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Abbygails Abenteuer

Road to Lavandia
von

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Dilettantentee (Lebenszeichen)

Am nächsten Morgen gönne ich mir eine Dusche und hole anschließend Rose und Valentin für das Frühstück ab. Gesprächsthema Nummer eins ist, wie erwartet, die Zirkustruppe, die am anderen Ende des Saales sitzt und ebenfalls isst.

„Ich frage mich, wie stark Rita ist“, sage ich zwischen zwei Bissen. „Die Fähre wird schließlich von vielen Trainern genommen. Sie muss ziemlich gut sein, wenn sie glaubt, irgendeinen Profit machen zu können.“

„Ich traue ihr nicht“, sagt Val und schaut zum wiederholten Mal an diesem Morgen über seine Schulter. „Als wenn sie so stark wäre, dass sie niemals verliert. Und das ist wirklich die einzige Möglichkeit, wie sie Profit aus der ganzen Aktion schlagen kann. Solange sie kein anderes Motiv hat, versteht sich.“

„Vielleicht möchte sie nur die Langeweile auf dem Schiff vertreiben“, sagt Rose und stochert in ihrem Obstsalat herum. „Sie erschien mir sehr nett. Aber auf meine Einschätzung sollte man wohl keinen besonderen Wert mehr legen.“

„Nicht jeder, den du nett findest, tut nur so, Rose“, sage ich schnell. „Holger war eine Ausnahme.“

„Meinst du?“

„Naja, Val und ich sind ganz sicher keine Rockets“, sage ich grinsend und bin froh, ein echtes Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen. So wie mir Mels Drohungen in den Knochen sitzen, ist es bei ihr der Verrat eines Freundes.

In dem Moment klingelt mein Handy.

Meine Hand schießt zu meinen Pokébällen und ich bin aufgesprungen, bevor ich es merke. Der Stuhl kippt nach hinten und fällt polternd um. Der ganze Saal starrt mich an.

Ich atme tief durch, ziehe mein Handy aus meiner Tasche und verschwinde aus dem Speisesaal. Ich hatte gehofft, meine Sprunghaftigkeit über die letzten Wochen losgeworden zu sein, aber ein plötzliches Geräusch, während ich in Gedanken bei Mel bin, gibt mir automatisch einen Adrenalinschub.

Genervt, mich so blamiert zu haben, schaue ich nicht mal auf die Nummer und lege das Handy einfach an mein Ohr.

„Ja?“, frage ich ein wenig ruppig.

„Oh Gott, Abby, zum Glück erreiche ich dich.“

„Raphael?“ Ich erstarre. „Was war los?! Ich bin vor Sorge fast gestorben!“

„Es tut mir leid, ich wollte mich melden, aber man hat mir mein Handy erst bei der Entlassung zurückgegeben.“

„Entlassung?“ Ich lasse mich auf einer Treppenstufe nieder, die gerade in der Nähe ist. „Wovon sprichst du?“

„Rocky hat mich direkt nach dem Arenakampf in Gewahrsam genommen“, erklärt er und je weiter er kommt, desto größer werden meine Augen. „Sie wollte sicher gehen, dass ich nicht entkomme, also hat sie den Moment abgepasst, als meine Pokémon geschwächt waren. Ich bin natürlich mitgegangen, auch wenn ich keine Ahnung hatte, was sie von mir wollte. Mit Richard haben sie dasselbe Spiel abgezogen. Wir wurden wochenlang getrennt voneinander verhört. Die wollen Zach, Abby. Und Richard haben sie immer noch in Gewahrsam, weil er mit den ganzen Verbindungsleuten in Kontakt stand, die Zachs Nachrichten weitergeleitet haben. Einer von denen hat wohl versehentlich etwas ausgeplaudert.“

„Warte, warte!“, werfe ich ein. „Richard und du wart im Gefängnis?“

„Nein, nicht im Gefängnis.“ Raphael seufzt und zügelt sein Tempo ein wenig. „In Untersuchungshaft. Aber wenn Richard ihnen nicht dabei hilft, an Zach heran zu kommen, dann wollen sie ihn wegen Behinderung der Polizeiarbeit und als Komplize von Team Rocket dran kriegen. Den Schlag wird Alfreds Image nicht verkraften. Und derzeit sieht es ganz so aus, als würde Richard es darauf anlegen. Bisher hat Alfred die ganze Sache noch vertuscht, aber ich weiß nicht, wie lange er mit unserer Reise nach Sinnoh durchkommt.“

„Ihr müsst ihnen die Wahrheit sagen“, sage ich eindringlich. „Wenn ihr so weiter macht, werden bald alle Favoriten festgenommen! Sagt Rocky, dass Zach nur so tut, als wäre er ein Mitglied, um seine Schwester zu rächen. Sagt ihr, dass sie ihn als Spion benutzen können. Ihr müsst mit der Polizei kooperieren.“

„Ja, das werden die uns auch jetzt noch glauben“, schnaubt Raphael. „Du hast keine Ahnung, wie frustriert Rockys ganze Einheit ist. Erst vor kurzem ist ihnen schon wieder eine große Möglichkeit durch die Lappen gegangen und sie schaffen es einfach nicht, die Oberhand zu gewinnen. Die Öffentlichkeit fragt sich inzwischen, ob ihre Spezialeinheit nicht völlig nutzlos ist. Und alle starken Trainer stehen dank Zach jetzt unter Verdacht. Dass sie Gen noch nicht eingesackt haben, ist ein Wunder.“

„Das war meine Schuld“, sage ich kleinlaut.

„Was war deine Schuld?“

„Dass sie die Möglichkeit nicht ergreifen konnten“, sage ich. „Ich wusste nicht, ob Zach bei dem Rocket Anschlag dabei ist, also habe ich erst kurz vorher die Polizei eingeschaltet und weil ich gegen sie gekämpft habe, ist Winry verwundet worden und Gold musste sie festnehmen, statt ihnen wie geplant zum HQ zu folgen. Und einer ist entwischt und Winry wird nie wieder… nie wieder kämpfen können und jetzt hat Louis aufgegeben, ein Protrainer zu sein und es ist alles meine Schuld!“

Schweigen.

„Abby, hör mir zu“, sagt Raphael schließlich. „Es ist nicht deine Schuld, dass Winry verwundet wurde. Das war Team Rocket. Und es ist nicht deine Schuld, dass die Polizei frustriert ist. Ohne deinen Hinweis hätten sie gar nichts ausrichten können. Wenn sie in all den Jahren trainiert hätten, anstatt dumm auf dem Revier zu sitzen und Däumchen zu drehen, dann hätten wir jetzt eine perfekt organisierte, starke Truppe und Gold müsste nicht alles alleine machen. Die Polizei ist mindestens genauso Schuld an der ganzen Sache wie wir.“

Ich nicke schwach. „Du hast Recht.“

Er atmet schwer aus. „Also, wie geht es Louis?“
 

 

Es ist nicht das erfreulichste Gespräch, das wir je geführt haben, aber mit Raphael über meine Schuldgefühle zu reden, ist etwas ganz anderes, als sie Louis zu offenbaren und als wir über eine Stunde später schließlich auflegen, fühle ich mich leichter, als in einer sehr langen Zeit.

Rose, die irgendwann während meines Gesprächs nach unten zu ihrem neuen Lieblingsschreibplatz verschwunden ist, überlasse ich ihrem täglichen Schreibwahn und suche stattdessen Valentin, den ich wie erwartet auf dem Deck finde. In eine dicke Winterjacke eingewickelt steht er an die Reling gelehnt und sein mittellanges, dunkelbraunes Haar peitscht im Meereswind um sein Gesicht.

Ich lehne mich neben ihm an die Metallstreben und schaue hinaus aufs Wasser. Oliviana City ist in der Ferne noch sichtbar, aber wegen meines Telefonats habe ich das eigentliche Ablegen wohl verpasst.

„Ich habe Anemonia nie verlassen“, sagt Val und starrt in die Ferne. „Und jetzt reise ich in eine neue Region.“

„Du gewöhnst dich dran“, sage ich und stoße mich vom Geländer ab. „Es sind noch drei Tage, bis wir Rita herausfordern können. Wollen wir trainieren?“

Er zieht eine Augenbraue hoch. „Du willst da mitmachen?“

„Ich bin dauerpleite“, sage ich grinsend. „Wettbewerbe sind mein bester Freund.“

Er schüttelt fassungslos den Kopf. Letztlich gibt er aber doch nach und nur wenige Minuten später stehen wir am Ende des Decks, frierend aber kampfbereit.

„Ich kämpfe mit Quaputzi“, verkündet Valentin und ruft sein Pokémon. Es springt auf und ab und macht Boxbewegungen. Obwohl es noch keinen Kampftyp hat, scheint es schon mal die richtige Einstellung mitzubringen.

„Hm…“ Meine Finger schweben über meinem Trainergürtel. Sku ist stark genug und Gott will ich die viele Zuschauer bei dem Wettbewerb nicht zumuten. Jayjay hätte leichtes Spiel mit Quaputzi, aber… „Hunter, los.“

Auf meinen Ruf hin materialisiert sich Ibitak in einem roten Lichtstrahl und landet flatternd und gurrend auf meinen Schultern, wo er seinen Kopf fest gegen meine Wange reibt.

Ich lache und stupse ihn weg. „Wir kämpfen heute, Hunter, reiß dich zusammen.“

Er krächzt freudig und flattert in die Höhe, um seinen Gegner zu erwarten.

Ich gestehe, dass ich Valentin unterschätzt habe. Ich bin davon ausgegangen, dass er kein besonders starker Trainer ist, weil Hartwig so unzufrieden war und Val sich ohnehin mehr für das Schwimmen interessiert, aber sein Quaputzi muss über Level 30 sein und nachdem Hunter sein erstes Aero-Ass landet, wird er von einer Hypnose und einem doppelten Blubbstrahl ausgeschaltet, bevor er mit Spiegeltrick kontern kann.

„Nicht schlecht“, gestehe ich und rufe nun doch Jayjay. „Funkensprung!“

 

Etwa eine Stunde später sind unsere Pokémon erschöpft und Val und ich machen uns auf den Weg ins Innere des Schiffes. Der salzige Meereswind hat meine Finger steif gefroren und Vals Wangen sind so rot wie Äpfel. Ich bin versucht, mir wieder eine warme Dusche zu gönnen, stattdessen bestellen wir uns Tamottee und einen Kakao und setzen uns an die Bar, um die wärmenden Getränke zu schlürfen.

Der Matrose, dem ich dort gestern meine Kombüsen-Erlaubnis gezeigt habe, scheint mich zu erkennen, denn als er nicht mehr mit Gläserputzen beschäftigt ist, gesellt er sich zu uns und verwickelt mich ein Gespräch. Val, der nicht allzu begeistert von Fremden zu sein scheint, die sich mit ihm unterhalten wollen, trinkt seinen Kakao und bleibt stumm.

„Du bist also Stanz´ kleine Freundin?“, fragt er zur Begrüßung und ich schlage in seine dargebotene Hand ein.

„Die bin ich“, sage ich grinsend. „Das hat sich ziemlich schnell rumgesprochen.“

Der Matrose lacht und zwirbelt seinen dunklen Schnauzbart. „Was heißt hier rumgesprochen? Du warst ´n Paar Stunden mit den Jungs in der Kombüse, da blitzt sowas durch.“

Plötzlich richtet er sich auf und schaut an uns vorbei zur Tür des Speisesaals. Val und ich drehen uns um. Ich kneife die Augen zusammen, als der Junge, der uns gestern die Schlüssel gegeben hat, mit hängendem Kopf ein Tablett voller unbenutztem Geschirr zur Bar balanciert.

Seine weißblonden Locken stehen in alle Richtungen ab und er schaut sich mit seinen wässrig blauen Augen um, als wäre ihm ein Auftragskiller auf den Fersen.

„Claude, was ist? Will sie den Tee nicht?“

„E-es ist die falsche Sorte“, erklärt Claude mit dünner Stimme und schiebt das Tablett auf den Tresen. Die Teekanne ist noch randvoll mit blassgrünem Tee, die Tasse ist unberührt und der Keks entpackt, in Stücke gebrochen, aber ungegessen.

„Die falsche Sorte?“ Der Matrose betrachtet die Kanne von Nahem. „Sie hat ihn nicht mal probiert!“

„Sie hat g-gerochen, dass sie ihn nicht mögen wird. Sagt sie.“

„Argh!“ Der Matrose schlägt wütend auf den Tresen, dann stopft er sich den zerkrümelten Keks in den Mund und reißt die leere Tasse vom Tablett, um sie an die Wand zu schmeißen. Auf Vals hochgezogene Augenbrauen hin räuspert er sich jedoch und setzt die Tasse wieder auf dem Tablett ab, wenn auch nicht unbedingt sanft.

Er räuspert sich erneut. „Tut mir leid. Aber… diese Frau! Sie regt mich auf!“

„Ihr schmeckt der Tee nicht?“, rate ich grinsend.

„Sie probiert ihn ja nicht mal!“ Wütend rauft er sich die Haare und lässt sich dann niedergeschlagen auf seinen Barhocker plumpsen. „Das ist die fünfte Kanne, die ich neu gemacht und zu ihr hoch geschickt habe. Sie will irgendeine spezielle Mischung,  die wir nicht hier haben und die Köche haben besseres zu tun, als mit unseren vorhandenen Sorten herum zu experimentieren, bis Fräulein Möchtegernteekennerin zufrieden ist!“

Claude, der während dieser Tirade geschrumpft zu sein scheint, murmelt eine unverständliche Entschuldigung und will davon schleichen, aber der Matrose kratzt sich am Bart und ruft ihn mit etwas ruhigerer Stimme zurück.

„Tut mir leid, Claude, ich hätte nicht so schreien sollen. Es ist nicht deine Schuld, dass diese Alte so ein Stück Sch… so ein Stück ist“, verbessert er sich mit einem Seitenblick in meine Richtung.

Valentin schnaubt belustigt.

„T-tut mir leid“, wiederholt Claude. „Ich werde ihr s-sagen, dass wir den Tee nicht haben.“

Mit hängenden Schultern verlässt er den Speisesaal und der Matrose an der Bar lässt sich erschöpft zurück auf seinen Barhocker fallen.

„Es gibt zwei Arten von alten Frauen“, sagt er schließlich resigniert. „Süße Omis und Schreckschrauben.“

 

Als ich mich einige Minuten später auf den Rückweg zu meinem Zimmer mache, bin ich nicht wenig überrascht, in meinem Gang Claude zu entdecken, der vor einer halboffenen Türe steht und händeringend wartet, bis eine hutzlige Dame hinaus tritt und ihm den Zeigefinger auf die Brust presst. In ihrem anderen Arm hält sie ein Flampion, das glücklich quietschend mit den kurzen Beinchen strampelt und in die Hände klatscht.

„Ich lasse mir solche Ungeheuerlichkeiten nicht bieten, junger Mann“, schimpft sie lautstark und Claude zuckt bei jedem ihrer Worte zusammen. „Glaubt euer Schiffskoch, ich könnte einen Babiri-Durintee nicht von einem dilettantisch zubereiteten Honmel-Rabutatee unterscheiden? Eine Frechheit! Ich habe für Service auf diesem Schiff bezahlt, nicht dafür, von dem Personal an der Nase herum geführt zu werden! Ich werde mit deinem Vorgesetzten sprechen und mir notfalls den Tee selbst zubereiten. Hm!“

Einen Moment lang denke ich darüber nach, einfach in meinem Zimmer zu verschwinden, bis die Frau verschwunden ist, aber Claudes entsetzter Gesichtsausdruck und das Zittern seiner Hände, als er den Mund öffnet und doch kein Wort herausbringt, lassen mich umdrehen und zu der Frau aufschließen.

„Warum gehe ich nicht mit ihnen zum Koch und wir fragen ihn, ob er uns einige Teesorten zur Verfügung stellt, damit wir die richtige Mischung für sie finden?“, frage ich hastig und hake mich in ihren freien Arm ein. Sie wirft einen skeptischen Blick in meine Richtung, nickt dann aber gnädig ihr Einverständnis und lässt sich von mir die Treppen hinunter leiten. Ich zwinkere Claude über meine Schulter hinweg zu und sehe noch, wie er erleichtert ausatmet und sich an die Tür lehnt, dann muss ich mich auf die Stufen konzentrieren.

Der Koch und der Matrose an der Bar sind nicht unbedingt begeistert darüber, dass ich die alte Dame, die sich als Cornelia Harris und Teeliebhaberin vorstellt, in ihrem Vorhaben unterstütze, aber ich erkläre den beiden so leise ich kann, dass sie sich so das Experimentieren in Zukunft sparen können und schließlich weisen sie uns eine kleine Ecke in der geschäftigen Küche zu, in der wir Wasser aufsetzen und verschiedene Beerentees zusammen mischen können.

„Die wenigsten wissen noch, wie man Tee richtig zubereitet und trinkt“, beschwert Cornelia sich nach der ersten halben Stunde fehlgeschlagener Experimentierversuche zum fünften Mal. „Jedes beliebige Gesöff wird mit Milch und Zucker und Sahne und wer weiß was für Undenkbarkeiten versetzt und dann wundern sich die Leute, dass alles gleich schmeckt. Hm! Ich hoffe doch sehr, dass du dich nicht zu jener Gruppierung zählst?“

Ich schmunzele und gieße das heiße Wasser über unsere letzte Kombination: Honmel, Giefe und Rabuta. Nicht allzu weit von dem entfernt, was Claude ihr zuletzt angeboten hat, aber die Schärfe der Giefebeere hat gefehlt.

„Ich bevorzuge puren Tamottee“, erkläre ich und Cornelia nickt anerkennend.

„Eine sehr gute Wahl. Feurig scharf. Nicht wahr, Flampion?“ Sie kitzelt ihr Feuerpokémon am Bauch und es strampelt glucksend mit den Beinchen, die Augen genüsslich geschlossen.

„Hier.“ Ich reiche ihr die neue Teekombination und warte geduldig, bis Cornelia die perfekte Ziehzeit abgewartet hat und schließlich vorsichtig an der dampfenden Flüssigkeit nippt. Sie schweigt und schaut in das Gefäß. Nervös luge ich über den Tassenrand, um die Farbe des Tees auszumachen, die von einem blassen gelbgrün ist.

„Nicht ideal, aber trinkbar“, gesteht Cornelia schließlich und gibt auch ihrem Pokémon einen Schluck des Tees ab. Als ihre Worte in der Kombüse laut werden, stehen mit einem Mal alle versammelten Matrosen auf und klatschen in Scheinbegeisterung in ihre Hände, allen voran der Matrose von der Bar.

„Komm mit mir auf mein Zimmer“, befiehlt Cornelia ungerührt und gibt dem Schiffskoch Anweisungen, ihr den Tee genau so und nicht anders zuzubereiten, dann verschwindet sie auch schon ohne einen Blick zurück aus der Schiffsküche, offenbar überzeigt, dass ich folgen werde.

Ich erhebe mich, bedanke mich bei dem Koch für seine Geduld und folge Cornelia dann die Treppen hinauf zu ihrem Zimmer. Sie erwartet mich bereits ungeduldig und scheucht mich auf einen der beiden Stühle, die neben dem kleinen Tisch vor dem Bullauge stehen. Sie trinkt einen weiteren Schluck ihres Tees und setzt Flampion dann auf ihrem Bett ab, wo das kleine Pokémon freudig auf und ab hüpft.

„Ich würde nie irgendwo ohne ihn hingehen“, sagt sie und betrachtet Flampion liebevoll, dann wendet sie sich wieder mir zu. „Es ist furchtbar in diesem Zimmer“, fährt sie schließlich mit ihren Beschwerden fort. „Gleich nebenan scheint diese Rita aus der Zirkustruppe untergebracht zu sein und bis tief in die Nacht muss ich mich mit ihren Gesprächen und Telefonaten herumschlagen. Hm! Furchtbar. Ich bin zu alt für solche nächtlichen Aktionen, nein, ich bleibe bei meinem Tee und meinem Pokémon und damit bin ich zufrieden, aber nicht einmal das lässt sich heutzutage ja noch genießen. Alles muss man selbst in die Hand nehmen. Oh, aber ich werde sie herausfordern, den Spaß werde ich mir gönnen. Ich bin eine alte Frau, aber ich bin nicht schwach, oh nein. Sie wird schon sehen, was sie davon hat. Hm.“

Sie schimpft noch eine Weile halblaut vor sich hin, dann scheucht sie mich auch schon wieder hinaus und ich bin nicht ganz unglücklich, der alten Frau endlich entkommen zu sein. Trotzdem. Ganz unsympathisch ist sie mir nicht, und wenn es nur ihr Kommentar zu meinem Teegeschmack war.

In Ermangelung anderer Optionen mache ich mich auf die Suche nach Rose, die ich wie erwartet unter der Treppe finde, wo sie mit dem Kopf an die Wand gelehnt sitzt und mit leicht geöffnetem Mund vor sich hin döst.

Ich schmunzele. Schreiben, schon klar. Über den Teppich schleichend nähere ich mich ihr und beuge mich vor, bis mein Gesicht vor ihrem ist. Dann tippe ich sie an.

Rose fährt kreischend auf, als sie mein Gesicht von so nahem sieht, dann bricht sie in einen hysterischen Lachanfall aus, dem ich mich nur zu gerne anschließe.

Auf dem Weg nach oben zu einem frühen Abendessen und einem Kartenspiel mit Val berichte ich ihr von meiner Begegnung mit Cornelia Harris. Rose lächelt in sich hinein.

„Vielleicht schreibe ich mal so einen Charakter“, sagte sie dann und ich schüttele nur fassungslos den Kopf.

Schreiber. Ich werde nicht aus ihnen schlau.

 

Die restlichen nächsten beiden Tage verbringe ich am Morgen damit, meine Pokémon in halbernsten Duellen gegen Val und einige andere Trainer antreten zu lassen und in der Küche mit den Matrosen über alle möglichen Gerüchte zu fachsimpeln.

Meine Geschichten aus Teak City und Anemonia City sind bei den Männern sehr beliebt und als ich davon erzähle, wie ich Amphi vor Gabe und Kevin beschützt habe, geht ein entrüstetes Raunen und schließlich eine allgemeine Begeisterungswelle durch die Menge. Der Schiffskoch gibt mir eine große Tasse Tamottee aus und ich lausche für den Rest der Zeit, wie sich die Matrosen über die vielen Neueinstellungen in der M.S. Love beschweren. Viele scheinen dort gearbeitet und erst vor kurzem auf der Aqua angeheuert zu haben.

„Und die Hälfte von denen hat´s nicht mal drauf“, beschwert sich einer der ausgewechselten Matrosen lautstark über seinem Bier und nimmt einen weiteren großen Schluck, bevor er den Krug zurück auf den Tisch knallen lässt und Bierschaum über seine Finger schwappt.

Als Claude mich am ersten Nachmittag sucht und mir stotternd berichtet, dass Cornelia zusammen mit mir ihren Tee einnehmen möchte, bin ich ein wenig überrascht, entscheide aber schließlich, dass ich mich genauso gut darauf einlassen kann, denn Rose hält sich an ihr damaliges Versprechen, den Großteil der Reise mit Schreiben zu verbringen und Val ist oft auf dem Deck, um Jurob, Seeper und Quaputzi die Meeresluft atmen zu lassen. Seit ich ihn kenne, habe ich ihn noch nie sein Maschock rufen sehen.

Cornelia beschwert sich über alles und jeden. Über Claude, den sie kaum versteht, weil er so vor sich hin nuschelt, über Rita, die wieder einmal nachts zwielichtige Telefonate führt und sie am Schlafen hindert, von den anderen Mitgliedern, die über die Gänge schleichen, über die Staubflusen auf ihrer Bettdecke und den Tee, der viel besser war, als sie ihn selbst zubereitet hat.

Mit viel Argumentationskunst überzeuge ich sie davon, dem Koch diesen Job zu überlassen und lasse die restliche Zeit ihre Schimpftiraden über mich ergehen, denn so sehr sie mich anstrengen, so unterhaltsam sind sie.

 

Am 31. Dezember tischt das Küchenteam ein ganz besonderes Neujahrsessen auf und gemeinsam mit Val und Rose stehe ich kurz vor Mitternacht zwischen all den anderen Passagieren auf dem Deck, frierend und mit schlotternden Zähnen, aber mit kleinen Kerzen in den Händen, die wir genau um zwölf Uhr laut singend und schreiend in die Höhe halten.

Kurz danach hocke ich an Vals Beine gelehnt auf dem Boden und tippe eine Frohes Neujahr SMS an alle, die mich auf meiner diesjährigen Reise begleitet haben. Es sind viel zu viele, trotzdem schreibe ich jedem eine, mehr oder weniger personalisiert.

Louis bekommt die Längste.



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  Kerstin-san
2017-04-16T13:32:47+00:00 16.04.2017 15:32
Hallo,
 
nicht dein ernst. Ich hab ja mit vielem gerechnet, was Raphael betrifft, aber sicherlich nicht damit, dass er wochenlang verhört worden ist und in Untersuchungshaft saß. Oh shit, Richy verdient einen Orden für seine Treue zu Zach, aber er geht da schon ein gewaltiges Risiko für sich selbst ein. Trotzdem denke ich auch, dass die Wahrheit keine der Rockys für bare Münze nehmen würde. Eieiei und warum ist Gen nicht auch verhört worden? Eigentlich haben ja nur Zach und Richy so ein gutes freundschaftliches Verhältnis und wenn sie dann auch Raphael im Verdacht haben, müsste Gen ja auch verdächtigt werden. Habe ich schon erwähnt wie wundervoll ich Rapahels Art Abby aufzumuntern finde? Er ist ein wunderbarer bester Freund. Allerdings würde ich mir mittlerweile Sorgen darüber machen, ob nicht sein Handy abgehört wird. Paranoia lässt grüßen, aber man kann ja nie wissen....
 
Armer Claude, da scheint er ja wirklich auf ein besonders störrisches Exemplar Mensch getroffen zu sein. Wette, er würde die Aufgabe ihr zu sagen, dass sie den Tee nicht haben, nur zu gerne jemand anderem übertragen. Ein Glück, dass Abby so eine hilfsbereite Seele ist. Im Gegensatz zu ihr hätte ich mich aus der Aktion rausgehalten. Bevor die Schreckschraube nachher mir noch Vorwürfe machen würde.
 
Abby fühlt sich unter den Matrosen wirklich pudelwohl, was? Kann mir sehr gut vorstellen, wie sie da all ihre Abenteuer zum besten gibt und alle gebannt zuhören. Das muss wohl das Reportergen sein xD
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  _Risa_
2015-09-04T15:00:18+00:00 04.09.2015 17:00
Da der Absatz zu lang ist, um ihn zu zitieren: Armer Raphy, armer Richy :( Die kommen ja nun wirklich in Bedrängnis und wissen kaum noch aus. Richy ist ein echt guter Freund, so eine Loyalität kann man sich von seinen Freunden nur wünschen.
Zach kann das alles nur durchziehen, weil er diese Freunde eben hat,
Aber ich frag mich grad ob es rechtens ist 15jährige wochenlang in Untersuchungshaft zu nehmen, ohne ihnen was nachweisen zu können. XD

>Schweigen.
„Abby, hör mir zu“, sagt Raphael schließlich. „Es ist nicht deine Schuld, dass Winry verwundet wurde. Das war Team Rocket. Und es ist nicht deine Schuld, dass die Polizei frustriert ist. Ohne deinen Hinweis hätten sie gar nichts ausrichten können. Wenn sie in all den Jahren trainiert hätten, anstatt dumm auf dem Revier zu sitzen und Däumchen zu drehen, dann hätten wir jetzt eine perfekt organisierte, starke Truppe und Gold müsste nicht alles alleine machen. Die Polizei ist mindestens genauso Schuld an der ganzen Sache wie wir.“
Ich nicke schwach. „Du hast Recht.“
Er atmet schwer aus. „Also, wie geht es Louis?“<
Jep, Raphy hat Recht. Vollkommen. :o

>Jayjay hätte leichtes Spiel mit Quaputzi, aber… „Hunter, los.“
Jayjay sprengt das Schiff xD

>Sie probiert ihn ja nicht mal!“ Wütend rauft er sich die Haare und lässt sich dann niedergeschlagen auf seinen Barhocker plumpsen. „Das ist die fünfte Kanne, die ich neu gemacht und zu ihr hoch geschickt habe. Sie will irgendeine spezielle Mischung, die wir nicht hier haben und die Köche haben besseres zu tun, als mit unseren vorhandenen Sorten herum zu experimentieren, bis Fräulein Möchtegernteekennerin zufrieden ist!“<
Noch sone feine Dame xD

>Ich lasse mir solche Ungeheuerlichkeiten nicht bieten, junger Mann“, schimpft sie lautstark und Claude zuckt bei jedem ihrer Worte zusammen. „Glaubt euer Schiffskoch, ich könnte einen Babiri-Durintee nicht von einem dilettantisch zubereiteten Honmel-Rabutatee unterscheiden? Eine Frechheit! Ich habe für Service auf diesem Schiff bezahlt, nicht dafür, von dem Personal an der Nase herum geführt zu werden! Ich werde mit deinem Vorgesetzten sprechen und mir notfalls den Tee selbst zubereiten. Hm!“<
"Ich hab keine Hobbys und reg mich wie eine neunzigjährige, keppelnde Oma, die ich bin, über Nichtigkeiten auf, weil ich nicht weiß, woraus ich sonst nicht weiß, wie ich Dinosaurier noch Selbstvertrauen und Lebensinhalt schöpfen soll." xD

>„Vielleicht schreibe ich mal so einen Charakter“, sagte sie dann und ich schüttele nur fassungslos den Kopf.
Schreiber. Ich werde nicht aus ihnen schlau.<
Das hab ich schon paar Mal gehört xD
"Was denkst du?"
"Der Typ dort wär als Charakter
Antwort von:  _Risa_
04.09.2015 17:01
*interresant xD
*Kopfschütteln*

>Meine Geschichten aus Teak City und Anemonia City sind bei den Männern sehr beliebt und als ich davon erzähle, wie ich Amphi vor Gabe und Kevin beschützt habe, geht ein entrüstetes Raunen und schließlich eine allgemeine Begeisterungswelle durch die Menge.<
Matrosengeschichten xD

>Louis bekommt die Längste.
Willen wissen, was drinnen steht *~*
Antwort von:  yazumi-chan
04.09.2015 17:21
Abby hat das "Ich bin an allem Schuld-Syndrom". Da muss Raphy dann manchmal eben nachhelfen :)
Uuund ich sehe, du hast die gute... (guckt ob ihr Name schon genannt wurde) alte Dame kennen gelernt xD Ihre Charme wickelt jeden um den Finger ;)

Das mit den Charakteren habe ich aber auch super oft! :D Einmal bin ich jemandem begegnet, der genauso wie mein Hauptcharakter aussah. Ich bin bestimmt wie ein Stalker rübergekommen, weil ich die ganze Zeit zu ihr geguckt habe xDD
Von: abgemeldet
2015-05-09T17:53:43+00:00 09.05.2015 19:53
ICh hatte erst gedacht "Noch ne Cornelia" - aber das Mädel von den Qs hieß ja Corinna xD Aber die olle Schreckschraube gefällt mir^^ Ich denke, Abby wird noch viel Freude an ihr haben - und sicherlich auch eine starke Verbündete.
Hier hätten wir auch endlich mal wieder etwas von Raphael gehört. Ich dachte mir schon, dass die Polizei hinter dem plötzlichen Verschwinden steckt. Langsam wird die Schlinge um den Hals der Favoriten enger.

Rose ist ein wenig dir selbst nachempfunden, oder? ;)
Antwort von:  yazumi-chan
09.05.2015 20:25
Ne, eigentlich nicht :D Mal abgesehen davon, dass sie schreibt, haben wir nicht viel gemeinsam, und selbst in der Art, wie wir schreiben, gibt es große Unterschiede xD Ich wollte mit ihr eine Ideologie zeigen, die ich bei vielen Fanfics gesehen habe und die es bei mir durch Abbys Charakter nicht viel zu sehen gibt, nämlich dass sie Pokémonkämpfe zu großen Teilen unethisch findet und Pokémon fangen sowieso. Abby hatte damit ja nie große Probleme^^
Von:  Kalliope
2015-04-20T14:53:29+00:00 20.04.2015 16:53
Ich tippe jetzt einfach mal, dass Cornelia Harris auch in den folgenden Kapiteln der M.S. Aqua eine Rolle spielen wird oder sogar noch eine wichtige Verbündete für Abby wird. Rita ist mir ja schon vorher seltsam vorgekommen und wenn sie bis spät in die Nacht telefoniert ... Vielleicht bekämpft sie die Trainer nur, um sie zu schwächen, damit sie und/oder Team Rocket dann leichteres Spiel hat. Abbys Vision von dem Schiff gibt es ja auch noch.
Antwort von:  yazumi-chan
20.04.2015 19:49
Du hast an beiden Fronten Recht ;)
Von:  Hexenhund
2014-12-13T07:32:31+00:00 13.12.2014 08:32
Diese alte Dame ist einfach eine Perle XDDD Ein richtiges Gegenteil zu Katrin (ich glaube sie hieß Katrin... oder?)
Ansonsten freut es mich ungemein Rafael wieder zu lesen, aber hätte er nocht während der Haft alles erklären können? Wenn die 3 Favoriten gleichzeitig die selbe Geschichte erzählen hätten sie es vielleicht geschafft die Polizei von Zachs Unschuld zu überzeugen... So ist es wohl, dass Zach nur eine Möglichkeit hat soch zurück zu kaufen: er muss den kopf Atlas' auf einem Silberplateau servieren *w*



Antwort von:  yazumi-chan
13.12.2014 14:15
Ich glaube, du meinst Karin :D Bills Mama, ne? Nur Raphael und Richard wurden verhört, Genevieve hat man nicht festgenommen, weil sie nicht so tief in der ganzen Sache verwickelt war. Das Problem ist einfach, dass Richard lieber ins Gefängnis geht, als seinem Freund die Rache zu vermasseln und Raphael versucht irgendwie, alles gerade zu biegen, scheitert aber an sehr vielen Stellen.
Das wäre in der Tat eine gute Aktion von Zach, wenn er das macht :D
Im übrigen freut es mich sehr, dass Cornelia so gut ankommt, ich mag sie nämlich auch xD
Von:  animefan1998
2014-12-12T12:52:50+00:00 12.12.2014 13:52
Mannomann... was für ne komische Tante xD Ich hab richtig gelacht :)) Und sonst natürlich alles supi :D
Antwort von:  yazumi-chan
12.12.2014 13:56
Dankeschön :D
Von:  Lenny-kun
2014-12-12T12:37:43+00:00 12.12.2014 13:37
Cool....meine Oma hat sich kaputt gelacht als ich das mit den alten Damen vorgelesen habe :D sonst find ich Wie immer alles Tool :P
Antwort von:  yazumi-chan
12.12.2014 13:45
Du liest meine Fanfic deiner Oma vor? xDD
Antwort von:  Lenny-kun
12.12.2014 17:22
Nö ...aber die stelle war zu komisch ;D


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