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Abbygails Abenteuer

Road to Lavandia
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leser!
Vielen Dank für über 100 Kommentare :D Als kleines Dankeschön gibt es diese Woche ein Extra-Update. Ich hoffe, ihr bleibt Abby und mir weiterhin treu und hinterlasst fleißig Zeichen eurer Anwesenheit ;)
Eure yazumi-chan Komplett anzeigen

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Gerüchteküche (Alle Mann an Bord)

Mit einer nicht unbeträchtlichen Menge an Schuldgefühlen betrachte ich die einundvierzig ungeöffneten E-Mails, die meine Mutter seit unserem letzten Telefonat auf meinem Trainerkonto hinterlassen hat. Die Angelegenheiten der RES-Qs in Teak City, die Probleme in Oliviana City und schließlich die Begegnung mit Team Rocket in der Safari-Zone haben mich durchgängig auf Trab gehalten. Meine einzige Rechtfertigung ist, dass ich seit Teak City nicht mehr ordnungsgemäß in einem Pokécenter geschlafen habe, aber selbst für mich klingt diese Ausrede sehr dünn. Immerhin haben die Qs zumindest einige Tage im Pokécenter übernachtet und auch auf Anemonia City hat Schwester Joy uns kostenlos ein Zimmer zur Verfügung gestellt.

Ich habe ganz einfach vergessen, meine Mails zu checken.

Ein wenig verängstigt scrolle ich bis zur letzten Nachricht, die sie mir geschickt hat. Das Datum ist der 25. Dezember. Erst gestern also. Ich hole tief Luft und klicke auf Öffnen, innerlich gegen jedwedes Donnerwetter gestählt. Stattdessen begrüßt mich nur eine Handvoll Sätze.

Abby, bitte melde dich. Ich bin krank vor Sorge. Geht es dir gut??? Ich bin kurz davor, die Polizei zu rufen.

Ich liebe dich, Mama

Ich schlucke schwer.

„Von deiner Mutter?“, fragt Val, der in dem Moment hinter mir auftaucht.

Nickend drehe ich mich um. Er wedelt mit einem Ticket für die Fahrt nach Kanto am Montag. Nachdem wir uns zusammen mit Rose von Kat, Louis und einigen anderen verabschiedet haben, sind wir dank Roses Bitten mit den Flugpokémon einiger Ranger nach Oliviana City geflogen und dort abgesetzt worden. Hunter hat mein Gepäck übernommen und war sichtlich froh, seinen Flügel endlich wieder belasten zu dürfen. Außer ein paar längeren Pausen hat er sich gut gehalten.

„Ich fühle mich furchtbar“, gestehe ich und rücke zur Seite, damit er einen kurzen Blick auf die Mail werfen kann. „Ich habe mich seit fast drei Monaten nicht mehr bei ihr gemeldet.“

Valentin pfeift leise. Es klingt nicht sonderlich begeistert.

„Du solltest ihr schreiben, dass du bald zu Besuch kommst“, empfiehlt Rose. Sie ist nach Val ins Pokécenter getreten, das wie immer überfüllt ist, und hat sich mit geröteten Wangen durch die Trainerschlange vor der Rezeption gequetscht. „Wenn du ihr so lange nicht geschrieben hast, macht sie sich bestimmt furchtbare Sorgen.“

Ich nicke geknickt und wende mich wieder der Mail zu, während Rose und Valentin über die Frage unseres Schlafplatzes diskutieren, denn wie erwartet ist Olivianas Pokécenter seit Wochen ausgebucht.

Liebe Mama, beginne ich.

Es tut mir leid, dass ich mich nicht früher gemeldet habe, es ist so viel passiert und ich war nicht immer in der Nähe eines Pokécenters. Aber es geht mir gut und ich habe viele neue Freunde gefunden. Zwei von ihnen wirst du schon sehr bald kennen lernen, denn ich fahre am Montag mit der M.S. Aqua zurück nach Orania City. Laut Fahrplan werden wir am 10. Januar ankommen. Ich freue mich sehr, euch wieder zu sehen!

Ich liebe dich auch, Abby

Ich drücke auf Senden und fühle mich gleich viel wohler. Kurz überlege ich, auch Agnes oder Tarik eine Nachricht zu schreiben, aber wenn Mama die Mail liest, weiß ohnehin bald ganz Kanto von meiner Rückkehr.

Mir wird mit einem Mal bewusst, wie lange ich schon fort bin. Wenn ich in Orania ankomme, werden es genau fünf Monate sein. Fast ein halbes Jahr, in dem ich von einer Katastrophe in die nächste gestolpert bin. Ich habe mir viele mächtige Feinde, aber auch Freunde gemacht.

Mel mag ganz Team Rocket gegen mich aufgehetzt haben, aber ich bin nicht mehr so schwach und naiv wie noch vor einigen Monaten. Und wenn es hart auf hart kommt, gibt es immer noch Gold und Chris.

Und Raphael.

Ich checke erneut meine E-Mails, aber von ihm ist keine dabei. Seit seinem Arenakampf ist er wie vom Erdboden verschluckt. Die letzten zwei Wochen haben mich und vor allem Louis sehr mitgenommen und ich habe durchgängig versucht, alle negativen Gedanken abzuschalten. Aber Raphael bleibt verschwunden und ich habe keine Ahnung, wie ich ihn erreichen soll.

Frustriert logge ich mich aus und unterbreche dann Vals und Roses angeregte Unterhaltung mit meinem Wissen über den Leuchtturm. Der Ort birgt zwar nicht nur gute Erinnerungen für mich, aber die zwei bis drei Nächte bis zur Abfahrt werde ich überleben.

Nachdem wir uns drei Schlafplätze im obersten Stockwerk gesichert haben, lasse ich die beiden alleine durch die Stadt stromern, während ich mich zu Erhards Lederwarengeschäft aufmache, um einen Teil meines neugewonnen Vermögens anzuzahlen. Nachdem ich dort weitere 10.000 PD abgegeben habe, sind meine Schulden bei ihm auf 20.000 PD gesunken, eine Menge, die mir immer noch abstrus groß vorkommt, aber in Kanto werde ich schon eine Möglichkeit finden, an das Geld zu kommen. Und mit etwas mehr als 5000 PD in der Tasche mache ich mich zu Ivys Hafenbar auf, wo Val und Rose mich bereits zu unserem verabredeten Abendessen erwarten.

 

Die restlichen Tage bis zum Ablegen der M.S. Aqua verbringen Valentin und ich damit, durch die Stadt zu schlendern und einige letzte Einkäufe zu tätigen. Rose bleibt öfter als nicht im Leuchtturm, um dort an ihrer Geschichte weiterzuschreiben. Ich bin nicht ganz sicher, wie es sie faszinieren kann, mehrere Stunden lang auf ein leeres Stück Papier zu starren und Wörter darauf zu kritzeln, aber irgendetwas muss sie an ihrem Hobby finden, also lasse ich sie.

Ich nutze die freie Zeit außerdem, um meinen Pokémon wieder etwas mehr Auslauf zu geben, denn in den Wochen vor dem Schwimmwettbewerb hatte ich neben dem Schwimmtraining und der schlechten Stimmung im Pokécenter wenig Energie, mich mit ihnen zu befassen.

Jayjay reite ich mindestens einmal pro Tag auf den Taurosweiden vor der Stadt aus, während Hunter über unseren Köpfen durch die Luft sirrt und seinen Geschwindigkeitsdrang zufrieden krächzend stillt. Sku lasse ich vom späten Nachmittag und die ganze Nacht über aus ihrem Pokéball und Gott wird schnell zum allgemeinen Heizkörper unseres Leuchtturmstockwerks, was er mehr oder weniger friedlich hinnimmt.

Am 28. Dezember ist es jedoch so weit. Mit unseren dicken Rucksäcken bepackt stehen wir in der Schlange vor dem Schiffaufgang, wo ein Matrose unsere Tickets kontrolliert, bevor die Passagiere über Rampen auf den Kreuzer geleitet werden. Es ist ein kalter Tag, nur eine Woche nachdem ich noch im Meer geschwommen bin, ist es plötzlich so eisig, dass ich trotz meiner Winterjacke bibbernd zwischen Rose und Valentin stehe.

Beide, vor allem Rose, wirken steif und unsicher mit den drängelnden Menschengrüppchen um uns herum, aber bis wir an Bord kommen, müssen sie noch ein Weilchen durchhalten.

Je näher wir dem Meer kommen, desto stärker liegt mir der salzige Geruch in der Nase und das Kreischen der Wingulls über unsern Köpfen übertönt beinahe das Getuschel um uns herum. Schließlich sind aber auch wir an der Reihe und ich staune nicht schlecht, als ich den Ticketkontrolleur wiedererkenne.

Wir beide brauchen einen Moment, bevor wir uns richtig eingeordnet haben, dann lacht Stanz schallend und nimmt mich in eine zu kräftige Umarmung.

"Abby! Du fährst also nach Kanto!"

"Zurück nach Hause, zur Abwechslung mal", erwidere ich und reiche ihm mein Ticket. Stanz überprüft es zusammen mit denen von Rose und Val flüchtig, dann stempelt er die Papierscheine ab und winkt uns durch.

"Dann hoch mit euch. Besuch mich doch mal in der Kombüse, wenn du eine freie Minute hast."

Klar!", rufe ich ihm hinterher, während wir bereits die Rampe hinauf gehen.

"Wer war das?", fragt Rose und schaut sich um.

"Stanz, ein Matrose auf dem Schiff hier", erkläre ich, als wir ins Schiffinnere treten. "Er hat mir vor ein paar Wochen zu  einem Job verholfen."

Direkt neben dem Eingang, durch den wir gerade getreten sind, steht ein dünner Junge mit weißblondem Lockenkopf und wässrig blauen Augen. Die Matrosenuniform, die er trägt, ist zu groß für seinen spindeldürren Körper. Er streckt eine Hand aus.

"D-darf ich bitte ihre Tickets sehen?", fragt er mit gezwungen lauter Stimme.

Wir reichen sie ihm.

"Ihre Kajüten sind auf d-dem nächsten Stockwerk", erklärt er und deutet zu einer Treppe am Ende des Ganges. "Ihre Zimmernummern stehen neben der B-buchungsnummer."

Wir erhalten unsere Tickets zurück, zusammen mit den zugehörigen Schlüsseln, und machen uns auf zur Treppe.

"Welches Zimmer habt ihr?", frage ich und schaue neugierig auf mein eigenes Ticket. Die Nummer 127 ist in schwarzen Lettern auf dem Papier gedruckt.

"109", sagt Val und schaut zu Rose. "Du?"

"Hier steht 145", sagt sie und hebt den Kopf. "Wir scheinen zumindest dasselbe Stockwerk zu belegen."

Sie hat Recht, allerdings liegen unsere Kajüten auf unterschiedlichen Gängen, sodass wir uns an einer der Flurgabelungen trennen müssen. Mein Zimmer finde ich nach nur wenigen Minuten. Es ist schmal, mit einem am Boden befestigten Einzelbett, einem schmalen Schrank und einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen. Ein kreisrundes Bullauge ermöglicht mir einen Blick hinaus aufs Meer, wenn ich halb über den Tisch krabbele.

Ich stelle meinen Rucksack ab und beschließe, zur Feier des Tages meine Sachen auszupacken. Es ist Monate her, seit ich nicht aus meinem Koffer gelebt habe und jetzt die Kleidungsstücke, Utensilien und anderen angesammelten Gegenstände heraus zu holen, fühlt sich sehr ungewohnt an.

Als ich vor dem Kleiderschrank stehe, gähnt mir jedoch seine unendliche Leere entgegen. Was meinen Rucksack fast zum Bersten gebracht hat, füllt nun kaum ein Drittel, wobei der größte Teil von meinen Inlinern, dem Schlafsack und dem Rucksack selbst eingenommen wird. Meine Tops, die ich damals mit so viel Grübelei ausgesucht habe, sind ausnahmslos beschmutzt, zerrissen oder anderweitig beschädigt, genauso wie meine Shorts und meine lange Hose trage ich seit Azalea City fast durchgängig.

Seufzend stopfe ich alles zurück in den Rucksack und lasse nur die sperrigsten Teile im Schrank. Ich habe erwartet, irgendwann das heimatlose Reisen leid zu sein, nicht mehr von einer Stadt in die nächste hetzen zu wollen. Aber jetzt fühlt sich selbst dieses vorläufige Zimmer stickig und eng an.

Wann ist mein Fernweh so schlimm geworden?

Wütend auf mich selbst klaube ich meine Sachen zusammen und verlasse die Kajüte.

Ich finde Rose im Gang nebenan, wo sie es sich schon in ihrem Zimmer gemütlich gemacht hat. Ihre Tasche mit den Collegeblöcken liegt auf dem Tisch, daneben ein kleines Etui, aus dem einige Kugelschreiber kullern und ihre Tasche ist fertig ausgeräumt und im Schrank verstaut.

"Wollen wir etwas essen gehen?", frage ich an den Türrahmen gelehnt. "Es ist schon nach Mittag und wir hatten nichts Richtiges zum Frühstück."

Rose begutachtet ein letztes Mal ihr Werk, dann dreht sie sich zu mir um und nickt. Ihre karamellfarbene Haut leuchtet und ihre Rasterlocken wippen sanft um ihre Stirn. Sie wirkt, als hätte jemand eine große Last von ihrem Schultern genommen.

Wir holen Valentin ab und machen uns dann auf den Weg zurr Bordküche im ersten Stock. Der Strom neuer Passagiere findet kein Ende und gerade im Eingangsbereich ist kaum ein Durchkommen, weil sich Trainer, Familien, Geschäftsleute und sogar eine kleine Zirkusgruppe mit ihren Koffern durch die Gänge drängeln. Schließlich schaffen wir es jedoch, in den richtigen Gang abzubiegen und finden den ausgeschilderten Essbereich.

Runde Tische, die bis zu sechs Personen Platz bieten, sind über die gesamte Fläche des Saales verteilt und der rote Teppich unter unseren Füßen federt, als wir uns an einen der freien Tische setzen. Eine lange Bar trennt uns von den Schwingtüren, die in die Küche und dahinter wahrscheinlich in die Kombüse der Matrosen führen und wann immer sich eine von ihnen öffnet, schallt uns lautes Lachen, hektische Rufe und das Klirren von Geschirr entgegen.

Einer der Matrosen kommt an unseren Tisch, um uns drei große Teller mit Reis und Gemüse zu bringen und ich schaffe es, von ihm die Erlaubnis zu ergattern, Stanz in der Kombüse besuchen zu dürfen.

Der Matrose ist unsicher, ob Stanz überhaupt dort ist, aber ich bestehe darauf, selbst nach ihm zu suchen und er zuckt schließlich mit den Schultern und gibt mir ein kleines Stück Papier mit seiner Unterschrift als Erlaubnis.

"Aber Stanz kontrolliert doch die Fahrscheine", sagt Rose und schaut dem Matrosen verwirrt hinterher. „Du wirst ihn nicht in der Küche finden.“

„Nein“, stimme ich zu. „Aber man weiß nie, wann sowas hilfreich sein kann.“

Valentin schaut skeptisch von seinem Essen auf, zuckt dann aber mit den Schultern und widmet sich wieder seinem Reis. Nachdem wir fertig sind, verabschiedet Rose sich von uns, um sich einen Ort zum Schreiben zu suchen, sodass Val und ich am Tisch zurück bleiben und uns ratlos anschauen.

„Ich gehe mal in die Kombüse“, sage ich schließlich. Val steht auf.

„Dann gönne ich mir eine Dusche.“

Wir verabschieden uns und ich mache mich auf den Weg zur Bar, wo ich meinen kleinen Zettel vorzeige und in die Küche gelassen werde. An den Anrichten und Herden ist die Hölle los, aber ich schlängele mich die Wand entlang, bis ich den Kochbereich hinter mir lasse und zu den langen Esstischen komme, die im hinteren Bereich aufgebaut sind.

Zeit, mich ein bisschen nach Neuigkeiten umzuhören.

Die Matrosen werfen mir neugierige Blicke zu, als ich mich zu ihnen an den Tisch setze, schlagen mir aber schnell kameradschaftlich auf den Rücken, als ich mein Treffen mit Stanz zum Besten gebe und nebenbei einfließen lasse, bei dem Wintercup auf Anemonia City den dritten Platz gewonnen zu haben. Die Unterhaltung kommt schnell wieder auf gewohnte Bahnen und ich höre aufmerksam zu, während der neuste Tratsch aus Kanto diskutiert wird.

„Wo das hinführen soll, weiß ich auch nicht mehr“, sagt Rolf, der bulligste der Gruppe mit einer Glatze und einem dichtem Vollbart. Er hält seinen Bierkrug fest umklammert und tippt mit den Fingerspitzen rhythmisch auf das feuchte Glas. „Bob sagt zwar, er ist nicht sicher, aber…“

„Du glaubst doch nicht wirklich den Humbug, den die Jungs vom Kraftwerk erzählen“, wirft sein Kumpane mit der schiefen Nase ein. „Die wollen sich nur wichtigmachen. Ein Ball? Dass ich nicht lache.“

„Weiß man´s?“ Lorenz beißt in sein Brötchen, bevor er fortfährt. „Ich kenne die beiden. Unruhestifter, aber keine Lügner. Vielleicht haben sie die Geschichte ein bisschen aufgebläht, aber selbst der Major sagt, irgendetwas ist anders.“

„Schwachsinn.“ Der Matrose schüttelt entschieden den Kopf. „Wenn ich keine Beweise sehe, dann glaub ich´s auch nicht. Und niemand wird mich vom Gegenteil überzeugen.“

„Worum geht es denn?“, frage ich, nachdem klar wird, dass die drei nicht weiter über das Thema reden wollen.

„Ah, natürlich, das würdest du nicht wissen“, sagt Rolf. „In Orania ist es das einzige, worüber geredet wird und ich wette, bald weiß es ganz Kanto.“

„Zwei Jungs sind vor etwa zwei Wochen völlig von der Rolle nach Orania City gekommen und wollten unbedingt Major Bob sprechen“, fährt Lorenz fort. „Anscheinend haben sie vor dem Kraftwerk trainiert, als der Himmel sich plötzlich verdunkelte und Zapdos in Blitz und Donner vom Himmel herab sank.“

„Die Jungs haben sich sofort versteckt, aber sie haben die Wiese im Auge behalten und dort einen Jungen gesehen, der seelenruhig das Pokémon erwartete. Sie haben sich sehr lange angestarrt. Und dann soll der Junge einen Ball in die Höhe gehalten haben und Zapdos hat sich freiwillig fangen lassen.“

„Unsinn! Hört euch doch nur mal zu!“ Wütend spuckt der dritte Matrose auf den Boden. „Als wenn ein Legendäres Pokémon sich ohne einen Kampf fangen lässt. Das ist der größte Mist, den ich seit langem gehört habe.“

„Ich wiederhole nur, was ich aufgeschnappt habe“, sagt Lorenz, ein wenig beleidigt. Dann beugt er sich zu mir und flüstert verschwörerisch „Natürlich kann das alles eine Lüge der beiden sein. Aber Major Bob ist mit ihnen zu dem Kraftwerk gegangen und hat bestätigt, dass die Elektrizitätsmessungen seit dem Vorfall rapide gesunken sind. Und Bob versteht sich auf Elektrotypen, der weiß, wovon er spricht.“

„Hmm.“ Nachdenklich schaue ich an den dreien vorbei an die Wand, während das laute Tratschen um mich herum immer leiser zu werden scheint. Ich muss mich dem Skeptiker der Gruppe anschließen. Ein Legendäres, das sich ohne Kampf fangen lässt? Mit nur einem einzigen Ball?

Sehr unwahrscheinlich.

Ich beschließe, bei meiner Rückkehr einmal mit Major Bob persönlich zu reden, um die Gerüchte aus erster Hand bestätigt zu kriegen. Vielleicht lässt sich daraus ja sogar meine allererste Story basteln, wer weiß. Ich will mich gerade verabschieden, da ertönt ein mir sehr bekanntes schallendes Lachen am Eingang und ich drehe mich auf der Holzbank am. Stanz schlägt einigen seiner Mitstreiter auf den Rücken, sieht mich und kommt breit grinsend auf uns zu.

Ich rücke zur Seite und schon bald bin ich wieder in eine angeregte Unterhaltung verwickelt.

 

Bis ich mich von den geschwätzigen Matrosen losreißen kann, ist es später Nachmittag. Mein schlechtes Gewissen meldet sich zu Wort, weil ich Valentin und Rose so lange alleine gelassen habe, aber als ich an die Zimmer der beiden klopfe, ist niemand da.

Achselzuckend mache ich mich auf den Rückweg und durchforste die Gänge des Schiffs, bis ich das Gefühl habe, überall schon dreimal gewesen zu sein. Im ersten Untergeschoss sind wie im Obergeschoss Kabinen der Passagiere und die Kojen der Matrosen, aber eine weitere Treppe, die mit einem Zugang nur für Befugte versehen ist, scheint tiefer in die Fracht- und Maschinenräume zu führen.

Ich mache auf dem Absatz kehrt und erschrecke fast zu Tode, als ich Rose entdecke, die unter der Treppe nach oben auf dem Teppichboden sitzt und ihren Collegeblock über den Knien hält. Sie lächelt mich frech an.

„Buh“, sagt sie und ich lache, als meine Panik sich legt.

„Was machst du hier unten?“, frage ich und lasse mich neben ihr auf dem Boden nieder.

„Ich schreibe gerne an Orten mit Hintergrundgeräuschen“, erklärt sie und klappt ihren Block zu. „In Anemonia war ich deswegen entweder in der Safari-Zone oder im Café in der Stadt. Und hier kann ich die Gespräche von oben und die Maschinen von unten hören, ohne dass ich gestört werde.“

„Wenn du meinst“, sage ich und stehe auf. „Hast du Valentin gesehen?“

„Nein.“ Sie richtet sich ebenfalls auf, kommt unter der Treppe hervor und streckt ihren Rücken durch. „Aber ich helfe dir suchen, wenn du möchtest. Ich habe mein Pensum für heute erledigt.“

„Dann komm mit“, meine ich und laufe zur Treppe. „Ich glaube, außer dem Deck habe ich schon alles doppelt abgesucht.“

Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Erdgeschoss, von dem aus wir uns einen Weg zum Deck bahnen. Draußen ist es kalt und dunkel, aber zahlreiche Lampen und Lichterketten erhellen den Außenbereich und ich bin überrascht, so viele Passagiere draußen versammelt zu sehen.

Erst der plötzlich anschwellende Applaus gibt mir einen Hinweis auf den Tumult. Rose und ich laufen zu der Menschentraube, an deren Rand wir Valentin und sein Jurob finden, das sich im eisigen Wind sehr wohl fühlt und von seinem Arm aus auf das Zentrum der Gruppe blickt.

Wir schlängeln uns zu ihm und nun entdeckte ich endlich, was den Auflauf verursacht hat. Die Zirkusgruppe hat sich auf dem Deck versammelt, um dort eine kleine Darbietung zu liefern. Der Feuerspucker trinkt abwechselnd aus einer durchsichtigen Flasche und speit dann, mithilfe seines Vulpix, eine Flammensäule in den schwarzen Nachthimmel, während zwei Jongleure mit umgedrehten Hüten vor der ersten Reihe her tänzeln und Spenden sammeln.

Ein violett gekleideter Mann schwebt im Schneidersitz einen Meter über dem Boden und lässt sich dort von seinem Psychopokémon, einem kleinen Abra, in der Luft halten.

„Machen die Werbung für ihren Zirkus?“, frage ich neugierig und Val zuckt zusammen, als er meine Stimme plötzlich so nah hört.

„Sie haben einfach angefangen und sammeln jetzt Trinkgeld ein“, erwidert er schließlich. „Von einem Zirkus haben sie noch nichts gesagt.“

Ich beobachte, wie das letzte Mitglied der Gruppe, eine Frau, aus den Schatten tritt und sich vor den anderen Zirkusleuten aufstellt. Sie ist groß und dünn wie ein Zweig, mit grau meliertem, hochgestecktem Haar und einem feuerrotem Wintermantel, der die Holzplanken des Schiffdecks streift.

Der Feuerspucker lässt seine Flasche sinken und sein Vulpix speit eine letzte Flamme in den Himmel, bevor es sich zu seinen Füßen einrollt. Die beiden Jongleure lassen die Hüte mitsamt Geld in ihren bunt gemusterten Kleidern verschwinden und stellen sich hinter der Frau auf, die allem Anschein nach das Sagen hat.

Selbst der Psycho, der dank seines Abras in der Luft schwebt, sinkt langsam zu Boden und öffnet die Augen.

„Liebe Zuschauer!“, begrüßt die große Frau uns mit durchdringender Stimme und das Getuschel verstummt. „Vielen Dank, dass sie so zahlreich zu unserer kleinen Vorstellung erschienen sind. Mein Name ist Rita und ich bin die Leiterin dieser bunten Truppe.“

„Wie groß sie ist…“, murmelt Rose andächtig.

„Meine Gruppe und ich möchten sie zu einem kleinen Wettstreit einladen. Ich mag vielleicht nicht so aussehen, aber ich bin eine formidable Pokémontrainerin und ich biete ihnen folgendes an: Ab Neujahr werde ich Herausforderungen von anderen Trainerin annehmen. Gegen einen kleinen Geldbetrag, der in einen gemeinsamen Pot eingeht, werde ich mich in einem Eins gegen Eins Duell jedem stellen, der mich bis zum Ende der Fahrt herausfordern möchte. Wer mich besiegt, erhält all das bis dahin gesammelte Geld im Pot doppelt. Jeder Trainer darf mich so oft er möchte herausfordern, aber nur einmal pro Tag. Und als Zusatzregel gilt: Ein Pokémon, das bereits verloren hat, darf nicht mehr eingesetzt werden und kann bei unserem Mediteam über Nacht geheilt werden. Kostenlos, versteht sich.“

Raunen und Getuschel werden laut. Die einen sind misstrauisch, weil sie glauben, Rita wollte uns mit einem abnormal starken Pokémon platt machen, andere wundern sich über die Beweggründe ihrer kleinen Gruppe.

„Was ist, wenn niemand den Pot gewinnt, bis wir anlegen?“, fragt ein junger Mann im Nadelstreifenanzug.

„Dann geht das Geld an unsere Zirkusgruppe“, erwidert Rita. „Aber auch wenn ich gerührt bin, dass sie mir eine solche Stärke zutrauen, glaube ich doch nicht daran, gegen jeden hier bestehen zu können.“

„Kann man erneut antreten, wenn man bereits den Pot gewonnen hat?“, ruft eine ältere Frau. Hierauf schüttelt Rita den Kopf.

„Das wäre den anderen Passagieren gegenüber unfair“, erklärt sie.

Nach und nach verstummt das Gemurmel und wird durch langsam anschwellende Euphorie ersetzt. Mich eingeschlossen. Der Gedanke an mein enges Zimmer im ersten Stock ist hier draußen in im kalten Nachtwind und unter freiem Himmel wie weggefegt. Die Bewegung wird meinen Pokémon gut tun und ich kann Geld nun wirklich immer gebrauchen.

„Sehr schön, dann fahren wir mit unserer Show für heute Abend fort!“, ruft Rita, bevor sich die Massen verlaufen können. Neben dem Kopf des Psychos tauchen plötzlich die Augen eines keckernden Nebulaks auf. „Wer möchte sich für eine Hypnosedarbietung zur Verfügung stellen?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)

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Von:  Kerstin-san
2017-04-16T13:17:32+00:00 16.04.2017 15:17
Hallo,
 
die arme Mutter, ich meine, sie war immer so ein bisschen überfürsorglich und relativ streng bezüglich Abbys Wunsch, aber sowas hat sie wirklich nicht verdient (ein Glück, dass sie von den ganzen Schwierigkeiten in die Abby sich reinmanövriert hat nicht den blassesten Schimmer hat, ansosnten hätte sie wohl schon längst die Polizei losgeschickt)
 
Ich mag die Atmosphäre, die auf der MS Aqua herrscht. So viele Menschen auf kleinem Platz, die spartansichen und relativ engen Zimmer und wie Abby sich so eingepfercht fühlt. Ich schätze ihre Mutter wird nicht allzu lange Freude über ein Wiedersehen verspüren können, ehe es Abby wieder weiterzieht.
 
Hmm, ich erspähe eine Möglichkeit wie Abby ihre Geldnöte lindern kann (auch wenn ich natürlich glaube, dass es da einige Haken an der Sache gibt, so ein größzügiges Angebot würde niemand machen, der sich nicht sehr sicher ist, alle Kämpfe zu gewinnen).
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  _Risa_
2015-09-04T14:24:10+00:00 04.09.2015 16:24
>Mit einer nicht unbeträchtlichen Menge an Schuldgefühlen betrachte ich die einundvierzig ungeöffneten E-Mails, die meine Mutter seit unserem letzten Telefonat auf meinem Trainerkonto hinterlassen hat<
Wtf! Meine hätte schon nen Herzinfarkt gehabt! XD

>Abby, bitte melde dich. Ich bin krank vor Sorge. Geht es dir gut??? Ich bin kurz davor, die Polizei zu rufen.
:(

>iebe Mama, beginne ich.
Es tut mir leid, dass ich mich nicht früher gemeldet habe, es ist so viel passiert und ich war nicht immer in der Nähe eines Pokécenters. Aber es geht mir gut und ich habe viele neue Freunde gefunden. Zwei von ihnen wirst du schon sehr bald kennen lernen, denn ich fahre am Montag mit der M.S. Aqua zurück nach Orania City. Laut Fahrplan werden wir am 10. Januar ankommen. Ich freue mich sehr, euch wieder zu sehen!
Ich liebe dich auch, Abby<
Ich stellmir grad vor:
Liebe Mama,
ich bin einige Male beinahe umgebracht worden. Mach dir keine Sorgen, Abby
='D

>Hier steht 145", sagt sie und hebt den Kopf. "Wir scheinen zumindest dasselbe Stockwerk zu belegen."
Das hieß auf Schullandwochen immer PARTYYY HAAARD XD

>„Wer möchte sich für eine Hypnosedarbietung zur Verfügung stellen?“
Warum denk ich, dass das böse ausgeht? <.<
Antwort von:  yazumi-chan
04.09.2015 16:26
...weil in dem Wort Hypno vorkommt? xDDD
Antwort von:  _Risa_
04.09.2015 16:26
DAS ist immer ein böses Omen xD
Von: abgemeldet
2015-05-09T17:16:22+00:00 09.05.2015 19:16
Gibts in deiner Pokémon-Welt eigentlich Nudeln? xD Ich hab sie bisher irgendwie immer nur Reis essen sehen xD
Und jetzt weiß ich auch, was mir bei Rose immer missfallen hat: es heißt RastAlocken, nicht Raster xD *Blitzmerker ist. Nach sieben Kapiteln oder so*

Aber mal ernsthaft ... Der Zirkus macht ja mal voll einen auf Jesse und James xD "Wir heilen eure Pokémon über nacht. Kostenlos." Das schreit geradezu nach Falle. Wer auf den Scheiß hereinfällt, der ist selber Schuld.
...
...
... Aber wieso glaube ich, dass es dennoch genug Idioten gibt, die auf die Sache hereinfallen? Ach ja, weil die MS Aqua-Saga sonst wohl ziemlich schnell vorbei und langweilig wäre ...^^

Hab aber noch einen kleinen Kritikpunkt an dich: Abby ist nach einigen Wochen endlich wieder in Oliviana City, wo sie einige Freunde zurückgelassen hat - was ist mit den Qs? Haben einige von ihnen die Arena geschafft oder trainieren sie noch immer? Sie wurden gar nicht erwähnt :(
Antwort von:  yazumi-chan
09.05.2015 20:21
Ich wollte nicht nochmal so viel Zeit in Oliviana City verbringen, deswegen habe ich das nicht erwähnt. Aber Abby hat die übrigen Qs aber mit Sicherheit kurz besucht. In dieser Saga wollte ich möglichst schnell auf das Schiff :)
Von:  Kalliope
2015-04-20T14:41:02+00:00 20.04.2015 16:41
Kabüse --> Meinst du Kombüse?

Mit Zapdos ist das spannend. Es gibt in deiner FF viele Trainer, die die Legendären fangen, dafür keine Orden sammeln. Ob der mysteriöse Trainer zu der losen Gruppe um Ronya und Co gehört? Ich hab leider schon wieder vergessen, wer da alles mit drinsteckt, Chris und Gold mal ausgenommen, die haben ja Lugia und Ho-Oh schon. Und Ronya wollte Entei oder? Dann gibt es da doch noch diesen einen Trainer, der Louis so glattgebügelt hatte mit seinem Aquana.

Die Zirkusfrau ist mir suspekt, was daran liegt, dass einem in deiner FF alle Leute suspekt sein können. Wobei man die Rockets ja eigentlich immer ziemlich gut erkannt hat. Meinst du das "schlank wie eine Weide" ironisch? Weiden sind ziemlich ausladende Bäume :"D
Antwort von:  yazumi-chan
20.04.2015 19:48
Kombüse, richtig xD Bei Weide habe ich mich mit der Vergleich wahrscheinlich vertan, Rita ist wirklich sehr dünn.
Du hast die meisten der Trainer genannt :) Chris, Jayden, Ronya und Gerard wären die vier, von denen Abby weiß, dass sie keine Orden sammeln.
Antwort von:  Teilchenzoo
08.08.2015 14:46
Da dieses "schlank wie eine Weide" sich in der Regel auf Weidenzweige bezieht, die wirklich dünn sind, oder man sagt "biegsam/geschmeidig wie eine Weide", passt das eigentlich schon ;).
Antwort von:  yazumi-chan
08.08.2015 14:52
Den Vergleich hatte ich nämlich im Kopf! Also war ich doch nicht ganz doof xD Na ja, jetzt ist es geändert.
Antwort von:  Kalliope
08.08.2015 15:26
Achso! Den Ausdruck kenne ich gar nicht, deshalb kam es mir komisch vor.
Von:  animefan1998
2014-12-11T17:06:59+00:00 11.12.2014 18:06
Tolles Kapitel :) Ich lese deine Geschichte schon lange, hab mich jetzt aber erst angemeldet xD Du bekommst von mir noch ein riiiesiges Lob *Lob geb* Mach weiter so!
Antwort von:  yazumi-chan
11.12.2014 18:08
Vielen Dank :D Es freut mich immer, wenn ich neue/alte Leser in den Kommentaren finde ;)
Von:  Hexenhund
2014-12-10T21:16:29+00:00 10.12.2014 22:16
wieder mal ein schönes Kapitel, selbst wenn es mich stutzig macht dass die matrosen einfach so ein junges mädchen an ihrem Tisch akzeptieren... Diese Rita ist mir suspekt... Aber vielleicht ist sie auch einfach nur darauf aus die Fahrt ein bisschen zu erheitern...
Und ich freue mich aufs Evoli <3<3<3
Antwort von:  yazumi-chan
10.12.2014 22:19
xDDD Bald ;D
Abby darf da auch eigentlich gar nicht hin, aber sie macht es einfach und dann sagt nie jemand etwas. Das ist so eine Fähigkeit von ihr, schätze ich, sich überall rein zu manövrieren, wo sie eigentlich nichts zu suchen hat :`D
Von:  Lenny-kun
2014-12-10T19:30:26+00:00 10.12.2014 20:30
* Supi
Von:  Lenny-kun
2014-12-10T19:29:53+00:00 10.12.2014 20:29
Cool ....glaube abby will nicht hypnotisiert werden XD
Das mit dem Zirkus ist eine schöne Abwechslung joa und sonst ist alles suoi :P


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