ging. Sich darauf niederließ. Er folgte ihr und setzte sich neben sie.

„Da kannte ich dich gerade ein paar Monate. Und ich hab dich während der Zeit in Itô wirklich schrecklich vermisst. Niemand zum Streiten.“

„Warst du da schon in mich verliebt?“, das letzte Wort kam ihm etwas schwerer über die Lippen.

„Nein.“, sie schüttelte lachend den Kopf. „Damals noch nicht.“

Sie stellte das Foto auf den Tisch und nahm stattdessen beide Tassen. Sie reichte ihm den Kaffee und kuschelte sich dann mit ihrem Kakao in die Ecke des Sofas und nahm einen Schluck. Etwas irritiert sah sie auf und Mamoru an, als der zu lachen begann.

„Was ist denn?“

Doch er antwortete ihr nicht, sondern beugte sich zu ihr und wischte ihr mit dem Daumen über die Oberlippe. Zeigte ihr dann die hängengebliebene Sahne. Nun musste auch sie kichern. Aber nur kurz. Sie bemerkte schnell, dass sie sich wieder so nah waren, wie vorhin im Park. Schnell wich sie seinem Blick aus und spürte, wie er sich wieder in die andere Ecke verzog. Ab und an berührten sich ihre Füße und sie lächelten sich schüchtern an.

„Der Kaffee ist gut. Danke!“

„Du musst der Kapsel und dem Automaten danken. Nicht mir.“, sie machte eine Kopfbewegung in Richtung Küche.

„Werde ich.“

Wieder schwiegen sie. Mamoru hatte gehofft, so ein wenig Smalltalk beginnen zu können. Aber es klappte nicht. Er sah zu ihr. Doch sie betrachtete nur das kleine Sahnehäubchen, das verloren auf dem Kakao schwamm. Sie schien in Gedanken versunken zu sein und er wusste auch, worum es ging. Oder zumindest ahnte er es. Ihm ging es ja nicht anders.
 

„Können wir darüber reden!“, beide sprachen gleichzeitig und schauten sich überrascht an, bevor sie loslachen mussten. Sie brauchten einige Zeit, um sich wieder zusammeln. Usagi stellte ihre Tasse wieder auf den Tisch, bevor sie ihn ansah.

„Mamoru.“

„Der Kuss, richtig?“

„Ja. Was hat das zu bedeuten?“, vorsichtig sah sie ihn durch ihren langen Pony an. „Ist es nur aus einer Launer heraus passiert? Weil es es mein erster Kuss war.“

„Nein. Nein das ist es nicht. Aber ich kann dir deine Frage auch gerade nicht richtig beantworten. Ich fand den Kuss schön und es passte gerade.“

„Es passte gerade?“

„Die Stimmung. Ich mag dich, Usagi. Und ich fand und finde den Tag mit dir einfach wunderbar. Du bringst mich viel zum Lachen und das finde ich toll. Dass es dein erster Kuss war und ich ihn geraubt habe, finde ich schön.“

„War er so gemeint, wie ich ihn verstanden habe?“

„Wie hast du ihn denn verstanden?“

„Naja, dass du in mir doch vielleicht mehr siehst als nur eine Freundin. Eine normale Freundin.“

Mamoru wusste, dass sie das sagen würde. Wie sollte sie den Kuss auch anders interpretieren.

„Vielleicht?“, seine Stimme klang vorsichtig.

„Vielleicht?“

„Usagi, ich will dir keine falschen Hoffnungen machen. Ich bin mir bei mir selbst noch nicht so sicher, verstehst du? Ich war noch nie verliebt oder hab für jemanden geschwärmt. Im Moment weiß ich nur, dass ich dich sehr gerne weiter sehen möchte.“

„Du siehst mich jeden Tag im Crown.“, sie sah ihn fragend an. Verstand ihn nicht richtig.

„Nein, dass meinte ich nicht. Ich dachte eher an solche Tage wie heute. Nur du und ich und das wir kleine Unternehmungen machen. So das ich dich noch ein wenig besser kennen lerne und du mich.“

„Heißt das, du gibst uns eine Chance?“

„Ja. Ja ich denke schon.“

Usagi sah ihn prüfend an. Sie war sich nicht so ganz sicher, was sie von dem Ganzen halten sollte. Einerseits würde ihr Wunschtraum Wirklichkeit werden und sie hätte von nun an öfters ein Date mit Mamoru. Auf der anderen Seite hatte sie Angst, dass er sie am Ende fallen ließ oder sie allgemein nur verarschte. So wie er es die ganzen Monate, seid sie sich kannten, getan hatte. Aber das würde sie nicht herausfinden, wenn sie nicht auf seinen Vorschlag eingehen würde. Warum war diese Entscheidung nur so schwierig für sie? Sie war schließlich verliebt in ihn und was er ihr da vorschlug, war alles, was sie in den letzten Wochen ersehnt hatte. Laut seufzte sie auf und warf den Kopf in den Nacken.

„Alles okay?“

„Ja. Nur...“, sie geriet ins Stocken. „Woher weiß ich, dass du mich nicht wieder verarschst? Ich will nicht verletzt werden.“

„Reicht dir mein Versprechen?“

Sie hob nur die Schultern und Mamoru konnte ihre Reaktion durchaus verstehen. Er rutschte zu ihr und nahm sie in die Arme. Er spürte, wie sie sich versteifte und sah, wie sie die Augen aufgerissen hatte.

„Ich werde dich nicht verletzen. Lass es uns einfach probieren. Ganz unkompliziert. Und ganz locker. Ich werde dir rechtzeitig sagen, wenn ich doch nicht das selbe fühle für dich wie du für mich. Okay? Und ich werde es auch schonend sagen. Versprochen!“

Sie konnte seinen Herzschlag spüren, als er sie so nah an seine Brust gedrückt hatte. Ihr schoss bei soviel Nähe die Röte ins Gesicht und ihr Herzschlag war mindestens dreimal so schnell wie sonst. Also viel zu ungesund. Sie wandte sich in seinen Armen und schob ihn ein wenig von sich. Ihren Blick hatte sie abgewandt und sie besah sich lieber ihre Finger, die in ihrem Schoß lagen.

„Ich möchte, dass du es mir am neunundzwanzigsten Juni sagst.“

„Warum ausgerechnet dann?“

„Weil es bis dahin noch mehr als ein Monat ist und du somit genug Zeit hast, um dir über deine Gefühle im Klaren zu werden. Außerdem ist es einen Tag vor meinen Geburtstag. Du bist also dafür verantwortlich, ob der zum besten in meinem bisherigen Leben wird oder zum schlimmsten.“

Mamoru musste schwer schlucken, nickte aber.

„Und ich will, dass keiner von unseren Freunden davon erfährt. Vielleicht kannst du das auch Kobajashi beibringen. Er soll nicht rumtratschen, dass wir uns geküsst haben. Schon gar nicht vor dieser Saori.“

„Ich schreib es ihm.“, Mamoru lächelte sie an. Er nahm sein Handy und tippte mit schnellen Fingern eine Nachricht an seinen Freund. Die Antwort ließ auch nicht lange auf sich warten.

„Er behält es für sich.“

„Gut. Ich möchte, dass wir weiterhin einfach nur nett zueinander sind. Kein Händchen halten und keine Küsse in der Öffentlichkeit. Wir sagen es auch keinem, dass wir uns miteinander verabreden. Nicht solange nichts zwischen uns geklärt ist.“

Er war ehrlich überrascht über ihre Vorgehensweise in dieser Angelegenheit. Irgendwie hatte er damit gerechnet, dass Usagi es am liebsten in die Welt hinausschreien würde, was da gerade zwischen ihnen war und sich entwickelte. Sie war doch sonst immer so ein emotionaler Mensch, warum reagierte sie jetzt so rational? Und tatsächlich fühlte er sich auch ein wenig in seiner männlichen Ehre gekränkt.

„Mamo-chan, ist alles okay?“

„Was? Äh ja. Warum fragst du?“

„Weil du einen ziemlich angestrengten Gesichtsausdruck an den Tag legst.“, sie sah ihn forschend an.

„Weißt du, ich finde deine Gedankengänge gerade nur recht seltsam. Einerseits sehnst du dich nach einer Beziehung mit mir und andererseits willst du es geheim halten. Irgendwie fehlt mir da die Logik und der Sinn dahinter.“

„Ich will es nicht überstürzen. Ich meine, du kennst meine Gefühle. Bist dir deiner aber noch nicht sicher. Wir wissen doch gar nicht, wohin das führen kann. Und bevor es total in die Hose geht, will ich es lieber erst mal für mich behalten. Unser kleiner Geheimnis.“

„Unser kleines Geheimnis.“, Mamorus Stimme war nur noch der Hauch eines Flüsterns. Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Seine Fingerkuppen prickelten, als er die Haut ihrer Wangen berührte. Wieder schien die Luft zu knistern und er hätte schwören können, dass er sie greifen konnte. Seine Augen trafen ihre. Er wollte was sagen. Einen Spruch bringen, um die Stimmung zu lockern. Aber sein Mund war genauso trocken wie sein Hals und sein Gehirn hatte sein Sprachzentrum ohnehin in den Urlaub geschickt. Mamoru kam sich vor wie der letzte Idiot. Doch er fühlte sich wohl. Genoss ihre Nähe. Er bemerkte, wie sie sich ihm näherte. Dieses Mal war wohl sie es, die die Initiative ergriff. Der Schwarzhaarige hatte nichts dagegen. Er sah, wie Usagis Lippen leicht zitterten. Sie war nervös. Wieder einmal. Behutsam kam er ihr entgegen.
 

Sein Handy ertönte und riss beide neuerlich auseinander. Genervt stöhnte Mamoru auf, während Usagi kicherte. Irritiert sah er sie an.

„Schon okay.“, sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Magst du noch einen Kaffee?“

„Wäre auch ein Kakao möglich?“

„Du und Kakao?“

„Deiner roch so gut. Außerdem bestehe ich ja nun nicht nur aus Kaffee.“, er grinste.

„Mit Schlagsahne?“

„Bitte!“

Usagi konnte nicht anders als zu grinsen und beugte sich zu ihm runter. Hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und schlenderte dann vergnügt in die Küche. Sie wollte ihn in Ruhe telefonieren lassen. Sie ahnte ohnehin, dass es wahrscheinlich Saori war, die sie da eben gestört hatte. Sie wusste, dass da noch einiges auf sie zukam. Diese Oberstufenschülerin würde sich sicherlich nicht mit einem einfachen Korb zufrieden geben. Dann waren da auch noch ihre Freunde. Sie wären sicherlich schwer enttäuscht, wenn sie dahinter kamen, dass sie und Mamoru schon eine Weile miteinander ausgingen. Sie wussten ja nicht einmal was von diesem Date heute. Usagi hatte jetzt schon ihre Stimmen im Ohr.

Rei, die sie wütend anschrie.

Ami, deren Stimme traurig war.

Makoto, die sie beleidigt anschmollte.

Minako, die quietschend alles von ihr wissen wollte.

Und natürlich Motoki, der besserwisserisch sagen würde, dass ihm das längst klar war.

Sie seufzte auf. Wenn das hier alles ans Licht kam, musste sie jede Menge an Erklärungsstoff liefern. Und trotzdem hoffte sie, dass bis dahin noch jede Menge Zeit verging. Usagi fand es aufregend, heimliche Dates mit ihm zu haben. Ihn besser kennen zulernen. Zusammen zu lachen und zu diskutieren.

Sie legte neue Kapseln in den Vollautomaten und ließ sie durchlaufen. Garnierte die beiden dampfenden Kakaotassen mit Sahne und streute noch einige Schokostreusel obendrauf, die sie zufällig noch im Schrank gefunden hatte. Zusammen mit den Schokoladenkeksen, die sie nun auf einem Teller platzierte und alles zusammen ins Wohnzimmer trug. Sie stellte alles auf dem Tisch ab und sah sich um. Sie konnte Mamoru zwar hören, aber nicht sehen. Vielleicht wollte sie das auch gerade nicht. Seine Stimme klang nicht gerade freundlich. Sie wollte sich sein Gesicht lieber gar nicht vorstellen. Musste sie auch nicht. Denn als sie sich auf dem Sofa wieder niederließ, kam er gerade ins Zimmer. Noch immer telefonierend. Über den Rand ihrer Tasse hinweg beobachtete sie ihn und lauschte seiner Stimme.

„Wie oft denn noch? Ich habe keine Zeit, dieses Wochenende mit dir zu lernen. – Ja ich weiß auch, dass wir nächste Woche einen Übungstest haben. Aber ich hab sowieso dafür schon mit dem Lernen angefangen und mir fehlt nur noch eine Lektion. – Ja, nur noch eine. Wieso, wie weit bist du denn? – Okay, dann solltest du definitiv sehr schnell mit dem Lernen anfangen. – Nein, ohne mich! Ich hab das Wochenende schon was vor. – Ja, auch am Montag nach der Schule. Und am Dienstag auch. Wir werden uns also wohl erst wieder am Mittwoch zum Test sehen. – Nein, das tue ich nicht. Sorry. Bis Mittwoch!“

Genervt ließ er seitlich auf den Sessel fallen und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken. Er hatte gar nicht registriert, wie er im Sessel saß, bis Usagi leise kicherte. Erschrocken richtete er sich auf und rieb sich verlegen am Hinterkopf.

„Mein Vater lässt sich auch immer so in den Sessel fallen, wenn er einen anstrengenden Tag hatte.“

„Oh.“, Mamoru musste verlegen grinsen. Scheinbar hatte er unbewusst den Lieblinsgssessel ihres Vaters erwischt.

„Saori schon wieder.“, es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

„Ja. Sie will unbedingt mit mir zusammen lernen und nun meinte sie auch noch, dass sie mich vermissen würde.“

„Scheinbar bin ich nicht die einzige, die sich in dich verguckt hat.“

„Bei ihr hab ich es schon längst geahnt. Bei dir nicht. Das ist der Unterschied.“

„Der Unterschied ist auch, dass wir jetzt hier zusammensitzen und nicht du mit ihr.“

„Stimmt. Ach sie geht mir auch furchtbar auf die Nerven.“, er griff nach einem der Kekse. „Also du bist ja manchmal schon schwer zu ertragen, aber sie treibt es mit ihrem Gehabe momentan auf die Spitze.“

„Danke Baka!“

„Nein, so war das nicht gemeint. Aber du hättest sie am Mittwoch in meinem Kurs erleben müssen. Sie hatte mir ein Bento mitgebracht und wollte mich füttern. Abgesehen davon, dass ihre Kochkünste sowieso unter aller Kanone sind. Ich konnte mich kaum auf den Stoff konzentrieren.“

„Sie ist eben in dich verliebt.“

„Aber kann sie dann nicht so sein wie du?“, Mamoru sah Usagi fragend an. „Muss sie damit so hausieren gehen?“

„Ich bin auch mit meinen Gefühlen hausieren gegangen.“

„Nein, du hast es für dich behalten.“

„Mamoru! Jeder im Crown wusste es. Sogar die Omas, die dreimal die Woche zum Kaffeeklatsch kommen. Jeder. Nur du nicht!“, sie lachte ihn kopfschüttelnd an. Stand auf und ging zu ihm. Setzte sich auf die Armlehne des Sessels.

Er sah sie mit großen Augen an, als sie sich zu ihm beugte und ihre Lippen seine berührten. Er realisierte es erst gar nicht und als er es endlich verstanden hatte, was sie da tat, war es auch schon wieder vorbei.

„Was…“

„Oh, ich wollte nur das beenden, was wir vor deinem Telefonat angefangen hatten.“, grinste sie verstohlen. Immer noch mit weit aufgerissenen Augen blickte er sie an. Seid wann war Usagi so, wie sie heute war? Oder war sie schon immer so gewesen und er hatte es nur nie mitbekommen? Eine kleine leise Stimme in ihm sprach, dass es wohl zweiteres war.

„Was schaust du denn jetzt so dusselig?“

Usagi war der Gesichtsausdruck nicht entgangen, mit der er sie gerade anstarrte. Doch er schüttelte nur den Kopf. Keinesfalls wollte er ihr sagen, dass er den Kuss nur allzu gerne verlängert hätte. Was machte sie da nur mit ihm? Hätte er seinen besten Freund Motoki jetzt gefragt, hätte der bestimmt gesagt, dass er drauf und dran wäre, sich doch noch in sie zu verlieben. Und wahrscheinlich hatte er damit auch Recht. Leise und von dem Mädchen unbemerkt, seufzte er auf. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Seine Augen wanderten zu seinem Handy. Die Uhrzeit auf dem Display sagte ihm, dass er langsam gehen sollte. Er konnte hier schließlich nicht die Nacht verbringen. Mamoru griff nach seiner Tasse und trank sie in großen Schlucken aus.

Erstaunt sah Usagi ihn an.

„Bist du auf der Flucht oder so?“

„Nein. Aber es ist bald halb zehn durch. Ich werde heim gehen.“

„Oh, okay.“, sie nickte nur verstehend und erhob sich. Genau wie er. Während er jedoch in den Flur ging, um sich die Schuhe anzuziehen, verräumte sie die Tassen in den Geschirrspüler. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie ihn mit dem Kuss ihrerseits überfordert. Langsam ging sie zu ihm und beobachtete ihn. Er wirkte sichtlich nervös und sie fühlte sich in ihrer Vermutung bestätigt.

„Mamo-chan?“

Der Schwarzhaarige sah auf und erkannte die Spur von Traurigkeit in ihrem Blick.

„Tut mir leid.“

„Was denn?“

„Der Kuss. Ich hätte dich fragen sollen.“

„Quatsch.“, er grinste sie an und nahm ihre Hand in seine. „Du hast mich vielleicht ein wenig überrumpelt. Aber da wir hier ja schauen wollen, wie es weitergeht mit dir und mir, mit uns, werde ich mich schon daran gewöhnen, dass du einen ziemlich überraschen kannst.“

Usagi wusste sofort, dass er es ehrlich meinte.

„Sehen wir uns morgen?“, sie lächelte ihn an.

„Klar. Wo magst du denn hin?“

„Was hälst du vom Ueno-Zoo?“

„Da war ich zuletzt als Kind.“, Mamoru sah angestrengt in die Luft.

„Als Kind? Wie lange ist das denn her?“

„Eine Woche vor dem Unfall meiner Eltern.“

Die Blondine wurde augenblicklich ein wenig blasser um die Nase. Sie und alle anderen Freunde kannten das Schicksal um den tragischen Verlust von Mamorus Eltern. Und im Gegensatz zu Makoto, die ihre Eltern bei einem Flugzeugabsturz vor drei Jahren verlor und sich nicht verkrochen hatte, hatte sich Mamoru in seinem Schneckenhäuschen eingeigelt. Zumindest solange, bis er mit sechzehn aus dem Waisenhaus auszog und sich seine jetzige Wohnung gekauft hatte. Bevor er Motoki und die Mädchen kennen gelernt hatte.

Mamoru sah, wie sie mit sich harderte. Sie schien zu überlegen, was sie sagen sollte.

„Hey, alles gut. Es ist schon lange her. Und ich würde sehr gerne mit dir in den Zoo gehen. Treffen wir uns dort oder soll ich dich abholen?“

„Treffen wir uns dort. Sagen wir zehn? Dann haben wir was davon.“

„Okay.“, er machte die Tür auf und traut hinaus in den Vorgarten. Die Luft war noch mehr abgekühlt und es fröstelte ihn sogar ein wenig. Hoffentlich hatte er den Bus nicht verpasst.

„Der Bus geht in zehn Minuten.“

Mamoru sah zu ihr. Scheinbar konnte sie wirklich in ihm lesen wie in einem Buch. Und das konnte irgendwie auch nur sie. Allen anderen blieb er verschlossen. Seltsam.

„Danke.“, hauchte er nur und beugte sich zu ihr. „Danke für den schönen Tag. Schlaf gut, Mondhase und träum was Schönes.“

Das Mädchen spürte seine Lippen auf ihren und erwiderte den leichten Druck mit einem Gegendruck. Ihr Herz schlug ihr wieder bis zum Hals, als er sich von ihr löste und pfeifend durch den Vorgarten ging. Als er das Gartentor passiert hatte, drehte er sich noch einmal zu ihr um. Grinste sie an und schickte ihr einen Luftkuss. Usagi kicherte und winkte zurück, bevor er aus ihrem Sichtfeld verschwand. Dann ging sie zurück ins Haus. Schloss die Türe und glitt mit dem Rücken an dieser hinab. Sie konnte nicht anders, als breit zu grinsen. Die Welt war plötzlich so rosarot und pink.

Secrets

Die Sonne hatte den ganzen Sonntag über wunderbar warm vom Himmel geschienen. Genau bis zum in der Sonntagszeitung angegeben Zeitpunkt ihres Untergangs. Keine Stunde später waren dunkle Wolken aufgezogen und hatten die ersten Sterne am dunkler werdenden Himmel verdeckt. Und das war der Zeitpunkt, alsUsagis Vater sie und Mamoru bei einem kurzen Abschiedskuss erwischt hatte. Das Mädchen hatte schon vorher gewusst, wie er zu dem Thema ‚Meine Tochter hat einen Freund‘ stand. Kenji konnte es bis jetzt nicht akzeptieren, dass sie erwachsen wurde. Geschweigedenn das er es akzeptierte, dass sie sich verliebt hatte. Und das sie eben jenen Auserwählten auch zum Abschied küsste. Natürlich wollte sie es ihm nicht so direkt auf dem silbernen Tablett servieren. Nach seinem Ausraster hatte er sie und Mamoru ins Haus zitiert und beiden noch im Flur eine Standpauke gehalten.

Darüber das man sich nicht unverheiratet in der Öffentlichkeit küsste.

Darüber das ein Oberstufenschüler eine Mittelstufenschülerin nicht ohne das Einverständnis des Vaters küsste.

Darüber das Usagi ohnehin noch viel zu jung für einen Freund sei.

Darüber das sowohl seine Tochter als auch Mamoru Hausarrest bekamen. Ungeachtet der Tatsache das der Schwarzhaarige schon achtzehn war und alleine wohnte.

Für all diese Vorwürfe musste er nicht einmal zwischendurch Luft holen. Was ihm auch nicht sonderlich gut tat und wehalb er knallrot anlief. Erst als er den Luftmangel selber bemerkte, in seinem Redeschwall stoppte und tief einatmete, konnte das Paar ein wenig entspannen. Und noch mehr als Ikuko ihren Mann in die Küche zerrte. Ihr war der Ausbruch ihres Ehemannes nicht entgangen. Wahrscheinlich war es der ganzen Nachbarschaft nicht entgangen und sie hatte wieder einiges zu berichten bei ihrem wöchentlichen Hausfrauentreff. Sie liebte ihren Kenji, aber manchmal war er einfach nur peinlich. So wie er eben seine Tochter und deren Freund angegangen war, ging nun sie ihn an. Hielt ihm einen Vortrag darüber, dass Usagi alt genug sei und Mamoru ja schließlich ein wohlerzogener junger Mann mit sehr guten Noten und wunderbaren Zukunftsaussichten. Darüber das er sich gefälligst benehmen und froh darüber sein sollte, dass der junge Mann sein heißgeliebtes Töchterlein brav nach Hause brachte.

„Er hat sie geküsst!“, Kenji jammerte den Tränen nahe.

„Es war ein kurzes Kuss. So haben wir uns auch immer verabschiedet.“, Ikuko sah ihren Mann scharf an. Sie hatte kein Verständnis für das ganze Affentheater.

Mamoru und Usagi standen indessen unschlüssig im Flur. Beobachtet von Shingo. Keiner traute sich etwas zu sagen. Lieber lauschten sie Ikuko. Shingo und Usagi waren sich im Stillen einig, dass es ihrem Vater mal ganz gut tat. Nur allzu oft hatte er sie beide in peinliche Situationen gebracht. Mamoru hatte vorsichtig nach den Händen des Mädchens gegriffen. Ihm war es unsagbar unangenehm. Vielleicht lag es daran, dass er noch nie auf einen wütenden Vater eines Mädchens getroffen war, mit dem er ausging. Oder daran das er sich wieder wie der Vierjährige fühlte, der geschimpft wurde, weil er mit dem Roller zu nah an Papas neuem Honda vorbei gefahren war und einen Kratzer daran verursacht hatte. Kurz wurde er von seinen Erinnerungen übermannt. Was Usagi natürlich auffiel. Besorgt sah sie ihn an.

„Glaubst du, wir können uns raus schleichen?“

„Na klar.“, sie grinste ihn verschwörerisch an. „Shingo?“

„Bei so einem coolen Freund geb ich dir Rückendeckung, Schwesterherz.“

Shingo verabschiedete sich von Mamoru und lauschte weiterhin dem elterlichen Krach. Er gönnte es seiner großen Schwester, dass sie nun einen festen Freund hatte. Ihm war es nicht entgangen, wie miserabel es ihr teilweise wegen Mamoru ging. Sie war ja schon immer emotional und eine Heulsuse gewesen. Aber das sie sich manchmal wegen einem jungen Mann in den Schlaf weinte, war selbst Shingo zu viel. Er stieg noch einige Treppenstufen hinauf und setzte sich. Von hier aus hatte er einen perfekten und doch versteckten Blick in die Küche, wo sein Vater gerade zusammen gesunken und heulend auf einem Stuhl saß und die Moralpredigt seiner Frau über sich ergehen ließ.

Usagi und Mamoru standen indes wieder vor dem Haus. Beiden waren leicht rot angelaufen und besahen sich ihre Schuhspitzen. Es hatte leicht zu regnen begonnen, als sie sich mit einem weiteren Kuss und nun ohne Unterbrechung durch Kenji verabschiedeten. Sie versprachen sich ein Wiedersehen am nächsten Tag im Crown. Ganz zwanglos und ohne jegliche Gefühlsduselei. Der Schwarzhaarige hob die Hand zum Abschied und verschwand wie schon den Abend zuvor grinsend und einen Luftkuss schickend aus ihrem Sichtfeld. Usagi hoffte, dass er halbwegs trockenen Fußes nach Hause kam. Sie war es ja immerhin schon. Kaum hatte sie das Haus wieder betreten, stolperte sie fast schon die Treppe hoch, vorbei an einem immer noch lauschenden Shingo, und direkt in ihr Zimmer. Sie hoffte nur, dass einer ihrer beiden Elternteile nicht noch ein gewisses Gespräch führen wollte. Daher zog sie sich in Sekundenschnelle um und verkroch sich in ihr Bett. Gab vor zu Schlafen, was auch keine schlechte Idee war. Denn eine halbe Stunde später kam ihre Mutter noch einmal in ihr Zimmer. Fragte leise in den Raum, ob sie schon schlief. Ja, tat sie! Usagi war klar, dass sie in nächster Zeit mit einem Mutter-Tochter-Gespräch rechnen durfte.
 

Usagi war komplett in ihren Erinnerungen an den gestrigen Tag versunken, als Naru sie anstubste und darauf hinwies, dass es zur Mittagspause geläutet hatte. Die Blondine nickte nur und folgte ihrer Freundin zu den Schließfächern im Erdgeschoss, um ihr Bento zu holen. Sie war froh, dass sie die Mittagspause mit Naru und Umino auf einem stilleren Seitengang ihrer Schule verbrachte und nicht mit Makoto und Ami. Was aber auch nur daran lag, weil Makoto mit einer fiebrigen Erkältung im Bett lag und Ami in der Mittagspause in die Bibliothek wollte zum Lernen. Aber so umging sie die Frage, wie ihr Wochenende und warum sie nicht im Crown war. Zwar wusste Naru auch, dass sie in Mamoru verliebt war und das der es mittlerweile wusste. Das Usagi nun aber ein Date mit ihm gehabt hatte, oder besser gesagt sogar zwei, wusste sie nicht. Musste sie auch nicht. Denn offiziell gab es noch nichts zu wissen.

„Was hast du am Wochenende gemacht?“, Umino sprach sie mit vollem Mund und immer noch kauend an.

„Meine Eltern, mein Bruder und ich waren bei meiner Tante. Nichts aufregendes. Familienkram eben.“, Usagi schob sich ihre frittierte Garnele in den Mund. Ihre Mutter gab sie ihr eher selten ins Bento. Meistens nur wenn sie gute Laune hatte. Scheinbar war heute solch ein Gute-Laune-Tag.

„Umino und ich waren Samstag im Ueno-Zoo. Die haben gerade so viele süße Tierbabies. Die musst du dir unbedingt mal anschauen, Usagi-chan.“

Die Genannte musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut loszulachen. Die Tierbabies, von denen Naru da gerade schwärmt, hatte sie selbst erst gestern Nachmittag gesehen. Zu Mamorus Leidwesen hatte sie vor Freude gequietscht, als die Tigerbabies unbeholfen hinter ihrer Mutter hertapsten. Und zum Glück waren sie gestern und nicht am Samstag gewesen. Bei ihrem Glück wären sie noch Umino und Naru direkt in die Arme gelaufen. Wobei das Mädchen weniger das Probleme gewesen wäre. Der Streber war die Klatschtante.

„Und jetzt soll bald auch noch ein Elefantenjunges kommen.“

Der Satz ihres Mitschülers drang nur noch dumpf an ihr Ohr, als sie nach ihrem klingelnden Handy suchte. Mit pochendem Herzen öffnete sie den kleinen virtuellen Briefumschlag, der auf dem Display aufleuchtete. Eine Nachricht von Mamoru. Leise las sie seine lieben Worte. Das er gerade essen würde und sich auf das Wiedersehen im Crown am Nachmittag freute. Sie schrieb ihm ohne Umschweife, und unbemerkt von dem Paar neben sich, zurück, dass sie es auch kaum erwarten konnte. Kaum hatte sie ihre Antwort abgeschickt, hob sie sich auf die breite Fensterbank. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht, als sie verträumt aus dem Fenster zum wolkenverhangenen Himmel schaute. Nicht mal die grauen Wolken konnte ihre momentan gute Stimmung verderben.

„Denkst du an Mamoru?“

Die Blondine drehte den Kopf und nickte nur Naru zu. Scheinbar hatte Umino sich zu seinen anderen Nerd-Kumpeln verzogen. Sonst würde ihre Freundin sie gar nicht so direkt fragen.

„Ihr versteht euch ganz gut in letzter Zeit, oder?“

„Ja.“, Usagi wandte sich vom Himmel ab. „Wir reden normal miteinander und lachen viel. Selbst als ich schon wusste, dass ich in ihn verliebt bin, ist mir sein Humor nie wirklich aufgefallen. Dabei hat er jede Menge davon.“

„Echt? Er kommt mir immer recht steif und erwachsen vor.“

„Das ist er auch. Aber seine andere Seite ist ganz anders. Dann kann er stundenlang reden und er hat einen so trockenen Humor. Früher hat mich dieser Humor, dieser Sarkasmus immer auf die Palme gebracht. Heute bringt er mich damit zum Lachen. So im Nachhinein muss ich zugeben, dass es gut war, dass er es erfahren hat. Es ist viel leichter mit dem Wissen, dass er es weiß.“

„Das hab ich dir von Anfang an gesagt.“, grinste Naru ihre Freundin an. „Du hättest gleich am Anfang reinen Tisch machen sollen.“

„Ja ich weiß. Aber da dachte ich ja auch, dass der Baka das auch so mitbekommt.“

„Hat er aber nicht. Und das hätte dir schon nach der ersten Woche klar sein müssen. Er scheint doch recht verschlossen zu sein, was seine Gefühle betrifft.“

„Er ist ein Gefühlsautist.“

„Was?“

„So hab ich ihn neulich genannt.“, Usagi lachte bei der Erinnerung daran. Sie hatte mit Mamoru zusammen am Tresen im Crown gesessen. Der Schwarzhaarige hatte gerade wieder mit einem seiner weiblichen Fans zu kämpfen. Das Mädchen bettelte ihn fast schon auf den Knien an, mit ihr auszugehen. Wenigstens ein einziges Mal. Doch Mamoru hatte sie nur kühl abgewiesen. Die Blondine hatte daraufhin nur gemeint, dass er ja ein Gefühlsautist wäre. Er konterte damit, dass sie ihn doch regelmäßig zur Weißglut trieb und er somit keiner wäre. Danach hatten sie nur laut und ausgelassen gelacht.

„Glaubst du, dass wird nochmal was mit euch?“

Usagi hob nur die Schultern und gab sich ahnungslos. So sicher war sie sich schließlich auch noch nicht. Bis zu ihrem Geburtstag waren es noch knappe sechs Wochen. Solange hatte sie Mamoru Zeit geben. Und sich auch. Vielleicht stellte sie ja auch selber fest, dass es zwischen ihnen nicht gut lief. Das sie wirklich nicht zusammen passten. Was sie natürlich nicht hoffte. Sie hoffte, dass sie zusammen blieben. Das sie es öffentlich machen konnten. Auch wenn die Geheimniskrämerei einen gewissen Reiz hatte.

„Ich wünsch es dir, Süße!“, Naru umarmte ihre Freundin und die erwiderte es. Dann erreichte die Schulglocke ihr Ohr. Das Läuten deutete an, dass die Schüler noch eine Viertelstunde Zeit hatten, um sich in den Klassenräumen wieder einzufinden. Etwas schwerfällig packten die Mädchen ihre Bentoboxen zusammen. Und der Rothaarigen fiel er sofort auf.

„Da vorne ist Seiya. Er beobachtet dich.“

Die Blondine folgte dem Blick ihrer Freundin und stöhnte entnervt auf.

„Geh schon mal vor.“

„Sicher?“

„Ja. Mit dem werde ich alleine fertig.“, Usagi nickte ernst und ging dann auf den schwarzhaarigen Mitschüler zu. Sie ahnte, dass er Mamoru und den Samstag ansprechen wollte. Naru sollte das nicht unbedingt mitbekommen. Und sie sollte mit ihrer Vermutung auch Recht behalten. Denn kaum standen sie sich gegenüber, kam Seiya sofort zur Sache.

„Wieso gehst du mit diesem Oberstufenschüler aus und nicht mit mir?“

„Weil ich ihn wesentlich mehr mag als dich.“

„Was?“

„Du gehst mir auf die Nerven!“, Usagis Stimme hatte einen aggressiven Ton angenommen. „Ich hab keine Lust, dir wie ein Groupie hinterher zu rennen. So wie dein Fanclub dahinten.“

„Aber dafür kann ich doch nichts. Und ich hab doch nur Augen für dich.“

„Seiya, du bist nur ein Mitschüler für mich. Nichts weiter.“

„Aber dieser Chiba ist doch locker zwei Jahre älter als du.“

„Drei Jahre. Er ist drei Jahre älter als ich.“

„Na siehst du. Ich bin so alt wie du und wir passen auch viel besser zusammen. Wir haben doch die gleichen Themen, über die wir reden können. Und ich kann dich auch ausführen, wenn es das ist, was dir Sorgen macht. Komm schon. Gib mir eine Chance und wir gehen heute nach der Schule zusammen was trinken.“

„Ich hab keine Zeit. Ich bin mit meinen Freundinnen verabredet.“

„Dann begleite ich dich. Ich lad dich auf ein Eis ein.“

„Danke, nein. Nochmal Seiya. Ich habe keine Interesse an einer Verabredung mit dir.“, sie wandte sich ab. Wurde jedoch augenblicklich von dem Schwarzhaarigen am Handgelenk festgehalten.Wütend drehte sie sich wieder zu ihm um und funkelte ihn an.

„Lass mich sofort los oder du bist deinen guten Ruf als angeblicher Mädchenschwarm schneller los, als du gucken kannst.“

„Gehst du mit diesem Schnösel?“

„Mamoru ist kein Schnösel.“, sie riss sich los. „Und es geht dich einen feuchten Kericht an, mit wem ich ausgehe oder zusammen bin. Lass mich ein für alle Mal in Ruhe!“

Ihre Stimme war bei den letzten Worten so laut geworden, dass sich die restlichen Schüler auf dem Gang zu ihnen umdrehten und die Köpfe zusammen steckten, um zu tuscheln. Doch Usagi interssierte es nicht. Sie bog mit raschen Schritten um die nächste Ecke und suchte ihr Klassenzimmer auf. Sie brauchte dringend einen Plan, wie sie Seiya loswerden konnte. Ihm traute sie zu, dass er sie auch noch beschatten würde. Und dann würde ihr Geheimnis mit Mamoru schneller auffliegen, als ihr lieb war. Kaum hatte sie ihren Tisch erreicht, kramte sie neuerlich nach ihrem Handy und schrieb mit schnellen Fingern eine Nachricht.
 

Mamoru war am Weg in die Bibliothek. Er hatte eine Freistunde und wollte diese nutzen, um für den Probetest am Mittwoch in seinem Vorbereitungskurs zu lernen. In der Schule stand momentan nichts an. Erst in vier Wochen war ein Mathetest und er musste eine Hausarbeit in japanischer Geschichte abgeben. Das Referat in Bio war schon durch und er hatte, wie nicht anders von ihm selbst erwartet, eine sehr gute Note bekommen.

„Hey Mamoru, warte mal!“

Der Angesprochene drehte sich um.

„Naoki. Hallo!“

„Hallo! Gehst du in die Bibliothek?“

„Ja. Ich wollte eine Runde lernen. Und du?“, ohne auf seinen Schulkollegen zu warten, setzte Mamoru seinen Weg fort.

„Ich muss noch mein Referat vorbereiten. Nach dem du so einen Hammerstart hingelegt hast, erwartet Yazuke-sensei das auch von mir. Musst du einen auch immer so in die Pfanne hauen?“, Naoki lachte und schloss zu Mamoru auf. Er war ein Stück kleiner als dieser und kannte ihn schon seid seinem Eintritt in die Motoazabu-Oberschule. Heimlich bewunderte er ihn. Irgendwie flog Mamoru alles zu. Er brauchte kaum lernen und hatte trotzdem gute bis sehr gute Noten. Niemand hatte den leisesten Zweifel, dass er es nicht an die Tôdai schaffen würde. Alle Mädchen schwärmten für ihn und doch ließ er eine nach der anderen abblitzen. Seid kurzem machte das Gerücht die Runde, er wäre mit einem Mädchen der Jubaan-Mittelschule liiert. Sie war laut männlichen Augenzeugen eine Schönheit. Zierlich und blond. Einige Mitschüler sahen Mamoru mit ihr zusammen in einer Spielhalle. Doch wenn man ihn darauf ansprach, schwieg er behaarlich. Er war wirklich zu beneiden.

„Wenn du nicht die ganze Zeit rumquatschst, darfst du sogar an meinem Tisch sitzen.“

„Oh wie gnädig!“

„So bin ich halt!“, Mamoru grinste breit und hielt seinem Mitschüler die Tür zur Bibliothek auf. Zusammen suchten sie sich einen ruhigen Tisch. Während Mamoru sein Lernmaterial aus der Tasche nahm und ein Notizbuch sowie Stifte, suchte sich Naoki noch einige Bücher für sein Thema zusammen. Es dauerte einige Minuten, bis an dem Tisch Ruhe einkehrte. Ab und an war das Rascheln von Buchseiten zu hören oder von einem kratzenden Stift auf dem Papier.

Ein leises Klingeln riss die beiden jungen Männer aus ihren Gedanken. Strafend sah Mamoru Naoki an. Doch der schüttelte nur den Kopf.

„Kam aus deiner Tasche.“

Peinlich berührt, weil er der Ruhestörer war, suchte Mamoru sein Handy. Wer schrieb ihm um diese Zeit eine Nachricht?

„Hallo Mamo-chan! Ich hoffe, ich störe dich nicht?! Ich bin gerade auf Seiya getroffen und er war ziemlich schroff zu mir. Hat dich beleidigt und mich wieder um ein Date gebeten. Ich glaube, er wird heute Nachmittag auch im Crown sein. Was sollen wir machen? Liebe Grüße, Usagi.“

Mamoru war der Blick von seinem Tischnachbarn gar nicht aufgefallen. Erst dessen Stimme ließ ihn aufschrecken und er wandte sich Naoki zu.

„Hast du eine Freundin?“

„Was?“

„Sorry, aber du hast die Nachricht laut gemurmelt und ich konnte jedes Wort verstehen. Also hast du eine?“

„Nein.“

„Hm, einige Mitschüler haben dich mit einer Blondine im Crown gesehen. Ist sie das?“

„Wir sind nur befreundet.“, antwortete Mamoru leicht genervt. „Solltest du nicht lieber dein Referat vorbereiten?“

Naoki sah ihn finster an und wandte sich dann wieder seinen Büchern und Notizen zu. Mamoru war seine Reaktion jedoch ziemlich egal. Er drehte ihm den Rücken zu und tippte seine Antwort an Usagi.
 

Das Handy vibrierte leise in ihrer Rocktasche. Usagi warf einen kurzen Blick nach vorne zur Tafel. Aber ihr Lehrer war zu sehr damit beschäftigt, seine Notizen unleserlich an die Tafel zu schreiben. Lächelnd las sie seine Antwort.

„Hallo! Nein, gestört hast du nicht. Ich hab eine Freistunde. Dieser Seiya geht mir immer mehr auf die Nerven. Und wie hat er mich beleidigt? Gruß, Mamoru.“
 

„Er hat dich Schnösel genannt. Und gefragt, ob ich mit dir zusammen bin. Hab ihm gesagt, dass ihn das einen feuchten Kericht angeht.“
 

„Uh, jetzt bin ich aber sauer auf ihm. Da hast ja du selbst du bessere Beleidigungen für mich. Wird er denn definitiv ins Crown kommen?“
 

„Ich glaube schon, ja. Was machen wir denn dann? Wenn er sieht, dass wir nur lose zusammen sind, wird er mich weiterhin verfolgen. Und ein echtes Paar spielen, können wir auch nicht. Wieso muss das nur so kompliziert sein? Davon bekomme ich Kopfweh.“
 

„Uns wird schon was einfallen. Ansonsten gehst du eben, wenn er kommt und ich ebenso. Dann glaubt er, wir wären ein Paar und die Mädchen denken, dass es nur Zufall ist. Okay?“
 

„Klingt nach einem Plan. Jetzt muss ich aber noch ein bisschen aufpassen. Mein Lehrer erklärt gerade, was er unleserlich an die Tafel gekritzelt hat. Bis später!“
 

„Du textest mit mir und passt nicht auf? Kein Wunder, dass deine Noten nicht sonderlich gut sind. Na dann bist später im Crown!“
 

„Baka!“

Mamoru musste bei ihrer Antwort leise lachen. Sie war einfach ein Unikum. Er packte sein Handy wieder in die Tasche. Mehr schlecht als recht versuchte er sich auf seinen Lernstoff zu konzentrieren. Es gelang ihm nicht. Ständig spukten ihm Usagis Nachrichten im Kopf herum und das, was sie über Seiya geschrieben hatte. All das verdrängte den kurz zuvor gelernten Stoff. Wieso ließ er sich durch sie nur so schnell aus dem Konzept bringen?
 

Die Mädchen saßen an ihrem Stammtisch. Alle bis auf Usagi die mit Mamoru zusammen am Tresen saß und lernte. Erneut half er ihr bei den Mathehausaufgaben. Dafür hatte sich Motoki zu ihnen gesetzt und beobachtete mit ihnen zusammen die Szenerie am Tresen.

„Sie reden kein Wort miteinander.“, Reis Worte klangen erstaunt. „Seid sie vor einer Stunde hier ankamen, haben sie uns nur begrüßt und dann ihre Aufgaben ausgepackt. Usagi hat noch nicht mal den Shake ausgetrunken. Und Mamoru seinen Kaffee auch nicht.“

„Aber scheinbar hilft es Usagi. Seht mal, sie scheint mit ihren Hausaufgaben fertig zu sein.“, Ami deutete auf die Blondine, die laut auflachte und Mamoru freundschaftlich anrempelte. Er grinste nur, sprach etwas und sofort verfinsterte sich die Miene des Mädchens wieder. Sie zog ein neues Buch aus ihrer Tasche, schlug es auf und machte sich darüber her.

„Er bringt sie dazu, freiwillig zu lernen. Ach, ich sollte mir auch einen Freund suchen. Dann kann ich mich vielleicht auch überwinden.“

„Minako!“

„Was denn, Rei? Ist doch so. Seid er von ihren Gefühlen weiß, lernt sie auch und macht ihre Aufgaben.“

„Ja, aber sie sind ja nicht zusammen.“

„Meinst du nicht?“

„Ich denke es auch nicht.“, Motoki hatte sich erhoben. „Mamoru ist zwar wie ausgewechselt und wirklich mehr als nett zu ihr. Aber zusammen sind die beiden nicht. Sie treffen sich ja auch nur hier. Und ich glaube, dass es mir Mamoru und Usagi sagen würden, wenn sie miteinander ausgehen würden. Vorallem sie würde daraus kein Geheimnis machen.“

„Ich glaube auch nicht, dass sie ein Paar sind. Schaut doch nur, wie sie sich verhalten.“, Ami sah zu den beiden jungen Menschen am Tresen und betrachtete sie wie ein Forschungsobjekt. Genau wie es die anderen fast schon taten. Sie alle waren sich einig, dass außer Freundschaft nichts zwischen Usagi und Mamoru war. Auch wenn sie es sich für ihre Freundin anders wünschten.

„Mädels, die Arbeit ruft.“

„Wenn dir was auffällt, dann…“

„Informiere ich euch sofort.“, der Blonde grinste Minako an, die lachend nickte. Dann schlenderte er gemütlich wieder zum Tresen. Langsam füllte sich das Crown und er war froh, dass seine beiden Aushilfen vor einer halben Stunde ihre Schicht angetreten hatten. Die beiden machten einen guten Job und so blieb ihm selbst genug Zeit, um seine beiden besten Freunde zu beobachten. Er musste zugeben, dass er dieses traute Beisammensein der beiden genoss. Es war angenehm ruhig im Crown und er musste sich nicht mehr vor tieffliegenden Servietten oder Pappbechern ducken, die durch die Gegend flogen. Und doch kam es ihm so vor, als wäre da noch was zwischen den beiden. Irgendwas lag in der Luft. Das spürte er genau. Während er die Gläser polierte, die er eben aus dem Geschirrspüler geholt hatte, beobachtete er unauffällig das Pärchen vor sich. Usagi hob ab und an den Kopf, um Mamoru etwas zu fragen. Sie sprachen leise und soweit es Motoki verstand, ging es lediglich um ihre Hausaufgaben. Lediglich in den Blicken der beiden lag etwas, was von sowas wie Intimität zeugte. Vertrautheit. Von Zeit zu Zeit berührten sie sich. Aber das Mädchen reagierte nicht mehr so übertrieben wie noch vor einigen Tagen. Stattdessen lächelte sie leicht. Genau wie der junge Mann. Was war das nur zwischen den beiden?

„Fertig!“

Usagis Stimme riss Motoki aus seinen Gedanken. Erschrocken sah er zu ihr und dann zu Mamoru, der seinen Stift auf den Tresen schmiss.

„Echt jetzt?“

„Ja!“, die Blondine sprang triumphierend auf und tanzte um den Schwarzhaarigen herum. „Das heißt, dass du mir jetzt einen Bananasplit ausgibst.“

„Du hast mich immer wieder abgelenkt. So konnte ich ja gar nicht vor dir fertig werden.“

„Jetzt red‘ dich nicht raus. Versprochen ist versprochen.“

Sowohl Motoki als auch die Mädchen starrten die beiden Freunde ungläubig an. Die Freundinnen waren aufgesprungen, als Usagi ihren Freudentanz aufgeführt hatte und die Diskussion um einen angeblichen Gewinn lauter geworden war.

„Sag mal, habt ihr irgendwas gewettet?“

„Ja.“, Mamoru klang genervt. „Wer zuerst mit den Hausaufgaben fertig ist.“

„Ich bin es! Ich bin es!“

„Du hast mich abgelenkt, Odango.“

„Gar nicht wahr!“

„Doch! Du hast mich mindestens dreimal gefragt. Und ich Trottel helfe dir auch noch.“

Wieder verstrickten sich beide in eine heftige Diskussion. Usagi wollten ihren Eisbecher. Mamoru wollte ihn ihr nicht spendieren.“

„Schluss jetzt!“, Motoki haute mit der flachen Hand auf den Tresen. „Es reicht! Ihr habt euch so super verstanden. Und nun streitet ihr euch wegen einem lächerlichen Eisbecher. Jetzt hört mal zu. Ich spendiere Usagi den Eisbecher. Und dir als Zweitplatzierten den nächsten Kaffee. Aber dafür geht ihr beide ins Lager und holt erstens neuen Kaffee. Die ganzen Bohnen. Liegen hinten im Regal neben dem Sofa. Ganz oben. Und zweitens die Amarenakirschen. Das Glas steht im Regal gegenüber vom Kaffee. So weit klar?“

Usagi und Mamoru nickten. Schlichen wie die geprügelten Hunde los in Richtung Hinterzimmer.

„Und vertragt euch wieder!“
 

Als sich die Tür des Hinterzimmers schloss, brandete tosender Applaus los. Verdutzt sahen sich Mamoru und Usagi an und lachten keine Sekunde später laut los.

„Lässt sich Motoki gerade feiern?“, das Mädchen hielt sich vor Lachen den Bauch.

„Scheinbar. Dabei sollte der Applaus eher uns gelten.“, grinste Mamoru. Er durchschritt den Raum und ließ sich auf das Sofa fallen. Das sie nun hier drinnen waren, hatte er von Anfang an geplant. Noch in der Schule hatte er darüber gegrübelt, wie er und Usagi in Ruhe einen Plan gegen Seiya aushecken konnten, ohne das es ihren Freunden auffiel. Ihm war die Idee gekommen, ins Hinterzimmer zu gehen. Die Blondine, auf die er auf seinem Weg hierher im Bus getroffen war, hatte jedoch eingeworfen, dass es seltsam aussehen könnte, wenn sie zusammen und ohne Grund in das Zimmer verschwinden würden. Nach einigen Minuten hatten sie dann beide die Idee mit der Hausaufgabenwette und dem inszeninierten Streit. Und dieser Plan hatte wunderbar geklappt.

„Bin ich nicht eine gute Schauspielerin?“, sie ließ sich neben Mamoru fallen.

„Allerdings. Und deinen Bananasplit bekommst du natürlich spendiert von mir.“

„Danke! Also, was machen wir wegen Seiya?“

„Bis jetzt ist er ja noch nicht aufgetaucht.“

„Ja, weil er nachsitzen muss.“

„Geschieht ihm recht. Was gräbt er auch meine Freundin an.“, Mamorus Stimme glich einem Knurren.

„Deine Freundin?“

„Naja, meine inoffizielle Lass-es-uns-mal-miteinander-versuchen-Freundin.“

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass du tatsächlich eifersüchtig bist.“, die Blondine grinste ihn breit an.

„Bin ich nicht.“, er sprang auf. Ging nervös auf und ab. Innerlich gestand er es sich ein, dass er es wirklich war. Ein klein wenig. Aber das wollte er nicht zugeben. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, wie Usagi ebenfalls aufgestanden war. Er spürte ihre Hand auf seinem Rücken. Ihre Stirn die sie dagegen gelehnt hatte.

„Es war noch nie ein Junge meinetwegen eifersüchtig.“, ihre Stimme war leise.

„Ich bin in vielen Sachen für dich der Erste oder?“

Mamoru bemerkte nur ihr Nicken.

„Warst du überhaupt schon mal mit einem Jungen aus?“

„Nein. Bis ich dich kennen gelernt habe, habe ich mich nicht für Jungs interessiert.“

„Aber da waren doch sicher Interessenten. Solche wie Seiya.“

„Die haben mich nie angesprochen. Du warst der Erste, mit dem ich mich unterhalten habe. Oder den ich angeschrieen habe.“

Der Oberstufenschüler drehte sich zu ihr um. Legte seine Hand unter ihr Kinn. Seine Augen trafen ihre. Er fühlte sich geehrt, dass er für Usagi scheinbar der Einzige war. Derjenige, den sie näher an sich ran ließ. Dem sie ihr Herz schenkte. Und mit jeder Minute eroberte sie nun auch sein Herz. Raubte es Stück für Stück. Er war sich nicht mal mehr sicher, ob er es nicht doch schon offiziell machen sollte. Ihr sagen sollte, dass er sich mit jedem Tag etwas mehr in sie verliebte. Und das nicht erst seid ihrem ersten Kuss vor zwei Tagen.

„Mamo-chan?“

„Hm.“

„Darf ich...“

Sie musste nicht weitersprechen. Er las die Frage in ihren blauen Augen. Nickte nur.

Usagi stellte sich auf die Zehenspitzen. Den ganzen Tag über hatte sie gehofft, dass sie heute zumindest fünf Minuten für sich hatten, um einen Kuss von ihm zu bekommen. Vorsichtig berührte sie seine Lippen mit ihren. Ihr Herz schlug augenblicklich höher. Sie spürte den leichten Gegendruck, als Mamoru den Kuss sanft erwiderte.

„Wir sollten langsam wieder hier rauskommen. Sonst fliegt unser Geheimnis noch auf.“, flüsterte Mamoru in den Kuss hinein.

„Was sollten wir nochmal mitbringen?“

„Kirschen. Und Kaffee.“

„Stimmt, irgendwo da im Regal.“, hauchte Usagi an seine Lippen, bevor er sie wieder mit seinen verschloss. Ein letztes Mal trafen sie aufeinander, bevor sie sich endgültig lösten und sich auf die Suche nach den von Motoki gewünschten Lebensmitteln machten. Um an die Kaffeebohnen zu gelangen, umfasste Mamoru Usagis Taille und hob sie hoch.

Genau in dem Moment als Motoki die Türe aufriss. Er und die anderen waren ungeduldig geworden. Sie konnten sich nicht vorstellen, was die beiden da so lange drinnen trieben. Auch wenn sie was zu klären hatten. Aber so wie sie sich in den letzten Tagen verstanden hatten, konnte sich keiner der Freunde vorstellen, wieso sie nun schon beinahe zwanzig Minuten da drinnen waren. Schließlich wurde der Blonde vorgeschickt, um nach dem Rechten zusehen. Sofort sah er, wie Usagi langsam mit ihrem Rücken an Mamorus Bauch hinunter rutschte. In den Armen hatte sie die Packung Kaffee, während seine Arme um ihren Bauch geschlungen waren. Beide schauten erschrocken zu ihrem besten Freund und dann zu den Mädchen, die direkt hinter ihm standen und die beiden neugierig anschauten.

„Was habt ihr denn solange getrieben?“, Minako klang wahnsinnig neugierig.

„Geredet.“, Usagi hatte wieder die Füße auf dem Boden und schob sich an dem Blonden vorbei nach draußen. Sie spürte die fragenden Blicke ihrer Freundinnen und strich sich über die Haare. Sie hatte das Gefühl, als sähe sie ein wenig mitgenommen aus. Leicht verunsichert stellte sie den Kaffee neben die Maschine.

„So lange?“

„Wir waren uns eben nicht einig, Makoto.“, Mamoru trat neben Usagi und stellte das Glas mit den Amarenakirschen ab. „Könnten wir nun unsere Gewinne bekommen?“

„Also wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, ihr verheimlicht uns was.“, Motokis Stimme klang sachlich, während er die Kaffeebohnen ins Mahlwerk schüttete.

„Und das wäre?“

„Weiß nicht. Vielleicht das ihr schon längst zusammen seid.“

„So ein Schwachsinn.“, Mamorus klang lauter, als er es eigentlich beabsichtigt hatte. „Wie kommst du auf den Scheiß?“

„Ihr seid ziemlich nett zueinander.“, mischte sich nun auch Rei ein.

„Aber nur weil wir nett zueinander sind, bedeutet das ja nichts.“

„Mamoru kennt meine Gefühle für ihn und akzeptiert sie. Er will wirklich nur freundlich sein.“

„Und du empfindest nichts für sie?“

„Nein Ami! Und ich hab euch auch schon mal gesagt, dass es euch auch nichts anginge, wenn es denn so wäre. Es ist eine Sache zwischen mir und Usagi. Stimmt’s?“

Die Genannte nickte nur. Gerade wollte sie was erwidern, als ihr Blick auf den Eingang fiel und sie leicht erstarrte. Unbemerkt von den anderen ergriff sie Mamorus Hand und drückte sie leicht. Dieser blickte erst zu ihr und folgte dann ihrem Blick. Genau wie sie erstarrte er kurzzeitig.

„Ist das nicht Seiya?“, auch Ami war der Mitschüler aufgefallen. Und nun drehten sich alle Freunde zu dem Jungen um. Minako und Rei kannten ihn nur aus Erzählungen oder vom mehr als flüchtigen Sehen. Sie wussten, dass er unbedingt mit Usagi ausgehen und auch zusammen sein wollte.

„Was will der denn hier?“, Minako sah fragend zu Usagi.

„Ich hab ihm heute Mittag mal wieder eindeutig zu verstehen gegeben, dass er mich in Ruhe lassen soll. Dummerweise hat er mittlerweile bemerkt, dass unser lieber Baka neben mir nett zu mir ist.“

„Du meinst, er ist eifersüchtig?“

„Ja.“

„Soll er doch ruhig sein.“

Alle Blicke wanderten zu Mamoru, der Seiya mit den Augen fixiert hatte. Sie alle waren über den Klang seiner Stimme erstaunt. War er wirklich wütend auf den anderen?

„Vielleicht solltet ihr einen Abflug machen. Alle beide.“

„Rei hat Recht. Geht lieber.“, Motoki nickte bestätigend bei Reis und seiner Aussage.

„Aber dann glaubt er, dass Mamoru und ich wirklich zusammen sind.“

„Egal. Geht einfach.“

„Okay.“, Usagi kramte nach ihrem Geld. Genau wie es der Oberstufenschüler neben ihr tat. Beide packten ihre Schulbücher ein und verabschiedeten sich von ihren Freunden. Ohne das sich diese darüber wunderten, ergriff Mamoru die Hand der Blondine und rauschte mit ihr vorbei an seinem vermeindlichen Nebenbuhler.

„Also wenn Mamoru nichts für Usagi empfindet, dann fress ich einen Besen.“, Minako sah den beiden hinterher. Ebenso die anderen. Sie alle dachten sich ihren Teil und doch dachten alle das gleiche. Seiya ignorierend wandte sich die Clique ab und setzte sich wieder an ihren Stammtisch.
 

Mamoru hatte Usagi um die nächste Ecke gezogen. Außer Sichtweite von Seiya und den Freunden. Er ließ ihre Hand nicht los. Wollte es auch gar nicht. Gestern hatten sie die ganze Zeit über im Ueno-Zoo Händchen gehalten. Ihre Hände hatten sich nur zufällig gefunden, aber auch nicht mehr voneinander gelöst. Er hatte es genossen, dass ihre kleinen Finger mit seinen verschlungen waren. Und heute hatte er gehofft, dass sich wieder eine Gelegenheit dazu ergab. Langsam liefen sie nun nebeneinander her. Dank der Aussage von Rei konnten sie sich aus der Affäre ziehen, ohne das Fragen aufkamen. Dennoch hatte das ganze einen faden Beigeschmack. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn sie ihren Freunden gesagt hätten, dass er und Usagi eine Beziehung auf Probe führten. So konnte er sie wenigstens küssen, wann immer er wollte. Konnte ihre Hand halten, wann immer er wollte. Stattdessen spielten sie ein dummes Versteckspiel. Noch immer verstand er Usagis Beweggründe dafür. Und noch immer war er sich nicht einhundert Prozent sicher, dass das mit ihr und ihm gut ging. Er wünschte und erhoffte es sich. Keinesfalls wollte er Usagi verletzen. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, wie glücklich sie schien. Sie sprach kein Ton. Aber ihr federnder Gang sprach dafür tausend Bände.

„Soll ich dich nach Hause bringen?“, sie hatten an der Bushaltestelle angehalten. „Oder ist dein Vater da?“

„Ich glaube, er ist noch auf Arbeit. Es wäre also sehr nett, wenn du mich bringen würdest.“

Mamoru nickte nur und sah in Richtung des kommenden Buses. Höflich wie er war, ließ er dem Mädchen den Vortritt, bevor er selber einstieg.

Beide bemerkten nicht, dass sie beobachtet wurden. Saori hatte nach der Schule mehrmals vergeblich versucht, Mamoru auf seinem Handy anzurufen. Doch er hob nicht ab. Sie konnte sich keinen Reim drauf machen, warum er plötzlich so distanziert zu ihr war. Fast schon schroff. So kannte sie ihn nicht. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass es etwas mit der Blondine zutun hatte, die in ihn verliebt war. Der Brünetten war es mittlerweile aufgefallen, dass der Schwarzhaarige sehr viel netter zu Usagi war. Sie war sich nicht sicher, ob es daran lag, weil die Gefühle für ihn hatte. Dass er nur nett sein wollte, um sie nicht zu verletzen. Allerdings hatte sie auch heute das Gerücht von einer Mitschülerin gehört, dass Mamoru und Usagi gestern zusammen unterwegs gewesen sein sollen. Nur die beiden. Und genau deshalb wollte sie ihn heute sehen! Wieso traf er sich am Wochenende mit der Mittelstufenschülerin und nicht mit ihr? Sagte das gemeinsame Lernen sogar deswegen ab. Sah er denn nicht, dass dieses dumme Gör nicht sein Niveau hatte? Nicht ihr Niveau hatte!

Eigentlich war sie am Weg ins Crown gewesen. Zwar hatte sie dort mehr oder weniger Hausverbot erhalten, doch das brachte sie nicht davon ab, sich doch in diesen sinnlosen Laden zu begeben. Mamoru hätte ihr sicher aus der Patsche geholfen und ein gutes Wort für sie eingelegt. Es hatte sie nur noch eine große Kreuzung und eine Straßenecke von dem Café getrennt, als er ihr aufgefallen war. Obwohl er ihr auch nur wegen seiner Begleitung ins Auge gestochen war. Tsukino Usagi hielt seine Hand. Ihre Finger waren ineinander verschlungen und sie warfen sie mehr als nur freundliche Blicke zu, als sie sich an der Bushaltestelle über etwas unterhielten. Das Lachen des Mädchens drang an Saoris Ohr. Glockenhell und leicht schrill. Wie hielt Mamoru das nur aus? Und wieso hielt er ihre Hand? Das braunhaarige Mädchen musste schwer schlucken, als der Bus an ihr vorbei fuhr und sie einen letzten Blick auf die beiden erhaschen konnte. Mamoru hielt Usagi fest, während ihr Kopf leicht an seiner Brust ruhte.

Wut stieg in Saori auf, als sie es sah. Hatte es Usagi tatsächlich geschafft und war mit Mamoru zusammen? Mit ihrem Mamoru, der soviel besser zu ihr passte als zu dieser dummen blonden Pute. Sie ballte die Fäuste. Kramte in ihrer Tasche wieder nach ihrem Handy und wählte seine Nummer. Doch er nahm nicht ab. Sie konnte nicht anders als laut zu fluchen und wandte sich ruckartig ab. Zu ruckartig. Völlig erschrocken zuckte sie zusammen, als sie in jemanden stieß.

„Autsch!“

„Sorry, dass war keine Absicht.“, der Schwarzhaarige verbeugte sich tief vor ihr. „Kou Seiya! Entschuldigung! Darf ich dich auf eine Getränk einladen?“

Saori war etwas überrascht über ihn.

„Äh, ja. Obwohl ich dich vorwarnen muss. Meine Laune ist nicht die beste.“

„Meine auch nicht.“, Seiya grinste.

„Miyazuki Saori.“, sie verbeugte sich nun ebenfalls. „Wo magst du denn hin?“

„Da vorne ist ein Laden dieser amerikanischen neuen Kaffeehauskette. Ist das okay?“

„Klar.“

Für einen kurzen Moment war ihre Wut verflogen. Genau wie die von Seiya. Als er gesehen hatte, wie seine Usagi mit diesem Oberstufenschüler Hand in Hand aus dem Crown gegangen war, ohne ihn überhaupt zu grüßen, war er ihr nur wenige Minuten später hinterher geeilt. Nur um dann mitansehen zu müssen, wie beide sich verliebte Blicke zuwarfen und in den Bus stiegen. Dabei gehörte seine Usagi ihm. Und nicht diesem dämlichen und arroganten Mamoru. Doch nun war er auf Saori getroffen. Sie war älter als er. Und sah nicht schlecht aus. Auch wenn sie niemals an die Schönheit seiner Angebeteten heran kam. Aber ein wenig Ablenkung tat sicher gut. Sie hatte wie er keine gute Laune und vielleicht konnte man sich ja gegenseitig helfen?!

Rain

Der Regen prasselte gegen ihre Fensterscheibe. Dicke Tropfen liefen unkoordiniert die Scheibe hinab. Dazu wehte ein stürmischer Wind und brachte die Rhododendronbüsche im Vorgarten von Familie Tsukino dazu, sich in alle Richtungen zu biegen. Mit dem schönen Wetter war es seid mehr als einer Woche vorbei. Selbst der Vollmond war hinter den dicken Wolken nicht mal mehr auszumachen.

Usagi sah von dem Berg an Schulaufgaben auf und hinaus aus dem Fenster. Sie kaute versonnen auf ihrem Stift herum. Ihre Laune war genauso wie das Wetter. Mies. Und das ebenfalls seid neun Tagen. Seid Mamoru ihr diese seltsame Nachricht geschickt hatte. Das sie sich erstmal nicht mehr sehen könnten, weil er wieder mehr lernen muss. Sie hatte ihm geantwortet, dass das kein Problem sei. Und seitdem herrschte quasi Funkstille. Sie wusste, dass er vergangenen Mittwoch den Test in seinem Vorbereitungskurs geschrieben hatte. Sie hatte kurz überlegt, ihn nach seinen Ergebnissen zu fragen. Aber er wollte ja seine Ruhe haben und sie ihn nicht weiter bedrängen. Auch wenn ihr das schwer fiel. Sie vermisste ihn noch mehr, als vor ihrer unfreiwilligen Liebeserklärung. Und dabei waren sie inoffiziell zusammen. Gerne hätte sie mit jemanden darüber gesprochen, aber sie hatten sich beide darauf geeinigt, ihre Beziehung geheim zu halten. Nicht einmal Naru konnte und wollte sie was sagen. Es würde viel zu schnell die Runde machen.

Ihr kam in den Sinn, dass er vielleicht nicht so gut abgeschnitten hatte in dem Test, wie er es sich erhofft hatte. Auch wenn das wahrscheinlich eher nicht der Fall war. Immerhin hatte er sehr hart und lange für den Test gelernt. Und Dienstagabend hatte er ihr noch erzählt, dass er alle Lektionen auswendig konnte. Aber trotzdem schrieb er, dass er sich wieder mehr auf das Lernen konzentrieren müsste. Irgendwie kam das Usagi merkwürdig vor.

„Ach Luna, was soll ich denn nur machen?“

Ihre schwarze Katze sprang sofort auf den Schreibtisch und ließ sich schnurrend von ihrem Frauchen kraulen.

„Ich vermisse ihn so sehr. Und im Crown war er in letzter Zeit auch nicht mehr. Ach ist das doof!“, wütend stand sie auf und schmiss dabei ihren Stuhl um. Unruhig begann sie durch ihr Zimmer zutigern und raufte sich mehr als einmal dabei die Haare. Sie hatte in diesen Versuch der Beziehung eingewilligt und nun hielt er sie auf Distanz. Sie hatte gehofft, ihn am Wochenende zu sehen. Vielleicht ins Kino mit ihm zugehen. Aber daraus wurde scheinbar nichts. Er verkroch sich hinter Büchern und sie konnte nichts dagegen tun. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich nicht so schnell von etwas abbringen ließ, was er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte.

„Liebling, ist alles in Ordnung bei dir?“

Erschrocken fuhr Usagi herum und sah in das fragende Gesicht ihrer Mutter, die in der Tür stand.

„Ich habe etwas poltern gehört.“

„Oh, ja. Das war mein Stuhl. Ich wollte mich strecken und dabei ist er wohl umgefallen. Entschuldige, Mama.“, Usagi hob ihren Stuhl auf und ließ sich drauf fallen.

„Was ist mit dir los? Du hast vorhin kaum das Abendessen angerührt. Selbst den Schokoladenpudding hast du nicht gegessen.“

Ikuko kam weiter ins Zimmer ihrer Tochter hinein und schloss dabei die Türe hinter sich, bevor sie sich auf das Bett setzte. Ihr war nicht entgangen, dass Usagis Laune seid Mittwochabend immer mehr in den Keller ging und sie stiller geworden war. Bis jetzt hatte sie geschwiegen, doch diese offensichtliche Notlüge der Blondine veranlasste sie nun zum genaueren Nachfragen.

„Ist es wegen Mamoru?“

Ihre Tochter nickte nur.

„Hat er dich wieder geärgert?“

Usagi schüttelte leicht den Kopf.

„Erzählst du es mir?“

Das Mädchen hob leicht die Schultern und Tränen bildeten sich in ihren Augen.

„Ich behalte es für mich.“, Ikuko beugte sich zur ihrer Tochter und zog sie an der Hand vom Stuhl auf das Bett. „Na los! Spuck es schon aus.“

„Wir sind zusammen. Also irgendwie.“

„Irgendwie? Wie ist man denn irgendwie zusammen?“

„Also wir sind ja jetzt zusammen. Aber nicht offiziell.“

„Was bedeutet das?“, Ikuko sah die Blondine skeptisch an.

„Das nur wir es wissen und du. Wir wollen es noch ein wenig geheim halten. Ich bin ja in ihn verliebt und er ist sich aber seiner Gefühle noch nicht ganz so sicher.“

„Er hat dich geküsst.“

„Ich weiß.“, Usagi wurde ein wenig rot bei den direkten Worten ihrer Mutter. „Nur im Gegensatz zu mir, ist Mamoru nun nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte der Emotionen. Verstehst du? Wir wollen sehen, ob das auch wirklich funktioniert. Und dabei sollen uns die anderen nicht rein reden. Die Mädels sind ja der Auffassung, dass wir das beste Paar der Stadt abgeben und Motoki glaubt das auch. Nur wir befürchten halt, dass sie uns alle sonst wie behandeln, wenn sie davon erfahren. Und Mamoru und ich wollen uns auch erst besser kennen lernen.“

„Verstehe. Und warum hast du dann schlechte Laune?“

„Ich vermisse ihn so.“, wieder traten Usagi die Tränen in die Augen. „Letzten Mittwoch hat er mir eine Nachricht geschickt, dass er mich erstmal nicht mehr sehen wolle, weil er so viel lernen muss. Und seitdem hat er sich gar nicht mehr gemeldet. Er war auch nicht mehr im Crown und Motoki wusste auch nicht, wo er war.“

„Hast du ihm denn nochmal geschrieben? Oder ihn angerufen?“

„Nein. Ich will ihn nicht unter Druck setzen. Ich will, dass unsere Beziehung funktioniert. Ach Mama, was soll ich denn jetzt machen?“

„Sieh nicht alles so schwarz. Hast du nicht erzählt, dass er am Mittwoch seinen Test hatte?“

„Ja.“

„Vielleicht hat er nicht allzu gut abgeschnitten.“

„Mama, wir reden hier von Chiba Mamoru. Der schneidet nicht schlecht ab. Der hat immer einhundert Prozent.“, Usagi stand auf und wischte sich die Tränen weg. „Ich glaube, er hat sich eingestanden, dass er eine Beziehung mit mir nicht will.“

„Er hat dich geküsst.“

„Wer weiß warum. Vielleicht wollte er ja nur nett sein?!“

„Das glaube ich nicht. Mamoru scheint mir doch ein sehr höflicher junger Mann zu sein. Ihr solltet das…“

Weiter kam Ikuko nicht. Jemand hatte an der Tür geläutet. Angestrengt lauschte sowohl sie als auch die Blondine, wer denn Freitagabend kurz vor acht bei ihnen klingelte und wen Kenji begrüßte. Die beiden Frauen zuckten zusammen, als das Familienoberhaupt missmutig seine Stimme erhob und nach seiner Tochter rief. Fragend schaute diese ihre Mutter an.

„Erwartest du eins von den Mädchen?“

„Nein. Eigentlich nicht.“

Beide gingen zur Tür und verließen das Zimmer. Sie sahen die Treppe hinunter und Usagi stockte ein wenig der Atem. Da stand Mamoru neben ihrem Vater und sah zu ihr hoch. Sie konnte sehen, dass er wütend war. Ohne groß nachzudenken, rannte sie die Treppe hinunter und schnappte sich ihre Gummistiefel, die neben der Garderobe standen sowie ihren pinken Regenmantel und den Schirm.

„Ich muss nochmal weg.“

„Mit ihm?“, Kenjis Stimme war um einige Oktaven in die Höhe geschnellt.

„Ja.“, Usagi sah ihren Vater nicht an, sondern schnappte sich stattdessen Mamorus Hand. Dieser verabschiedete sich nur kurz und ließ sich dann von der Blondine aus dem Haus ziehen.
 

Nahezu gleichzeitig spannten sie ihre Schirme auf und durchquerten eilig den Vorgarten. Keiner der beiden wollte von ihren Eltern beobachtet oder belauscht werden. Er hielt ihr das Gartentor auf und sie nickte ihm dankbar zu. Bis sie um die nächste Ecke gebogen waren, sprachen sie kein Ton. Erst als sie die nahgelegene und menschenleere Bushaltestelle erreichten und sich dort auf die Bank setzten.

„Warum reagierst du nicht auf meine Nachrichten oder Anrufe?“

Perplex sah die Blondine, die nebenbei ihren Schirm geschlossen hatte, zu ihm auf. Er klang viel wütender, als es seine Augen verrieten.

„Ich hab dir seid letztem Mittwoch bestimmt fünfzig Nachrichten geschrieben und dich sicherlich genauso oft angerufen. Wieso gehst du nicht ran?“

„Du hast mich nicht angerufen.“

„Doch.“

„Sicher nicht. Ich habe keine einzige Nachricht bekommen.“

„Du hast sie sicher gelöscht und vergessen. Wäre nur allzu typisch für dich.“

„Bitte was?“, nun war Usagi aufgesprungen und funkelte ihn böse an. „Was soll das denn heißen?“

„Das du schusselig genug dafür bist.“

„Sag mal spinnst du? Warum sollte ich deinen Nachrichten löschen und nicht ans Handy gehen, wenn du mich anrufst? Ich bin schließlich diejenige, die sich über sowas freut. Weil ich ja in die verknallt bin. Ich hab gar kein Grund, nicht ranzugehen oder deine Texte zu löschen. Ich hätte dir sehr wohl zurück geschrieben, wenn ich denn was bekommen hätte. Hab ich aber nicht.“

„Ach nein?“, Mamoru stellte seinen Schirm an die Rückwand des Wartehäuschens und kramte nach seinem Handy. „Und was ist das?“

Die Blondine nahm ihm das Smartphone ab und überflog alle Nachrichten. Es waren wirklich fünfzig Stück. Dann klickte sie sich aus dem Menü und hinein in die Telefonliste. Genauso viele Anrufversuche an sie waren dort hinterlegt. Aber wieso hatte sie nichts davon bemerkt? Sie gab ihm das Handy zurück.

„Ich hab wirklich nichts bekommen. Sie doch selbst.“

Nun war es an Mamoru, ihr Handy zu durchsuchen. Aber von seinen Nachrichten und Anrufen war nichts zu lesen. Mit hochgezogener Augenbraue gab er es ihr wieder.

„Gib doch einfach zu, dass du es gelöscht hast.“

„Warum sollte ich?“, ihr war die Kälte in seiner Stimme nicht entgangen.

„Weil es dir zu anstrengend wurde, unsere Beziehung geheim zu halten?“

„Nein.“

„Vergiss es. Ist ja jetzt auch egal. Lass uns den Käse beenden.“

Schockiert sah das Mädchen ihn an. Er wich ihrem Blick aus.

„Warum glaubst du mir denn nicht?“, ihre Stimme zitterte und Tränen bahnten sich ihren Weg. Sie verstand nicht, warum er sowas behauptete. Geschweigedenn warum er die Beziehung beenden wollte. Sie hatten doch erst vier Tage bis zu dieser ominösen Funkstille eine gehabt. Das war doch keine Zeitspanne, um sich richtig kennen zu lernen. Hatte er sie doch wieder nur verarscht und sie war drauf reingefallen? Traurig und weinend wandte sie sich ab. Sie spannte ihren Schirm auf und ging langsam und enttäuscht wieder den Weg zurück. Dabei zog sie ihr Handy aus der Tasche und tippte mit schnellen Fingern eine Nachricht. Nicht weit hinter sich hörte sie ein Piepsen. Es war Mamorus Handy. Sollte er ruhig wissen, was ihr durch den Kopf ging.

Mamoru nahm seinerseits sein Handy und öffnete die Nachricht. Es stand kein Name dabei, nur die Nummer wurde angezeigt. Er kannte sie nicht.

„Ich hätte wissen müssen, dass du dich nur über mich lustig gemacht hast und ein arrogantes Arschloch bist. Ich will dich nie wieder sehen.“

Schlagartig wurde ihm klar, von wem die Nachricht war. Er sah auf und erkannte gerade noch, wie Usagi um die Ecke bog. Sich den Schirm schnappend, rannte er durch den Regen und ihr hinterher. Wieso stand ihr Name nicht als Absender da?

„Usa, warte!“

Das Mädchen lief weiter. Sie wollte sich nicht noch mehr Lügen von ihm anhören. Er sollte sie nicht noch mehr verletzen. Irgendwann reichte es schließlich. Es waren nur noch wenige Meter bis zu ihrem Elternhaus. Und doch waren es zuviele. Etwas rüde wurde sie am Handgelenk gepackt und herum gewirbelt. Erschrocken keuchte sie auf und wahrscheinlich hätte sie sogar geschrieen, wenn es nicht Mamoru gewesen wäre. Noch immer rannen ihr die Tränen über die Wange. Ihr Herz schlug wieder einmal viel zu schnell, als sie in seinen ozeanblauen Augen ertrank.

„Ich bin kein Arschloch.“, seine Stimme klang ein wenig atemlos. Auch sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Und als er ihre tränenverschleierten Augen sah, stach es ihm dieser Anblick sogar in sein Herz. Ließ es für einen Moment aussetzen.

„So verhälst du dich aber.“

„Wieso sagst du mir nicht, dass du eine neue Nummer hast?“

„Hab ich doch gar nicht.“

„Aber dein Name stand jetzt nicht mit dabei. Es war eine gänzlich andere Nummer.“

„Das kann gar nicht sein. Gib mal dein Handy her.“, Usagi hielt ihm fordernd die Hand hin und er legte es ohne Widerworte hinein. Sie schaute neuerlich in der Anruferliste nach. Öffnete ihren eigenen Namen im Adressfeld und ließ sich die Nummer anzeigen.

„Das ist nicht meine Nummer.“

„Aber dein Name steht da.“, er hatte sich neben sie gestellt.

„Schon, aber bis auf die Vorwahl stimmt keine der Zahlen.“

„Das verstehe ich nicht. Ich hab dir doch schon vorher Nachrichten geschickt, die du bekommen hast.“

Unschlüssig sah Usagi ihn an.

„Sag mal, hast du dein Handy vielleicht irgendwo liegen lassen?“

„Nein. Eigentlich nicht.“

„Eigentlich?“

„Vielleicht mal in der Schule oder im Kurs, wenn ich aufs Klo bin. Aber eher nur zufällig.“

Wieder besah sich Usagi seine Nachrichten. Im Empfang suchte sie ihre Nachricht, die sie an sein Handy geschickt hatte. Doch sie fand sie nicht.

„Meine Nachricht ist auch weg.“

„Welche Nachricht?“

„Na meine Antwort auf deine Text, dass wir uns eine Weile nicht sehen und ich hab geschrieben, dass das okay ist.“

„Was hab ich dir geschrieben?“

Wieder suchte sie ihr Handy und zeigte ihm die verschickte Nachricht.

„Die hab ich aber auch nicht bei dir im Textausgang gesehen. Jemand muss an deinem Handy gewesen sein, Mamo-chan und meine Nummer ausgetauscht haben. Hast du eine Ahnung, wer?“

Der Schwarzhaarige sah sie ernst an und schüttelte den Kopf.

„Nein. Außerdem ist es mit einem Code für die Tastensperre belegt.“

Trotzdem ergab es Sinn, was Usagi da erzählte. Schuldgefühle machten sich in ihm breit. Wieso war er nicht gleich letzte Woche bei ihr vorbeigegangen und hatte sie gefragt? Er war wirklich ein Hornochse. Stattdessen hatte er sie beschimpft und verletzt. Betreten sah er zu Boden.

„Es tut mir leid.“

Er suchte ihre Hände und ihren Blick.

„Hättest ja mich ja auch eher fragen können.“, ihre Stimme klang trotzig.

„Ich weiß. Aber ich war so sauer. Erst sagst du mir, dass du dich in mich verliebt hast. Und dann reagierst du auf keine meiner Nachrichten oder Anrufe. Ich hatte nicht mal mehr Bock aufs Crown.“

„Hab ich gemerkt. Nicht mal Motoki wusste, wo du bist. Und ich hab dich echt vermisst.“

„Ehrlich?“, Mamoru sah sie ungläubig an. Das Mädchen vor ihm hatte so ein großes Herz, dass sie ihm selbst seine Fehltritte verzeihte.

„Ich liebe dich, Mamo-chan. Klar vermisse ich dich dann auch.“

„Usako.“

So wie er ihren Namen aussprach, jagte es ihr einen Schauer über den Rücken. Usagi stellte sich auf die Zehenspitzen und näherte sich seinen Lippen. Ganz sanft legten sich ihre auf seine. Sie spürte den leichten Druck, als er ihren Kuss erwiderte. Lehnte sich an ihn, als er sie in seine Arme zog. Der Kuss kam ihr anders vor. Sehnsüchtiger. Liebevoller.

Wie sehr hatte er das vermisst. Mamoru seufzte leise in den Kuss hinein, als sie ihre Lippen leicht öffnete und ihm Einlass gewährte. Ausgerechnet ihre Lippen hatten ihm gefehlt. Ihre Leidenschaft die sie ihm entgegenbrachte und ihre Liebe. Er zog sie noch näher an sich. In den letzten Tagen war ihm mehr als einmal klar geworden, dass er sich in sie verliebt hatte. Das er ihre Nähe brauchte und nur deshalb so sauer war, weil sie ihm diese scheinbar verwehrte.

„Ist alles wieder gut zwischen uns?“, Usagi japste ein wenig nach Luft. Der Kuss hatte all ihre Sinne benebelt. Sie war fast schon atemlos.

„Ja.“

„Wir sind also noch zusammen?“

„Reicht dir das hier als Antwort?“

Nun war es Mamoru, der sich ihren Lippen näherte. Warum schmeckte sie nur so gut? Er konnte gar nicht genug davon bekommen und musste grinsen, als sie ihre Arme um seinen Hals schlang.

„Glaubst du, dass dein Vater was dagegen hätte, wenn wir noch ausgehen? Es ist schließlich Freitagabend und ich hab dich seid über einer Woche nicht mehr gesehen. Ich bring dich auch um halb zwölf heim.“, er grinste sie an.

„Ich ruf meine Mama an.“

Der Schwarzhaarige nickte nur und verfolgte ihr kurzes Gespräch. Sie versprach ihr Mutter hoch und heilig brav zu bleiben und nichts Dummes anzustellen. Er musste leise lachen dabei, als er Usagis genervtes Gesicht bei ihrem eigenen Versprechen sah. Er kannte die Blondine mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass sie zu emotional war und sich des Öfteren zu etwas hinreißen ließ.

„Solange du mich heim bringst, darf ich auch bis Mitternacht wegbleiben.“

„Was?“

„Meine Mama mag dich.“, zwinkerte Usagi ihm zu und steckte das Handy weg.

„Dafür mag mich dein Vater nicht.“

„Irgendwann schon.“

Mamoru konnte nicht anders, als zu lachen bei ihrer Aussage. Dann ergriff er ihre Hand und sie schlenderten durch den Regen in Richtung Bushaltestelle.
 

Bewusst hatten sie sich gegen das Crown entschieden und waren in den Stadtteil Minato-ku gefahren. Hier gab es ebenso einige gute Cafés. Diese machten vielleicht nicht den besten Kaffee oder Michshake, so wie es sie bei Motoki im Crown gab, aber hier waren sie wenigstens ungestört.

Das Café in dem sie jetzt saßen, verströmte eine gemütliche Atmosphäre. Keine schreinenden Teenager, die die Spieleautomaten beschimpften, weil sie wieder verloren hatten. Keine lärmenden Mädchen, die bei jedem neuen Bild ihrer Lieblingsband los kreischten. Hier war alles ruhig. Die Leute unterhielten sich in einer angenehmen Lautstärke und die Sitzbänke waren mit rotem Stoff überzogen.

Mamoru und Usagi hatten einen Nischenplatz am Fenster erwischt. Er hatte seinen Arm um sie gelegt und an sich rangezogen. Ab und an hauchte er ihr einen Kuss auf den blonden Haarschopf oder die Wange oder den Mund. Er kam sich noch nie so idiotisch und glücklich zugleich vor. Er lachte über jeden Blödsinn, den sie ihm erzählte und im Gegensatz war es genauso. Er genoss es, dass sie für sich waren. Das alles wieder geklärt war. Ihm tat es leid, dass er ihr unterstellt hatte, sie wolle die Beziehung beenden. Dabei hoffte er jetzt schon, dass sie das hier fortsetzen konnten.

„Mich würde ja mal interessieren, wer meine Nummer ausgetauscht hat.“, Usagi sah aus dem Fenster auf die belebte Straße.

„Ja, mich allerdings auch. Sag mal, was ist mit diesem Seiya?“

„Er kann es nicht gewesen sein. Wie soll er denn an dein Handy kommen? Ihr habt euch ja nur zweimal gesehen.“

„Das meine ich ja auch nicht. Ich wollte wissen, wie er sich in letzter Zeit verhält. In der Schule und so.“

Die Blondine seufzte und richtete sich etwas auf. Sie spürte Mamorus fragenden Blick auf sich.

„Naja, so wie immer. Er ist immer noch der Auffassung, dass er viel besser zu mir passt als du.“

„Also weiß deine Schule schon von unserer Beziehung?“

„Mehr oder weniger. Naru denkt aber, dass du mir nur zur Seite stehst. Genau wie die Mädels. Sie denken alle, dass das rein freundschaftlich zwischen mir und dir wäre.“

„Dann haben wir wenigstens unsere Ruhe.“, murmelte der Schwarzhaarige. „Aber mir gefällt das mit Seiya trotzdem nicht.“

„Du bist ganz schön eifersüchtig.“, Usagi konnte nicht anders, als zu grinsen.

„Mag sein und ist ja auch mein gutes Recht. Schließlich bin ich momentan der einzige, der dich küssen darf. Oder?“

„Mein Herz gehört nur dir.“

Sie strich ihm mit der Hand über die Wange und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Sie brauchte keine Antwort von ihm. Allein seine Küssen und die kleinen Gesten zeigten ihr, dass er langsam aber sicher das gleiche für sie fühlte wie sie für ihn. Doch im Gegensatz zu ihr, konnte er es nicht laut sagen. Nocht nicht. Und das musste er auch nicht. Er sollte sich Zeit lassen. So war es abgemacht. Bis zu ihrem Geburtstag waren es noch viereinhalb Wochen.

Mamoru war nie der Typ der großen Emotionen gewesen. Geschweigedenn das er sie in der Öffentlichkeit zeigte. Aber bei ihr konnte er nicht anders. Usagi brachte ihn dazu, der ganzen Welt zu zeigen, dass sie zu ihm gehörte. Das sie seine, wenn noch nicht offizielle, Freundin war. Sein Mädchen. Seine Prinzessin. Früher wären ihm Küsse in Gesellschaft anderer peinlich gewesen. Jetzt war es ihm egal. Er wollte und konnte sich ihren Lippen ohnehin nicht entziehen. Und er war sogar ein wenig stolz darauf, dass ihnen andere beim Küssen zu sahen. So wie jetzt wahrscheinlich alle zu ihnen rüber sahen. Langsam löste er sich wieder von ihr und sah ihr tief in die Augen. Lächelte dabei versonnen.

„Hallo Mamoru!“

Erschrocken sah der Angesprochene auf.

„Saori.“

Schlagartig war seine gute Laune verschwunden. Warum war sie immer dort, wo er war. Schon in den vergangenen Tagen lauerte sie ihm scheinbar überall auf. Wenn er auf dem Heimweg war, trafen sie sich immer. Selbst wenn er nach der Schule noch sein Fußballtraining hatte, war er immer auf sie getroffen. Laut Saori war das immer rein zufällig. Mamoru selbst glaubte nicht an sowas. Ihm war klar, dass sie alles plante. Am Mittwoch hatte sie sogar ihren Tisch näher an seinen geschoben, als sie zusammen den Vorbereitungskurs besucht hatten. Er musste zugeben, dass er jetzt noch schadenfroh darüber war, dass der Lehrer sie bat, wieder von ihm wegzurutschen. Und ihr die Anregung gab, sich mehr auf das Lernen als auf junge Männer zu konzentrieren. Mamoru konnte ihm da nur nickend und unter dem Gelächter der anderen Schüler beipflichten. Schließlich hatte sie in dem Vorbereitungstest gerade so sechzig Prozent geschafft. Mit diesem Ergebnis beim richtigen Aufnahmetest an der Tôdai wäre sie lediglich auf die Liste der nachrückenden Studenten gerutscht, die auch nur einen Platz bekamen, wenn ein bereits aufgenommer Student wegfiel.Und selbst da hätte sie wenig Chancen gehabt. Er selbst hatte den Test mit achtundneunzig Prozent bestanden. Es waren keine hundert, aber trotzdem war er der Beste im Kurs gewesen. Lediglich eine Frage hatte er falsch beantwortet. Und das auch nur, weil er zwei Bausteine einer tierischen Zelle vertauscht hatte. Sowas würde ihm aber sicher nicht noch einmal passieren. Das wusste er. Genauso wie er wusste, dass Saori ihm gerade seine Stimmung zunichte machte.

„Was treibt dich denn hierher?“, die Brünette musste sich zwingen zu lächeln. Sie konnte das blonde Dummchen neben ihm einfach nicht ausstehen. Schon den ganzen Abend hatte sie Mamoru verfolgt. Bis zu Usagis Elternhaus und dort in einer dunklen Ecke der Straße mitten im Regen gewartet. Gewartet und ihren Streit belauscht. Doch warum zur Hölle mussten die beiden sich auch wieder vertragen? Wieso musste Usagi ihm die Nachricht schicken und wieso wurden sie beide so darauf aufmerksam, dass er eine falsche Nummer hatte? Die Blondine war schlauer, als Saori zunächst gedacht hatte. Dabei erschien ihr die Plan, den Seiya hatte, so perfekt! Noch an dem Tag als sie auf Usagis Mitschüler getroffen und seiner Einladung gefolgt war, hatten sie diesen Plan ausgeheckt. Kurz nachdem sie beide darauf gekommen waren, dass sie die gleichen Personen kannten und sie begehrten. Sie musste später dringend mit Seiya telefonieren.

„Usagi und ich waren verabredet.“

Eine glatte Lüge. Saori wusste es schließlich besser. Aber sie ließ sich nichts anmerken. Mamoru hatte ihr ja auch nichts davon erzählt, dass er Usagi nicht mehr sah. Das wusste sie auch so. Immerhin war es ihre Nummer, die sie auf den Namen der Blondine gespeichert hatte. Er hatte ihr die ganze Zeit geschrieben. Erst fragende, dann immer wütendere Nachrichten. Es war ihr schwer gefallen, ihm nicht zu antworten. Noch schwerer war es, nicht ranzugehen, wenn er sie anrief. Aber das war nun einmal der Plan. Ein Plan der so eben gescheitert war.

„Schön.“

„Und was machst du hier?“, Usagi lächelte sie zuckersüß an. Auch wenn ihr nicht danach zumute war. In jenem Moment hätte sie Saori auf den Mond schießen können. Hatte die Frau denn keinen Anstand? Man ließ sich unterhaltende Menschen in Ruhe und unterbrach sie nicht so einfach. Sie war in dem Moment lediglich froh, dass sich ihre Lippen bereits getrennt hatten und hoffte, dass es Saori nicht schon vorher gesehen hatte. Sonst wäre ihre Tarnung endgültig dahin. Wenn es die Brünette wusste, wusste es bald auch sein ganzer Vorbereitungskurs. Dann seine Schule und ihre und schließlich auch das Crown.

„Oh, ich bin hier mit ein paar Freundinnen verabredet. Da hinten.“, sie zeigte willkürlich auf einen Tisch am anderen Ende des Cafés, an dem einige Mädchen in ihrem Alter saßen. „Ich war gerade auf dem Weg nach Hause, als ich euch hier sitzen sah.“

Usagi sah zu Mamoru. In seinem Blick lag Misstrauen. Ihm war Saori immer schon komisch vorkommen. Wenn sie was haben wollte, bekam sie es meistens auch. In dem Fall wollte sie ihn. Das war ihm klar. Er wusste nur nicht, wie weit sie für ihn gehen würde.

„Habt ihr zusammen gelernt?“

„Ja.“, Mamorus Antwort fiel denkbar knapp aus.

„Und jetzt seid ihr noch was Essen gegangen?“

„Ja.“

„Okay. Ähm, können wir auch mal wieder zusammen lernen?“, Saori versuchte es mit großen Augen. Irgendwie musste sie ihn doch rumkriegen. Wieso klappte es bei Usagi und nicht bei ihr, die doch viel gebildeter war und besser zu Mamoru passte.

„Im Moment habe ich keine Zeit. Usagi braucht meine Hilfe mehr, weil sie bald Semesterprüfungen hat.“

„Wir doch auch.“

„Schon, aber ich bin ziemlich weit im Stoff. Und im Gegensatz zu dir, habe ich ja auch nicht allzu schlecht beim Vorbereitungstest abgeschlossen. Nicht wahr?!“, er konnte sich diesen Seitenhieb einfach nicht verkneifen. Grinsend wandte er sich von Saori ab und der Blondine zu. Diese musste sich auf die Zunge beißen, um nicht etwas Unüberlegtes zu sagen.

„Ich war halt an dem Tag nicht gut drauf.“

Die Brünette wurde wütend. Ihre Augen funkelten Usagi an.

„Wenigstens werde ich es auf die Uni schaffen. Im Gegensatz zu ihr.“

„Ich will ja auch gar nicht studieren.“, Usagi streckte ihr frech die Zunge raus. „Ich werde was mit Kindern machen. Kindergarten oder so.“

„Wow, was für eine Karriere.“

„Wenn es ihr Spaß macht.“, der Schwarzhaarige sprang der Blondine zur Seite. „Und wenn du jetzt hier nur schlechte Stimmung verbreiten willst, dann such dir bitte andere dazu aus. Ich und auch Usagi haben keine Lust darauf.“

Saori schäumte innerlich vor Wut. Er servierte sie einfach ab. Sah er denn nicht, dass sie die bessere Partie war? Aber nein! Stattdessen küsste er diese dumme Kuh neben sich. Ein halbes Kind noch im Aussehen und im Charakter. Als sie sah, wie sich die beiden küssten, kam ihr bittere Galle hoch. Nie hatte sie gesehen, dass Mamoru Emotionen zeigte. Nie. Und dann küsste er dieses Mädchen in aller Öffentlichkeit. Sowas tat ein anständiger japanischer Mann nicht. Das würde sie als seine Freundin auch nicht zulassen. Man küsste sich nur daheim. Wenn man alleine war. Nicht mal verheiratete Paare zeigten öffentlich ihre Zuneigung füreinander. Und wäre sie mit Mamoru zusammen, würde er sich auch nicht so gehen lassen. Es war alleine Usagis Schuld. Sie war einfach nicht erzogen. Ihr Blick streifte den von dem blonden Mädchen und dann wieder den von ihrem Schwarm. Er zeigte keine Emotionen und sein Blick war eiskalt. Säuerlich drehte sie sich weg und ging schnurrstracks hinaus.

Das Paar beobachtete sie durch die Scheibe hindurch und sah, wie sie in Richtung der nächsten U-Bahn-Station ging. Erleichtert atmete Usagi auf.

„Ich kann sie nicht ausstehen.“

„Eifersüchtig?“, Mamorus Stimme klang amüsiert.

„Ja, und das zu Recht.“
 

Sie stand zitternd im Regen. Schon auf dem Weg zur U-Bahn hatte Saori ihr Handy gezückt und die Nummer von Seiya gewählt. Sie musste ihm dringend mitteilen, dass ihr gemeinsamer Plan gehörig in die Hose gegangen war. Er hatte ihr gesagt, sie solle bei ihm um die Ecke warten. Da wo sie nun stand. Von oben bis unten war sie mittlerweile durchnässt. Im Gegensatz zu Usagi, die Regenmantel und Gummistiefel trug und Mamoru, der scheinbar wasserunduchlässige Schuhe anhatte, hatte sie lediglich Ballerinas an und einen dünnen Sommenmantel. Der Schirm nützte ihr auch nichts, weil der Wind von allen Seiten kam und so auch der Regen. Genervt sah sie auf ihre Armbanduhr. Es war kurz nach halb elf. Ihre Eltern würden ihr den Hals umdrehen, wenn sie so spät heimkam. Ganz egal wie alt sie war. Wenn sie nicht Bescheid sagte, bekam sie was zu hören. Doch das war egal. Schließlich ging es hier um ihren Mamoru. Dafür würde sie alles riskieren. Sie hob ihren Blick und erkannte eine dunkle Gestalt auf sich zukommen. Nur an dem langen Pferdeschwanz erkannte sie, dass es Seiya war, der da durch den Regen auf sie zu gerannt kam.

„Wurde ja auch Zeit!“, schnauzte sie ihn bibbernd an. „Ich warte schon sicher seit einer Viertelstunde auf dich.“

„Ja sorry.“

„Schon okay.“

„Unser Plan ist also nicht aufgegangen?“

„Nein. Und dabei hast du gesagt, der wäre totsicher. Du hast gesagt, es würde klappen, die beiden voneinander zu trennen. Einen Keil zwischen sie treiben.“

„Hey, langsam!“, Seiya hatte keine Lust, sich von Saori so niederbrüllen zu lassen. Mit ihrer keifenden Stimme würde sie noch die ganze Nachbarschaft auf den Plan rufen. Genervt zog er sie in eine stillere Seitengasse, die nur von zwei fensterlosen Hauswänden gesäumt wurde.

„Lass mich los!“

„Von mir aus. Hör mal, Süße! Ich konnte ja nicht ahnen, dass dein toller Mamoru so schlau ist und bei Usagi vorbei geht. Ich dachte echt, der ist ein bisschen unterbelichteter.“

„Sag mal, wie sprichst du von ihm? Er hat immerhin Topergebnisse in allen Schularbeiten.“

„Ja, aber das sagt ja noch nichts über ihn auf menschlicher Ebene aus, oder?“

„Du bist ein echter Vollidiot!“

„Mag sein. Also die beiden haben sich wieder vertragen?“

„Ja. Wie ich dir schon am Telefon gesagt habe, war er halt bei ihr und hat sie zur Rede gestellt. Am Anfang sah auch alles noch super für uns aus. Er hat sie angeschrieen und sie ihn. Sie hat sogar geheult.“

„Was? Mein Schätzchen hat wegen deinem Baka geheult. So ein Arsch!“

„Ja, so hat sie ihn auch genannt.“, Saori seufzte tief. „Dann hat sie sich abgewandt und ihm aber noch dummerweise ein Nachricht aufs Handy geschickt. Keine Ahnung was da drin stand. Aber auf alle Fälle hat er gesehen, dass sie von ihr war. Dann hat er sie aufgehalten und ihnen fiel das mit der Nummer auf.“

„Friede, Freude, Eierkuchen?!“

„Leider ja. Sie sind dann zusammen nach Minato-ku in ein Café gefahren. Ich hab sie von draußen beobachtet. Aber es wurde mir dann echt zuviel. Ich meine, die haben schon auf dem Weg dorthin Händchen gehalten und so. Aber dort haben sie sich permanent geküsst. Genauso wie kurz nach dem Streit. Dabei darf nur ich Mamoru küssen.“

Angewidert sah Seiya die Brünette an. In seinem Kopf arbeitete es. Waren die beiden jetzt wirklich zusammen? Er hatte Usagi in den letzten Tagen, in denen sich Mamoru nicht bei ihr gemeldet hatte, genau beobachtet. Sie war nicht mehr so fröhlich gewesen und ihre Stimmung war von Stunde zu Stunde schlechter geworden. Allerdings tat es Seiya keineswegs leid, dass es ihr nicht so gut ging. Er hatte sich überlegt, ihr noch ein bisschen Zeit zugeben und sie dann endgültig für sich zu gewinnen. Und eigentlich hatte er in einigen Tagen damit gerechnet, dass sie sich ihm zuwandte und einsah, dass sie viel besser zusammen passten. Hing Usagis Herz doch viel mehr an dem Oberstufenschüler? Er hatte es ja selbst nur allzu gut mitbekommen, wie sie für ihn schwärmte. Und seid dieser Mamoru von ihrer Liebe zu ihm wusste, war dieser ihr gegenüber auch viel aufgeschlossener. In Seiya begann es zu brodeln. Hatte dieser eingebildete Schnösel es etwa doch geschafft, ihm sein Schätzchen wegzunehmen? Gegen ihren Willen. Sie wollte ihn doch gar nicht. Das wusste sie zwar noch nicht, aber das würde schon noch kommen.

„Wie geht es jetzt weiter?“

Er schreckte aus seinen Gedanken und sah zu Saori, die ihn fragend und fordernd anblickte. Ihm kam spontan eine Idee, aber er war sich nicht sicher, ob diese ihr gefallen würde.

„Seiya?“

„Naja, also wir könnten ja so tun, als seien wir beide ein Paar.“

„Was? Du und ich? Was soll das denn bringen?“

„Eifersucht.“

„Eifersucht?“

„Eifersucht!“, Seiya konnte sich ein arrogantes Grinsen nicht verkneifen. „Usagi weiß ja nicht, was sie an mir hat. Noch nicht. Aber wenn du und ich so tun, als seien wir ein Paar, dann wird es ihr auffallen. Mein Schätzchen ist sehr emotional. Sie wird sicher sauer werden, wenn sie erfährt, dass ich vergeben bin. Und dann wird sie deinen Mamoru in den Wind schießen und sich mir zuwenden. Was dazu führt, dass du, liebe Saori dann deinen Mamoru ganz dolle trösten musst und er sich bald deiner Vorzüge bewusst wird. Verstehst du?“

Die junge Frau sah ihn skeptisch an.

„Ich weiß nicht. Momentan steht Mamoru ja gar nicht auf mich. Zumindest kommt es mir so vor.“

„Aber er wird auf dich stehen, wenn er merkt, wie sehr du dich um ihn kümmerst, sobald meine Usagi ihn in den Wind geschossen hat.“

„Und was sollen wir sagen, wenn sie uns fragen, wie wir zusammen gekommen sind? Mamoru ist nicht doof. Er wird es Usagi erzählen und die beiden zählen Eins und Eins zusammen.“

Seiya rieb sich genervt seine Schläfe. Im Moment konnte er Mamoru sogar verstehen, dass er von Saori nichts wollte. Sie stellte sich einfach selten dämlich an.

„Du wirst kein Wort darüber verlieren, mit wem du angeblich zusammen bist. Du wirst lediglich erwähnen, dass du nun auch eine glückliche Beziehung führst.“

„Wirst du es genauso machen?“

„Ja sicher doch.“

„Und du meinst wirklich, dass das dieses Mal klappt?“, sie konnte die Zweifel in ihrer Stimme nicht verbergen.

„Hast du eine bessere Idee?“

„Nein.“

„Siehst du. Deswegen machen wir es jetzt auch mal so und schauen was passiert.“

Saori sah ihn an. Sie musste zugeben, dass ihr auch nichts besseres einfiel. Sie musste wirklich an Mamorus Gefühle appellieren und hoffen, dass er es auch einsah. So schnell wie möglich. Ihr wurde immer kälter, was Seiya nicht entging. Sie unterhielten sich nur mehr kurz über ihre genaue Vorgehensweise, bevor sie beide aus der dunklen Seitengasse hinaustraten und sich verabschiedeten. Jeder von ihnen ging seiner Wege. Seiya wieder nach Hause und Saori zur nähsten U-Bahn-Haltestelle. Noch immer war sie sich nicht sicher, ob das wirklich so eine gute Idee war. Wenn Mamoru und Usagi vorher hinter ihren Plan kamen, war sie jetzt schon so gut wie tot.
 

Gut gelaunt saß Usagi auf ihrem Bett. Nachdem Saori gegangen war, hatten sie und Mamoru noch ewig in dem Café gesessen und geplaudert. Sie kam sich jetzt, im Nachhinein, albern vor, dass sie wegen ihm so überreagiert hatte. Das sie geglaubt hatte, er würde sie noch durch verarschen. Auf dem gemeinsamen Heimweg hatte sie ihm versprochen, nie wieder so misstrauisch zu sein. Dann hatten sie sich mit einem langen Kuss verabschiedet, bevor sie ins Haus ging. Natürlich war sie sofort auf ihren Vater im Flur getroffen. Doch sie hatte ihm nur einen gute Nacht gewünscht und war dann auf ihre Zimmer gegangen. Ihr Vater musste nun wirklich nicht jede Einzelheit wissen.

Nun saß sie da. Frisch geduscht und in ihrem Lieblingspyjama. Ihre Haare waren offen und fielen ihr über die Schultern und den Rücken. Während im Fernsehr irgendwelche Late-Night-Comedies liefen und sie ihre Katze kraulte, schrieb sie mit Mamoru Nachrichten.

Auch er war mittlerweile zuhause angekommen. Genau wie sie hatte er geduscht und es sich nun auf seinem Bett bequem gemacht. Der Abend war aus seiner Sicht grandios gewesen. Auch wenn er holprig begonnen hatte. Und auch Saoris rein zufälliges Auftauchen hatte die Stimmung kurzzeitig zerstört. Doch im Großen und Ganzen war es doch ganz nett gewesen. Es kam ihm so vor, als käme er langsam in dieser etwas schrägen Beziehung an. Es fühlte sich gut an und er freute sich auf Usagi, sobald er sie sah. Er freute sich jetzt schon auf morgen, wenn er sie im Crown treffen würde. Und ganz egal, ob ihre Freunde dabei wären, er würde es genießen.

Explanations

8
 

Die Sonne schien durch die hohen Fenster und motivierte die Blondine nur noch mehr, endlich mit ihrem ungeliebten Klassendienst fertig zu werden. Eigentlich hatte sie sich darum drücken wollen, aber sie fand keinen Freiwilligen, der ihr diese Arbeit abnehmen wollte. Was bei dem Staub, der von dem knochentrockenen Schwamm beim Abwischen der Kreide aufgewirbelt wurde, auch kein Wunder war. Und selbst der Versuch mit Wasser scheiterte, da das Teil schon so alt war, dass es das Wasser schon gar nicht mehr aufnahm. Mamoru würde sie sicher auslachen, wenn sie ihn gleich so traf. Von oben bis unten mit Staub bezogen. Dabei wollte sie doch schön aussehen für ihn. Und nun sah sie aus wie ein frisch mit Puderzucker überzogener Gugelhupf. Sie seufzte auf. Ihr Blick wanderte auf die Uhr. Es war kurz vor halb vier. Sie musste auch noch das Zimmer fegen. Genervt warf sie den Schwamm in die Schale unterhalb der Tafel und holte den Besen aus der Ecke. Wieso musste es auch ausgerechnet heute sein?

„Hallo kleine Putzfee!“

Erschrocken wirbelte Usagi herum und blickte in die ozeanblauen Augen von Mamoru. Sofort ließ sie den Besen fallen und rannte auf ihn zu. Sie genoss die Umarmung, als er sie direkt in seine Arme zog und ihr einen Kuss auf die Wange hauchte.

„Wie bist du rein gekommen?“

„Ein paar Jungs haben mich reingelassen und mir auch gleich verraten, wo ich dich finde.“, er schob sie ein wenig von sich und musterte sie von oben bis unten. „Bist du in eine Packung Puderzucker gefallen? Oder ist das doch eher Mehl?“

„Baka!“, sie schob ihn von sich und boxte ihm freundschaftlich gegen den Oberarm. „Ich hab Klassendienst und keinen zum Tauschen gefunden. Sonst hätte ich ja unten gewartet.“

Er ging an ihr vorbei und setzte sich an einen der freien Tische.

„Und nun?“

„Nun muss ich noch fegen. Außer du magst vielleicht?“

„Nein. Mag ich ich nicht.“

„Schade!“

„Na komm, jetzt hast du mich als Ansporn.“, er grinste sie breit an und holte nebenbei ein Buch aus seiner Schultasche. Schob sich seine Lesebrille auf die Nase und begann zu lesen. Usagi konnte es nicht fassen, wie unfair er manchmal sein konnte. Sie hätten ja auch zusammen fegen können. Erneut seufzte sie auf und machte sie dann dran, durch die Tischreihen zu fegen.

Mamoru beobachtete sie über den Rand des Buches. Bildete er sich das ein oder schwang sein Odango mit Absicht so ihre Hüfte? Er musste schlucken und versuchte sich abzuwenden. Aber es gelang ihm nur schwer. Wie lange waren sie jetzt zusammen? Er musste kurz im Kopf nachrechnen. Bald waren es fünf Wochen. In zwei Wochen und drei Tagen hatte Usagi Geburtstag. Ihr Geschenk hatte er schon. Eigentlich waren es zwei. Ihm kam es vor, als wäre die Zeit mit ihr wie im Flug vergangen. Seid ihrem Streit und dem Missverständnis wegen der Handynummer hatten sie fast schon jede freie Minute miteinander verbracht, um sich nicht wieder zu verlieren. Wobei es ihnen beiden zunehmend schwerer fiel, ihre Beziehung vor den anderen geheim zu halten. Mamoru konnte seine Finger kaum mehr bei sich behalten, wenn sie in seiner Nähe war. Und vorallem im Crown war der Drang sie zu berühren, mehr noch sie zu küssen, fast schon unmenschlich groß. Mit jedem Tag fiel ihm mehr auf, wie Usagi auf ihn wirkte. Wie ihre Küsse ihn berauschten. Ihre Leidenschaft ihn gefangen nahm. Ja, er war definitiv in sie verliebt. Und das über beide Ohren. Der Schwarzhaarige ahnte, dass sie es schon bemerkt hatte und ihn nur nicht dazu drängen wollte, es ihr zu sagen. Es war ohnehin ausgemacht, dass er es ihr erst an ihrem Geburtstag sagen musste. Auch wenn er schon fast nicht mehr warten konnte und wollte. Sie raubte ihm einfach den Atem und sein Verstand verabschiedete sich mit jeder Minute in ihrer Nähe mehr. Er war ein Trottel, der mit der Situation vollkommen zufrieden war.

„Mamoru? Was machst du denn hier?“

Erschrocken sah er auf und in die erstaunten Gesichter von Ami und Makoto. Auch Usagi war herum gewirbelt und blickte fragend auf. Kurz huschte ihr Blick zu dem Schwarzhaarigen, der seine Brille abnahm und sein Buch zurück packte. Sie hoffte inständig, dass er sehr schnell eine gute Ausrede parat hatte.

„Du besuchst doch die Motoazabu. Was treibt dich denn dann zu uns?“, Makoto setzte sich an den nebenstehenden Tisch und sah zwischen dem Oberstufenschüler und ihrer blonden Freundin hin und her. Schon seid längerem hatte sie den Verdacht, dass mehr als nur Freundschaft zwischen Usagi und Mamoru bestand. Womit sie in der Clique nicht die einzige war. Auch die anderen Mädchen, Motoki und Unazuki hatten die Vermutung, dass die beiden schon längst ein Paar waren. Ihnen entging nicht, dass die beiden sich immer wieder berührten und dabei versuchten, es zufällig aussehen zu lassen. Was jedoch nicht gelang. Alleine ihre Blicke sprachen Bände. So wie in jenem Moment.

„Usagi bat mich, ihr bei dem Englischaufsatz zu helfen. Und weil ich nicht darauf hoffen wollte, dass sie vielleicht pünktlich kommt, hole ich sie eben ab. Ihr kennt sie ja. Ständig am Trödeln.“, bei seinen Worten versuchte er so belanglos wie immer zu klingen.

„Warum hast du mich nicht gefragt?“, Ami sah zu Usagi.

„Weil er es mir angeboten hat. Und du musst zugeben, dass sich meine Noten doch schon ganz gut gebessert haben, seid mir Mamoru beim Lernen hilft.“

„Stimmt!“

„Wobei ich mich ja frage, wie du dir überhaupt was merken kannst.“, Makoto grinste breit und erhob sich. „So wie ihr miteinander flirtet und rumfingert, ist das doch eigentlich gar nicht möglich.“

Augenblicklich nahm sowohl das Gesicht der Blondine als auch das von Mamoru eine ungesunde rote Farbe an.

„Makoto!“

„Ach komm schon Ami! Dir ist es doch auch aufgefallen. Na wie dem auch sei. Sehen wir euch dann noch im Crown?“

„Ja.“, Usagis Stimme war nicht mehr als ein Piepsen. Sie sah ihren beiden Freundinnen ungläubig hinterher, während sie sich auf einen Stuhl fallen ließ. Der Besen fiel klappernd zu Boden. Ihr Herz hatte willkürlich angefangen schneller zu schlagen. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals und sie hatte Mühe, nicht vom Stuhl zu rutschen. So rasch wie die rote Farbe ihr Gesicht eingenommen hatte, wich sie auch schon wieder. Eine Tatsache die Mamoru nicht entging. Mit einem Schritt war er bei ihr und hockte sich neben sie. Seine Augen trafen ihre und Usagi sah seine Sorge darin. Sie schüttelte fast unmerklich mit dem Kopf. Gerne wollte sie ihm sagen, dass es ihr gut ging. Doch ihre Stimme versagte. Sie spürte seine Hand, die sanft ihre Wange berührte und sah sein Lächeln, dass sie aufmuntern sollte.

Er ahnte, was in dem Mädchen vor sich vorging. Ihm ging es nicht besser. Auch wenn sie nichts zu Makotos Äußerung gesagt hatten, so hatte ihre Reaktion wohl Bände gesprochen. Egal was sie jetzt auch immer sagen würden, um das ganze zu dementieren: Es würde nichts bringen. Wahrscheinlich war nicht nur die Brünette der Auffassung sondern auch der Rest der Clique.

„Es wird wohl Zeit, dass wir reinen Tisch machen.“, langsam erhob sich Mamoru und reichte Usagi die Hand, um sie ebenfalls nach oben zu ziehen. „Sie ahnen es sowieso schon.“

„Aber sie werden uns keine ruhige Minute mehr gönnen.“

„Ich denke schon. Wir werden ihnen einfach sagen, dass wir uns immer noch in einer Kennenlernphase befinden.“

„In einer was?“, Usagis Gesicht nahm einen irritierten Ausdruck an.

„Wir sagen ihnen, dass wir zwar zusammen sind. Aber noch nicht so fest, dass man von einer dauerhaften Beziehung sprechen kann.“, auch wenn er darüber anders dachte.

„Sie sollen sich also nicht zu früh freuen?“

„Genau. Und so wie ich dir meine Entscheidung an deinem Geburtstag mitteilen werde, werden du und ich es ihnen auch erst dann sagen. Okay?“

„Einverstanden.“

Die Blondine stellte sich auf die Zehenspitze und näherte sich mit ihrem Gesicht den von Mamoru. Sie spürte bereits den warmen Atem von ihm, bevor sich ihre Lippen zärtlich trafen. Erneut ließ sie sich von ihm in die Arme ziehen. Spürte sein Herz, dass wild von innen gegen den Brustkorb hämmerte. Sie wusste, warum sie sich für ihn entschieden hatte. Seine Nähe nahm sie immer wieder gefangen. Die Leidenschaft die sich zwischen ihnen von Tag zu Tag mehr und mehr aufbaute und immer greifbarer wurde. Sie hatte nur eine leise Ahnung, wohin das irgendwann führen würde. Usagi würde es nicht bereuen. Da war sie sich sicher. Er gab ihr Halt und Schutz.

Er spürte ihre zierlichen Finger, die ihn sanft im Nacken berührten. Seine Haut streichelten und ihm dadurch eine Gänsehaut verpasste. Er konnte nicht anders, als in den Kuss hinein zu seufzen und sie noch enger an sich zu ziehen. Nie im Leben hätte er gedacht, dass er mal in einem Klassenzimmer rumknutschen würde. Denn was anderes war das gerade nicht. Mamoru ertappte sich dabei, wie seine Hände unabhänig von seinem Willen unter das knappe Oberteil ihrer Uniform wanderten und dort ihre zarte und weiche Haut berührten. Sein Verstand hatte sich schon längst wieder verabschiedet, während sein Herz unablässig Jubelrufe verlauten ließ. Er konnte ihre weiblichen Rundungen an seiner Brust fühlen, als sie sich noch enger an ihn schmiegte. Usagi war wie eine süße Droge, nach der er nur allzu gerne süchtig war.

„Wir sollten aufhören.“, sie keuchte leise in den Kuss hinein. „Ich muss noch fegen.“

„Vergiss den Blödinn.“

Usagi stöhnte leise auf, als ihre Lippen wieder aufeinander prallten.

„Ich finde, dass Tsukino schon noch fegen sollte.“

Erschrocken fuhr das Paar auseinander und sah zur Tür, wo eine breit grinsende Mitdreißigerin stand.

„Fräulein Haruna!“, entfuhr es Usagi.

„Deine Lehrerin?“, Mamorus Stimme war stockend. Ihm war mit einem Mal bewusst, dass sie beide vielleicht ein bisschen zu weit gegangen sein könnten.

„Ja, ich bin ihre Lehrerin. Und Sie sind?“

„Chiba Mamoru! Guten Tag!“

Die Lehrerin erwiderte seine Verbeugung.

„Sie sind aber nicht auf unserer Schule.“

„Nein! Ich besuche die Abschlussklasse der Motoazabu Oberschule.“

„Oh, ein Eliteschüler. Gute Wahl, Tsukino.“, Fräulein Haruna blickte amüsiert zu Usagi. Sie sah ihr an, dass diese am liebsten im Erdboden versunken wäre. Zudem war sie ein wenig überrascht, dass das blonde Mädchen schon einen Freund hatte. Noch dazu einen der älter war als sie. Aber sie passten gut zusammen und nun wurde ihr auch klar, warum Usagis Mitschüler Seiya immer einen Korb von ihr kassierte.

„Es tut uns leid, was wir hier angestellt haben.“

„Hm, schon gut. Ich würde dich nur bitten, noch schnell zu Ende zu fegen. Dann könnt ihr ja woanders weiter knutschen.“

„Ja, natürlich.“, Usagi rannte zu dem Besen und begann eifrig wieder zu fegen. Wieso hatte sie sich nur dazu hinreißen lassen? Noch immer spürte sie seine Finger auf ihrer Hüfte. Wie er dort über ihre Haut geglitten war. Ihr wurde augenblicklich heiß bei den Erinnerungen daran.

„Bis morgen, Tsukino!“

„Bis morgen, Fräulein Haruna!“

Sowohl die Blondine als auch der Schwarzhaarige verbeugten sich und blieben solange in dieser Stellung, bis die Lehrerin den Raum verlassen hatte.

„Ähm, ich warte vor dem Eingang.“, hastig schnappte sich Mamoru seine Tasche, drückte Usagi einen Kuss auf die Stirn und rannte fast schon aus dem Zimmer. Sie sah ihm verwirrt hinterher, obwohl sie seine Reaktion durchaus nachvollziehen konnte. Sie war froh, dass es nur ihre Lehrerin gewesen war. Schlimmer wäre es gewesen, wenn es Makoto und Ami gewesen wären. Sie nahm ihre Arbeit wieder auf, war aber mit ihren Gedanken ganz weit weg.
 

Sein Buch in der Hand und lässig an die Hauswand gelehnt, bemerkte Mamoru nicht, dass er beobachtet wurde.

Seiya war auf dem Weg zum Football-Club, um am Training teilzunehmen, als er den Oberschüler entdeckt hatte. Er war gerade dabei hinein zu gehen. Sofort war Wut in dem Jüngeren hochgekommen. Er schlich ihm hinterher und versteckte sich im gegenüberliegenden Klassenzimmer, als Mamoru in das von Usagi ging. Er konnte nicht viel sehen, aber dafür umso mehr hören. Durch das Gespräch zwischen der Blondine und den auftauchenden Mädchen konnte er hören, dass ihre Freundinnen scheinbar noch gar nichts von der Beziehung wussten. Seine Vermutung wurde bestätigt, als er Mamoru hörte und seinen Vorschlag, alle Karten auf den Tisch zu legen. Danach war es still geworden und Seiya schlich aus seinem Versteck. Durch die offene Tür konnte er sehen, wie die Blondine und der Schwarzhaarige scheinbar alle Hemmungen verloren. Zumindest fast. Er konnte einen Blick auf Usagis nackte Haut an der Taille erwischen. Stellte sich vor, dass er an Mamorus Stelle war. Als er das Klacken von Pumps hörte, ging er mit raschen Schritten den Gang entlang und hinaus. Er brauchte dringend frische Luft.

Nun saß er, unbemerkt von seinem Kontrahenten, auf einer Bank hinter dem einzigen Baum auf dem Schulhof und beobachtete ihn. Von Saori wusste er, dass Mamoru gar nicht darauf reagierte hatte, als sie das Gerücht gestreut hatte, dass sie nun ebenfalls einen Freund hätte. Und auch Usagi bliebt von der Tatsache unbeeindruckt, als Seiya das gleiche verkündete. Im Gegensatz zum Rest der weiblichen Schülerschaft, fiel sie nicht in Ohnmacht oder brach in Tränen aus. Der Plan ging wieder nicht auf. Leise fluchte er, als er Usagis Stimme hörte. Vorsichtig beugte er sich ein Stück weit nach vorne und sah, wie sie Mamoru um den Hals fiel. Ihr glockenhelles Lachen drang bis zu ihm herüber. Ein Stich durchfuhr sein Herz, als er sah, wie sie ihn küsste. Wieso ausgerechnet dieser Schnösel? Seiya verstand nicht mal, was Saori an dem fand. Warum waren scheinbar alle in den Kerl verknallt?

Abrupt stand er auf und ging quer über den Schulhof in Richtung des Pärchens.

„Ich könnte dich anzeigen!“

Irritiert ließ Mamoru von Usagi ab und sah zu dem Mittelstufenschüler, der versuchte, sich vor ihm aufzubauen.

„Bitte was?“, Mamorus Stimme klang ein wenig belustigt.

„Ich könnte dich anzeigen.“

„Wegen was?“

„Wegen Verführung Minderjähriger. Soweit ich weiß, bist du ja schon achtzehn. Und Usagi ist erst fünfzehn.“

„Und?“

„Das ist illegal.“

„Hörst du dir eigentlich manchmal selber zu?“, Usagi ging einen Schritt auf Seiya zu. „Ich küsse ihn ja schließlich nicht, weil ich gezwungen werde. Und außerdem, was interessiert es dich? Du posaunst doch seit letzter Woche rum, dass du glücklich vergeben bist. Meinen Glückwunsch übrigens.“

„Danke.“, Seiya kam ins Stottern. Wieso hatte Usagi so ein Talent dafür, ihm die Luft aus den Segeln zu nehmen?

„Und nun entschuldige uns bitte. Wir sind verabredet. Kommst du, Mamo-chan?“

Der Angesprochene nickte nur und grinste den Jungen an. Er liebte Usagi dafür, wie sie unberechenbar jemanden bloß stellen konnte. Er war selbst oft genug in diesen Genuss gekommen.

Seiya konnte gar nicht so schnell reagieren, wie ihn Usagi zur Seite geschoben hatte und sich an ihm vorbei drängte. Und obwohl er sich bewegen und sie an sich ziehen wollte, konnte er es nicht. Er blieb stehen und schaute dem Paar hinterher, dass sich lachend entfernte. Mehr und mehr Wut überkam ihm. Wieso sah diese blonde Ziege nicht, dass er der richtige Mann für sie war? Er und nicht Mamoru! Wieso nicht? Er tat alles für sie. Blieb länger nach der Schule, um noch mit ihr zu plaudern. Lud sie auf einen Kakao ein und bot ihr in der Mittagspause sein Bento an. Und was machte sie? Sie machte sich über ihn lustig und hielt lieber Händchen mit diesem Streber, dem alles in den Schoß fiel. Einschließlich Usagi. Seiya wurde schlecht bei dem Gedanken, was die beiden wohl taten, wenn sie alleine waren. Neid und Eifersucht bahnten sich ihren Weg in seine Gedankenwelt. Das Bild vor seinem inneren Auge manifestierte sich und er konnte sehen, wie sie unter den Berührungen von dem Oberstufenschüler aufkeuchte. Wie sie sich unter ihm wandte und sich ihm darbot. All sowas was sie nur bei ihm, Seiya, tun sollte und durfte. Nur ihm alleine durfte sie sich so anbieten. Entweder er bekam sie oder keiner! Er suchte aus seiner Hosentasche sein Handy und rief die Nummer von Saori auf das Display. Wählte sie. Es dauerte einige Sekunden, bis sie am anderen Ende der Leitung abhob.

„Wir müssen miteinander reden.“
 

„Wir müssen miteinander reden.“

Neugierig sahen die Mädchen und Motoki zu den beiden Freunden. Sahen wie Usagi am Saum ihres Rockes rumnestelte und Mamoru sich interessiert den Gläsern im Regal hinter der Theke zuwandte.

„Hab ich was verpasst?“, Unazuki kam ins Crown gewirbelt und sah sich fragend um.

„Nein, bis auf die Nachricht, dass wir uns alle hier einfinden sollen, haben wir auch noch nichts erfahren.“, Motoki stellte seiner kleinen Schwester einen Stuhl hin. „Nun sagt schon, warum wir alle hier sein sollen. Muss ja was sehr wichtiges sein, wenn ihr so einen Stress drum macht.“

Unschlüssig sahen die Blondine und der Schwarzhaarige sich an. Irgendwie war es einfacher, nur über ihren Plan zu reden. Ihn in die Tat umzusetzen, war hingegen was ganz anderes. Dabei wäre es doch eigentlich ziemlich einfach. Sie mussten den Freunden nur sagen, dass sie zusammen waren. Aus dem inoffiziellen Beziehungsstatus einen offiziellen machen. Das Mädchen spürte die bohrenden Blicke auf sich.

„Ähm, also wir wollten euch was sagen.“

Sie sah aus dem Augenwinkel, wie Mamoru sich gerade hinstellte und seinen Blick hob. Sie tat es ihm nach, obwohl ihr lieber danach gewesen wäre, im nächsten Erdloch zu verschwinden. Ihre Augen wanderten zu ihren Freunden und sie sah, wie die sich scheinbar wissend ansahen.

„Also wir wollten euch sagen, dass wir mehr oder weniger zusammen sind.“

Ein kollektives Jubeln brach am Tisch aus und die Freunde waren schon drauf und dran, auf die beiden zu zustürmen. Doch sowohl Usagi als auch Mamoru hoben abwehrend die Hände und gingen einige Schritte rückwärts.

„Stopp!“, Usagi sprach lauter, als sie beabsichtigt hatte. „So offiziell ist es nicht, dass ihr uns gratulieren könnt.“

„Hä?“, Minako, die ihr am nächsten stand, hob fragend eine Augenbraue. Auch die anderen sahen sie eher verständnislos an.

„Was Usako damit sagen will, ist, dass wir einen Deal haben.“

„Einen Deal?“

Usagi nickte bei Motokis Worten.

„Mamoru weiß, dass ich mich in ihn verliebt habe. Und so ganz kalt gelassen hat es ihn scheinbar nicht.“, sie ergriff Mamorus Hand und ihre Blicke trafen sich. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir es langsam angehen und uns erstmal richtig kennen lernen wollen. Immerhin hatten wir nicht den besten Start und daher wollen wir es nicht gleich übertreiben.“

„Und wann darf man euch dann gratulieren?“, Rei sah ihre Freundin skeptisch an.

„Am ersten Juli. Ich werde Usako meine Entscheidung an an ihrem Geburtstag mitteilen. Sprich in zwei Wochen.“

Mittlerweile hatten er und Usagi sich darauf geeinigt, dass er es ihr am dreißigsten Juni sagen sollte. Denn es ging keiner der beiden davon aus, dass er sich nicht für eine Beziehung mit ihr entscheiden würde. Auch wenn das jeder für sich behielt und sie nicht darüber sprachen. Ihr Geburtstag wäre also nicht ernsthaft in Gefahr und seine Entscheidung stellte nun eher ein Geschenk dar.

Die Freunde sahen sich gegenseitig ratlos an. Dieser Deal kam ihnen komisch vor. Natürlich verstanden sie es, dass Mamoru sich nicht sofort komplett drauf einlassen wollte. Aber musste man es dann wirklich mit einem Termin festlegen? Hätte es man nicht einfach ausprobieren sollen und die Zeit entscheiden lassen können? Stattdessen lebten sie auf einen Termin hin und setzten sich so unter Druck.

„Und damit kannst du leben?“, Unazuki sah zu Usagi. „Du wartest bis zu deinem Geburtstag und wenn du Pech hast, hast du dann ein gebrochenes Herz. Also nichts gegen dich Mamoru, aber du weißt wie ich das meine. Abgesehen davon, dass ich es nicht verstehe, warum du dich nicht gleich entscheidest.“

„Es war meine Idee.“

Überrascht sahen alle zu Usagi.

„Ich war skeptisch bei seinem Vorschlag, dass wir mal öfters miteinander ausgehen. Und weil ich ihn nicht mit meinen Gefühlen überforden, sie aber genauso wenig verstecken wollte, hab ich ihm das Ganze vorgeschlagen. So kann er sich Zeit lassen und wir beide sehen, ob es im normalen Alltag mit uns funktioniert.“

„Ich finde, es funktioniert ganz gut zwischen euch. Stimmt’s Ami?“, Makoto grinste von einem Ohr zum anderen und Ami tat es ihr nach. Sofort liefen der Schwarzhaarige und die Blondine wieder rot an. Offensichtlich hatten ihre beiden Mitschülerinnen dem Rest der Clique noch nichts von Mamorus Besuch in der Schule erzählt. Wobei das sowieso harmlos war im Vergleich zu dem, was hinterher geschehen war. Noch immer war Usagi froh, dass nur ihre Lehrerin das Rumgeknutsche mitbekommen hatte.

„Erzähl!“, Minako sprang Makoto fast auf den Schoß.

„Mamoru hat Usagi heute von der Schule abgeholt und im Klassenzimmer sogar auf sie gewartet, während Usagi noch gefegt hat.“

Ein belustiges Raunen erfasst alle.

„Habt wohl heimlich rumgemacht, was?“

„Was?“, Mamorus Stimme erreichte einige Oktaven weiter oben, als er Motokis Aussage hörte. „Gar nicht!“

„Haben sie wirklich nicht.“

„Danke Ami!“

„Gerne. Nein, er hat ein Buch gelesen.“

„Naja, wir haben es ja ohnehin schon länger geahnt, dass da was zwischen euch läuft.“, Rei lehnte sich mit verschränkten Armen an die Rückenlehne der Sitzbank. „Bei Usagi war es ja schon länger klar. Aber seid du, Mamoru, davon wusstest, hast du dich mehr und mehr verändert. Du warst nett zu ihr. Nicht nur, weil du von ihren Gefühlen wusstest. Ihr habt euch permanent angetascht und angeflirtet. Ein Blinder mit dem Krückstock hat erkannt, dass du dich in sie verliebt hast.“

Der Schwarzhaarige sah die junge Miko vor sich erstaunt an. Es war ihm bis eben nicht klar gewesen, dass er so offensichtlich gehandelt hatte.

„Wie lange führt ihr eure Beziehung nun schon?“, Motoki ging um den Tresen und bereitete einen Kaffee für Mamoru und einen Schokoshake für Usagi zu.

„Fast fünf Wochen.“

„Das konntet ihr ja beinahe ganz gut verstecken. Ich frage mich nur, wie ihr das angestellt habt. Denn bis auf die Flirterei und das zufällige Berühren, habt ihr ja nichts weiter gezeigt, was wirklich auf eine Beziehung schließen lässt. Oder habt ihr etwa im Hinterzimmer…“

Die Stimme des Blonden versagte, als das Paar augenblicklich seinem Blick auswich und sich der Inneneinrichtung dafür umso genauer zuwandte.

„Ihr habt im Hinterzimmer rumgemacht?“

Während Motoki fast den brühend heißen Kaffee fallen ließ und Mamoru sowie Usagi feuerrot im Gesicht wurden, brachen die Mädchen in schallendes Gelächter aus. Minako fiel beinahe von der Bank und auch die anderen wischten sich die Tränen aus den Augen.

„Wir haben da nicht rumgemacht.“, Mamoru sah peinlich berührt an die Decke. „Wir haben uns da lediglich ein oder zwei Mal geküsst. Außerdem ist dein Hinterzimmer ja nun nicht der gemütlichste Ort auf Erden. Da kann ich mir weitaus bessere Orte vorstellen.“

„Achso?“

Den Schwarzhaarigen überkam ein Schauer, als seine Augen die von Usagi trafen, die ihn fragend ansah.

„Also vorher hat dir das Klassenzimmer noch genügt. Und das war auch nicht wirklich gemütlich.“, gerade als ihre Worte ihren Mund verlassen hatten, hielt sie sich die Hand davor. Sie spürte die neugieren Blicke der anderen und versenkte nun auch ihr restliches Gesicht hinter den Händen. Schüttelte den Kopf und hoffte, dass so jeder ihre Worte augenblicklich vergaß.

„Usa!“, Mamoru klang mehr als nur peinlich berührt.

„Tut mir leid!“

„Im Klassenzimmer?“, Ami klang schockiert.

„Ihr habt es im Klassenzimmer getan?“, Makoto klang belustigt.

„So richtig?“, Minako klang neugierig.

„Mit allem drum und dran?“, Rei klang wissend.

„Jetzt schon nach fünf Wochen?“, Unazuki klang erstaunt.

„Ist das nicht ein bisschen früh?“, Motoki klang überrascht.

Und auch jetzt erst dämmerte es Mamoru und Usagi, woran ihre Freunde überhaupt dachten. Jetzt war es an ihnen, schockiert zu sein.

„Sagt mal, woran denkt ihr?“, der Oberstufenschüler trat einen Schritt zurück und hob die Hände. „Also das haben wir nicht gemacht.“

„So klingt es aber.“

„Minako!“, Usagis Stimme nahm einen entrüstenden Klang an.

„Also entschuldige Mal. Wenn Mamoru sagt, dass ihm Motokis Hinterzimmer zu ungemütlich ist und er sich nettere Orte vorstellen kann und du auch noch sagst, dass ihm das Klassenzimmer aber wohl genügt hat. Woran sollen wir denn dann sonst denken?“

„Vielleicht das wir uns nur geküsst haben?! Ich bin doch viel zu jung dafür.“

Mamoru entging es nicht, dass Usagis Stimme bei ihren letzten Worten wesentlich leiser geworden war. Ihm war klar, dass sie noch nie mit einem Jungen geschlafen hatte. Schließlich war er es ja auch gewesen, der ihr den ersten Kuss geschenkt hatte. Allerdings wusste er nicht, dass ihr das Thema Sex dann scheinbar doch etwas unangenehmer war. Natürlich würde es früher oder später passieren, dass sie mit jemandem schlief. Ob er es sein würde, wusste er nicht. Hoffte es aber irgendwie.

Auch der Rest der Freunde wurde ruhiger.

„Tut mir leid, Usagi. Wir wollten dir beziehungsweise euch nicht zu nahe treten.“, Rei sah die beiden entschuldigend an.

„Schon okay. Aber können wir jetzt bitte das Thema wechseln?“

Die anderen nickten und rutschten noch ein wenig, um dem Pärchen am Tisch Platz zu machen. Ihre Freunde kamen Usagis Bitte fast augenblicklich nach. Denn sofort änderte sich das Thema. Sowohl die Usagi als auch Mamoru waren froh darum. Ihnen war beiden klar gewesen, dass ihre Freunde alles genau wissen wollten. Aber das gleich eine Debatte um intime Themen gestartet wurde, überforderte beide gleichermaßen.

Mamoru hielt Usagis Hand. Er spürte die abwechselnd Blicke der Clique auf sich und dem blonden Mädchen neben sich. Liebevoll strich er mit seinem Daumen über ihren Handrücken. Lächelte leise, als sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte. Und obwohl die anderen schon wieder lauthals durcheinander redeten und diskutierten, kam es ihm vor, als würde die ganze Geräuschkulisse an ihm und Usagi abprallen. Als wären sie von einem Schutzschild umgeben.Vielleicht konnten sie ja doch noch eine gewissen Zweisamkeit genießen, auch wenn sie mit ihren Freunden zusammen waren.
 

Fassungslos starrte Saori auf ihr Handy. Bis vor zwei Minuten hatte sie noch mit Seiya telefoniert und seine volle Wut abbekommen. Er hatte ihr alleine die Schuld daran gegeben, dass er noch immer nicht mit Usagi zusammen war. Trotz ihres ausgeklügelten Plans. Das Saori selbst keinen Schritt weiter in ihrem Vorhaben war, Mamoru für sich zu gewinnen, überging er geflissentlich. Stattdessen schrie er sie durch das Handy an, dass sie sich einfach nicht genug ins Zeug legte, um Mamoru ein schlechtes Gewissen zu machen. Doch wie sollte sie das auch anstellen? Wie sollte sie ihm sagen, dass Usagi nur auf Seiya stand und nicht mehr mit ihm zusammen sein wollte? Sie sah ihn nur noch zweimal die Woche, wenn sie zusammen im Vorbereitungskurs saßen. Beziehungsweise sah sie ihn da alleine. Denn sonst wenn sie auf ihn wartete, war meistens Usagi schon zuerst da. Sie holte ihn ab vom Fußballklub und auch so, wenn er Schulschluss hatte. Aber all das interssierte Seiya nicht. Er sah nur, dass Usagi noch immer mit Mamoru zusammen war und nicht mit ihm. Wenn Saori ihn eben richtig verstanden hatte, schien es die Blondine nicht einmal zu interessieren, dass er angeblich eine Freundin hatte. Genauso wenig interssierte es Mamoru. Sie hatte versucht, Seiya zu beruhigen. Aber es gelang ihr nicht wirklich. Und irgendwann hatte sie einfach genervt aufgelegt und den Ton ihres Handys abgedreht.

Jetzt hockte sie auf ihrem gelben Sitzkissen und starrte zum Fenster hinaus. Hatte sie denn wirklich gar keine Chance gegen dieses blonde Biest? Sie wollte und konnte es nicht glauben. Irgendwo musste es doch eine Schwachstelle geben. Die Brünette konnte sich nicht vorstellen, dass das Vertrauen zwischen den Beiden schon so groß und gefestigt war, dass es nicht eines winzig kleinen Funkens bedurfte, um das noch zarte Band komplett und endgültig zu brechen. Sie wusste nur noch nicht wie. Die Eifersuchtssache war genauso grandios gescheitert wie die Sache mit dem Nummerntausch. Zumal Mamoru sein Handy mittlerweile nicht mehr einfach liegen ließ und sie so nicht mal die Chance hatte, die Nachrichten zwischen ihm und Usagi zu lesen, um einen Hinweis zu bekommen.

Ihr Blick glitt zu ihrem Wecker, der neben dem Bett stand. Er zeigte kurz vor halb sechs an. Es war Dienstag und eigentlich durfte sie unter der Woche nicht ausgehen. Aber da der Vorbereitungskurs schon gestern ausgefallen und der Lehrer immer noch krank war, und somit auch morgen wohl ausfiel, hatte sie Mamoru noch nicht einmal die Woche gesehen. Kurz entschlossen schnappte sie sich ihre Tasche vom Bett und ging zur Tür. Ihren Eltern würde sie erzählen, dass sie noch ein Buch von einer Schulkameradin holen würde. Sie wären sicher nicht angetan, würden sie erfahren, dass ihre Tochter wegen einem Jungen nochmal wegging. So wie sie wegen ihrem schlechten Test im Kurs schon nicht angetan waren.

Mit schnellen Schritten lief sie die Stufen der Treppe hinunter. Kurz steckte sie ihren Kopf in die Küche. Nur ihre Mutter war da. Ihr Vater war wahrscheinlich schon wieder bei irgendeinem Geschäftsessen, was für einen Manager in seiner Position vollkommen normal war.

„Ich muss nochmal kurz weg.“

Ihre Mutter, eine zierliche brünette Frau, drehte sich vom Herd weg und sah ihre Tochter verständnislos an, während die sich ihre Jacke anzog.

„Solltest du nicht lieber lernen? Dein Vorbereitungstest war katastrophal. Und von deinem Test in Biologie und Chemie müssen wir gar nicht erst sprechen. Du hast deinen Vater gehört, oder?“

„Ja.“, die Jüngere klang zerknirscht.

„Noch einmal ein Test, egal in welchem Fach, der unter fünfundachtzig Prozent liegt, und du bist deine Freizeit für eine lange Zeit los.“

„Ich weiß! Aber für meine Hausarbeit, brauche ich noch das ein Buch mit den wissenschaftlichen Nachweisen. Und das hat Hinagiku. Also hol ich es schnell. Okay?“

„Wann wirst du wieder da sein?“, ihre Mutter sah sie streng und prüfend an.

„Ich denke spätestens um acht.“

„Keine Minute später!“

„Ja!“, Saori wandte sich ab und zog sich im Vorzimmer die Schuhe an. Wenn sie erstmal mit Mamoru zusammen war, würden ihre Eltern sie nicht mehr so bevormunden und ihr mehr Freiheiten zugestehen. Schließlich kam Mamoru aus gutem Hause. Auch wenn seine Eltern seid zwölf Jahren tot waren, so hatten sie doch so gut vorgesorgt, dass ihr Sohn nun ein nicht zu unterschätzendes Privatvermögen hatte. Und da er recht umsichtig war, was seine Finanzen anging, so durfte Saori hoffen, niemals auf dem Trockenen sitzen zu müssen. Wahrscheinlich würde sie sich auch ganz gut durch das Studium mogeln können und dann zuhause bleiben nach ihrer Hochzeit. Der Schwarzhaarige war ehrgeizig und so würde er sicher eine steile Karriere hinlegen und ihr so einen sehr annehmbaren Lebensstil schenken können. Genießerisch schloss sie die Augen. Sie würden das perfekte Paar abgeben. Ihrer Mutter rief sie ein paar Abschiedsworte zu und verschwand dann aus dem Haus. Schnell ging sie durch den Vorgarten und rief sich nebenbei ein Taxi. Sie hatte keine Lust auf den Bus zu warten. Ihr Blick glitt zum Himmel. Wolken zogen sich zusammen und sie hätte schwören können, den Regen zu riechen.

Mit quietschenden Bremsen kam ein Auto neben ihr zum Stehen. Ihr Taxi. Sie stieg ein und nannte dem Fahrer die Adresse. Er nickte nur, fuhr los. Sie hoffte, dass er den schnellsten Weg nehmen würde. Es war nicht so, dass sie ihn nur für eine kurze Strecke bezahlen könnte. Aber sie war nicht sonderlich erpicht darauf, durch die halbe Stadt kutschiert zu werden. Saori hatte jedoch Glück. Ausnahmsweise einmal. In letzter Zeit hatte sie nicht allzu viel davon. Der Fahrer nahm die kürzeste Strecke und blieb auch nicht im Feierabendverkehr stecken. Nach einer Viertelstunde fuhr er rechts ran, drehte sich zu ihr um und nannte ihr den zu zahlenden Betrag für die Strecke. Ohne Umschweife nahm sie ihr Portemonnaie und drückte dem Mann einige Yen-Scheine in die Hand. Sie nahm wenige Sekunden später das Wechselgeld entgegen und stieg aus.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ging gerade das rosa Neonlicht des Crown an. Es stach noch nicht sehr ins Auge, schließlich war es noch nicht dunkel. Es war Anfang Juni. Die Sonne stand zwar schon tiefer, aber bis sie ganz verschwunden war, würde es noch locker drei Stunden dauern. Saori vermutete, dass wohl eine Zeitschaltuhr den Schriftzug immer zur selben Zeit einschaltete. Aber es kümmerte sie eigenlich auch nicht. Ihr Blick war einzig und alleine auf die Gruppe von Menschen gerichtet, die hinter dem Fenster saß und recht vergnügt erschien. Nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen und sprintete fast schon über die Straße, als die Ampel auf Grün umschaltete. Ihr Herz begann mit jedem Schritt und mit jedem zurück gelegtem Meter schneller zu schlagen. Erst kurz vor dem Eingang wurde sie wieder langsamer. Versuchte ruhiger zu atmen. Sie fuhr sich mit den Fingern durch ihr braunes Haar und ging hinein.
 

„Was will die denn hier?“

Seine Freunde folgten Motokis Augen und sahen überrascht zu der Brünetten, die gerade eben das Crown betreten hatte.

„Hattest du ihr nicht Hausverbot erteilt, Unazuki?“

„Eigentlich schon.“, die Angesprochene sah zu Rei. Genau wie bei ihr, funkelten auch die Augen der Schwarzhaarigen misstrauisch. Auch die anderen sahen nicht minder skeptisch drein.

Usagi drückte sich näher an Mamoru ran. Nach der Begegnung heute mit Seiya nach der Schule, hatte sie keine Lust auf eine weitere Auseinandersetzung mit Saori. Auch wenn ihr Mamoru erzählt hatte, dass sie wohl mittlerweile auch einen Freund hatte, blieb die Blondine vorsichtig. Sie hatte vor einigen Tagen Kobajashi getroffen und kurz mit ihm geplaudert. Auch über Saori hatten sie gesprochen. Usagi hatte ihn auf den Freund der Oberstufenschülerin angesprochen. Doch ihr Gegenüber hatte sie nur fragend angesehen. Er wusste nichts davon. In der Schule hatte Saori kein Wort über ihren angeblichen Freund verloren und Kobajashi ging immer noch davon aus, dass seine Mitschülerin in Mamoru verliebt sei. Zumindest verhielt sie sich noch so. Das blonde Mädchen hatte Mamoru nichts von dem Gespräch erzählt. Sie wollte ihm damit nicht auf die Nerven gehen. Vorallem weil dieser momentan sehr entspannt war, weil er die brünette Klette kaum mehr zu Gesicht bekam. Außer jetzt. Ihr entging nicht, wie sich Saori scheinbar suchend umsah und dann zufällig so tat, als würde sie Mamoru erst jetzt erkennen.

„Genauso hat sie es auch in dem Café in Minato-ku gemacht.“

Mamorus Worte ließen die anderen am Tisch neugierig aufsehen. Sie hatten in den letzten Stunden von all den Treffen zwischen ihm und Usagi gehört. Auch von dem Streit. Jedoch hatte er ihnen das Aufeinandertreffen mit Saori verschwiegen. Eine Tatsache die er nun mit schnellen Worten erklärte.

„Ich schmeiß sie raus, wenn ihr wollt.“, Motoki erhob sich.

„Nein, lass nur. Beachten wir sie einfach nicht weiter.“

Ungläubig sah der Blonde zu seinem besten Freund, bevor er sich wieder hinsetzte. Nur noch kurz ruhten alle Blick auf der braunhaarigen jungen Frau, bevor sie sich wieder ihren Gesprächsthemen zuwandten und sie ignorierten.

Saori durchfuhr ein Schauer, als sie den durchdringenden und doch eiskalten Blick Mamorus auf sich spürte. Sie versuchte es zufällig aussehen zu lassen, als sie die Hand hob und ihm zuwinkte. Doch er beachtete es nicht, sondern wandte sich wieder seinen Freunden und allen voran Usagi zu. Ihr Herz zog sich schmerzlich zusammen, als sie sah, wie er das Mädchen näher an sich ran zog und ihr demonstrativ einen Kuss auf die Schläfe hauchte. Sie konnte sein Lachen hören, das tief und kehlig klang.

„Was kann ich dir bringen?“

Überrascht wandte die Brünette den Blick dem jungen Mann hinter dem Tresen zu, der sie fragend ansah. Wenn es wirklich zufällig aussehen sollte, dass sie hier war, musste sie notgedrungen was bestellen.

„Ähm, einen Chai Latte zum Mitnehmen, bitte!“

„Kommt sofort!“

Sie kramte nach dem Geld und legte es schon mal auf den Tresen, bevor sie wieder zu Mamoru und den anderen blickte. Sie sah, wie er und Usagi sich erhoben. Der Rest am Tisch tat es ihnen gleich. Sie alle verabschiedeten sich von dem großen Blonden und seiner kleinen Schwester. Sie drehte sich um und nahm ihr Getränk entgegen. Gerade als sie sich zum Gehen wandte, standen er und die Blondine vor ihnen.

„Darf ich mal!“, ohne eine Antwort abzuwarten, drängte sich Saori an den beiden vorbei. Sie berührte dabei zufällig mit ihrem Oberarm seinen und auch der Duft seines Parfüms stieg ihr augenblicklich in die Nase. Tief atmete sie ihn ein. Nur mit Mühe konnte sie ein Seufzen unterdrücken. Fast schon fluchtartig verließ sie das Crown und rannte zu der Bushaltestelle um die Ecke. Sie wusste, dass Mamoru und Usagi hier einsteigen würden. Nur zu gerne wollte sie noch einmal seine Stimme hören. Ein Wunsch der ihr nur wenige Minuten später erfüllt wurde. Sie trat einige Schritte hinter das Wartehäuschen und verbarg sich im Dunkeln. Keine fünf Meter von ihr entfernt stand der Schwarzhaarige. In seinen Armen lag dieses blonde und naive Miststück.

„Du musst nicht eifersüchtig auf sie sein, Usako!“, seine Worte drangen an Saoris Ohren.

„Ich weiß. Aber du bist es ja auch auf Seiya.“

„Ich kann ihn schlichtweg nicht ausstehen. Er tut so, als wärst du sein Eigentum. Er würde wahrscheinlich alles tun, um dich rumzukriegen.“

„Keine Sorge, ich werde ihm niemals nachgeben. Du bist derjenige, den ich liebe.“

„Ich würde es auch nicht zulassen, dass er dich bekommt. Ich bin der einzige Mann, der dich küssen darf!“

Die Brünette konnte sich bei den Worten ein Grinsen nicht verkneifen. Scheinbar fruchtete die Eifersuchtssache doch. Nur nicht in die erhoffte Richtung. Dabei war der Weg, den sie nun einschlug, auch nicht zu verachten. In ihrem Kopf arbeitete es. Sie hatte eine Idee. Und dieses Mal würde es ihr zweifelsfrei gelingen, dass Mamoru sich ihr zuwandte.

Wet

Nur noch eine Woche.

Nur noch eine Worte und dann hatte sie Geburtstag. Sie würde sechzehn werden und Mamoru ihr wahrscheinlich das beste Geschenk ihres Lebens geben. Er würde ihr seine Entscheidung mitteilen. Usagi hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass er sich für eine Beziehung mit ihr entscheiden würde. Obwohl das schon gar nicht mehr nötig war. Seid sie ihren Freunden von dieser inoffiziellen Testbeziehung erzählt hatten, konnten sie unbefangener miteinander umgehen. Die anderen respektierten es, wenn sie beide für sich sein wollten und an einem anderen Tisch saßen. Es war in Ordnung, dass Usagi nicht mehr mit ihren Freundinnen lernte sondern mit Mamoru. Und es war ebenso in Ordnung, dass sie und der Schwarzhaarige am Wochenende gar nicht ins Crown kamen, weil sie zu zweit etwas unternahmen.

All diese Kleinigkeiten ließen in der Blondine nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen, dass Mamoru es nicht ernst mit ihr meinte. Fröhlich betrachtete sie sich im Spiegel ihres Kleiderschrankes. Heute würden sie und Mamoru wieder zusammen ausgehen. Ganz romantisch wollten sie in Akihabara bummeln gehen und später irgendwo was essen. Vielleicht fuhren sie auch noch nach Shibuya. Das stand noch nicht so ganz fest. Außerdem war der Tag ja noch jung. Sie warf einen kurzen Blick auf ihr Handy, das neben ihr auf einem Stuhl lag. Es blinkte. Sie ahnte warum. Lächelnd nahm sie es und entriegelte die Tastensperre.

„Hör dir das an, Luna.“, Usagi wandte sich ihrer Katze zu, die auf ihrem Bett lag. „Der werte Herr Chiba kommt zu spät. Er muss noch was besorgen. Hm, nur was? Mein Geburtstagsgeschenk hat er doch schon. Zumindest hat das Minako behauptet, weil sich Motoki verquatscht hat.“

Kurz überlegte sie, ob sie ihn fragen sollte, was er denn noch holen wollte. Doch sie ließ es. Dank seiner Verspätung hatte sie nun ein bisschen mehr Zeit, um sich endlich für ein Outfit zu entscheiden. Denn sie hatte nicht den blassesten Schimmer, was sie anziehen sollte. Trotz überfülltem Schrank. Sie wollten ja nur bummeln gehen. Also durfte es ruhig etwas bequemes sein. Aber es sollte auch nicht zu lässig aussehen. Schließlich sollte Mamoru schon sehen, dass sie sich für ihn hübsch gemacht hatte. Usagi hatte daran gedacht, ihre Haare offen zu tragen. Als sie jedoch auf das Thermometer geschaut hatte, dass vor ihrem Fenster hing, entschied sie sich dagagen. Es zeigte jetzt schon fünfundzwanzig Grad an. Und laut dem Sprecher im Radio sollte es noch wärmer werden.

Unschlüssig zog sie einige Tops, kurze Hosen, Röcke und Kleider aus dem Schrank. Sie begann zu kombinieren, aber nichts wollte ihr so richtig gefallen.

„Ich hab nichts zum Anziehen.“

„Du warst doch erst mit Makoto shoppen.“

Erschrocken drehte sich Usagi um und sah zu ihrer Mutter, die lächelnd in der Tür stand.

„Ich kann mich nicht entscheiden.“

Ikuko kam zu ihrer Tochter und setzte sich zu Luna aufs Bett. Die schwarze Katze kletterte augenblicklich auf ihren Schoß und quittierte das Kraulen mit einem leisen Schnurren.

„Was habt ihr denn heute so vor?“

„Wir wollten nach Akihabara fahren und ein bisschen bummeln gehen. Also nichts Großartiges.“

„Aber dann passen ja alle Klamotten von dir.“

„Hm, ich wollte aber schon hübsch aussehen für ihn.“

„Du siehst in allem hübsch aus. Besonders für ihn.“, Ikuko lächelte. „Seid ihr jetzt fix zusammen?“

„Ja, eigentlich schon. Wir hatten es ja letzte Woche den anderen erzählt. Und seitdem ist alles recht einfach. Trotzdem haben Mamo-chan und ich uns darauf geeinigt, dass er mir zum Geburtstag sagen wird, wie es weitergeht mit uns.“, Usagi hielt sich ein gelbes Top vor den Oberkörber und betrachtete sich im Spiegel.

„Hast du es denn schon Papa gesagt?“

Die Blondine schüttelte den Kopf.

„Kannst du das nicht machen?“

„Vergiss es! Mamoru ist dein Freund, also wirst du es Papa auch sagen.“

„Er wird mir den Kopf abreißen und Mamo-chan sicher auch.“

„Wird er nicht. Dafür sorge ich schon.“

„Okay.“

„Wann wirst du heute Abend zurück sein?“

„Weiß nicht. So gegen acht schätze ich.“, die Blondine sah ihre Mutter fragend an.

„Okay. Wenn es später werden sollte, ruf bitte kurz an. Und keine Dummheiten machen.“

Ihre Tochter wusste sofort, worauf Ikuko hinaus wollte. In Sekundenschnelle lief sie knallrot an und wandte ihren Blick ab. Warum war dieses Thema in den letzten Tagen nur so präsent? Erst die Frage ihrer Freunde, ob sie es in Motokis Hinterzimmer im Crown getan hatten. Dann hatte ihr Ami vor drei Tagen eine Broschüre über Verhütung und Schwangerschaft mitgebracht. Die hatte sie stotternd und dankend abgelehnt mit der Begründung, dass sie ohnehin schon vorgesorgt hatte. Und gestern wollten Rei und Minako mit ihr in ein Dessousgeschäft gehen. Nur mal so zum Schauen, wie beide ihr hoch und heilig schworen. Trotzdem kam Usagi mit zwei Errungenschaften heim. Ganz im Gegensatz zu ihren beiden Freundinnen, die angeblich gar nichts gefunden hatten. Sie hatten es den beiden nicht abgenommen.

„Soweit sind wir doch noch gar nicht.“, die Worte der Blondine waren leise.

„Sowas kann man nie wissen. Geschweigedenn planen.“

Usagi verschwieg lieber, dass sie eine ihrer neuen Errungenschaften gerade unter der Leggins und dem ausgeleierten T-Shirt trug. Ikuko hätte sie sonst wahrscheinlich nicht aus dem Haus gelassen.

„Wie dem auch sei. Mach keinen Blödsinn und ruf an, wenn was ist. Okay?“

„Okay.“

Ihre Mutter stand auf und ging zurück zur Tür.

„Wie wäre es denn mit dem Kleid?“

Die junge Frau folgte dem Fingerzeig. Nachdenklich nickte sie. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, wie ihre Mutter das Zimmer verließ. Sie nahm das Kleid und hielt es sich an.

„Darin sehe ich aus wie mit zwölf.“

Mit einem Griff hing sie das mit lauter Blümchen bedruckte Kleid wieder in den Schrank, als ihr ein anderes in die Hände fiel. Warum hatte sie sich das nicht schon eher geschnappt?
 

Er war etwas nervös. Immerhin war Usagis Vater zuhause und er hatte immer noch einen heiden Resepkt vor ihm. Auch wenn er Usagis Freund war. Allerdings hatte er ihr geschworen, ihrem Vater lieber noch nichts davon zu sagen, dass sie jetzt ein Paar waren. Es war ja auch noch eine Woche bis zu ihrem Geburtstag. Mamoru konnte es schon nicht mehr erwarten, bis sie Geburtstag hatte. Er wollte ihr endlich sagen, was er fühlte. So lange schon riss er sich zusammen. Und das fiel ihm zunehmend schwerer. Er war sich sicher, dass die Blondine es schon ahnte. Ihre Küsse waren intensiver geworden. Forscher und leidenschaftlicher. Seine Finger konnte er kaum noch bei sich behalten. Viel zu sehr gingen diese auf Wanderschaft, sobald sie sich auch nur umarmten. Abgesehen davon, dass sich Usagi nicht sonderlich dagegen wehrte. Sie genoss es wohl ebenso wie er. Mamoru konnte gar nicht sagen, wie sehr er sich danach verzehrte, sie am ganzen Körper zu berühren. Er träumte sogar schon davon! Noch nie war ihm das passiert. Noch nie hatte er sich so nach einem Mädchen gesehnt wie nach Usagi. Sie machte ihn einfach wahnsinnig.

Nun stand er im Vorgarten ihres Elternhauses und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. In seiner einen Hand hielt er einen bunten Blumenstrauß. Er wollte nicht mit leeren Händen kommen, wenn er Kenji eine Ohnmacht bescherte. Auch wenn dieser den Blumen sicherlich wenig abgewinnen konnte und er deswegen zu spät kam. Leise seufzte er. Nahm all seinen Mut zusammen und drückte die Klingel. Es dauerte einige Sekunden, bis er hinter der Tür ein Gemurmel hören konnte. Zweifelsohne war es Kenji und es klang nicht gerade nett. Mamoru musste schwer schlucken und versuchte so locker wie möglich auszusehen, als die Türe aufging. In dem Moment als er das Gesicht von Usagis Vater sah, war all sein Mut wie weggeblaßen.

„Guten Tag, Herr Tsukino!“, Mamoru konnte nur stottern. Seine Stimme klang belegt und alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Eine Tatsache die Kenji offensichtlich zum Brüllen komisch fand, denn er wandte sich mit breitem Grinsen ab.

„Komm rein!“

Der Schwarzhaarige nickte nur. Seine Kehle war staubtrocken und wahrscheinlich hätte man einen Vergleich mit der Wüste Gobi in Betracht ziehen können. Etwas unsicher striff er seine Schuhe ab und folgte er dem Hausherren in die angrenzende Küche.

„Setz dich und leg das Gemüse weg!“

Mamoru kam der Aufforderung sofort nach. Er legte den Blumenstrauß vor sich auf den Tisch und setzte sich auf den ihm angebotenen Stuhl. Er konnte den Gesichtsausdruck seines Gegenüber nicht deuten.

„Du gehst also heute wieder mit Usagi aus?!“, es war eher eine Feststellung anstatt einer Frage.

„Ja!“

„Wohin?“

„Akihabara.“

„Was macht ihr dort?“

„Bummeln gehen und ein Eis essen.“

„Wann bringst du sie wieder zurück?“

„Halb acht.“, Mamoru versuchte überzeugend zu klingen. Es scheiterte kläglich. Doch sein Zeitvorschlag schien für Kenji akzeptabel zu sein, denn er nickte mit dem Kopf.

„Kein Rumgeknutsche!“

„Ja!“

„Kein Gefummel!“

„Ja!“

Zufrieden sah Kenji zu dem Oberstufenschüler, der immer mehr in sich zusammen gesunken war. Er hatte sich genügend Respekt verschafft. Mamoru würde seinem Töchterlein nicht zu nahe kommen.

„Oh Mamoru.“, Ikuko betrat die Küche. „Du bist ja schon da. Usagi ist gleich fertig.“

„Guten Tag, Frau Tsukino.“, Mamoru stand auf und verbeugte sich.

„Sind die Blumen für mich?“

„Ja.“

„Ach sind die schön. Danke! Setz dich ruhig wieder.“

Sie ging mit dem Strauß in der Hand zum Spülbecken und nahm sich aus dem Wandschrank eine Vase. Füllte Wasser hinein und arrangierte jede einzelne Blume mit Bedacht. Dann wandte sie sich um.

„Und glaub Kenji kein Wort von dem, was er dir gesagt hat.“

„Was?“, ihr Mann fiel fast vom Stuhl.

„Ich hab dein kleines Verhör sehr deutlich gehört, mein Lieber. Es ist nicht die feine Art, ihm unterschwellig zu drohen.“

Augenblicklich erblasste nun Kenji.

„Du hast es gehört?“

„Ja. Und deshalb entschuldigst du dich jetzt auch sofort bei Mamoru. Er ist ein anständiger junger Mann und wesentlicher erwachsener als du in dem Alter.“

Der Oberstufenschüler konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wieder einmal musste Usagis Vater für eine Standpauke herhalten. Aber er hatte es halt auch irgendwie verdient. Er sah, wie der Ältere demütig den Kopf senkte und drauf und dran war, eine Entschuldigung zu murmeln.

„Nein, ist schon gut. Ich verstehe Ihre Sorge.“

Erleichtert sah Kenji auf. Er war froh, dass Mamoru ihm die Entschuldigung und somit die kleine Demütigung ersparte.

„Dein Glück!“, Ikuko grinste von einem Ohr zum anderen. Sie wollte gerade Mamoru fragen, ob er denn wisse, worauf er sich bei einem Bummel mit Usagi einließe. Doch dessen ganze Aufmerksamkeit richtete sich innerhalb einer Sekunde gen Tür. Sie und ihr Mann folgtem seinen Blick.

„Hallo Mamo-chan.“, verlegen strich sich Usagi eine Strähne hinter ihr Ohr.

„Hallo Usako.“, Mamoru war aufgesprungen und ging zu ihr hinüber. Seine Augen wanderten bewundernd über ihren Körper und das Kleid, was sie trug. Lilafarbene Spitze mit einem weißen Stoffband um die Taille. Der zarte Stoff umspielte sanft ihre Oberschenkel und bedeckten sie nicht zu viel und nicht zu wenig. Er widerstand dem Drang, sie an sich zu ziehen und zu küssen. Auch wenn es ihm schwerfiel.

„Du siehst wunderschön aus.“

„Danke!“, eine leichte Röte zierte ihre Wangen. Vorsichtig schaute sie an Mamoru vorbei. Ihre Mutter grinste nur breit. Ihre Vater schien noch zu überlegen, wie er den Schwarzhaarigen schnellst möglich los wurde.

„Es ist wohl besser, wenn wir jetzt gehen.“

„Bitte!“, Mamoru grinste schief. Noch ein Mal drehte er sich zu Usagis Eltern und verbeugte sich ausgiebig vor beiden. Solange bis die Blondine ihn einfach an der Hand nahm und mit sich zog. Schnell schlüpften beide im Flur in ihre Schuhe und verschwanden dann zur Tür hinaus.

Usagi musste laut lachen, als der Schwarzhaarige fast schon durch den Vorgarten rannte und sie dabei mitzog. Er blieb erst stehen, als sie die nächste Hausecke erreicht hatten. Dort zog er sie in seine Arme. Atmete ihr Parfüm ein und konnte sich ein leises und genießerisches Seufzen nicht verkneifen.

„Endlich!“

Sie wusste, was er damit meinte. Sie schob ihn ein wenig von sich und sah ihm tief in die ozeanblauen Augen. Versank darin. Liebevoll streichelte sie mit einer Hand seine Wange. Die junge Frau konnte nicht anders als zu lächeln, als sie bemerkte, wie er sich ihrem Gesicht näherte. Seinen warmen Atem auf ihrer Haut spürte und kurze Zeit später seine Lippen auf ihren. Seiner zärtlichen Aufforderung ihm Einlass zu gewähren, kam sie nur allzu gerne nach. Sie drückte sich näher an ihn heran. Ihre Arme wanderten in seinen Nacken. Wieder überkam sie das Prickeln, dass sie schon seit einigen Tagen in ihrem Körper verspürte, wenn sie sich küssten. Wenn sie sich so küssten. Wären sie jetzt nicht mitten auf der Straßen gestanden, hätte sie nicht sagen können, wohin das noch geführt hätte. Unwillkürlich dachte sie an die Unterwäsche, die sie heute trug und musste grinsen.

„Lass uns zum Bus gehen.“
 

Zufrieden lehnte sich Usagi zurück und legte die Hände auf ihren Bauch. Der Schokoladeneisbecher war einfach köstlich gewesen. Köstlich und viel zu groß. Immerhin fünf Kugeln mit Schlagsahne, Schokoladensauce plus Schokostreusel oben drauf. Sie musste sich eingestehen, dass sie bei den letzten Löffeln zu kämpfen hatte. Sie hätte eben doch nicht das Onigiri vor zweieinhalb Stunden essen sollen. Aber was sollte sie tun? Es sah einfach zu köstlich aus. Ihr Blick traf den von Mamoru, der ihr gegenüber saß und sie breit angrinste.

„Was ist?“, sie konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Wusste sie doch jetzt schon seine Antwort.

„Wieso stopfst du dir soviel rein?“

„Weil es schmeckt. Außerdem hast du doch auch einen Eisbecher gegessen.“

„Schon. Aber kein Onigiri, oder wie du es bezeichnet hast, keinen Zwischensnack vorher.“, seine Augen wanderten von ihrem Gesicht abwärts zum Bauch. „Man könnte meinen, dass du schwanger wärst.“

„Was?“, Usagis Stimme klang schriller als beabsichtigt. Sofort schoss sie in die Höhe und setzte sich kerzengerade hin. Aber Mamoru schüttelte den Kopf und deutete leicht auf ihren Bauch, der sich trotzig unter ihrem Kleid abzeichnete.

„Sieht aus wie fünfter Monat.“

„Echt?“

„Ja. Wobei ich zugeben muss, dass ich dir das erste Mal ansehe, wohin dein Essen verschwindet. Sonst sieht man ja nie etwas.“

Die Blondine zupfte an ihrem Kleid herum, damit es ein wenig lockerer saß. Sie musste dem Schwarzhaarigen Recht geben: Sie sah wirklich schwanger aus. Nur allzu deutlich kamen ihr die Bilder vom Sexualkundeunterricht in den Sinn. Ihr Lehrer hatte von jedem Schwangerschaftsmonat seiner Frau ein Bild dabei, so das man deutlich den dicker werdenen Bauch sehen konnte. Und Usagi sah eindeutig aus wie fünfter Monat.

„Hoffentlich sieht man es dann nicht so, wenn ich aufstehe?“

„Und wenn schon.“, Mamoru hob die Schultern.

„Hallo? Ich will aber nicht, dass die Leute denken, ich sei schwanger. Ich bin doch erst fünfzehn.“

„Usako, die meisten hier haben gesehen, wie groß dein Eisbecher war. Ich glaube nicht, dass sie wirklich denken, dass da ein Baby in dir heranwachsen würde.“

„Willst du denn mal Kinder später haben?“

Mamoru verschluckte sich fast an seinem Kaffee, der ihm gerade gebracht worden war, als er Usagis Frage hörte. Irritiert sah er sie an, doch sie erwiderte seinen Blick nicht. Stattdessen schaute sie in Richtung der Fußgängerzone. Sie schien in Gedanken versunken zu sein. Und er konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden. Ihre langen goldblonden Zöpfe, die leicht im Wind wehten, versetzten ihn fast schon in Trance.

„Ich möchte später gerne mal zwei Kinder haben. Am liebsten zwei Mädchen.“

Ihre Augen trafen seine.

„Zwei Mädchen?“

„Ja. Kleine Prinzessinen.“

„Der Gedanke gefällt mir.“, die Worte verließen seinen Mund schneller, als er denken konnte. Eigentlich hatte er nur laut gedacht. Eine verdächtige Röte überzog sein Gesicht. Sowas sollte man doch gar nicht in der Öffentlichkeit besprechen. Schon gar nicht in dem Alter, in dem sie beide waren. Vielleicht in zehn Jahren. Und selbst das war gewagt, da er ja nicht wusste, ob sie dann noch zusammen waren oder nicht.

Usagi war genauso perplex wie er. Seine Worte rotierten in ihrem Kopf und sickerten langsam zu ihrem Verstand durch. Er wollte Kinder. Zwei Mädchen. Sie schlug peinlich berührt die Hände vors Gesicht.

„Zahlen bitte!“

Die Blondine lugte vorsichtig zwischen den Fingern hindurch und sah, wie Mamoru dem Kellner den zu zahlenden Betrag in die Hand drückte. So schnell wie er es tat, erhob auch sie sich. Mit gesenktem Blick folgte sie ihm und rannte fast in ihn hinein, als er abrupt stehen blieb. Irritiert sah zu ihm auf.

„Was ist denn?“

„Also, ich wollte dir sagen, dass ich dich nicht in Verlegenheit bringen wollte. Ich glaube, du wirst bestimmt eine ganz wunderbare Mutter sein.“, er musste bei seinen eigenen Worten schlucken. Sanft berührte er mit der Hand ihre Wange und lächelte.

„Glaubst du das wirklich?“

„Ja.“

Er beugte sich zu ihr hinab und küsste sie leicht. Sie schmeckte so süß, dass er nicht genug von ihr bekommen konnte. Einzig und allein die Tatsache, dass sie scheinbar alle Menschen auf der Fußgängerzone anstarrten, störten ihn und er ließ von ihr ab.

„Wir sollten uns einen ruhigeren Platz suchen.“

Sie nickte nur und ihre Finger verwoben sich miteinander. Still liefen sie nebeneinander her. Keiner der Menschen schien sie wahrzunehmen. Als wären sie in einer großen Seifenblase gefangen und würden fast schon über den Dingen schweben. Sie drückte sich ein bisschen näher an Mamoru und genoss seine Wärme, die er ausstrahlte. Warum kam ihr plötzlich der Gedanke, dass sie für den Rest ihres Lebens mit ihm zusammen bleiben wollte? Schon einige Tage zuvor hatte sie mit den Mädchen darüber gesprochen. Die anderen waren sich ziemlich schnell einig, dass Usagi und Mamoru das perfekte Paar waren und sich super ergänzten. Nur sie selbst war der Auffassung gewesen, dass das nur daran lag, weil er ihre erste große Liebe und ihr erster Freund sei. Da würde man alles noch durch die rosarote Brille sehen. Auf Makotos Frage hin, ob sie sich denn vorstellen könne, Mamoru eines Tages zu heiraten, konnte sie keine Antwort geben. Eine Heirat schien sowieso in weiter Ferne zu liegen. Sie wurde gerade mal sechzehn. Nach der Schule wollte sie eine gescheite Ausbildung machen. Am liebsten zur Erzieherin in einem Kindergarten. Von dem Oberstufenschüler wusste sie, dass er nach seinem Abschluss nächstes Jahr im April studieren wollte. Er wollte Arzt werden. Sie hatte sich genau erklären lassen, wie lange sowas dauerte. Wenn sie ihn tatsächlich heiraten wollte, wäre das erst in zehn bis elf Jahren der Fall. Vorher musste er zur Uni und dann seine praktische Ausbildung machen und eine Abschlussprüfung bestehen.

Doch jetzt wo er ihr gesagt hatte, dass er ebenfalls irgendwann mal Kinder wollte und das sie sicher eine gute Mutter sein würde, schien ihr der Gedanke an eine Hochzeit mit ihm gar nicht mehr so abstrus wie noch vor einigen Tagen. Sie konnte ihn sich ebenfalls gut als Vater ihrer Kinder vorstellen. Und noch besser konnte sie sich vorstellen, wie sie beide heiraten würden. Unwillkürlich wurde sie rot. Was er zu ihrem Glück nicht mitbekam. Vorsichtig hob sie den Blick und sah, wie er die Geschäftsauslage einer Buchhandlung in Augenschein nahm. Während er sich den Büchern widmete, betrachtete sie sich von der Seite im Schaufenster. Das Bäuchlein von dem vielen Eis, war immer noch ganz leicht zu sehen. Ganz egal ob das Kleid ab der Taille weiter fiel.

Mamoru bemerkte im Augenwinkel, wie sie sich betrachtete. Wie sie sah er das Bäuchlein und erwischte sich bei dem Gedanken, dass sie eines Tages sein Kind unter ihrem Herzen trug. Das er ihr täglich drüber streicheln würde und mit dem Ungeborenen redete. Erst sein Verstand verscheuchte den Gedanken und schallte ihn. Was ja auch in Ordnung war. Schließlich waren sie noch viel zu jung für ein Kind.

„Hast du ein Buch gefunden, was dir gefällt?“

Erschrocken blickte er auf und sah in das fröhliche Gesicht Usagis.

„Ähm, nein. Du?“

„Ich hab es nicht so mit Büchern.“

„Ach stimmt ja. Du liest ja nur Manga.“

„Genau.“, sie grinste ihn an. Und Mamoru konnte nicht anders, als leise zu lachen. Sie war einfach ein Unikat. Ihr Lachen drang an sein Ohr und dann ein leiser Aufschrei. Irritiert sah er zu ihr. Usagi deutete nach oben zum dunklen Himmel. Dort wo bis vor einigen Minuten noch ein strahlend blauer Himmel zu sehen war, zogen nun dunkle Wolken auf. Ein Grollen war zu hören.

„Die hatten doch gar kein Gewitter angekündigt.“, gab Mamoru verwundert zu.

„Ich hasse Gewitter!“

Überrascht sah er zu der Blondine, die sich beim nächsten Donner eng an ihn presste. Die Angst stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Ohne groß darüber nachzudenken, zog Mamoru sie mit sich und in Richtung der nächsten Bushaltestelle.

„Wohin gehst du denn? Meine U-Bahn fährt da hinten ab.“

„Aber bis wir dort sind, werden wir klitschnass sein. Schau nur die dicken Tropfen. Und der Weg von der U-Bahn-Station zu dir ist auch nicht gerade der kürzeste.“

Usagi folgte seinem Blick und sah mit großen Augen, wie die ersten Regentropfen auf den Steinboden fielen.

„Wir fahren mit dem Bus zu mir. Das ist näher.“

Sie konnte nur nicken und begann wie er in ein leichtes Joggingtempo zu fallen. Sie hasste Sport!
 

Der Boden unter ihnen quietschte, als sie zusammen durch die Eingangshalle seines Appartmentblocks gingen.

Sie hatten fünf Minuten auf den Bus warten müssen. Fünf Minuten in denen es plötzlich wie aus Kübeln goss und sie von oben bis unten durchweichten. Im Bus war die Luft unerträglich gewesen wegen der vielen Menschen und der immer noch anhaltenden Hitze. Sie waren eine Haltestelle früher deswegen ausgestiegen, weil Usagi befürchtete, ohnmächtig zu werden. Den Rest des Weges waren sie gerannt, wobei sie den Pfützen kaum ausgewichen waren.

Jetzt standen sie vorm Aufzug und ihre Klamotten klebten ihnen förmlichen am Leib. Die Blondine zitterte leicht vor Kälte. Und auch das Mamoru sie an sich zog, um sie zu wärmen, konnte sie nicht wirklich genießen. Er war wie sie komplett aufgeweicht. Sein T-Shirt ließ alle Muskeln seines Oberkörpers durchscheinen, weil es so eng anlag. Das Hemd tropfte und seine einst hellblaue Jeans hatte nun durch die Nässe einen dunkleren Farbton angenommen. Ihr selbst hingen die nassen Zöpfe schwer hinab und hinterließen eine Spur von Tropfen. Sie bibberte, als sie mit Mamoru den Aufzug betrat.

„Wir sind gleich da.“, er hauchte ihr einen Kuss auf den nassen Haarschopf.

„Okay.“

„Wenn du magst, kannst ja schnell duschen bei mir. Das wärmt dich sicher auf.“

Sowohl er als auch Usagi erröteten etwas bei seinen Worten.

Mamoru deshalb, weil er nicht umhin kam, sich Usagi nackt vorzustellen.

Sie wurde rot um die Nasenspitze, weil sie sich bei dem Gedanken erwischte, dass sie ja zusammen duschen könnten.

„Ähm, dass wäre sehr nett. Danke!“

„Ich hab sicher auch noch was für dich im Schrank. Dein Kleid ist ja komplett durchnässt.“

Sie nickte nur. Ihre Gedanken driffteten wieder zu der Unterwäsche, die sie trug. Die war zum Glück noch vollkommen trocken. Trotzdem wusste sie nicht, wie Mamoru darauf reagieren würde. Wenn er ihr nur ein T-Shirt von sich gab, konnte er ihr Höschen sehr genau sehen. Unmerklich schüttelte sie den Kopf. Warum machte sie sich darüber nur solch einen Kopf? Früher oder später würde es ja ohnehin passieren.

Der Aufzug kam ruckelnd zum Stehen und die Tür sprang auf. Schweigend gingen sie Hand in Hand zu Mamorus Wohnung. Das letzte Mal als Usagi da war, war auch Saori zu Besuch gewesen. Der Schwarzhaarige hatte ihr erzählt, dass die Brünette danach nicht mehr kam. Er wollte seine Wohnung nur noch mit Usagi teilen. Der Rest der Damenwelt ging es nichts an, wie er wohnte.

Mamoru schloss die Türe auf und schlüpfte aus seinen nassen Sneakers. Er sah, dass selbst seine Socken beim Pfützenspringen was abbekommen hatten.

„Darf ich gleich ins Bad?“

Er sah neben sich. Usagi stellte ihre Schuhe ordentlich neben seine und sah ihn dann fragend an.

„Sicher.“

Usagi nickte nur und verschwand hinter der Badezimmertüre. Mamoru sah ihr nur hinter. Es dauerte einige Augenblicke, bis er sich von der weiß gestrichenen Türe abwenden konnte. Zu groß war die Verlockung einfach hinein zu gehen. Die Blondine hatte nicht abgeschlossen. Es wäre also ein leichtes gewesen. Er konnte hören, wie das Wasser angestellt wurde. Sofort wurde ihm ganz anders. Jetzt wurde ihm bewusst, dass sie nackt war. Sie war nackt und stand in seinem nicht verschlossenen Badezimmer unter der Dusche. Wie beneidete er doch die Wassertropfen, die gerade ihre Haut hinab perlten.

„Reiß dich zusammen, Chiba!“, murmelte er zu sich selbst. Auch wenn es ihm schwerfiel, so wandte er sich trotzdem ab und ging in sein Schlafzimmer. Wie Usagi musste er schnellstmöglich aus den Klamotten raus. Das Gefühl wie sie an seinem Körper klebten, war einfach eklig. Mit einem Griff zog er sich das Hemd aus und sein T-Shirt über den Kopf. Warf beides unachtsam auf den Boden. Als er den Gürtel seine Jeans löste, musste er feststellen, dass das Wasser bis zu seinem Hintern heraufgespritzt war. Und das auch nur, weil er eine Pfütze übersehen hatte und voll Wucht hinein gerannt war. Dummerweise war die auch noch tief gewesen und die braune Brühe flog in alle Richtungen. Mamoru schob sich die Jeans an den Beinen hinab und zog sich die Socken dabei mit aus.

„Das ist jetzt nicht wahr, oder?“, stöhnte er genervt auf. Selbst seine Boxershorts hatte etwas abgekommen. Ohne weiter darüber nachzudenken, zog er sich auch diese über den Hintern und stieg darüber hinweg, als sie am Boden lag. Unbedarft ging er zum Schrank, öffnete eine Schublade und nahm sich eine neue und vorallem trockene schwarze Boxershorts raus. Gerade als er sich aufrichten wollte, um sie sich anzuziehen, glitt sein Blick zur Türe.

„Usako!“

„Mamo-chan!“

Beide konnten nicht anders, als sich mit unverhohlener Neugier anzustarren.

Mamoru stand vollkommen nackt und nur mit der Boxershorts in seiner rechten Hand vor ihr.

Usagi trug nur ihren crémefarbenen Satin-BH mit schwarzer Spitze und die dazu passende Pantie, die allerdings genauso viel preisgab, wie es ein String getan hätte. Die Spitze am Po und vorne herum war so gut wie durchsichtig und nur ihre intimste Stelle war minimal mehr verhüllt. Ihre Augen konnten nicht anders und wanderten an seinem nackten Oberkörper hinab zu seiner unverhüllten Männlichkeit. Unwillkürlich weiteten sich ihre Augen und ihr Hals wurde trocken. Sie wollte sich abwenden und konnte es nicht. Viel zu fasziniert war sie von dem Bild, dass sich ihr bot.

Die Augen des Schwarzhaarigen wanderten über ihren Körper. Ihre langen Haare fielen ihr über den ganzen Rücken und glänzten leicht von der Nässe. Sein Blick huschte über jeden Millimeter ihrer Haut und der Dessous. Der BH formte ihre Rundungen perfekt und ihr Höschen tat das gleiche mit ihrem Hintern. Scheinbar fand das auch sein kleiner Freund, denn er spürte nur allzu deutlich, dass dieser sich regte.

Es brauchte ein paar Sekunden, oder waren es doch Minuten, bis sich beide der Situation bewusst wurden. In genau jenem Moment hielt sich Mamoru die Boxershorts vor seine wachsende Erregung und Usagi drehte sich auf der Stelle um und schlug die Hände vor ihr Gesicht. Sie spürte, dass ihr Puls sich beschleunigt hatte. Ihr war nicht entgangen, welche Wirkung sie auf Mamoru hatte. Und andersherum war es auch nicht anders.

„Entschuldige!“, sie konnte nur stammeln. „Ich war fertig mit duschen und wollte dich nur fragen, ob du ein Shirt oder so für mich hast?“

„Äh, ja.“, er stieg in das schwarze Stück Stoff und zog es sich hoch. Dann ging er erneut zu Schrank und suchte ein Shirt heraus. Es wäre ihr sicher ein bisschen zu groß, aber sie konnte ja nicht nur in Unterwäsche rumlaufen. Das würde er im geistig und körperlich nicht aushalten.

„Hier.“

„Danke.“

Er sah ihr dabei zu, wie sie sich das Shirt über den Kopf und den Oberkörper zog. Es reichte ihr knapp über den Po. Mamoru musste leicht grinsen, als er daran dachte, dass er ihren wundervoll geformten Po in diesem hübschen Spitzenstoff heute wohl noch öfters zu sehen bekam.

„Wolltest du nicht duschen gehen?“, verlegen sah sie über die Schulter zu ihm.

„Ja. Mach es dir doch auf dem Sofa oder so bequem und ich komm dann gleich wieder.“

„Mein Kleid liegt noch im Bad.“

„Ich schmeiß es mit meinen Klamotten zusammen in den Trockner, okay?“, er bückte sich und hob seinen Kleiderhaufen auf.

Usagi nickte nur. Sie wandte den Kopf ab, als er auf sie zu kam. Der Anblick, der sich ihr eben geboten hatte, hatte sie vollkommen aus der Bahn geworfen. Und nur weil er jetzt eine Unterhose trug, machte es das nicht besser. Sein bestes Stück wurde darin nur allzu deutlich hevorgehoben und sein Hintern ebenso. Ihre Wangen pochten vor Hitze. Als er an ihr vorbei ging, berührten sich ihre Arme und sie durchfuhr ein Schauer. Obwohl sie es zu unterdrücken versuchte, entfuhr ihr ein Keuchen.

Eine Tatsache die Mamoru nur mit einem leichten Grinsen quittierte. Der Anblick seines nackten Selbst schien seine Wirkung bei ihr nicht verfehlt zu haben. Wieder kamen ihm die Bilder von ihr in Unterwäsche in den Sinn. Sofort meldete sich seine Männlichkeit und er begann seine Schritte zu beschleunigen. Stolpernd rannte er durch das Wohnzimmer und direkt ins Bad. Im Gegensatz zu Usagi verriegelte er die Türe und lehnte sich dagegen. Sein Blick wanderte zu der doch sichtbaren Beule in seiner Boxershorts.

„Verdammt!“
 

Usagi stand in der Küche vorm Herd und starrte gedankenverloren auf die Milch im Topf. Sie wollte sich und Mamoru eine heiße Schokolade machen. Die Zutaten und zwei Tassen hatte sie dank seiner Ordnungsliebe schnell gefunden. Jetzt wartete sie darauf, dass die weiße Flüssigkeit zu kochen begann. Sie musste sich konzentrieren, den richtigen Punkt zu erwischen und somit zu verhindern, dass die Milch überkochte und anbrannte. Doch es fiel ihr schwer. Immer wieder glitten ihre Gedanken zu Mamoru. Bis vor wenigen Minuten hatte sie das Wasser der Dusche gehört. Unweigerlich musste sie daran denken, dass er ja nun wieder nackt war. Sein nacktes Antlitz hatte sich sowieso schon in ihr Gedächtnis hinein gebrannt. Es hatte sie zugegebenermaßen erregt, als er so vor ihr gestanden war. Noch nie hatte sie einen nackten Mann gesehen und was sie gesehen hatte, hatte ihr gefallen. Das Mädchen spürte immer noch die Hitze zwischen ihren Beinen. Wieso hatte er nur diese berauschende Wirkung auf sie?

„Usako!“

Erschrocken wirbelte sie herum.

„Was?“

„Die Milch!“, Mamoru hastete an ihr vorbei und zog den Topf vom Herd. „Autsch!“

Die Milch hatte sich schon über den Rand geschoben und war teilweise auf die Hand des Schwarzhaarigen geschwappt. Reflexartig zog er die Hand an sich und pustete drauf.

„Schnell!“

Er konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Usagi ihn zum Waschbecken gezogen hatte und die Hand unter einen eiskalten Wasserstrahl hielt. Mamoru hatte nur Augen für sie und schaute sie fasziniert an. Er sah die Sorge in ihren strahlend blauen Augen.

„Es tut mir so leid!“, sie hielt seine Hand fest und ließ sie nicht aus den Augen. „Ich hätte besser aufpassen sollen.“

„Schon okay. Es tut ja schon gar nicht mehr weh. Was hattest du eigentlich vor?“

„Ich wollte uns einen Kakao kochen. Aber ich war nicht so ganz bei der Sache.“

Mamoru musste nicht nachfragen, warum sie so in Gedanken war. Ihm war klar, was in ihrem Kopf gerade vorging.

„Hast du sowas wie Brandsalbe oder so?“

„Ja. Im Badezimmerschrank.“

„Lass deine Hand unterm Wasser. Ich hol sie schnell.“

Er nickte nur und sah ihr hinterher. Sofort wanderten seine Augen auf ihren Po, der unter dem knappen Shirt hervorblitzte. Er grinste schief und wandte sich dann wieder seiner Hand zu. Ein gutes Drittel seines Handrückens war krebsrot und pochte trotz des kalten Wassers heftig. Wenn er Pech hatte, bildete sich eine große Brandblase und er würde eine Narbe zurückbehalten. Was er nicht wirklich hoffte. Bisher war sein Körper makellos.

„Hab sie.“

Mamoru drehte sich um und sah Usagi, die schlitternd vor ihm zum Stehen kam.

„Setz dich an den Tisch. Nicht das du vor Schmerzen ohnmächtig wirst.“

„Es tut doch kaum noch weh.“, er stellte das Wasser ab und hielt ihr die Hand hin. „Siehst du. Es ist nur ein bisschen rot.“

Vorsichtig hielt sie seine Hand fest und berührte sanft die Verbrennung am Rand. Augenblicklich konnte sie ein Zischen hören und sah auf. Mamoru hatte die Augen geschlossen und stieß die Luft durch die zusammen gebissenen Zähne aus.

„Es tut also nicht mehr weh?“, sie konnte sich einen belustigten Unterton nicht verkneifen.

„Nein.“, er klang erbärmlich.

„Komm schon!“

Wie ein treuer Hund folgte er ihr zum Küchentisch und setzte sich.

„Ich verspreche dir, dass ich vorsichtig sein werde. Aber ich kann nicht versprechen, dass es nicht wehtun wird. Okay?“

Er nickte.

Usagi öffnete die Tube mit der Brandsalbe und verteilte vorsichtig etwas davon auf seinem Handrücken. Wieder konnte sie hören, wie er zischte. Es war wohl wirklich besser gewesen, dass er sich gesetzte hatte. Langsam verrieb sie die gelbliche Salbe auf der Verletztung, Dann nahm sie einen Wundverband und umwickelte damit seine Hand.

„So wirkt es schneller.“

Mamoru sah auf seine Hand und dann zu ihr. Sie lächelte ihn zaghaft an.

„Magst du immer noch einen Kakao? Die Milch ist sicher noch warm.“

„Dazu sage ich nicht nein.“

Usagi stand auf und ging wieder zum Herd. Sie nahm das Kakaopulver und rührte es in die immer noch kochend heiße Milch. Dann gab sie etwas gemahlenen Zimt hinein und eine Brise Chili. Das Rezept mit dem scharfen Gewürz hatte sie von Makoto bekommen und der Kakao schmeckte dadurch nur noch besser. Sie rührte noch einmal um und verteilte dann den Inhalt des Topfes auf zwei Tassen. Mit denen trat sie zu Mamoru und schob ihm seine zu. Neugierig beobachtete sie ihn dabei, wie er den ersten Schluck nahm. Eine leichte Skepsis lag in seinem Blick, als ihm der unbekannte und doch vertraute Geruch in die Nase stieg. Er konnte allerdings nur den Kakao identifizieren und den Zimt. Die dritte Zutat erkannte er nicht. Erst als er das Prickeln auf seiner Zunge spürte, verbunden mit einer leichten Schärfe, erkannte er das Chili. Ungläubig sah er zu Usagi, die ihn nur angrinste und nun selbst einen Schluck nahm.

„Schmeckt dir der Kakao?“

„Wie bist du auf Chili gekommen? Ich meine, Zimt als Zusatz kenne ich ja. Aber Chili?!“

„Hab ich von Makoto und beugt laut ihrer Aussage Erkältungen vor. Was ja nach unserem unfreiligen Regenbad nicht schlecht wäre oder? Ich hab zumindest keine Lust, meinen Geburtstag im Bett zu verbringen. Beziehungsweise nicht so.“

Überrascht über ihre letzten Worte, sah Mamoru sie mit großen Augen an. Was ihr nicht entging und sie sich nun ihrer eigenen Worte bewusst wurde. Zum gefühlten fünfhundertsiebenundzwanzigsten Mal an diesem Tag wurde sie rot um die Nase. Warum drehte sich heute alles nur um Sex?

Erst bat sie ihre Mutter, keine Dummheiten zu machen.

Dann sah sie Mamoru vollkommen nackt.

Und nun fing sie auch noch so zweideutig an mit reden, dass er ja schon automatisch daran denken musste.

„So, ähm, so meinte ich das nicht. Also, ich meine, also du sollst jetzt nicht, naja, denken, dass ich so eine bin. Also ich, ähm, bin keine, die so schnell, na du weißt schon.“, sie sah vorsichtig auf. Doch in seinem Gesicht konnte sie keinerlei Gefühlsregung erkennen. Seine Augen erschienen ihr dunkler. Hastig griff sie wieder nach ihrer Tasse und nahm, die immer noch hohe Temperatur des Getränks ignorierend, einige Schlucke. Wieso trat sie immer in Fettnäpfen, die sich dann als tiefe Fässer herausstellten?

„Ich weiß, dass du nicht so eine bist.“

Sie nickte nur, stand auf und stellte ihre jetzt leere Tasse in die Spüle.

„Ich wollte das nur richtig stellen. Viele Mädchen in meiner Schule denken das nämlich von mir.“

„Was?“, Mamoru war aufgestanden und an sie heran getreten. So richtig konnte er ihren Worten keinen Glauben schenken.

„Ja. Sie glauben, ich würde mit allen Jungs ins Bett steigen und keinem langen treu bleiben.“

„Warum glauben sie das?“

Sie hob nur die Schultern.

„Keine Ahnung. Vielleicht sind sie eifersüchtig. Vor allem jetzt wo sie sehen, dass ich mit einem Oberstufenschüler zusammen bin. Ami meinte, dass es daran liegt, weil diese dummen Hühner hinter Seiya her sind und ich ihn immer abweise. Und er ist nicht der einzige, der mich gerne als seine Freundin bezeichnen würde.“, sie konnte ein Zittern in ihrer Stimme nicht unterdrücken. „Dabei bist du mein allererster Freund. Der erste der mich geküsst hat.“

„Ich weiß. Mach dir keinen Kopf darum.“, der Schwarzhaarige zog sie in seine Arme. Ihm war in den letzten Tagen nicht entgangen, dass ihre männlichen Mitschüler ihr eindeutige Blicke zuwarfen. Und ihm auch. Doch die Blicke, die ihm golten, waren von Eifersucht geprägt. Ihre Beziehung war alles andere als leicht. Noch fester zog er sie an sich. Ihn beschlich ein seltsames Gefühl in der Magengegend. Er konnte es nicht deuten, aber es schien ihm kein positives zu sein. Als wäre etwas im Busch.

Photos

Die Luft hatte sich deutlich abgekühlt und die Sterne kämpften sich durch die Wolkendecke. Noch bis vor zwei Stunden hatte es geregnet. Jetzt war die Luft klar und er konnte bis zum Tokyo Tower sehen. Mamoru stand auf seinem Balkon und ließ seinen Blick schweifen, als sich sein Handy meldete. Etwas umständlich zog er es aus seiner Jogginghose und las lächelnd die Nachricht von Usagi. Sie würde jetzt schlafen gehen und sich auf den morgigen Sonntag freuen. Darauf das sie zusammen im Crown frühstücken würden.

Mamoru schrieb ihr eine liebevolle Nachricht zurück und ging dann in seine doch deutlich wärmere Wohnung. Sein Blick wanderte umher. Er hatte das Gefühl, dass noch immer ihr Parfüm in der Luft lag. Bis vor einer Stunde war sie noch hier gewesen, bevor sie mit dem Taxi heimfuhr. Viel später als es eigentlich mit ihren Eltern ausgemacht gewesen war. Aber laut ihrer eigenen Aussage, würden sie es schon verstehen. Immerhin hatte es ja in Strömen geregnet.

Er ließ sich aufs Sofa fallen und legte den Kopf in den Nacken. Schloss die Augen. Die letzten Stunden zogen wie ein Film an seinem inneren Auge vorbei. Ihr Anblick in Unterwäsche war dabei mehr als präsent. Es hatte sich so tief in ihm eingebrannt, dass er sicherlich noch lange davon zehren würde. Leise seufzte er. Wie gerne hätte er sie berührt. Sie an sich gezogen. Ihre weiche Haut unter seinen Fingern gespürt. Er war neugierig, wie sie wohl ohne dieser sexy Spitzenunterwäsche aussah. Auch wenn die schon viel gezeigt hatte. Ihre Rundungen konnte er nur allzu gut erkennen und das was ihr Höschen verbarg, war nun auch nicht gerade viel gewesen. Dennoch wäre es zu früh gewesen. Sie war noch Jungfrau und würde sicher noch eine Weile brauchen. Und er selbst war sich nicht mal sicher, ob er nicht selbst dann alles ruinieren würde, wenn er zu voreilig handelte. Ja, er konnte es nicht mehr erwarten. Aber war das nicht normal in seinem Alter? Er wusste, dass schon einige in seiner Klasse diesen Schritt getan hatten. Die Beziehungen hielten allerdings nicht lange. Er war zurückhaltender. Wobei er ja auch noch nicht das passende Mädchen gefunden hatte. Bis jetzt zumindest nicht. Und so wie sie heute vor ihn getreten war, konnte er Usagi nicht mal mehr als Mädchen bezeichnen. Sie war durch und durch eine Frau. Durch ihre Schuluniform sah man das nicht. Der Rock war knielang und das Oberteil weiter geschnitten. Was sollte ein Mann darunter schon erahnen? Doch wenn sie privat unterwegs war, raubte sie ihm Stück für Stück seinen Verstand.

Jede Hose saß perfekt.

Jeder Rock umspielte ihre wunderschönen langen Beine.

Jedes Oberteil betonte ihre Kurven.

Jetzt wo er wusste, was für Unterwäsche sie trug, wurde ihm noch schwindliger. Mamoru ahnte, dass er sich jetzt nur noch vorstellen würde, was sie drunter trug, wenn er sie sah. Und er würde sich vorstellen, wie er sie davon befreite. Nur allzu deutlich konnte er in letzter Zeit dieses Lodern in ihren Augen sehen, wenn sie sich wieder einmal zu leidenschaftlich geküsst hatten. Ihre Andeutungen heute Abend ließen ihn wissen, dass sich ihre Gedanken scheinbar auch nur mehr darum drehten, wie und wann sie es gemeinsam tun würden. Sein Herz begann bei der Vorstellung daran zu rasen und er hatte den Drang, sich wieder eine kalte Dusche zu genehmigen.

Wieso war er ihr nur so verfallen? Noch vor drei Monaten hatte er keine Ahnung, dass sie in ihn verliebt war. Mit den Briefen hatte alles angefangen. Er selbst hatte sie um ein Date gebeten und seitdem geriet sein Leben außer Kontrolle. Seine Gedanken drehten sich nur noch um sie. Egal wo er war oder was er tat. Was ihre Sorgen waren, waren auch seine. Mamoru atmete schwer aus. Hätte er es nicht schon eher gewusst, hätte er gemeint, er wäre bis über beide Ohren verliebt. Ein Lächeln schlich sich auf sein Lippen. Ja er liebte sie. Er begehrte sie und er wollte sie. Nur sie.

Ein Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Mühevoll richtete er sich auf und schlurfte mehr oder weniger zur Tür. Er erwartete keinen Besuch mehr. Usagi war längst zuhause und träumte wahrscheinlich schon von dem heutigen Tag und von ihm. Zumindest hoffte er das.

„Hallo Mamoru!“

Perplex sah Mamoru die Brünette vor sich an.

„Was willst du hier, Saori?“

„Darf ich reinkommen?“

„Nein.“, er stellte sich direkt in den Türrahmen und zog die Türe hinter sich so nah wie möglich ran, so dass sie keinen Blick in die Wohnung hinter ihm werfen konnte.

„Störe ich?“

„Ich wollte gerade ins Bett.“

„Oh, dass tut mir leid. Ich wollte dir nur etwas geben.“

Der Schwarzhaarige zog eine Augenbraue hoch.

„Hier.“, Saori hielt ihm einen Umschlag hin. „Ich dachte, dass könnte dich interessieren. Schließlich sind du und Tsukino ja zusammen. Und in einer Beziehung sollte man keine Geheimnisse haben, oder?“

„Was ist das?“

„Keine Ahnung. Eine Freundin hat sie mir gegeben und gemeint, dass dich das wohl interessieren könnte. Aber weil sie dich nicht persönlich kennt, sollte ich sie dir geben.“

Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Den Umschlag hielt er mit beiden Händen und sein Herz begann zu rasen. Wieder machte sich das ungute Gefühl von wenigen Stunden zuvor in seiner Magengegend bemerkbar. Er musste hart schlucken. Sein Blick suchte den von Saori. Sie lächelte ihn an.

„Also hab einen schönen Abend!“

Mamoru nickte nur und wandte sich ab. Schloss die Türe hinter sich.
 

Gut gelaunt registrierte es Saori, bevor sie fast schon zum Aufzug hüpfte. Mit einem breiten Grinsen betrat sie den Aufzug und drückte den Knopf für das Erdgeschoss. Das lief besser, als sie es sich gedacht hatte. Sie konnte nicht anders, als ein Lied zu summen. In ihrem Kopf spielten sich tausende Gedanken ab, wie Mamoru nun in seiner Wohnung saß und den Inhalt des Umschlages begutachtete. Vielleicht war ja auch Usagi bei ihm. Dann hätten sie jetzt richtig Krach und dieses Mal würde er nicht so leicht zu beseitigen sein. Leise lachte sie auf und hüpfte nun durch das Foyer. Als sie durch die Glastüre ins Freie trat, sah sie schon ein bekanntes Gesicht auf der anderen Seite der Straße stehen. Natürlich schön versteckt im Dunkeln. Mit schnellen Schritten überquerte sie den Anrainer-Parkplatz und die Straße.

„Lass uns ein Stückchen gehen. Nicht das er uns noch sieht.“, Seiyas Stimme durchschnitt die kühle Nachtluft. Zusammen liefen sie nebenher und um die nächste Ecke. Der Schwarzhaarige drehte sich um. Noch immer hatten sie einen guten Blick auf Mamorus Appartementblock und seine im sechsten Stock gelegene Wohnung. Im Wohnzimmer brannte Licht. Aber mehr als das konnte man nicht erkennen.

„Wie hat er reagiert?“

„Keine Ahnung. Im Gegensatz zu Usagi kann man in ihm nicht lesen, wie in einem offenen Buch.“

„Hm. Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen?“

„Ich hatte neulich zufällig gehört, wie er ihr gesagt hat, dass er eifersüchtig ist.“

„Also ist unser Plan doch aufgegangen.“

„Mehr oder weniger.“, Saori sah hinauf zu Mamorus Wohnung. „Im Grunde hat es sie beide nicht gekratzt, ob wir vergeben sind oder nicht. Aber als ich neulich das Gespräch zwischen den beiden Klassenkameradinnen von Usagi mitbekommen habe, wie hießen die beiden doch? So eine Intelligenzbestie und eine große, braunhaarige. Ziemlich maskulin.“

„Oh, Mizuno Ami und Kino Makoto.“

„Ja die. Na jedenfalls hab ich halt mitbekommen, wie beide Usagi bedauert haben, weil sie wohl doch sehr im Kreuzfeuer eures Buschfunks steht.“

„Aber nicht wegen mir.“

„Das ist doch egal. Solange sich andere über sie das Maul zerreißen und sie in ein schlechtes Licht stellen, ist es doch nur gut für uns.“

„Wie bist du an die Fotos gekommen?“, Seiya sah die Oberstufenschülerin fragend an. Er war überrascht gewesen, als sie ihn heute Mittag angerufen und ihm ein Treffen vorgeschlagen hatte. Nach seinem Aufeinandertreffen mit Mamoru auf dem Schulhof und der lauten Diskussion am Telefon mit Saori, hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Er hatte sich darauf konzentriert, Usagi mehrfach unter die Nase zu reiben, dass er nun auch eine Freundin hätte und sie es sich doch nochmal wegen Mamoru überlegen sollte. Noch wäre seine Beziehung ja nicht so fest. Doch er stieß damit bei ihr auf taube Ohren. Natürlich war ihm nicht entgangen, dass die anderen Mädchen der Schule sauer auf sie waren. Erst hatte er keine Ahnung warum. Doch dann erfuhr er über drei Ecken, dass sie glaubten, die Blondine würde zweigleisig fahren. Schließlich war vielen nicht entgangen, wie sehr Seiya ihr den Hof machte und das sie nun mit einem Oberstufenschüler ausging. Viele Schülerinnen glaubten, dass Usagi die Freundin von Seiya war und nur so tat, als wolle sie nichts von ihm. Und er sprach ja auch nie aus, wer seine Freundin war. Doch anscheinend reichten seine sehnsüchtigen Blicke für Usagi aus, um die Gerüchteküche praktisch zum Explodieren zu bringen. Die Mitschülerinnen waren dementsprechend sauer, dass Usagi ihnen sowohl den begehrtesten Jungen der Schule weggeschnappt hatte als auch, dass sie noch mit einem anderen Jungen ging.

Doch nicht nur die Mädchen waren wütend auf sie. Auch die Jungs. Viele hatten ein Auge auf die Blondine geworfen. Sie hatte sie alle abgewiesen. Es kränkte sie in ihrer männlichen Ehre, dass sie nicht reinen Tisch gemacht und ihre angeblichen Gefühle für Seiya zugegeben hatte. Abgesehen davon, dass sie alle der Auffassung waren, dass sie ja auch noch einen dritten oder vierten Freund haben könnte. Wenn sie schon mit zwei zusammen war, würden ein paar mehr doch egal sein. Sie machte wahrscheinlich gerne die Beine für sie alle breit. So die einhellige Meinung der Schülerschaft an ihrer Schule.

Seiya tat das ganze ein wenig leid. Doch andererseits war es ihm nur recht, dass sie litt. Sie hatte es nicht anders verdient. Hätte sie sich gleich für ihn entschieden und nicht für Mamoru, wäre das ganze wahrscheinlich gar nicht so ausgeartet. Und dank Saoris jetzigem Plan, schienen die ganzen Gerüchte nun mehr als nützlich.

„Ich hatte noch was gut bei einem Bekannten.“, murmelte Saori und riss ihn so aus den Gedanken.

„Ein Nerd oder?“

„Ja. Aber er hat doch seine Arbeit ganz gut gemacht. Oder hättest du es besser gekonnt?“

Er schüttelte den Kopf, wenn er an die Fotos dachte. Die waren wirklich die Wucht gewesen.

„Hast du solche auch von ihm machen lassen? Welche die Usagi bekommt?“

„Nein!“, die Brünette klang empört. „Natürlich nicht. Über ihn gibt es ja, zum Glück, keine Gerüchte. Warum sollte ich dann Fotos von ihm machen lassen und sie Usagi überreichen? Wäre ja nicht logisch.“

Saori verleierte genervt die Augen und wandte sich von Seiya ab. Sie war froh, dass es keine Gerüchte über ihren Traummann gab. Seine Weste war weiß wie Schnee. Seine Mitschülerinnen oder Bekannte waren weder eifersüchtig noch neidisch auf seine Beziehung. Stattdessen freuten sie sich für ihn. Wünschten ihm alles Gute. Bisher war er immer ein Einzelgänger gewesen. Er brachte zwar das nötige Interesse seinen Mitschülern gegenüber auf. Aber Emotionen ließ er nicht zu. Umso überraschte war die Oberstufenschülerin nun, als ihr zu Ohren gekommen war, dass sich die Mädchen an seiner Schule und im Vorbereitungskurs ehrlich für ihn und seine Liebe freuten. Dabei waren doch fast alle Mädchen der Motoazabu-Schule in den jungen Mann verliebt. Das fand sie merkwürdig. Doch jetzt wusste die junge Frau, dass ihr Plan nur klappen würde, wenn Mamoru dank seiner Eifersucht auf die Fotos anspringen würde. Aber die Sorgen darüber, dass es nicht so sein würde, waren verschwindend gering.

„Hast du dir schon mal überlegt, wie du Mamoru dann trösten willst?“, Seiya hatte sich lässig gegen eine Hauswand gelehnt.

„Ja.“

„Lass hören.“

„Ich werde ihm ein wenig Zeit lassen, um das alles zu verarbeiten. Durch den frühen Verlust seiner Eltern fasst er nur schwer Vertrauen. Es wundert mich sowieso, dass er Usagi so schnell blindlinks vertraut.“

„Das ist eben Usagi. Seid ich sie kennen, ist sie so. Sie schafft es binnen Stunden Freundschaften aufzubauen. Ich weiß, dass ihre Freundinnen ihr bedingungslos vertrauen und andersherum genauso.“

„Klingt für mich eher danach, dass sie alle ein bisschen naiv und zu gutherzig sind.“, Saoris Stimme klang abschätzig.

„Mag sein. Aber mit Ami und Makoto ist sie seid der Grundschule befreundet. Mit Rei sogar schon seit dem Kindergarten. Sie gingen beide in den am Hikawa-Tempel.“

„Und was ist mit dieser anderen Blondine? Minako oder so.“

„Usagi war vor zwei Jahren mal bei einem Casting für eine neue Fernsehserie, weil sie eine Wette verloren hatte. Da lernten sie sich wohl kennen und seitdem gehört Minako auch zur Clique. Solange treffen sie sich auch schon bei diesem Motoki im Crown. Er ist Mamorus bester Freund, oder?“

„Ja.“, Saori hatte den Blick immer noch nicht von Mamorus Wohnung abgewandt. Ihr Herz zog sich schmerzlich zusammen, als sie daran dachte, dass er Usagi schon länger kannte als sie. Wieder hatte die blonde Ziege einen Vorteil. Aber nicht mehr lange. Sie grinste fies.

„Die beiden kommen mir recht unterschiedlich vor.“, Seiya klang nachdenklich. „Motoki ist ja auch eher der aufgeschlossene Typ.“

„Wer weiß. Mamoru ist ihm meiner Meinung nach jedoch überlegen. Er hat mehr Klasse und Niveau.“

Seiya schaute zu ihr. Sie hatte sich abgewandt vom Appartmentblock und lief an ihm vorbei. Scheinbar war Usagi doch nicht mehr bei ihm. Schade.

„Was wirst du tun, wenn Usagi sich ausgeheult hat?“, sie lächelte ihn an. Ihm kam es falsch vor.

„Ihr weiter den Hof machen. Ich werde es wohl anders angehen als jetzt. Vielleicht ignoriere ich sie eine Zeit lang. Sie wird schon merken, was sie an mir hat.“

„Bestimmt.“

Saori konnte nicht anders, als leise zu kichern bei seinen Worten. Er war genauso gutgläubig wie Usagi. Wenn auch berechnender. Aber genauso dumm wie sie. Die beiden würden sicher ein hervorragendes Paar abgeben. Wobei sie das bezweifelte. Usagi war viel zu emotional. Es würde sie nicht wundern, wenn sich die Blondine für den Rest ihrer Schulzeit in ihr Zimmer einschloss, nachdem ihr Mamoru erst einmal den Laufpass gegeben hatte. Sie würde niemals auf die Avancen von Seiya eingehen. Dafür liebte sie Mamoru schon viel zu lange und zu sehr. Das war Saori bewusst. Ihr kam der Gedanke, dass sie irgendwann einmal so fies sein würde, und Mamoru in Anwesenheit von ihr küssen würde. Nicht sofort natürlich. Es würde sicher vier bis fünf Wochen dauern, bis sie selbst mit ihm zusammen kam. Und vielleicht hätte Mamoru Usagi gegenüber auch erstmal ein schlechtes Gewissen. Doch darüber wäre er bald hinweg. Dank ihrer Hilfe. Sie konnte jetzt schon die Freude spüren, die sich in ihr breit machte bei dem Gedanken daran, wie sehr sie Usagis Herzschmerz noch vergrößern würde. Aber das war der Brünetten egal. Sie hatte schon viel zu lange ein Auge auf Mamoru geworfen, um jetzt auf irgendwelche Gefühle von Usagi Rücksicht zu nehmen. Er gehörte zu ihr. Was aus der Blondine wurde, war ihr herzlichst egal.

„Ich geh heim.“

„Warte!“, Seiya rannte hinter Saori her. „Woher weiß ich, was jetzt in den nächsten Stunden abgeht? Also sofern Mamoru auf die Fotos hereinfällt.“

„Stell dich morgen Vormittag einfach vor ihr Stammcafé. Sie sind dort um zehn Uhr zum Frühstück mit ihren Freunden verabredet.“

„Woher weißt du das schon wieder?“

„Ich mache eben meine Hausaufgaben sehr, sehr gründlich.“

„Kommst du auch?“

„Nein. Ich muss meinen Eltern die brave Musterschülerin vorspielen. Ruf mich einfach an, wenn es vorbei ist. Okay?“

„Okay. Dann gute Nacht!“

„Gute Nacht!“, sie bedachte ihn noch einmal mit einem Blick und hob die Hand zum Gruß. Dann wandte sie sich endgültig ab und ging in Richtung der Bushaltestelle. Seiya hob ebenfalls die Hand, ließ sie dann jedoch schnell wieder sinken. Ihm war schon seit dem heutigen Telefonat aufgefallen, dass Saori selbstbewusster geworden war. Bisher hatte er die Zügel in diesem Gespann in der Hand gehabt. Doch in den letzten Stunden hatte sie ihm diese nach und nach abgenommen. Er war sich nicht sicher, ob er das gut finden sollte. Tief atmete er durch. Noch einen letzten Blick warf er in Richtung Mamorus Wohnung. Das Licht war noch immer an. Nur allzu gerne hätte er jetzt Mäuschen gespielt. Aber er musste abwarten.
 


 

Er stand vollkommen neben sich. Die halbe Nacht hatte er nicht schlafen können. Wahrscheinlich sogar die ganze Nacht nicht. Irgendwann hatte es Mamoru aufgegeben permanent auf den Wecker neben seinem Bett zu schauen. Schneller verging die Nacht davon auch nicht. Als die ersten Sonnenstrahlen durch den schmalen Spalt zwischen den Gardinen hindurch krochen, war er aufgestanden und hatte sich eine ausgiebige Dusche gegönnt. Seine dunklen Gedanken verscheuchten sie jedoch nicht. Die Bilder hatten sich in ihm festgesetzt und er hatte das Gefühl, dass all die postiven Gefühle, die in den letzten Wochen so dermaßen auf ihn eingeströmt waren, mit einem Schlag verloren waren. Als er aus dem Bad kam, fiel sein Blick auf sein Handy und die über den Wohnzimmertisch verstreuten Fotos. Es waren sieben Stück. Sieben Fotos die ihm das Herz zerissen. Träge nahm er sich sein Handy und schaltete es an. Die Überlegung Usagi anzurufen oder ihr eine Nachricht zu schicken, hatte er mehrmals die Nacht gehabt. Aber genauso schnell hatte er es auch wieder verworfen. Auf seinem Display wurden ihm keine Nachrichten oder Anrufe angezeigt. Sein Blick wanderte auf die Uhrzeit. Es war erst halb sechs. Wahrscheinlich schlief sie noch tief und fest und träumte einen ihrer verrückten Träume. Mamoru lachte leise auf.

Wieso war er nur auf sie reingefallen? War er so naiv gewesen? Er musste sie später im Crown zur Rede stellen. Und dabei war ihm ganz egal, dass ihre Freunde dabei wären. Er hatte keine Lust, der Trottel in diesem Spiel zu sein. Ohnehin war er gespannt, was sie geritten hatte. Ja, sie hatten sich bis vor einiger Zeit täglich gestritten und beleidigt. Nicht nur einmal hatte er dank ihr einen blauen Fleck. Egal wo. Oberarm, Schienbein. Sogar einige Ohrfeigen hatte er kassiert. Sie konnte recht rabiat werden, wenn er zuweit gegangen war. Was nicht nur einmal der Fall gewesen war. Er selbst war ja nicht besser gewesen. Nur allzu gut konnte er sich an einen Streit erinnern, an dem sie zu weit gegangen war. Nachdem sie ihm auch noch mit Absicht auf den Fuß gestiegen war, hatte er sie schlichtweg übers Knie gelegt und ihr den Hintern versohlt. Ihren kleinen süßen Po.

Mamoru schüttelte den Kopf. Nicht noch einmal wollte er daran denken. Er musste und sollte sie sich aus den Kopf schlagen. Aus dem Kopf und noch schneller aus dem Herzen. Letzteres zog sich beim Gedanken an sie schmerzlich zusammen. Nie im Leben hätte er geglaubt, dass ein Mädchen mal sein Herz brechen würde. Geschweigedenn dass es ausgerechnet Usagi sein würde. Fieberhaft überlegte er, warum sie sowas getan hatte. Warum sie soweit gegangen war. Und scheinbar auch noch alle in ihren fiesen Plan eingeweiht hatte. Ihre Freundinnen wussten genauso davon wie auch Motoki und Unazuki. Der Schwarzhaarige konnte sich keinen Reim darauf machen, warum sie alle dabei mitmachten. Und noch weniger verstand er, wieso die Blondine so weit ging. Sie wusste, dass es ihm schwerfiel, Gefühle zu zeigen. Dennoch hatte sie einen Weg gefunden, um ihn aus der Reserve zu locken. Er war eiskalt auf sie reingefallen. Usagi schien nicht mal Skrupel zu haben, um sich ihm in Unterwäsche zu präsentieren. Sie hatte das Naivchen gespielt und ihn damit in ihren Bann gezogen. Nur um ihn in nächster Zeit wieder abzuservieren und bloßzustellen.

Während er in die Küche ging, arbeitete es in ihm. Gedankenverloren stellte er sich eine Tasse unter den Kaffeevollautomaten und sah dem schwarzen Getränk dabei zu, wie es stetig in das Behältnis lief. Langsam kam ihm in den Sinn, warum sie ihm diese angebliche Bedenkzeit bis zu ihrem Geburtstag gab. Warum sie so zurückhaltend war. Angeblich. Schon vor drei Wochen hatte sie ihm erzählt, dass sie eine große Party im Crown feiern und ihre Beziehung öffentlich machen wollte. Selbst jetzt noch als ihre Freunden davon wussten. Die ganze Welt sollte es ihrer Meinung nach wissen. Auch wenn ihm das seltsam vorkam, da es mittlerweile eh schon jeder wusste und sie eigentlich nicht die große Partymaus war. In ihrer Clique fiel dieser Part eher an Minako und Rei.

Mit einem Schlag wurde Mamoru nun auch klar, warum sie dieses ganze Tamtam wollte: Sie wollte ihn dann im ganz großen Stil auflaufen lassen. Ihn vor versammelter Mannschaft bloßstellen. Beinahe wäre er darauf reingefallen. Beinahe! Doch nun würde er den Spieß umdrehen. Und er würde sicherlich nicht bis zu ihrem Geburtstag damit warten. Nein! Er würde sie schon heute vor allen im Crown entwaffnen. Sie zur Rede stellen und fragen, was der Blödsinn sollte. Er würde diese niveaulose Blondine fragen, warum sie so verletzend zu ihm war. Mit Sicherheit würde sie sich dumm stellen. Darin war sie gut, dass wusste der Schwarzhaarige. Dann würde sie bestimmt behaupten, dass es alles nur eine Lüge sei und sich einen Dummen suchen, den sie dafür verantworlich machen konnte. Aber er würde nicht darauf eingehen. Ihr gar keine Chance der Entschuldigung bieten. Er würde sie sowieso nicht akzeptieren. Auch nicht von den anderen. Es war ohnehin besser, wenn er wieder zu dem Einzelgänger wurde, der er vor seinen täglichen Besuchen im Crown war. Auch auf Motoki würde er verzichten. Von wegen er war sein bester Freund. In Wahrheit war er doch nur sein bester Kunde. Mehr nicht.

In ihm begann es zu brodeln. Er war wütend auf Usagi. Wütend auf ihre Freunde. Nie zuvor kam es ihm in den Sinn, sie so dermaßen zu verletzen. Beleidigen ja und sie vielleicht zum Heulen bringen. Aber mehr nicht. Nie hatte er sie so verletzt, wie sie jetzt ihn. Mit Schwung nahm er sich seine Tasse Kaffee und stapfte damit ins Wohnzimmer. Wieder glitten seine Augen über diese Fotos. Kurz machte sich Dankbarkeit gegenüber Saori breit. Sie hatte von Anfang an den richtigen Riecher in Bezug auf Usagi gehabt. Schon als er ihr das erste Mal von der Mittelstufenschülerin erzählt hatte, hatte sie ihn gewarnt. Gesagt, dass sie sicherlich dumm und naiv war, aber bestimmt auch berechnend und stur, wenn sie etwas haben wollte. In seinem Fall wollte sie wohl Rache. Die hatte sie bekommen. Wahrscheinlich hatte sie sich mit ihren Freundinnen über ihn schlapp gelacht. Über seine verdammte Gefühlsduselei.

„Ich hätte eher auf Saori hören sollen.“, murmelte er zu sich selbst und nahm einen Schluck Kaffee. Saori hatte Usagi wohl beschatten lassen. Und wie er nun an den Fotos sehen konnte, war ihre Arbeit nicht umsonst. Er stellte die Tasse ab und nahm die Fotos. Besah sie sich noch einmal genauer und packte sie dann zurück in den Umschlag. Bei Gelegenheit würde er sich bei Saori bedanken. Im Gegensatz zu Usagi war die wenigstens nicht so dämlich und der Auffassung, er würde sich alles gefallen lassen. Sie würde ihn und seine Gefühle ernst nehmen. Was wohl auch daran lag, dass sie gleich alt und somit auf einer Wellenlänge waren. Im Vergleich zu der Blondine hatte die Brünette sowieso viel mehr Lebenserfahrung und mehr Bildung. Wenn sie auch weniger attraktiv war als sein Odango Atama.

Müde ließ er sich aufs Sofa fallen. Wieder kam ihm Usagis Erscheinungsbild von gestern in den Sinn. Die Unterwäsche, die sich perfekt an ihre Haut geschmiegt hatte. Ihre Brüste, die sich vor scheinbarer Aufregung gehoben und gesenkt hatten. Ihr Hintern, der geradezu danach schrie, berührt zu werden. Leise seufzte er auf. Wieso musste er sich nur in sie verlieben und auf sie reinfallen? Er hätte alles für sie getan. Alles! Doch stattdessen hatte sie nur mit ihm gespielt. Ihre Behauptung, er sei ihr erster Freund, wurde durch die Fotos Lügen gestrafft. Ohnehin hatte er sich gewundert, wie sie so gut küssen konnte, wenn es doch wohl ihr erster Kuss war mit ihm. Jetzt hatte er seine Antwort. Innerlich war er froh, dass er ihr nicht gestanden hatte, dass es auch sein erster Kuss war, den er mit ihr im Park ausgetauscht hatte. Dann hätte sie jetzt noch mehr zum Lachen. Ein Gefühl der Erleichterung machte sich in ihm breit, dass es gestern Abend nicht zum Äußersten gekommen war. Nie und nimmer wollte er sich später daran zurück erinnern, dass er seine eigene Unschuld an so eine Schlampe verloren hatte. Von wegen rein und unschuldig. Mamoru lachte hohl auf. Laut den Fotos war sie ja alles andere als das.

„Na warte, Odango Atama!“, seine Stimme klang wie ein Knurren. „Das wirst du mir büßen!“
 

Die Stühle scharrten über den Boden und das Geschirr klapperte.

„Wo ist Usagi?“, Kenji sah sich suchend um. Er wusste, dass seine Tochter schon wach war. Warum hatte sie nicht mit ihrer Familie zusammen gefrühstück?

„Sie ist im Bad.“, Ikuko lächelte ihn an der Spüle stehend an.

„Immer noch?“

„Sie ist mit den Mädchen und Mamoru im Crown zum Frühstück verabredet.“

„Immer dieser Mamoru.“

„Er ist nun mal ihr Freund und sie mögen sich sehr.“

„Schon. Aber muss sie ihn denn wirklich jeden Tag und sogar am Wochenende sehen?“

„War das bei uns anders?“

„Nein. Aber…“

„Nichts aber.“, sie sah ihren Mann streng an. „Mamoru ist ihre erste große Liebe und du wirst das akzeptieren. Verstanden?“

„Verstanden.“, er murmelte seine Worte zähneknirschend.

„Guten Morgen!“

Ihre Eltern drehten sich beide gleichzeitig um und zur Tür. Gut gelaunt stand dort Usagi und grinste breit in die Runde. Sie hatte wunderbar geschlafen und noch besser geträumt. Ihre erste Nachricht an Mamoru hatte sie auch schon geschickt. Doch bisher kam noch keine Antwort zurück. Vielleicht schlief er ja noch. Sie musste innerlich laut auflachen, als sie sich vorstellte, dass er vielleicht noch zu spät kam zu ihrer gemeinsamen Verabredung.

„Gut schaust du aus.“

„Danke, Mama!“, die Blondine drehte sich einmal im Kreis. Draußen war es zwar sonnig aber kühl. Daher hatte sie sich für Jeans und ein normales T-Shirt entschieden.

„Du bist gestern reichlich spät heimgekommen.“

„Tut mir leid, Papa. Aber es hat geregnet.“

„Das ist kein Grund. Halb acht war ausgemacht.“

„Kenji!“

„Was denn? Wenn sie sich jetzt schon nicht daran hält, was ausgemacht war.“

„Es hatte in Kübeln geschüttet.“, Ikukos Stimme nahm einen Ton an, der keinen Widerspruch duldete. „Ist schon okay, Usagi. Du hattest ja angerufen. Außerdem war es ja zehn, als du zuhause warst.“

„Danke, Mama!“

Usagi warf einen Blick auf die Küchenuhr. Sie hatte sich zwar extra den Wecker gestellt, aber irgendwie hatte das jetzt im Nachhinein auch nichts gebracht. Die Zeit schien schon wieder verflogen zu sein. Und das auch nur, weil sie sich wie gestern nicht entscheiden konnte, was sie anziehen sollte. Zudem hatten ihre Haare heute wohl auch keine Lust gehabt, sich bändigen zu lassen. Sie beschlich das Gefühl, dass heute noch mehr schief gehen würde. Unmerklich schüttelte sie den Kopf. Seid wann war sie denn so negativ? Heute würde wieder alles schön werden. Sie würde Mamoru und die anderen sehen und mit allen jede Menge Spaß haben.

„Wann kommst du wieder?“, Kenji sah sie fragend an.

„Am Abend. Wartet mit dem Essen nicht auf mich.“

„Okay, Liebes. Viel Spaß!“, Ikuko kam auf sie zu und nahm sie nochmal in die Arme. Auch Kenji bekam ein Abschiedküsschen auf die Wange gedrückt von seiner Tochter.

„Bis heute Abend!“, Usagi ging ins Vorzimmer und zog sich ihre Schuhe an. Nahm sich ihre Jacke und kontrollierte noch einmal den Inhalt ihrer Tasche. Schon oft genug hatten sie die anderen damit aufgezogen, wenn sie wichtige Dinge wie Handy, Schlüssel oder Portemonnaie zuhause vergessen hatte. Aber heute war alles da. Sie sah auf ihr Handy. Mamoru hatte immer noch nicht geantwortet. Es kam ihr mittlerweile doch ein wenig seltsam vor. Sonst schrieb er immer sofort zurück. Kurz überlegte sie, ob sie ihn vielleicht nicht lieber anrufen sollte. Aber sie ließ es doch bleiben. Er würde ihr nur sagen, dass alles gut sei und sie zu besorgt. Sie rief ihren Eltern noch einen Abschiedsgruß zu und war dann schon in schnellen Schritten vor der Tür und durch den Vorgarten hindurch.

Sie ließ den Blick schweifen. In den letzten Tagen hatte Mamoru sie des Öfteren von Zuhause abgeholt, ohne dass sie vorher davon wusste. Und immer hatte sie sich darüber gefreut. Sehr zum Leidwesen ihres Vaters, der es weniger toll fand, dass ein junger Mann vor seinem Haus herumlungerte, wie er es so schön nannte. Im Gegensatz zu ihrer Mutter und ihrem Bruder ging ihr Vater mit der ganzen Situation, dass sie nun einen Freund und auch neuen Beschützer hatte, noch sehr verkrampft um. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass er jeden Abend im Bett darüber jammerte. Schließlich würde er nun seiner Meinung nach in Vergessenheit geraten und sie würde mit Sicherheit nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. Vorbei die Zeiten des Anhimmelns der Vaterfigur. Jetzt bekam ein andere ihre Hundeaugen ab. Und die wirkten bei Mamoru bestimmt genauso gut wie bei Kenji selbst. Davon war der Hausherr überzeugt. Usagi selbst konnte darüber nur den Kopf schütteln. Sie verstand die ganze Auffassung ihres Vaters nicht. Wie kam er auf die Idee, sie würde ihn vergessen? Das war absolut lächerlich.

Lächelnd schüttelte sie den Kopf, als sie in Richtung Bushaltestelle ging. Sie freute sich auf ihre Freunde und das American Breakfast, was Motoki ihnen allen bald servieren würden. Sich selbst eingeschlossen. Ihr bester Freund hatte heute seinen freien Tag und das Crown war geschlossen. Laut seiner eigenen Aussage musste er endlich die Inventur des letzten Monats nachholen. Und die von diesem ebenso. Durch das ganze Durcheinander rund um Usagi und Mamoru war er nicht dazu gekommen. Auch wenn seine kleine Schwester meinte, er wäre nur zu faul gewesen. Daher hatte er vorgestern beschlossen, heute zum Sonntag den Laden zu schließen. Usagi hatte lautstark dagegen protestiert. Genau wie ihre Freundinnen und auch Mamoru. Der brauchte sowieso mindestens einmal am Tag einen heißen Kaffee aus Motokis Maschine. Eine der wenigen Marotten, die der Oberstufenschüler hatte und für die Usagi ihn so liebte. Ganz so perfekt wie er sich immer gab, war er beim genaueren Hinsehen nämlich gar nicht.

Sie seufzte leise. Ihr Bus war gekommen und nicht sonderlich voll, weshalb sie schnell einen Platz fand. Sie setzte sich und schaute aus dem Fenster. Obwohl sie noch sieben Stationen zu fahren hatte, konnte sie schon den kross gebratenen Speck riechen, den sie zusammen mit ihren Rühreiern verspeisen würde. Motoki hatte ihnen allen ein kostenloses American Breakfast mit allem Drum und Dran versprochen. Was auch besser für ihn war, denn ansonsten würden Usagi und die anderen ihm nicht hinterher beim Zählen des Bestandes helfen. Was ohnehin eine undankbare Aufgabe war. Nicht nur die ungeöffneten Packungen und vollen Flaschen mussten gezählt werden. Auch die angebrochenen. Und da konnte man ja nur schätzen. Usagi hatte eigentlich gar keine Lust. Vielleicht hatten sie und Mamoru ja die Chance und konnten sich irgendwie verdrücken. Und da weitermachen, wo sie gestern Abend geendet hatten.

Die Blondine ließ ihre Gedanken schweifen. Wanderte gedanklich zurück an das, was sie den Abend zuvor gesehen und gespürt hatte. Ihr Herz schlug schneller und sie fuhr sich unbewusste über ihre Lippen, hatte das Gefühl, dass diese noch immer leicht geschwollen waren. Solange ihr nasses Kleid in Mamorus Trockner routiert hatte, hatten sie auf dem Sofa gesessen und sich geküsst. Wobei das wohl nicht der passende Ausdruck gewesen war. Eigentlich lagen sie mehr aufeinander und gaben sich ihrer Leidenschaft hin. Sie hatte sich nur schwer zügeln können und wusste, dass es ihm nicht anders ging. Obwohl sie beide angezogen waren, mehr oder weniger, konnten sie beide ihre Finger nicht bei sich belassen. Usagi war zunächst etwas schüchtern gewesen, als ihre Hände unter sein T-Shirt geglitten waren. Aber diese Schüchternheit verflog schnell, als sie seine erhitzte Haut unter ihren Fingerkuppen gespürt hatte. Erregung hatte sich in ihr breit gemacht und sie hatte leicht ihre Beine unter ihm gespreizt, als sie eine verdächtige Beule in seiner Boxershorts gespürt hatte. Alle nicht vorhandenen Prinzipien hatte sie über Bord geworfen und sich sogar leicht an ihm gerieben. Nur ein Stückchen dünner Stoff hatte sie beide getrennt. Und wahrscheinlich wäre es zum Äußersten gekommen, wenn in dem Moment nicht ihr Handy geklingelt hätte dank ihrer Mutter, die sie anrief und fragte, ob ihr Kleid endlich trocken sei. Es war trocken.

Vorsichtig sah sie sich jetzt um. Sie konnte die Hitze spüren, die ihr bei den Erinnerungen an das Geschehene ins Gesicht geschossen war. Hoffentlich sah niemand, wie rot sie war und wie schnell sie atmete. Auf die eventuelle Frage ob alles gut war mit ihr, würde sie nur mit einem Stottern antworten können. Langsam drang die Stimme der automatischen Stationsansage zu ihr durch und sie sprang auf. Beinahe hätte sie doch ihre Haltestelle verpasst. Sie konnte nicht anders, als zu lachen und sprang aus dem Bus.
 

„Hey!“

Alle drehten sich zu der ins Crown stürmende Blondine um.

„Na dann kann ich ja jetzt wieder abschließen.“, Motoki nahm seine beste Freundin zur Begrüßung in den Arm, bevor er dann an ihr vorbei in Richtung Schiebetür ging und diese verriegelte.

„Welchen Tisch sollen wir nehmen?“, Ami sah sich suchend um.

„Hier hinten.“, Unazuki winkte den Mädchen und jungen Männern zu. „Genau am Fenster an eurem Stammtisch wäre wohl ziemlich doof. Immerhin haben wir ja heute geschlossen.“

Die anderen folgten dem Winken der Rothaarigen. Nur Mamoru blieb stehen. Eine Tatsache die Usagi verwunderte. Sie sah ihn fragend an.

„Was ist hast du?“, sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Nichts. Hab nur ziemlich schlecht geschlafen. Komm!“

Der Blondine fuhr ein Schauer über den Rücken, als sie seine eiskalte Stimme gehört hatte. Was war nur los mit ihm? Selbst ihren Begrüßungskuss hatte er kaum erwidert. Während sie ihm folgte, das erste Mal seit langem nicht seine Hand haltend, dachte sie fieberhaft nach. Überlegte, ob sie etwas falsch gemacht haben könnte. Aber es fiel ihr nichts ein. Irgendwas musste in den letzten Stunden vorgefallen sein. Er war schon immer ein schlechter Lügner gewesen. Und seine Aussage, dass er schlecht geschlafen hatte, war definitiv eine glatte Lüge gewesen. Eine Tatsache die sie verletzte. Doch sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, als sie sich neben ihn setzte und Motoki und Unazuki ihnen das Frühstück servierten. Sie bedankte sich und begann zu essen. Genau wie die anderen.

Mamoru beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Ihm fiel es schwer, den Gesprächen der anderen zu folgen. Auch Motokis American Breakfast, dass er sonst so liebte, schmeckte ihm nicht richtig. Usagis Lachen klang an sein Ohr. Wie konnte sie diese Fassade nur aufrecht behalten? Zunächst hatte er die Vermutung, dass sie was ahnen könnte. Aber er konnte sie nunmal nicht so küssen, wie er es in den letzten Tagen getan hatte. Ihre Lippen schmeckten nicht mehr süß. Sie schmeckten nach Lüge und Verrat. Er hatte sich zusammenreißen müssen, um nicht auf den Boden zu spucken.

„Hey Kumpel!“, Motoki sah zu seinem besten Freund. „Was ist los mit dir?“

„Was soll sein?“, der Schwarzhaarige klang härter, als er es beabsichtig hatte.

„Keine Ahnung. Aber du hast die Ham and Eggs kaum angerührt. Von dem rumstehenden French Toast und deinem Kaffee ganz zu schweigen.“

„Hast du dir vielleicht den Magen verdorben?“, Ami sah ihn besorgt an.

„Nein. Mir geht’s gut.“

„So klingst du nicht.“

„Wenn du meinst, Rei.“

Irritiert tauschten die Freunde untereinander fragende Blicke aus. Minako lehnte sie zu Usagi, die gleich neben ihr saß.

„Was ist mit dem los? Habt ihr euch gestritten?“

„Nein.“, Usagi flüsterte genauso wie ihre Freundin. „Er war gestern vollkommen normal.“

Dem Schwarzhaarigen war das Tuscheln seiner vermeindlichen Freundin nicht entgangen. Wieder stieg die Wut in ihm auf. Tief atmete er ein und stand auf. Ging einige Schritte vom Tisch weg. Er spürte die verblüffenden Blicke der Freunde auf sich ruhen.

„Mamo-chan?“

Mamorus Blick traf den von Usagi, die ihn mit Unsicherheit in den Augen ansah. Er schüttelte nur leise und hohl auflachend den Kopf und wandte sich von ihr ab.

„Ihr wollt also wissen, warum ich gerade so drauf bin? Warum ich schlechte Laune hier verbreite?“

Er erntete ein kollektives Nicken auf seine Frage.

„Fragt doch Usagi. Obwohl, nein! Müsst ihr gar nicht. Ihr wisst ja eh davon.“

„Wovon?“, Makoto sah ihn verwirrt an. „Wovon sollen wir wissen?“

„Jetzt tu doch nicht so, Makoto.“

„Mamo-chan, wovon sprichst du?“, Usagi war nun ebenfalls aufgestanden und kam langsam auf ihn zu. Streckte die Hand nach ihm aus.

„Fass mich nicht an!“

Die Blondine fuhr erschrocken zurück.

„Du und die anderen hier, ihr habt mich belogen und betrogen.“

„Was?“, schockiert sprachen alle im Chor.

„Ach stellt euch doch nicht so dumm. Das habe ich von Usagi erwartet, aber nicht vom Rest von euch. Ihr habt mich glauben lassen, dass diese Weichbirne“, er zeigte auf Usagi. „in mich mich verliebt sei. Und ich Idiot habe euch das auch noch abgekauft.“

„Aber…“

„Kein aber.“

Er ging auf Usagi zu und umfasst grob ihr Handgelenk. In seinen Augen funkelte Wut. Sie konnte es nur allzu deutlich sehen. Sie wollte zurückweichen, aber ihr Körper reagierte nicht. Sein Blick hielt sie gefangen und ließ sie zittern wie Espenlaub.

„Von wegen ich wäre dein erster Freund. Von wegen ich hätte dir deinen ersten Kuss geschenkt. Von wegen es war nie der richtige dabei. Du hast mich von vorne bis hinten verarscht, Odango Atama.“

„Ich hab dich verarscht?“, ihre Stimme zitterte. Sie konnte nicht glauben, nicht verstehen, was er ihr da gerade an den Kopf warf. Sein Stimme war eiskalt und seine Augen sprühten nur so vor Wut.

„Oh ja! Und ich gratuliere dir sogar dazu. Dieses Mal hast du mich wunderbar zum Narren gehalten. Und das über mehrere Wochen.“

„Sag mal spinnst du?“, Rei war aufgesprungen und kam ihrer besten Freundin zu Hilfe. Nahm sie tröstend in die Arme, als Usagi zu schluchzen begann.

„Ich spinne? Ganz sicher nicht. Und wenn wir schon mal dabei sind: Wie fühlt es sich für dich an, Rei? Oder für dich, Ami? Wie fühlt es sich für meinen ach so besten Freund und seine kleine Schwester an? Wie fühlt ihr euch mit eurem miesen Spiel?“

„Jetzt reichts!“

Motoki drängte sich an den Mädchen vorbei und kam direkt auf Mamoru zu.

„Wovon sprichst du? Wieso sollen wir dich verarscht haben?“

„Was weiß denn ich? Ich weiß nur, dass diese kleine dumme Ziege hier vorne eine verdammt gute Schauspielerin ist.“

„Was?“

Der Schwarzhaarige eilte zu seiner Jacke und zog den Umschlag heraus, den er nur wenige Sekunden später Motoki in die Hand drückte.

„Sieh doch selbst. Euere Lüge ist aufgeflogen.“

Der Blonde zog die Fotos raus und seine Augen weiteten sich beim Betrachten. Ungläubig taumelte er einige Schritte zurück. Hob seinen Blick und sah direkt in Mamorus Augen.

„Wusste ich’s doch. Ihr wusstet alle von ihrem Plan.“, Mamoru kam noch einmal auf Usagi zu. „Such dir einen anderen Dummen. Ich verspüre nicht das geringste Interesse daran, dein Spielzeug zu sein. Wenn du es so nötig hast, dann mach bei deinem Seiya doch die Beine breit!“

Tears

Flüche und Verwünschungen flogen durch die angespannte Luft des Lokals.

Motoki war noch nie so außer sich gewesen wie in diesem Moment. Wütend hatte er seine Tasse mit brühtend heißem Kaffee genommen und nach seinem besten Freund geschmissen. Laut krachend zersplitterte sie an der Wand neben Mamorus Kopf. Normalerweise wäre der Blonde schon beim Anblick der Scherben fuchsteufelswild geworden. Doch heute galt sein ganzes, sonst so gut verborgenes, Aggressionspotenzial seinem besten Freund. In dem Cafébesitzer brodelte es und in schnellen Schritten hatte er die wenigen Meter zu dem Schwarzhaarigen überbrückt und holte aus. Bisher hatte er noch keiner Fliege etwas zuleide getan. Aber bei Mamoru und seinen Behauptungen hatte er seine friedliebenden Prinzipien über Bord geworfen. In wenigen Sekunden packte er Mamoru am Kragen seinen Shirts und holte mit dem rechten Arm schwungvoll aus. Er hätte ihm vermutlich die Nase gebrochen, wenn Makoto nicht schneller gewesen wäre und ihn zurückgehalten hätte.

„Lass mich, Mako! Er hat es verdient.“

„Und wenn schon.“, Makoto ließ Mamoru nicht aus den Augen. „Mach dir an dem Arsch nicht die Finger schmutzig. Das ist er nicht wert.“

„Du hast recht!“, Motoki ließ von dem Oberstufenschüler ab und atmete tief durch. Gerade als er sich abwenden wollte, sah er im Augenwinkel, wie nun Makoto ausholte. Das Geräusch, als ihre flache Handfläche auf Mamorus Wange traf, fuhr ihm durch Mark und Bein.

„Du bist nicht viel mehr wert als der Dreck, der unter meinen Schuhsohlen klebt.“

Alle Blicke im Crown waren auf die Brünette gerichtet, die vor Wut zitternd vor dem verdutzten Mamoru stand. Der hielt sich die Wange und starrte sein Gegenüber einfach nur an.

„Ich sollte dich windelweich prügeln. Du hast ihre Liebe überhaupt nicht verdient.“

Langsam kam wieder Leben in den Schwarzhaarigen. Und auch die Wut bahnte sich wieder ihren Weg.

„Ich habe ihre Liebe nicht verdient? Welche Liebe? Sie hat mich doch nur als Spielball in ihrem komischen Rachespiel benutzt. Mehr war ich doch nie für sie. Wenn hier jemand keine Liebe verdient hat, dann ist sie es.“, er zeigte neuerlich auf Usagi. „Ich hätte alles für sie getan. Alles!“

„Du…“

„Hört auf!“

Erstaunt drehte sich Makoto um. Auch Mamoru schaute neugierig an dem hochgewachsenen Mädchen vorbei.

Usagi klammerte sich zittern an Rei, die sie stützte. In ihrem Kopf drehte sich alles und ihr Magen rebellierte. Wollte unbedingt das bis vor kurzem genossene Frühstück wieder loswerden. Sie kämpfte dagegen an. Sie befürchtete, ihre Beine würden nachgeben, als sie langsam auf ihn zuging. Sie konnte sich keinen Reim draufmachen, was in ihn gefahren war. Ihr geliebter Mamoru erschien ihr plötzlich wie ein anderer Mensch. Und sie wusste nicht warum. Ja, sie hatte die Fotos gesehen. Wortlos hatte Motoki ihr diese gereicht, nachdem er sie aus dem Umschlag geholt und sich angeschaut hatte. Die Blondine konnte sich nicht vorstellen, wer so gemein war und sie so dermaßen denunzierte. War Mamoru denn nicht klar, dass es sich dabei um Fälschungen handelte?

Glaubte er wirklich, sie würde sich jedem daher gelaufenem Jungen anbieten?

Mit jedem Mitschüler ihrer Klassenstufe ins Bett steigen?

Und dann auch nocht Fotos davon machen?

„Mamo-chan, das bin ich nicht auf den Fotos. Das musst du mir glauben.“, ihre Stimme klang leise. Doch der Angesprochene verstand jedes Wort. Wie ein Häufchen Elend stand sie vor ihm. Den Kopf gesenkt und am ganzen Körper zitternd.

„Ich glaube dir kein Wort!“

Usagi zuckte bei der Schärfe seiner Wort zusammen.

„Wer sollte es denn sonst sein? Es gibt nur ein Mädchen in dieser ganzen großen Stadt und wahrscheinlich sogar in ganz Japan, die ihre Haare zu zwei Knoten trägt und dabei aussieht wie ein dusseliges Mondkalb. Und das bist du!“

„Ich bin das nicht! Wirklich nicht!“

„Dein Rumgejammer kann mich nicht mehr täuschen. Genauso wenig wie deine Tränen es nicht mehr können. Und nun wird mir auch so einiges klar. Deswegen hast du mir das gestern Abend von den angeblichen Gerüchten erzählt, die über dich in deiner Schule getrascht werden.“

„Was?“

„Na klar. Du wolltest Mitleid erwecken. Mich so noch mehr für dich gewinnen. Aber das Spiel ist vorbei. Zwischen uns ist es vorbei. Ich bin fertig mit dir.“

„Und ich mit dir.“, Motoki drängte sich an Usagi vorbei und bugsierte sie nach hinten in den Schutz ihrer Freundinnen. „Raus hier! Und lass dich erst wieder bei mir blicken, wenn du dir im Klaren darüber geworden bist, was du hier gerade für Scheiße erzählt hast.“

Der Blonde fischte seinen Betriebsschlüssel aus der Hose und ging hinüber zur Schiebtür. Entriegelte sie.

„Raus!“, er brüllte Mamoru entgegen.

„Nur allzu gerne. Auf euch und euer mieses Intriegenspiel kann ich sowieso verzichten!“

„Nein!“

„Usagi!“, Ami versuchte sie mit aller Kraft zurückzuhalten. Genau wie es Minako und Rei versuchten.

„Nein! Lasst mich los!“

Weinend riss sich die Blondine los und stolperte in Richtung Ausgang. Erreichte die Straße. Ihre Freunde rannten hinter ihr her. Sie hatten Angst um ihre Freundin. Die Reaktionen der Menschen, die wegen dem Geschrei stehen geblieben waren, interessierte sie alle nicht.

„Mamo-chan!“, ihre Stimme klang hysterisch. „Mamo-chan! Mamo-chan, bleib bei mir! Bleib bei mir! Bitte!“

Kurz keimte Hoffnung in ihr auf, als der Schwarzhaarige tatsächlich wenige Meter vor ihr stehen blieb und sich zu ihr umdrehte. Doch als sie seine Augen sah, die eiskalt auf sie nieder blickten, starb die Hoffnung. Kein Gefühl war darin zu erkennen. Nur Dunkelheit und Leere.

„Ich will dich nie wieder sehen, Tsukino. Nie wieder!“

Seine Worte trafen sie mitten ins Herz. Die Tränen flossen ihr ungehalten die Wangen hinab. Wäre Motoki nicht neben ihr gestanden, wäre sie ungehindert auf den kalten Beton des Fußweges geschlagen. Schwärze umfing sie. Alles drehte sich. Nur dumpf drangen die Stimmen ihrer Freunde an ihre Ohren. Sie spürte starke Arme, die sie hoch hoben. Für einen kurzen Moment dachte sie, es wäre alles nur ein böser Traum. Das die Zeit stillgestanden wäre seid ihrer letzten Ohnmacht. Das Mamoru sie hochhob und besorgt ins Hinterzimmer tragen würde. Doch dem war nicht so. Es war nicht das Parfüm ihres Bakas. Es roch nicht nach Rosen und Zartbitterschokolade. Nein. Stattdessen konnte sie Zedernholz und Bitterorangen riechen. Motoki. Es war sein Parfüm.
 

Übelkeit stieg in ihm auf. Noch nie hatte er sein Schätzchen in solch einer Verfassung gesehen. Ja, er hatte sie schon verzweifelt gesehen. Mehr als einmal war sie das gewesen, wenn sie eine Mathearbeit oder einen Englischtest verhauen hatte. Aber ihre Tränen waren oft genauso schnell getrocknet, wie sie gekommen waren. Meistens dank Makotos unwiderstehlichen Bento. Doch so wie heute, weinend und zusammenbrechend, hatte er sie noch nie gesehen. Er ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen. Er hätte glücklich sein sollen. Glücklich sein sollen darüber, dass Mamoru sie fallen ließ. Nichts mehr mit ihr zutun haben wollte. Stattdessen war er wütend auf sich selbst. Darauf das er bei diesem Plan von Saori mitgespielt hatte. Erst jetzt wurde Seiya bewusst, dass er vielleicht zu weit gegangen war. Die vertauschte Handynummer und die angebliche Freundin waren harmlos gewesen im Vergleich zu den provokanten Fotos.

Der Schwarzhaarige setzte sich langsam in Bewegung. Verließ sein Versteck hinter dem Baum und ging über die Straße. Einige Meter vor dem Crown blieb er stehen. Wie gerne würde er sie jetzt trösten. Ihr sagen, dass alles nur ein dummer Scherz war und bald wieder alles gut sein würde. Das sie und Mamoru sich wieder vertragen würden. Er sah, wie sich Usagis Freundinnen besorgt über die zierliche Blondine beugten, die auf einer der gepolsterten Sitzbänke lag. Sie war blass und zerbrechlich. Als bestünde sie aus Glas.

Seiyas Handy klingelte in seiner Jackentasche. Ohne den Blick von dem blonden Mädchen zu wenden, kramte er sein es hervor.

„Ja?“
 

„Ich bin’s.“
 

„Hallo Saori. Was willst du?“
 

„Ich wollte wissen, ob du schon was gesehen hast?“
 

„Ja.“
 

„Und?“
 

„Es ist vorbei.“
 

„Sehr gut! Ist das nicht super, dass alles geklappt hat?! Jetzt haben wir freie Bahn. Wie war Mamoru denn drauf?“
 

„Er war wütend.“
 

„Und Usagi?“
 

„Sie heult sich gerade die Augen aus.“, er fuhr sich über die Augen. „Saori, tu mir einen Gefallen.“
 

„Hm?“
 

„Melde dich nie wieder bei mir!“

Ohne eine weitere Reaktion von ihr abzuwarten, legte er auf. Blockierte ihre Nummer.

„Es tut mir leid, Usagi!“

Noch einen kurzen Blick warf er auf das Mädchen, bevor er sich abwandte und ging. Sein Herz schrie Verrat und sein Verstand bestätigte es. Er hatte geglaubt, dass alles gut werden würde. Das sie glücklich in seine Arme fallen und erkennen würde, dass er die bessere Wahl für sie war. So hatte er es sich in seinen Träumen vorgestellt. Träume die nun in sich zusammenfielen wie ein Kartenhaus und platzten wie Seifenblasen. Nichts passierte gerade so, wie es hätte sein sollen. Und auch in den nächsten Wochen würde es sich nicht ändern. Das ahnte Seiya nur allzu gut. Seine Traumfrau war viel zu emotional. Sie würde sich ihm nicht an den Hals werfen. Sie litt jetzt schon Höllenqualen und würde auch noch die nächsten Wochen leiden. Innerlich hoffte er, dass auch Saori ihren heißgeliebten Mamoru nicht bekam. Das er seinen Fehler einsah, so eine wunderschöne Frau für eine falsche Schlange sausen zu lassen. Er seufzte tief, als er in Richtung Bushaltestelle ging. Das Wochenende war gelaufen für ihn.
 

Wütend blickte sie auf ihr Handydisplay. Seiya hatte einfach aufgelegt und ihre Nummer gesperrt. Jeder Versuch ihn anzurufen, scheiterte mit der elektronischen Ansage, dass diese Nummer nicht bekannt sei. Was hatte er auf einmal nur? Saori war der wütende Unterton in seiner Stimme nicht entgangen. Wut und Mitleid konnte sie heraus hören. Und sie verstand nicht warum. Er war doch Feuer und Flamme gewesen, als sie ihm von den manipulierten Fotos erzählt hatte. Genau wie sie war er sich sicher gewesen, dass ihr Plan dieses Mal aufgehen würde. Und er tat es. Normalerweise hätte sich der Mittelstufenschüler freuen sollen. Jetzt war diese blonde Kuh endlich frei und er konnte mit ihr zusammen sein. Wo war jetzt sein Problem?

Gedankenverloren rührte sie in ihrem Milchkaffee. Eigentlich wollte sie sich das Spektakel auch ansehen. Aber wenn Mamoru und Usagi sie und Seiya zusammen gesehen hätten, hätten sie sich ihren Teil gedacht und sie wären aufgeflogen. Was zu dumm gewesen wäre. Im Nachhinein ärgerte sie sich schon ein wenig drüber. Nur allzu gerne hätte sie den wütenden Mamoru gesehen. Wie er Usagi niederbrüllt. Und die heulende Blondine, die nicht weiß, was los ist. Vielleicht sollte sie ganz unverhofft beim Crown vorbei gehen. Es war von ihrem jetzigen Standpunkt aus nicht weit entfernt.

Sie rief den Kellner zu sich und bezahlte. Mit blendend guter Laune erhob sie sich und schlenderte durch den Freisitz des Cafés und auf die Straße. Als sie los ging und ihren Blick schweifen ließ, stutzte sie.

„Mamoru!“

Ungläubig weiteten sich ihre Augen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lief ihr Mamoru. Sein Blick war finster. Die Hände hatte er tief in die Taschen seiner Jacken geschoben. Man konnte es gar nicht wirklich Laufen nennen, was er da tat. Es war schon eher ein Marschieren. Saori hob die Hand, rief seinen Namen und hatte Erfolg damit. Er blieb stehen und suchte die Gegend ab nach der Person, die seinen Namen gerufen hatte und ihre Blicke trafen sich. In schnellen Schritten lief sie über die Straße und kam breit lächelnd vor ihm stehen. Sie wollte sich auf keinen Fall anmerken lassen, dass sie wusste, warum er so ein Gesicht zog.

„Hallo Mamoru! Schön dich zusehen. Wie geht’s dir?“

„Hallo!“

„Meine Güte! Du ziehst ja ein Gesicht wie sieben Tage Rettenwetter. Was ist denn los?“

„Ja, alles gut. Nur ein bisschen Stress.“, er wandte den Blick von ihr ab.

„Ohje. Ärger im Paradies?“

„Hör mal, ich melde mich bei dir. Okay? Ich hab jetzt nicht den Kopf für einen Smalltalk.“

„Okay.“, Saori versuchte sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.

„Kannst du mich die Woche beim Vorbereitungskurs entschuldigen?! Ich glaube, ich werde krank.“

Die Brünette nickte nur. Es war so gar nicht seine Art, dass er ohne einen Grund den Kurs schwänzte. Scheinbar hatten ihn die Fotos doch härter getroffen, als sie es gedacht hätte.

„Ja sicher. Dann lass dich von deiner Freundin schön pflegen.“, sie setzte ein unschuldiges Lächeln auf. „Dazu sind wir Mädchen doch da.“

„Hm.“, der Schwarzhaarige wandte sich ab. Er drehte sich nicht noch einmal um. Die junge Frau konnte sich ein bösartiges Kichern nicht verkneifen. Sie hatte nicht widerstehen können und musste ihn auf seinen Schmerz hinweisen. Außerdem wusste sie es doch offiziell gar nicht.

„Saori?“

Erschrocken sah sie auf. Mamoru sah sie traurig an.

„Usagi und ich sind nicht mehr zusammen.“, seine Stimme klang gebrochen. „Sie hat mich betrogen.“

„Das tut mir leid.“, log sie und versuchte eine mitleidige Miene aufzusetzen.

„Schon okay. Ich komm schon drüber hinweg. Gibt ja noch andere Mädchen auf dieser Welt.“

Mamoru wandte sich endgültig ab und verschwand um die nächste Ecke. Erleichterung und Freude machten sich in Saori breit. Zum einen, weil ihr Plan so wunderbar aufgegangen war. Zum anderen, weil Mamoru zugegeben hatte, dass die Beziehung zu Usagi gescheitert war. Es hätte gar nicht besser laufen können. Sie hoffte, dass er sich bald melden würde. Sie war die Einzige, die ihn aus diesem dunklen Jammertal holen konnte. Und dann würde er erkennen, wie wichtig sie ihm war. Jetzt musste sie sich nur noch davon überzeugen, dass Usagi die Trennung auch verstanden hatte.

Ihre Beine trugen sie in großen Schritten zu dem drei Straßen weiter gelegenen Crown. Sie wollte unschuldig hineingehen, als sie das Schild an der Tür sah.

„Wegen Inventur geschlossen.“, las sie leise sich selbst vor.

Sie ging ein Stück weiter und warf einen Blick durch die großen Fensterscheiben hinein ins Innere. Der Anblick ließ ihr Herz vor Freude und Genugtuung hüpfen. Da saß sie. Die angeblich wundervolle und wunderschöne Tsukino Usagi. Doch im Moment war sie nichts von alledem. Sie war nicht wundervoll sondern verheult. Sie war nicht wunderschön, sondern nur grau und unscheinbar wie eine Kirchenmaus. Saori erkannte, dass ihre Augen ganz geschwollen waren vom vielen Weinen. Am liebsten hätte sie laut gegen die Scheibe gehämmert und gerufen, dass es ihr nur Recht geschehen war. Doch diesem kindischen Drang gab sie nicht nach. Lieber genoss sie still und leise das Leid der Blondine. Suhlte sich darin mit einem breiten und zufriedenen Lächeln. Nun würde die dumme Gans genauso leiden, wie sie es die ganze Zeit getan hatte. Und nie würde der Verdacht auf sie, Saori fallen, dass sie so unsagbar gnadenlos war und alles eingefädelt hatte. Bald würde Mamoru ihr gehören. Er würde an ihren Lippen hängen und sie berühren. Er würde ihr gehören. Und keine Macht der Welt würde sie mehr trennen können. Jeder würde sehen, wie gut sie zusammenpassten und sich ergänzten. Sie lachte leise auf. Sehr bald hätte sie ihr Ziel erreicht. Sie musste nur noch ein wenig Geduld haben.

„Was für ein schöner Tag!“
 

Keiner der im Crown Anwesenden hatte die junge Frau bemerkt, die kurz am Fenster stehen geblieben war und hinein geschaut hatte. Keiner von ihnen hatte den Hohn und Spott in ihren Augen gesehen. Und keiner würde es sehen, da sie gerade eben wieder gegangen war.

Sie alle kümmerten sich aufopferungsvoll um das weinende Mädchen in ihrer Mitte. Das Frühstück war schon längst vergessen. Der Appetit war allen vergangen. Selbst die Inventur war vergessen.

Unazuki hatte Usagi eine heiße Schokolade gemacht. Aber sie rührte sie nicht an. Die Blondine fühlte sich innerlich leer. Ihr Herz lag in abertausenden Splittern am Boden. Man konnte es nicht reparieren. War es einmal entzwei, dann war alles vorbei. Sie wusste nicht einmal mehr, woher sie noch die Tränen nahm, die unaufhörlich ihre Wangen hinab kullerten. Immer wieder betrachtete sie aus dem Augenwinkel die Fotos, die Mamoru wütend seinem besten Freund in die Hand gedrückt hatte.

„Das bin ich nicht.“, ihre Stimme klang leise und verzweifelt.

„Das wissen wir.“, Rei fuhr ihr mit der Hand tröstend über den Rücken. „Wir wissen, dass du niemals mit anderen Jungs einfach so ins Bett steigen würdest.“

„Und warum weiß es dann Mamoru nicht? Warum glaubt er, dass ich das bin?“

„Ach Süße. Weil er einfach ein Idiot ist.“

„Woher hat er eigentlich die Bilder?“, Ami nahm eines in die Hand. Ihre Augen huschten schnell und Millimeter um Millimeter über die Farbpixel, als würde sie einen Fehler suchen. Das Genie der Gruppe war sich ziemlich sicher, dass es sehr gelungene Fälschungen waren.

„Das hat er gar nicht gesagt.“, Motoki griff nach dem Umschlag. „Gibt es denn irgendjemand, der dir mit Absicht schaden will, Usa?“

Die Angesprochene schüttelte den Kopf.

„Bei uns in der Schule gibt es ja diese Gerüchte über sie.“

„Makoto!“

„Nein, Usa. Wenn wir heraus bekommen wollen, wer diese hässlichen Bilder von dir gemacht hat, müssen wir alles in Betracht ziehen.“

Der Blonde und die Rothaarige am Tisch wussten von dem Gerede, was in Usagis Schule herrschte. Bisher dachten sie, es wäre nicht so schlimm. Jetzt sah die Sache anders aus.

„Usa?“

Usagi hob den Kopf und sah den nachdenklich dreinblickenden Motoki an.

„Mamoru hat vorhin zu dir gesagt, dass du ihm gestern von den Gerüchten erzählt hättest.“

„Ja. Ich dachte mir, dass es besser ist, dass er davon weiß. Früher oder später hätte er ja eh davon erfahren. Und ich wollte mir dann von ihm nicht vorwerfen lassen, dass ich ein Geheimnis hätte. Hätte ich es ihm bloß nicht gesagt.“

„Du hast ihm eben vertraut.“

„Ja eben, Mina! Und nun?“, die junge blonde Frau war aufgesprungen. „Jetzt hält er mich für die größte Schlampe Tokios und will nichts mehr mit mir zutun haben.“

„Was reden sie denn genau über dich in der Schule?“, Unazuki sah sie fragend an.

„Sie denken, ich wäre mit Seiya zusammen und mit Mamoru.“

„Mit Seiya?“

„Ja. Er ist ja der Held bei den Mädchen in der Schule. Als er behauptet hat, dass er eine Freundin hätte, sind die sauer geworden. Erst recht als er ihnen nicht sagen wollte, wer seine Freundin ist. Ihr Verdacht fiel schnell auf mich, weil er mir immer noch solche eindeutige Blicke zugeworfen hat. Dann haben sie mich mit Mamoru gesehen und glauben nun, ich fahre zweigleisig.“

„Erzähl ihr von dem Gerede der Jungs über dich.“

„Macht du das, Ami.“

„Die Jungs drehten sich ja schon eine Weile nach Usagi um. Es ist ja nicht nur Seiya, der auf sie steht. Jetzt glauben sie aber ebenfalls, dass sie zwei Jungs hat und sind der Meinung, dass sie ruhig noch mehr haben könnte. Jeder meldet gerade seinen Anspruch auf sie an und manche behaupten auch, sie hätten schon mit ihr geschlafen.“

„Was?“

Minako, Rei, Unazuki und Motoki schauten Ami mit offenen Mündern an.

„Ich hab das am Donnerstag von einem Mädchen am Gang erfahren.“

„Dein Ruf ist ja vollkommen ruiniert.“, Motoki war vollkommen überrascht. „Und Mamoru wusste davon?“

„Nicht direkt. Ich hab ihm nur das mit der Eifersucht der Mädchen erzählt. Und das eben nicht nur Seiya hinter mir her ist.“

„Du solltest die nächste Woche vielleicht lieber nicht in die Schule gehen.“

„Wie stellst du dir das vor, Makoto? Was soll ich meinen Eltern sagen?“

„Das regeln wir für dich. Komm schon, bringen wir dich nach Hause.“, die Brünette schob ihre Freundin zur Tür. „Kommt ihr mit?“

Auch der Rest der Mädchen und Motoki erhoben sich. Keiner von ihnen würde Usagi nun alleine in einen Bus setzen. Schon immer hatten sie füreinander eingestanden und waren füreinander da. Und nun brauchte Usagi sie alle.
 

Das Radio in der Küche lief. Wasser gurgelte beim Abfließen durch den Abfluss des Spülbeckens. Ein Lied mitsummend trocknete Ikuko das Geschirr vom Mittag ab. Nur ihr Mann war noch zuhause. Ihr Sohn hatte bei einem Freund zu Mittag gegessen und nun waren die beiden zusammen beim Fußball. Die Hausherrin genoss die Ruhe im Haus. Viel zu oft war es hier turbulent und laut. Ihre Kinder hatten beide oft Besuch und die Freunde waren kein bisschen ruhiger. Doch trotzdem hätte Ikuko es um keinen Fall missen wollen. Sie war froh, dass ihre Tochter und ihr Sohn beliebt waren in der Schule. Die beiden hatten nie Probleme gehabt, Anschluss zu finden. Meistens suchten die Freunde sie und nicht andersherum.

„Nanu, was ist das denn für ein Auflauf?“, verwundert sah sie durch das Küchenfenster. Ihre Tochter kam gerade durch den Vorgarten. Rings um sie herum standen ihre Freundinnen und Motoki.

„Hast du was gesagt, Liebling?“, Kenji kam aus dem Wohnzimmer.

„Usagi und ihre Freunde sind vor der Tür.“

„Ich dachte, sie wären alle im Crown?“

Kenji konnte keine weiteren Fragen stellen, da die Haustüre aufging und ein Stimmgewirr zu hören war. Zusammen mit seiner Frau trat er in den Flur.

„Was machst du denn hier?“, Ikuko sah ihre Tochter fragend an. „Und wo ist Mamoru?“

„Es gibt keinen Mamoru mehr.“, Usagi biss die Zähne fest aufeinander. Sie wollte nicht schon wieder weinen. Ohne ein weiteres Wort lief sie an ihren Eltern vorbei und die Treppe hinauf. Die Mädchen folgten ihr sofort.

„Motoki, was ist denn passiert?“

„Vielleicht sollten wir uns setzen?!“, Motoki hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben. Auf dem Weg hierher hatten die Mädchen einhellig entschieden, dass er es Usagis Eltern erklären sollte.

Ikuko nickte nur und ging mit ins Wohnzimmer. Auch Kenji folgte und ließ sich in seinen Lieblingssessel fallen. Dem Elternpaar entging die Unsicherheit nicht, die den blonden Cafébesitzer ergriffen hatte. Nervös knetete der junge Mann seine Hände. Den Blick hatte er gesenkt. Er wusste, wieviel Usagis Eltern von Mamoru hielten. Ihre Mutter sah in ihm schon ihren Schwiegersohn in spe. Und nun hatte der Oberstufenschüler alle enttäuscht. Motoki konnte sich nur um Schadensbegrenzung bemühen und dafür sorgen, dass sein eigentlich bester Freund am Ende noch einer Chance hatte auf Rehabilitation. Sofern er irgendwann mal wieder klar denken konnte. Tief atmete er ein und wieder aus. Noch einmal ging er gedanklich das durch, was er mit den Mädchen besprochen hatte. Er sollte nicht zu viel sagen. Die Fotos am besten verschweigen. Sonst würde Kenji wahrscheinlich Amok laufen und seine Tochter in ein reines Mädcheninternat fern ab von jeglicher Zivilisation stecken.

„Usagi und Mamoru haben sich ziemlich verkracht.“

„Oh nein.“, Ikuko schlug die Hand vor den Mund. „Wieso denn das?“

„Was hat dieser Baka ihr angetan?“

Motoki hob vorsichtig den Blick. Schon jetzt war Usagis Vater auf hunderachtzig und er hatte das Gefühl, als würde Kenji viel zu viel wissen oder zumindest erahnen. Er musste wohl mehr verschweigen, als sie eigentlich besprochen hatten. Wenn Mamoru endlich wieder normal war, dann hatte der Blonde definitiv mehr als nur einen gut bei ihm. Und das würde er ihm sicherlich auch mehr als einmal kräftig unter die Nase reiben. Dabei hatte er es nicht mal verdient, so aus dem Mist gezogen zu werden. Zumindest nicht in diesem Moment.

„Hat Ihnen Usagi davon erzählt, was die beiden für eine Beziehung führen?“, eigentlich kannte er schon längst die Antwort.

„Ja.“, Ikuko nickte und ihr Mann ebenso. „Sie hat erzählt, dass sie es langsam angehen lassen wollen. Mamoru ist nicht so der Beziehungstyp, wie sie es nannte. Usagi wollte ihm Zeit lassen und dann an ihrem Geburtstag eine Antwort von ihm.“

Der Blonde nickte.

„Genau. Und wir dachten auch bis heute, dass alles gut sei zwischen den beiden. Aber das war es wohl nicht. Als Mamoru heute ins Crown zum Frühstück kam, war er verändert. Er versuchte sich nichts anmerken zulassen.“

„Aber euch ist es nicht entgangen.“

Motokis Blick traf den von Kenji. Er nickte.

„Nein. Minako hat Usagi gefragt, was denn mit Mamoru los sei. Er hat es gehört und ist an die Decke gegangen. Irgendwie scheinen ihm seine eigenen Gefühle im Weg zu stehen. Er kam mir vollkommen überfordert vor.“

„Was ist dann passiert?“, Usagis Mutter sah den besten Freund ihrer Tochter mit einer Spur Angst in den Augen an.

„Ihre Tochter wollte ihn beruhigen. Sie verstand gar nicht, was los war. Wir alle haben es nicht verstanden und ebenfalls versucht, beruhigend auf ihn einzureden. Aber es war wirkungslos. Er hat uns gar nicht zugehört. Und am Ende hat er mit Usagi Schluss gemacht.“

Kenji war bei diesen Worten aufgesprungen.

„Er hat meinem kleinen Mädchen wehgetan. Hast du das gehört, Ikuko? Er hat ihr wehgetan. Dieser arrogante Schnösel!“

„Beruhig dich, Kenji.“

„Ich hätte ihr den Umgang mit dem Kerl verbieten sollen.“

„Ihre Tochter liebt ihn aber.“

„Was?“, Kenjis Stimme entgleiste genauso wie seine Gesichtszüge.

„Sie liebt ihn immer noch.“

„Er hat sie verlassen. Er hat sie verletzt.“

„Ich weiß. Aber Sie kennen Usagi genauso gut wie ich und wahrscheinlich noch besser. Sie ist der emotionalste Mensch, den ich kenne. Wenn sie liebt und hasst, dann tut sie das mit Haut und Haaren. Auch jetzt. Ihr Herz wurde heute von Mamoru mit Füßen getreten. Aber Herr Tsukino, ich habe heute erlebt, wie sie ihm hinterher gerannt ist. Wie sie nach ihm gerufen hat und wie verzweifelt sie war.“

„Also eben kam sie mehr sehr gefasst vor.“

„Das ist nur eine Fassade.“, Ikuko hatte ihren Blick auf ihre ineinander verknoteten Finger gerichtet. „Sie will uns nur beruhigen und vorallem dir keine Angriffsfläche bieten, um noch mehr gegen Mamoru zu wettern, als du es eh schon tust. Und damit wirst du dich in Zukunft noch mehr zurückhalten.“

Der Hausherr nickte nur missmutig. Es war ihm peinlich, vor dem jungen Mann zurecht gewiesen zu werden.

„Das Thema wird auch nicht diskutiert. Wenn es Usagi mit sich ausmachen will, dann soll sie das auch tun.“

„Aber Liebling, sie ist unsere Tochter und Mamoru hat ihr das Herz gebrochen.“

„Es ist ihr erster Liebeskummer. Das ist hart und es tut weh. Keine Frage. Aber da müssen alle mal durch. Nun ist Usagi dran. Sie ist stark und kämpferisch genug, um das zu schaffen.“

„Solange sie nicht wieder mit ihm zusammen kommt.“

„Und wenn es so ist, kannst du es auch nicht ändern.“

„Das werde ich aber auf keinen Fall zulassen.“

„Doch wirst du. Es ist ihr Leben.“, die Dame des Hauses war aufgesprungen und hatte sich vor ihrem Mann aufgebaut. „Und wenn ich sehe, dass du dagegen arbeitest, Tsukino Kenji, dann kannst du was erleben.“

Er wollte antworten, wurde jedoch unterbrochen. Und Motoki und Ikuko waren mehr als froh darüber.

„Entschuldigung, Frau Tsukino?!“

„Ami. Was kann ich für dich tun?“

„Ich wollte fragen, ob sie uns vielleicht eine heiße Schokolade machen könnten?“

„Aber sicher doch.“

„Und wir brauchen dringend noch Taschentücher.“, Rei tauchte neben Ami auf.

„Vergesst die Eiscréme nicht.“, Minakos Stimme drang vom ersten Stock zu ihnen hinunter.

„Wenn ihr mir schnell zur Hand geht, dann kann ich alle Wünsche erfüllen.“, Ikuko lächelte die beiden vor ihr stehenden Mädchen an. Sie war froh, dass Usagi solche Freunde hatte. Sie waren unbezahlbar.

„Ich kann Ihnen auch helfen.“, Motoki war vom Sofa aufgestanden und zu Ikuko getreten. Sie nickte dankbar.
 

Es war kurz vor halb elf. Eine sehr dünne Mondsichel war am Himmel zu erkennen, umrahmt von unzähligen Sternen.

Ihre Freundinnen und Motoki waren erst vor einer Stunde gegangen. Ikuko hatte sie alle noch zum Abendessen eingeladen. Keiner von ihnen hatte gewagt, diese Einladung abzulehnen. Shingo fand das zunächst seltsam, dass soviele Menschen am Tisch saßen und nur einer fehlte. Kurz hatte nach Mamoru gefragt. Keiner wollte ihm antworten. Eine Tatsache die Usagi unerträglich fand.

„Es ist aus zwischen uns.“, antwortete sie knapp. Ihr Bruder wollte nachfragen. Ein allgemeines Kopfschütten am Tisch hielt ihn jedoch davon ab und er aß weiter. Es wurden sich wieder allgemeinen und unverfänglicheren Themen gewidmet. Baseball. Schule. Musik. Die Blondine war dankbar für das bisschen Normalität, was ihre Familie und Freunde versuchten ihr zu geben.

Luna maunzte, als sich die Zimmertüre einen Spalt breit öffnete. Usagi wandte den Blick nicht ab vom Sternenhimmel. Sie wusste auch so, wer da stand.

„Wir gehen jetzt auch ins Bett.“

„Okay.“

„Ich rufe morgen in der Schule an und melde dich krank. Ami redet mit ihrer Mutter wegen dem Attest und gibt es Frau Haruna.“

„Okay.“

„Brauchst du noch was?“

Das blonde Mädchen schwieg. Sie hätte ihr antworten können. Hätte sagen können, was sie brauchte. Wen sie brauchte. Doch die neuerlich aufsteigenden Tränen verhinderten es. Nur mühevoll unterdrückte sie ein Schluchzen. Den ganzen Nachmittag hatte sie schon wieder geweint. Irgendwann musste es doch auch mal gut sein.

„Okay. Versuch dann bitte etwas zu schlafen.“, in Ikukos Stimme schwang Sorge mit. Kurz überlegte sie, ihre Tochter noch einmal tröstend in die Arme zu nehmen. Doch sie tat es nicht. Stattdessen trat sie aus der Tür und zog diese leise hinter sich zu.

Erst jetzt ließ es Usagi zu, dass die Tränen wieder hervorbrachen. Sie bemerkte, dass ihre schwarze Katze sie scheinbar besorgt musterte. Luna richtete sich auf, stützte sich mit ihren Vorderpfötchen an der Brust ihres Frauchens ab und leckte mit ihrer rauen Zunge über deren Wange.

„Danke!“

Die Blondine kam sich kein bisschen blöd dabei vor, dass sie diese liebevolle Zuwendung genoss. Genau sowas brauchte sie jetzt. Ihre Freundinnen hatten sie zwar auch oft genug in den letzten Stunden in die Arme genommen, sie getätschelt und ihr gut zugesprochen. Aber die Selbstlosigkeit ihrer Katze war noch einmal was ganz anderes.

„Ich bin froh, dass du da bist, Süße. Ohne dich wüsste ich jetzt gar nicht, was ich tun sollte.“

Ihre blauen Augen traf die grün schimmernden von Luna.

„Wenn ich nur wüsste, wer diese Fotos gemacht hat. Ami hat gesagt, es wären Fälschungen. Als ob ich das nicht selbst wüsste. Und wer hat sie Mamoru gegeben? Er hat nichts gesagt. Wieso glaubt er das alles nur? Wieso macht er alles kaputt?“, Usagi nahm ihre Katze in den Arm. Sie spürte, wie das weiche Fell nass wurde durch ihre Tränen. Aber Luna hielt still.

„Er gibt alles auf. Nur wegen ein paar dummer Gerüchte und gefälschter Fotos. Er hat mir nicht mal zugehört. Mamoru hat mir nicht mal die Chance gegeben, mich zu erklären. Und wenn ich es versucht habe, hat er mir nicht geglaubt. Er ist so ein Idiot! Ich sollte ihn hassen und kann es nicht. Ich kann es einfach nicht, Luna.“

Die Katze antwortete mit einem Miau.

„Ich kann ihn nicht hassen. Er hat mir heute mein Herz gebrochen und doch liebe ich ihn. Ich liebe ihn so sehr. Und ich will daran glauben, dass er mich auch liebt. Ein Mensch kann doch nicht von einen auf den anderen Tag damit aufhören, einen anderen Menschen zu lieben. Das geht doch nicht.“

Usagi schniefte lauf und setzte ihre kleine maunzende Freundin wieder auf deren vier Pfoten. Sie begann sofort damit, ihr Fell trocken zu lecken.

„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht voll heulen.“, die Blondine stand auf. Mehr schlecht als recht trottete sie zu ihrem Schreibtisch. Ihr Handy hatte schon vor einiger Zeit mehrmals vibriert. Als sie die Tastensperre deaktivierte, stöhnte sie äußerlich leise und innerlich laut auf. Mehr als vierzehn Nachrichten hatte sie erhalten. Genervt öffnete sie jede einzelne. Sie waren alle von den Mädchen und Motoki. In knappen Worten schrieb sie allen das gleiche: Das es ihr soweit gut ging und sie jetzt im Bett lag.

„Er hat mir nicht geschrieben.“, sie ließ sich aufs Bett fallen. Trotzig wischte sie sich die nächsten Tränen weg. Natürlich hatte er sich nicht gemeldet. Warum auch? Er hatte sie eiskalt abserviert. Sie vergrub ihr Gesicht im Kissen. Trotzdem hatte sie noch diesen kleinen Funken der Hoffnung gehabt. Schon immer hatte sie den Hang, sich daran zu klammern. An jeden Strohhalm und an jeden Zipfel den sie zu fassen bekam. Und jetzt war es nicht anders. Usagi drehte ihr Gesicht, suchte in ihrem Handy nach den letzten Nachrichten, die sie sich mit Mamoru geschrieben hatte. Versuchte darin zu lesen, was schief gelaufen war. Irgendwo musste doch ein Hinweis sein. Zwischen den Zeilen oder davor oder danach.

„Schlaf gut und träum was Schönes. Ich freue mich auch auf unser Frühstück morgen.“, murmelte sie. „Nicht mal ein Wort darüber, dass er mich auch nur ansatzweise mag. Geschweigedenn liebt.“

Wieder vergrub sie ihr Gesicht im Kissen. Das Handy noch fest in der Hand. Wieder begann sie zu weinen und zu grübeln. Wer war nur so gemein?

Am Nachmittag hatte sie zusammen mit den anderen überlegt, ob eventuell Seiya dahinter stecken konnte. Aber selbst er konnte nicht so fies sein. Er achtete sehr auf seinen guten Ruf. Nur allzu gerne suhlte er sich in der Bewunderung der Mädchen für ihn. Warum sollte er ihr dann schaden? Außerdem bezweifelte Usagi ernsthaft, dass er überhaupt auf solch eine perfide Idee kommen würde. Soweit dachte er nicht. Fotos fälschen oder fälschen lassen waren ihm schon von der Organisation her viel zu anstrengend. Selbst bei den Vorbereitungen fürs alljährliche Schulfest versuchte er sich vor allem zu drücken. Seine Ausrede war stets die gleiche: Er wollte sich nicht irgendwas zerren und dann monatelang beim Football ausfallen. Außerdem war dekoratives Rumstehen sowieso mehr seins. Seiya war es sicher nicht.

Usagi rollte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Wie gerne hätte sie jetzt Mamorus Stimme gehört. Sie blickte auf ihr Handydisplay. Ein Hintergrundbild von ihr und Mamoru war zu sehen. Es war ein paar Tage nach ihrem ersten Date entstanden. Als ihre Beziehung noch geheim war. Der Schwarzhaarige hielt sie im Arm und lächelte genauso breit und glücklich wie sie. Mit einem Fingerklick öffnete sie das Telefonbuch. In der Wahlwiederholung stand seine Nummer ganz oben bei den ausgehenden Anrufen. Sie lagen einen Tag zurück. Sollte sie es wagen? Sollte sie seine Nummer wählen und warten was passiert? Noch ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, hatte ihr Daumen schon den grünen Hörer neben seiner Nummer gedrückt. Zitternd hielt sich die Blondine ihr Handy ans Ohr. Es läutete.
 

Die Wand gegenüber anstarrend, saß er auf seinem Bett. Den ganzen Tag über hatte Mamoru versucht, sich irgendwie abzulenken. Nichts war ihm gelungen. Alles hier erinnerte ihn an Usagi. Selbst das Handtuch, was er ihr gestern zum Abtrocknen nach der Dusche gegeben hatte, lag noch im Bad und roch nach ihr. Pfirisch und Vanille. Wie oft hatte er diesen Duft in der Nase gehabt. Manchmal brauchte er nur an einem Obstladen vorbei zugehen, der Pfirsiche in der Auslage hatte und er dachte an Usagi. So war es gewesen, seid er sie kennen gelernt hatte. Er konnte sich nicht daran erinnern, ob er solch einen fast schon betörenden Geruch bei einem anderen Mädchen jemals wahrgenommen hatte. Seine Gedanken triffteten zu Saori. Fast schon krampfhaft versuchte er sich an ihren Geruch zu erinnern. Er konnte es nicht. Sie hatte immer so ein bestimmtes und alltägliches Parfüm aufgelegt. Aber es war nichts besonderes.

Er zuckte zusammen, als sein Handy auf dem Nachttisch neben seinem Bett vibrierte. Seine Augen wanderten auf das Display. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er den aufscheinenden Namen las.

„Usako.“

Lonely

„Ich geh ins Crown.“, Usagi kam ihre Tasche packend ins Wohnzimmer.

Ihre Mutter sah von ihrer Näharbeit auf.

„Schon wieder? Du warst schon die ganzen letzten Tage da und ich dachte, wir planen ein bisschen deinen Geburtstag durch. Der ist immerhin schon morgen.“

„Ich feier nicht. Das weißt du.“

Ikuko seufzte tief und stand auf. Begleitete ihre Tochter zurück in den Flur. Sie lehnte sich gegen das Treppengeländer und sah der Blondine dabei zu, wie sie sich die Schuhe anzog.

„Willst du nicht nochmal drüber nachdenken? Es ist immerhin dein sechzehnter und wir müssen ihn ja auch gar nicht so groß feiern.“

„Ich hab es dir schon vor drei Tagen gesagt, Mama. Ich feier meinen Geburtstag nicht.“

„Darf ich dir wenigstens einen kleinen Zitronenkuchen backen?“

„Tu, was du nicht lassen kannst. Wir sehen uns heute Abend.“, das blonde Mädchen kam auf ihre Mutter zu und umarmte sie kurz. „Sei mir bitte nicht böse. Ich habe einfach keine Lust zu feiern.“

„Ich versteh schon.“, winkte Ikuko ab. „Dann bis heute Abend!“

„Ja, bis dann!“

Usagi schnappte sich ihre Tasche und verschwand aus dem Haus. Sie hielt es schon seit Montagmittag nicht mehr hier aus. Heute war Freitag. Aber sie hatte das ständige Gefühl, ihr würde die Decke auf den Kopf fallen. Zudem ertrug sie den mitleidigen Blick ihrer Mutter nicht. Das brachte sie nur noch mehr zum Heulen. Als sie ihren besten Freund angerufen und dieser sie ins Crown eingeladen hatte, war sie sofort aufgebrochen. Ihr war egal, dass sie eigentlich krankgeschrieben war. Um die Zeit saßen eh alle ihre Mitschüler im Klassenzimmer. Seitdem saß sie nun schon vier Vormittage und Nachmittage im Crown. Heute würde es der fünfte Tag werden.

Ihre Beine trugen sie zur Bushaltestelle. Sie warf einen Blick auf den Fahrplan und zog dann ihr Handy aus der Hosentasche ihrer Hotpants. In den letzten Tagen war es heiß geworden. Langsam aber sicher hatte der Sommer in Tokio Einzug gehalten. Und so wie die Temperaturen nach oben kletterten, hatte er wohl vor, eine ganze Weile zu bleiben. Wenigstens etwas worüber sich Usagi freuen konnte. Sie verglich die aktuelle Uhrzeit mit der Anzeige des Fahrplans. Ein wenig länger blieb ihr Blick am Display hängen. Sie musste sich beim Anblick des Hintergrundbildes schwer zusammen reißen. Noch immer hatte sie es nicht übers Herz gebracht und es geändert. Es waren immer noch sie und Mamoru zu sehen. Glücklich vereint. Keinem hatte sie davon erzählt. Noch immer klammerte sie sich an den winzigen Funken der Hoffnung, dass alles gut werden würde. Auch wenn dieser von Tag zu Tag kleiner wurde.

Sie hob den Kopf, ging vor zum Rand des Gehsteigs und stieg in den gerade kommenden Bus. Er war vollkommen leer. So wie immer in den letzten Tagen. Das Mädchen war der einzige Fahrgast. Sie setzte sich ganz nach hinten in die letzte Reihe und blickte aus dem Fenster. Sie freute sich auf Motoki. Durch ihn hatte sie wenigstens nicht mehr die ganze Zeit geheult. Als es die letzten Tage am Nachmittag stressig wurde, hatte sie ihm zeitweise sogar hinterm Tresen geholfen. Er hatte alles unternommen, damit sie auf andere Gedanken kam und nicht mehr soviel nachdachte.

Ihre Gedanken schwenkten wieder ab zu Sonntagabend. Sie hatte seine Nummer gewählt. Es hatte bestimmt zwanzig mal angeläutet. Aber Mamoru hatte nicht abgenommen. Vielleicht hatte er auch schon geschlafen. Sie wusste es nicht. Er hatte auch nicht am nächsten Tag zurückgerufen oder ihr geschrieben. Im Crown war er auch nicht mehr gewesen. Motoki hatte gemeint, er wolle ihn auch nicht mehr sehen, solange er sich nicht bei ihr und den anderen entschuldigt hatte. Usagi konnte es verstehen. Sie hatte auch nicht nochmal versucht, ihn anzurufen oder ihm zu schreiben. Sie wollte ihm nicht hinterher kriechen. Ganz egal wie sehr ihr Herz nach ihm rief. Sie hatte sich nichts vorzuwerfen und vertraute darauf, dass ihre Freundinnen den Übeltäter ausmachen würden. Bisher waren sie jedoch noch nicht sehr weit gekommen. Wahrscheinlich blieb sie auch noch nächste Woche zuhause. Die Ruhe tat ihr gut. Ohnehin würde sie kaum Stoff verpassen. Ami kaute ihn jeden Nachmittag mit ihr im Crown durch. Und Tests standen drei Wochen vor den Sommerferien eh nicht mehr an.

Ruckelnd kam der Bus zum Stehen. Usagi sah sich um. Sie hatte noch zwei Stationen vor sich. Doch sie wusste sofort, wo sie war. Jeden Tag war sie hier lang gekommen. Es war die Haltestelle von Mamoru. Sie hatten immer die gleiche Buslinie, wenn sie zum Crown wollten. Ihr Weg war ein bisschen länger. Sie atmete tief ein. Jeden Tag hatte sie überlegt, genau hier auszusteigen und bei ihm zu klingeln. Aber sie traute sich nicht. Nicht mal einen Blick hatte sie gewagt nach oben zu richten in den sechsten Stock. Eigentlich sollte sie mit dem Thema abschließen. Sie rutschte auf die andere Seite der Sitzbank. So musste sie nicht sein Wohnblock sehen.

„Usako!“

Ihr Name traf sie wie ein Blitz. Vorsichtig wandte sie sich vom Fenster weg und sah den Bus entlang, der wieder angefahren war. Ihre Augen weiteten sich und ihr Herz schlug augenblicklich schneller. Sie hatte das Gefühl, es würde stolpern und jeden zweiten Schlag aussetzen. Usagi konnte nicht anders, als zu starren. Da stand er. Mamoru. Er stand bei der vordersten Tür und hielt sich an eine der Halteschlaufen über ihm fest. Genau wie sie ihn anstarrte, tat er das gleich wegen ihr.
 

Mamoru wollte seinen Blick abwenden. Aber er konnte es nicht. Viel zu sehr war er von ihren blauen Augen gefangen. Er sah, wie sie sich krampfhaft am Griff der Rückenlehne vor ihr festhielt. Er konnte die Überraschung und Nervosität in ihren Augen sehen. Das und Tränen. Sie sah aus, als wollte sie etwas sagen. Doch dann wandte sie sich ab. Schaute wieder aus dem Fenster und wischte sich eine Träne von der Wange, die sich heimlich ihren Weg gebahnt hatte. Der Schwarzhaarige musste schwer schlucken. Setzte sich dann jedoch ebenfalls. Die Gedanken rasten durch seinen Kopf. Warum war sie hier? Müsste sie nicht in der Schule sein und warum weinte sie? Er schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich würde sie immer noch versuchen sich raus zu reden, wenn er eine Erklärung fordern würde. Sie war einfach eine gute Schauspielerin. Mehr nicht. Seine linke Hand wanderte auf die Höhe seines Herzens. Es schlug schmerzhaft schnell. Wie gerne hätte er ihr ins Gesicht gesagt, dass noch nie jemand ihn so sehr verletzt hatte wie sie. Aber er konnte es nicht. Viel zu sehr hatte er Angst, dass er ihrem Charme neuerlich erliegen würde.

Gedanklich wanderte er zurück zu jenem Abend, als sie ihn angerufen hatte. Er hatte auf sein Handy gestarrt und mehr als einmal den Drang gehabt, abzunehmen und ihrer Stimme zu lauschen. Aber er brachte den Mut nicht auf. Auch nicht dazu sie zurückzurufen. Und sie hatte es auch nicht nochmal versucht. Mamoru wusste, dass sie ihn nicht mal jetzt in diesem Augenblick beobachtete. Ihre Blicke hatte er immer gespürt. Jetzt nicht mehr. Er überlegte, wohin sie wohl wollte. Die Buslinie fuhr direkt zum Crown. Er war seid Sonntag nicht mehr dort gewesen. Motoki hatte ihn rausgeschmissen. Vollkommen zu unrecht wie er fand. Aber scheinbar spielten seine sogenannten Freunde alle noch dieses durchgeknallte Spiel.

Ein nur allzu vertrauter Geruch stieg ihm in die Nase, als der Bus neuerlich nach einem Halt los fuhr. Er wandte sich von der Scheibe ab. Der Duft nach Pfirsich und Vanille wurde immer intensiver. Unbewusst schloss er die Augen und atmete tief ein. Wie gerne hätte er sie jetzt aufgehalten. Er öffnete seine Augen wieder und sah auf. Usagi stand vor ihm an der Tür. Die nächste Station würde sie aussteigen.

„Warum bist du nicht in der Schule?“, seine Stimme klang rau und trocken. Er wusste selber nicht so genau, warum er ihr diese Frage überhaupt stellte. Es sollte ihn eigentlich nicht interessieren. Genauso wie ihn die ganze junge Frau nicht mehr interessieren sollte.

„Ich bin krank.“, Usagi vermied den Blick mit ihm. Er sollte nicht sehen, wie sehr sie litt. „Und du?“

„Auch krank.“

„Aha.“

Ihr Herz schrie vor Freude auf. Allein seine Stimme zuhören, gab ihr Trost und füllte die Flasche der Hoffnung neu auf. Als der Bus stoppte und die Türe sich öffnete, nahm sie allen Mut zusammen und suchte seinen Blick. Ihr Herz setzte wieder einige Schläge aus. Sie konnte die Traurigkeit in seinen blauen Augen sehen.

„Gute Besserung!“, sie versuchte sich zu einem Lächeln durchzuringen. Hoffte, dass es nicht zu verkrampft aussah.

„Dir auch.“

Mamoru sah, wie sehr sie sich zu einem Lächeln zwingen musste. Wie schwer es ihr fiel. Und nachdem er ihre Augen gesehen hatte, wusste er auch warum. Sie war verletzt. Sie war traurig und enttäuscht. Dann stieg sie aus dem Bus und verschwand um die nächste Ecke. Er sah ihr hinterher. Ihr ging es nicht gut. Genauso wenig wie ihm. Wieso war sie so traurig? Es konnte doch nicht nur daran liegen, dass ihr Plan schief gegangen war und er sie zusammen gestaucht hatte. Vielleicht hätte er ihr folgen sollen. Aber dann würde er ihr nur noch die Genugtuung geben, dass ihr Plan doch noch aufgegangen war. Und das verbot ihm sein eigener Stolz.
 

Kaum war sie um die nächste Ecke geborgen, begann sie zu rennen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie konnte nicht anders, als breit zu lächeln. Ihr Blut rauschte ihr in den Ohren und das erste Mal seid Sonntag fühlte sie sich glücklich. Richtig glücklich.

Ihr kam es vor wie eine kleine Ewigkeit, bis sie das Crown erreicht hatte. Die Schiebetür öffnete sich und sie sah sich suchend um.

„Motoki?“, ihre Stimme hallte in dem fast leeren Café wider. „Motoki, wo steckst du?“

„Ich bin hier.“

Usagi fuhr herum. Der Blonde kam gerade mit mehreren Kaffeepackungen unter den Armen aus dem Lager. Sie rannte sofort auf ihn zu.

„Ich hab ihn gesehen.“

„Wen?“, Motoki legte seine Waren auf die Arbeitsfläche neben der Kaffeemaschine.

„Mamoru.“

„Was?“

„Ja. Eben im Bus. Du weißt doch, dass wir immer die selbe Linie nehmen müssen, wenn wir zu dir wollen. Als der Bus bei ihm hielt, ist er eingestiegen. Er hat mich Usako genannt. Dann haben wir uns eine Weile angeschwiegen und dann hat er mich angesprochen, als ich ich aussteigen wollte.“

„Wieso fährt er um die Zeit Bus? Er hat doch auch Schule.“

„Er ist krank. Beziehungsweise macht er krank. Genau wie ich.“

„Und ihr habt miteinander gesprochen?“, er runzelte die Stirn.

„Ja. Er hat mich gefragt, warum ich nicht in der Schule bin und ich hab ihm gesagt, ich sei krank. Dann sagte er, er sei es auch und wir haben uns gegenseitig gute Besserung gewünscht.“

„Aha.“

„Aha? Mehr fällt dir dazu nicht ein?“, enttäuscht ließ sich Usagi auf einen der Barhocker fallen. „Mamoru und ich haben uns kurz unterhalten. Er hat mir in die Augen gesehen.“

„Usa! Ich freue mich ja für dich, aber mal ganz ehrlich. Er hat sich nicht bei dir entschuldigt für sein Verhalten, oder?“

Die Blondine schüttelte den Kopf.

„Er wird immer noch glauben, dass du ihn betrogen hast.“

„Aber…“

„Kein aber, Usa. Er wollte nur höflich sein. So wie er es immer ist. Solange er sich nicht bei dir entschuldigt hat oder wir ihm keinen Gegenbeweis für deine Unschuld liefern können, wird das nichts zwischen euch ändern.“

Motoki konnte sehen, wie sie bei jedem seiner Worte ein bisschen mehr in sich zusammen sackte. Er wusste, dass seine beste Freundin Mamoru immer noch liebte. Die ungerechtfertigten Anschuldigungen seinerseits hatten an ihren Gefühlen für ihn nichts verändert. Und doch wollte er ihr keine falschen Hoffnungen machen. Wenn sie nicht beweisen konnten, dass die Fotos gefälscht waren, würde Mamoru immer nur das Mädchen in ihr sehen, das ihn betrogen hat.

„Usa, du weißt, dass ich dich genauso liebe wie meine kleine Schwester. Und daher will ich auch nur das Beste für dich.“

„Ich weiß. Kann ich einen Shake haben?“, Usagis gute Laune war auf einen Schlag wie weggeblasen. Bis eben war ihre Stimmung noch himmelhoch jauchzend gewesen. Nun war sie tiefer als nur im Keller. Ein Danke murmelnd, nahm sie den Shake von Motoki entgegen und ließ weiter den Kopf hängen. Mit dem Zeigefinger malte sie unsichtbare Kreise auf die polierte Fläche des Tresen. Sie wusste, dass ihr bester Freund Recht hatte. Mamoru wollte sicher nur nett sein. Hätte er ihr geglaubt, hätte er sich doch schon längst bei ihr gemeldet und sich für seinen Fehler entschuldigt.

Motoki beobachtete die Blondine, die tief in Gedanken schien. Er gönnte es ihr ja, dass sie Mamoru gesehen und kurz mit ihm gesprochen hatte. Auch wenn er in den letzten Tagen alles versucht hatte, um sie abzulenken. In den Minuten wo sie nichts zu tun hatte, war sie immer wieder in Gedanken versunken gewesen. Zwar hatte sie den anderen gegenüber behauptet, sie hätte alle Erinnerungen an ihn vernichtet, doch erst gestern Mittag hatte er ihr Hintergrundbild auf dem Handy gesehen. Sie und Mamoru. Es hatte ihm beinahe schon selbst das Herz zerissen. Wahrscheinlich hatte sie auch noch die ganzen Briefe aufgehoben, die sie ihm bis vor wenigen Wochen noch geschrieben hatte.

„Du sag mal.“

Der junge Mann sah auf. Usagi hatte den Kopf nicht gehoben.

„Können wir morgen einfach so ein bisschen zusammen sitzen?“

„Ich dachte, du willst nicht feiern.“

„Will ich auch nicht. Ich will einfach nur ein bisschen mit euch zusammen sein.“

„Haben deine Eltern denn nichts geplant?“

„Nein. Eigentlich wollten wir ja hier eine große Party feiern. Aber naja. Meine Mutter will nun unbedingt ein nettes Kaffeekränzchen veranstalten, weil sie meint, dass es besser wäre für mich und meinen momentanen Gemütszustand. Aber sowohl ich als auch Papa und Shingo sind davon nicht gerade begeistert. Wir haben keine Lust drauf, die heile Welt zu spielen.“

„Verstehe ich.“

„Also?“

„Von mir aus. Wenn du eh kein großes Brimborium veranstalten willst. Mir soll’s recht sein.“

„Danke!“, sie drehte sich auf ihrem Hocker um und beobachtete die Passanten durch die Fensterfront. Ihre Mutter wäre sicherlich enttäuscht, wenn sie am morgigen Nachmittag nicht zuhause wäre. Aber das war ihr ziemlich egal. Sie konnten den Kuchen genauso gut am Vormittag essen und ihr dann auch die Geschenke geben. Es war ja nur ihr Geburtstag.

„Usa?“

Sie neigte ihren Kopf leicht zur Seite, um Motoki zu zeigen, dass sie ihm zuhörte.

„Kannst du kurz ein Auge auf den Laden haben? Ich muss im Lager nachsehen, was ich noch bestellen muss.“

„Okay.“

Obwohl sie gedanklich immer noch abwesend war, wusste der Blonde, dass sie seiner Bitte nachkam. Sie wusste ohnehin, was sie zutun hatte, wenn ein Gast kam.

„Danke!“, er wandte sich ab und ging nach hinten ins Lager. Usagi hörte, wie die Tür zuschlug. Sie seufzte leise und ließ kurz ihren Blick durch das Café schweifen. Bis auf einige ältere Herrschaften war keiner da. Sie war wohl die Jüngste hier. Ihre Gedanken schweiften wieder zurück zu Mamoru. Sein trauriger und verletzter Blick kam ihr in den Sinn. Wie gerne hätte sie ihn im Bus in den Arm genommen und ihm gesagt, dass alles nur eine große Lüge war und nichts von dem, was er auf den Fotos sah, der Wahrheit entsprach. Minako hatte vor zwei Tagen die großartige Idee gehabt, sie zu einem Gynäkologen zu schleppen und Mamoru so dann den Beweis ihrer Unschuld zu erbringen. Bis Minako selbst fanden alle den Vorschlag äußerst schräg und peinlich. Was wohl am meisten auf Usagi selbst zutraf, da auch Motoki mit am Tisch saß. Und sie hatte nicht die geringste Lust, mit ihrem besten Freund darüber zu sprechen, ob sie noch Jungfrau war oder nicht. Auch wenn er sich das sicher denken konnte.

Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper. Ihr Herz raste und sie hatte das Gefühl, als würde es ihr zerspringen. Auch wenn das theoretisch unmöglich war. Aber es fühlte sich so real an. Und sie fühlte sich alleine. Ja, sie hatte ihre Freundinnen jeden Tag um sich. Doch es war nicht das selbe. Ohne Mamoru war sie nur ein halber Mensch. Ein unvollständiger Mensch. Allein gelassen und hilflos.
 

Übertrieben fröhlich lief Saori die Straßen entlang. Sie hatte heute ihren Universitätstag gehabt und somit keine Schule. Den Vormittag hatte sie an der Tôdai verbracht und sich über das Medizinstudium informiert. Sie hatte gehofft, dort auf Mamoru zu treffen. Schließlich brannte er fast schon darauf, endlich mit dem Studium zu beginnen. Auch wenn es bis dahin noch zehn Monate waren und er noch nicht mal zur Aufnahmeprüfung angetreten war. Saori selbst konnte es ebenfalls nicht erwarten. Was aber weniger an dem Studium selbst als viel mehr an dem Schwarzhaarigen lag. Alleine die Vorstellung jeden Tag neben ihm zu sitzen und gemeinsam an irgendwelchen Seminaren und Praktika teilzunehmen, berauschte sie.

Es hatte sie verwundert, dass er nicht zur Informationsveranstaltung gekommen war. In einer kurzen Pause zwischen zwei vortragenden Professoren hatte sie ihm eine Nachricht geschrieben. Er hatte ihr bisher nicht geantwortet. Die Brünette konnte sich sein Verhalten nicht wirklich erklären. Zwar wusste sie, dass er schon immer eher der Einzelgänger gewesen war, doch seit der Trennung von Usagi hatte er sich noch mehr zurückgezogen. Er hatte ihr gesagt, er würde sie anrufen. Eine Tatsache die er bis heute nicht getan hatte. Kobajashi hatte ihn vor drei Tagen zufällig in einem Supermarkt getroffen. Laut seiner Aussage war Mamoru ziemlich wortkarg. Es konnte doch nicht sein, dass ihr Mamoru solch schweren Liebeskummer hatte. Das wollte sie zwar, aber es war nicht vorgesehen, dass er sich deswegen tagelang verkroch.

Sie seufzte und hob den Kopf, als sie an einer Ampel zum Stehen kam. Gegenüber von ihr lag das Crown. Es war nicht sonderlich voll und ein Blick auf ihre Armbanduhr verriet ihr auch warum. Es war kurz nach halb zwei. Die Mittagspause der Geschäftsleute war seit einer halben Stunde vorbei und die Schüler saßen noch in ihren Klassenzimmern. Aber sofort fiel ihr die markante Frisur ins Auge. Was tat sie um diese Uhrzeit hier und warum war sie nicht in der Schule? Als die Ampel auf grün umsprang, lief sie eilig über die Straße. Sie musste unbedingt wissen, warum Usagi ebenfalls die Schule schwänzte. Mamorus Grund kannte sie, aber nicht ihren. Und den musste sie wissen! Kurz warf sie noch einen Blick auf ihr Spiegelbild im Fenster, bevor sie eintrat. Die Blondine stand zusammen mit dem Besitzer des Ladens hinter der Theke. Sie hatte sich eine Schürze umgebunden und war gerade dabei, die frisch gewaschenen Gläser aus dem Geschirrspüler zu nehmen und zu polieren. Saori sah ihren nachdenklichen Gesichtsausdruck und konnte sich denken, wo das Mädchen mit ihren Gedanken war. Langsam ging sie zur Theke und setzte sich.

„Guten Tag!“, sie schaut auf die Getränkekarte hinter der Theke an der Wand. „Ich hätte gerne einmal den Chai Latte bitte. Einen großen.“

„Möchten Sie ihn hier trinken oder mitnehmen?“, Usagi hob ihren Kopf und verharrte in ihrer Bewegung. Es dauerte einige Sekunden, bis wieder Leben in sie kam. Eine Tatsache die der Brünetten nicht entging und die diese sichtlich genoss.

„Hallo Saori.“

„Oh, Usagi. Was machst du denn hier?“

„Aushelfen.“

„Hast du denn keine Schule?“

„Nein.“, die Blondine versuchte freundlich zu sein. „Also was ist mit deinem Chai Latte? Willst du ihn hier trinken oder mitnehmen?“

„Ich würde ihn gerne hier trinken, wenn es okay ist?“, Saori suchte den Blick von Motoki. Der hob nur die Schultern und nickte, bevor er zu einem Tisch ging und abräumte. Sie beobachtete Usagi dabei, wie diese die Milch aufschäumte und ihr Getränk zubereitete. Sie hatte sie glatt angelogen. Das war der Brünetten bewusst. Wahrscheinlich litt sie immer noch unter der Trennung und machte krank. Eine Genugtuung für Saori. Auch wenn sie es lieber gehabt hätte, dass sie noch mehr litt. Aber Seiya hatte sie davon abgebracht, die Fotos noch weiter in Umlauf zubringen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie die Fotos auch an Mamorus und ihrer Schule unter die Schülerschaft gebracht. Jeder sollte sehen, was für ein Flittchen die Blondine war. Nur weil Seiya selbst um seinen guten Ruf fürchtete, wenn er mit Usagi zusammen käme, hatte sie ihr eigentliches Vorhaben nicht in die Tat umgesetzt. Was vielleicht auch klüger war. Wenn herauskam, dass Mamoru mit ihr zusammen war, wäre wohl auch sein Ruf im Eimer gewesen.

„Bitte sehr.“, Usagi stellte der jungen Frau die Tasse mit dem dampfenden Getränk hin. „Wieso bist du nicht in der Schule?“

Die Blondine konnte sich kaum vorstellen, dass auch Saori krank war oder sowas vortäuschte. Selbst bei Mamoru war sie überrascht gewesen. Vielleicht waren seine Beweggründe die selben wie ihre. Auch wenn sie darüber nicht groß nachdenken wollte. Es sollte sie eigentlich gar nichts angehen. Motoki hatte Recht: Solange wie sich der Oberstufenschüler nicht entschuldigt oder eingesehen hatte, dass er sich irrte, würde sie nicht mehr mit ihm zusammen kommen.

„Ich hatte heute Universitätstag und war an der Tôdai.“

„Ach du willst ja auch Medizin studieren, stimmt’s?“

„Ja genau. Hat dir Mamoru davon erzählt?“, Saori versuchte so unbekümmert wie möglich zu klingen.

„Er hat es mal erwähnt. Wie war denn die Veranstaltung?“

„Ganz okay. Die Professoren schienen sehr nett zu sein. Aber sag mal, weißt du, warum Mamoru nicht da war?“

„Was?“

„Er war nicht da. Dabei ist der Universitätstag heute an allen Oberschulen. Die ganzen Abschlussklassen in Tokio haben deswegen frei. Ihr seid doch zusammen. Ist er vielleicht krank?“

Saori sah, wie Usagi bei ihren letzten Worten zusammen gezuckt war. Wie ihre Augen begannen zu glänzen, als Tränen sich empor kämpften. Innerlich vollführte sie einen Freudentanz.

„Ja, er ist krank.“

Die Brünette sah sie überrascht an. Woher wusste das diese dumme Pute nur schon wieder. Hatten die beiden etwa schon wieder Kontakt und sie hatte es nicht mitbekommen? Waren die beiden schon wieder zusammen?

„Aber…“, Usagi fiel es unendlich schwer zu sprechen.

„Aber was? Warum weinst du denn?“, Saori musste sich überwinden, Mitleid vorzuheucheln. Sie hätte auch damit weitergemacht, hätte sich ihr Handy in dem Moment nicht gemeldet. Sie warf einen entschuldigenden Blick zu Usagi, die nur abwinkte und sich umdrehte. Motoki kam gerade wieder und nahm sie in den Arm. Was geflüstert wurde, verstand die Brünette nicht. Es war ihr auch egal. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und ihr Herz setzte einen Moment lang aus, als sie den angezeigten Namen las. Bevor sie das Telefonat annahm, warf sie noch einen flüchtigen Blick auf Usagi, die in den Armen des Blonden lag und trotzig versuchte, nicht gleich loszuheulen. Saori konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie daran dachte, dass dieses Vorhaben gleich zunichte gemacht wurde. Sie schob den Balken mit dem grünen Telefonhörer beiseite und legte das Handy ans Ohr.

„Hallo Mamoru!“

Sie musste sich auf die Lippen beißen, als sie sah, wie Usagi erschrocken zu Motoki aufblickte. Um nicht ganz in Lachen auszubrechen, wandte sie sich ab und beobachtete die beiden nur durch die Spiegelung in der Fensterfront. Sie musste nur noch einige Sätze fallen lassen und Usagi würde sofort auf die falsche Fährte herein fallen.

„Ja sicher können wir uns treffen.“
 

Mamoru stand an der Haltestelle vorm Jubaan-Park.

Nach seinem kurzen Ausflug heute Morgen in die Bibliothek und dem Treffen mit Usagi hatte er sich wieder in seine eigenen vier Wände zurückgezogen. Hatte über diese kurze Begegnung nachgedacht. Jedes Mal wenn er einen Gedanken an die Blondine verschwendete, begann sein Herz zu rasen. Er versuchte es zu ignorieren, aber der dabei ausgelöste Schmerz waren zu groß. Er hatte sich in letzter Zeit sogar dabei ertappt, dass er wegen ihr geweint hatte. Sein Ego war mehr als nur angekratzt und er fühlte sich seit langem wieder hilflos und allein.

Auf dem Heimweg hatte er kurz überlegt, ob er nicht ins Crown gehen sollte. Sein Herz schrie vor Sehnsucht nach ihr. Und doch verbot er es sich am Ende selbst. Er musste sie vergessen. Ihm war eingefallen, dass heute der Universitätstag war. Er hatte es bis dahin vollkommen vergessen. Mamoru hatte eigentlich vorgehabt, dorthin zu gehen. Aber durch die ganze Aufregung in letzter Zeit, war das irgendwie untergegangen. Dunkel erinnerte er sich daran, dass Saori hingehen wollte. Auch wenn es ihm momentan widerstrebte, Kontakt zu seinen Mitmenschen aufzunehmen, rang er sich dazu durch und rief sie an.

Als er ihre Stimme am anderen Ende der Leitung hörte, freute er sich sogar. Irgendwie zumindest. Es war nicht die gleiche Freude wie im Bus bei Usagi. Aber besser als nichts und er kam sich nicht mehr ganz so leer innerlich vor. Er fragte sie, ob sie sich treffen könnten. Sie hatte sofort eingewilligt und er hatte es auch nicht anders von ihr erwartet. Jetzt stand er hier und wartete darauf, dass sie mit dem Bus ankam. Er ließ seinen Blick schweifen und entdeckte dabei den Bus, der gerade um die Ecke bog. Eine leichte Freude breitete sich in seinem Bauch aus. Ihm fiel ein, dass er sich auch noch bei Saori bedanken musste wegen der Fotos und der Aufklärung von Usagis wirklichem Ich. Und das erste Mal seit Tagen konnte er auch ehrlich lächeln, als die Brünette aus dem Bus stieg.

Saori sah gleich den Schmerz in seinen Augen. Sein Lächeln fand sich in seinen Augen nicht wieder, wirkte aber auch nicht gequält. Sie dachte an Usagis entsetztes Gesicht zurück, als sie mit Mamoru telefoniert hatte. Sie hatte ihr gegenüber nicht zugegeben, dass die Beziehung zu dem Oberstufenschüler beendet war. Aber das musste sie auch nicht. Wahrscheinlich ahnte sie, dass es Saori längst wusste. Umso schockierte schien sie darüber zu sein, dass ihr heißgeliebter Mamoru die Brünette nun anrief und sich mit ihr verabredete. Natürlich hatte Saori noch mehr Salz in die Wunde gestreut und zweideutige Bemerkungen fallen lassen. Mamoru selbst war darauf nicht weiter eingegangen oder er hatte es gar nicht so richtig mitbekommen. Was auch egal war. Usagi dachte jetzt wahrscheinlich, dass Mamoru sie schon längst vergessen hätte und Saori wusste, dass sie ihrem Ziel nun zum Greifen nah war. Trotzdem würde sie Mamoru erstmal nichts davon erzählen, wo sie gerade herkam und wen sie getroffen hatte. Sicher war sicher.

„Hallo Mamoru!“

„Hallo Saori.“, er ließ sich auf die Umarmung ihrerseits ein. Auch wenn sein Herz und sein Verstand laut Verrat riefen. Er ignorierte es.

„Du siehst ja schon viel besser aus. Bist du denn drüber hinweg?“

„Naja, geht so. Ich glaube aber, dass ich nächste Woche den Kurs auch noch sausen lasse. Oder verpasse ich sehr viel?“

„Nein. Ich kann dir ja meine Notizen kopieren und vorbei bringen. Dann kannst du das auch so lernen.“

Mamoru nickte nur und setzte sich dann mit ihr in Bewegung. Sie plauderten über Kleinigkeiten. Er vermied es peinlichst genau, dass das Gespräch auf Usagi und ihn kam. Allgemein blendete er das Thema Liebe und Gefühle aus. Auch wenn ihm nicht entging, dass Saori nur allzu gerne das Gespräch immer wieder in diese Richtung lenken wollte. Was auch logisch war, da sie ja selbst gerade in einer Beziehung war. Aus Höflichkeit fragte er sie, wie es denn ihrem Freund ging. Auf welche Schule er ging und was er in seiner Freizeit machte.

Die Brünette hatte damit überhaupt nicht gerechnet. Für sie war das Thema mit dem angeblichen Freund schon beinahe vergessen gewesen. Daher brauchte sie einige Sekunden, bis ihr was passendes einfiel. Ihm direkt ins Gesicht zu lügen, fiel ihr sogar relativ leicht. Und er glaubte ihr, dass sah sie auf den ersten Blick. Wenn er nur nicht so abwesend sein würde. Seine Gedanken schienen immer woanders hin zugehen. Das hatte sie schon vor einigen Minuten bemerkt. Es war wie bei Usagi, die genauso abwesend war. Ein wenig Wut stieg in ihr auf. Es konnte doch nicht sein, dass die beiden selbst in Gedanken so verbunden waren, obwohl sie selbst einen tiefen Keil zwischen sie getrieben hatte. Sie versuchte ihre Wut wegzulächeln.

Zusammen gingen sie durch den Park und blieben bei einem kleinen Eisstand stehen. Das Wetter war wunderbar sonnig und warm heute. Aus dem Augenwinkel ließ Mamru seine Augen über Saori wandern. Sie trug einen knielangen hellblauen Rock und ein weißes T-Shirt dazu. Ballerinas zierten ihre Füße und sie trug eine Handtasche über die linke Schulter. Nichts besonderes. Er erinnerte sich an Usagis Outfit heute im Bus. Sie hatte türkisfarbene Hotpants an und ein roséfarbenes Top. Er hatte ihre langen Beine gesehen und ihre Kurven, die durch ihre Kleiderauswahl betont wurden. Er musste sich eingestehen, dass sie wesentlich attraktiver war als Saori gerade. Gedanklich schallte er sich selbst. Er musste dieses Mädchen vergessen.

„Hallo Mamoru!“

Erschrocken fuhr er herum. Genau wie Saori.

„Minako!“, seine Stimme klang trocken.

„Wie ich sehe, geht es dir sehr gut.“, Minako konnte sich einen abfälligen Tonfall nicht verkneifen.

Mamoru sah, worauf sie mit ihren Worten abzielte. Ihre Blicke wanderten zwischen ihm und Saori hin und her.

„Schön, dass du dich schon wieder amüsieren kannst, während sich Usagi wegen dir die Augen ausheult. Ich an ihrer Stelle würde dir keine Träne nachweinen. Aber gut, dass ist Usagi. Viel Spaß noch!“

Der Schwarzhaarige konnte gar nicht so schnell reagieren, wie sich die Blondine auch schon wieder abgewandt hatte und davon ging. Irritiert sah er ihr hinterher. Was hatte sie gerade gesagt? Usagi heulte ihm hinterher? Wieso sollte sie das tun, wenn sie doch nur ein Spiel mit ihm spielte.

„Hey, ist alles okay?“, sachte berührte Saori ihn am Arm. Sein Gesichtsausdruck gefiel ihr gar nicht. Warum musste Usagis Freundin auch ausgerechnet jetzt auftauchen?

„Ja, alles gut. Komm. Gehen wir noch ein Stück.“, er rang sich ein Lächeln ab und bot der jungen Frau neben sich seinen Arm an. Freudig nahm sie diesen an. Sie musste dringend versuchen, ihn auf andere Gedanken zu bringen und ihn noch mehr für sich zu vereinnahmen.
 

Wütend stapfte Minako ins Crown und direkt zum Tresen, an dem Makoto mit Rei und Ami saß und hinter dem Usagi stand und Gläser polierte.

„Ihr erratet nie, wen ich gerade im Park getroffen habe.“, sie schmiss ihre Schultasche auf den Boden neben dem Barhocker und setzte sich. „Mamoru und diese komische Tussi. Wie hieß die doch gleich? Safari oder Salami oder so.“

„Du meinst Saori.“, Ami kicherte bei der Namenswahl von Minako für die Oberstufenschülerin.

„Ja genau die. Er und sie und jeder von beiden ein Eis in der Hand. Könnt ihr euch das vorstellen? Es ist nicht mal eine Woche her, dass er mit Usagi Schluss gemacht hat und schon datet er die nächste. Was für ein Macho. Aber könnt ihr euch das vorstellen? Könnt ihr das fassen?“

„Ja, Mina. Können wir.“

Erstaunt sah Minako zu Rei.

„Saori war heute Mittag hier gewesen.“, Usagi stellte eines der polierten Gläser in das Regal hinter sich. „Als sie hier saß und ihren Chai Latte trank, hat Mamoru sie angerufen und gefragt, ob sie sich treffen wollen. Sie hat sofort zugesagt und es kam mir und Motoki so vor, als würden sie sich schon länger wieder treffen.“

Sie verschwieg, dass sie selbst nicht wirklich daran glauben wollte und konnte.

„Wie kommt ihr darauf?“, Makoto sah sowohl die Blondine als auch Motoki fragend an. Bisher wussten die anderen Mädchen und jetzt auch Minako nur, dass Saori hier war und mit Mamoru telefoniert hatte wegen einem Treffen. Von dem ganzen Gespräch hatte sie aber noch nichts gehört. Umso neugieriger sahen die vier nun zu den beiden hinter dem Tresen.

Motoki legte seinen Lappen beiseite und atmetet tief durch.

„Sie meinte, dass sie sich auch freue, ihn endlich wiederzusehen. Das sie schon fast sehnsuchtsvoll auf seinen Anruf gewartet hätte. Das sie ihn schon auf andere Gedanken bringen würde und er sich deswegen keine Sorgen machen soll, sie würde ihr Handwerk verstehen. Ich weiß nicht, was ihr bei solchen Sätzen denkt, aber für mich klingt das so, als wären beide zusammen.“

Besorgt blickten die Mädchen bei seinen Worten zu Usagi. Sie hatte sie abgewandt und stand mit den Rücken zu ihnen. Sie konnte und wollte ihren Freundinnen jetzt nicht in die Augen sehen. Viel zu sehr war sie verletzt und die mitleidigen Blicke würde sie nicht ertragen. Ihr war es sowieso schon vorhin schwer gefallen, ein gescheites Gespräch mit Motoki darüber zu führen, als die Mädchen noch nicht da waren. Erst hatte sie sich bei ihm im Hinterzimmer ausgeheult und dann mit ihm über die Situation gesprochen.

„Was willst du denn nun tun, Usagi?“, Ami sah mitleidig auf den Rücken des blonden Mädchens.

„Wenn ihr mich fragt, sollte sie ihn in den Wind schießen.“

„Tun wir aber nicht, Mina. Ami hat Usagi gefragt und nicht dich.“, fuhr Rei die Blondine neben sich scharf an.

„Du solltest um ihn kämpfen. Manchmal lohnt es sich.“

„Makoto?“

Die Angesprochene sah zu dem großen Blonden, der den Kopf schüttelte. Er wusste, dass seine beste Freundin von alldem nichts hören wollte.

„Ami, hast du denn schon etwas herausgefunden wegen der Fälschungen?“

„Nein. In den Schulfluren schwirren die üblichen Gerüchte umher. Aber nichts verwertbares. Ich hab die Fotos aber sowohl vom Vorsitzenden des Fotografie-Clubs als auch meinem Informatiklehrer gezeigt. Beide sind der selben Auffassung wie wir alle hier. Es sind sehr gelungene Fälschungen und nicht wirklich von echten Aufnahmen zu unterscheiden. Derjenige, der diese Fotos hergestellt hat, muss ein sehr neues Bildbearbeitungsprogramm besitzen oder aber sich irgendwo reingehackt haben. Anders kann man es sich nicht erklären.“

„Und wie weisen wir das nun nach? Also das es Fälschungen sind, meine ich.“, Rei schaute über den Rand ihrer Teetasse hinweg in die Runde.

„Keine Ahnung.“, Ami stützte den Kopf auf beide Hände. „Zum ersten Mal im Leben bin ich wirklich ratlos.“

Stille breitete sich zwischen den Freunden aus. Jeder von ihnen hing seinen Gedanken nach.

Ami überlegte fieberhaft, mit welchem Programm auf ihrem Computer sie die Fälschungen nachweisen konnte.

Makoto sinnierte gedanklich darüber, ob Usagi jemals über Mamoru hinweg kommen würde.

Rei dachte darüber nach, ob sie nicht die Geister ihres heiligen Feuers im Tempel befragen sollte.

Minako war im Gedanken bei Mamoru und verfluchte ihn.

Auch Motoki war still. Sein Blick war auf Usagi gerichtet, die fast schon mechanisch die Gläser polierte.

Und Usagi selbst war die Stille unangenehm. Sie dachte an Mamorus Ausdruck heute Vormittag. Wie er sie angesehen hatte. So traurig. Wenn sie sich schon einsam fühlte, wie musste es ihm dann ergehen? Er war solange alleine gewesen. Freunde hin oder her. Sie wusste, wie schwer es ihm fiel, sich auf Gefühle einzulassen. Er hatte Gefühle wie Liebe und Freude solange missen müssen, seid seine Eltern gestorben waren. Und nun wurde er wieder verletzt. Genau wie sie. Aber im Gegensatz zu ihr, hatte er niemanden. Sie hatte ihre Familie. Ihre Freunde, die geschlossen hinter ihr standen. Aber wer stand hinter Mamoru? Sie überlegte hin und her. Niemand fiel ihr ein. Nicht einmal Motoki tat es. Er war auf Usagis Seite. Er glaubte an ihre Unschuld und gab Mamoru die Schuld an ihrem Herzschmerz. Wie gerne wäre sie jetzt bei dem Schwarzhaarigen gewesen. Hätte ihn in den Arm genommen und ihn sein Leid vergessen lassen. Ihn aus seiner Einsamkeit geholt. Aber es ging nicht. Mamoru hatte sie von sich gestoßen. Und doch schaffte sie es nicht daran zu glauben, dass er nun mit Saori ausging. Womöglich mit ihr zusammen war.

„Minako?“, Usagis Stimme war leise. Und doch hörten die Mädchen und Motoki sie klar und deutlich. Die Blondine legte den Polierlappen beiseite und drehte sich um. Sie musste sich an der Arbeitsfläche hinter ihr abstützen. Zu leicht brachten sie die ganzen Dinge um Mamoru momentan aus dem Gleichgewicht. Sie spürte die Blicke der anderen auf sich. Aber sie erwiderte sie nicht. Der Boden mit dem dreckigen Fließenmuster war interessanter.

„Hast du mit Mamo-chan gesprochen?“

Sie konnte hören, wie ihre Freundinnen scharf die Luft einzogen, als sie Mamoru bei seinem Kosenamen nannte. Die anderen mussten wahrscheinlich denken, sie war komplett besessen und durchgeknallt.

„Ja.“, Minako klang vorsichtig. Ihre Augen trafen kurz die der anderen Mädchen. Dann sah sie wieder zu ihrer Freundin, die den Kopf gehoben hatte und auf ein unbestimmtes Ziel hinter der Fensterfront auf der Straßenseite blickte.

„Was hast du zu ihm gesagt?“

„Das ich sehe, wie gut er sich wohl amüsiert. Und das du ihm halt nachweinst, was ich ja nicht tun würde. Und das ich ihm noch viel Spaß wünsche.“

Usagi atmete tief ein und aus.

„War das falsch?“

„Du hast bestimmt gehässig geklungen, oder?“, Usagi kannte Minako viel zu gut und somit auch schon ihre Antwort. „Hat er dir geantwortet?“

„Nein.“

„Wie hat er dich angesehen?“

„Nun ja, er war ziemlich erschrocken, als ich ihn angesprochen habe. Warum?“

Erst jetzt fand Usagi den Mut und sah zu ihren Freundinnen.

„Ich habe ihn heute Morgen im Bus getroffen.“

„Was?“, bis auf Motoki starrte der Rest der Clique das Mädchen überrascht an.

„Wir haben uns ganz kurz unterhalten.“

„Was hat das damit zutun, wie er Minako angesehen hat?“, Rei sah Usagi fragend an.

„Oh Usa, bitte!“

Alle Blicke huschten nun zu Motoki. Er ahnte, worauf seine beste Freundin aus war. Und er war nicht gerade begeistert davon.

„Warum interpretierst du in seine Blicke etwas hinein? Er hat ganz offensichtlich ein Date mit Saori und sie sah nicht so aus, als wäre sie nicht gerne dahin gegangen. Mamoru hat mit dir aus einem schwachsinnigen Grund Schluss gemacht und ist nun mit einem anderen Mädchen zusammen.“

„Glaub doch was du willst!“, Usagi war sauer geworden. „Ich kennen Mamoru nun auch schon eine ganze Weile. Und in den letzten Wochen habe ich ihn noch besser kennen gelernt und eine andere Seite von ihm entdeckt. Er ist nicht der Typ, der ein Mädchen einfach so fallen lässt und gleich einen Tag später mit dem nächsten zusammen ist. Er ist kein Seiya. Okay?!“

„Beruhig dich!“

„Nein, Rei! Ich habe keine Lust, mich zu beruhigen. Ich weiß, dass ich unschuldig bin und Mamoru reingelegt wurde. Ich weiß nur noch nicht, wer dahinter steckt und wieso. Aber das werde ich auch noch herausfinden. Mit oder ohne eure Hilfe. Und dann wird Mamoru seinen Fehler einsehen.“, sie band sich die Schürze ab und knallte sie auf den Tresen. Wieso glaubte keiner ihrer Freunde daran, dass alles wieder gut werden würde? Sie drückte Motoki das Geld für ihre Shakes in die Hand und holte ihre Tasche aus dem Hinterzimmer.

„Wohin gehst du?“, Motoki sah sie fragend an.

„Nach Hause. Und vergiss es wegen morgen. Ich ziehe das langweilige Kaffeekränzchen mit meiner Familie euch vor. Meine Eltern hoffen zumindest, dass alles wieder gut wird. Im Gegensatz zu euch.“

Damit verschwand sie aus dem Crown. Sie sprintete fast schon über die Straße und bekam nicht mal mehr mit, wie Seiya um die Ecke bog und nun seinerseits das Café betrat.

Truth

13
 

Es waren nur noch elf Minuten bis Mitternacht. Nur noch elf Minuten und dieser Tag, ihr Geburtstag wäre endlich vorbei. Auch wenn es im Nachhinein weniger schlimm war, als es Usagi zunächst befürchtet hatte. Ihre Familie hatte alles dafür getan, dass sie sich wohlfühlte.

Als sie am Morgen aufgestanden und in die Küche gegangen war, hatte ihre Mutter nur das normale Frühstück vorbereitet. Erst am Ende hatte sie ihre Tochter mit dem heißgeliebten Zitronenkuchen überrascht. Usagi hatte sich wirklich darüber gefreut. Genauso wie sie sich über ihre Geschenke gefreut hatte. Eine neue Tasche und eine schicke Jeansjacke mit dezenten Strasssteinchen. Ihr Bruder hatte ihr schlichtweg einen Blumenstrauß und Schokolade geschenkt. Ihre Mutter hatte eingesehen, dass Usagi kein großes Tamtam um diesen Tag machen wollte. Gemeinsam mit Kenji und Shingo hatten sie daher einen Besuch im Yomiuri-Land geplant. Es war eine wirkliche Überraschung für die Blondine gewesen. Sie verbrachten dort den ganzen Tag und Usagi hatte gar keine Zeit, um auf trübsinnige Gedanken zukommen. Sie genoss den Spaß, den sie dort hatte. Die Geburtstagsanrufe auf ihrem Handy ignorierte sie. Die eintreffenden Nachrichten überflog sie nur. Es stand eh immer das gleiche drin.

„Liebe Usagi! Ich wünsche dir alles Liebe und Gute zu deinem Geburtstag!“

Erst spät am Abend waren sie wieder da gewesen. Nach ihrem Ausflug ins Yomiuri-Land hatten sie noch eine Stopp bei einer Fastfood-Kette eingelegt und sich dort die Bäuche vollgeschlagen. Nun lagen ihre Eltern und ihr kleiner Bruder im Bett und schliefen tief und fest.

Nur sie nicht. Usagi saß am geöffneten Fenster auf der gepolsterten Fensterbank und schaute hinauf zum Sternenhimmel. Der Tag war schön gewesen. Wenn auch nicht so, wie sie sich ihn erhofft hatte. Aber das war egal. Sie war froh, dass sie sich gestern gegen ihre Freunde und das Crown und für ihre Familie entschieden hatte. Sie bezweifelte, dass sie mit ihrer Clique den gleichen Spaß gehabt hätte. Mit ihnen hätte sie nur rumgesessen und darüber diskutiert, wie sie ihre Unschuld beweisen und ob sie Mamoru noch ein Chance geben sollte. Damit wollte sie sich nun wirklich nicht den Geburtstag versauen. Sie hatte deswegen auch nur Amis Nachricht und deren Frage beantwortet, ob sie morgen ins Crown kommen würde. Usagi hatte es bestätigt.

Sie bemerkte, wie gut ihr der Abstand und der heutige Familienausflug getan hatten. Sie fühlte sich entspannt und war gleichzeitig vollkommen erledigt. Aber im positiven Sinne. Nicht einen Gedanken hatte sie an den schwarzhaarigen Oberstufenschüler verschwendet. Erst jetzt, als sie in ihrem ruhigen Zimmer saß und den Mond am Himmel beobachtete, kam er ihr wieder in den Sinn. Wie schon am Vortag verspürte sie keinen Groll gegen ihn, nur weil er mit Saori ausging. Sie konnte es nicht ändern. Aber sie war der festen Überzeugung, dass alles gut werden würde, wenn sie nur lange genug durchhielt. Natürlich würde sie das ihren Freunden nicht sagen. Die Mädchen und Motoki würden sie nur mit einer seltsamen Mischung aus Mitleid und Skepsis ansehen. Usagi konnte nicht verstehen, warum keine daran glauben wollte, dass sie und Mamoru wieder zusammen kommen würden. Warum es so abwegig erschien.

Leise seufzte sie auf. Ja, sie liebte Mamoru immer noch. Und das auf tiefstem Herzen. Mittlerweile konnte sie seine Reaktion auf die Fotos verstehen. Hätte man ihr diese Bilder mit ihm und einem anderen Mädchen in eindeutiger Pose gezeigt, hätte sie wohl genauso reagiert wie er jetzt. Auch sie hätte ihm eine Szene gemacht und die Beziehung beendet. Wie er hätte sie rum geschrieen und geflucht. Wieder eine Tatsache die sie ihren Freunden nicht sagen wollte.

Auf dem Nachttisch neben ihrem Bett piepste ihr Handy. Sie angelte blind danach. Es war eine Minute vor zwölf. Wer schrieb ihr um diese Zeit noch eine Nachricht? Ihr Herz setzte einen Schlag, oder waren es doch zwei, aus, als sie den Namen auf dem Display las.

„Mamoru.“, murmelte sie leise. Luna, die an auf ihrem Schoß saß, hob den Kopf und maunzte leise. Fast schon fragend. Die grünen Katzenaugen suchten die blauen ihres Frauchens. Gedankenverloren strichen Usagis Finger durch das weiche Fell der Katze. Sie zitterten leicht. Mit der anderen Hand öffnete sie die Nachricht.

„Usako, ich wünsche dir alles Liebe und Gute zu deinem sechzehnten Geburtstag. Mamoru.“

Tränen traten ihr in die Augen, als sie seine Nachricht las. Nie und nimmer hätte sie damit gerechnet, dass er ihr schreiben und zum Geburtstag gratulieren würde. Und auch wenn er quasi das selbe schrieb, wie die anderen heute im Laufe des Tages, so trafen seine Worte mitten in ihr Herz. Laut schluchzte sie auf. Wischte sich eilig die Tränen weg und sah ihre Katze freudestrahlend an.

„Er hat mich nicht vergessen, Luna.“

Sie hielt ihrer Katze das leuchtende Handydisplay vor die Nase, so als ob Luna es lesen könnte. Die legte nur den Kopf schief und sah sie mit großen Augen an. Usagi nahm das Handy wieder an sich und las diese eine Zeile immer wieder und wieder. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals und die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie musste weinen und lachen zugleich, als sie ihre Antwort an ihn tippte.
 

„Mamo-chan, danke! Usako.“

Mamoru stand an den Rahmen der offenen Balkontüre gelehnt und las die Nachricht auf seinem Handy. Den ganzen Tag schon hatte er überlegt, ob er ihr gratulieren sollte. Immerhin war es ja ihr Geburtstag und egal was vorgefallen war, sollte er daran denken. Sie hätte ihm auch eine Glückwunsch-Nachricht geschickt. Warum sollte er es also nicht tun? Sowieso hatte er schon den ganzen Tag an sie denken müssen. Noch immer spukten ihm die Worte von Minako im Kopf herum. Seit er sie gestern im Park getroffen hatte, hatte er kaum mehr einen klaren Gedanken fassen können. Selbst die restlichen Stunden mit Saori zogen eher belanglos an ihm vorbei. Er konnte sich kaum mehr daran erinnern. Irgendwas hatte sie über die Informationsveranstaltungen in der Tôdai erzählt. Und sie hatte ihn gefragt, ob sie heute was unternehmen wollten. Er hatte sie auf morgen vertröstet. Selbst den Gedanken, sich bei der Brünetten wegen der Fotos und somit verbundenen Aufklärung zu bedanken, hatte er verworfen.

Mit dem Handy in der Hand ging er zum Sofa hinüber und ließ sich drauf fallen. Schon seit einer Woche hatte er kaum mehr geschlafen. Vielleicht nur noch vier oder fünf Stunden pro Nacht. Und die letzte Nacht war es noch weniger gewesen. Seit gestern Nachmittag hatte er ein seltsames Bauchgefühl. Und Minakos Worte hatten es auch noch verstärkt. Nach deren Auftritt hatte Saori ihn gefragt, was denn los sei. Er hatte abgewunken und war nicht weiter drauf eingegangen. Ohnehin hatte er eher damit zutun, das Mädchen auf Abstand zu halten. Dafür, dass sie einen Freund hatte, war sie extrem anhänglich. Was ihm doch reichlich seltsam vorkam.

Wieder glitten seine Augen über ihre Antwort. Er ahnte nur allzu gut, was jetzt in der Blondine vorging. Wahrscheinlich hatte ihre Herz genauso schnell geklopft wie seines, als er ihre Antwort gelesen hatte. Irgendwie hatte er nicht erwartet, dass sie noch wach war. Geschweigedenn, dass sie ihm antwortete. Und es warf ihn ein wenig aus der Bahn. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er ihre Antwort schlussendlich doch wegdrückte und der Startbildschirm seines Handys zu sehen war. Er und Usagi. Er wusste, dass sie das gleiche Bild auf ihrem Smartphone hatte. Falls sie es noch hatte. Momentan ging er davon aus. Zumindest wenn er an die Begegnung von vor zwei Tagen, Minakos Worte und ihre Antwort jetzt dachte. Sein Herz zog sich zusammen, als er an ihre traurigen Augen dachte. Wieso war sie so verletzt? Es konnte nicht nur an dem schiefgelaufenen Plan liegen. Oder daran, dass er sie angebrüllt und diese Beziehung beendet hatte.

Er wollte weiter drüber nachdenken. Doch es fiel ihm immer schwerer. Seine Augenlider senkten sich immer mehr, bis ihm die Augen ganz zufielen. Und obwohl er sich gegen diesen letzten Gedanken wehren wollte, konnte er es nicht. Usagi war einfach noch immer viel zu tief in seinem Herzen verankert.
 


 

Usagi stand an der Kreuzung gegenüber vom Crown.

Sie fühlte sich gut. Und sie wusste, wem sie es zu verdanken hatte. Schon als sie heute Morgen zum Frühstück in die Küche ging, strahlte sie über das ganze Gesicht. Auf die Frage ihrer Eltern was denn los sei, antwortete sie ehrlich und erzählte von Mamorus Nachricht. Kenji war nicht sonderlich begeistert, murmelte aber etwas davon, dass sich Mamoru wohl doch noch besinnen würde. Ikuko war mit einem Schlag genauso glücklich wie ihre Tochter und Shingo fand, dass das ja auch mal Zeit wurde. Dem Jungen war nicht entgangen, wie sehr sich seine große Schwester wieder quälte und sie tat ihm leid. Er verstand sowieso nicht, warum sich Usagi und Mamoru überhaupt gestritten hatten. Beide schienen doch so verliebt ineinander zu sein.

Die Ampel sprang auf grün und sie ging zügig über die Straße. Nichts würde ihre Laune heute trüben können. Ganz egal, was die anderen sagen würden. Wobei sie nicht vorhatte, ihnen von Mamorus Nachricht zu erzählen. Wahrscheinlich würden sie ihre Hoffnungen nur wieder zunichte machen. Aber das würde sie nicht zulassen. Entschlossen ging sie durch die sich öffnende Schiebetüre und sah sich um. Motoki stand nicht hinterm Tresen sondern eine seiner Aushilfen. Als ihre Augen in Richtung ihres Stammtisch wanderten, stockte ihr leicht der Atem.

„Seiya?“

Langsam ging sie in seine Richtung. Sie war überrascht, ihn hier zusehen. Und noch mehr verwundert darüber, dass er an ihrem Stammtisch saß. Zusammen mit ihren Freundinnen, Motoki und Unazuki. Was ging denn hier vor?

„Hallo Seiya!“

„Hallo Usagi!“

„Danke für deine Nachricht gestern. Und euch danke ich auch.“, die Blondine ließ ihren Blick zu den anderen am Tisch wandern. Sie nickten ihr freundlich zu.

„Ich hol dir einen Stuhl.“, Motoki war aufgesprungen. Nur um wenige Sekunden später mit einer Sitzgelegenheit wieder zukommen und ihn Usagi unter den Hintern zu schieben. Sie fiel beinahe schon drauf.

„Wie war dein Geburtstag?“, Ami sah sie freundlich an und die Blondine hatte das Gefühl, dass hier irgendwas im Busch war.

„Äh, schön. Mama, Papa und Shingo haben mich mit einem Besuch im Yomiuri-Land überrascht.“, sie wandte sich von ihren Freundinnen ab und Seiya zu. Sah, wie er nervös seine ineinander verschlungenen Finger betrachtete. Schwitzte er etwa?

„Hat dir deine Mama Zitronenkuchen gebacken?“

„Ja, Mako, hat sie. Sagt mal, was geht hier vor? Und warum ist Seiya da?“

Unbehagen machte sich in ihr breit. Sie wusste, dass keiner der Mädchen und Motoki Seiya sonderlich leiden konnten. Sie wussten alles über ihn und es waren nicht gerade postive Dinge. Umso erstaunter war sie, als sie das breite Lächeln in den Gesichtern der anderen sehen konnte.

„Äh, ihr macht mir gerade Angst.“

„Seiya will dir was sagen.“, Minako grinste breit und lehnte sich fast schon selbstgefällig zurück. „Stimmt’s?“

Der Schwarzhaarige neben ihr schluckte schwer und nickte. Langsam, fast schon in Zeitlupe, hob er den Kopf und sein Blick traf den von Usagi. Er wusste, dass die Möglichkeit bestand, dass sie ihm den Kopf abreißen würde, wenn sie alles erfahren hatte. Sie würde vielleicht nie wieder ein Wort mit ihm sprechen, oder ihn auch nur eines Blickes würdigen. Wenn er Pech hatte, und seine Chancen dafür standen außerordentlich gut, dann würde sie es sogar der Schule melden und er würde von eben jener fliegen. Üble Nachrede wurde dort nicht geduldet. Und was anderes war es ja auch nicht. Er hatte schon die letzten Tage genug damit zutun, dass die Gerüchte über Usagi nicht überhand nahmen und er hatte sich auch offiziell von seiner geheimen und angeblichen Freundin getrennt. Eine Tatsache die von der weiblichen Schülerschaft mit einem großen Jubel zur Kenntnis genommen wurde.

„Seiya?“

Ihre weiche und fragende Stimme drang zu ihm durch. Ihre blauen Augen raubten ihm fast den Atem.

„Seiya war am Freitag schon hier.“, Rei hatte sich ebenfalls zurückgelehnt. Ihr tat Seiya gerade schon ein wenig leid. Er saß nicht zum ersten Mal in sich zusammen gesunken hier und wusste nicht, wo er anfangen sollte.

„Achso?“, Usagi warf ihrer Freundin einen fragenden Blick zu.

„Ja. Kurz nach dem du weg warst, kam er hier an.“

Die Blondine wandte sich wieder ihrem Mitschüler zu. Der hatte seinen Blick wieder gesenkt.

„Ich muss dir was sagen. Ich weiß, wer die Fotos gefälscht hat.“

Usagi sah ihn sprachlos an. Sie wollte etwas sagen, aber es ging nicht. Sie formte die Worte in ihrem Mund, sie lagen ihr auf der Zunge und wollten doch nicht raus. Langsam wanderten ihre Augen zu den anderen. Sie nickten alle.

„Wir wissen es seit Freitag.“, beantwortete Makoto ihre unausgesprochene Frage. „Aber weil du so wütend warst, haben wir Seiya gebeten, heute nochmal zu kommen, um es dir persönlich zu sagen.“
 

Die Blondine nickte nur und wandte sich dann wieder Seiya zu. Hörte ihm zu, als er davon sprach, wieso er das getan hatte. Wie sehr er sie mochte und wie oft er sich ausgemalt hatte, mit ihr zusammen zu sein. Sie erkannte sich sogar ein Stück weit in ihm wieder. Er fühlte sich so wie sie, bevor sie mit Mamoru zusammen gekommen war. Er offenbarte ihr seine Eifersucht und das er es nicht ertrug, dass sie nun vergeben war.

„Aber ich kann doch nicht einfach so meine Gefühle ändern. Oder abstellen.“, sie kam sich hilflos vor.

„Ich weiß.“, der Schwarzhaarige nickte schuldbewusst.

Er erzählte ihr von seinem Aufeinandertreffen mit einer jungen Frau. Das er mit ihr ins Gespräch und schnell dahinter kam, dass diese in Mamoru verliebt war.

„Saori.“, Usagi hatte bei seinen Worten nicht lange überlegen müssen. Sie hatte es schon beim ersten Mal als sie die Brünette hier im Crown traf, bemerkt, dass sie hinter Mamoru her war. Seiya bestätigte durch ein Nicken, genau wie die anderen, dass sie richtig lag.

„Wir überlegten uns, wie wir euch dazu bringen könnten, euch zu trennen.“

Usagi traute ihren Ohren nicht. Schwieg aber.

„Ich schlug ihr vor, dass sie deine Handynummer durch ihre in seinem Handy ersetzen sollte. Was ja auch geklappt hat. Sie schrieb dir die Nachricht in seinem Namen, dass er etwas Abstand bräuchte und ihr habt euch nicht mehr gesehen. Aber wir haben Mamoru unterschätzt.“

Sie erinnerte sich an den Abend, als er einfach vor ihrer Tür gestanden hatte.

„Und wir unterschätzten dich. Saori hat euch dabei beobachtete, wie du ihm noch eine Nachricht geschickt hast nach eurem Streit und so die vertauschten Nummern aufflogen.“

„Gar nicht so dumm, unsere Usagi!“, grinste Motoki anerkennend und die Angesprochene erwiderte es mit einem leichten Lächeln.

Seiya erzählte von seinem anschließenden Telefonat mit Saori und dem Treffen mit ihr. Sprach von dem neuen Plan mit den angeblichen Beziehungen und davon, dass sie so die Eifersucht der beiden schüren wollten. Was ebenfalls misslang.

„Aber wie seit ihr dann auf diese beschissene Idee mit den Fotos gekommen?“, so langsam wurde Usagi ungeduldig.

„Saori spionierte euch andauernd nach. Und irgendwann bekam sie mit, dass Mamoru zu dir sagte, dass er es nie zulassen würde, dass dich ein anderer Mann küsst. Sie hat mir davon erzählt. Mir fielen die Gerüchte ein, die seit dem Bekanntwerden meiner angeblichen Beziehung in der Schule im Umlauf waren über dich und erzählte es ihr. Dann kam ihr die Idee mit den manipulierten Fotos in den Sinn.“

„Und wer hat die gemacht?“

Seiya entging nicht, wie ruhig das blonde Mädchen neben ihm war. Aber er ahnte, dass sie innerlich kochen musste vor Wut.

„Irgendein Mitschüler von ihr. Sie hat ihm wohl Geld gegeben und ich spielte ihr einige Fotos von Jungs aus unserer Schule zu. Damit ging sie dann zu Mamoru. Das war letzten Samstag.“

Usagi stand auf. Lief einige Schritte hin und her. Ihre Freunde sahen, wie aufgebracht sie war. Wirr fuhr sie sich durchs Haar. Immer wieder holte sie Luft, um zum Sprechen anzusetzen. Und immer wieder brach sie einfach ab. Langsam sickerten seine Wort zu ihr durch. Sie und Mamoru wurden hintergangen. Sie wurden beide betrogen.

„Warum erzählst du mir das?“, sie blieb mit dem Rücken zu Seiya stehen. „Warum erzählst du es mir erst jetzt?“

„Weil…“

„Warum machst du sowas?“

Er zuckte, wie auch die anderen am Tisch, zusammen. Ihre Stimme war lauter geworden. Schriller und fast schon hysterisch. Aber im Gegensatz zu Seiya hatten die anderen mit solch einer Reaktion von ihr gerechnet. Minako stubste dem Schwarzhaarigen in die Seite. Er sah sie nur fragend an, bevor er ihrem Kopfnicken in Usagis Richtung hin folgte und aufstand. Etwas unbeholfen ging er auf sie zu. Die Hände in den Hosentaschen vergraben. Er ahnte, dass sie seine Berührungen nicht wollte.

„Ich war eifersüchtig. Ich habe mich in dich verliebt und nicht verstanden, warum du als einziges Mädchen in der Schule nicht mit mir zusammen sein wolltest.“

Den Satz von Ami, dass sie und Makoto ihn auch nicht zum Freund haben wollten, überging er.

„Aber das hat mich nur noch mehr befeuert.“

„Und warum sagst du es mir jetzt?“

„Weil ich es nicht mehr mitansehen konnte, wie du leidest. Ich weiß, warum du diese Woche nicht in der Schule warst. Und ich weiß, dass du auch nächste Woche noch krank sein wirst. Ich hab eingesehen, dass ich dich so nicht für mich gewinnen kann. Ich sehe, wie sehr du Mamoru liebst. Er hat dich mehr verdient als ich.“

Usagi drehte sich langsam um. Tränen flossen ihr unkontrolliert über das Gesicht.

„Er geht mit Saori aus.“

„Was?“, Seiya klang überrascht.

„Wusstest du nichts davon?“, Motoki schaltete sich ein und der Schwarzhaarige sah ihn kopfschüttelnd an.

„Nein. Als ich letzten Sonntag gesehen habe, wie Mamoru hier ausgerastet ist, hat sie mich angerufen. Ich war ziemlich schockiert davon, was diese Fotos ausgelöst haben. Ich hab nicht damit gerechnet, dass es so heftig wird.“

„Ich bin halb nackt und in eindeutigen Posen darauf zu sehen.“, Usagis Stimme klang verächtlich und sie ließ sich wieder auf einen Stuhl fallen.

„Was?“

„Tu nicht so. Du wusstest doch, was drauf zu sehen ist.“

„Nein.“, er schüttelte heftig den Kopf. „Saori hat gesagt, dass es nur Fotos sind, wo du mit anderen Jungs drauf zusehen bist, wie du sie umarmst oder küsst. Aber nicht, dass du halb nackt drauf zu sehen bist. Aber das erklärt auch, warum Mamoru so ausgetickt ist.“

Mittlerweile kam sich Seiya nun selber ziemlich verarscht vor. Erstaunt sahen nun auch die anderen ihn an.

„Und nun geht sie mit Mamoru aus?“

„Ja.“, Motoki nickte und erzählte ihm davon, das Saori zwei Tage zuvor hier gewesen war und sich via Handy mit Mamoru verabredet hatte. Minako ergänzte mit ihrer Begegnung im Park.

„Usagi, es tut mir leid.“, schuldbewusst senkte er den Kopf. „Ich wollte nicht, dass es so eskaliert.“

„Scheinbar wurden nicht nur Mamoru und ich hintergangen.“, stellte Usagi trocken fest.

„Sag mal, Seiya?“

Der Angesprochene hob seinen Kopf und sah in Richtung Unazuki.

„Was hälst du davon, wenn du das Ganze nochmal Mamoru sagst?“

„Ich?“, jetzt sackte ihm sein Herz gewaltig in die Hose. Es war ihm schon schwer genug gefallen, Usagi die Wahrheit zu sagen. Lieber wäre es ihm gewesen, ihre Freundinnen hätten es getan. In seinem Namen. Aber Mamoru war nochmal eine ganz andere Kategorie. Im Gegensatz zu Usagi würde er ihm mit hoher Sicherheit den Kopf abreißen und ihn anschließend persönlich aus dem Land jagen. Er schluckte schwer.

„Ja du. Usagi wird er kaum glauben.“

„Könntet ihr vielleicht mit dabei sein?“

Die anderen grinsten amüsiert, nickten aber. So ganz im Regen konnten sie ihn nun doch nicht stehen lassen. Immerhin hatte er ja schon den Mut gefunden und seinen Fehler eingestanden.

„Seiya?“

Er wandte seinen Kopf der Blondine neben sich zu.

„Danke, dass du es mir gesagt hast. Aber bitte versteh mich, dass ich dir nicht so schnell verzeihen kann.“

„Okay. Ich will nur, dass du glücklich bist.“

Usagi hob den Kopf, wischte sich ihre Tränen weg und sah ihn leicht lächelnd an.

„Das will ich auch.“
 

Es war die erste Nacht seit seiner Trennung von Usagi, dass er wirklich gut geschlafen hatte. Er wusste nicht, ob es an ihrer Antwort auf seine Glückwünsche lag. Doch selbst als er vor einigen Stunden wach geworden war, machte sein Herz vor Freude einen Extraschlag, als er wieder daran dachte. Als einige Zeit später sein Handy klingelte, sprintete er fast schon vom Bad ins Wohnzimmer. Er wusste, worauf er hoffte. Umso enttäuschte war er, als nur Saori am anderen Ende der Leitung war.

Sie fragte ihn, ob er bei dem schönen Wetter Lust hatte, mit ihr im Jubaan-Park Tretboot zu fahren. Mamoru hätte sie nur allzu gerne abgewiesen. Aber dann fing sie an zu jammern und er war auch noch so nett und fragte nach, was denn los sei. Sie schluchzte fast in den Hörer, dass ihr Freund sie verlassen hätte und sie ganz dringend eine Ablenkung bräuchte. Ihm kam ihr Rumgeheule leicht übertrieben vor. Schließlich waren die Brünette und ihr Freund gar nicht so so lange zusammen gewesen. Vielleicht vier Wochen. Doch er schwieg, als er sich daran erinnerte, dass auch Usagi ihre Trennung nahe gegangen war. Und ihm ja irgendwie auch. Also willigte er ein.

Mamoru war ein wenig zu früh dran. Eigentlich viel zu früh. Sie waren für drei Uhr vorm Parkeingang verabredet. Es war gerade mal kurz nach zwei. Daher entschloss er sich, spaßenshalber mit dem Bus noch bis zum Crown zu fahren und den Rest des Weges wieder zurückzugehen. Sein Gefühl sagte ihm, er solle einen unverfänglichen Blick ins Crown werfen. Und vielleicht hatte er Glück und Usagi war ja da. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann wollte er sie unbedingt sehen. Wollte sehen, ob ihr Blick immer noch so traurig war oder ob seine Glückwunsch-Nachricht vielleicht etwas bewirkt hatte. Innerlich hoffte er es, weil es ihm immer noch einen Stich in sein Herz versetzte, wenn er an ihre sonst so selten traurig wirkenden Augen dachte.

Als der Bus hielt und er ausgestiegen war, ließ er den Blick schweifen. Es war erst eine Woche her, dass er von Motoki rausgeschmissen wurde. Und trotzdem kam es ihm vor, als wäre es eine kleine Ewigkeit her, in dieser Gegend gewesen zu sein. Er seufzte leise und ging über die Straße, als die Ampel das kleine grüne Männchen aufzeigte. Sein Herz schlug mit jedem Schritt schneller und er kam sich vor, als wäre er in ein Joggingtempo verfallen. Was jedoch nicht der Fall war. Scheinbar war es die bloße Vorstellung, gleich Usagi zu sehen, die dafür sorgte, dass ihm sein Herzschlag so ungesund vorkam. Mamoru kam zum Stehen und schaute direkt in die Richtung der breiten Fensterfront des Crown, hinter der er wusste, dass dort der Stammtisch der Clique stand. Augenblicklich stockte ihm der Atem und sein Herz setzte aus.

Da saß sie!

Dort saß Usagi zusammen mit den Mädchen und Motoki. Sie lachte. Sie wirkte glücklich. Und er wusste warum. Wut brodelte in ihm auf, er hörte sein eigenes kochendes Blut im Ohr rauschen. Ohne weiter groß darüber nachzudenken, ging er in großen Schritten auf die Schiebetüre des Cafés zu und trat hinein. Er sah sich gar nicht erst groß um, sondern lief direkt auf den Tisch zu.

Mamoru ging gar nicht erst auf die erstaunten Ausrufe ein, die erklangen, als er am Tisch stand. Seine Augen waren auf Usagi fixiert, die ihn überrascht ansah. Er sah ihre Verwirrtheit, ließ sich jedoch davon nicht irritieren.

„Ich wusste es!“, polterte er los. „Von wegen du heulst dich wegen mir die Augen aus.“

„Was?“, irritiert und mit großen Augen sah Usagi ihn an, blickte dann zu den anderen. Doch die sahen sie ebenso fragend an.

„Mir macht Minako versteckte Vorwürfe, weil ich einen Nachmittag mit Saori verbringe und du bist nicht besser. Nein! Du schmeißt dich ausgerechnet an Seiya ran. Wie armselig bist du eigentlich und wie nötig hast du’s?“

Motoki wollte aufspringen, aber Seiya war schneller. Er ging um Usagi herum und stellte sich zwischen sie und Mamoru. Er versuchte mutig zu sein, aber er war alles andere als das. Sein Gegenüber war einen guten Kopf größer als er und schaute auch nicht gerade freundlich aus. Eher das Gegenteil. Mamorus ozeanblaue Augen funkelten wütend. Seine Fäuste waren geballt.

„Sie hat sich nicht an mich heran geschmissen.“, Seiyas Stimme zitterte leicht.

„Nimmst du sie in Schutz?“

„Ja. Weil du gerade Blödsinn erzählst.“

Die Blicke der beiden Schwarzhaarigen trafen sich. Usagi hielt die Luft an. Gerade wusste sie nicht so recht, was sie von diesem ungleichen Hahnenkampf halten sollte. In Mamorus Augen konnte sie Wut sehen und Seiya stand einfach nur stocksteif da. Die Luft zwischen ihnen war zum Zerreissen gespannt. Nicht nur sie fragte sich, ob die beiden nur miteinander reden oder ihre Fäuste sprechen lassen würden.

„Usa, du musst was tun. Sonst schlagen die sich gleich die Schädel ein.“, Ami hatte sich über den Tisch gebeugt und sah besorgt zwischen Usagi und den beiden jungen Männern hin und her.

Die Blondine nickte nur und stand langsam auf, schob sich an Seiya vorbei und streckte vorsichtig ihre Hand aus, um die von Mamoru zu greifen.

Dieser war überrascht über diese Geste und sah zu Usagi. Er sah das Flehen in ihren Augen und wie sie den Kopf leicht schüttelte.

„Mamo-chan.“

Er schwieg. Sie sah zu Seiya, der ihren Blick erwiderte und dann wieder zu Mamoru sah.

„Es ist meine Schuld, dass ihr beide euch getrennt habt.“, seine Stimme war fest und klar. „Wenn du mir fünf Minuten gibst, werde ich es dir erklären. Und danach wirst du begreifen, dass Usagi die Unschuld in Person ist.“

„Ich geb dir drei Minuten. Und wenn es mich nicht überzeugt, dann gnade dir Gott.“, die Stimme des Oberstufenschülers glich einem Knurren. Sein Blick war auf die Augen seines Gegenüber geheftet. Eine Tatsache die Usagi ihrerseits nutzte und ihn widerstandslos auf ihren Stuhl platzierte. Sie selbst nahm sich einen neuen.

Seiya vermied den stechenden Blick von Mamoru. Es reichte, dass der Ältere es damit schaffte, bei ihm eine Gänsehaut hervor zurufen. Er schluckte schwer. Aus dem Augenwinkel sah er, wie auch Usagi ihren Blick gesenkt hatte. Genau wie die anderen. Scheinbar wagte es keiner, Mamoru anzusehen. Als er anfing zu erzählen, erkannte er seine eigene Stimme nicht mehr wieder. Sie klang seltsam fremd und rau. Und gleichzeitig viel zu hoch. Seiya hatte das Gefühl, dass sich Unmengen an Schweiß auf seiner Stirn und in den Innenflächen seiner Hände bildeten. Immer wieder kam er ins Stocken, weil er neuen Mut sammeln musste, um weiterzusprechen. Alleine die Statur von Mamoru reichte aus, um ihm Angst einzujagen. Und dabei saß er noch. Er wollte sich nicht ausmalen, was passierte erst, wenn er aufsprang?! Er konnte hören, wie sein Sitznachbar scharf die Luft einzog, als er zu dem Teil mit den Fotos kam. Vorher war er noch halbwegs gelassen gewesen. Zwar angespannt, aber nicht so wie jetzt. Seiya sah nur halb, wie Mamoru unruhig zu Usagi sah, die nun auch den Kopf gehoben hatte und seinen Blick erwiderte. Ihre Hand hielt immer noch seine und als ob sie ihn beruhigen wollte, strich sie mit dem Daumen über seinen Handrücken.

„Ich hab es schon Usagi gesagt. Ich wusste nicht, dass es solche Fotos sind. Ich dachte, es wären harmlose Knutschbilder. Und keine, auf denen Usagi halbnackt auf einem Kerl sitzt.“

Mamoru gab nur ein verständnisloses Schnauben von sich.

„Ich wäre auch ausgerastet, wenn ich solche Fotos gesehen hätte.“

Der Oberstufenschüler stand schweigend auf. Fuhr sich durch die Haare und ging einige Schritte, während die Wahrheit zu ihm durchsickerte. Die anderen am Tisch erinnerte es an Usagi, die nach dem Geständnis ihres Mitschülers genauso umher getigert war. Seiya fiel auf, dass er nicht mehr so angsteinflössend war. Er suchte Usagis Blick, doch sie hatte nur Augen für Mamoru.

Usagi achtete nicht mehr auf die anderen am Tisch. Für sie zählte jetzt nur eine Person hier im Crown. Sie stand auf und ging langsam zu Mamoru. Er stand mit dem Rücken zu ihr. Seine Hände waren immer noch zu Fäusten geballt und er schien zu zittern. Liebevoll umschlang sie ihn von hinten mit ihren Armen und drückte sich vorsichtig an ihn. Sie spürte, wie er eine Hand auf ihre legte. Sie war so groß, dass sie problemlos ihre beiden kleinen Hände umfasste.

„Hinterzimmer?“, ihre Stimme war leise und nur für ihn hörbar. Er nickte nur und folgte ihr, noch immer ihre Hand haltend zur Tür hinterm Tresen.

Seiya sah ihnen wie der Rest des Tisches hinterher. Traurigkeit schlich sich in sein Herz. Ihm war klar, dass die beiden wieder zueinanderfinden würden. Und er war sich bewusst, dass Mamoru für Usagi die bessere Wahl war. Dennoch machte sich sowas wie Liebeskummer in ihm breit, als er sich abwandte und betrübt auf den Tisch vor sich schaute.

„Du hast das Richtige getan.“, Makoto sah Seiya aufmunternd an.

„Hoffentlich.“
 

Das verstaubte Fenster des Hinterzimmers ließ nicht viel Licht herein. Aber es genügte für den Augenblick.

Usagi ließ sich auf das alte und durchgesessene Sofa fallen. Wie oft hatte sie hier schon gegessen? Sie wusste es nicht.

„Willst du dich nicht setzen?“, sie sah zu Mamoru, der mit dem Rücken zu ihr stand und scheinbar eifrig die im Regal liegenden Kaffeepäckchen bestaunte. Er schüttelte mit dem Kopf. Er kam sich vor wie der letzte Idiot. Seine Usagi war unschuldig gewesen und er hatte ihr nicht geglaubt. Sie hatte soviele Tränen wegen ihm vergossen und doch war sie jetzt hier mit ihm im Hinterzimmer und sprach kein böses Wort über seine Dummheit.

„Ich hab mich über deine Nachricht gestern Abend gefreut.“

Sie versuchte Normalität zwischen sie zu bringen. Er bewunderte sie dafür, verstand aber ihre Vorgehensweise nicht.

„Usako. Du solltest mich hassen.“, seine Stimme klang brüchig.

„Warum sollte ich das tun?“

Wie naiv sie doch war. Er lachte leise auf.

„Ich hab dir so wehgetan und nicht geglaubt. Ich bin so ein Idiot!“

Die Blondine sah, wie seine Schulter bebten und sie sprang auf. Rannte um den Tisch herum und fasste ihn am Arm. Sie spürte seinen Widerstand, ließ ihn aber nicht zu. Mit ein wenig Schwung drehte sie ihn um. Er wandte sein Gesicht ab, aber selbst im schwachen Lichtschein konnte sie sehen, dass er weinte. Sanft fuhr sie mit ihrer Hand über seine Wange und fing so ein paar Tränen auf.

„Es tut mir so leid, Usako.“

Ohne das sie es hätte aufhalten können, sank er auf die Knie. Den Fluss an Tränen konnte er genauso wenig aufhalten wie sein Schluchzen. Ja, er hatte auch in den letzten Tagen wegen ihr geweint. Aber nicht so heftig. Es war lange her, dass es ihm so erging wie jetzt. Mamoru bemerkte, wie sie ihre Arme um ihn schlang. Sein Kopf lehnte an ihrer Brust und ihre Finger fuhren beruhigend durch seine schwarzen Haare.

„Scht, alles ist gut. Du kennst doch jetzt die Wahrheit.“

„Warum hasst du mich nicht?“, schluchzte er und vergrub sein Gesicht an ihrer Brust.

„Ich kann doch nicht den Menschen hassen, der mir am meisten auf der Welt bedeutet.“

Er schwieg.

„Du hast mir meinen ersten Kuss geschenkt und meinen ersten Liebeskummer. Selbst wenn Seiya heute nicht die Wahrheit gesagt hätte, hätte ich dich nicht hassen können. Ich hätte auf dich gewartet. Solange bis du es eingesehen hättest.“

„Und wenn das nie geschehen wäre?“

„Dann wäre ich wohl als alte Jungfer irgendwann gestorben.“, sie lachte leise und schob ihn ein wenig von sich. „Ich liebe dich, Mamo-chan.“

Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre kleinen Hände und näherte sich langsam seinem. Hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor ihre Augen seine trafen.

Mamoru sah sie mit großen Augen an. Er verstand nicht, wieso sie ihm so schnell verziehen hatte. Und doch war er ihr dafür unendlich dankbar.

„Ich hab mich so einsam ohne dich gefühlt. Ich wusste nicht, was ich machen sollte.“

„Warst du deshalb krank?“, sie sah ihn fragend an. Wischte ihm eine neue Träne von der Wange.

„Ja. Ich kam mir so unvollständig vor. Du hast mir so gefehlt. Ich konnte nicht richtig schlafen und habe mich so gefühlt wie damals, als meine Eltern gestorben waren.“

Usagi hielt die Luft an.

„Sie hatten doch versprochen, immer für mich da zu sein.“

Die Blondine schloss ihn wieder in ihre Arme. Fuhr ihm zärtlich über den Rücken.

„Als ich dich das erste Mal getroffen hatte, hatte ich so ein komisches Gefühl.“

„Ein komisches Gefühl?“

„Ja. Ich hab dich gesehen und wusste, dass du was Besonderes bist.“

„Wir haben uns immer nur gestritten.“

Jetzt löste Mamoru sich ein wenig von ihr, wischte sich die letzten Tränen weg und lächelte leicht nickend.

„Schon. Aber immer wenn ich auf dich traf, fühlte ich mich weniger einsam. Deswegen war ich auch so überfordert, als du mir gestanden hast, dass du in mich verliebt bist. Ich habe damit nicht gerechnet. Ich war immer so unfreundlich zu dir. Und im Gegensatz zu mir bist du so ein fröhlicher Mensch. Nicht so ein Griesgram und Gefühlsautist wie ich. Ich war so glücklich, als du Ja zu dieser Beziehung auf Probe gesagt hast. Aber ich war auch eifersüchtig. Das war ich schon, seit wie uns kennen. Immer wenn du dich mit Motoki normal unterhalten hast, war ich sauer. Sauer auf mich, weil ich scheinbar nicht dazu in der Lage war und sauer auf dich, weil du Motoki mit vorgezogen hast und auf ihn, weil er es in meinen Augen ausnutzte. Als mir Saori dann die Fotos gegeben hat und ich dich darauf sah, wie du wohl mit einem beziehungsweise mehreren Jungen rumgemacht hast, sind bei mir die Sicherungen durchgeknallt. Ich kam gar nicht auf die Idee, diese Fotos zu hinterfragen.“

„Deshalb hast du mir nicht geglaubt.“

„Ja. Es tut mir leid, Usako. Ich war am Anfang so euphorisch gewesen, weil wir diese Beziehung hatten. Und dann hintergehst du mich angeblich und lässt mich genauso alleine, wie es meine Eltern getan haben.“

„Oh, Mamo-chan. Du bist so ein Baka!“

„Ich weiß.“, er klang kleinlaut. „Und dann habe ich dir auch noch deinen Geburtstag versaut. Dabei wollte ich dir doch sagen, dass…“

Seine Augen trafen ihre. Er konnte die Erwartung in ihnen sehen. Lächelte leicht und näherte sich mit seinem Gesicht ihrem. Er spürte ihren warmen Atem auf seiner Haut, der stoßweise ging. Sein Herz begann in freudiger Erwartung schneller zu schlagen und ein Kribbeln machte sich in seinem Bauch breit. Usagi würde sagen, er hätte Schmetterlinge im Bauch.

„Was wolltest du mir sagen?“, ihre Stimme war nur noch ein Hauchen.

„Usako.“, er musste schwer schlucken. Sie schüttelte nur leicht den Kopf. Er musste es nicht sagen. Sie verstand es auch so, als sich ihre Lippen vorsichtig berührten.
 

Der leichte Wind fuhr ihr durch die Haare. Saori war ein wenig zu früh dran. Sie sah nervös auf ihre Armbanduhr. Er zeigte zehn vor drei. Sie stand schon seit fünf Minuten hier und wartete auf Mamoru. Ihre Augen suchten die Umgebung ab, während sie erwartungsvoll auf ihren Füßen vor und zurück wippte. Normalerweise war Mamoru immer pünktlich und meistens eher da als sie. Deswegen war sie heute auch früher losgegangen. Sie wollte ihn nicht zu lange warten lassen. Die Brünette sah an sich herab und strich ihr Kleid glatt, dass sie sich gestern noch gekauft hatte. Weiß mit bunten Blumen am Saum die sich nach oben immer weiter verstreuten. Es würde ihm sicher gefallen.

Schon seit ihrem Anruf und seiner Zusage heute Vormittag war sie im Bad gestanden und hatte sich zurecht gemacht. Eigentlich hatte sie mehrere Anläufe für ihr Make-Up gebraucht. Immerhin hatte sie ihm gesagt, dass sie erst frisch getrennt war. Es durfte also nicht übertrieben wirken. Sie kannte Mamoru gut genug und wusste, dass er ihr nicht sofort Avancen machen würde. Das würde noch einige Tage in Anspruch nehmen. Erstmal musste sie die Leidende vorspielen. Sein Mitleid erwecken und noch mehr sein Herz berühren. Mamoru war viel zu viel Gentleman, als dass er ihre Gefühle wegen des vermeindlichen Exfreundes ignorieren würde. Sie musste nur noch ein wenig Geduld haben. Vielleicht sollte sie ihm vorspielen, dass sie schüchtern war. Das sie seine Gefühle für sie ein wenig überforderten. Damit würde sie ihn reizen und aus der Reserve locken und irgendwann seinem Charme erliegen. Obwohl sie das längst schon war.

Ungedulig sah sie sich um. Wieder blickte sie auf ihre Uhr. Es war mittlerweile drei. Und Mamoru war nirgends zu sehen. Wo steckte er nur? Sie holte ihr Handy aus der Tasche. Ein Lächeln zierte ihre Lippen, als sie das Hintergrundbild sah. Es zeigte sie und Mamoru. Jeder von ihnen hatte ein Eis in der Hand. Das Foto hatte sie vor zwei Tagen gemacht, als sie mit ihm spazieren gegangen war. Bevor diese komische Freundin von Usagi aufgetaucht war. Deswegen lächelte Mamoru auch noch. Nach diesem Treffen war er eher in sich gekehrt gewesen. Saori war es nicht entgangen, dass er immer wieder in Gedanken versunken gewesen war. Erst hatte sie sich darüber geärgert. Doch dann begann sie damit, es einfach zu ignorieren. Irgendwie würde sie ihn schon auf andere Gedanken bringen.

Zu offensichtlich durfte sie sowieso nicht vorgehen. So gut es ihre Gefühle zuließen, hatte sie noch einen gewissen Abstand zu ihm eingehalten. Auch wenn es ihr schwer gefallen war. Sein männliches Parfüm zog sie mehr und mehr in den Bann. Aber vor zwei Tagen hatte sie ja auch noch einen Freund. Da musste sie sich zurückhalten.

Heute sah die Sache ganz anders aus. Ab heute würde sie Mamoru mit jedem Tag und jedem neuen Date mehr und mehr für sich gewinnen. Bald wäre diese Usagi nur noch eine Randerscheinung in seinem Leben. Ein kurzes flüchtiges und dummes Abenteuer, dass man als Jugendsünde abstempeln konnte. Über die man hinweg sehen konnte. Sie selbst hatte es ihm schon verziehen. In einigen Wochen würde er diese dumme Nuss nicht mal mehr grüßen, wenn er Saori doch mal wieder mit ins Crown schleppte. Und wahrscheinlich würde sie ihm das auch abgewöhnen. Es gab wesentlich stilvollere Cafés als diesen Schuppen. Mamoru sollte sich sowieso lieber nach einflussreicheren Freunden umsehen. Sie selbst kam ja aus gutem Hause und er ebenso. Warum sollte er sich dann mit so karriereresistenten Leuten umgeben wie diesen Motoki und seine Schwester? Und Mittelstufenschüler waren sowieso unter seiner und vorallem ihrer Würde.

Erneut sah sie sich um. Wo steckte er nur? Ihr Handy zeigte mittlerweile zehn nach drei. Sie suchte seine Nummer heraus und ließ es klingeln.

Passion

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Finally

Ihre Laune war großartig. Hätte es Usagi nicht besser gewusst, hätte sie geglaubt, dass sich sogar das Wetter nach ihr richtete. Die Sonne knallte geradezu vom Himmel und keine einzige Wolke war zu sehen. Sie hätte die Welt umarmen können. Es hatte sie nicht mal gestört, dass sie wieder einmal vor der Türe stehen musste, weil sie dreißig Minuten zu spät zum Unterricht bei Fräulein Haruna erschienen war. Dafür hatte sie immerhin in Ruhe zuhause frühstücken können. Irgendwie hatte ihre Mutter darauf heute Morgen großen Wert gelegt. Sie war sowieso schon seit gestern Abend so gut gelaunt.

Als Usagi gegen neun Uhr heim gekommen war, wollte sie eigentlich gleich im Zimmer verschwinden. Aber ihre Mutter fing sie ab. Fragte, warum sie jetzt erst kam und warum ihre Laune so hervorragend war. Die Blondine konnte nicht anders, als ihr zu erzählen, dass sie und Mamoru sich wieder vertragen und zusammengefunden hatten. Nach diesem Satz, hatte Ikuko sie sofort in die Küche gezerrt und nach allen Einzelheiten gefragt. Ihre Tochter gab bereitwillig Auskunft. Nur die Sache mit dem Sex verschwieg sie. Alles musste ihre Mutter ja nun auch nicht wissen. Wahrscheinlich kam sie ohnehin irgendwann selbst drauf. Und das viel schneller, als es Usagi lieb war. Denn schon heute Morgen, und nachdem ihr Vater und ihr Bruder weg waren, hatte Ikuko sie ganz unverblümt gefragt. Usagi war fast die Reisschüssel aus der Hand gefallen.

„Wie…“, sie stotterte und verschluckte sich an einigen Reiskörnern.

„Erstens war ich auch mal jung. Und zweitens läufst du wie auf rohen Eiern.“, kicherte Ikuko. „Aber keine Sorge, der Muskelkater geht auch vorbei. Du hast eben neue Muskeln beansprucht.“

Usagi starrte ihre Mutter an. War es so offensichtlich? Sie hatte schon beim Aufstehen gemerkt, dass ihr unten rum alles wehtat. Aber das sie auch komisch deswegen lief, überraschte sie jetzt doch. Ob es Mamoru auch so ging? Es war ja auch sein erstes Mal, dass hatte er ihr gestern Abend noch gestanden, als sie zusammen gegessen hatten.

„War es schön?“, Ikuko stand an der Spüle und lächelte sie an.

„Ja.“, Usagi grinste verlegen und mit einem Rotschimmer um die Nase zurück. „Es passte einfach.“

„Ich freu mich für euch. Und wie geht es nun weiter?“

Ihre Tochter sah sie nur ratlos an und erklärte ihr, dass Seiya sich etwas überlegen wollte.

„Seid ihr jetzt Freunde? Ich dachte, du kannst ihn nicht ausstehen.“

„Er hat sich für sein Verhalten entschuldigt. Mamoru hat ihm auch schon halb verziehen.“

Ihre Mutter hatte nur genickt. Sie hatten noch einige Minuten geplaudert, bevor Ikuko sie endgültig in die Schule schickte.

Nun saß sie hier auf der Wiese im Innenhof der Schule und aß zusammen mit Ami und Makoto ihr Bento. Auch die beiden Mädchen hatten sie gefragt, ob sie und Mamoru sich gestern noch ausgesprochen hatten. Ihnen beiden verschwieg Usagi, was nach Saoris Auftauchen geschehen war. Sie war schon froh, dass den beiden wohl nicht das auffiel, dass sie komisch ging. Oder sie sprachen es nicht an.

„Sie kam danach noch ins Crown.“, Makoto sah die Blondine kauend an. Sah ihre überraschte Reaktion in den blauen Augen.

„Echt?“

Ami nickte.

„Was habt ihr gemacht? Seiya war doch bei euch.“

„Ich wurde ins Hinterzimmer verfrachtet.“

Die drei Mädchen sahen auf. Seiya stand neben ihnen und ließ sich augenblicklich ins Gras fallen und öffnete ebenfalls seine Bentobox, seufzte auf.

„Was ist?“, Ami sah ihn fragend an.

„Eure Bento sehen viel besser aus als meine. Vorallem Usagis.“

Die Angesprochene starrte auf ihr Essen. Jetzt fiel es ihr auch auf. Ihre Mutter hatte ihr viel mehr reingepackt als sonst. Sogar frittierte Garnelen. Eine Seltenheit um die Usagi sonst immer betteln musste. Scheinbar hatte ihre Mutter genauso gute Laune wie sie selbst. Sie hielt Seiya neben sich die Box hin.

„Nimm dir was. Es ist ohnehin viel zu viel.“

„Wir können ja alle zusammen legen.“, Makoto schob ihre Box in die Mitte der kleinen Runde und die anderen taten es ihr nach.

„Du warst also im Hinterzimmer?“, die Blondine sah den Schwarzhaarigen kauend an.

Er nickte nur und erzählt, wie es dazu kam. Ami ergänzte seine Erzählungen mit dem, was Saori gesagt hatte. Usagi hörte aufmerksam zu, bevor sie Mamoru eine Nachricht schrieb und es ihm so mitteilte. So bekam sie nur am Rande mit, wie sich einige Mitschülerinnen neben sie setzten und lautstark anfingen, über sie zu tratschen. Erst als ihre Freunde um sie herum ruhiger wurden, hob sie den Blick. Sah, wie Ami ihre Finger in den Rock krallte und Makoto und Seiya wütend zur Seite starrten. Sie folgte dem Blick der beiden und sah die Gruppe Mädchen, die keinen Hehl daraus machten, dass sie die Blondine offensichtlich nicht leiden konnten. Unverhohlen und abschätzig sahen sie zu ihr. Erst jetzt drangen auch ihre Worte an Usagis Ohr. Sie stand auf und holte tief Luft. Wollte gerade ansetzen, um den Mädchen die Meinung zu geigen, als Seiya eine Hand auf ihre Schultern legte. Verwirrt sah sie ihn an. Er schüttelte den Kopf.

„Es war meine Schuld. Also kläre ich das jetzt auch.“

Sie ließ sich wieder auf den Boden fallen, während er an ihr vorbei und direkt auf die Mädchengruppe zu ging.

„Hey!“, er sprach laut genug, dass die drei hinter ihm es mitbekamen.

Usagi hätte schwören können, dass sich kleine, rosa Herzchen in den Augen der Mädchen bildeten.

„Hallo Seiya-kun!“, eine Schwarzhaarige warf ganz offensichtlich ihr Haar nach hinten. Auch die anderen winkten ihm verliebt zu.

Makoto kam beinahe ihr Essen wieder hoch bei dem Anblick.

„Habt ihr es eigentlich letzte Woche nicht mitbekommen?“, Seiya schaute abschätzig zu ihnen hinab.

Ami musste kichern.

„Was denn?“, eine Rothaarige sah den jungen Mann mit großen Augen an.

„Das ich und Tsukino nicht zusammen sind? Wir waren es auch nie und werden es nie sein.“

„Na zum Glück. Die schläft doch eh mit jedem.“, die Schwarzhaarige erntete dummes Gekicher von ihren Freundinnen. „Wer weiß, was die sich schon so alles eingefangen hat.“

„Ihr habt sie doch nicht mehr alle!“, Seiya war lauter geworden. „Sie hat einen Freund. Nur einen! Einen sehr netten Oberstufenschüler von der Motoazabu. Und sie ist ihm treu. Sie hatte nie was mit mir oder einem anderen Jungen dieser Schule.“

„Da erzählen die Jungs aber was anderes.“, ein Mädchen mit kurzen braunen Haaren sah Seiya herausfordernd an.

„Weil sie Idioten sind. Genau wie ich es war. Sie wünschen sich, mit ihr zusammen zu sein und wissen, dass sie keine Chance haben. Liest man sowas nicht in Mädchenzeitschriften? Und jetzt lasst sie in Ruhe. Sie wird weder mich euch wegnehmen noch einen anderen Jungen. Verstanden?“

Sprachlos sahen die Mädchen erst ihn an und dann zu Usagi. Die hatte ihren Blick gesenkt. Es war ihr peinlich, dass Seiya sich so für sie einsetzte. In der Weise erinnerte er sie an Mamoru. Die beiden hatten wohl doch was gemeinsam.

„Habt ihr es verstanden?“, Seiyas Stimme war eher ein Knurren. Erschrocken darüber nickten die Mädchen nur. Schauten verlegen zu Usagi und murmelten Entschuldigungen.

„Ihr könnte ja Seiyas Erklärung gerne weiter tratschen. Vielleicht macht es ja die Runde.“, Makoto grinste frech zu den Schülerinnen.

„Ja sicher, kein Ding!“, die Schwarzhaarige und ihre Freundinnen erhoben sich. „Entschuldige bitte, Tsukino.“

Sie alle verbeugten sich vor ihr.

„Schon okay.“, Usagi lächelte sie nur an. Sah ihnen nach, wie sie im Schulgebäude verschwanden.

„Du bist echt zu gut für diese Welt!“, Seiya setzte sich wieder neben sie und schob sich einige eingelegte Sojasprossen in den Mund.

„Ich kann nun mal nie lange böse sein. Nicht mal auf dich. Obwohl du so einen Mist gebaut hast.“

„Du bist ja nicht mal auf Mamoru böse gewesen.“, warf Ami ein. „Er hat dir so fiese Sachen an den Kopf gehauen und du hast ihn wieder mit offenen Armen empfangen.“

Die Blondine hob nur die Schultern, schaute hinab auf ihr Bento. Wenn die drei wüssten, dass sie Mamoru gleich noch am selben Abend ihre Jungfräulichkeit geschenkt hatte, hätten sie Usagi als verrückt bezeichnet.

„Das ist eben unsere Usagi. Ein Engel durch und durch.“, grinste die Brünette in die Runde.

Seiya ließ sich ins Gras fallen. Verschrenkte die Arme hinter seinem Kopf und schaute in den Himmel.

„Ich kann verstehen, dass Mamoru dir verfallen ist.“, er spürte den brennenden Blick Usagis auf sich. „Mit dir hat er wirklich Glück gehabt. Ich kenne keinen Menschen, der so ein großes Herz hat wie du.“

„Seiya.“

„Ihr passt wirklich gut zusammen. Ich hab das nur zu spät bemerkt und wollte es nicht wahrhaben. Aber es ist so. Ich glaube kaum, dass euch jetzt noch was trennen kann.“

Erstaunt sahen auch die anderen beiden zu dem Mitschüler, der jetzt die Augen geschlossen hatte und scheinbar vor sich hin döste. Sie schauten ihn noch einen kurzen Moment an, aber er rührte sich nicht weiter. Daher nahm Ami das Gespräch wieder auf. Sie widmeten sich anderen Themen. Weniger Usagis und Mamorus Beziehung, eher Musik und Filme.

Seiya blieb still. Er schlief nicht wirklich, hatte nur die Augen geschlossen. Hing seinen Gedanken nach.

Er hatte Usagi die Wahrheit gesagt, als er meinte, dass sie und Mamoru gut zusammen passten. Aber er behielt es für sich, dass er sicher auch keine schlechte Wahl gewesen wäre. Er wollte nur nicht als schlechter Verlierer dastehen. Dabei beneidete er den Oberstufenschüler wirklich um sein Glück. Erst wollte er nichts von der Blondine und nun waren sie wohl wie Pech und Schwefel. Dem Schwarzhaarigen war klar, dass Mamoru das Mädchen nie wieder gehen lassen würde. Seiya konnte es nur allzu gut nachvollziehen. Er selbst hätte Usagi mit seinem Leben beschützt. Ihr die Sterne und den Mond vom Himmel geholt, ihr die Sonne und die ganze Welt geschenkt. Aber all das wollte sie nicht von ihm sondern von einem anderen. Ihre Wahl war gefallen und er musste damit leben. Auch wenn es immer noch wehtat. Doch er wollte ihr nicht mehr im Wege stehen. Viel zu sehr hatte sie leiden müssen wegen ihm und dieser dämlichen Kuh Saori. Usagi sollte endlich glücklich werden.
 

Es war kurz vor halb fünf, als Mamoru in den Raum für den Uni-Vorbereitungskurs gehetzt kam. Er war das erste Mal in seinem Leben vollkommen aus der Puste und stützte die Hände auf die Oberschenkel, um seinen Atem wieder einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen. Er ahnte, dass er gerade einen sehr lächerlichen Anblick bot. Die Blicke der anderen Kursteilnehmer bohrten sich förmlich in ihn hinein.

„Chiba, schön Sie hier zu sehen.“, der Lehrer kam auf ihn zu. „Miyazuki hat sie entschuldigt, weil Sie krank sind. Was machen Sie hier?“

„Ishiguro-san, guten Tag!“, Mamoru verbeugte sich. „Es war scheinbar nur ein leichter Infekt, ich war bereits beim Arzt. Mir geht es wieder gut.“

„Na wenn das so ist, setzen Sie sich. Wir fangen in zwei Minuten an. Haben Sie den Stoff der letzten Woche nachgeholt?“

„Ja.“

Ishiguro nickte und der Schwarzhaarige setzte sich neben Kobajashi. Das Saori ihn überrascht und schmachtend zugleich ansah, überging er. Stattdessen war er sofort in ein Gespräch mit seinem Tischnachbarn vertieft, dass nur durch den Beginn des Kurses unterbrochen wurde.

Mamoru war froh, wieder hier zu sein. Eigentlich wollte er auch diese Woche nicht kommen. Aber nach dem gestrigen Tag musste er seiner guten Laune einfach freien Lauf lassen. Nachdem er schon Usagi mit einer Sonnenblume und zwei silbernen Ohrringen in Hasenform überrascht hatte, als er sie nach der Schule kurz im Crown traf, musste nun Kobajashi an seinem Überschuss an Endorphinen teilhaben. Der war ohnehin so neugierig, dass sich Mamoru sogar dazu hinreißen ließ und mit ihm Zettelchen schrieb, die im Minutentakt von einem Tisch zum anderen wanderten. Er schrieb seinem Kumpel fast alles. Bis auf die Sache mit dem Sex. Das ging niemanden etwas an. Als er Kobajashi von Saoris hinterhältigem Plan schrieb, erntete er einen überraschten Blick von Kobajashi. Und Mamoru konnte nicht anders und grinste nur nickend, während er die Notizen von der Tafel abschrieb.

Sein Freund konnte es kaum glauben, was er gerade las. Er wusste schon immer, dass Saori ein hinterhältiges und verwöhntes Misttück war. Das sie aber soweit ging, nur weil sie Mamoru haben wollte und nicht auf Gefühle Rücksicht nahm, schockierte ihn jedoch gewaltig. Verstohlen warf er einen Blick über seine Schulter zu der Brünetten. Sie bemerkte es und lächelte ihn honigsüß an. Er versuchte es zu erwidern, dabei wurde ihm fast schlecht und er wandte sich wieder ab. Kobajashi hatte geglaubt, dass Saori erkannte, wenn sie verloren hatte. Und Mamoru wirkte sehr glücklich in seiner Beziehung. Wie konnte man sowas mutwillig zerstören? Abgesehen davon dass sie dem Schwarzhaarigen mit ihrer dummen Eifersucht wehgetan hatte und jetzt noch ernsthaft daran glaubte, er würde sich ihr zuwenden. Sie war eine dumme und einfältige Pute.

Saori sah, wie die beiden jungen Männer vor ihr Zettelchen austauschten. Und das so schnell, dass einem davon fast schwindelig werden konnte. Sie wusste, dass die beiden sich schon immer gut verstanden. Aber was bitte war so wichtig, dass es nicht bis zur Pause hin Zeit hatte? Sie versuchte sich krampfhaft auf den Unterricht zu konzentrieren. Doch das Rascheln der kleinen Papierzettel lenkte sie immer wieder ab. Dazu noch die Neugierde über was die beiden wohl schrieben. Vielleicht ging es ja um sie? Hoffnung machte sich in ihr breit, obwohl sie bei Mamorus Auftauchen eher enttäuscht war. Er hatte sie kein bisschen beachtet. Aber er war ja auch spät dran. Sie ärgerte sich ein wenig, weil sie sich nicht besonders aufgehübscht hatte. Hätte sie gewusst, dass er doch heute kam, dann hätte sie ihre Haare offen getragen. Nicht zu einem langweiligen Pferdeschwanz gebunden. Und sie hätte ihren Rock am Bund eingerollt und so die Länge modisch verkürzt. Jetzt war er knielang und sie sah eher grau aus als attraktiv.

„Miyazuki, was halten Sie davon, wenn Sie die Tagträumerei auf später verschieben und uns mal die Bestandteile der menschlichen Niere hier an der Tafel einzeichnen?!“, Ishiguro sah sie herausfordernd an. Saori schreckt auf. Das Kichern der anderen Schüler drang an ihr Ohr. Ihr Gesicht nahm eine ungesunde rote Farbe an. Ihre Augen huschten zu Mamoru, der nur spöttisch den Kopf schüttelte und grinsend zu Kobajashi sah. Lachten die beiden sie aus? Die Brünette verdrängte den Gedanken und ging zur Tafel.

„Die hat doch keine Ahnung.“, Kobajashi hatte sich zu Mamoru gebeugt. „Ist es denn so schwer, die Vene von der Aterie zu unterscheiden?“

Der Schwarzhaarige biss sich auf die Unterlippe und unterdrückte ein Lachen. Er musste den Blick von der Tafel abwenden, als es Saori fertig brachte, das Nierenbecken und den Harnleiter zu vertauschen. Er fragte sich, ob sie sich nur dumm stellte oder es tatsächlich war. Und wenn es letzteres war, warum war es ihm nicht vorher aufgefallen? Es erklärte allerdings, warum sie so viel mit ihm lernen wollte. Er seufzte auf. Erwiderte gar nicht ihren Blick, als sie an ihm vorbei ging. Mamoru ahnte eh, wie sie ihn ansah. Bittend und flehend. Aber darauf fiel er nicht mehr herein. Er und Kobajashi konzentrierten sich auf den Unterrichtsstoff. Dass die Oberstufenschülerin hinter ihnen den Tränen nahe war und krampfhaft versuchte ihre Schluchzer zu unterdrücken, übergingen die beiden jungen Männer genauso wie der Rest des Kurses und der Lehrer. Ishiguro holte noch einige Schüler nach vorne. Einschließlich Mamoru und Kobajashi als er sie beide beim Zettelchen schreiben erwischte. Allerdings konnten es sich die beiden auch leisten bei ihren Noten und den guten Aussichten, an der Tôdai angenommen zu werden. Im Gegensatz zu Saori die eher mittelmäßig war und nur auf die Universität sollte, weil es ihr Vater so vorsah.
 

„Okay, machen wir ein Viertelstunde Pause.“, der Lehrer lächelte in die Runde, während seine Schützlinge nickten und aufstanden.

Das war ihre Chance! Saori sprang auf und lief Kobajashi und Mamoru hinter her, die hinaus auf den Gang gingen. Sie stellte sich neben die beiden. Versuchte locker zu sein, obwohl sie das ganze Gegenteil war. Nervös sah sie immer wieder zwischen den beiden hin und her.

„Kann man dir irgendwie helfen?“, Kobajashi sah sie an. „Statt hier auf dem Gang zu stehen, solltest du lieber deine Nase wieder ins Buch stecken. Deine Leistung vorhin an der Tafel war ja unter aller Kanone.“

„Was geht es dich an? Ich hatte nur ein Blackout.“, fauchte sie zurück und wandte sich an Mamoru. „Können wir uns morgen zum Lernen treffen? Dir geht es ja wieder gut und nächste Woche schreiben wir ja schon wieder einen Test.“

„Sorry, Saori. Ich hab keine Zeit zum Lernen mit dir.“

Sie versuchte sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.

„Außerdem muss ich einem Freund helfen. Der hat im Moment ziemlichen Stress mit jemanden. Ich hab ihm mehr oder weniger versprochen, ihm aus der ganzen Misere heraus zu helfen.“, dass der Schwarzhaarige dabei an Seiya dachte, dem immer noch keine gute Rache eingefallen war, erwähnte er nicht. Er sah nur zu Kobajashi, der sofort verstand.

„Aber du machst doch nichts Unüberlegtes, oder?“

„Das weiß ich noch nicht so genau.“, bei Mamorus Worten brach Kobajashi in schallendes Gelächter aus.

„Klar, er will sich prügeln. Das würde ich dir glatt zutrauen.“

„Unterstütz ihn bitte nicht noch bei so einem Unsinn.“, Saori war entsetzt.

„Darf ich bitte mitmachen?“

Der Schwarzhaarige musste bei den Worten seinen Freundes nun selbst lachen und nickte nur.

„Ein bisschen Unterstützung wäre sicher nicht schlecht. Warte, ich schreib ihm das.“

„Mach nur.“

Mamoru holte sein Handy raus und tippte Usagi eine Nachricht. Sie sollte ruhig wissen und Seiya sagen, dass sie noch einen Unterstützer hatten. Je mehr Leute desto besser und umso eher würde Saori lernen, dass man so ein Spielchen nicht spielt. Umgehend kam eine Antwort retour und er hielt Kobajashi das Handy unter die Nase.

„Da scheint sich jemand zu freuen.“

„Ich denke auch.“, Mamoru rutschte vom Fenstersims, auf dem er gesessen hatte, runter. „Lasst uns reingehen.“

Saori lief neben den beiden wie ein begossener Pudel. Sie verstand nur die Hälfte von dem, was die beiden jungen Männer eher diskutiert hatten. Ging es wirklich um eine Prügelei? Kurz bevor sie am Zimmer ankamen, hielt sie Mamoru am Arm zurück. Überrascht fuhr der herum und sah sie fragend an.

„Ich geh schon mal.“, Kobajashi nickte ihm zu.

„Mamoru, was ist mit dir?“

„Was soll mit mir sein? Ich muss den Lernstoff nachholen und auch sonst hab ich privat gerade jede Menge zu tun.“

„Ist es immer noch wegen Usagi?“

Er nickte. Das es ihm wegen der Blondine eigentlich richtig gut ging, musste sie ja nicht wissen. Sollte Saori ruhig glauben, dass er immer noch Liebeskummer hatte.

„Hör mal, du musst sie vergessen. Ich war gestern im Crown und hab mit ihren Freundinnen geplaudert. Sie sagten, dass es ihr wieder ziemlich gut geht.“

„Achso?“

„Ja.“, Saori nickte und sah ihn eindringlich an. „Wahrscheinlich hat sie schon längst einen neuen Freund.“

„Meinst du?“, Mamoru versuchte geknickt auszusehen.

„Bestimmt. Sie ist nun mal nicht die treue Seele, für die du sie gehalten hast. Auch wenn es wehtut, aber du musst nach vorne sehen. Sie hat mit dir nur gespielt. Du warst nur eine Nummer für sie.“

„Du hast Recht. Zum Glück hast du mir die Fotos gegeben. Wie bist du da eigentlich rangekommen?“

Mamoru war gespannt auf ihre Antwort.

„Der Junge auf einem der Bilder war ein Mitschüler einer Freundin. Die hat dann das Foto gemacht, weil deren Cousine eigentlich mit ihm zusammen ist. Als sie mir die Fotos zeigte, erkannte ich Usagi drauf.“

„Oh, achso.“, er musste sich zusammen reißen, um ihr nicht sofort an den Kopf zu werfen, dass sie eine miese Lügnerin war.

Ishiguro rief nach ihnen.

„Gehen wir?“

Mamoru nickte nur, ließ ihr den Vortritt. Das er lächelte, sah sie nicht. Und das er umgehend Kobajashi auf einem Zettel alles mitteilte, was sie gerade gesagt hatte, wusste Saori nicht.

Sie war sich stattdessen sicher, dass sich Mamoru endlich ihr immer mehr zuwandte.
 

Das Crown war fast leer. Es saßen nur noch vereinzelt einige Pärchen herum, ein paar Freunde standen um die Spielautomaten und eine Gruppe Geschäftsmänner diskutierte an einem der hinteren Tische. Die meisten Schüler, die nachtmittags das Café belagerten, waren schon nach Hause gegangen.

Motoki überließ seiner Aushilfe den Rest des Abends, während er die Schürze an den Nagel hängte und zu seinen Lieblingsgästen ging, zu denen seid gestern auch Seiya gehörte. Er balancierte ein Tablett mit vollen Gläsern und Tassen auf den Tisch, verteilte es. Sein Blick fiel auf die Uhr hinter dem Tresen. Sie zeigte kurz nach sieben. Bald würde Mamoru hier auftauchen mit Kobajashi. Usagi hatte der Clique schon davon berichtet, dass der Schwarzhaarige einen weiteren Freund an Bord gezogen hatte. Seid dieser Information hatten alle überlegt, wie man denn nun am besten Saori ein Lektion erteilen konnte.

„Hallo!“

Der Blonde fuhr herum und alle anderen hoben ebenfalls den Kopf.

„Hey Mamoru!“

Der Angesprochene kam an den Tisch.

„Das hier ist Kobajashi. Er geht mit Saori in die Schule und ist in ihrer Parallelklasse.“, Mamoru ließ den Blick schweifen. „Wo ist Usako?“

„Die telefoniert mit ihrer Mutter und sagt Bescheid, dass sie später kommt.“, Seiya reichte Kobajashi die Hand. „Hallo, ich bin Kou Seiya.“

„Der Seiya?“

„Ja.“

„Lass ihn in Ruhe, Koba. Er hat sich entschuldigt für sein Verhalten und hilft mir und Usako. Ist sie im Hinterzimmer?“

„Ja.“, Rei grinste, als sich Mamoru auf den Weg hinter den Tresen machte. „Da hat ja jemand Sehnsucht.“

„Der will nur knutschen.“, Kobajashi holte sich einen Stuhl ran und setzte sich.

„Oder fummeln.“, kicherte Minako und reichte dem Oberstufenschüler die Hand. Sie alle stellten sich der Reihe nach vor. Kobajashi fühlte sich sofort wohl. Und obwohl er erst skeptisch war, als ihm Mamoru von Seiyas Reue erzählt hatte, musste er jetzt feststellen, dass es wohl der Wahrheit entsprach. Der Mittelstufenschüler schien kein schlechter Mensch zu sein. Er war eben nur verliebt gewesen und deswegen blind. Sowas kam vor.

Mamoru bekam von alldem nichts mit. Es war ihm gerade auch egal. Das Treffen heute Nachmittag mit Usagi vor dem Vorbereitungskurs war viel zu kurz gewesen. Er öffnete die Tür und trat ein. Die Blondine fuhr herum und strahlte ihn an. Sie telefonierte immer noch.

„Mamoru bringt mich heim, Mama. Sag Papa einfach, dass ich noch mit Ami lerne. – Ich weiß auch, dass bald Ferien sind und wir keine Tests mehr schreiben. Aber das weiß doch Papa nicht. – Richte ich ihm aus. Ich bin spätestens um zehn Zuhause. – Bis dann, Mama.“

Usagi schob das Handy in die Tasche ihres blauen Schulrocks und fiel dann Mamoru um den Hals. Ihre Lippen drückten sich auf seine. Ihr Herz schlug heftig, als er ihren Kuss mit Leidenschaft erwiderte.

„Du hast mir gefehlt, Mondhase!“, er umrahmte ihr Gesicht mit beiden Händen. „Du trägst die Ohrringe.“

„Sie sind wunderschön. Vielen Dank!“

Er hatte sie schon vor dem Missverständnis und den gefälschten Fotos besorgt. Wollte sie ihr eigentlich zum Geburtstag schenken.

„Ich hab noch was für dich.“

Fragend und mit großen Augen sah die Blondine zu ihm auf.

„Ich liebe dich!“

Ihre Augen weiteten sich noch ein wenig mehr, als seine schlichte Liebeserklärung zur ihr durchsickerte. Sich in ihr Gedächtnis einbrannte. Tränen der Freude stiegen ihr in die Augen. Sein breites Lächeln löste einen Sturm an Schmetterlingen in ihr aus.

„Das wollte ich dir schon an deinem Geburtstag sagen.“

„Mamo-chan.“

„Ich liebe dich, Usako. Und das eigentlich schon vom ersten Tag an. Ich war nur zu dumm, mir das einzugestehen. Aber du hast mich von Anfang an in deinen Bann gezogen. Mein Herz schlug immer schneller, wenn ich dich sah. Wenn ich dich zufällig berührte, war das wie ein wohltuender Stromschlag für mich. Deine Augen versetzten mich immer in Trance.“

Usagi sah ihn sprachlos und gerührt an.

„Ich war der glücklichste Mann der Welt, als du die Idee mit der Beziehung auf Probe vorgeschlagen hast. Unser erster Kuss hat mich wortwörtlich unter Strom gesetzt. Abgesehen von gestern. Ich bin dir unendlich dankbar für das, was wir gestern geteilt haben. Wir beide sind noch jung. Das ist mir klar. Und ich weiß nicht, wo es mit uns beiden hingehen wird oder was uns die Zukunft bringt. Aber ich weiß, dass ich dir alles geben werde, was du willst. Das ich immer bei dir sein möchte. Ich werde dich nie wieder enttäuschen. Dafür bin ich dir viel zu sehr verfallen.“

Sie stoppte ihn in seinem Redefluss, als sie ihn küsste. Die Freudentränen liefen ihr übers Gesicht.

„Ich liebe dich auch, Mamo-chan.“, hauchte sie in den Kuss hinein. Ihre Gefühle überwältigten sie. Sie wusste, dass es Mamoru schon immer schwer gefallen war, über seine Gefühle zu sprechen oder sie zu zeigen. Als er gestern in Tränen ausgebrochen war, während er sich bei ihr wegen seinem Verhalten entschuldigte, hatte er schon so viel mehr von sich preisgegeben. So viel das sie die Liebeserklärung gestern nicht hören wollte und ihn vorher gestoppt hatte. Heute hatte er sie damit überrascht. Und er hatte sich noch weiter geöffnet. Ihr sein Herz geschenkt.

„Scht, nicht weinen.“, er schloss sie in die Arme, wiegte sie wie ein kleines Kind hin und her. „Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen.“

„Es sind Freudentränen.“, lachte sie und schmiegte sich noch mehr an ihn. „Du hast mich so glücklich gemacht.“

Usagi hob den Blick und spürte Sekunden später wieder seine Lippen auf ihren. Erwiderte den Kuss. Sie war so glücklich. Seine Worte eben ließen den Herzschmerz der letzten Tage vergessen. In seinen Augen konnte sie sehen, dass es ihm ebenso ging.
 

Sie wussten nicht, wie lange sie im Hinterzimmer verbracht hatten. Als sie wieder zu ihren Freunden gingen, wischte sich Usagi noch eine letzte Träne weg. Eine Geste die ihren Freunden nicht entging. Deswegen konnte sie gar nicht so schnell reagieren, wie Rei und Minako schon auf sie zu stürzten und sie in den Arm nahmen, während Mamoru böse angefunkelt wurde.

„Oh Gott, wieso weinst du?“, Rei sah sie ratlos und besorgt an.

„Was hast du jetzt schon wieder angestellt?“, Minako klang angriffslustig und so sah sie Mamoru auch an. Der jedoch hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf. Leicht panisch sah er zu der Blondine, die leise kicherte.

„Ich hab nur vor Freude geweint. Das ist alles. Ihr wisst doch, wie emotional ich bin.“, sie befreite sich aus Reis Klammergriff und nahm Mamorus Hand. „Mamo-chan hat nur gerade etwas sehr Schönes zu mir gesagt.“

Die Augen der beiden trafen sich. Die neugierigen Blicke der Freunde bekamen sie nicht mit. Die Welt schien wieder einen Moment still zu stehen und nur sie beide waren wichtig.

Der Oberstufenschüler war erleichtert. Schon vor ihrer kurzzeitigen Trennung hatte er hin und her überlegt, wie er ihr seine Gefühle mitteilen sollte. Er wollte nicht kitschig klingen, aber auch nicht zu gefasst. Ein paar Mal hatte er abends beim Zähneputzen vorm Spiegel geübt, was er sagen wollte. Dabei kam er sich mehr als lächerlich vor. Aber er hatte nunmal keine Erfahrung darin, seine Gefühle mitzuteilen. In Gedanken hatte er sich das Schlimmste ausgemalt. Das Usagi ihn auslachen würde. Ihn als Trottel oder Weichei abstempelte. Vielleicht auch das sie weinen würde, aber nicht vor Glück. Und doch war es genau das Gegenteil. Usagi war zutiefst bewegt von seinen Worten und er schwebte jetzt erst recht auf Wolke sieben. Und musste zugeben, dass es gut tat, über seine Gefühle endlich mal zu sprechen.

„Hallo? Erde an Usagi und Mamoru?“

Motokis Stimme und das Kichern der anderen riss die beiden aus ihrem intimen Moment. Der Schwarzhaarige hauchte seiner Liebsten einen Kuss auf die Stirn, zog sie eng an sich und grinste selig in die Runde. Wahrscheinlich sah er gerade wie ein verliebter Vollidiot aus. Aber das war ihm egal. Er war zufrieden und mit sich und seinen Gefühlen im Reinen. Und das konnte jetzt ruhig alle wissen.

„Was grinst du eigentlich so dusselig?“

„Seiya!“, Usagi sah ihren Mitschüler eindringlich an.

„Was denn? Schau ihn dir an.“, Seiya musste lachen und auch die anderen pflichteten ihm lachen bei.

„Ihr seid gemein.“

„Ist schon okay, Usako.“, Mamoru konnte nicht anders und gab ihr einen zarten Wangenkuss. „Er hat ja Recht. Außerdem können sie doch ruhig alle sehen, wie verliebt ich in dich bin.“

Usagi wurde rot um die Nase und die anderen begannen zweideutig und laut zu johlen.

„Oho, der Gefühlsautist Chiba ist also verliebt.“, Makoto zwinkerte ihm zu.

„Ja. Und das hab ich Usako eben auch gesagt. Deswegen ihre Tränen.“

„Also seid ihr jetzt offiziell ein Paar?“, Ami sah die beiden mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Ja. Wir beide sind ein offizielles Paar. Oder?“, Mamoru sah zu Usagi, die nickte. Sie drehte ihren Kopf noch ein wenig mehr. Spürte wenige Sekunden später seine warmen Lippen auf ihren. Versank mit ihm in einem gefühlvollen Kuss. Das die Freunde in frenetischen Jubel und Beifall ausbrachen, bekamen sie nicht mit.

Die Clique ließ den beiden ihre Zeit.

„Endlich!“, Motoki wischte sich imaginären Schweiß von der Stirn. „Darauf schmeiß ich eine Runde aufs Haus.“

Der Blonde erhob sich und ging in Richtung Tresen. Er war froh, dass seine beiden besten Freunde es endlich geschafft und zusammen gefunden hatten. Schon als sie sich das erste Mal gegenüber gestanden hatten, sah Motoki diese ganz besondere Spannung zwischen ihnen. Er hatte schon damals gehofft, dass aus den beiden ein Paar werden würde.

Endlich war es so.

Minako sah versonnen zu Usagi und Mamoru, die immer noch in ihrem Kuss versunken waren. Sie gönnte es den beiden. Ihre Freundin war glücklich und hatte endlich das Herz ihres Prinzen gewonnen. Solange hatte sie bangen und hoffen müssen, dass Minako oftmals den Versuch starten wollte, den beiden auf die Sprünge zu helfen. Aber das war jetzt vorbei.

Endlich hatten sie sich gefunden.

Rei lächelte still in sich. Als Usagi ihr damals gesagt hatte, dass sie sich ausgerecht in Mamoru verliebt hatte, war sie zunächst überrascht gewesen. So oft hatten die Blondine und der Oberstufenschüler sich gestritten. Dennoch betete die Schwarzhaarige dafür, dass ihre Freundin die Liebe mit Mamoru finden würde. Und jetzt dankte sie den Göttern, weil ihre Gebete erhört wurden.

Endlich war Usagi glücklich.

Kobajashi freute sich. Schon als er Usagi vor einigen Wochen das erste Mal im Park traf, wusste er, dass sie perfekt zu seinem Kumpel passte. Schon vorher hatte Mamoru so oft von ihr gesprochen. Auch wenn es meistens um ihre Schusseligkeit ging, leuchteten seine Augen immer dabei. Er kannte die Vergangenheit des Schwarzhaarigen. Usagi hatte ihn aus seiner dunklen Ecke gelockt.

Endlich ließ Mamoru Gefühle zu.

Ami seufzte leise auf. Ihr war schon immer aufgefallen, wie unkonzentriert Usagi wurde, wenn Mamoru in der Nähe war. Man musste nur über ihn reden und die Blondine vergaß alles vorherige. Dennoch wurde sie in letzter Zeit besser in der Schule. Was Ami freute. Sie wünschte ihrer Freundin, dass sie später eine gute Zukunft haben würde. Nicht nur beruflich. Die Blondine sollte glücklich sein an der Seite eines Mannes, der sie so liebte, wie sie war.

Endlich war dieser bei ihr.

Seiya hatte sich abgewandt und schaute aus dem Fenster. Er wusste, dass Usagi nie mehr als Freundschaft für ihn empfinden würde. Sie war jetzt endgültig vergeben. Er hörte tief in sich hinein. Sein Herzschlag war normal und er relativ entspannt. Warum auch nicht? Sie waren jetzt gut miteinander befreundet und das war mehr, als er bis vor wenigen Tagen noch hoffen konnte. Er fühlte sich gut.

Endlich war alles geklärt.

Makoto beneidete Usagi ein wenig. Wie gerne hätte sie auch einen Freund gehabt. Irgendwann wäre auch sie an der Reihe. Erstmal war sie froh, dass das ganze Drama nun vorüber war. Sie konnte es nur schwer ertragen, wie sehr ihre Freundin litt. Nur allzu oft hätte sie in der letzten Woche gerne Mamoru die Meinung gesagt. Aber das brauchte sie nun nicht mehr.

Endlich waren die beiden ein Paar.
 

Saori stand vor dem Spiegel in ihrem Zimmer. Hielt sich einige Kleider an. Sie wollte gut aussehen, wenn sie ihn morgen nach dem Fußballtraining abfing. In ihrem Kopf hatte sie sich schon den perfekten Plan zurecht gelegt.

Sie würde das Kleid morgen mit in die Schule nehmen und nach dem Unterricht auf der Toilette umziehen. Die Zeit zwischen Schulschluss und dem Ende von Mamorus Training war einfach zu knapp, als dass sie nochmal heim könnte, um dort die Klamotten zu tauschen. Aber das war am Ende egal. Sie musste jetzt in die Offensive gehen. Seinen Schmerz wegen Usagis vermeindlicher Untreue ausnutzen.

Die Brünette hing ein Kleid zurück in den Schrank. Es genügte ihren Ansprüchen nicht. Sie nahm das nächste. Ihre Gedanken glitten zurück zum heutigen Nachmittag und frühen Abend. Er war ihr heute anders vorgekommen. Sein Liebeskummer war noch deutlich zu erkennen. Aber wieso war er plötzlich so ein Draufgänger? Wollte sich sogar mit irgendwem prügeln. War das seine Art mit Schmerz umzugehen? Sie schüttelte den Kopf und hing auch das Kleid in den Schrank.

„Wieso hab ich nichts zum Anziehen?“

Sie musste morgen einfach wunderbar aussehen. Er sollte endlich ihr gehören. Sie musste ihn von sich überzeugen. Ihm zeigen, was er an ihr hatte. Sie war eine Frau, die perfekt zu ihm passte. Sie musste ihn einfach haben. Egal wie.

Usagi hatte sie aus dem Weg geräumt.

Seiya würde sicher nicht darüber reden. Dafür war er selbst viel zu sehr in das dumme Blondchen verknallt und die Gefahr groß, dass sie ihn am Ende ganz fallen lassen könnte.

Es galt nur noch Mamoru für sich zu gewinnen. Dann wäre sie am Ziel. Endlich!

Enlightenment

16
 

Ungeduldig wippte sie auf den Absätzen ihrer Pumps vor und zurück. Zupfte immer wieder an ihrem neuen Kleid herum. Sie war stolz auf sich selbst. Darauf das ihre Eltern nicht mitbekommen hatten, dass sie heute die Schule geschwänzt hatte. Darauf das sie endlich das passende Kleid für heute gefunden hatte, die Kleider aus ihrem Schrank genügten ihrem Anspruch nicht mehr. Und darauf wie ihre Haare lagen. Sie hatte sich extra noch einen Friseurbesuch gegönnt. Sie wollte nicht so aussehen wie immer, wenn sie endlich dabei war, Mamoru für sich zu gewinnen.

Saori sah auf ihre Armbanduhr. Es war kurz vor fünf. Sein Fußballtraining musste schon vorbei sein. Sie lief einige Schritte in Richtung Schultor. Es war eigentlich unmöglich, dass sie ihn nicht sehen würde. Es war der einzige Ausgang, der noch offen war. Sie stellte sich auf Zehenspitzen, um besser sehen zu können.

"Wo bleibt er denn nur?"

Kurz kam ihr in den Sinn, dass er vielleicht heute gar nicht zum Training gegangen war. Aber dann hätte sie ihn schon vor zwei Stunden sehen müssen. Sie war schließlich schon hier, als er Schulschluss hatte. Gerade wollte sie sich abwenden, als sie einige Mitschüler von dem Schwarzhaarigen entdeckte. Saori wich ihnen ein Stück weit aus, richtete neuerlich ihr Kleid und fuhr sich durch die Haare. Ihr Herzschlag erhöhte sich. Sie freute sich, ihn endlich zu sehen. In Gedanken durchging sie nochmal alle Begrüßungen. Keine war gut genug. Verstohlen sah sie um die Ecke. Wie gut er wieder aussah. Die Sporttasche lässig über die Schulter geworfen und die Schulttasche in der Hand. Er trug kein Jackett so wie sonst. Nur sein weißes Hemd mit den kurzen Ärmeln, was seine Oberarmmuskeln zur Geltung brachten. Sein Lachen drang an ihr Ohr. Bald würde sie es jeden Tag hören und es würde nur ihr gelten. Es war ganz offensichtlich, dass er über seinen Liebeskummer wegen der dummen Kuh von Mittelstufenschülerin hinweg war.

Seine Stimme erreichte sie. Unwillkürlich drückte sie sich ein wenig an die Wand. Ihre Neugierde war einfach zu übermächtig. Saori musste wissen, worüber er sprach.

"Deine Laune ist seit Tagen auf einem Hoch. So kennt man dich gar nicht."

"Ach halt die Klappe, Hiroto. Mamoru ist eben verknallt."

"Naoki!", Mamorus Stimme teilte fast schon die Luft. Er warf seinen Mitschülern einen bösen Blick zu.

"Echt?", Hiroto sah zwischen seinen Freunden hin und her. "Na das ich das noch erleben darf. Erzähl mal."

"Vergiss es!", Naoki schüttelte stellvertretend für Mamoru mit dem Kopf. "Der redet nicht über sie. Oder?"

"Ihr müsst nicht alles wissen.", Mamoru war stehen geblieben und ließ seinen Blick in den Himmel schweifen. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, während seine Gedanken zurück zum gestrigen Abend wanderten. Dorthin zurück, als er mit Usagi vor ihrem Elternhaus gestanden war und sie Küsse ausgetauscht hatten. Am liebsten hätte sie ihn mit zu sich genommen und er wäre ihr liebend gerne gefolgt. Allerdings machte ihnen Kenji einen Strich durch die Rechnung. Er gab ihnen noch zehn Minuten und holte sein Töchterlein auf die Minute genau dann ins Haus. Mamoru konnte die väterliche Sorge nachvollziehen. Wahrscheinlich würde er in einigen Jahrzehnten genauso handeln.

"Erde an Chiba!"

Naokis Rütteln an seiner Schulter holte Mamoru zurück in die Realität.

"Dich hat es echt erwischt oder?"

"Du grinst wie ein verliebter Idiot.", lachte Hiroto. "Komm schon, erzähl uns ein bisschen was von ihr."

Der Schwarzhaarige seufzte leise. Ewig würde er es nicht für sich behalten können und am liebsten würde er ohnehin der ganzen Welt von seinem Glück erzählen.

"Also sie hat immer ein offenes Ohr für mich. Hat ihren eigenen Kopf und wir ergänzen uns ziemlich gut. Reicht euch das?"

Die beiden anderen sahen sich an. Sie wussten, dass Mamoru nicht mehr erzählen würde und nickten daher nur. Ihr Mitschüler war schon immer irgendwie geheimnisvoll gewesen. Es war ohnehin ein Wunder, dass er sich jemandem öffnete und über seine Gefühle sprach. Mehr oder weniger. Und diese Gefühle bei sich selbst auch zuließ. Es gab also doch noch einen Menschen auf dieser Welt, der sein Herz erreicht hatte.

Und Saori wusste in jenem Moment genau, wer dieser Mensch war. Sie selbst. Nur auf sie trafen diese Eigenschaften zu. Sie hatte ihm schließlich immer zugehört und war durchaus selbstbewusst, wusste, was sie wollte und was nicht. Und natürlich ergänzten sie und Mamoru sich perfekt. Er wollte Großes im Leben erreichen und sie würde ihn dabei unterstützen. So wie es sich als japanische Frau gehörte. Mochte sein, dass viele Mädchen ihrer Generation emanzipierter waren, aber das war nicht Saoris Lebensstil.

Sie trat aus dem Schatten der Schulmauer heraus, lief einige Schritte hinter Mamoru und seinen Schulfreunden her. Sie musste ihn nicht rufen, er würde sie schon bemerken.
 

Mamoru hörte das Klackern hinter sich. Es waren zweifelsfrei hohe Schuhe. Und sie folgten ihm und den anderen. Verwundert blieb er stehen und drehte sich um.

"Saori?"

"Hallo Mamoru!", sie beschleunigte ihre Schritte so gut es eben ging in ihren neuen Pumps. Mit einem Nicken begrüßte sie seine Schulfreunde.

"Wir sind dann mal weg. Bis morgen, Mamoru!", Hiroto klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und auch Naoki hob die Hand zum Gruß, bevor er und sein Kumpel die Köpfe zusammen steckten. Die beiden jungen Männer waren sich nicht sicher, ob die Brünette wirklich diejenige war, von der Mamoru eben geschwärmt hatte. Sie sah nicht gerade wie sein Gegenstück aus. Eher wie das komplette Gegenteil davon. Und wirklich gefreut schien sich der Schwarzhaarige auch nicht zu haben. Beide warfen einen letzten Blick zurück. Ihr erster Eindruck von Saori bestätigte sich erneut.

Mamoru bekam die Blicke der Mitschüler nicht mit. Er starrte stattdessen ungläubig auf die junge Frau vor sich. Unweigerlich musste er ihr in den Ausschnitt blicken, der viel zu tief war. Als er seine Augen weiter wandern ließ, sah er, wie unsicher sich auf ihren zentimeterhohen Pumps stand. Ihre Knöchel waren vor Anstrengung die Balance zu halten schon weiß verfärbt. Es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis sie umknickte und die Sehnen überdehnte oder sie rissen. Es war ihm allerdings relativ egal.

Weniger egal war ihm jedoch, warum sie hier so aufgemotzt vor ihm stand. Ein seltsames Gefühl machte sich in seinem Bauch breit.

"Das ist ja ein Zufall, dass wir uns hier begegnen.", Saori lächelte ihn hochmotiviert an.

"Äh, ja.", er kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

"Ich wollte dich fragen, ob wir..."

Weiter kam Saori nicht. Mamorus Handy meldete sich und er sah sie entschuldigend an. Wandte sich ab und hoffte, dass sie nicht lauschen würde. Er traute ihr mittlerweile fast alles zu. Seine Augen wanderten auf das Display, auf dem Usagis Name leuchtete. Kurz sah er zu der Brünetten, die ihn immer noch mit leuchtenden Augen anschmachtete. Mit dem Finger schob er den grünen Telefonbalken zur Seite.

"Hallo Motoki!"
 

"Äh, Mamo-chan?! Ich bin's, Usako!", überrascht darüber, dass Mamoru sie Motoki genannt hatte, schaute sie in die Runde. Instinktiv schaltete sie den Lautsprecher ein. Irgendetwas war los. Das spürte sie genau.

"Ich wollte fragen, ob du noch ins Crown kommst. Ich vermisse dich. Und wir wollten doch an unserem Plan weiter arbeiten. Oder bist du noch beim Training?"
 

Mamoru ließ Saori nicht aus den Augen. Er musste vermeiden, dass sie mitbekam, mit wem er gerade telefonierte und gleichzeitig Usagi klar machen, in welchem Schlamassel er momentan steckte. Er hatte nur keine Ahnung wie.

"Nein, das Training ist zu Ende. Ich wurde nur aufgehalten und ich befürchte, dass ich nicht kommen kann."

Er konnte Usagis Enttäuschung schon fast durchs Telefon greifen. Wieso war das nur so kompliziert?
 

"Wieso nicht?", Usagi versuchte nicht allzu verärgert zu klingen. "Wir sind alle schon da und du hast es versprochen."

Verunsichert sah sie in die Tischrunde. Sie hörte die Unsicherheit in Mamorus Stimme. Eine neuerliche Angst beschlich sie. Wollte er sie wieder abservieren? War wieder alles nur gespielt? Ohne das sie was dagegen tun konnte, bemächtigten sich Tränen ihrer Augen. Seiya sprang sofort auf, nahm ihr das Handy aus der Hand. Irgendwas war faul an der Sache.

"Mamoru, Seiya hier. Von wem wurdest du aufgehalten?"
 

Der Oberstufenschüler war noch nie so froh gewesen, Seiya zu hören. Erleichterung machte sich in ihm breit. Wenigstens einer in der Clique schien bemerkt zu haben, dass etwas nicht ganz rund lief.

"Wir müssen die Planung der Überraschungsparty verschieben. Sonst brauchen wir uns nicht die Mühe machen."

Aus dem Augenwinkel sah er, wie Saori sich abgewendet hatte. Sich in einem kleinen Taschenspiegel betrachtete. Überflüssigerweise wie er fand. Aber wenigstens konnte er so ein wenig freier sprechen. Zumindest im Flüsterton.

"Saori hat mich abgefangen."
 

"Dachte ich mir.", Seiya seufzte und grinste in die Runde. Er sah die Erleichterung in Usagis Gesicht. Lächelte ihr aufmunternd zu. Ihm war klar, dass sowas kommen würde. Saori war so besessen von dem Oberstufenschüler, dass sie alles tat, um ihn für sich zu gewinnen.

"Hör mir jetzt genau zu. Ich hab da eine Idee. Auch wenn sie dir am Anfang wahrscheinlich weniger gefallen wird."
 

Mamoru hörte seinem einstigen Widersacher aufmerksam zu. Seiya hatte Recht: So ganz gefiel ihm der Beginn des Planes nicht. Aber je mehr Details er hörte und je mehr Ideen die anderen mit einbrachten, desto besser wurde es. Es fiel ihm mit jedem Wort schwerer, nicht laut loszulachen. Vorallem die Mädchen brachten immer lustigere Ideen ein. Seiya, Motoki und auch Kobajashi, der ebenfalls anwesend war, mussten sie bremsen.

Hinter sich hörte er wieder das Klackern der Pumps. Er drehte sich um. Saori sah ihn an. Mamoru musste sich zusammenreißen, um nicht allzu angewidert auszusehen. Seine Stimme war nun kein Flüstern mehr. Die anderen sollten wissen, dass er nicht mehr ungestört sprechen konnte.

"Motoki, plant den Rest ohne mich. Ich bin dann auf jeden Fall heute Abend zur Vorbereitung da. Bis dann!"

Der Schwarzhaarige steckte das Handy weg, sah zu der Brünetten.

"Also Saori, was verschafft mir die Ehre?"

"Ich wollte dich sehen!", sie konnte es nicht verhindern. Saori musste ihm einfach sagen, was sie wollte. Erwartungsvoll sah sie ihn an. Sah, wie er überrascht eine Augenbraue hob und tief durchzuatmen schien.

"Okay.", er dehnte das Wort bis zur Schmerzgrenze. "Und warum?"

"Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Dir ging es am Wochenende so schlecht und nun gehst du schon wieder zum Training. Und dann noch der Liebeskummer wegen Usagi. Geht es dir wirklich gut?"

"Ja, mir geht es gut.", er sah sie grinsend an. "Was hälst du davon, wenn du und ich heute unsere Verabredung von neulich nachholen? Ich lad dich ein. Jetzt gleich."

Perplex sah sie ihn an. Nickte dann aber. Ihr Herz jubilierte. Endlich! Endlich schien er einzusehen, was er an ihr hatte. Ohne ihn zu fragen oder anzusehen, ergriff sie seine Hand und zog ihn mit sich. Sie bemerkte nicht, wie er die Lippen aufeinander presste und versuchte, seinen Ekel zu unterdrücken.
 

Die kleinen Wellen des Sees im Jubaan-Park plätscherten leise, als sie auf das Kiesufer trafen. Enten schnatteren und das Laub der Bäume rauschte im lauen Sommerwind.

Mamoru ließ seinen Blick schweifen. Im Gegensatz zu Saori hatte er sich kein Eis geholt. Sonst hätte sie noch erwartet, dass sie ihn einlud. Und dafür wollte er nun definitiv kein Geld verschwenden. So hatte er sich damit rausgeredet, sein Geld zuhause liegen gelassen zu haben und außerdem musste er ja eh noch darauf achten, was er aß. Die junge Frau neben ihm glaubte es.

Aus dem Augenwinkel sah er, wie Saori immer wieder an ihrem Kleid und vorallem an ihrem Ausschnitt herum nestelte. Mamoru fand es viel zu auffällig. Obwohl auch er ab und an in ihr Dekoltée schielen musste. Er war auch nur ein Mann. Außerdem musste er Vergleiche ziehen und kam zu dem Schluss, dass Usagi zwar drei Jahre jünger als die Brünette war, dafür hatte sie jedoch eine viel weiblichere Figur. Er war sich sogar fast sicher, dass Saori nur einen Push-Up trug. Es sah alles irgendwie falsch an ihr aus und ihm kam in den Sinn, warum er jemals dachte, sie könnte dich Richtige für ihn sein. Saori war es definitiv nicht!

"Also Mamoru, ich finde es schön, dass wir hier sind.", sie kam sich total lächerlich vor. Obwohl sie dieses Treffen minutiös durchgeplant hatte, agierte sie nun albern und wie ein Teenager. So wie sie nie sein wollte.

"Ja, es ist nett hier.", er versuchte so einsilbig wie möglich zu antworten.

"Es ist schön, dass es dir wieder gut geht. Liebeskummer ist immer schlimm."

"Ja."

"Aber du findest du sicher bald jemand neues. Jemand der dich wirklich liebt."

"Meinst du?"

"Ja aber sicher doch. Es gibt doch so viele Mädchen da draußen, die dich attraktiv finden.", Saori atmete tief ein und sah zu Mamoru. "Zum Beispiel ich."

Der Oberstufenschüler drehte den Kopf, legte ihn schief und sah so aus, als müssten ihre Worte erst zu ihm durchdringen. Er sah ihren schmachtenden Blick, sah, wie sie ihn anstarrte und dabei seltsam breit lächelte. Es war schon angsteinflößend und seine Augen huschten kurz suchend umher. Er wusste, dass er vielleicht etwas hätte sagen sollen. Aber ihm fiel nichts ein. Und sie machte sowieso schon wieder den Mund auf.

"Ich weiß, dass es viele Mädchen gibt, die dich als ihren Freund wollen. Aber sie meinen es nicht ehrlich mit dir. Doch ich, ich will dir wirklich immer zur Seite stehen. Bei dir sein und dich unterstützen bei deinen Träumen und Zielen. Ich werde zuhause auf dich warten, wenn du nach einem anstrengenden Tag im Krankenhaus nach Hause kommst. Ich werde für dich Kochen und den Haushalt machen. Du musst dich dann um nichts kümmern."

Er musste sie stoppen! Und doch sprach sie weiter.

"Ich will immer bei dir sein. Das wollte ich schon immer. Und egal was kommt, ich werde es immer sein. Wir passen so gut zusammen und meine Eltern werden von dir begeistert sein. Sie werden so froh sein, dass ich endlich jemanden habe, der für mich sorgen wird und es kann.", sie redete sich immer mehr in Rage. "Ich weiß, Geld ist nicht alles. Aber es gibt Sicherheit. Und ich möchte nicht viel. Nur unsere Kinder sollen abgesichert sein."

Mamoru musste einen Würgereiz unterdrücken. Erst recht, als sie seinen Arm umfasste und sich gegen ihn lehnte.

"Wir werden so ein tolles Leben haben. Ein Haus am Stadtrand vielleicht. Also natürlich erst nach dem du deinen Abschluss hast und einen gut bezahlten Job in Krankenhaus. Du solltest dich unbedingt auch in Privatkliniken bewerben. Die zahlen noch besser. Oh es wird so toll werden, Mamoru. Nur du und ich!"

Er hörte, wie sie tief und scheinbar zufrieden seufzte. Offensichtlich war sie fertig mit ihrer seltsamen Liebeserklärung und ihrer abstrusen Zukunftsplanung. Er rieb sich den Nasenrücken. Sie war definitiv durchgeknallt. Er war gerade mal achtzehn und würde erst nächstes Jahr im April seinen Schulabschluss machen. Das geplante Medizinstudium würde noch einmal einige Jahre in Anspruch nehmen, von der Zeit als Assistenzarzt mal ganz abgesehen. Das war seine Zukunft. Aber sie war sicher nicht ihre. Schon gar nicht ihre gemeinsame. Dafür hatte er jemand ganz anderes eingeplant.
 

"Hey Mamoru!"

Sein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als er ihre Stimme hörte. Endlich war sie da. Er hatte schon nicht mehr gewusst, wie er dem Redeschwall Saoris Einhalt gebieten sollte. Mit jedem ihrer Worte war ihm bewusster geworden, wie sehr sich die Brünette in diese Sache verrannt hatte. Wie sehr sie ihn wollte und wie rücksichtslos sie dabei war. Es war ihr im Grunde egal, was er dazu sagen würde. Sie hatte die nächsten dreißig Jahre minutiös durchgeplant und er war in ihrer Fantasie ein fester Bestandteil davon. Ob er wollte oder nicht. Und jetzt musste er hoffen, dass Seiyas Plan aufging und weder er selbst noch Usagi in die Schusslinie gerieten.

Er drehte sich auf der Bank um, sah die Blondine lächelnd auf ihn zu kommen. Sie musste zwischenzeitlich Zuhause gewesen sein. Ihre Schuluniform hatte sie gegen bequeme Jeansshorts und ein T-Shirt getauscht. Sie sah wie immer wunderschön aus. Ihr Lachen erreichte ihre Augen und ließ sie noch mehr funkeln als sonst schon.

"Was will die denn hier?", Saoris Stimme war nicht mehr als ein Zischen. Verblüfft schaute sie zu Mamoru, der neben ihr aufgestanden war und um die Bank herum ging.

"Ich nehme an, sie ist auf dem Weg ins Crown. Durch den Park ist es der kürzeste Weg.", er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Ging stattdessen einige Schritte in Richtung Usagi.

"Hallo!", er musste sich beherrschen, um nicht allzu breit zu grinsen oder sie in den Arm zunehmen. "Was machste du denn hier?"

"Oh, ich bin am Weg ins Crown. Die Mädels warten auf mich.", sie schaute an ihm vorbei und lächelte Saori zu. "Hallo!"

Die Angesprochene quittierte die Begrüßung nur durch ein Nicken, verbunden mit einem säuerlichen Blick. Das Auftauchen der Blondine war definitiv nicht das, was sie jetzt gebrauchen konnte. Und so wie sich Usagi benahm, flirtete sie gerade heftigst mit dem Schwarzhaarigen. Langsam stand sie auf, ging zu den beiden rüber. Umfasste neuerlich seinen Arm und schmiegte sich ein wenig an ihn. Irgendwie musste sie ja ihr Revier markieren.

"Ich muss dich wohl nicht fragen, was du und Saori hier machen."

Mamoru war erstaunt, wie gelassen Usagi war. Sie war als Schauspielerin wirklich talentiert.

"Ja, Mamoru und ich haben ein Date.", Saori versuchte zuckersüß zu klingen, was ihr jedoch schwerfiel.

"Oh wie schön. Dann seid ihr jetzt also zusammen?"

"Ich habe Mamoru vorhin meine Gefühle gestanden. Also ja, wir sind zusammen."

"Das ist doch schön, wenn sich zwei gefunden haben.", Usagi lächelte breit und wandte sich dann an Mamoru. "Und du?"

"Was ich?", er sah sie fragend an.

"Naja, du bist doch so ein Gefühlsautist. Wie kommt's, dass du Saori so schnell deine Gefühle gestanden hast."

Usagi wusste, dass Mamoru noch nichts dergleichen gesagt hatte. Sie kannte ihn nun lange genug. Ohnehin fand sie es schon dreist von Saori, dass sie einfach so von einer Beziehung ausging. Seiya hatte sie diesbezüglich auf ihrem gemeinsamen Weg hierher vorgewarnt. Und sie hoffte, dass ihr Gegenüber gleich nicht allzu sehr durchdrehen würde. Sie legte den Kopf schief, sah Mamoru fragend und lächelnd zugleich an.

"Er hat es mir gesagt. Mehr musst du nicht wissen. Ist schließlich nicht mehr deine Beziehung.", Saoris Laune ging immer mehr unter Kellerniveau. Es behagte ihr weder, dass Usagi hier aufgetaucht war, noch das sie so nachbohrte bezüglich Mamorus Gefühle. Saori durfte sie nicht wissen lassen, dass er noch gar nichts gesagt hatte. Obwohl das auch nur noch eine Frage der Zeit war. Da war sie sich sicher.

"Stimmt. Du hast ja Recht. Es geht mich wirklich nichts mehr an.", Usagi war einen ihrer Zöpfe über die Schulter und ließ den Blick schweifen. "Ich weiß ja bereits, wie Mamoru zu mir steht und was er für mich empfindet."
 

Alle Farbe entwich aus Saoris Gesicht. Sie hatte den Mund weit aufgerissen und sah wahrscheinlich dümmer aus denn je. Hektisch sah sie zwischen Mamoru und Usagi, die nun Mamoru mit ihren Augen fixierte, hin und her. Irgendwas stand zwischen den beiden, von denen die Brünette noch nichts wusste. Was war ihr nur entgangen? Sie versuchte die Blicke zu deuten, doch es gelang ihr nicht. Sie konnte in den Augenpaaren der beiden nicht lesen. Sie umklammerte Mamorus Arm stärker. Durfte sich nichts anmerken lassen und sah mit festem Blick zu Usagi.

"Verschwinde!"

Die Blondine rührte sich nicht. Stattdessen war es Mamoru, der sich zu regen begann. Der seinen Arm aus Saoris Umklammerung löste und ohne sie anzusehen, zu Usagi ging. Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte Saori auf die sich vor ihr abspielende Szene. Sah, wie Mamoru langsam die Hand Usagis ergriff und sie an seine Lippen führte. Jeden einzelnen Finger sanft küsste. Die Brünette musste feststellen, dass die beiden die wenigen Zentimeter Distanz überbrückten und sich immer näher kamen.

"Lass deine dreckigen Finger von meinem Freund!", sie wusste, dass sie hysterisch klang. Doch das war Saori reichlich egal. Sie durfte nicht zulassen, dass die dumme Blondine ihre Pläne durchkreuzte, dass sie Mamoru wieder für sich gewann. Unter keinen Umständen.

"Mamoru gehört zu mir und nicht zu dir. Ich bin diejenige, die ihm das Wasser reichen kann. Du bist doch viel zu dumm dazu!"

Saori ging einige Meter auf das so vertraut wirkende Pärchen zu, streckte die Hand nach dem Schwarzhaarigen aus.

"Komm wieder zu mir, Mamoru. Mit mir wirst du einen wunderbare Zukunft haben. Unsere Kinder werden wunderbar sein und so schlau wie du und ich. Wir werden dank deines guten Klinikjobs ein tolles Leben haben. Wir werden viel reisen und in einem prächtigen Haus leben. Alles wird so viel besser sein, wenn du mit mir zusammen bist. Was kann sie dir schon bieten?", sie sah verächtlich zu Usagi, die sich an den jungen Mann geschmiegt hatte. "Diese dumme Pute will dich doch nur ausnutzen. Sie kann froh sein, wenn sie es auf eine mittelklassige Oberschule schafft und dort den Abschluss. Sie wird dir immer nur ein Klotz am Bein sein. Nie für sich selber sorgen können. Willst du das wirklich?"

Sie wich einen Schritt nach hinten, als sie den kalten Blick Mamorus sah, den er ihr zuwarf und der sie ein wenig aus dem Konzept brachte.

"Ich würde alles für dich tun, Mamoru. Alles! Nur um mit dir zusammen zu sein. Und ich weiß, dass du für mich genauso empfindest wie ich für dich."

Mamoru hingegen schüttelte den Kopf, konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und zog Usagi noch enger an sich.

"Ich empfinde nichts für dich. Gar nichts!"

Usagi fuhr ein Schauer über den Rücken. Selbst zu ihr klang er nie so eiskalt. Trotz des Missverständnisses wegen der Fotos klang seine Stimme noch nie so wie heute. Wie in diesem Moment. Obwohl es nicht ihr galt, machte es ihr Angst. Sie presste sich noch mehr an ihn, suchte seinen Blick.

"Ich liebe nur sie. Nur Usagi!", Mamoru hauchte der Blondine einen Kuss auf die Stirn und wandte sich dann wieder Saori zu. "Was du getan hast, ist das hinterhältigste, was ich je erlebt habe. Nicht nur, dass du eifersüchtig hoch zehn bist, nein! Du denkst auch überhaupt nicht nach, was für Konsequenzen das ganze hat. Nicht nur für dich oder mich oder Usagi. Sondern überhaupt. Du hast es geschafft, einen riesigen Riss in meine Clique zu reißen. Und du hast nicht nur Usagi wehgetan, sondern auch mir. Du bist der schlimmste Mensch, der mir jemals über den Weg gelaufen ist."

Saori starrte ihn einfach nur an, bevor sie heftig den Kopf schüttelte.

"Das ist nicht wahr! Die blöde Kuh hat dich betrogen und war auch noch so dumm, Fotos davon zu machen. Ich hingegen, ich liebe dich!"

Sie ging wieder einen Schritt auf ihn zu. Packte ihn am Kragen seines T-Shirts und zerrte daran.

"Du und ich! Wir beide gehören zusammen.", sie sah mit vor Wut funkelnden Augen zu Usagi. "Du kleine Schlampe! Ich lasse mir von dir nicht mein Leben versauen. Mamoru und ich werden eine Familie haben. Ich werde ihn verwöhnen und ihm wird es an nichts fehlen. Ich werde mit ihm die Welt sehen und ihm den Haushalt machen. Du hingegen wirst irgendwann ganz weit unten landen. Da wo du hingehörst."

"Saori!"

Doch sie ging auf Mamoru nicht ein. Ließ ihn los und stand nun viel zu nah vor Usagi.

"Du wirst dich nicht vor mir verstecken können. Ich werde dir das Leben zur Hölle machen. Und zwar so lange bis du verstanden hast, dass ich zu Mamoru gehöre. Erst dann und dann auch nur vielleicht, lass ich dich in Ruhe. Aber hier und jetzt schwöre ich dir, dass du keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen wirst, wenn du ihn und mich nicht in Ruhe lässt. Du wirst vielleicht noch einen Schulabschluss schaffen, aber dann war's das auch schon für dich. Keiner wird dich mehr ansehen wollen. Egal wie unschuldig du denjenigen ansehen magst. Keiner wird dir mehr glauben. Ich hab da meine Quellen, Püppchen. Und ich werde sie genauso nutzen, wie ich sie bei den manipulierten Fotos genutzt habe."
 

Ein lautes Klatschen unterbrach Saori und sie fuhr herum. Sah sich hektisch um. Und mit jeder Sekunde wurde ihr klarer, was sie da eben preisgegeben hatte. Für den Moment jedoch war es egal. Darum würde sie sich kümmern, wenn Usagi endlich weg war und sie die Quelle des Klatschens ausgemacht hatte. Mamoru würde ihr schon glauben. Sie konnte sehr überzeugend sein.

Sie bemerkte nicht, wie Mamoru Usagi von ihr wegzog. Sich schützend vor sie stellte. Noch immer hörte sie das Klatschen. Suchte die Person dazu und erstarrte, als sie denjenigen erspähte.

"Seiya!"

Ihre Augen verengten sich zu schmalten Schlitzen. Sie konnte sein Blick genauso wenig deuten wie wenige Minuten zuvor die von dem Pärchen vor sich. Sie sah nur, dass er in schnellen Schritten auf sie zukam.

"Ein wunderbarer Auftritt, Saori.", seine Stimme triefte vor Sarkasmus. "Du hast dich heute von deiner besten Seite gezeigt. Und ich denke, dass wir nun alle wissen, zu wem Mamoru wirklich gehört."

Er stellte sich neben seine Mitschülerin und seinem ehemaligen Konkurrenten.

"Dir glaubt doch keiner.", verächtlich sah die Brünette ihn an. Langsam setzten sich alle Puzzelteile zusammen. "Du hast es ihnen also erzählt?"

Seiya nickte nur.

"Du bist so ein Waschlappen. Ich dachte, du wolltest unbedingt mit Usagi zusammen sein? Oder wollte sie dich nicht mehr. Würde mich auch nicht wundern, so ein Weichei wie du bist. Du hast doch nicht mal genug Eier in der Hose."

Ihr Gesicht verzog sich immer mehr zu einer hässlichen Fratze.

"Doch, ich wollte mit Usa zusammen sein. Sehr sogar. Ich habe sie geliebt und das tue ich immer noch.", er sah kurz zu der Blondine. "Aber ich habe gelernt, dass man Gefühle nicht erzwingen kann und es falsch ist, etwas zu trennen, was zusammen gehört. Usagi und Mamoru gehörten zusammen wie der Mond und die Erde. Und nichts und niemand kann sie trennen. Auch nicht du, Saori."

"Das werden wir ja noch sehen. Und scheinbar legst du ja auch genauso viel Wert darauf wie Usagi, keinerlei Zukunft zu haben."

"Wieso? Willst du mir das Leben auch zur Hölle machen?", Seiya lachte leise auf. "Keine Sorge, das war es bereits. Und ehrlich gesagt, glaube ich eher, dass du keine Zukunft mehr haben wirst."

"Was?"

Unsicherheit machte sich in ihrer Stimme breit. Verwirrt sah sie zwischen den drei Anwesenden hin und her. Sie grinsten sich alle feierlich an.

"Das, meine liebe Saori, wirst du noch früh genug erfahren.", Usagi klopfte ihr breit grinsend auf die Schulter. "Aber keine Sorge, aus dir wird schon was werden. Und nun entschuldige mich bitte. Mamoru und ich müssen ins Crown. Seiya, kommst du mit?"

"Na klar. Die anderen warten doch schon."

Während Saori unschlüssig dastand und nicht wusste, was sie tun sollte, bot Mamoru Usagi den Arm an. Das erste Mal seid Tagen wusste die Brünette nicht, was sie tun sollte. Ja, sie hatte sich verraten.

Ja, niemand glaubte ihr mehr.

Aber wieso sollte sie plötzlich keine Zukunft mehr haben?

Sie wollte den anderen hinterher laufen, wurde jedoch von einem Kopfschütteln seitens Seiya zurückgehalten. Musste sie sich wirklich überraschen lassen? Musste sie dafür beten, dass alles glimpflich ablaufen würde? Angst ergriff sie. Und sie war ohnmächtig dagegen. Konnte nichts dagegen tun. Und fühlte sich so hilflos wie noch nie zuvor.
 


 

"Da seid ihr ja endlich!", erleichtert lief Motoki auf die drei Ankömmlinge zu. Umarmte jeden von ihnen, als hätte er sie zuletzt vor Jahren gesehen und nicht erst vorgestern oder vor ein bisschen mehr als einer Stunde. Auch die anderen wirkten erleichtert, als Mamoru mit Usagi im Arm und Seiya im Schlepptau das Crown betraten.

"Ist alles gut gegangen?", Rei rutschte ein wenig auf der Bank und machte so Mamoru Platz, der Usagi auf seinen Schoß nahm. Seiya schnappte sich einen Stuhl und schob sein Smartphone in die Runde.

"Naja, sie wurde ein wenig hysterisch und hat sich natürlich wunderbar verplappert.", grinste Usagi. "Schaut es euch doch am besten selber an."

Die ganze Clique verfolgte den knapp zwanzigminütigen Film auf Seiyas Handy. Und nicht nur die Freunde. Auch andere Stammgäste sahen sich Saoris oscarreifen Auftritt an und schüttelten dabei ungläubig mit den Köpfen. Ein Raunen ging durch das Café, gefolgt von einigen erschrocken Ausrufen, als Saori ihr wahres Gesicht zeigte. Zweimal mussten sie sich das Video ansehen, nur um zu begreifen, dass der Spuk und das Intrigenspiel endlich sein Ende hatte. Ein Applaus erfüllte das Crown, als Usagi und Mamoru sich nach der zweiten Filmvorführung küssten. Und die Clique war erleichert, als sich die Menschentraube um ihren Stammtisch wieder auflöste.

"Was hast du nun mit dem Video vor, Seiya?", Minako sah ihn neugierig an.

"Oh, ich dachte, dass mir da vielleicht Ami helfen kann. Du bist do so ein Talent was Computer und so angeht."

"Danke für das Kompliment.", Ami lief ein wenig rot an. "Was soll ich machen?"

"Ich dachte daran, dass es eine gerechte Strafe für sie wäre, wenn wir es ihren Elten zuspielen. Sollen die doch mal sehen, was ihr feines Töchterlein so alles angestellt hat."

"Das ist schon fies."

"Ist es nicht, Mako. Ich hab es meinen Eltern auch gebeichtet.", Seiya seufzte und starrte in sein Colaglas. "Ab morgen hab ich drei Wochen Hausarrest und muss die Aufgaben meiner Brüder im Haushalt für die nächsten drei Monate übernehmen."

"Erst ab morgen?"

"Ich hab ihnen gesagt, dass ich euch ja noch helfen muss."

"Das hast du auch.", Usagi umarmte ihn. "Danke nochmal!"

"Schick es ruhig an ihre Eltern. Ich bin nicht besonders erpicht darauf, noch weiter den Vorbereitungskurs mit ihr zu besuchen. Du vielleicht Koba?", grinste Mamoru schief.

"Nein, ich verzichte auch nur allzu gerne.", lachte der Angesprochene.

Sie plauderten noch eine ganze Weile, während Ami das Video auf ihren Laptop lud und es versendete. Keiner von ihnen bemerkte, wie Mamoru seine Liebste vom Tisch weg und ins Hinterzimmer zog.

Verdutzt folgt Usagi ihm und ließ sich nur allzu gerne in eine enge Umarmung ziehen, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Sie ertrank in seinen ozeanblauen Augen und erwiderte seinen sanften Kuss. Genoss es, als er mit der Hand durch ihr Haar fuhr.

"Mamo-chan?", sie sah ihm an, dass ihn etwas beschäftigte. "Was hast du?"

"Nichts. Ich bin gerade nur, und an dieser Stelle darfst du gerne lachen, so dankbar für alles. Ich hätte nie gedacht, dass es wirklich mit uns klappen könnte."

"Langsam wirst du mir mit deinen ganzen Gefühlsduseleien echt unheimlich.", sie kicherte. "Aber ich weiß, was du meinst. Nach all den Sachen die passiert sind, bin ich echt froh, dass es vorbei ist. Zumindest hoffe ich das."

"Du glaubst nicht daran, dass sie uns in Ruhe lässt?"

"Nein, nicht wirklich."

"Ich bleibe immer bei dir. Immer.", er umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen. "Ich liebe dich, Usako!"

Seine Lippen streiften sanft ihre. Und Usagi wurde in dem Moment klar, dass er recht hatte. Das er immer bei ihr bleiben wollte. Das er immer für sie da sein würde. Immer.

Future

Ihr letzter Schützling rannte lachend auf seine Eltern zu und fiel ihnen in die Arme. Fröhlich plappernd erzählte der kleine Junge von seinem aufregenden Tag im Kindergarten und zeigte stolz ein Bild. Drehte sich noch einmal um und winkte Usagi zu, bevor er sich auf die Schultern seines Vaters hiefen ließ und das Gebäude verließ.

Die Blondine lief noch einmal durch den Gruppenraum, räumte die letzten liegen gebliebenen Bauklötze weg und setzte zwei Puppen an den kleinen Holztisch in der Puppenküche. Zufrieden sah sich um, bevor sie das Zimmer verließ. Im Personalraum nahm sie sich ihre Jacke und verließ kurz danach endgültig ihren Arbeitsplatz. Sie schloss die Türe ab und ging gut gelaunt durch den kleinen Vorgarten. Kaum war sie durch das Gartentor getreten, hörte sie ein vertrautes Geräusch. Lächelnd drehte sie sich um, sah den roten Sportwagen um die Ecke fahren. Sie würde das Auto hundert Meilen gegen den Wind erkennen. Es war Mamorus absoluter Liebling. Neben ihr natürlich, aber keine ernsthafte Konkurrenz. Auch wenn er den Alfa Romeo SZ genauso umhegte, wenn er kaputt war, wie er Usagi pflegte, wenn sie krank war. Arzt blieb eben Arzt.

Während sie das Tor nun ebenfalls abschloss, kam Mamoru neben ihr zum Stehen. Er ließ das Fenster der Beifahrertüre herunter.

"Hallo Prinzessin, darf ich dich vielleicht mitnehmen?"

"Ich weiß nicht.", Usagi drehte sich um und sah ihn scheinbar überlegend an. "Ich habe eigentlich einen sehr netten Verlobten. Aber warum nicht?!"

Lachend öffnete sie die Tür und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Sie beugte sich zu Mamoru, erwiderte seinen fast schon stürmischen Kuss. Erst dann schnallte sie sich an und der Schwarzhaarige fuhr sofort wieder los.

Usagi hörte ihm gerne dabei zu, als er ihr von seinem Tag berichtete. Sie war immer neugierig, was seine Arbeit betraf. Seit er in der Kinderklinik arbeitete, gab es keinen Tag, an dem er nichts zu erzählen hatte. Sie wusste, dass ihm seine kleine Patienten am Herzen lagen. Das hatte sie schon bemerkt, als er während seines Studiums in den Ferien arbeitete. Hatte er zunächst noch auf der Kardiologischen Station gearbeitet, reifte indes immer mehr sein Entschluss, lieber auf der Pädiatrie zu arbeiten. Viel zu oft hatte er den Eindruck gehabt, dass den kleinen Patienten jemand fehlte, dem sie ihre Ängste anvertrauen konnten und der ihnen diese so gut es ging nahm. Usagi selbst hatte ihm geraten, mit seinem zuständigen Mentor an der Universität zu sprechen. Dieser hielt es für keine schlechte Idee und riet ihm ebenfalls zu einem Wechsel. Zusammen mit seinem alten Freund Kobajashi, der sich schon eher als Mamoru auf die Kindermedizin spezialisiert hatte, paukte der Schwarzhaarige nun Kinderkrankheiten und dazu passende Behandlungsmethoden.

Und bis heute bereute er seinen Entschluss nicht. Er war seit einem halben Jahr fertig mit der praktischen Ausbildung zum Kinderarzt und nun Stationsarzt. Genau wie Kobajashi. Meistens hatten sie die selben Schichten und jede Menge Spaß dabei. Doch während sein Kollege und Freund liebend gerne mit den Schwestern der Station ausging, hatte Mamoru selbst nur Augen für Usagi. Selbst nach zehn Jahren war sie immer noch sein Ein und Alles und seine große Liebe. Auch wenn sie schon den ein oder anderen großen Streit gehabt hatten. Doch nie zweifelte einer von beiden an den Gefühlen des anderen.

Seit Usagis Schulabschluss wohnten sie sogar zusammen. Ihr Vater war zunächst dagegen gewesen. War die Blondine doch sein kleines Mädchen. Es brauchte viel Überredungskunst seitens Usagis Mutter und ihrem kleinen Bruder, der unbedingt und überhaupt ihr Zimmer haben wollte, bis die Tochter zu Mamoru ziehen durfte. Selbst dessen Wohnung wurde von Kenji inspiziert. Zu seinem Erstaunen musste dieser feststellen, wie groß die Wohnung Mamorus war. Genug Platz für zwei und sauber. Es gab nichts mehr, was dagegen sprach und binnen einer Woche wohnte Usagi bei ihrem Liebsten.

Was Kenji jedoch weniger gut verkraftete, war die Verlobung des Paares zu Usagis einundzwanzigstem Geburtstag. Sie selbst und ihre Freundinnen hatten nichts geahnt. Nur Motoki. Dieser hatte mitten im Partygetümmel des Crown das Licht gedimmt und ruhigere Musik aufgelegt. Keiner verstand, was plötzlich vor sich ging, bis Mamoru vor der Blondine auf die Knie ging und ihr einen Ring entgegen streckte. Noch bevor er überhaupt diese eine bestimmte Frage stellen konnte, brach Usagi in Tränen aus. Genau wie ihre Freundinnen und Kenji, der wohl am meisten Tränen vergoss und von seiner Frau getröstet werden musste. Freudestrahlend und mehrmals Ja rufend, fiel Usagi Mamoru anschließend um den Hals. Das ganze war jetzt fünf Jahre her. Wäre es nach ihren Eltern gegangen, hätten sie schon einen Monat nach der Verlobung geheiratet. Aber das Paar wollte abwarten. Mamoru wollte erst ein richtiges Gehalt verdienen genau wie Usagi.

"Sie werden ausrasten vor Freude.", lachte Usagi, als Mamoru vor ihrem Stammcafé hielt.

"Mina wird sich sofort in die Vorbereitungen stürzen.", er stieg aus und lief um den Wagen herum, um gentleman-like seiner Liebsten die Tür zu öffnen.

Usagi ergriff seine Hand und ließ sich heraus helfen. Drückte ihm als Dank einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich von ihm ins Crown ziehen ließ.
 

Motoki brachte seinem Traumpärchen, wie er sie beide nannte, die bestellten Getränke und schob sich dann selbst einen Stuhl an den Tisch.

Im Moment war wenig los im Crown und er und Makoto, die mittlerweile ein fester Bestandteil in seinem Leben war und in der Küche die leckersten Sachen zauberte, hatten nur wenig zutun. Die Schüler, die nach dem Unterricht die Spielautomaten belagerten, waren nach Hause gegangen. Die Erwachsenen, die wegen Makotos Leckerbissen herkamen, würden erst in zwei bis drei Stunden hier auftauchen.

Ami hatte, wie ihr Freund Ryo, die Medizinbücher weggepackt. Beide paukten für ihre Zwischenprüfung als Assistenzärzte. Beide wälzten seit Wochen die Kapitel über orthopädische Chirugie und Anästhesie in der Kinderheilkunde. Sie hatten jeder noch zwei Jahre vor sich, bis sie mit der Ausbildung fertig waren. Und hatten jetzt schon die besten Chancen auf einen gut bezahlten Job. Schon jetzt machten sie zusammen mit Mamoru und Kobajashi Witze, ob sie nicht eine Gemeinschaftspraxis gründen sollten. Tatsächlich dachten die vier mittlerweile ernsthaft darüber nach. Die anderen Freunde fanden die Idee nicht schlecht. Gute Praxen mit ambulanter Chirugie waren Mangelware in der Stadt. Erst recht für Kinder.

Minako strich sich während der Gespräche über ihren immer mehr wachsenden Babybauch. Genau wie es ihr frisch angetrauter Mann Kunzite hin und wieder tat. Die beiden kannten sich jetzt seit drei Jahren und waren sich so vertraut, als wären sie schon Jahrhunderte zusammen. Es war eine ähnlich intensive Liebe wie zwischen Mamoru und Usagi. Minako hatte den von Natur aus Silberhaarigen bei einem ihrer Werbejobs kennen gelernt. Schon kurz nach dem Schulabschluss hatte sie einen guten Vertrag bei einer Modelagentur bekommen und reiste seitdem durch ganz Asien und bis Australien für Jobs. Darunter auch Werbeaufträge. Kunzite war ihr männlicher Werbepartner gewesen und die beiden verliebten sich auf den ersten Blick ineinander. Zu ihrer Erleichterung stellten sie fest, dass sie fast Nachbarn waren. Er wohnte zwei Straßen von ihr entfernt und bereits nach drei Monaten bei ihr. Seit vier Wochen waren sie verheiratet. Und in fünf Monaten wären sie zu dritt.

Rei schmiegte sich an ihren Freund. Yuichiro arbeitete wie sie im Tempel ihres Großvaters. Lange hatte er sie umworben und erst auf den Rat ihrer Freundinnen war Rei auf sein Werben eingegangen. Schneller als es ihr selbst lieb war, hatte sie ihr Herz an den jungen Mann verloren. Sie gingen immer öfter aus und die Freunde nahmen Yuichiro sehr gerne und sehr herzlich in ihre Runde auf. War die Schwarzhaarige eher temperamentvoll, so war er der ruhigere Typ. Sorgte dafür, dass sich seine Liebste nie zu sehr aufregte und auf dem Boden der Tatsachen blieb. Zusammen hielten sie den Hikawa-Tempel in Schuss.

"Hey!", Seiya kam fröhlich ins Café. Wie immer hatte er seine großen Kopfhörer um den Hals und jeder konnte die Musik hören. Seit seinem Schulabschluss widmete sich der Schwarzhaarige der Pädagogik und Musik, die er an der Meiji-Universität studierte. In einem Jahr würde er fertig sein und, so hoffte er, an einer Schule als Musiklehrer arbeiten. Zumindest hatte er es so für sich geplant.

"Unterwegs hat mich Kobajashi angerufen. Er kommt auch gleich."
 

Kobajashi war genervt. Nicht nur, dass er an seinem freien Tag in die Klinik musste, weil die Personalchefin endlich wissen wollte, wann er gedachte, Urlaub zu nehmen. Nein, er traf dabei auch noch auf jemanden, mit dem er absolut nicht gerechnet hatte. Schon gar nicht hier in so einer renommierten Klinik. Und zu seinem Übel erkannte die Person ihn auch noch genauso gut wie er sie. Jetzt wurde er sie nicht mehr los und war doch in Eile. Er hatte schon mit Seiya telefoniert, dass er am Weg war. Dummerweise wurde er verfolgt und selbst nachdem er seine Verfolgerin zur Rede gestellt hatte, ließ diese sich nicht abwimmeln. In all den Jahren hatte sie sich nicht verändert. Es blieb ihm also nichts weiter übrig, als sie mitzuschleppen. Auch wenn er wusste, dass die anderen weniger davon begeistert sein würden.

"Saori!", er versuchte es ein letztes Mal, als er an der Kreuzung vor seinem Stammcafé stehen geblieben war. "Ich denke, dass es keine gute Idee ist, dass du mitkommst. Es sind alle da. Wirklich alle! Und auch zehn Jahre später sind sie nicht sonderlich gut auf dich zu sprechen."

Die Brünette schaute ihn an.

"Ach komm schon. Sie werden mir wohl verziehen haben.", sie lächelte. Genauso übertrieben wie damals.

"Nein. Pass auf, ich geh vor und entweder hole ich dich nach oder nicht."

Doch sie schüttelte den Kopf. Ließ sich nicht beirren. Und als die Ampel auf Grün umschaltete, lief sie neben dem Arzt über die Straße.

"Ihr geht immer noch in dieses Café?"

Kobajashi konnte den Unglauben und die Verachtung gleichermaßen in ihrer Stimme hören. Sie mochte das Crown schon damals nicht. Warum sollte es jetzt anders sein?! Aus dem Augenwinkel sah er seine Freunde. Sie lachten und hatten Spaß. Wie immer war die Stimmung ausgelassen am Tisch. Er ahnte, dass es in wenigen Sekunden anders sein würde. Noch einmal atmete er tief durch und trat dann mit seinem unfreiwilligen Anhängsel durch die Schiebetür.

"Hallo!", er lief einige Schritte schneller und trat an den Tisch. Er sah in die Augen seiner Freunde und wie sie seinem Kopfnicken folgten. Sah, wie sie ungläubig die Augen aufrissen und wie sich Wut in den Augen von Seiya und Mamoru sammelte. Sofort zog Letzterer seine Verlobte in die Arme. Ließ Saori, die nun ebenfalls an den Tisch getreten war, nicht aus den Augen.

"Was willst du hier?", Mamoru knurrte fast. Er wusste, dass Kobajashi sie sicherlich loswerden wollte und sie sich nicht abschütteln ließ.

"Oh ich traf zufällig Kobajashi in eurer Klinik vorm Personalbüro.", sie sah sich suchend nach einem Stuhl um.

"Wieso?"

"Ich hab mich bei euch als Krankenschwester beworben."

Ohne die anderen und ihre misstrauischen Blicke weiter zu beachten, setzte sie sich an den Nachbartisch. Ihr Blick glitt zu Usagi, die sich schützend an Mamoru drückte. Saori kam nicht umhin festzustellen, dass die Blondine noch schöner geworden ist. Ein Stück war sie noch gewachsen und ihre Figur war weiblicher geworden. Nur ihre Augen blieben in all den Jahren unverändert. Genau wie die von Mamoru. Lediglich sein Gesichtszüge waren markanter, männlicher geworden und er dadurch noch attraktiver.

"Dank eurer Mail damals an meine Eltern steckten sie mich in ein Internat in Ôita, Kyushu. Ich war mitten in der Pampa und ohne Freunde. Die meisten Schüler dort kannten sich schon seit der Mittelstufe. Ich war die Neue und die verwöhnte Göre aus der Großstadt.", sie sah herausfordernd in die Runde. "Es gab dort zwar auch Vorbereitungskurse für die Uni, aber keine die dich so speziell vorbereiten, wie es vorher hier in Tokio der Fall war. Ich habe mich sehr angestrengt, aber ich schaffte es nicht auf die Tôdai. Meine Eltern waren stocksauer. Um wenigstens halbwegs Karriere zu machen, habe ich mich als Krankenschwester ausbilden lassen und belege nebenbei alle möglichen Weiterbildungsseminare. Ihr seht also, dass ihr meine Zukunft gründlich versaut habt."

"Selbst schuld!"

Saori zuckte bei der Gleichgültigkeit in Usagis Stimme zusammen. Blickte auf und sah, wie die Blondine nur die Schultern hob und dann einen Schluck ihres Shakes nahm.

"Hättest du vor zehn Jahren eingesehen, dass Mamoru nie an dir interessiert war, hättest du vielleicht auch als Ärztin arbeiten können."

"Du klingst ja recht zufrieden."

"Bin ich auch. Jeder bekommt seine gerechte Strafe. Auch du!"

"Das kannst du ja leicht sagen. Was hast du denn aus dir gemacht? Hausfrau mit dem Diplom zum Bedienen eines Geschirrspülers?"

Alle spürten die neue und doch alte Feindseligkeit, die Saori sofort an den Tag legte. Sie war aufgesprungen, während alle anderen ruhig blieben.

"Ich arbeite als stellvertretende Kindergartenleiterin und ich kann mich darüber nicht beklagen.", sie sah zu Mamoru, der sie nickend angrinste. "Und wenn wir schon dabei sind. Mamo-chan und ich sind seit fünf Jahren verlobt und werden demnächst heiraten."

Mit einem Schlag herrschte Totenstille am Tisch. Sie alle sahen das Paar fragend an und Minako fand als erste ihre Stimme wieder.

"Was heißt demnächst?"

"Am fünfzehnten September.", Mamoru grinste in die Runde, bevor er Usagi küsste.

"Das ist in einem Vierteljahr!", quietschte Rei.

"Nur noch drei Monate?", schalltete sich nun auch Makoto ein. "Na ihr seid lustig. Ich muss doch das Essen planen. Und den Kuchen und..."

"Hey, es sind noch drei Monate. Dreht nicht durch. Vorallem nicht du.", Kunzite drückte seine schwangere Frau auf die Bank zurück, die vor Freude aufgesprungen war.

"Kunzite hat Recht. Wir stressen uns auch nicht.", Usagi lachte. Ihr Blick traf den von Saori, die sie schockiert ansah. Die Brünette konnte nicht fassen, dass ihre Konkurrentin alles bekommen hatte, was sie wollte und was ihr selbst eigentlich zustand. Lautlos formte sie mit ihrem Lippen ein Wort.
 

"Keiner nennt meine Verlobte eine billige Schlampe!"

Die Anwesenden zuckten am Tisch zusammen, als Mamorus Worte seinen Mund verließen. Verwirrt blickten sie zwischen dem jetzt aufgesprungenen Mann und dem ungewollten Gast hin und her und es dauerte einige Sekunden, bis alle verstanden hatten, was eigentlich vor sich ging.

"Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst!", Motoki packte Saori unsanft am Oberarm und schob sie in Richtung Tür.

"Warte."

Erwartungsvoll drehte sich die Brünette um, als sie Mamorus Einhalt hörte. Sah, wie er auf sie zukam.

"Ich wünsche dir viel Erfolg.", er hatte die Hände in den Hosentaschen und sah sie an. Wie schon damals konnte sie seinen Blick nicht deuten.

"Wie meinst du das?"

"Bei deiner Bewerbung in der Klinik.", damit wandte er sich ab und ließ sie stehen.

"Hausverbot! Auf Lebenszeit!", der Blonde schob sie aus dem Café. Doch sie ließ sich nicht beeindrucken davon. Wenn alles so klappte, wie sie es sich vorgestellt hatte, würde sie Mamoru bald jeden Tag sehen.
 

"Willst du ernsthaft, dass die bei uns auf Station anfängt?", Ryo sah zweifelnd zu Mamoru, der sich wieder gesetzt hatte und Saori beobachtete, die beschwingt davon ging.

"Warum nicht?"

"Mamo-chan?!"

Der Schwarzhaarige lächelte geheimnisvoll in die Runde.

"Spuck es aus Chiba, was hast du vor? Ihr erneut die Karriere versauen?", Seiya lehnte sich zurück und sah ihn fragend an.

"Nein. Die soll sie von mir aus gerne machen. Aber ich habe Neuigkeiten für euch. Vorallem für dich, Koba und für Ami und Ryo."

Die vier Angesprochenen sahen ihn aufmerksam an.

"Ich hatte heute Vormittag ein interessantes Treffen mit Professor Iwata. Sein Freund und Kollege Professor Tomoe leitet eine Kinderarztpraxis mit einer ambulanten, chirurgischen Abteilung. Sie ist gleich hier in der Nähe.", Mamoru sah auf seinen Kaffee. "Tomoe hat noch zwei Jahre bis zur Pension. Sein bisheriger Partner ist seit letztem Monat schon im Ruhestand und nun sucht er jemanden. Erstens einen neuen Partner und zweitens einen potenziellen Nachfolger."

"Und Iwata dachte dabei an dich.", schlussfolgerte Kobajashi.

Mamoru nickte und sah zu seinem Freund und Kollegen.

"Ich habe in der Mittagspause mit ihm telefoniert und hab morgen mit ihm ein Gespräch. Du kommst mit."

"Ich?"

"Ja. Er wäre erfreut, dich ebenfalls kennenzulernen. Er meinte, zwei weitere Partner wären noch besser. Er spürt das Alter und wäre froh, noch kürzer treten zu können bis zur Pension. Außerdem bestehe die Möglichkeit, dass Ami und Ryo ihre Praxisstunden dort machen könnten."

Erwartungsvoll sah er in die Runde.

"Was denkt ihr?"

"Mach es!", Usagi sah ihn nickend an. "Nimm das Angebot an. Nehmt es alle an."

"Sicher?", Ami war sich noch nicht sicher.

"Natürlich. Ihr überlegt doch schon seit Monaten, ob ihr euch nicht irgendwann mal wegen einer Praxis zusammen tun sollt. Und ihr wisst, wie schwer geeignete und vorallem bezahlbare Räume zu finden sind und ihr müsst euch erst einen Ruf aufbauen. Bei Tomoe habt ihr das alles schon. Er hat seinen Kreis an Patienten und wenn ihr die nächsten zwei Jahre dort mitlauft, lernen die euch auch kennen. Das ist doch super."

Der Enthusiasmus der Blondine griff auch auf die anderen Nicht-Mediziner am Tisch über. Sie alle teilten Usagis Auffassung.

"Es wäre das, was ihr immer wolltet.", lächelte Makoto.

"Ich komm dann mit meinem Kind bei euch vorbei.", grinste Kunzite.

"Wann könntest du denn anfangen?", Yuichiro sah Mamoru neugierig an.

"Zum nächst möglichen Termin."

"Unter Einhaltung der Kündigungsfrist in der Klinik also zum nächsten Ersten.", schlussfolgerte Kobajashi.

"Genau. Was denkst du? Bist du mit dabei?"

"Hm, wenn ich so überlege. Da sind keine Krankenschwestern oder?"

"Wird Zeit, dass du sesshaft wirst.", Mamoru klopfte seinem Freund auf die Schultern.

"Ich weiß nicht. Gib mir noch ein paar Argumente. Wie ist die Bezahlung?"

"Ist eine private Praxis."

"Dienstzeiten?"

"Keine Schichtdienste mehr. Montag bis Freitag von neun bis eins und dann von drei bis sieben. Und freie Wochenenden."

"Urlaub?"

"Sprechen wir ab. Also?"

"Bevor du jetzt flehend und bettelnd auf die Knie fällst. Ja okay, ich bin dabei. Und ihr zwei?"

Ami und Ryo sahen sich. Er sah, wie seine Freundin zweifelte und überlegte. Liebevoll ergriff er ihre Hand.

"Das Angebot ist wirklich super. Wir könnten besser lernen durch die geregelten Arbeitszeiten. Ich weiß doch, wie sehr du Nachtdienste hasst. Und am Wochenende können wir ebenfalls in Ruhe lernen."

"Ami?"

Die junge Frau drehte sich zu Mamoru.

"Ich und Kobajashi würden sehr gerne mit euch zusammen arbeiten."

"Und euch nach dem Abschluss übernehmen.", ergänzte der zweite Arzt am Tisch.

Die Augen der Assistenzärztin weiteten sich. Sie wusste, dass sie dort wesentlich besser verdienen würde, als in der Klinik. Und das auch ohne Überstunden.

"Können wir morgen nicht mitkommen? Wir haben eh frei."

"Sicher Ryo, wieso nicht?", nickte Mamoru. "Und jetzt wisst ihr auch, warum es mir so egal ist, wenn Saori die Stelle bekommt oder nicht."

Die anderen lachten nur und Usagi schmiegte sich an ihren Verlobten. Sie war glücklich, dass er jetzt so schnell seinen Traum erfüllen konnte. Mal abgesehen von der Hochzeit in ein paar Monaten. Still verfolgte sie die Gespräche am Tisch. Die jungen Ärzte berieten sich plötzlich intensiv über die Farbgestaltung der Räume, während Minako mit Rei und Makoto gedanklich das Kinderzimmer einrichtete. Die Männer quatschten hingegen über die neusten Baseballergebnisse.

Die Blondine genoss all diese Kleinigkeiten. Sie genoss sie jeden Tag. In all den Jahren. Und sie würde sie auch in Zukunft genießen.
 


 

Mamoru stellte zwei Tassen Kakao, auf dessen Oberflächer kleine Marshmellows schwammen, auf den Wohnzimmertisch.

Sie hatten im Crown noch mit den anderen etwas gegessen, bevor sie nach Hause gegangen waren. Auf dem Heimweg hatte er seiner Verlobten von der eigenen Praxis vorgeschwärmt. Ab und an musste sie ihn ein wenig zurück auf den Boden der Tatsachen holen. Immerhin hatte er die noch gar nicht. Nur so gut wie. Aber er konnte nicht anders. Mamoru hatte genau Vorstellungen von allem. Begonnen damit, welche Zeitschriften er im Wartezimmer auslegen wollte bis dahin, welches Behandlungsbesteck er nehmen wollte. Eigentlich konnte er es nicht mehr abwarten, bis er endlich dort anfangen konnte. Er hatte Professor Tomoe als Dozenten in den letzten beiden Semestern kennen und schätzen gelernt. Jetzt vielleicht und sehr wahrscheinlich seine Praxis zu beerben, machte ihn sprachlos und wahnsinnig nervös zugleich. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er die noch bevorstehenden Stunden bis zum Treffen mit Tomoe vorgespult wie eine DVD. Aber über die Zeit hat niemand Macht und so musste er sich in Geduld üben.

Der Schwarzhaarige ließ sich aufs Sofa fallen.

"Usako, wo bleibst du?", er rief in Richtung gemeinsames Schlafzimmer, während er den Fernseher einschaltete.

"Ich bin gleich da."

Ein seltsames Gefühl beschlich ihn und ihm kam in den Sinn, dass sie schon auf dem Heimweg recht still gewesen war. Ganz gegen ihrem eigentlichen Naturell. Kurz hatte er den Verdacht, dass er vielleicht zu enthusiastisch gewesen war. Normalerweise war er immer der stillere Part in ihrer Beziehung. Doch den Gedanken verwarf er wieder. Sein Herz und sein Verstand sagten ihm, dass etwas anders war. Aber er fand keine Antwort.

"Da bin ich schon."

Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er sah auf und streckte die Hand aus, die Usagi sogleich ergriff. Sie ließ sich zu ihm aufs Sofa ziehen, hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen.

"Machst du mal aus.", sie wandte sich von ihm ab und beugte sich neben das Sofa.

"Wieso? Ich dachte, wir sehen uns den Film von Osawas Buch an.", er klang ein wenig enttäuscht. Mamoru liebte die Verfilmung von Arimasa Osawas Kriminalromanen. Genau wie es Usagi eigentlich tat. Umso weniger verstand sie, wieso sie ihn jetzt bat, den Fernseher auszuschalten. Schon die letzten Tage hatte sie davon gesprochen, wie gespannt sie auf den neuen Film war.

"Ach, die wiederholen den doch eh. Und außerdem sammelt Kunzite die auf DVD. Wahrscheinlich hat er den auch schon und wir können ihn uns ausleihen."

"Das ist aber nicht das selbe, wie die Free-TV-Premiere zu sehen."

"Aber auf DVD ist er ohne Werbung.", ihre Stimme war zuckersüß. "Jetzt mach schon."

"Okay.", er schaltete den Fernseher aus und sah sie erwartungsvoll an. "Ich hoffe doch mal, dass es sich wenigstens lohnt."

Usagi nickte nur und zauberte hinter ihrem Rücken eine kleine, goldene Schachtel hervor. Sie hatte schon immer ein Faible für diese Farbe gehabt. Neben allen möglich Rosatönen. Seine Augen wanderten von der Schachtel zu ihrem Gesicht, doch sie hielt den Blick gesenkt.

Die Blondine war nicht fähig, ihm in die Augen zu sehen. Obwohl sie schon längere Zeit darüber gesprochen hatten und nichts mehr dagegen unternahmen, es zu verhindern, kam es ihr auf einmal so unwirklich vor. Jetzt wo es plötzlich eingetreten war, wurde ihr Traum war. Und es machte ihr Angst. Obwohl das unsinnig war. Sie starrte auf die Schachtel in ihren Händen, die ganz feucht waren vor Aufregung und leicht zitterten.

Schon den ganzen Weg nach Hause hatte sie überlegt, wie sie es ihm am besten sagen sollte. Die Box hatte sie heute im Kindergarten gebastelt, als die Kleinen ihren Mittagsschlaf machten. Immer und immer wieder hatte sie überlegt, wie sie am besten beginnen sollte. Selbst im Crown war sie immer mal wieder mit ihren Gedanken abgetrifftet. Als Saori aufgetaucht und ihre beruflichen Pläne verkündet hatte, war Usagi das Herz in die Hose gerutscht. Sie wollte auf der gleichen Station wie Mamoru arbeiten. Auch wenn die Blondine wusste, dass ihr Verlobter nur sie liebte, bereitete ihr das Gehörte Unbehagen. Und erst als Mamoru seine Pläne bezüglich einer Praxis verkündete, machte sich innerliche Erleichterung in ihr breit.
 

"Usako?", vorsichtig legte er seine Hand auf ihre. "Ist alles okay mit dir? Du wirkst ziemlich blass und warst vorhin schon so still."

Sie hörte die aufrichtige Sorge in seiner Stimme und hob den Blick. Sah die Verunsicherung in seinen Augen. Nickte.

"Ja, mir geht es gut. Zumindest bis jetzt."

"Wie meinst du das?"

"Ach nichts. Hier.", sie streckte ihm die Schachtel entgegen. "Ich habe ein kleines Geschenk für dich."

Mamoru nahm ihr die Schachtel ab, legte sie in seinen Schoß und sah wieder zu Usagi. Irgendetwas war anders an ihr. War sie bis eben noch blass, so hatten sich ihre Wangen jetzt rosig gefärbt. Er kannte diese Anzeichen. Sie war aufgeregt und wäre am liebsten schreiend aus der Wohnung, oder zumindest dem Zimmer, gerannt. Fieberhaft suchte er nach einem Grund. Hatte er ihren Jahrestag vergessen? Nein, den hatten sie erst in zweieinhalb Wochen.

"Ich hab noch nicht Geburtstag.", er schallte sich innerlich selbst für diesen dummen Satz.

"Ich weiß. Ich konnte aber nicht bis zu deinem Geburtstag warten. Außerdem müssen wir es für die Hochzeitspläne berücksichtigen.", seine Unwissenheit gab ihr neuen Mut. Sie liebte es, ihn auf die Folter zu spannen. Usagi sah, wie es in ihm arbeitete. Wie er überlegte und zu keinem vernünftigen Ergebnis kam. Leise kicherte sie.

"Es ist ja auch nur eine Kleinigkeit. Also noch.", sie legte den Zeigefinger an ihr Kinn und sah überlegend zur Decke. "Wenn es so klein bleibt, mache ich mir doch Sorgen. Naja, auf alle Fälle ist es ja auch nur ein vorläufiges Geschenk."

"Ein vorläufiges?"

"Ja. Du wirst noch ein wenig warten müssen, bis du es endgültig in die Finger bekommst."

"Usagi?!", er wollte nicht so schroff klingen, aber langsam wurde es ihm doch zu bunt. Mamoru kannte ihre Art, Menschen vor Neugier zur Weißglut zu treiben. Und das war auch der einzigste Punkt, den er bis heute nicht an ihr leiden konnte. Dennoch war es lange her, dass sie das bei ihm auch gerade durchzog. Und zu allem Überfluss kicherte sie jetzt auch noch.

"Es tut mir leid.", sie beugte sich zu ihm und küsste ihn liebevoll auf die Wange.

"Gibst du mir einen Tipp? Du weißt, ich..."

"...hasse Überraschung."

Mamoru nickte nur und schaute wieder auf die Box in seinen Händen.

"Es wird dich nicht beißen. Noch nicht. Du wirst es liebe. Jetzt und für immer. Und es ist etwas von mir und dir gleichermaßen und wird unser beider Leben verändern."

Er sah wieder zu ihr. Sie schaute ebenfalls auf die Schachtel. Er versuchte ihre Körpersprache zu lesen. Ihre Wangen waren immer noch gerötet, sie lächelte verträumt und ihre Hände ruhten in ihrem Schoß.

Nein, taten sie nicht. Nicht richtig!

Sie ruhten auf ihrem Bauch!

Auf ihrem Unterleib!

In Sekundenschnelle überschlugen sich seine Gedanken. Sie hatten über das Thema gesprochen, in den letzten Wochen war es ein fast tägliches Thema gewesen. Sie hatten sich deswegen nicht sonderlich gestresst, sondern waren eher der Meinung gewesen, dass es schon irgendwann passieren würde. Irgendwann wäre der richtige Zeitpunkt. Mamoru überlegte, wie lange sie es jetzt schon probierten. Vier Monate? Fünf? Sie hatten kurz nach dem Ende seiner Facharztausbildung damit begonnen zu basteln.

Er starrte auf die Schachtel in seiner Hand und hob mit vor Aufregung zitternden Fingern den Deckel. Er musste schlucken, als er den Inhalt sah und sah dann zu Usagi. Sie sah ihn direkt an, hatte Tränen in den Augen. Er wusste, dass es Freudentränen waren. Und obwohl er immer noch nicht der Typ war, der sich so schnell von Gefühlen übermannen ließ, konnte auch er seine Tränen nicht unterdrücken.

"Seit wann weißt du es?"

"Seit heute Morgen."

Vorsichtig, wie einen kostbaren Schatz stellte er die Schachtel auf den Tisch. Zog Usagi dann in eine Umarmung.

"Du bist so wunderschön, Prinzessin!", er hauchte ihr tausend Küsse aufs Gesicht. "Du machst mich so glücklich. Ich liebe dich so sehr! Dich und das kleine Wunder!"

Nur allzu gerne ließ sich Usagi küssen.

"Ich, nein wir lieben dich auch, Mamo-chan!"


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben :)

Neues Jahr, neue Fanfiction von meinereiner :D
Und...wie findet ihr es? Gefällt es euch?
Ich kann noch gar nichts groß zu sagen, weil ich noch nicht genau weiß, wie sich das ganze entwickeln wird. Ich hab in meinem Kopf 3 verschiedene Storylines. Ich glaube, beziehungsweise ich fürchte, dass sie sich alle irgendwie vermischen werden. Ich kann schon froh sein, dass ich endlich nach langem Brainstorming einen Titel gefunden habe.
Also ihr müsst euch wohl überraschen lassen ;)
Und nun viel Spaß beim Lesen!

Hab euch lieb,
Vienne

PS: Wolferl...übernimmst eh wieder deine Kommis aus FF.de und meine Antworten dazu? :) Danke! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben!

Gleich zu Anfang...ich find das Kapitel mehr als bescheiden -.- Ich saß seit Montag dran und irgendwie wollte es hinten und vorne nicht so klappen, wie ich es mir eigentlich vorgestellt hatte. Daher bin ich mit dem Ergebnis schlichtweg unzufrieden. Es ist ja nicht so, dass ich keine Idee dafür hatte. Tatsächlich ist es eher so, dass genau sowas passieren sollte. Aber trotzdem finde ich die Umsetzung so doof. Ich weiß auch nicht. Ich bin gleichzeitig nur froh, damit fertig zu sein. Und hoffe, dass es mir bei Kapitel 3 nicht genauso ergeht. Wahrscheinlich hab ich momentan einfach zu viel um die Ohren und im Kopf v.v
Egal...
Wie findet ihr es? Gefällt es (wenigstens) euch?
Ich freu mich auf eure Kommis!

Hab euch lieb,
Vienne Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben!

Es tut mir so leid, dass ich euch jetzt erst wieder Nachschub liefer. Aber wie ihr sicherlich wisst, war ja erst letztes WE die LBM und ich hatte im Vorhinein noch soviel zu tun mit meinem Usagi-Cosplay. Weil endlich hab ich mir meinen Traum erfüllt und Usagi in Schuluniform getragen. Sehr geil! Sehr bequem! Nur die Perücke war am Anfang zum Wahnsinnigwerden -.- In nächster Zeit lade ich mal die Bilder hier hoch bzw. mache ein Album. Weil ich sie sicher noch zigmal cossen werde.
Also was haltet ihr davon???? Ist ein böser Cliffhanger am Ende, aber gut. Dafür weiß ich schon, wie es weitergehen soll. Langsam komm ich in die Story rein :)
Ich muss auch zugeben, dass ich im Moment aber ein wenig die Lust hier auf Mexx verloren habe. Nach einem heftigen Streit mit einem Admin (der sich für Gott und die Welt hält) und Kommentarschreibern, die nur kritisieren und selber aber nicht besser sind, war ich echt ein bissel runtergezogen...naja.
Jetzt wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen und freu mich auf eure Kommis.
Hab euch lieb,
Vienne Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben :)

So kurz vor Ostern präsentiere ich euch noch ein neues Kapitel. Danach werde ich wohl ein wenig in die Osterferienpause gehen. Also ich versuche (weil ich ohnehin auf Arbeit momentan sauwenig zu tun habe), noch ein neues Kapitel anzufangen und ich werde meinen Lappi auch mit zu meiner Family nehmen, wenn ich sie über Ostern besuche und da in meiner freien Zeit ein wenig tippen. Mal sehen, ob es sich ausgeht...Aber es wird wohl erst ab dem 14. April hochgeladen werden. Sorry!!!!
Also nun zum Kapitel...es ist ein bissel kitschig, aber das soll so sein. Langsam soll ja auch Mamoru von seinem "Gefühlsautismus" (eine Freundin hat das so bezeichnet XDDD) wegkommen.
Wie findet ihr es? Mögt ihr es???
Ich freue mich jedenfalls auf eure Kommis und wünsche euch auch schon mal frohe Ostern und einen fleißigen Hasen :)

Hab euch lieb,
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben!

Da hatte ich doch noch genügend Zeit und Ideen, um noch ein Kapitel vor Ostern nachzuschieben. Also es ist sozusagen mein Osterei für euch
() ()
(^.^) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben ^^

Es tut mir (wieder einmal...) leid, dass ihr solange auf ein neues Kapitel warten musstet. Aber erst waren wir die Woche nach Ostern im Urlaub und dann hatte ich wegen der Arbeit und einigen Entscheidungen keine Zeit. Und ich muss zugeben, dass ich auch ein wenig bei dem Kapitel gebraucht habe.
Eigentlich hatte ich schon VOR Ostern Nr7 angefangen. Aber da kam ich nicht so gut voran und es hätte sich auch zu 80% nur um Seiya und Saori gedreht. Und DAS wollte ich weder euch noch mir selbst antun XD
Also habe ich vorgestern alles gelöscht. Was an sich nicht soooo tragisch war, weil ich ja bis dato nur 5 Wordseiten hatte. Dann hab ich neu angefangen und es flutschte quasi wie von selbst ^^ Und nun lest ihr hier das Ergebnis.
Ich hoffe es gefällt euch und ich freu mich auf eure Kommis!

Hab euch lieb,
Vienne Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben ^^

Neue Woche...
...neues Kapitel! Und ja, langsam drehen Saori und Seiya am Rad. Ich kann euch versprechen, dass es noch schlimmer kommen wird. Wobei ich mich selbst nicht wohlfühle beim Schreiben der Szenen. Ich kann diese beiden Charas selbst nicht ausstehen v.v
Ich rege mich auch grundsätzlich so über beide auf, dass ich das dann auf die Szene von Usagi und Mamoru (und dem Rest der Clique) übertrage und mich dann dort in den Dialogen so sehr austobe, dass die binnen Minuten geschrieben sind. Ich seh mich schon flennend in der Ecke liegen, wenn ich so an das überübernächste Kapitel denke Ô.o
Aber bis dahin ist noch ein wenig Zeit und ich bin gespannt, wie euch das aktuelle Kapitel gefällt?! Ich freue mich auf eure Kommis!!!

Habt eine schöne Woche!
Hab euch lieb,
Vienne Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben :)

Es ist Freitagabend und ich schicke euch noch etwas zum Lesen fürs Wochenende mit auf den Weg. Auch wenn ihr es wahrscheinlich erst am Sonntag oder so lesen könnt ;)
Nebenbei lass ich mich beim Sehen vom ORF berieseln, wo diverse Ösi-Chöre auftreten. Ach das erinnert mich an meine Schul- und meine Chorzeit ^///^ Auftritte überall und immer Applaus. Das waren noch Zeiten...als ich jung war...
Sodala...nun zum Kapitel:
Einige (vor allem bei FanFiction.de) erwarten ja sehnlichst ein Adult-Kapitel. Weil es aber noch nicht in die Storyline passt, ich euch aber nicht enttäuschen wollte, bekommt ihr nun das. Mamoru ist nackt und Usagi nur in Unterwäsche unterwegs. Aber nichts passiert. Prickelnd ist es trotzdem. Und ur-komisch XD Ich musste selbst beim Schreiben der Szene lachen! Da und schon vorher bei dem Gespräch zwischen Kenji und Mamoru XD Ich hoffe, ihr findet die beiden Szenen auch so lustig wie ich. Sonst hab ich was falsch gemacht :/
Wie auch immer...ich freue mich auf eure Kommis und Kritiken!

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!
Hab euch lieb,
Vienne Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben ^^

Das Wochenende ist fast vorbei und ich lade noch schnell das neue Kapitel hoch. Ich hoffe, ich kann euch damit den Wochenstart ein wenig versüßen. Auch wenn ich glaube, dass ihr gerade mit runtergeklappten Kinnladen vor euren Bildschirmen, Handydisplays etc. setzt und nicht mehr wisst, was ihr von mir und der Story halten sollt. Tja...es ist halt so. Jetzt wird es Zeit, dass es richtig schmutzig wird und dramatisch. Ihr solltet euch für die kommenden 2 Kapitel (evtl. auch 3 Kapitel) die Taschentücher bereit halten und nicht zimperlich sein. Sagt euren Mitmenschen vielleicht auch Bescheid, dass es um eure gute Laune nicht zum Besten bestellt ist und sie sich auf lautes Fluchen und Geschimpfe einstellen sollen. Eine Vorwarnung solltet ihr definitiv geben.
Ansonsten...wie findet ihr es? Ich weiß, es ist dramatisch und hinterlässt wohl auch erstmal einige Fragezeichen. Aber so ist nun mal die Storyline in meinem Kopf ;)
Ich freu mich auf eure Kommis und Kritik!

Hab euch lieb,
Vienne Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben :)

Pünktlich zum Wochenende (oder am Ende des Wochenendes...) lest ihr hier das neue Kapitel :)
Ja, ich weiß...es ist wieder sehr dramatisch. Aber es passt gerade so schön. Und es wird auch noch eine Weile so weiter gehen :P Muss es einfach. Ich bin keine Freundin von "Ach sie streiten sich und vertragen sich nach 3 Stunden wieder". Das finde ich doof und unlogisch -.-
Hier kommt jetzt auch Seiya sogar mal ein bisschen besser weg. Ich kann ihn nicht besonders leiden, aber immer noch ein bissel mehr als Saori. Vielleicht ändert er sich ja noch. Mal sehen...
Ich freue mich auf eure Kommis!

Hab euch lieb,
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben :)

Eine neue Woche und ein neues Kapitel für euch. Ich hatte dank dem verlängerten Wochenende genug Zeit zum Schreiben und nun lad ich es euch hoch.
Ich weiß, dass einige von euch wohl immer noch entsetzt sind über Mamorus Verhalten. Aber keine Sorge:
Auch er wird leiden.
Auch er wird sich irgendwann besinnen.
Und weil ich kein Unmensch bin, hab ich euch diesen netten Cliffhanger gegeben. Vielleicht könnt ihr ja ahnen, worauf es nun hinaus läuft. Außerdem bin ich nicht der Typ Autor, der einen Chara so mies macht, nur weil man ihn weniger leiden kann. Das geht mir nämlich...
...und das muss ich jetzt mal schreiben...
... bei den ganzen Usa-Seiya-FFs gehörig auf den Zeiger! Der arme Mamoru wird immer als mieses Arschloch dargestellt, der Usa entweder betrügt oder schlägt oder sonst was. Das ist echt nicht fair. Es gibt genügend andere Gründe, warum man sich voneinander trennt. Nur weil man einen Chara weniger mag, muss man ihn nicht gleich so denunzieren!!! So, dass musste mal geschrieben werden!
Ich freu mich auf eure Kommis!

Hab euch lieb,
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben :)

Ohje, ich komm mit dem neuen Design beim Hochladen noch gar nicht zurecht. Vorallem versteh ich nicht, dass Lonely noch nicht kontrolliert wurde. Naja...
Also hier ist nun das neue Kapitel. Langsam kommte die Wahrheit ans Licht und es wird noch spannend werden. Hoffe ich zumindest.
Ich freu mich auf eure Kommis!

Hab euch lieb,
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

Ich weiß, dass ihr ewig warten musstet. Aber ich war im Con-Stress und dann im Urlaub.
Das ist jetzt auch schon das vorletzte Kapitel und ich hoffe, dass ich bis zum Ende der Woche mit dem letzten ebenfalls fertig bin.
Etwas neues schwebt mir auch schon im Kopf rum.

Habt eine schöne Woche,
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben :)

Das ist also das letzte Kapitel der FF. Und soll ich euch was verraten:
Ich bin so froh, dass es vorbei ist!!!
Am Anfang hatte ich so gute Idee und doch war der Start holprig. Dann war im mittleren Teil alles gut und es lief wie von selbst. Aber jetzt zum Schluss...naja. Ich weiß nicht. So wirklich warm bin ich bis jetzt, bis zu diesen Zeilen für euch, nicht damit geworden -.- Ich versteh nicht mal, warum die so gut und besser ankommt als der Vorgänger, der mir wesentlich lieber war und immer noch ist...

Naja, jetzt steht eine neue Story in den Startlöchern. Eigentlich sogar zwei, aber ich hab erstmal nur eine angelegt. Sie wird 5 Kapitel umfassen und ihr werdet mich vielleicht als Autorin darin nicht wiedererkennen. Aber ich bin es, keine Sorge. Ich alleine und ohne Beta oder Co-AutorIn :) Aber ich will mal was Neues testen. Also vielleicht lesen wir uns da ja wieder?!

Habt ein schönes Wochenende und ich danke euch wie immer für eure Treue!

Hab euch lieb,
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Kommentare zu dieser Fanfic (141)
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Von:  SakuraTsuki
2015-09-23T21:28:54+00:00 23.09.2015 23:28
Haha, bin erleichtert aber...
Um was gings den da so konkret? Falls du es noch weist.
Bin doch etwas neugierig. ;)
Von:  SakuraTsuki
2015-09-22T13:32:42+00:00 22.09.2015 15:32
Ich freu mich das du wieder so eine FF geschrieben hast. Von dem normalen Leben kriegt man ja so sonst gar nix zu lesen.
Und auch wenn es nur eine FF ist, nich böse gemeint ;) , so kann man jedesmal fast glauben das es das Original ist. So gut sind deine Storys geschrieben. Man merkt das du ein echter Kenner bist und recherchierst.

Kapitel 1:
Uuuuuuuuiiih! X) Das wird echt interresant und nach deinem Nachwort zu urteilen gleich noch spannender! :D
Ich freu mich schon RIESIG drauf! (>/x/<)

Ja das mit den Titeln kenn ich nur zu gut. Von meinen ca. 30 Storys besitzt nur ein extrem kleiner Pruchteil einen Titel!
Und nur bei zwein fiel mir gleich der richtige ein. Diese lauten "Engelsfieber" und "Der Flügelschlag des Fönix". Die erste hab ich hier ja veröffentlicht. In letzterer geht es um eine verscholene Prinzessin, Magie, eine Zauberschule. Und einen furchtbaren Fluch, der die Welt der Zauberer und somit auch die der Menschen bedroht.

Bisschen Eigenwerbung. *gome* Vienne
Antwort von:  SakuraTsuki
22.09.2015 17:15
Kapitel 2:
Also ich fand es ganz ok. Auch wenn ich nicht viel dazu sagen kann, außer:
- Die Ohnmachtszene hat mir gut gefallen, das war wirklich unerwartet und hat's etwas aufgepeppt.
- Die dann doch öffentliche Diskusion war, hm, nett/ulki?!
- Die etwas seltsame Versöhnung (?), bin gespannt wie es weiter geht/ausgeht.
Antwort von:  SakuraTsuki
22.09.2015 17:56
Kapitel 3:
Hups, holla! Da pläschert das Kapi so vor sich hin und dann das Ende! o.O
Na hoffentlich hat er sie wirklich richtig verstanden. Und hoffentlich geht das gut. *besorgt sei*
Antwort von:  SakuraTsuki
22.09.2015 18:47
Kaitel 4:
Ach schau her wer da vorkommt. *schief grins* :D

Uuiih, was für ein Ende. °(>///<)°' *schwitz schwitz*
Ein sehr schönes/tolles Kapitel.

Ich hab zwei Ahnungen und die letztere werd ich wohl gleich beim weiterlesen heraus finden ob ich richtigliege.
Antwort von:  SakuraTsuki
22.09.2015 20:49
Kapitel 5:
Man was bin ich froh, das sich besagte Ahnung nicht bewahrheitet hat. Ich dachte Saori würde auftauchen. *imaginäre schweistropfen von der stirn wisch* Aber ich hab die dumpfe Ahnung das genau das noch passieren könnte/wird. *schulterzuck*
Aaargh XD Das darf doch nicht wahr sein?! Können die sich nicht mal in ruhe küssen?
Haach herlich. Hoffentlich kann sie, können sie es eine Weile genissen.
... *wieder vorahnung hab*
Antwort von:  SakuraTsuki
22.09.2015 21:15
Noch was zum Nachwort von 4.
Ja das kann einem mehr als nur die Stimmung verhageln. Diese Erfahrung, mit den besch******* Komentatoren, hab ich auch schon gemacht. Anfangs gings mir genau wie dir. Aber iwann ereicht ich den Punkt an dem ich mir dachte "Ach sch*** drauf, die sind doch nur eifersüchtig, das sie selber nich so gut sind. Und wollen einen nur weg eckeln." Also hab ich mir ne dicke Rüstung angelegt, entsprechende Personen einmal vorgewarnt und ermahnt. Und die es trotzdem nich lassen konnten hab ich dann erbarmungslos gemeldet. Einige würden sogar der Seite verwiesen. *schulterzuck*
Ich schlage dir gleiches oder zumindest die Rüstung und Ignoranz vor.
Was die oder den "Gott" betrifft, da kann man leider nich fiel machen. Außer sich auch hier eine dicke Haut zu zu legen und es, so gut/ so weit wie mögl. zu ignorieren.
Hoffe du bleibst uns hier erhalten, ich würde dich und deine super tollen und wunderschönen FFs vermissen.
Aber sollte es wirklich nicht mehr gehen lässt sich das nun mal auch nicht ändern und würde es akzeptieren.
Würdest ja dann noch bei FF.de schreiben, oder?

Und noch zu NW 5.
"Gefühlsautismus" echt lustig! Aber das triffts auf den Punkt. XD
Antwort von:  SakuraTsuki
22.09.2015 22:29
Kapitel 6:
Mensch dieser SCH*** Saiya!
Ach Gott und schon ist sie da, meine Ahnung. Da ein Störfaktor, Usagis Seits, anscheinend nicht ausreicht kommt halt noch ein zweiter, Mamorus Seits, noch dazu.
O.O *blitzidee* Das wär's doch wenn sich die beiden Trottel bei ihren manipulativen Versuchen treffen, sich erst zusammen tun und dann selbst ein Paar werden. XD Das wär einfach zu köstlich!
Meine Fresse immer das geschwafel vom Niveau. Als ob das eine echte Liebesbeziehung bräuchte. Ich würde sagen das sogenannte "Niveau" machte eben dies eher kaputt oder lies es gar nich erst zu. (-.-)

Ahahaha XD Als hätte ich es geahnt. Die zwei haben sich sprichwörtlich getroffen. Ich ktieg mich nich mehr.
Hör deshalb jetzt auch besser auf zu lesen. Es ist 22:25 Uhr und alle ause mir schlafen schon. Das soll auch so bleiben. Da ich eben das 3 oder 4 mal laut aufgelacht habe und es sicher nicht das letzte mal sein würde hör ich jetz lieber auf. Muss morgen auch recht früh raus.
Freu mich schon auf den morgigen Feierabend, da wird sofort weiter gelesen! :) :3
Antwort von:  SakuraTsuki
22.09.2015 22:34
Echt süß dein Osterhasi. q(-^o^-)p
Knuffig
Antwort von:  SakuraTsuki
22.09.2015 22:54
Noch was:
Ich bin ja gespannt wie lange ihr Geheimnis noch ein Geheimnis bleibt. Bittöö noch ein bisschen.
Is ja schon süß wie Mamo-chan denkt und dascer es lieber öffentlich machen würde. Das sagt doch eigl. alles. :D
Aber Usas Beweggründe sind mehr als nachvollziehbar.
Antwort von:  SakuraTsuki
23.09.2015 22:53
Kapitel 7:
Mensch das kann doch nur unser mießes Paar gewesen sein! (-.-) Wer sagt's den.
Maaan, die könnem einem echt mehr als nur auf den Wecker gehn! (T_T) *augenverdreh* *seufz*
Ernsthaft jetz?? (T_T) Selten eine soo dämliche Idee gehört. Aber bitte, setzt sie um. *böse grins* Da eh klar is wie die beiden drauf reagieren kann das nur lustig werden.Und vermutlich kapieren die es dann immer noch nicht!

Ein sehr ereignisreiches und amüsantes Kapitel. (^.^) Die beiden sind einfach zu süß. <3
Das war ein super Betthupferl. Und wieder geht's für mich erst morgen weiter. ;)
Antwort von:  SakuraTsuki
26.09.2015 00:35
Tja, da kam ein Arbeitsessen dazwischen, war aber sehr lustig. (^.^)

Kapitel 8:
Ach wie nett. Super Reaktion von Frau Haruna. (Ich finde ja das sich ihr Name schon fast wie ein Vorname anhört.) Und huii, ERWISCHT! XD

Ich dachte mir schon, wo bitte verliert er sie da jetz noch fast??! So verliebt wie die sind.
Aber nach den letzten Sätzen und deinen Worten... Ich hab keine Ahnung was die anstellen könnten und auch keine Vorahnung. Also null Plan, aber es bereitet mir Bauchschmerzen... (-0-)
Gut ok, das könnte auch am kalten Kräutertee liegen. (^o^)' hahaha

Aber jetz leg ich mich wieder hin. Muss mich auskorieren.
Antwort von:  SakuraTsuki
26.09.2015 19:50
Kapitel 9:
Wieder mal ein seeehr schönes Kapitel. (-^.^-)

Usas Dad is einfach immer wieder zum schießen.
Das mit ihrem Bäuchlein und das Gerede drum rum, einfach nur süß/lustig.
Euijoi, da läuft einem doch das Wasser im Mund zusammen, bei der Vorstellung der beiden. XD
O.o Na hoffentlich keine Narbe!
Uooh, das gefällt mir aber überhaupt nich! (>.<)°
Da verspür ich gleich das selbe in der Magengegend.
... oder is es der Hunger? *in mich horch* XD
Antwort von:  SakuraTsuki
26.09.2015 19:52
Und wenn ich dann noch seh wie viele Kapis noch vor mir liegen, sprich die Möglichkeiten...
AAARGH! *haarerauf*
Antwort von:  SakuraTsuki
26.09.2015 23:53
Kapitel 10:
VERDAMMT! Ich-will-wissen was das für Fotos sind!!!
Ok, jetz kann ich's mir zum Teil denken, aber... glaubt der das echt?! o.ô Gut seine Schlussfolgerungen sind nich die schlechtesten, aber wie lange kennt er sie jetz schon, hä?! ò.ô *aufmuck*
Und schon allein von der Tatsache her das Saori Usagi gegenüber immer schon so ecklig war und versucht hat sie zu stören, wäre ich mistrauisch wegen der Fotos gewesen! Hatte er ja auch dieses schlechte Gefühl.
Naja, wobei man das ja auch als bestätigung für die Bilder verstehen könnte. Ach Mensch, is das SCHEISEEE!

Da hab ich jetz wieder ne Ahnung. Nämlich wie's da Usa-chan bald gehen wird.
Und jetz versteh ich auch das "fast verlieren". Da is er ja auch selbst Schuld. Aber anderer Seits kann ich's wegen seiner Vergangenheit auch verstehen. *seufts* *kopf und schultern hängen lass*
Ohweh (~_~) Usa verspürt es also schon unbewusst, dass kann ja noch (haha) heiter werden.
............oh....mein....Gott....! Oh man, DAS war echt hart! *mich schlotternd und wimmern in eine ecke zwäng*
Antwort von:  SakuraTsuki
27.09.2015 00:01
Zu deinem NW:
Ooookeeey...
ÔoÔ Oh-mein-Gott, 2-3 Kapitel... mein Herz schlägt jetz ja schon wie verrückt! X_X
Also ich kann und werd sicher keinen vorwarnen.
Nich können, weil es wieder Nachts is.
Nicht werden, weil ich da nur auf Unverständnis stoße. *schulterzuck, seufts*
Antwort von:  SakuraTsuki
27.09.2015 01:04
Kapitel 11:
Buhuhuuuu *aufheul*
Nicht nur dir is schlecht Seiya! Aber schön das du die Realität endlich erkannt und den hoffentlich richtigen Weg eingeschlagen hast. Und du hast die richtigen Worte für Saori gefunden. *beide daumen hoch*
Und die kriegt natürlich wieder gar nix mit. Da fragt man sich doch wie "die" es auf die Eliteschule geschaft hat, bei soo wenig Hirn. (-.-) Blöde blöde blöde ect. KUH! (ò.ó)
Ach mensch, arme Usa-Maus. Da würde es doch nur gut passen wenn sie jetz umziehen und der DEPP sie dann erst mal suchen muss! *finster dreinschau und fest kopfnick* *hände in hüften gestemmt*
Ooooooh wie süüß von Luna! <3 Sowas ähnliches hab ich mal mit meinem Kater erlebt. *träum*
Und zum Rest kann ich nur das sagen/machen ....

Zum NW:
Stimmt, wär echt dämlich.
Was Seiya betrifft stimm ich dir zu, ebenfalls bei Saori. *hust* *pute* *hust* *schla...* *hust*
Antwort von:  SakuraTsuki
27.09.2015 02:13
Kapitel 12:
.... ..... ..... .... ....
*brüll,lach* Safari oder Salami! Zu geil! Absofort heist sie nur noch Salami für mich.
Obwohl ich Salami recht gerne "esse". Heheheee *böse grins*
Zum weiterem Kapi Verlauf wieder nur .............

Ja da mit Seiya hab ich schon so meine Vermutung. Aber ich finds schon eigenartig, grad Usagi müsste doch Salami in den Sinn kommen. (kchihihi, wie sich das, in dem Zusammenhang, anhört!)

Mir kam da grad ein Gedanke. Wenn die beiden wieder zam sind wird's wohl um so heißer her gehn, was. ;)

Zum NW: Ich geb dir recht. Grad bei dem mit den FFs. Ich mein wenn man einen Chara nich mag sollte man ihn doch einfach ignorieren. Oder wenn man unbedingt sowas schreiben muss, um aggressionen raus zu lassen oder was auch immer, sollte man das für sich behalten. Und nich noch Futter für eventuelle Hater liefern.
Antwort von:  SakuraTsuki
27.09.2015 15:05
Kapitel 13:
Jap, das hab ich mir gedacht. (^.^)
Ich meine er hat's nich anders verdient, iwie, aber trotzdem tut er mir auch etwas leid.Is schon mutig von ihm diesen Schritt zu machen. Man muss ihm aber auch zu gute halten das er selbst reingelegt wurde! Und ich bin froh das er nun alles eingesehen und begriffen hat. Ich wünsch ihm das er auch glücklich wird. *toitoitoi*
Wie schön das es nun wieder bergauf geht. Usagis handeln zeugt von wahrer bedingungsloser Liebe! *seufz, schmacht* Und Mamoru tut mir jetz doch auch sehr leid. Aus diesem Blickwinkel ist es nur verständlich das er so reagiert hat. Und ich freu mich genau wie Mamo-chan über Usas Vorgehensweise. \(^o^)/

Diese... diese aaargh Salaaamiii! Wie kann man nur so... Hah, ich sag zu dem Thema nix mehr...
Außer, hoffentlich bekommt sie ihre gerechte Strafe. Denn das mit den Fotos war schon mehr als kriminell.
Das nennt man Rufmurd der übelsten Sorte und mehr! >:(
NW:
Ja ich muss gestehen auf etwas mehr Spannung bin ich schon scharf.
Obwohl ich Salamis Scheiterhaufen kaum erwarten kann. *sehr böse grins*
Antwort von:  SakuraTsuki
27.09.2015 16:02
Kapitel 14:
Irgendwie fällt mir grad nich viel dazu ein, außer:
Ach wie schön! (-^.^-) Hopala, schei..benkleister! Glück gehabt. *genauso totlach wie die anderen* Na endlich. (-^0^-) *wuhuuu* *seufz* Schön, freu mich für Seiya! (^.^) Ach du Schreck! (O.O)° Wie radikal! (=.=) Aber sicher is sicher! Puh, alles gut gegangen. *imagienären schweis von der stirn wisch*
Bin ja auf den Raccchheeeeplan gespannt! Hehehehehehe Und nun finde ich ist Seiya der richtige dafür. *sehr sehr böse grins*

Nanu kein NW?! XD
Antwort von:  SakuraTsuki
28.09.2015 18:56
Kapitel 15:
Da ich dieses Kapi in mehreren Abschnitten gelesen habe kann ich eigl. nix dazu sagen.
Aber es war sehr schön! (-^3^-)
Mir hat ja die Szene im Schulhof echt gut gefallen, wo Seiya Usagi verteidigt und Klartext redet, unmissverständlich. XD Und besonders die letzte Szene im Crown hat mir so gut gefallen.

Ich bin erstaunt, wieder kein NW. (ô.ô) Hat das was zu bedeuten?
Antwort von:  SakuraTsuki
29.09.2015 13:55
Kapitel 16:
Hahaha, ach herlich. *tief ausatme* *tränen wegwisch* Ich hab schon lange nicht mehr so dreckig und voller vor-schadenfreude gelacht! Ich bin echt gespannt. Passend wäre ja Klapse oder mindestens ein guter Psychiater.

Ach schön. (-^.^-)
Ich kann Usagis Sorge verstehen, aber ich hab die Hoffnung und den Glauben das nichts mehr passieren wird.
Antwort von:  SakuraTsuki
29.09.2015 15:02
Kapitel 17:
O.o Oh Gott! *hand aufs herz leg* Ich dachte schon die beiden hätten schon Kinder.
*schmoll* Zu schade das es nicht ihre sind. XD
Die beiden sind und bleiben einfach zu süß zusammen.

*augenverdreh* Hat's die Tuse immer noch nich kapiert?! o.ô Wie-blöd-kann-man-sein. Aber naja.
Ich kann mir richtig gut bildlich vorstellen wie sie dann dumm dreinschaut, wenn sie auf der Station anfängt und Mamoru nicht mehr da ist. Tja, blöd gelaufen! *böse grins* Und in seine (noch nicht ganz) Praxis kommst du garantiert nich!!! *bääääääh* *zunge rausstreck*


Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah! Wieee geemeiiin! (>3<) Ich schließe mich Kuran-Yuuki an.
... aber was solls.

Wir, bzw. ich, können uns wiederum nicht vorstellen warum du diese FF nicht sonderlich magst. *schulterzuck*
Aber so ist das mit dem schreiben. Ich bin mit dem, was ich grade an Engelsfieber schreibe auch nicht ganz warm. Aber ich hab das Gefühl es wird langsam. Immerhin konnte ich schon ein neues Kapi veröffentlichen und schreibe bereits fleißig am nächsten.
Von:  -Bloom-
2015-08-20T23:11:21+00:00 21.08.2015 01:11
Ein Traum von einem Ende *.*
Ich würde so gern noch die Hochzeit und die Geburt lesen ~^^~
Ich kriege garnicht genug von deinem FF
Antwort von:  Vienne
21.08.2015 08:31
Danke!
Ja aber das schreib ich ja nicht ^^
Antwort von:  -Bloom-
21.08.2015 10:27
Ich Weiß. Wäre nur zu schön ^^"
Von:  Lunata79
2015-08-20T08:24:09+00:00 20.08.2015 10:24
Ouwh! Ein wirklich schönes Ende. *ganz verzaubert bin*
Antwort von:  Vienne
20.08.2015 12:53
Danke :)
Von:  CatariaNigra
2015-08-15T16:24:03+00:00 15.08.2015 18:24
Ein schönes letztes Kapitel! Diese Fanfic ist dir insgesamt sehr gut gelungen und gefiel mir zum Schluss hin wirklich gut.
Antwort von:  Vienne
15.08.2015 19:32
Dankr :)
Von:  fahnm
2015-08-15T01:07:30+00:00 15.08.2015 03:07
Ein Tolles Kapitel
Ich bin sehr gespannt wie es weiter gehen wird.
Antwort von:  Vienne
15.08.2015 14:01
Danke :)
Ähm...das war das letzte Kapitel --> siehe Nachwort Ôo
Antwort von:  SakuraTsuki
22.09.2015 19:50
XD hihihi
Von:  solty004
2015-08-14T22:43:44+00:00 15.08.2015 00:43
Hei,
Ein wansins Kapitel und der perfekte abschlus für die Story.
Kann nicht vershen das du es noch so magst.

Das coolste an der Story war das Sasois Plan wieder nichts wird. Das sich der Mann ihrer Behörde selständig macht und somit die Klinik verlässt.
Und das schönste das das Traum paar Heiratet und dazu noch Nachwuchs bekommen. Ich glaube das Mamoru und Usagi sehr gute Eltern werden sein.

Freu mich schon auf was neues von dir für mein Kopf Kino.

LG Solty

Ps: Gibst du mir bescheit wen die neue Story online ist bitte,bitte. Daaaannnkkkkeeee im voraus.


Antwort von:  Vienne
15.08.2015 00:50
Danke! Ja mach ich ;)
Antwort von:  solty004
15.08.2015 00:51
Super lieb von für, freu mich schon rießig auf dein neues Werk.

LG Solty
Antwort von:  solty004
15.08.2015 00:51
💗💖💞😍😘
Von:  Kaninchensklave
2015-08-14T20:58:10+00:00 14.08.2015 22:58
ein spitzen Ende

Tja saorie kann die Stelle ruhig haben
nur Pech das sie Mamoru dort nicht vorfinden wird
da dieser in eine Privatpraxis mit Koba wechselt und Ryo mit Ami noch
dann auch noch dazustossen werden muss man aufpassen
das man die Praxis nicht vergrößern muss wegen den andrang
den sie haben werden

Oh Arme Saorie musste diese Dank der Mail an Ihre Eltern in ein Internat
in der Pampa nur zudumm das sie nichts daraus gelernt hat
das UsaMamo Verlobt sind hat Ihr gar nicht gefallen
und wohl noch weniger das Usagi im Beruf erfolgreicher ist
als sie je sein wird

vor allem würde sie ausflippen wenn sie hören würde das
Usagi und IHr Baldiger ehemann wohl auch Baldige Eltern werden
MInako und die anderen werden sich freuen immerhin
Mina vorallem da Ihr Kind dann einen spielkameraden hat sobald es älter ist

auch der baldige Onkel so wie die Baldigen großelternw erden sihc freuen Ikuko kann Ihrer Tochter
dann sogar mit Erziehungstipps Quälen denn wer wess shcon was es wird und ob es nicht nahc Usagi vom Charakter her kommt
zudenken wäre es und dann braucht sie diese Tipps wirklich xD

GVLG
Antwort von:  Vienne
15.08.2015 00:50
Danke :)
Von: abgemeldet
2015-08-12T18:29:21+00:00 12.08.2015 20:29
Pgh saori selbst schuld, und dann noch usagi angreifen und sie belügen und mamoru nicht mal zu wort kommen lassen.also wer die als frau hat na dann hg....

Nja saiya sollte es nicht ins inet stelleb sowas macht man nicht.

Bunny und mamoru sind also jetzt zsm na dann is doch die story happy Ending xD

Supi kapu aber trotzdem : )😀👍
Antwort von:  Vienne
13.08.2015 11:43
Danke :)
Von:  solty004
2015-08-11T19:27:40+00:00 11.08.2015 21:27
Hey,
Ein super Kapitel.

Es war so gut wie Sasori ihnen in die Falle gegangen ist.
Nach dem sie so Billig bei Mamoru nach dem Training aufgetaucht ist.
Doch finde ich die Strafe gut das sie das Video noch ihren Eltern schicken, mit ihren Geständnis darauf was sie alles gemacht hat. Es ist auch ihre Drohung darauf was sie alles Usagi antun weil wen sie nicht die Finger von ihren Mamoru lässt. Der aber ihr klar macht das er ihr nicht gehört sondern nur Usagi und niemand sonst.

Bis dahin, bin schon gespannt wie es weiter geht, Neugier halt durch bis zum nächsten Kapitel.
Freu mich schon auf das nächste Kapitel von dir für mein Kopf Kino.

LG Solty

Antwort von:  Vienne
11.08.2015 23:06
Danke für den Kommi :)
Antwort von:  solty004
11.08.2015 23:09
Bitte immer wieder gerne. Bis zurnechsten Kapitel oder Story.

LG Solty


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