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Love and Blood

von

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Remember and keep going

Die 'erste' Nacht, in der sich Bast bewusst verwandelt hatte, war im Nachhinein ziemlich chaotisch verlaufen. Er war zweifelsohne ruhiger gewesen und er war nicht sofort jedem zweitbesten Tier hinterher gelaufen, aber nichtsdestotrotz war seine Werwolfseite die dominante gewesen und er hatte einen ausschweifenden Ausflug durch den Wald gemacht. Und Aran hatte dabei alle Hände - oder Pfoten - voll zu tun gehabt, ihn im Zaum zu halten. Bast meinte sich sogar an eine Rauferei zu erinnern. Am nächsten Morgen aber hatte er an Aran keine Spuren davon sehen können. Wenn was passiert war, dann waren die Verletzungen schon wieder verheilt. Genauso wie bei ihm selbst.

Dieser Morgen war ebenfalls anders als die letzten Male, denn Bast fühlte sich erstaunlich kräftig. Die Nacht war bei weitem nicht so anstrengend wie die letzten Male gewesen und im Moment verdrückte er ein herzhaftes Essen, das seinen hungrigen Magen füllen sollte.

Aran hatte zwar mit ihm zu tun gehabt, aber dennoch das Gefühl, dass er sich besser im Griff hatte. Sicher, er war dem Jagdtrieb ausgeliefert gewesen und die Rauferei, die er wage in Erinnerung gehabt hatte, die hatte mit einem Bären stattgefunden. Welcher Grizzly hatte es gern, dass man ihm sein Abendmahl versuchte zu stehlen. Ihre Kräfte hatten sie aber heile davon kommen lassen...

Der nächste Morgen war auch besser, das stimmte. Denn Bast war nicht annähernd so geschafft. Aran merkte das sofort und er sah fast mit Freuden zu, wie sein Gegenüber genüsslich das gestern gejagte Fleisch verspeiste. Sie hatten am Ende noch gute Beute geschlagen. "Hast du Erinnerungen an die letzte Nacht?", fragte Aran dann nach. Das würde nämlich viel über alles aussagen.

Bast legte sie Stirn etwas in Falten. "Vereinzelt.", sagte er schließlich. "Ich kann mich daran erinnern, dass ich mich mit jemandem gerauft hab. Und dass ich ein größeres Tier über den Boden geschleift hab. Alles andere...hm...es ist schwer zu beschreiben. Es fühlt sich an, als wären die Bilder davon schräg hinter mir aufgehängt und ich könnte sie im Augenwinkel erahnen."

Ihm fiel gar nicht auf, dass er heute Morgen auch redseliger war als sonst. Abgesehen von der Beschreibung seiner Vergangenheit war es eher Aran gewesen, der die meisten Worte gesprochen hatte. "Ist...das ein gutes Zeichen?", fragte er den Älteren. Er selbst hatte auf jeden Fall ein besseres Gefühl, aber die Meinung eines Kundigen war nie verkehrt.

Bast gefiel dem Größeren auf jeden Fall besser wie bei ihrer ersten Begegnung. Deshalb nickte Aran auch. "Es ist ein gutes Zeichen. Außerdem hast du mich gestern nicht angegriffen, eher bist du erkundungsfreudig drauf los."

Aus Arans Kehle drang dann ein leichtes Seufzen. "Ich hoffe allerdings, dass du ab jetzt von mal zu mal klarer wirst, denn nochmal helf ich dir nicht, dich mit einem Bären anzulegen!" Das dann zu dem Thema der wage in Erinnerung gebliebenen Rauferei...

"E-ein Bär?", rief Bast erschrocken. Deshalb diese merkwürdige Erinnerung. "I-ich...werd mich bemühen." Mit klarem Verstand hätte er das definitiv nicht getan.

Genüsslich schob sich der Ältere dann aber noch ein Stück Fleisch in den Mund.

"Die Jagd war allerdings sehr erfolgreich, wie du siehst. Wir sollten vielleicht sehen, ob du dich jetzt nicht des öfteren vorsätzlich verwandelst. Der Mond nimmt ab, das heißt, heute wird er dich nicht mehr zwingen, aber er wird dir helfen." Und je mehr der Mond abnahm, desto weniger war Bast dann auf ihn angewiesen.
 

Das Abnehmen des Mondes half ihm in den darauffolgenden Tagen tatsächlich dabei, seine Verwandlung besser zu kontrollieren. Anfangs - auch wenn er sich mit keinem weiteren Bären mehr anlegte - dauerte es noch etwas, bis man Fortschritte erkennen konnte, doch die Momente, an die sich Bast erinnern konnte, wurden immer mehr und deren Dauer auch immer länger. Arans Anwesenheit und Hilfe war ihm in dieser Zeit eine unschätzbare Hilfe und so öffnete sich Bast ihm auch immer mehr.

Seinen ernsten und bedachten Charakter konnte er zwar nicht mehr gänzlich ablegen, aber man merkte dennoch, dass er lockerer und unbeschwerter wurde. Und hätte man ihn gefragt, er hätte jedem gesagt, dass diese Zeit, in der sich seine Freundschaft zu Aran verstärkte, mit eine der schönsten war, die er jemals erlebt hatte. Die Tatsache, dass er mehr und mehr Kontrolle über seine Wolfsgestalt hatte, bescherte ihm wunderbare Nächte, in denen er es zu lieben lernte, so schnell wie es ihm möglich war durch den Wald zu laufen.

Bast lernte schnell und nachdem er seine Einstellung erst mal geändert hatte, war er auch ehrgeizig und strebsam. So sah es jedenfalls Aran. Er stand hinter dem Jungen und versuchte ihm in allen Situationen beizustehen, die er in der nächsten Zeit durchmachen musste. Von Mal zu Mal aber ging es besser.

So richtig war der Sinneswandel des Jüngeren wohl nicht zu erklären, aber vielleicht hatte ihm ja Aran gezeigt, dass ein Lycaner, ein Werwolf, nicht unbedingt ein Monster sein musste.

Das zeigte ja auch die Freundschaft, die zwischen ihnen entstand, wenn sie Basts Verwandlung übten, wenn sie zusammen jagten und aßen und wenn sie sich von Früher erzählten.

Für Bast war es auch bald mehr als nur Freundschaft. Anfangs war Aran für ihn der Retter gewesen, den er so dringend gebraucht hatte. Dann hatte er festgestellt, dass er sein erster echter Freund war. Der mit ihm Spaß hatte, Zeit verbrachte, aber auch in schweren Zeiten beistand. Und nicht nur das. Diese Freundschaft wurde immer tiefer und bald war Aran für Bast nicht mehr nur Freund und Mentor, sondern etwas viel wichtigeres. Zum ersten Mal seit langem hatte er das Gefühl, so etwas wie einen Vater zu haben. Bei ihm konnte sich Bast einfach mal entspannen und eine Auszeit nehmen. Sie teilten miteinander ihre Vergangenheit aus und je besser Bast ihn kennen lernte, desto mehr lernte er ihn schätzen.

Manchmal, wenn er nachts mit ihm durch den Wald tollte, fragte er sich, wie er nur solches Glück gehabt haben konnte. Niemals hätte er sich träumen lassen, dass eine einzige Begegnung in jener Nacht sein Leben so drastisch zum Guten hin hätte verändern können.

Anders herum tat aber auch Bast Aran gut. Immerhin hatte er nie Gelegenheit gehabt, so mit seinem eigenen Sohn umzugehen. Viel zu früh hatte er ihn verloren. Aber nun? Auch wenn es nicht das gleiche war, er konnte ein wenig nachempfinden wie so etwas war und es bewirkte, dass der Schwarzhaarige sich Bast gegenüber auch öffnete, so wie er es seit etlichen Jahrzehnten bei keinem mehr getan hatte. Also war es für ihn eine genauso bedeutsame Begegnung gewesen, die einem mehr als nur einen guten Freund beschert hatte.

Mit jedem weiteren Tag wurde deutlicher, dass niemand jemals wieder dieses Band würde zerschneiden können. Die Zeit, die Bast mit Aran in dieser Hütte verbrachte, würde später für ihn mit eine der wichtigsten werden. Niemals würde er vergessen, was er hier gelernt hatte. Und niemals würde er dieses Gefühl der Geborgenheit vergessen, das ihm hier gegeben worden war. Vor langer Zeit hatte er vergessen, wie es sich anfühlte, sicher zu sein, doch Aran hatte diese Erinnerung wieder ausgegraben und ihm gezeigt, dass es auch Menschen gab, die sich um ihn sorgten, die es interessierte, wie es ihm ging und die ihn abfingen, wenn er nicht mehr konnte. Und er spürte, dass er Aran auch angemessen dafür danken konnte. Das freute ihn ungemein, denn er hatte sich immer bemüht, dessen Freundlichkeit zu erwidern.

Sie hatten eben beide einander viel gegeben, zumindest über die Zeit hin. Auch Aran fand es bisweilen angenehm, nicht mehr ständig allein unterwegs zu sein. Trotzdem. Hier draußen gab es fast nichts, was sie tun konnten. Hin und wieder musste man die stille und geschlossene Obhut des tiefen Waldes verlassen. Aran lehnte sich nun auch erst mal an einen Baum, bevor er Bast ansprach. "Ich wollte endlich mal wieder in die Stadt gehen, wirst du mich begleiten?"

Bast musste etwas überlegen. Er mochte keine Orte, an denen viele Menschen waren. Das war schon so gewesen, bevor er ein Werwolf geworden war. Er traute sich zwar zu, sich dort kontrollieren zu können, doch das einzige Bild von Stadtbewohnern, das er hatte, ähnelte dem aus seinem alten Dorf.

Und doch: "Ja, ich komme mit." Er musste sich neuen Herausforderungen stellen. Immer wieder. So wie es Aran gesagt hatte. Ob sie nun groß oder klein waren. Und jetzt, wo Aran an seiner Seite war, würde es sicher nicht so schlimm werden, wie in dem Fall, wenn er ganz alleine gehen würde.

"Wie weit ist es bis zur Stadt?", fragte er nicht ohne Neugierde. Es war sicherlich nicht gerade um die Ecke. Er hatte bis jetzt hier noch keinen einzigen Menschen gesehen.

Um die Ecke war es wirklich nicht, aber sie würden es schaffen, recht schnell sogar. Aran grinste aber, er freute sich, dass Bast sich dazu durchrang. "Wenn wir bis zur Waldgrenze als Wölfe laufen, dann nicht mal einen halben Tag." Auf vier Beinen war man einfach schneller. Der Ältere erhob sich dann auch und nickte leicht in eine bestimmte Richtung. "Sollen wir dann?" Am besten sie brachen jetzt auf. Dann wären sie nämlich am nächsten Morgen dort.

Bast nickte. Ein halber Tag und das auf Wolfsbeinen war wirklich ein gutes Stück Weg. Doch wenn man das ganze in einem guten Tempo für einen Dauerlauf zurücklegte, würde es nicht anstrengend sein. "Ja, brechen wir auf." Dass er aufgeregt war, würde sich sicher nicht so schnell legen und etwas Bewegung war da das beste, was er haben konnte.

So machte er sich zusammen mit Aran auf den Weg. Der Abend dämmerte bereits, als sie aufbrachen und später als es dunkler wurde, wanderte der Mond mit ihnen. Bast beobachtete alles aufmerksam. In letzter Zeit hatte er so viel gelernt und seine Sinne trainiert und geschärft. Er konnte nun weit entferntes Rascheln von Tieren im Laub aus all den Hintergrundgeräuschen herausfiltern, er konnte Eulen, die lautlos durch das Dunkel des nächtlichen Waldes glitten, mit seinen Augen erfassen und er konnte den Duft der Bäume und der Tiere riechen. Ohne Aran hätte er nie gemerkt, wie wunderbar das alles sein konnte.

Und nun ging er mit ihm sogar in die Stadt. Wahrscheinlich war das nicht der wichtigste Punkt, warum Aran ihn gefragte hatte, ob er mitkommen wolle, aber Bast war froh, dass er auf ihn aufpassen würde.

Gemeinsam durchquerten sie also den tiefen und dunklen Wald, so schnell wie ihre vier kräftigen Beine sie tragen konnten. Der Mond war tatsächlich ein treuer Begleiter, der erst von ihrer Seite wich, als Mutter Nacht ihre schwarzen Flügel zusammenfaltete, um dem Tag Platz zu machen.

Die glühende Sonne stieg hinter den Hügeln auf und verlieh den Umrissen der Stadt einen sanften Glanz.

Aran blieb an der Waldgrenze stehen und sah den Hang hinunter, der sie noch von der Stadt trennte.

Hier war es auch Zeit, wieder die menschliche Gestalt anzunehmen, was er auch tat. Auch Bast blieb stehen und verwandelte sich ebenfalls zurück. Sein Blick blieb dabei auf der Stadt hängen. "Du warst schon in der Stadt, oder? Wie ist es dort?"

"Die Stadt ist laut, voller Menschen und voller Eindrücke. Lichter, Gerüche, Stimmenwirrwarr und Lärm. Aber sie hat auch viel zu bieten. Keiner sieht genau hin, keiner fragt und für Geld bekommst du alles."

Dann war es im Moment genau der richtige Ort für ihn, dachte Bast bei sich. Wenn er nicht auffiel, dann umso besser. Nur mit all den Eindrücken würde er zuerst fertig werden müssen. Bis jetzt kannte er diese Dinge nur in den Dimensionen seines Dorfes, doch eine Stadt war nochmal etwas ganz anderes. Er trat zu Aran näher an den Abhang. Von hier aus hatte man eine wunderbare Aussicht auf die Stadt, die wohl nun auch schön langsam erwachen würde.

Er atmete einmal ruhig aus und ein und nickte dann. "Gehen wir." Solange er noch dazu entschlossen war. Er ging die ersten Schritte den Hang hinunter, während die Sonne immer höher stieg. Mit ihr kam ein sanfter Wind, der ihm die ersten Gerüche der Stadt entgegenwehte.



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