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Aeonar

Willkommen im berühmtesten Magiergefängnis Thedas'
von

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Zusammentreffen

Templer.

So weit das Auge reichte.

Nein… keine Templer.

Ehemalige Templer.

Menschen, die nach Anders‘ Wissen eigentlich schon längst dem Wahnsinn und dem Realitätsverlust verfallen sein müssten, die ein solch langer Lyriumentzug mit sich brachte. Der Blondschopf senkte den Blick und verspürte mit einem Mal keinen Hunger mehr, während Julius fröhlich weiter mampfte. Vielleicht… also, der Mann war ja schon ein wenig verrückt und wahrscheinlich äußerte sich dessen Entzug dadurch.

Der Geistheiler fragte sich nur, warum erbauerverdammte TEMPLER hier unten eingesperrt waren; gab es für die keine anderen Strafen? Wie… fünf Mal den Gesang des Lichts (und der war immerhin sehr lang!) rezitieren oder drei Mal die komplette Kirche von Hans schrubben? Warum wurden Templer – von denen es so oder so schon zu wenige gab – unten in auf der tiefsten Etage in Aeonar gefangen gehalten?

Es war für Anders tatsächlich unverständlich, warum die Templer ihre eigenen Leute hier in dieser Hölle einsperrten. Und das, obwohl er sich eigentlich freuen sollte, dass Templer genauso litten, wie er selbst – aber der Geistheiler konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass neun von zehn Leuten hier unten gläubige Kirchenkrieger waren und er zermarterte sich das Gehirn darüber, welche Beweggründe nur dahinter stecken mochte.

„Anders? Komm wieder runter…“, meinte Branwen schließlich und grinste ihn an.

Der Blondschopf sah auf. „… was?“

„Du denkst zu viel nach. Hör einfach auf damit.“

„…ich soll nicht denken?“

„Zumindest nicht über die Sache.“ Branwen rutschte ein wenig zu ihm heran und beugte sich zu ihm rüber, so, dass weder Julius noch Oliver sie hören konnte: „Sie geben den Templern regelmäßig Lyrium. Sie mischen es in das Essen, damit sie nicht vollkommen wahnsinnig werden. Es ist nur wenig, aber genug, um sie am Leben zu erhalten.“ Die rehbraunen Augen des Magiers weiteten sich und er starrte die rothaarige Magierin neben sich sprachlos an.

„Es stimmt. Sonst lägen sie doch schon alle sabbernd in der Ecke.“

…in Branwens Worten musste ein Funken Wahrheit stecken. Stirnrunzelnd blickte der Geistheiler auf seine eigene Schüssel… sie wurden ihnen bereits so gegeben, mit Essen drin. Da war es gut möglich zwei Stapel zu machen, einen für die Templer und einen für alle anderen. Die Templer Aeonars mussten demnach ganz genau wissen, wer hier unten was darstellte.

„Warum machen sie das? Warum geben sie ihnen regelmäßig Lyrium…?“

„Wahrscheinlich, damit sie weiterhin arbeiten können.“ Branwen zuckte mit den Schultern und beugte sich wieder zurück; sie runzelte die Stirn ein wenig, dann aß sie einen Löffel ihres Eintopfes und fuhr fort: „Sie wollen irgendetwas finden. Ich habe keine Ahnung, was genau Magnus sucht, aber wir müssen es ausgraben. Es kann noch Jahrhunderte dauern, aber Aeonar wird wohl nie fallen.“

Jahre hier unten eingesperrt.

Nie wieder das Tageslicht sehen.

Anders bekam eine Gänsehaut und dies lag nicht an der Kälte, die hier unten herrschte.

„Weißt du zufälligerweise, was genau?“

Branwen zuckte nur mit den Schultern und aß weiter. „In den Büchern, die ich im Zirkel gelesen habe, stand nichts darüber drin, was Tevinter hier einst gesucht hat und auch noch nicht einmal ein Hinweis darauf, was hier versteckt sein soll.“

„Wenn es so tief unten ist, dann muss es doch eigentlich mit den Tiefen Wegen zu tun haben“, sinnierte Anders, der ja mal Grauer Wächter gewesen war, „oder mit den Zwergen. Vielleicht ist es ein alter Thaig?“

„Vielleicht wollen sie auch einfach nur den nächsten Erzdämon vor der Dunklen Brut finden“, kicherte Julius, der wohl gelauscht hatte. „Aber im Endeffekt ist es ja auch egal, was wir ausgraben müssen: Fakt ist, dass wir es auch in den nächsten zwanzig Jahren wohl nicht finden werden!“

„Eher sterbe ich, als dass ich den Rest meines Lebens hier verbringe“, brummte Anders.

„Erdbeerchen tut dir bestimmt den Gefallen“, kommentierte der Templer und der Blondschopf seufzte schwer auf; er würde niemals den Mut aufbringen, sich von dem roten Drachen freiwillig verspeisen zu lassen.

Anders setzte das Gespräch nicht fort, sondern aß langsam weiter, bis seine Ohren das Donnern eines Tores vernahmen.

Er blickte hoch, konnte das Geräusch aber nicht einordnen: In den Wochen, wo er bereits hier war, hatte er es noch nie gehört.
 

Im Gegensatz zu ihm schienen Branwen, Julius und Oliver allerdings genau zu wissen, um was es sich handelte.

„Heilige Scheiße…“, wisperte Julius. „Jetzt schon? Unser Blondschopf ist doch gerade mal ein paar Wochen hier!“

„Sie müssen wohl einen Glücksfang gemacht haben“, schnaubte Branwen aus. „Ich gehe ihn nicht holen.“

„Ich habe unseren Blondie gerettet!“, verteidigte sich Julius sofort und Oliver hielt sich dezent aus dem Gespräch raus.

„…was? Wie?“ Anders blickte zwischen den beiden hin und her, setzte eine verwirrte Miene auf. „Ihn holen? Was genau meint ihr damit?“

„Naja… Hier wurde noch jemand reingeworfen“, erklärte Julius schulterzuckend. „Es ist echt seltsam, dass es schon so früh wieder passiert: Normalerweise kriegen wir ungefähr alle vier bis sechs Monate Zuwachs!“

„…und dieser jemand läuft jetzt ganz alleine durch die Gänge“, erkannte Anders und dachte an den Moment zurück, wo er selbst durch die steinernen Gänge getaumelt war, sich an den Wänden abgestützt und versucht hatte, nicht die Beherrschung zu verlieren.

„Vollkommen richtig“, bestätigte Julius. „Wie wir alle einmal. Er wird seinen Weg schon finden, wenn ihn niemand holen kommt…“

„Warum hast du mich geholt?“, wollte Anders wissen und war schon halb am Aufstehen. Er wusste, wie schrecklich es war, alleine zu sein. Und der Heiler in ihm verbot es ihm, eine Person hilflos zurückzulassen.

Julius grinste. „Mir war langweilig, und… he, warte! Wo willst du hin?“

Anders war aufgesprungen und ließ seine halb aufgegessene Schale einfach stehen; inzwischen kannte er sich in dem labyrinthartigen Gängen gut genug aus, um den Eingang wiederzufinden und rechtzeitig bei Julius‘ Zelle zu sein… das hoffte er zumindest. „Ich gehe ihn holen, wenn es keiner von euch tut“, bestimmte er, „mir hat immerhin auch jemand geholfen und ich finde es nur rechtens, wenn ich jetzt dem Neuen helfe!“

„Erdbeerchen wird bald losgelassen, Anders. Das ist Wahnsinn!“, zischte Branwen, die ebenfalls aufgestanden war und packte ihn am Arm, um ihn aufzuhalten.

„Das ist mir egal.“, erwiderte der Blondschopf und schüttelte ihren Arm ab. „Ich muss es tun… versteht ihr denn nicht? Ich will nicht, dass diese Person bei ihrem ersten Tag stirbt. Ich war Heiler, bevor ich hierhin gekommen bin, ich muss einfach helfen… Ich… ich kann nicht anders.“

Julius und Branwen tauschten einen Blick. Dann kramte die Rothaarige ihren Schlüssel aus ihrer Tasche und meinte: „Meine Zelle befindet sich relativ nah am Eingang. Finde dort Schutz, wenn du es für nötig hältst.“

Anders starrte den kleinen, schwarzen Schlüssel mit offenen Mund an. Dann schloss er die Lippen wieder und schluckte schwer, griff jedoch nach dem verschnörkelten Teil.

„Danke“, wisperte er und drückte Branwens Hand kurz, ehe er sich umdrehte, an der ruhigen Erdbeerchen vorbeimarschierte und sich anschließend auf den Weg zum Eingang machte.
 

Er erkannte den Schatten der Person – jene hatte sich bereits ein wenig vorgewagt und hatte instinktiv den gleichen Weg eingeschlagen wie auch Anders, damals, als er hier gelandet war. Der Blondschopf war gelaufen; sehr schnell, denn Erdbeerchens Ruhezeit würde in wenigen Minuten enden und die Jagd würde eröffnet sein. Er umklammerte Branwens Schlüssel, als würde sein Leben davon abhängen und spürte das Gewicht seines eigenen in der Tasche seiner dünnen Hose – er hatte bisher keine Zeit wieder gehabt, ‚seine‘ Zelle zu suchen.

Der Blondschopf trat vorsichtig auf die Person zu und rief dann: „Hey! Warte kurz.“

Die Person erstarrte und wandte sich um. Anders trat näher, bis er unter einer der Fackeln stand, um zu zeigen, dass er kein Feind war: Er hob die Hände. „Ich tue dir nichts. Ich bin hier, um dir zu helfen.“ Er würde es auf eine andere Art machen als Julius. Er würde die Person vorher beruhigen und ihr dann erklären, wie es auf Etage Drei ablief.

„Wir müssen uns nur beeilen. Komm mit und dann erkläre ich dir alles ganz genau. Und außerdem…“

„Anders?“

Der Geistheiler erstarrte bei dem Klang der Stimme.

Nein.

Das… Das konnte nicht wahr sein.

Dem Blondschopf wurde heiß und kalt zugleich… in den letzten drei Wochen hatte er kaum mehr an jene Person gedacht. Er hatte jene vergessen wollen, denn sie hatte ihm das Herz gebrochen. Der Schmerz machte das Leben hier unten nur noch unerträglicher, deswegen hatte er alles Quälende aus seinen Gedanken verbannt.

Jetzt aber kam alles wieder hoch: Die Trauer und die Enttäuschung, die er verspürt hatte, als der Kommandant der Inquisitionstruppen ihn abgewiesen hatte. Die Wut, die durch Rache hergerührt hatte, die Verzweiflung, als er von der Himmelsfeste – von Cullen – weggerannt war.

Es war unmöglich CULLEN, der gerade vor ihm stand.

Der Kommandant hasste ihn doch – er hatte nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. Sein Kopf spielte ihm einen Streich… wahrscheinlich hatte die Person vor ihm auch irgendetwas gesagt, und er hatte einfach nur seinen Namen verstanden.

Wahrscheinlich gab er sich so langsam auch dem Wahnsinn hin, an dem die Standhaften allesamt litten.

Der Blondschopf, den sein Herz bis zum Hals klopfte, schwitzte, doch er versuchte, sich zu beruhigen. Fieberhaft überlegte er, was er als nächstes sagen sollte, als die Person vor ihm ebenfalls in das Licht trat.
 

Sie hatte eine Kopfwunde und ein paar Blessuren am ganzen Körper; die Augen blickten müde und das Gesicht war von einem strubbeligen Bart bedeckt, dennoch erkannte Anders den Kommandanten wieder.

Wer wäre er denn, wenn er es nicht täte?

Seine Lippen standen einen Spalt weit offen und zögernd näherte sich der Langhaarige dem Kurzhaarigen. Ganz, ganz langsam streckte er die Hand aus, um Sicherzugehen, dass dies gerade keine Halluzination war – das Cullen tatsächlich in Fleisch und Blut vor ihm stand. Der vertraute Geruch von Orange und Waffenöl stieg ihm in die Nase und er schluckte schwer auf: Er liebte diesen Geruch.

„…Cullen?“

Die Frage verließ seinen Mund nur zögerlich und er traute sich kaum, näher ranzugehen. Seine Augen waren weit geöffnet und es schien, als würde die Zeit zwischen ihnen still stehen… oder kam es ihm nur so vor? Der Anderfelser wusste es nicht, aber ihm wurde auf einmal klar, wie sehr er den Kommandanten eigentlich vermisst hatte.

Und dass jener jetzt hier war, bedeutete doch, dass er nach ihm gesucht hatte, richtig?

Dass es Cullen nicht egal gewesen war, was aus ihm geworden war…

Dem sensiblen Blondschopf standen Tränen in den Augen und er ging einen kleinen, weiteren Schritt vor, stand direkt vor dem Krieger und berührte dessen Brust, spürte das Herz Cullens schlagen, spürte dessen Wärme an seinen kalten Fingerspitzen.

„Du bist hier…“, wisperte der Blondschopf ungläubig und hob den Kopf, um seinem Gegenüber in die Augen schauen zu können. „Du bist tatsächlich hier…“ Ihm fehlten die Worte und seine Emotionen überschwemmten ihn.

Cullen hob die Hand und umschloss die kalten Finger Anders‘ damit. Sein Blick war nicht deutbar, aber es schien, als wäre er erleichtert, Anders zu sehen. Er öffnete den Mund und ein kleines, minimales Lächeln umspielte seine Lippen als er sagte: „…ja. Ich habe dich endlich gefunden.“



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