Zum Inhalt der Seite

Vertauschte Rollen

Ein kleines Gedankenexperiment
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

inkompatibel

Levi schwieg die meiste Zeit. Er hatte nur genickt und einsilbig auf die Fragen geantwortet, die Jean und Armin ihm gestellt hatten. Er hatte geschwiegen, als Eren ihn heute Morgen aus dem Kerker abgeholt hatte und er schwieg auch jetzt noch.

Es war zum verrückt werden, wirklich. Eren zwang sich nichts dazu zu sagen, versuchte einfach gar nicht zu sehr über den Jungen nachzudenken, der neben ihm auf dem Pferd ritt und den Kopf gesenkt hielt.

Einmal hatte Eren kurz einen Blick auf sein Gesicht erhascht, aber er wusste nicht so ganz, was er mit dem anfangen sollte, was er sah. Levi wirkte beinahe traurig, resigniert und irgendwie noch immer, als würden ihn andere zu etwas zwingen. Nun, irgendwo taten sie das wohl, aber als sie gestern mit ihm gesprochen hatten, hatte er wiederholt bestätigt, dass er ohnehin der Legion hatte beitreten wollen. Was genau war sein Problem? Dass er es jetzt nicht wie die anderen tun durfte? Oder gefiel ihm nicht, dass er halb wie ein Gefangener abgeführt wurde? Zugegeben, dass würde Eren auch nicht gerade gefallen, aber wenn man bedachte, was Levi getan hatte, was er war, dann gingen sie eigentlich sehr harmlos mit ihm um, fand Eren.

Er schüttelte über sich selbst den Kopf und rieb sich die Schläfe. Versuch zu erreichen, dass er Vertrauen zu dir fasst, hatte Jean gesagt. Vertrauen. Wie sollte er überhaupt irgendwas versuchen, wenn der Junge verdammt nochmal nicht redete?

Erens Gedanken wurden von einem Lachen unterbrochen und als er zur Seite sah, merkte er, dass Connie fast vom Pferd gefallen war, während Sasha neben ihm lachte und ein Stück vorausritt. Eren schmunzelte. Wahrscheinlich hatte sie ihn entweder gestoßen oder wieder einmal versucht einen ihrer Taschenspielertricks zum Besten zu geben und ihm irgendwas zu klauen.

Eren schmunzelte leicht. Die beiden würden sich wohl nie ändern. Auf der anderen Seite begann er aber auch zu zweifeln – er hatte sie aus dem Grund mitgenommen, dass sie nicht nur gut waren, wenn es darauf ankam, sondern auch einige Male einfach nicht ernst waren. Er hatte gehofft, dass das Levi ein wenig beruhigen würde, aber den Blick, den der Junge zur Seite warf, konnte er nicht deuten. Nur begeistert war er nicht, soviel stand fest.

Er nickte Mina zu, die daraufhin ein Stück näher zu Levi ritt und ihm das Ziel der Reise erklärte. Vielleicht kam sie mit ihrer ruhigen Art leichter an den Jungen heran.

Und Eren dachte in dem Moment, dass es wirklich zu blöd war, dass er Krista nicht hatte haben können – aber Jean hatte sie schon für die neuen Rekruten eingeteilt, die sie hoffentlich haben würden, und damit fiel sie raus. Also musste es wohl irgendwie so gehen.

Eren sah keine leichte Aufgabe auf sich zukommen. Er war nicht die Art Mensch, die sich schnell mit anderen verstand und er wusste, dass sich genügend Soldaten an seiner forschen, direkten Art störten. Er war sich nicht einmal sicher, ob es nicht sogar besser gewesen wäre, hätte Jean lieber jemand anderem die Aufsicht über Levi übertragen. Das einzige Problem war nur, dass der Richter verlangt hatte Levi den möglichst stärksten Leuten zu unterstellen und das wiederum hatte ihnen allen keine Wahl gelassen.

Erens Blick wanderte erneut zur Seite. Trotz Minas gutem Zureden hatte sich Levi kein bisschen bewegt. Er sah sie nicht einmal an, starrte stur nach vorne, die Lippen zu einem schmalen Streifen zusammengezogen und die Augenbrauen in dauerhaftem Missfallen herabgezogen.

Erst, als die alte Burg in Sichtweite kam, reagierte der Junge überhaupt mit einem scharfen Zischen. Ohne zu fragen oder auf eine Ansage zu warten, zog er hart an den Zügeln und brachte sein Pferd zum Stehen. „Das ist nicht euer Ernst, oder?“, knurrte er und sein Blick huschte eilends über die zugewachsenen Mauern und verwahrlosten Felsen, die den Boden bildeten. „Das ist eine Ruine!“

Es waren die ersten Worte, die Eren Levi von sich aus sagen hörte, ohne dass er ihm eine direkte Frage stellte – und sie ließen ihn die Stirn runzeln. Was war das bitte für ein Tonfall gegenüber Vorgesetzen und in seiner Lage?

Ja, die Burg hatte sicherlich bessere Tage gesehen, aber einen derartigen Aufstand zu proben war wirklich übertrieben. Eigentlich sollten sie lieber froh sein, dass sie einen derart abgelegenen Unterschlupf zur Verfügung hatten und hier ungestört vorgehen konnten ohne, dass ihnen die Militärpolizei oder jemand anderes im Nacken saß.

„Du kannst gerne saubermachen“, war daher Erens nicht gerade freundliche Antwort, als er seitlich in Levis Zügel griff und ihn weiter vorwärts zog. Er würde keine Widerrede direkt am ersten Tag zulassen. Die Antwort bestand in einem äußerst wütenden Funkeln, das Eren vollkommen ignorierte, sich aber eine gedankliche Notiz machte.

Rebellion war keine Option im Militär, Gehorsam absolute Pflicht. Das würde Levi lernen müssen, wenn das hier funktionieren sollte. Sie gingen recht locker mit den Vorschriften um, aber ihre Grenzen waren klar abgesteckt und Levi hatte sie heute schon überschritten. Sie brauchten seine Kampfkraft, keinen trotzigen Soldaten, der nicht wusste, was Befehle bedeuteten.

Eren zwang sich tief durchzuatmen und sich nicht gleich wieder selbst hoch zu stacheln, als er im Innenhof abstieg und sich erstmal umsah. Schön war es wirklich nicht, aber auch keine Katastrophe. Sie wollten hier nur trainieren, da störten die Pflanzen wenig. Allerdings sollten sie vielleicht vor Sonnenuntergang ein paar Zimmer wieder in Schuss bringen.

Er nickte den anderen zu und wie üblich brauchten sie keine weiteren Erklärungen, banden ihre Pferde an und verschwanden ins Innere. Einzig Mina warf ihm noch einen kurzen, fragenden Blick zu und als er diesem folgte, stellte er fest, dass Levi sich nicht von seinem Sattel fort bewegt hatte. Sofort wanderten Erens Augenbrauen tiefer, aber er machte Mina ein Zeichen, dass er sich darum kümmern würde und sie lief nach kurzem Zögern weiter.

„Levi.“

Der Angesprochene verschränkte die Arme und sah ihn nur herausfordernd an. „Komm da runter, bind dein Pferd an schnapp dir einen Eimer. Oder möchtest du hier im Hof schlafen?“

Mit einiger Mühe schaffte Eren es nicht laut zu werden. Dieser verdammte Titanenbengel dachte wohl, er bräuchte eine Extraaufforderung?

Levi musterte ihn abschätzend, ehe er sich dazu herabließ sich herunterrutschen zu lassen und seine Zügel in die Hand zu nehmen. Er verzog angesichts des Bodens merklich das Gesicht, sagte aber nichts und zu Erens Überraschung machte er sich sogar bereitwillig und übertrieben gründlich daran den Aufenthaltsraum zu reinigen. Ordentlich genug, dass Eren es für sicher hielt ihn dort allein zu lassen und sich in der Zwischenzeit um die angrenzenden Zimmer zu kümmern. Sie waren zum Glück nicht zugewachsen, nur etwas staubig und voller Spinnenweben.

„Eren?“

Er blickte auf, als Sashas Stimme hinter ihm erklang und drehte sich um. Sie hielt einen großen Korb in der Hand. „Ja?“, er stöhnte leise, „Sag nicht, dass Levi schon was angestellt hat?“

Sie blinzelte und schüttelte dann langsam den Kopf. „Außer, dass er mich aus der Küche gescheucht hat, weil ich ihm nicht gründlich genug war, nein. Eigentlich wollte ich dir das zeigen. Die habe ich in der Vorratskammer gefunden.“

Nicht gründlich genug? Eren vertagte es sich darüber Gedanken zu machen und sah sich die Dosen an, die Sasha ihm in dem Korb hinhielt. Sie sahen … alt aus. „Ich glaube nicht, dass wir die noch essen sollten, Sasha.“

„Aber das ist eingelegtes Fleisch!“

Eren warf ihr einen skeptischen Blick zu, ehe sich doch ungewollt ein kleines Schmunzeln auf seine Lippen stahl. „Ich weiß, aber genau deswegen sollten wir das nicht. Der Stützpunkt wird seit über fünf Jahren nicht mehr benutzt, ich bezweifle, dass sich Fleisch so lange hält.“

Sasha schmollte ein wenig. „Captain, bitte um Erlaubnis es dennoch probieren zu dürfen!“

Nun musste Eren wirklich leise lachen. „Erlaubnis nicht erteilt. Sasha, ich brauche dich morgen noch. Aber ich erlaube dir eine aufzumachen und daran zu riechen. Wenn du dann immer noch der Meinung bist, es probieren zu wollen, rede mit Armin, sobald er hier ist.“

Sasha schmollte noch immer ein wenig, seufzte übertrieben und nickte dann aber. „Er kommt auch?“

„Ja, sobald der ganze Papierkrieg geklärt ist, immerhin hat er am meisten Ahnung von …“

Eren hielt inne, als er hinter Sasha mit einem Mal einen Schatten sah, der sich nicht bewegte und stumm dastand.

„Levi? Bist du fertig?“

Levi sah ihn nicht direkt an, als er erwiderte. „Mit der Küche ja. Soll ich … kann ich hier weitermachen?“ Er stolperte offenbar über die ungeplante Wortwahl. Eren war nicht sicher, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Hatte er in drei Jahren Grundausbildung keinen entsprechenden Umgangston gelernt?

„Ja, tu das. Auf dem Flur sind sechs Zimmer, wir werden sie alle brauchen.“

Levi nickte, schielte mit einem nicht sehr glücklichen Ausdruck in das Zimmer, das Eren gerade beinahe komplett gereinigt hatte und verschwand dann mit Eimer und Lappen im Nachbarraum.

Eren sah ihm kurz nach, wand sich dann an Sasha. „Wir sollten auch weitermachen, ehe es dunkel wird. Tu mir den Gefallen und benutz das Zeug nicht fürs Abendessen, ja? Nicht, ehe Armin es nicht wenigstens abgenickt hat.“

Er deutete nochmals auf ihren Korb, dann wand er sich wieder der Fensterbank zu, die er gerade abgestaubt hatte – und musste nießen. Wie er sauber machen doch hasste!

 

Die restliche Zeit bis zum Essen verlief ruhig und bis sie alle zusammensaßen waren die Zimmer auf der Etage nicht nur bewohnbar, Connie hatte auch die Ställe wieder hergerichtet und Mina den Brunnen in Betrieb genommen.

Sashas Gemüsesuppe war schmackhaft wie immer und für einen Moment konnte Eren sich sogar entspannen, als sie im Kerzenschein zusammensaßen und kurz einfach mal ausatmen konnten.

Levi saß neben ihm und aß schweigend seine Suppe – er sagte nichts dazu, aber vielleicht war das sogar ganz gut, da er seinen Mund ja offenbar fast nur öffnete, um sich zu beschweren.

„Wie genau gehen wir denn jetzt eigentlich vor?“, fragte Mina nachdem sie alle fertig waren und nur noch eine Tasse dampfenden Tee vor sich hatten. Eren rieb die Hände daran ohne daraus zu trinken.

„Erstmal warten wir auf weitere Befehle und nutzen die Zeit, um uns ein wenig mit Levis Fähigkeiten vertraut zu machen. Armin wird in den nächsten Tagen kommen, dann sehen wir weiter.“

Levi sah nun doch auf und er traf Erens Blick. Darin lag keine Frage, keine Unsicherheit nur Frust und Widerwillen, der Eren fast wieder wütend werden ließ. Was war jetzt schon wieder? Jeans Worte kamen ihm wieder durch den Kopf, er krampfte die Hände für ein paar Augenblicke fester um die Tasse und atmete langsam aus.

„Gut, ich denke, für heute sollten wir auch schlafen gehen. Wir haben morgen viel vor.“

Die anderen blieben unüblich ruhig, aber Eren entgingen nicht die unsicheren Blicke, die die drei tauschten, ehe sie wortlos aufstanden und sich Richtung Flur wandten.

„Captain.“

So, wie Levi das Wort aussprach lag darin keinerlei Respekt. Es war noch keine Verachtung, aber auch keine Anerkennung des Titels und forderte einiges von Erens Selbstbeherrschung.

„Ja, Levi?“

„Ich möchte die Zelle noch sauber machen, ehe ich darin schlafe.“

War das gerade der Versuch einer Bitte? Eren wand sich zu ihm um und schüttelte den Kopf. „Warum willst du in einer Zelle schlafen?“ Die Frage, ob ihm die normalen Betten nicht gut genug waren, verkniff er sich gerade noch.

Nun war es an Levi ihn überrascht anzusehen. Und zum ersten Mal lag kein Trotz, sondern wirklich Verwirrung in seinem Blick.

„Muss ich das denn nicht?“

Eren schnaubte ironisch. „Wenn es nach dem Gericht geht vielleicht. Ich sehe keinen Sinn darin. Wenn du dich da unten verwandelst, legst du die komplette Burg in Schutt und Asche, hier oben sollte wenigstens ein Teil stehen bleiben.“ Er zuckte die Schultern. „Es sei denn du bestehst auf deine Gruft, sonst schläfst du im Zimmer neben mir.“

Ein Blinzeln. Naja, vielleicht war das wenigstens ein Anfang … Hoffentlich.

 

Offenbar hatte Eren zu viel in diese Mimik interpretiert, denn der nächste Tag und auch der darauf folgende verlief relativ genau so, wie er erwartet hatte. Levi brauchte für so ziemlich alles eine extra Aufforderung, tat nur genau das, was man ihm sagte und keinen Handgriff mehr und sprechen wollte er auch nicht.

Es war wirklich zum verrückt werden und brachte Erens ohnehin kurzen Geduldsfaden mehr als einmal an die Grenze des Reißens. Er gab sich alle Mühe ruhig zu bleiben – weil er wusste, dass Jean sich auf ihn verließ und er in seiner Position eigentlich so etwas wie ein Vorbild sein sollte – aber Eren war sich nur zu bewusst, dass das nicht lange so weitergehen konnte. Levi nahm ihn nicht ernst, er tanzte ihm beinahe auf der Nase herum und das konnte und wollte er nicht länger zulassen.

Als Levi am Morgen des dritten Tages keine Anstalten machte nach dem Frühstück aufzustehen, reichte es Eren. Er schickte die anderen vor in den Hof, um die Ausrüstung bereit zu halten und blieb mit Levi sitzen. Er wartete auf eine Reaktion. Die meisten Menschen würden merken, dass etwas geschehen würde, doch Levi saß nur stumm da und sah ihn an.

Ihre Blicke trafen sich – und ein stummes Duell entstand. Levis Augen waren für sein Alter ungewöhnlich kühl und unbeeindruckt. Eren war sich sicher, dass er damit so einigen Leuten Angst machen oder sie einschüchtern konnte, wenn er das wollte, aber er wusste auch, dass solch ein Blick nicht von irgendwo kam.

Er erinnerte sich dunkel an ein Gespräch vor Jahren, in seiner eigenen Ausbildungszeit, als Kameraden ihm und Jean vorgeworfen hatten, sie hätten die gleichen, wilden, harten Augen und sie sich deswegen in die Haare bekommen hatten. Heute verstand er ansatzweise, was die anderen ihnen damals hatten sagen wollen und er fragte sich, was Levis Augen über ihn aussagen mochten. Was hatte der Junge erlebt, um so kaltblütig und unbeeindruckt zurückzusehen, wenn er ihn anfunkelte? War das wirklich der Mensch vor ihm oder der Titan in ihm?

So oder so, Eren hatte nicht vor dieses Duell zu verlieren und so groß, wie Levi gerne gehabt hätte, war die Wirkung auf Eren auch nicht. Er hatte als Kind genug Spott und Prügel eingefangen, ihn schreckte nur noch wenig ab.

„Warum bist du hier, Levi?“, fragte Eren nach bestimmt fünf Minuten, als ihn die Stille langsam aber sicher unruhig machte.

Erst schien es, als wollte Levi gar nicht antworten, dann zuckte er nur die Schultern. „Sollten wir nicht trainieren, Captain?“

Dieses Mal war der Titel definitiv als Provokation gemeint. Der Tonfall eisig und ironisch und Eren war sich sicher, dass er im Spiegel eine kleine Wutader auf seiner Schläfe hätte sehen können.

„Möchtest du mir etwas sagen, Kadett?“, fauchte er zurück und gab jede Art der Zurückhaltung auf.

Levi schnaubte nur. „Sollte ich nicht eigentlich vom stärksten Kämpfer bewacht werden?“, fragte er, die Stimme nur so von Spott triefend.

Erens spürte, wie sich sein Mund langsam verzog als er dicht an der Grenze zum Schreien antwortete: „Falls du Mikasa meinst, sie ist schwanger, du wirst also mit mir vorlieb nehmen müssen. Und, glaub mir, du solltest froh darüber sein. Sie würde dir das hier nicht durchgehen lassen?“

„Oh?“, kam es nur unbeeindruckt, was bei Eren endgültig eine Sicherung durchbrennen ließ. Er griff Levis Kragen, zog ihn zu sich und knurrte: „In fünf Minuten beim Training, wenn du nicht da bist, verbringst du den Rest des Tages in der Zelle.“

Damit stieß er Levi unsanft von sich, sodass dieser unsanft auf dem Boden landete und wand sich ohne ein weiteres Wort ab. Er konnte sich gerade noch davon abhalten sich wirklich mit ihm zu prügeln und schaffte es stattdessen in sein Zimmer, um bei geschlossener Tür mit einem nur halb unterdrückten Schrei die Faust gegen die Wand zu schlagen, dass seine Haut aufplatzte und Blut zu Boden tropfte.

Dieser scheiß Kerl machte ihn echt wahnsinnig. Dummes Titanenbalg!! Eren knurrte wütend.

Eine halbe Stunde später hatte Eren sich wieder beruhigt, seine Hand schnell verbunden und einen halben Plan für heute.

Die letzten zwei Tage hatten bei Levi eher durchschnittliche Ergebnisse gezeigt, was den Gebrauch der Ausrüstung anging – und standen im Widerspruch zu dem, was seine Leistungen in der Ausbildung zeigte. Eren war sich nicht sicher, ob Levi sich nicht bewusst war, dass sie seine Akten hatten, aber es bedeutete in erster Linie eins: Er hielt sich zurück.

Die einzigen Aufgaben, die er klaglos und gründlich verrichtete waren die, die Eren ihm eigentlich zur Strafe aufgab: Putzen, sich um die Tiere kümmern oder Wasser holen.

Alles andere, seien es nun Ausritte oder Gearübungen ließ er mehr über sich ergehen, als dass er mitmachte. Keine gute Voraussetzung. Irgendwie mussten sie ihn aus der Reserve locken – vorausgesetzt überhaupt es gab eine und der Junge hatte seine Ergebnisse zuvor nicht gefälscht.

Levi reagierte nicht, als er aus der Tür trat, er nickte ihm nicht mal zu oder sah zu ihm, erst als Eren ihn ansprach, bedachte er ihn mit einem mehr als herausforderndem Blick, der Erens Nackenhaare sogleich wieder stehen ließ. Wollte er einen echten Schlag?

„Absprungtraining.“, knurrte Eren nur, beinahe sofort wieder auf 180, „Auf die Pferde, sofort.“

 

Die ernüchternde Bilanz am Abend ließ Eren tief seufzen. Es war dunkel draußen und die anderen waren längst ins Bett gegangen, als er vor dem kleinen Schreibtisch in seinem Zimmer saß und einen Bericht für Jean verfasste.

Er war heute ein hohes Risiko eingegangen, um Levi anzustacheln und hatte sich im Flug in eines seiner Seile fallen lassen, um ihn zu zwingen schnell zu reagieren. Levi hatte sich geschickt abgefangen, war daraufhin aber auf dem Ast stehen geblieben mit der einzigen Aussage, dass er sich erst wieder bewegen würde, wenn alle unfähigen Hindernisse aus der Luft verschwunden waren.

Eren hatte daraufhin alle Geduld verloren und ihn anschließend mit zum Nahkampftraining genommen. Es war … unschön gewesen. Für beide. Keiner hatte nach- oder gar aufgeben wollen und aus der koordinierten Übung war schnell ein hartes Prügeln und Rangeln geworden, das erst endete, als Armin ankam und erschrocken schrie die beiden zu trennen. Es hatte alle vier und einiges an gutem Zureden bedurft, ehe sie sich wegzerren ließen.

Eren wusste, dass er Armins anschließende Standpauke verdient hatte, aber das hieß nicht, dass er allem zustimmte, was der andere gesagt hatte.

Vielleicht war Levi wirklich einfach kein Mensch, sondern nur ein dummes Tier. Jeder andere mit halbwegs vernünftigem Verstand hätte längst gemerkt, dass er es nur schlimmer machte. Dass in einer solchen Situation Rebellion gegen einen Vorgesetzten und dieses vollkommen bewusste Provozieren nur negative Konsequenzen haben würde.

Eren sah nachdenklich auf seinen Unterarm, auf dem sich dunkelrote und blaue Abdrücke einer Hand unter dem dünnen Hemd deutlich abzeichneten. Levi hatte mit aller Kraft gekämpft – fast schon besessen und wild hatte er sich gegen Erens Griffe gewehrt, grob, teils härter als nötig und beinahe in Panik ja nicht unterlegen zu sein.

Eren strich langsam darüber. Es schmerzte, für seine kleine Gestalt hatte der Junge einiges an Kraft – ob sie von seiner Titanenseite kam oder er sie auch so hatte, war ungewiss. Eren musste ihm lassen, dass er kämpfen konnte, nicht mal schlecht, aber das war sicher nicht, was er in der Grundausbildung gelernt hatte.

Levi kämpfte nicht fair, er hatte kein bisschen Rücksicht auf ein Training genommen und war gezielt auf alle Schwachpunkte losgegangen, die ihm irgendeinen Vorteil verschaffen konnten. Die traurige Wahrheit war, dass Eren durchaus eine vage Vorstellung hatte, woher das kam, aber es würde etwas bedeuten, über das er nicht weiter nachdenken wollte und dass er daher weit von sich schob.

Als es klopfte, zuckte Eren leicht zusammen, drehte sich dann aber um, als Armin den Kopf durch die Tür streckte und schließlich eintrat, als er sicher war, dass Eren nicht schlief.

„Sag nichts.“

Armin lächelte leicht, als Eren den Kopf abwand und leise seufzte. „Er setzt dir ganz schön zu, was?“

Eren schnaubte. „Armin, das ist eine Untertreibung. Der Kerl ist schlimmer als ich es jemals war!“

Armin ließ sich ungefragt auf Erens Bett nieder und sah ihn einen Moment lang abschätzend an. „Ich weiß nicht, du bist schon schwer zu übertreffen, was das angeht …“, stichelte er und schaffte es damit Eren ein kein wenig abzulenken und aufzumuntern.

„Ich habe aber auf meine Vorgesetzten gehört.“

„Ja, das hast du“, stimmte Armin zu, „Aber hinter ihrem Rücken hast du genauso geflucht.“

Eren schmunzelte. Das hatte er. Oft. Vor allem dann, wenn er das Gefühl hatte, dass sie ihm nichts beibrachten. Er hatte sich allerdings niemals offen gegen sie zur Wehr gesetzt, er war sich seiner Position im Militär immer sehr bewusst gewesen.

„Armin, was soll ich mit ihm machen? Er setzt es doch geradezu an, mich auf die Palme zu bringen. Vielleicht bin ich einfach nicht dazu geeignet jemanden zu beaufsichtigen …“

Armin dachte eine ganze Weile über seine Antwort nach, ehe er langsam vorschlug: „Finde heraus, warum er das tut? Wenn er nicht gelogen hat und in die Legion wollte, muss es einen Grund geben, warum er so reagiert?“

Eren schüttelte nur den Kopf. Armin ging das ganze wieder zur ruhig und theoretisch an, als ob alles an Menschen – oder Monstern – logisch zu erklären wäre. Vielleicht war es auch einfach unmöglich, vielleicht brauchte Levi einen anderen Vorgesetzten, der ihm endlich gehorsam beibrachte, vielleicht war er einfach als Soldat komplett ungeeignet und Jean würde sich einen anderen Weg suchen müssen.

Warum nur hatte er zugestimmt und den Kleinen nicht einfach der Militärpolizei überlassen? So, wie er sich gerade aufführte, wäre ihm das nur recht geschehen …!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück