Zum Inhalt der Seite

Kiss me hard before you go

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Blick nach vorn, nach einem langem Blick zurück

Kapitel 20 Der Blick nach vorn, nach einem langem Blick zurück
 

Meine Worte verhallen im dunklen Flur. Ich merke, wie Antony zurückweicht. Er senkt seinen Blick und er entlässt meine Finger. Ich spüre die kühle Luft umso deutlicher an den warmen Stellen unserer vorigen Berührung und ich wünsche mir noch im selben Augenblick das angenehme Gefühl zurück. Ich will ihn wieder spüren. Doch vielleich war es das letzte Mal.

„Was genau heißt das?", fragt er.

"Ich wollte..." Ich breche ab, weiche seinem Blick aus und schüttele minimal mit dem Kopf. Es reicht ihm als Antwort. Seine Hand fährt über seinen Mund und der Ausdruck seiner Fassungslosigkeit wird deutlich. Damit hat er nicht gerechnet. Es bereitet mir keine Genugtuung auch, wenn ich deutlich erkenne, wie sehr ihn mein Geständnis trifft und ich genau das gewollt habe. Es ist Schuld und Scham, die sich durch meinen Körper arbeiten und einfach nur Dunkelheit zurücklassen. Trotzdem stelle ich nicht klar, dass ich den Schritt zum Äußersten nicht gegangen bin, denn ich glaube, dass es für Antony nichts ändert. Seine Worte Hallen durch meinem Kopf. Ich bedeute ihm etwas. Aber er hat mich belogen. Mein Herz scheint zu zerreißen. Der Zwiespalt der vergangenen Tage entfacht sich erneut. Doch diesmal scheint er noch intensiver zu sein.

„Warum er?" Die Frage ist nur ein Flüstern. Es dauert einen Moment bis er mich ansieht. Seine kühlen, klaren Augen erfassen mich als ich einfach nicht antworte. Ich weiß einfach nicht, was ich antworten soll. Warum er? Luka war da. Er wollte mich. Und mit ihm konnte ich ihn am meisten verletzen. Genauso, wie mich selbst. Nachdem Gespräch in Antonys Büro war ich aufgewühlt und wütend. Nein, das alles sind lose Ausreden. Mein Gehirn wirft sie mir vor, weil ich mein Grundmotiv selbst so dumm und niveaulos finde, dass ich es mir nicht eingestehen will.

Antony ballt seine Hände zu Fäusten. Ich kann es deutlich sehen, dann kommt er auf mich zu. Er drückt mich gegen die Wand, aber es ist nicht aggressiv, eher verzweifelt.

„Warum gerade er?", wiederholt er. Seine Finger krallen sich in meinen Pullover. Ich spüre, wie sich sein gesamter Körper gegen meinen lehnt und sein Kopf auf meiner Schulter zum Liegen kommt. Seine Finger krallen sich fester in den Stoff meines Oberteils. Ein Ruck geht durch meinen Körper als er mich ein weiteres Mal sanft gegen die Wand stößt. Nur minimal ziehe ich die Luft ein. Antony blickt auf. Er mustert mich und ich kann nicht verhindern, dass ich beschämt zur Seite blicke.

„Hat er dir wehgetan?", fragt er leise und ehrlich besorgt. Nun liegt seine flache Hand auf meiner Brust. Ich spüre, wie er mir drei Mal sachte gegen die Brust klopft und wie er sich dann wieder von mir löst. Ich brauche es nicht zu bestätigen, denn aus irgendeinem Grund weiß er es. Vermutlich, weil neben dem verletzten beruflichen Stolz ein ebenso privater steckt. Meine Finger werden bei diesem Gedanken taub.

„Luka gehört nicht zu der sanften Sorte." Ein seltsames Lächeln auf seinen Lippen. Ich spüre, wie seine Finger über meinen Kiefer streichen. Hauchzart als wäre es nur ein minimaler Windzug. Sie fahren den gesamten Kiefernast entlang und gleiten zu meinem Kinn. Sein Daumen tippt kurz gegen meine Unterlippe und streicht dann einmal komplett über beide.

„Hast du Nein gesagt?", fragt mich Antony leise und sein Blick haftet sich weiter an meine nun bebenden Lippen.

„Ja", gebe ich ehrlich von mir. Ich sehe, wie er nickt und dann kurz seine Lider schließt.

„Gut." Nur ein Flüstern. Seine warme Hand umfasst meine Wange. Eine sanfte, zärtliche Geste. Dann spüre ich seine Lippen auf meinen. Erst sanft und hauchzart. Dann werden sie fest und unnachgiebig. Diesmal ist es anders als bei den letzten Malen. Es fühlt sich an, wie ein Abschied. Seine Hand gleitet in meine Haare, fasst nach meinem Hinterkopf und drückt mich fester an ihn. Als er den Kuss löst, sind seine Augen noch einen Moment geschlossen. Ich sehe dabei zu, wie er seine Unterlippe mit der Oberen entlang streicht, als würde er versuchen den letzten Rest des Aromas unseres Kusses zu bewahren. Ich strecke meine Hand nach ihm aus, doch er weicht zurück und hält seinen Blick gesenkt.

„Wir sollten uns nicht mehr sehen." Er sieht an mir vorbei nach unten. Er kann mir nicht einmal mehr in die Augen schauen. Ich widerspreche nicht, auch wenn ich sofort spüre, wie sich mein Herz schmerzhaft zusammen zieht. Wir haben uns gegenseitig verletzt. Wir haben uns gegenseitig, mehr oder weniger betrogen.

Obwohl in meinem Kopf schon seit Tagen diese Wut und die Trauer vorherrschen, trifft mich die Vorstellung ihn nicht wieder zu sehen enorm hart. Ist es wirklich endgültig? Mein Verstand sagt mir, dass es womöglich das Beste ist. Dass es die logische Konsequenz aus den aufgetauchten Problemen ist. Doch mein Herz bettelt darum, dass ich endlich einschreite. Ich bin wie gelähmt. Antony geht ohne, dass ich mich einen Millimeter bewege. Im Dunkeln bleibe ich stehen, höre wie sich die Haustür leise schließt. Nun ist er wirklich fort.
 

Ich brauche eine halbe Ewigkeit bis ich endlich den Schlüssel aus meiner Hosentasche ziehe und in die Wohnung zurückkehre. Noch immer ist in der Küche Licht zu sehen. Ich wende mich ab und höre dann doch leise Schritte. Das Licht im Flur geht an. Marie. Sie steht in der zur Küche.

„Alles okay, bei dir?" Wie viel sie wohl gehört hat? Im Flur muss es extrem hallen.

„Ben!" Ich drehe mich zur ihr und setze ein beruhigendes Lächeln auf.

„Ja, alles okay. Wir hatten nur eine kleine Meinungsverschiedenheit. Nichts weiter." Sie sieht mich zweifelnd an. Sie hat mehr mitbekommen. Hat sie Antony erkannt? Sie ist die Einzige, die ihn mehrere Mal hier gesehen hat. Damals auf der Treppe. Als er am Samstag nach mir gesucht hat. Heute im Flur. Marie ist nicht dumm und schon lange Zeit in der Universität.

„Ich koche morgen für uns", lenke ich ab.

„Also, ich werde es versuche und hoffe, dass ich euch nicht umbringe. Halte dir den Abend frei, okay?" Ein erzwungener Scherz. Marie schmunzelt dennoch. Ich kitzele mir ein Lächeln heraus und gehe zum Bad statt in mein Zimmer. Ich brauche dringend eine Dusche. Mittlerweile habe ich das Gefühl mein gesamter Körper beginnt unangenehm zu kribbeln.

„Ben, wirklich alles gut?" Maries Stimme hält mich ein letztes Mal zurück. Ich beschließe nicht mehr zu beschwichtigen. Sie scheint mir sowieso nicht zu glauben.

„Wird schon wieder.", sage ich stattdessen und verschwinde im Badezimmer. Ich entkleide mich schnell und stelle mich unter die Dusche. Im ersten Moment ist der Strahl kalt. Ich zucke nicht einmal. Als das Wasser endlich warm wird, stelle ich mich mit dem gesamten Körper hinunter, spüre wie es über mein Gesicht rinnt. Ich schließe meine Augen und halte die Luft an. So lange, wie ich es aushalte. Ich wiederhole das Ganze dreimal und seufze danach fahrig. Das Alles wird mir zu viel.

Danach seife mich gründlich ein, vollführe das gesamte Körperreinigungsprogramm und fühle mich danach nicht wirklich besser. Ein Blick in den Spiegel. Ich sehe direkt in braune, müde Augen. Ich sah schon mal besser aus. Die letzten Tage haben mich enorm ausgezerrt. Ich binde mir das Handtuch fester um die Hüfte und verlasse das Bad.
 

Zurück in meinem Zimmer bleibe ich an der Tür gelehnt stehen. Meine Glieder fühlen sich unendlich schwer an und obwohl die Dusche angenehm und schön war, hat es mir nicht geholfen. Abgesehen davon, dass ich so zauberhaft dufte, wie ein gutausgestatteter Seifenladen. Ich schließe meine Augen und sofort laufen die letzten Stunden dieses Tages vor mir ab. Das mit Luka war ein Fehler. Das wusste ich bereits, währenddessen. Doch jetzt trifft mich die schockierende Ernüchterung, wie ein Schlag. Sicher wäre Antony und mein Gespräch anders verlaufen, wenn das nicht passiert wäre. Hätten wir vielleicht wirklich eine winzige Chance gehabt? Ich schiebe den Gedanken wieder beiseite, denn nicht nur ich habe Fehler begangen, sondern auch Antony. Er hat mit Mateo geschlafen. Er hat mir diese ganzen Dinge verschwiegen und mich die meiste Zeit über nur für einen fortgeführten One-Night-Stand gehalten. Ich starre auf meine Füße und schupse einen Papierknüddel weg, der vor mir auf dem Boden liegt. Ich bin mir sicher, dass Antony weiterhin verschwiegen hätte, dass da dieses Problem schwelt, wenn ich es nicht durch Zufall mitbekommen hätte. Mateo ist gefährlich, wiederholt sich in meinem Kopf. Mateo. Nun hat der Mann in Schwarz einen Namen. Ich denke an den großen Mann und gestehe mir ein, dass er wirklich furchteinflößend wirkt. Aber vor allem ist es die Stimme, die mir im Gedächtnis geblieben ist. Kalt. Berechnend. Noch jetzt spüre ich, wie mir Gänsehaut über die Glieder fährt, wenn ich mich an den festen Griff um meinen Arm erinnere.

Das Klingeln meines Handys reißt sich aus den Gedanken. Auf dem Display taucht Annis Namen auf. Mein gerade nicht so sehr gefeiertes Freundinnenmonster. Ich zögere. Doch dann drücke ich den grünen Hörer, schweige aber. Eine Art der Demonstration meiner weiterhin niedergeschlagenen Stimmung ihr und ihrer Wahrheit gegenüber.

„Du nimmst ab. Gut!" Sie klingt erleichtert und trotzdem verstummt sie für einen Moment.

„Ben??...Du bist doch dran, oder?", fragt sie vorsichtig und ich seufze leicht.

„Wer sollte es sonst sein?", kommentiere ich und weiß, dass sie sich jetzt allerhand seltsame Dinge vorstellt. Anni gehört zu der Sorte mit viel verquerer Fantasie.

„Ben,...", setzt sie an und ich seufze über den eindeutigen Verschleiß meines Namens. Sie druckst rum und das nervt mich bereits jetzt. Doch bevor ich etwas sagen kann, fährt sie fort.

„Es tut mir so leid. Wirklich. Ich habe mich unsensibel und dumm verhalten. Ich hätte dir eine bessere Freundin sein sollen und nicht so ein Stinkstiefel." Ich weiß, dass es ihr Leid tut, aber dennoch verspüre ich Unzufriedenheit. Im Grunde weiß ich nicht, ob es irgendwas gibt, was mich in diesem Moment erreichen würde. Ich bin zu ermattet von allem, was in den letzten Tagen passiert ist. Ich stoße mich von der Tür ab und lasse mich auf mein Bett fallen. Das Handtuch um meiner Hüfte verrutscht. Es ist mir egal. Meine Finger streichen ein paar Knitter von der Decke. So lange bis eine glatte Fläche zurückbleibt.

„Es tut mir Leid, Ben. Bitte lass es mich wieder gut machen." In ihrer Stimme schwimmt eindeutige Reue. Ich starre auf den glatten Fleck, der zwischen den zerwühlten Stoff ruht, wie eine Oase in der Wüste. Ein seltsamer Anblick. Annis Stimme zu hören beruhigt mich, auch, wenn ich noch immer diese kribbelnde schwelende Enttäuschung verspüre. Ich brauche sie. Denn sonst habe ich niemand weiter und wir sind schon gemeinsam durch so viele schwere Zeiten gegangen.

„Sehen wir uns Morgen?" Eine Bitte. Ich schließe meine Augen.

„Ja", antworte ich leise.

„Oh, danke my Dear", sagt sie erleichtert, bekundet mir ihre allumfassende Zuneigung und legt dann auf, nach dem ich ihre mitteile, dass das genug des Guten ist. Ich lege das Telefon zur Seite und lasse mich seitlich auf das Bett fallen. Obwohl mir etwas kalt ist, decke ich mich nicht zu, sondern bleibe im Grunde nackt liegen. Die Müdigkeit überfällt mich, wie ein Schlag und ich schlafe einfach ein.
 

Ein leises Klopfgeräusch weckt mich. Ich höre es nur dumpf und dann geht auch schon die Tür auf. Geplättet sehe ich auf und stütze mich auf meinen Ellenbogen ab. Ein Schatten taucht in der Tür auf.

„Hey, bist du da?" Ricks flüsternde Stimme dringt zu mir. Ich schiele auf die erleuchteten Zahlen meines Weckers. Es ist erst halb neun. Definitiv keine Schlafenszeit.

„Ja", antworte ich verschlafen. Ich streiche mir kurz ein paar Strähnen zurück und stelle fest, dass mir nun doch kalt ist. Meine Finger sind klamm. Auch meine Füße fühlen sich an, wie Eisklumpen.

„Darf ich reinkommen?"

„Ja." Erst als er die Tür weiter öffnet und Licht in mein Zimmer fällt, merke ich, dass mein Handtuch vollkommen verrutscht ist. Ich lege es schnell einen Zipfel der Decke über meinen Unterleib und sehe mich nach meinen Klamotten um. Sie liegen auf meinen Schreibtischstuhl. Zwischen mir und Rick.

„Na huch, mir war nicht klar, dass du ein Nacktschläfer bist.", kommentiert er meinen Anblick und dreht sich lachend um. Er tastet sich rückwärts näher in den Raum.

„Entschuldige, ich bin nach dem Duschen direkt eingeschlafen und hab es dann komplett vergessen. Ich versichere dir, ich bin sonst nicht nackt", plappere ich. Sehe mich suchend nach Kleidungsstücken um, die ich besser erreichen kann. Doch dank meines vormaligen Aufräumanfalls ist nichts mehr übrig, wonach ich greifen kann. Normalerweise bin ich nicht so ordentlich und das ist eindeutig ein Pluspunkt für Chaos.

„Ach, kein Ding. Du bist nicht der erste nackte Mann, der plötzlich vor mir steht." Rick dreht sich ebenfalls umher und sieht sich um. Ich deute zu meinem Schreibtisch und Rick nimmt die Sache vom Stuhl, wirft sie mir zu.

„Gut, dass ich eigentlich sitze!", flachse ich und sortiere die einzelnen Kleidungsstücke. Artig dreht sich Rick um. Als ich mir die Hose anziehe, drehe ich mich trotzdem automatisch von ihm weg. Mein Mitbewohner nutzt die Gelegenheit um mir sein Anliegen mitzuteilen.

„Marie macht sich sorgen. Sie meinte, dass du vorhin ziemlich niedergeschlagen gewirkt hast und da wollte mal nach dir sehen", erklärt er und ich bin von ihrer Sorge gerührt. Trotzdem ist es mir unangenehm.

„Alles halb so wild, wirklich! Ich hatte nur ein paar anstrengende Tage und bin müde."

„Es hat nicht mit deinem Zusammenbruch vom letzten Mal zu tun?" Ich denke an den Moment zurück, in dem er mich hinter der Tür gefunden hat. Für ihn muss es wirklich, wie ein Zusammenbruch ausgesehen haben. Wenn ich so darüber nachdenke, war es das wohl auch gewesen. Ich habe ihm damals nicht gesagt, warum ich derartig aufgelöst gewesen bin. Mir widerstrebt es auch jetzt ihm davon zu berichten. Ricks Blick verweilt auf mir. Er scheint mich zu durchdringen. Ich habe das Gefühl, das ich ihn nicht so schnell loswerde, wie Marie.

„Ja, irgendwie schon", sage ich dann doch ehrlich und setze mich wieder aufs Bett zurück.

„Willst du darüber reden?" Rick kommt näher und setzt sich nach kurzen Zögern zu mir. „Auch, wenn man es mir nicht ansieht, aber ich bin ein verdammt guter Zuhörer", ergänzt er leicht schmunzeln. Er will mir den Druck nehmen und er schafft es. Es ist nett von ihm. Auch, wenn es ein seltsames Gefühl ist

„Ich glaube dir das", erwidere ich. Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll, ohne wie ein dummer, unglücklicher Teenager zu klingen. Außerdem kann ich ihm auch nicht alle Zusammenhänge erklären. In meinem Kopf ist noch immer alles heillos durcheinander. Ich denke an Antonys Worte. Sie waren so ehrlich und schön gewesen. Er hat Gefühle für mich. Doch er hat mich auch eiskalt belogen. Ich weiß nicht, wie oft sich das heute schon in meinem Kopf wiederholt hat. Ich blicke auf meine Hände. Sie streichen unruhig über meinen Oberschenkel. Ich spüre den rauen Stoff der Jeans unter meinen Fingern. Ricks Hand taucht in meinem Blickfeld auf. Sie legt sich halb auf meine Hand und stoppt so mein Handeln.

„Wie meintest du das vorhin, dass du nicht der erste nackte Mann bin, der vor dir steht?", frage ich ausweichend und auch neugierig.

„Oh, da gab es schon einige." Ricks Stimme klingt verschwörerisch.

„Okay, was verheimlichst du?"

„Vor ein paar Jahren als ich noch zu Hause gewohnt habe, war ich öfter meinen Bruder besuchen, da der schon eine eigene Wohnung hatte. Es verhieß Freiheit und vollkommene Selbstbestimmung. Allerdings bin ich bei ihm des Öfteren über nackte Männer gestolpert. Das war bis zu einem gewissen Grad etwas verstörend.", erzählt er lachend. Das Gesicht, was er zu seiner Aussage macht, ist großartig. Aufgerissene Augen und ein verzerrter Mund. Ich kann mir ein Lachen nun nicht mehr verkneifen. Rick erwidert meinen Blick ebenso amüsiert. Seine Hand berührt noch immer meine. Sie ist warm und seltsam beruhigend.

„Hör zu, ich weiß, dass wir uns noch nicht so gut kennen." Es folgt kein Aber. Es ist eine einfache Tatsache. Ich nicke verstehend und seufze fahrig.

„Ich habe einfach einen komplizierten Männergeschmack", sage ich letztendlich und tatsächlich fasst sich damit Einiges zusammen. Der Mann, in den ich verliebt bin, der eine Art Doppelleben mit einem gefährlichen Stalker führt und zusätzlich noch Lehrkraft an der Uni ist. Und ein Mann, mit dem ich aus Rache beinahe geschlafen habe und der ein grober Mistkerl ist. Kompliziert und doch so einfach. Blinde Dummheit auf allen Seiten, vor allem auf meiner. Bei Luka ist es eher Egomanie.

„Okay. Inwiefern?", hakt er nach.

„Ich bin in jemanden verliebt, der keine Beziehung sucht und habe dann aus verletztem Stolz heraus auch noch Mist gebaut, der vermutlich alles vollkommen versaut hat. Wir haben uns gegenseitig verletzt. Zusätzlich habe ich mich mit meiner besten Freundin verkracht und meine Mutter hatte einen Unfall und liegt im Krankenhaus. Das war im groben die Zusammenfassung mein ersten Uniwochen." Ich blicke kurz zu meinem Mitbewohner und dann wieder auf meine Hände. Noch immer berührt Rick meinen Arm.

„Uff, du nimmst gleich alles mit, oder?" Rick sieht mich an und lehnt sich dann zurück, so als würde er das mitgeteilte, so besser verarbeiten können. „Wie geht es deiner Mutter jetzt?"

„So weit gut. Sie darf bald wieder raus. Braucht, aber pflege." Rick nickt. Damit ist der Teil abgehakt.

„Oh, Ben, es tut mir wirklich leid, dass du da scheinbar an einen Idioten oder eher mehrere geraten bist. Liebe ist kompliziert und manchmal auch schmerzhaft. Auch wenn sie es eigentlich nicht sein sollte. Nur wenige habe das Glück seinen Lebenspartner früh zu finden und nicht mal das garantiert, dass es auch funktioniert."

„Du bist einer der Wenigen." Ich klinge mitleidig und das liegt mir eigentlich fern.

„Glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich mehr als einmal darüber nachgedacht habe das Ganze zu beenden." Seine ehrlichen Worte beeindrucken mich.

„Entschuldige, ich wollte nicht unterstellen, dass du es leichter hast", gebe ich leise von mir.

„Nein, du brauchst dich nicht entschuldigen. Ein bisschen hast du Recht, aber das heißt nicht, dass wir nicht auch zu kämpfen haben, wie du ja beim letzten Mal eindrucksvoll mitbekommen hast." Er rollt mit den Augen und schüttelt dann zusätzlich den Kopf. Simple Eifersucht und ein unausgewogenes Sexleben. Ich komme nicht umher zu schmunzeln. Ich denke an Antony. Auch er war eifersüchtig geworden und das nur, weil er mich mag. Noch immer beginnt es in meinem Bauch zu kribbeln, wenn ich an seine Worte denke. Trotzdem hat er mit jemand anderen geschlafen und es mir verheimlicht. Wie gefährlich ist dieser Mateo? Im Grund ist es egal, denn er will mich nicht mehr sehen.

„Hey, ich weiß nicht, was dazwischen euch passiert ist, aber wenn du eine winzige Chance siehst, das er dich trotz dieser Beziehungsablehnung mag, dann gib noch nicht auf. Manchmal muss es sich einfach erst entwickeln." Seine Hand berührt meine Schulter und streicht dann kurz über meinen oberen Rücken. Ein beruhigend und angenehme Geste, die ich so nicht kenne.

„Ich weiß nicht, was noch zu retten ist. Ich hab es wirklich ganz schön versaut", gestehe ich. Ich weiß nicht, wie viel Kraft in mir übrig ist. Ich kämpfe schon so lange. Meine familiäre Situation kommt mir in den Sinn. Vor allem mein Vater, mit dem ich bereits etliche Kämpfe ausgefochten habe. Meine Schwester und meine Nichten, die ich nicht sehen darf. Nur Beispiele von vielem. Ich lächele trotzdem.

„Hm, ich kann mir nicht vorstellen, dass es gar keine Möglichkeit mehr geben soll. Manchmal muss es sich erst einmal wieder beruhigen." Seine Hand bettete sich weiterhin an meine Schulter. Sie ist warm und wohlig. Rick japst und richtet sich auf. Ich nicke ihm dankend zu. Bevor er aus der Tür verschwinden kann, halte ich ihn zurück.

„Hey, Dankeschön!"

„Immer gern!" Ein Lächeln, dann schließt sich meine Tür. Ich habe nicht geglaubt, dass ich mit Rick einmal so ein Gespräch führen würde. Es ist komisch, aber irgendwie auch angenehm. Ich habe nicht sehr viele männliche Freunde. Grübelnd lasse ich mich zurück aufs Bett fallen, streife mir die Hose von den Beinen und kuschele mich diesmal gleich in die Decke. Ich schlafe nicht so schnell ein.
 

Am nächsten Tag bin ich pünktlich in meinen Vorlesungen. Mit jedem Schritt, den ich in den Fluren der Universität mache, spüre ich Beklemmungen in meiner Brust. Das Antony und ich uns nicht mehr sehen, ist relativ. Wir werden uns ständig begegnen. Besonders in diesem Semester. Bereits morgen werde ich im Seminar auf ihn treffen. Mein Magen beginnt zu kribbeln. Eine Nachricht von Anni erreicht mich und wir verabreden uns vor der Mensa. Das schwere Gefühl in meiner Magengegend wird noch ein wenig steiniger. Ich mache mich auf dem Weg zur Mensa, ziehe bei der Kälte meine Jacke dichter an meinen Körper und horche auf als ich aufgeregtes Getuschel vernehme. Einen Pulk von Studenten, die zum Teil mit schockierten Gesichtern umher blicken. Erst nachdem ich neugierig näher herangekommen bin, sehe ich den Grund für die Aufregung und erstarre.

Antony presst Luka mit dem Rücken gegen eine Ziegelwand. Seine Hände verkrampfen sich fest im Kragen des blonden Mannes. Luka scheint verhältnismäßig ruhig. Antonys Blick ist eiskalt. Ich habe das Gefühl, dass mir das Blut in den Adern gefriert und hoffe inständig, dass das gerade nicht wegen mir passiert. Luka raunt Antony etwas entgegen, was kein anderer verstehen kann. Doch der Portugiese presst den Journalisten fester gegen die Wand. Das Grinsen in Lukas Gesicht ist bösartig. Niemand geht dazwischen. Ich schiebe mich durch die Menschenmenge und gehe direkt auf die beiden angespannten Körper zu.

"Hört auf damit!", schreite ich ein. Ich packe Antony an der Schulter. Doch im ersten Moment scheint es als wurde er nichts von dem um ihn herum mit zu bekommen. Er stößt mich leicht weg. Seine Schulter zuckt und wirft mir einen Seitenblick zu. Erst dann lässt er Luka los. Kein Wort fällt. Luka richtet sich grinsend den Kragen, rückt seine Lederjacke zurecht und schenkt mir seine Aufmerksamkeit. Er mustert mich und das unverhohlen, so dass es auch Antony mitbekommt.

„So, so. Rochas, du brichst deine eigenen Regeln wegen ihm", sagt Luka belustigt und für einen Moment habe ich das Gefühl, dass Antony gleich zu schlägt. Seine Hand zuckt und ich nehme sie kurzerhand in meine. Antony stockt und zum ersten Mal seit ich da bin, sieht er mich richtig an. Seine sonst zu kühlen Augen sind voller Schmerz und Wut. Die Wut richtet sich nicht gegen Luka, sondern gegen mich. Antony reißt seine Hand los und geht einfach davon. Ich bleibe getroffen stehen und sehe ihm nach, wie er sich durch die Menschenmenge schiebt.
 

Es ist Lukas Geruch, den ich bemerke und der mich wieder ins Hier und Jetzt holt. Dann sein Gesicht, welches über meiner linken Schulter auftaucht.

„Das ist also der Andere. Harter Tobak, Eco-Boy." Seine Stimme ist nur ein Flüstern. Lukas Arm schmiegt sich an meinen Bauch. Er drückt sich von hinten an mich heran. Kurz schließe ich die Augen und versuche mich zu sammeln. Noch immer höre ich leises Gerede, welches langsam verstummt, während sich der Pulk vollends auflöst. Als Einzige bleibt Anni ein paar Meter von uns entfernt stehen. Ich sehe sie direkt an. Ihr Blick ist sorgenvoll.

„Hast du Mateo schon kennen gelernt? Wenn nicht, dann wirst du es noch.", haucht mir Luka ins Ohr. Seine Lippen streichen mit diesen Worten über meine Haut. Mein Körper reagiert sofort.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  trinithy
2015-02-23T10:36:43+00:00 23.02.2015 11:36
Was..oh nein, du kannst doch nicht hier aufhören....!^^
Bisher hatte ich immer noch Kapitel zum weiter lesen, aber jetzt....noin!

Woher kennt Luka Mateo, hatte Tony mal was mit Luka? ...würde auch erklären woher Tony so sicher weiß, dass Luka keiner von der sanften Sorte ist.
Oh mein Gott, ich rieche noch mehr Drama als es ohnehin schon gibt!!!

Ich bin wirklich gespannt wie es weiter geht in deiner Geschichte, die mir bisher sehr, sehr gut gefällt!
Antwort von:  Karo_del_Green
24.02.2015 16:37
Huhu :)

vielen lieben Dank für deine ausführlichen Kommies. Ich habe mich über jedes deiner Kommies sehr gefreut und auch das du dich so sehr mit meinen Charaketern auseinandersetzt. ^^ Ich freue mich sehr, dass ich dich trotz meiner chemischen Faupauxs noch etwas begeistern konnte. Mir ist das ja so peinlich! Ernsthaft. Danke das du mich darauf hingewiesen hast! Ich muss das noch ändern ^^

Es wird auf jeden Fall noch etwas mehr Drama und Aufklärung geben. Natürlich auch, wie alles mit einander in Verbindung steht und wer wen von woher kennt! Und so weiter! :)

Ich werde auch schnell weiter schreiben^^ und versuche baldig hochzuladen.

Lieben Dank und freudigen Gruss,
del
Von:  tenshi_90
2015-02-10T13:50:43+00:00 10.02.2015 14:50
Ach herrje... Da ist Ben aber im reinen Chaos der Gefühlsachterbahn angelangt...

Heißt es nicht immer:"wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte?" daran musste ich jetzt iwie denken...
Von:  _sasuu
2015-02-10T11:13:59+00:00 10.02.2015 12:13
Irgendwie tut Ben mir leid, aber er hat auch irgendwie selbst schuld.. :/ armes benchen :(

Ein super Kapitel! :D
Mach weiter so und ich freue mich schon auf das nächste! :)


Zurück