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Anger Management

Alvin x Jude
von

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Kapitel 01

Es gab einige Dinge, in denen sich Alvin und Jude voneinander unterschieden. Während Jude die meisten Dinge aus Büchern gelernt hatte, musste Alvin alles in der Praxis erlernen – ob er es wollte oder nicht. Während Jude behütet aufgewachsen war, war ihm klar, dass Alvin's Vergangenheit nicht ganz so rosig ausgesehen haben muss – zumindest konnte man dies an seinen Handlungen ablesen. Während Jude so gut wie immer ehrlich war, wusste man bei Alvin inzwischen nicht mehr, was gelogen war und was nicht. Die einzigen Male, wenn Jude log, ging es dabei um ihn selbst und sein Wohlbefinden. Da dies den Anderen jedoch keinen Schaden zufügte, konnte Jude dies auch ohne Weiteres beibehalten. Das Problem dabei, mit einem Lügner zu reisen, war jedoch, dass die Lügen des Schwarzhaarigen schneller durchschaut wurden, als ihm lieb war.
 


 

Es war bereits spät, als Jude in das Gasthaus in Leronde zurück kam. Auf dem gemeinsamen Weg mit seinen Gefährten hatte der ehemals angehende Arzt kurz etwas aus seiner Heimat holen wollen. Keiner hatte ihn gefragt, worum es sich dabei handelte; ebenso wenig, wieso Jude darauf bestand, im Gasthaus zu schlafen anstelle von seinem alten Zimmer.

Als er aus den Türen des Gasthauses getreten war, standen Elize und Leia vor ihm und hatten ihn gefragt, ob sie ihn begleiten sollten. Beide blickten besorgt drein, wahrscheinlich weil sie beide genau wussten, dass Besuche bei seinem Vater nie sonderlich angenehm für ihn waren. Doch mit einem gekonnten Lächeln versicherte er den beiden, dass er niemanden brauchte, um ihn zu begleiten. Im Nachhinein war er auch wirklich froh darum.
 

Seufzend blieb er in der Mitte des Eingangsbereichs des Gasthauses stehen. Seine Hand hob er langsam an, bis sie an seine Wange kam. Sofort durchströmte ihn ein stechender Schmerz. Schnell zog er die Hand wieder zurück und seufzte erneut. Er hoffte inständig, dass die Schwellung bis zum Morgen wieder weg sein würde.

Langsam schlürfte er in Richtung der Treppe, um diesen Tag endlich beenden zu können. Als er die ersten paar Stufen erklommen hatte, kamen plötzlich Stiefel in sein Sichtfeld. Er blieb stehen und hob vorsichtig den Blick. In der Dunkelheit der Nacht konnte er nicht viel erkennen; doch das Licht der Nacht erleuchtete den Bereich genug, damit Jude den langen Schal und den braunen Mantel erkennen konnte. „Hey Kleiner, was machst du denn noch hier?“ Alvin's Stimme klang wie immer – ein sorgloser und zugleich belustigter Unterton schwang deutlich in ihr mit. Selbst um diese späte Zeit war der selbsternannte Söldner noch genau so wie immer. „Alvin, wieso bist du noch wach?“ Überrascht drückte der Schwarzhaarige das Buch, das er von seinem ehemaligen Zuhause besorgt hatte, an seine Brust.
 

„Na das übliche. Die Natur hat gerufen. Und außerdem konnte ich--“ Schnellen Schrittes kam der Ältere die Stufen herunter, um auf Jude's Höhe zu sein. Direkt vor ihm blieb er stehen und warf seinen Arm über Jude's Schulter. „-- ohne dich kein Auge zumachen, Kleiner.“

Jude war froh um die Dunkelheit, die verbergen konnte, dass seine Wangen sich bei der Nähe und des Kommentars des Braunhaarigen rötlich verfärbten. Doch auch die Dunkelheit ließ erkennen, dass Alvin sich wieder einmal über ihn lustig machen musste. „Lass das, Alvin. Du bist sehr wohl dazu im Stande, ohne mich zu Schlafen.“ „Autsch, die kalte Schulter. Mal wieder.“

Der Arm, der um Jude's Schulter geschlungen war, drückte den Kleineren etwas näher an den Braunhaarigen. Schmerzhaft wurde Jude jedoch an seine angeschwollene Wange erinnert, als sein Gesicht für einen kurzen Moment Kontakt mit Alvin's Brust hatte. Mit einem Zischen riss Jude sich von Alvin los und legte instinktiv seine Hand an seine Wange. Ein weiterer Fehler. Ein weiteres Zischen und Jude taumelte zwei Stufen zurück.

Auch Alvin reagierte instinktiv und griff nach Jude's Handgelenk. Bevor der Schwarzhaarige weiter rückwärts stolpern könnte oder gar weglaufen könnte. „Woah. Langsam, was war denn das?“

Einen Moment verharrten beide in dieser Position. Keiner wagte es, die Stille zu durchbrechen. Die Nervosität kroch in Jude empor. Das letzte, was er wollte, war, ertappt zu werden. Unsicher räusperte er sich. Sein Blick ruhte auf Alvin's Hand, die sein Handgelenk fest umschlungen hielt.
 

„Ich hab mir vor Schreck auf die Zunge gebissen...“ Die Lüge war schlecht. Jude hätte sie noch nicht einmal geglaubt, wenn sie ihm aufgetischt worden wäre. Und besonders bei Alvin war er sich sicher, dass diese Lüge durchschaut würde. Er hoffte jedoch, dass Alvin das Thema einfach dabei beruhen lassen würde. So wie jedes Mal.
 

Vielleicht lag es an der gemeinsamen Zeit, die die beiden bereits miteinander verbracht hatten. Vielleicht auch an der dunklen Nacht. Vielleicht an der furchtbaren Stille, die immer in Leronde herrschte. Doch Alvin ließ ihn nicht los. Irgendetwas schien plötzlich anders zu werden. Nervös begann Jude zu versuchen, sein Handgelenk zu befreien – vergeblich. „Alvin, lass los.“

„Bist du verletzt?“ Alvin's Stimme.. sie klang anders als sonst. Ernst, düster, wütend – Jude konnte nicht genau sagen, was es war. Ein unsicheres und falsches Lächeln legte sich auf die Lippen des Schwarzhaarigen und noch immer versuchte er, seine Hand zu befreien. „Wie kommst du darauf? Wie gesagt, ich hab mir nur--“ „Du kannst mir nichts vormachen, Jude.“
 

Wie erstarrt hielt der Angesprochene die Luft an. Die Luft schien ohnehin schwer von der Spannung zu sein, die plötzlich entstanden war. Sein Blick ruhte noch immer auf der Hand des Älteren. Als dieser keine Antwort bekam, verstärkte sich sein Griff noch einmal. „Sag schon!“ Nun war seine Stimme nicht mehr als ein Knurren. Er konnte deutlich die Wut spüren, die sich aufbaute. Plötzlich riss Jude sein Handgelenk frei und rannte die Stufen der Treppe hinunter. „Jude, warte!“

Unten angekommen lief er in die Richtung der Tür; er wusste nicht genau, wieso, aber er hatte das Gefühl, er müsste weit weg von Alvin kommen. Dass dieser jedoch schneller war als er, hatte er nicht erwartet. Noch bevor Jude die Tür öffnen und nach draußen fliehen konnte, umgriff Alvin seinen Oberarm. Bevor der Jüngere reagieren konnte, hatte Alvin ihn zu sich gedreht und drückte ihn gegen die Wand. Noch immer verschlang die Dunkelheit sein Gesicht, doch Jude musste sein Gesicht nicht sehen, um zu wissen, dass er wirklich aufgebracht war.
 

„Alvin, lass das!“ Der Griff an seinem Oberarm verstärkte sich nochmal, als Jude versuchte sich zu befreien. „Du tust mir weh!“ „Wer war es?“ Erst wusste Jude nicht, was er mit der Frage anfangen sollte. „W-Was meinst du?“ „Wer hat dich geschlagen?“

Ein weiteres Mal erstarrte der Jüngere. Als er sich nicht mehr wehrte, lockerte sich auch Alvin's Griff an seinem Arm. „Du kannst mich nicht für dumm verkaufen. Ich merke doch, was hier los ist. Also...“ Erst, als der Atem des Braunhaarigen an Jude's Ohr vorbei glitt, spürte dieser, wie nah der Söldner ihm bereits gekommen war. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals.

„Wer hat dich geschlagen?“ Jude wusste nicht mehr, was er denken sollte. War Alvin sauer, dass er sich nicht verteidigt hatte? Oder dass ihn jemand geschlagen hatte? Was kümmerte es ihn überhaupt, ob Jude geschlagen wurde oder nicht? Was sollte er ihm sagen, um aus dieser Situation heraus zu kommen?
 

Es war, als würde der Schwarzhaarige versuchen, mit der Wand zu verschmelzen. Er presste sich so weit es ging von dem Braunhaarigen weg und ließ den Kopf hängen. Doch er brachte keinen Ton heraus.

„Jude!“ „Warum willst du das wissen? Das geht dich doch gar nichts an!“ Er wollte nicht darüber reden, und er wollte ganz sicher nicht mit dem Älteren darüber reden. Er brauchte den Spott nicht, er hatte bereits die Schmach erhalten, überhaupt geschlagen worden zu sein.

Für einen kurzen Augenblick dachte Jude, dass Alvin's Schweigen bedeutete, der Ältere hätte aufgegeben. Als dieser sich jedoch noch näher zu Jude herunter beugte und in sein Ohr hauchte, wusste er, dass dem nicht so war.
 

„War es dein Vater?“
 

Jude's Augen weiteten sich. Die Wolken, die den Mond verdeckt hatten, schoben sich zu Seite und das Licht des Mondes tauchte den Eingangsbereich des Gasthauses in ein kaltes Licht. Zum ersten Mal an dieser Nacht konnte Jude Alvin's Augen sehen. Sein Gesicht war ernst, das übliche Grinsen schien weit entfernt zu sein. Die Augen ernst und voller Wut. Vielleicht waren da auch noch mehr Emotionen, die Jude nicht genau definieren konnte.

Als die Finger des Braunhaarigen sanft auf die leicht geschwollene Wange kamen, kniff Jude die Augen kurz zusammen. Der Kloß in seinem Hals schien zu wachsen und seine Augen begannen zu brennen. Der Griff um seinen Oberarm wurde noch einmal stärker, bevor Alvin ihn plötzlich losließ. Die schweren Schritte auf dem Boden ließen auch die bernsteinfarbenen Augen wieder größer werden. Sobald er die Augen wieder offen hatte, stand Alvin bereits an der Tür nach draußen und hatte diese geöffnet. „Warte, Alvin!“
 

Er konnte nie wissen, was der Ältere vorhatte. Wie sollte er auch? Er war nicht gut darin, ihn einzuschätzen. Aber dieses Mal hatte Jude das Gefühl, genau zu wissen, was der Ältere vorhatte. Schnell löste er sich von der Wand und hechtete ihm nach. Alvin war vielleicht stark, aber dafür war Jude schneller.
 

Draußen auf der Straße hatte er ihn bereits eingeholt; dieses Mal war es Jude, der den Anderen festhielt. „Alvin, beruhig' dich!“ „Lass los, Kleiner.“ „Bestimmt nicht! Was soll das ganze überhaupt?“ Langsam spürte auch Jude die Wut in sich aufsteigen. Er verstand die ganze Situation nicht mehr. Er verstand nicht, wieso sein Vater ihn geschlagen hatte. Wieso die beiden nur immer verschiedener Meinungen sein mussten. Wieso beinahe jedes Gespräch auf diese Art endete. Noch weniger verstand er jedoch, wieso der Ältere so reagierte.
 

Alvin vermied jeglichen Augenkontakt, als seine dunkle Stimme erneut ertönte. „Dein Vater hat dich geschlagen, oder? Habt ihr euch gestritten?“ Erneut wusste Jude nicht, wie er darauf antworten sollte. „...Das ist Antwort genug für mich.“ Jetzt blickte er über seine Schulter zu dem Jüngeren; seine rotbraunen Augen schienen finster und noch immer konnte Jude im schwachen Mondlicht die Wut darin erkennen.
 

Jude verstand die Welt nicht mehr. Was erwartete der Ältere denn nur jetzt von ihm? Sie hatten beide noch nie tiefschürfende Gespräche miteinander geführt. Gerade Alvin war ein Meister darin, seine wahren Absichten und seine Meinung zu verbergen. Und auch Jude war nie darauf bedacht, andere mit seinen Problemen zu belasten. Was erwartete der Andere also nun von ihm?
 

Noch hielt er dem Blick des Älteren stand, doch die ungewohnte Situation ließ ihn beinahe verzweifeln. „Was soll das Ganze? Das geht dich doch gar nichts an...“ Alvin's Blick wurde noch fester. Der Schwarzhaarige musste nun doch zur Seite blicken.
 

„Vielleicht weil ich dich beschützen will...“
 

Die Worte waren leise und verloren sich beinahe in der kühlen Nachtluft. Doch Jude hatte sie vernommen. Überrascht blickte er wieder auf und sah in Alvin's Augen. Und nebst all den Emotionen, die er bereits gesehen hatte, konnte er plötzlich noch eine erkennen: Aufrichtigkeit.

Langsam sickerte die Bedeutung der Worte in Jude ein. Ihm wurde heiß und er war sich sicher, dass Alvin dieses Mal sehen konnte, wie seine Wangen sich rot verfärbten. Seine Hände begannen zu zittern und sein Griff um Alvin's Oberarm löste sich etwas.
 

Alvin nutzte den Moment, um sich loszureißen. „Vielleicht kannst du das alles einfach so hinnehmen... Ich aber nicht!“ Schon setzte er seinen Weg fort.
 

Der Schwarzhaarige stand noch immer wie angewurzelt da. Er betrachtete den Braunhaarigen, wie er einen Schritt vor den Anderen setzte und wusste genau, er müsste ihn aufhalten. Doch seine Beine gaben ihm kaum Halt. Sein Herz schlug so laut, er glaubte man könne es in ganz Leronde hören. Angestrengt versuchte er eine Lösung zu finden, stolperte dabei aber immer wieder über ein und denselben Satz.
 

Vielleicht, weil ich dich beschützen will...
 

„Alvin, bleib stehen! Bitte!“ Plötzlich fühlte er, wie ihn eine ihm wohl vertraute Wärme durchströmte. Es war fast so, als wäre da neben seinem Herzschlag noch ein weiterer Herzschlag zu spüren. Und neben seiner eigenen Wut – die noch vergleichbar gering ausfiel – konnte er eine immense Wut spüren.
 

Seine Hand legte sich auf sein Herz, überrascht über die komischen Gefühle.
 

„Du willst mich wirklich mit allen Mitteln aufhalten, hab ich Recht?“ Langsam hob der Schwarzhaarige wieder den Kopf. Er stellte fest, dass Alvin stehen geblieben war. Die Hände zu Fäusten geballt, die Schultern angespannt.
 

Abrupt wand Alvin sich wieder um und lief zurück, direkt an Jude vorbei. Er vermied jeglichen Augenkontakt, doch Jude hatte das Gefühl, dass das Herz des Braunhaarigen noch schneller schlug. Hinter Jude blieb er kurz stehen. „Fein. Du willst, dass ich still sitze, also mach ich es.“
 

Das vertraute Gefühl kam langsam bei dem Schwarzhaarigen an und er griff instinktiv zu seinem Lilium Orb. Dieser strahlte eine leichte Wärme aus. Der Kloß ins einem Hals schien nur noch dicker zu werden und das Zittern in seinem Körper verstärkte sich. Er muss rein instinktiv die Verbindung mit Alvin eingegangen sein.
 

Auch dem Anderen war dies nicht entgangen. Mit einem Seufzer strich er sich kurze durch die Haare, bevor er sich umdrehte und seine Hand auf Jude's Schulter legte. „...Wir müssen Morgen früh raus. Ruh' dich aus.“ Dann wand er sich wieder um, löste die Verbindung der Lilium Orbs und lief zurück ins Gasthaus.
 

Jude stand noch eine ganze Weile draußen. Er wollte erst sicher gehen, dass sein Herzschlag sich wieder beruhigt hatte, bevor er ebenfalls in das Gasthaus zurückkehrte.

Wie er auf die Ereignisse des abends reagieren sollte, wusste er wirklich nicht. Aber bei dem Gedanken an Alvin und sein Verhalten breitete sich ein Kribbeln in Jude aus.
 

Als er sich endlich beruhigt hatte und wieder in seinem Zimmer ankam, das sich Alvin, Rowen und Jude teilten, schien Alvin bereits zu schlafen. Leise schlich der Schwarzhaarige zu seinem Bett, als ihm ein rechteckiger Gegenstand auf dem Kopfkissen auffiel. Bei genauerem Hinsehen musste er feststellen, dass es das Buch war, wegen dem er extra hierher gekommen war. Er muss es in dem Eingangsbereich fallen gelassen haben.
 

Verstohlen blickte er zu dem Braunhaarigen, der ihm den Rücken zuwandte. Ein kleines Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
 

Vielleicht – aber nur vielleicht – konnte er Alvin ja trotz allen Lügen wirklich vertrauen.

Jude war sich auf jeden Fall sicher, dass er sich auf ihn verlassen konnte.



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