Ja◻︎ Nein◻︎ Vielleicht☒

Kapitel 1

Der typische Junge trug keine Mädchenkleider. Außerdem schminkte er sich nicht, lackierte sich nicht die Nägel und lästerte nicht mit seinen engsten Freundeskreis. Das Einzige was richtige Männer taten, war sich Sportsendungen im Fernsehen anzusehen, Frauen auf den Hintern zu starren und niemals über seine Gefühle zu sprechen.
 

Sasuke schien mit diesen Dingen immer schon ein Problem gehabt zu haben. Denn nicht wirklich sah er sich selbst als Junge, obwohl in alle so nannten. Geboren mit einem hängenden Teil zwischen seinen Beinen, hatten seine Eltern ihn gleich einen männlichen Namen verpasst und in eine blaue Decke gewickelt. Nie durfte er mit einem Kleid in die Schule gehen und wurde von allen Mädchen immer vergöttert. Es war wie ein Fluch.
 

Er erzählte seinen Eltern nichts davon, denn diese würden ihn höchstwahrscheinlich sofort zu einem Psychiater schicken. Eigentlich wusste er nicht, wie seine Eltern zu diesem Thema standen, doch er hatte große Angst vor einem möglichen Outing.
 

Die Tatsache, das Sasuke gerne Kleider tragen würde, war nicht das einzige Geständnis was er ablegen sollte. Denn wie es das Schicksal wollte, fühlte sich der 18-Jährige auch zum gleichen Geschlecht hingezogen. Das wusste er auch schon seit ein paar Jahren, doch er hatte es niemanden erzählt. In seiner Freizeit starrte er nur gerne einen blonden Engel hinterher, den er wahrscheinlich nie bekommen wird.
 

Naruto war ein Schulkollege von Sasuke und hatte im Gegensatz zu ihm viele Freunde. Er war immer umgeben von ein paar Leuten aus ihrer Klasse und somit auch fast nie alleine. Sein Schwarm war wie ein beliebter Klassenclown, der immer alle durch seine eigene Tollpatschigkeit zum Lachen brachte.
 

Im Gegenteil versuchte Sasuke immer alleine zu sein, denn er wollte nicht wirklich in der Schule auffallen. Dies fiel jedoch durch seine guten Noten und den verliebten Mädchen, die immer in seiner Nähe sein wollten, ziemlich schwer. Auch in diesem Moment wurde wieder eine Eins mit allen Punkten vor ihm auf den Tisch gelegt und der Professor gratulierte ihm herzlichst zu diesem tollen Erfolg und sagte ihm, dass er so weitermachen sollte. Er beachtete die Situation nicht weiter und ließ seinen Blick zum Platz des Blonden gleiten.
 

„Nicht schon wieder eine fünf“, sagte dieser und vergrub sein Gesicht in seinen Armen und legte sich auf den Tisch. Normalerweise ging er immer recht lässig mit seinen Noten um, doch das Schuljahr war fast vorbei und die Abschlussprüfungen kamen immer näher. Wenn er bis Ende des Schuljahres nicht überall positiv war, konnte er leider nicht zu den Prüfungen antreten und dann müsste er das Jahr wiederholen.
 

Dabei erzählte Naruto schon von seinen großen Plänen im Sommer und freute sich wahnsinnig auf die gemeinsame Abschlussreise, doch wenn seine Noten weiter zu absackten, konnte er das alles nicht erleben. Dann müsste er nächstes Jahr mit Fremden feiern und nicht mit seinen besten Freunden. Das verdarb nicht nur Narutos Stimmung, sondern auch die von Sasuke. Er wollte den Blonden unbedingt glücklich sehen, weil sein Lachen von einer anderen Welt war. Vor ein paar Wochen hat er sogar heimlich ein Foto von Naruto gemacht, als er lachte. Natürlich verwendete er es nicht als Hintergrund auf seinem Handy. Er war doch kein Vollidiot.
 

Somit ging Sasuke in der Pause auf den Blondschopf zu. Was dachte er sich eigentlich bei dieser bescheuerten Aktion? Er wollte Naruto näher kommen, aber er wollte auch Naruto weiter aus der Ferne beobachten. Er wollte den Blonden wieder den Rücken kehren, doch dieser sah ihn bereits Erwartungsvoll an. Es passierte nicht jeden Tag, dass der ruhige Junge in der Klasse den Kontakt zu Mitschülern aufnahm. Aliens kommen auch nicht einfach auf die Erde und fragen dich, ob du mit ihnen fischen gehen möchtest. Zum Glück hatten alle anderen schon den Raum verlassen und nichts von der bevorstehenden Konfrontation bemerkt, sonst würden bestimmt unzählige Augen auf ihnen kleben.
 

Sasuke versuchte die passenden Worte in seinem Kopf zu formulieren, doch er fand einfach nicht die perfekte Konstellation der Satzbausteine.
 

„Ich kann Nachhilfe“, kam nur aus seinem Mund. Sasuke wurde sofort rot und wendete seinen Blick den Boden zu. Mission abbrechen. Mission abbrechen. „Was?“, fragte nun Naruto ein bisschen verwirrt und versuchte den Satz von Sasuke zu verstehen.
 

„Ich kann dir Nachhilfe geben, damit deine Noten besser werden“, flüsterte er langsam, um keine Fehler zu machen. „Ich hab alles Einsen“, fügte er hinzu, als ob es Naruto nicht wissen würde, wie gut er eigentlich war. Jeder wusste, dass er einer der besten Schüler in der ganzen Schule war. Was ihn nicht wirklich glücklich machte, denn somit kannte fast jeder seinen Namen oder schlimmer, sein Gesicht.
 

„Das wäre ich super von dir“, erwiderte der Blonde enthusiastisch und lächelte seinen Mitschüler mit einem breiten Grinsen an. Naruto war sehr erstaunt, denn er hatte noch nie so viele Worte aus dem Mund den Schwarzhaarigen kommen sehen.
 

„Wann hast du denn Zeit?“, fragte nun wieder Naruto, weil sein Gegenüber den Mund nicht mehr öffnete und einfach nur auf den in die Augen des Blonden starrte. Sasuke wurde aus seinen Gedanken über die wunderschönen Seelenspiegel gerissen und sah Naruto mit einen verwirrten Blick an. Was hatte dieser gesagt? Mit einem Seufzen wiederholter er seine Frage und hoffte auf eine Antwort.
 

„Gleich morgen nach der Schule? In der Bibliothek?“, schlug Naruto vor, denn aus dem Mund des Schwarzhaarigen kam noch immer kein Wort. Auf diese Frage nickte Sasuke, drehte sich um und verschwand so schnell wie möglich aus dem leeren Klassenzimmer. Mission abgeschlossen.
 

Sasuke fühlte sich wie ein totaler Vollidiot. Was hatte er gerade getan? Er hatte sein ganzes Leben ruiniert. Nun musste er Zeit mit Naruto verbringen und dieser würde wohl eine Art von Freundschaft aufbauen wollen. Naruto befreundete sich mit jedem, sogar die Direktorin der Schule war eine davon. Es war nicht so, dass Sasuke nicht in der Nähe von Naruto sein wollte, doch er wollte auch seine Geheimnisse behalten. Ganz tief verschlossen und immer in einem dunklen Keller, somit sie niemals das Tageslicht dieser Welt erblickten. Wenn er keine Freunde hatte, würde sich auch keiner für seine persönlichen Interessen interessieren und ihn danach fragen.
 

Mit schnellen Schritten verließ Sasuke das große Schulgebäude und machte sich auf den Weg nach Hause. Das Haus der Uchiha-Familie war nicht weit von der Schule entfernt und konnte in fünf Minuten Gehzeit schnell erreicht werden. Wieder einmal war niemand zu Hause, denn seine Eltern waren mit ihrer perfekten Karriere beschäftigt und sein großer Bruder Itachi besuchte zurzeit eine Universität in Tokyo.
 

Somit verkroch sich Sasuke gleich in sein Zimmer, legte seine Tasche sorgfältig auf den Schreibtisch und packte seine vielen Schulsachen aus. Ordentlich legte er alles auf einen kleinen Stapel und setzte sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Wie jeden Tag begann er schnell seine Hausaufgaben, um die restliche Zeit des Tages vor seinen Computer verbringen zu können und im Internet süße Kleider anstarren konnte. Wenigstens gab es einen Ort, an dem niemand wusste wer er war und er immer er selbst sein konnte.
 

Am nächsten Tag saß er zusammen mit Naruto in der bescheidenen Bibliothek der Schule. Nicht viele Schüler nutzen den Raum zum Lernen und somit waren sie an einem Freitagnachmittag alleine.
 

„Wo liegen deine Schwächen?“, fragte Sasuke. Er hatte sich während des Schulwegs einen perfekten Plan ausgedacht, sodass Naruto wieder bessere Noten bekam und erfolgreich die Schule abschließen konnte. „Überall. Ich lese mir immer alles durch, aber nichts bleibt in meinem Kopf und die Lehrer verstehe ich auch nicht. Vielleicht reden die einfach nur zu leise und sie sollten besser das Unterrichten lernen, denn“
 

„Hör auf Ausreden für deine eigene Inkompetenz zu benutzen“, unterbrach Sasuke ihn und sah ihn mit einen seiner geübten kalten Blicke an. Er hatte lange vor einem Spiegel gestanden um diesen Ausdruck zu beherrschen.
 

Nach einer Stunde Mathematik mit Naruto war Sasuke völlig am Ende. Er hatte nie gedacht, dass es so schlimm enden würde. „Ich bereue, dass ich dir Nachhilfe angeboten habe“, sagte Sasuke zum Blonden und hoffte mit diesem Satz würde er in Zukunft in Ruhe gelassen. Er fischte seine Handy aus seiner Schultasche, doch in den nächsten Sekunden wurde es ihm aus der Hand gerissen.
 

„Ich geb’ dir meine Handynummer, dann können wir uns mal treffen. Wir müssen nicht lernen, wenn du mir keine Nachhilfe mehr geben möchtest“, erklärte Naruto mit einem breiten Grinsen im Gesicht und entsperrte den Bildschirm von Sasukes Handy. Sofort verschwand das dumme Lächeln aus Narutos Gesicht. Er hob langsam seinen Kopf und sah den Schwarzhaarigen mit erschrocken an.
 

Sasuke war nicht so ein Vollidiot, der ein Foto seines Schwarms als Hintergrundbild hatte. Denn sein Handy wurde durch ein niedliches Foto von Sasuke mit einem Kleid und süßen Lächeln aufgepeppt. Er wolle im Erboden versinken.
 

„Es ist nicht so, wie es aussieht?“, fragte er mehr, als es zu sagen.