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Abbygails Abenteuer

Road to Lavandia
von

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Größenwahn und kurze Shorts (RES-Q)

Unter vielen Versprechungen und Umarmungen verabschiede ich mich von Raphael, der mich auf der Route 37 südlich von Teak City absetzt.

„Willst du wirklich nicht bleiben?“, frage ich. Er schüttelt traurig den Kopf.

„Ich kann Richard und Gen nicht alleine in diesem Schlamassel sitzen lassen.“ Er grinst. „Außerdem habe ich jede Menge Training aufzuholen und Notizbücher zu analysieren.“

„Halt dich tapfer, Favorit.“ Ich drücke ihn ein letztes Mal, dann straffe ich meine Schultern und stapfe durch feuchtes Gras und über verzweigte Waldwege, bis ich Teak City erreiche.

Die abgebrannten Ruinen des Bronzeturms ragen am Ende der Stadt gut sichtbar in die Höhe und ich erinnere mich an die Sagen, die Heike uns erzählt hat. Vielleicht werde ich dem Turm in meiner Zeit hier einen Besuch abstatten.

Es ist früher Abend und die Straßen sind gefüllt mit Menschen, die meisten von ihnen Anwohner, erkennbar an schweren Einkaufstüten und dem asiatisch angehauchten Kleidungsstil, der sich in den Häusern und Straßenlaternen widerspiegelt. Auf meinem Weg zum Pokécenter begegnet mir jedoch auch ein gutes Dutzend Trainer, die meisten von ihnen zwölf bis sechzehn Jahre alt. Alle sind in angeregte Gespräche vertieft und gestikulieren wild umher, aber außer dem einen oder anderen Wortfetzen kann ich nichts verstehen.

Das Pokécenter ist überall ausgeschildert und so finde ich es innerhalb von wenigen Minuten. Wie in Dukatia City ist es gut ausgebaut, mit mehreren Stockwerken, in denen Trainer untergebracht werden können.

Ich will gerade einchecken, da klingelt mein Handy.

„Abby hier", melde ich mich.

„Abby, ich bin´s.“

„Louis?", frage ich verwirrt. "Warum rufst du an? Wolltest du nicht auch heute ankommen?“

„Es ist etwas dazwischen gekommen. Ich bin auf dem Weg nach Viola City.“

„Sag bloß, du hast dich schon wieder verlaufen.“

„Meine Eltern haben gerade angerufen. Meine Großmutter liegt im Sterben.“

„Oh nein…“

„Ich komme nach, sobald ich kann, aber ich muss erst nach Rosalia.“

„Klar… Oh Gott Louis, das tut mir so leid!“

„Ist schon in Ordnung.“ Er schnieft. „Ich werde rechtzeitig da sein, hoffe ich. Ich mochte sie immer sehr gerne, sie… sie war es, die mir den Mut gegeben hat, selbst loszuziehen.“

Als er auflegt, starre ich regungslos auf das Handy in meiner Hand.

„Ist etwas passiert?“, fragt Schwester Joy und ich schüttele automatisch den Kopf. „Nein, alles okay“, lüge ich. „Haben sie noch ein Zimmer frei?“

„Fast alle Zimmer, leider.“ Sie lächelt. „Seit einigen Tagen geht ein Gerücht um, dass es auf dem unbebauten Anwesen in der Stadtmitte spukt. Deswegen haben sich alle Trainer hier entschieden, die Nächte dort zu verbringen, um den Geist oder was immer es ist zu sehen.“

„Warum kümmert sich Jens nicht darum?“, frage ich. „Er verwendet doch Geisttypen. Wenn jemand den Spuk beenden kann, dann er.“

„Jens ist derzeit nicht in der Stadt“, erklärt Schwester Joy. „Deswegen sind all die jungen Trainer so entschlossen, das Pokémon zu fangen, bevor er zurückkommt. Eine Mutprobe, sozusagen. Das mag die Jugend hier.“

„Hmm.“

Das Sirren hinter mir kündigt einen neuen Besucher an. Ich drehe mich um.

Eine Trainerin, vielleicht zwanzig Jahre, kommt summend in unsere Richtung. Sie trägt Wanderschuhe, viel zu knappe Shorts, ein unbedrucktes, schwarzes T-Shirt und eine ausgebeulte, quietschgelbe Umhängetasche. Dichtes, dunkelbraunes Haar fällt ihren Rücken hinunter wie ein Wasserfall und ein fransiger Pony bedeckt die Hälfte ihrer Stirn.

Sie legt fünf kleine Pokébälle auf die Theke. „Eine Heilung und eine Zimmerverlängerung, bitte.“

„Gerne.“ Schwester Joy nimmt die Pokébälle entgegen und legt sie in die Maschine. „Es wundert mich, dass du nicht auch bei der Geistersuche mitmachst, Chris“, fährt sie fort. „Du bist schon seit einer Woche hier, du solltest Bescheid wissen.“

„Es ist ein Pokémon, was ist daran so besonders?“

„Es taucht in unregelmäßigen Abständen auf.“ Joy nimmt die Pokébälle aus der Maschine und gibt sie dem Mädchen namens Chris zurück. „Das sollte dich doch interessieren.“

„Das zeigt lediglich, dass es entweder einem Trainer gehört oder weiter gezogen ist.“ Chris steckt die Pokébälle in ihren breiten Trainergürtel. „Außerdem bin ich nur wegen einem einzigen Pokémon hier.“

„Du hast deine Suche noch nicht aufgegeben?“

„Nicht, bevor ich fündig geworden bin.“

„Welches Pokémon meinst du?“, platze ich heraus. Chris dreht sich zu mir um, so als hätte sie mich bis dahin nicht wahrgenommen. Ihr Blick gleitet kurz über meinen gesamten Körper, dann zuckt sie mit den Schultern.

„Ho-Oh.“

„Ho-Oh?!“ Ich starre sie mit offenem Mund an und selbst Schwester Joy muss bei meinem Anblick kichern.

„Merkwürdig, nicht wahr? Jeder, der von ihrem Ziel erfährt, reagiert so wie du. Aber sie ist seit über einer Woche hier und weigert sich, die Stadt zu verlassen, bevor sie Ho-Oh gefangen hat.“

„Aber das ist ein legendäres Pokémon!“, protestiere ich. „Das fängt man nicht einfach so.“

„Gold hat ein Lugia. Warum sollte ich kein Ho-Oh bekommen?“

„Gold ist eine ganz andere Liga als Trainer wie wir!“

Chris´ Blick verhärtet sich. „Ich weiß ja nicht, zu welcher Trainerkategorie du dich zählst, aber ich gehöre nicht dazu.“

„Oh, bitte um Verzeihung“, sage ich. „Ich wollte dich nicht beleidigen.“

„Ich weiß.“ Chris wendet sich Richtung Treppe. „Heutzutage ist meine Art nur selten.“

„Was ist denn mit der los?“, frage ich und schaue Chris griesgrämig hinterher.

„Sie ist ein wenig eigensinnig“, sagt Joy fröhlich. „Wenn ich in dieser Woche etwas über sie gelernt habe, dann dass sie ihr Ziel nie aus den Augen verliert und es ihr völlig egal ist, wer sich ihr in den Weg stellt.“

Ich ziehe eine Augenbrauen hoch. Schwester Joy lacht.

„Du hättest ihre Diskussion mit den Weisen sehen sollen, als man sie nicht auf den Glockenpfad lassen wollte.“ Sie lehnt sich etwas zu mir nach vorne und mir wird klar, dass hier jemand ein großes Pensum Klatsch und Tratsch nachzuholen hat. Tja, niemand ist dafür besser geeignet als Abbygail Charlotte Hampton. „Ich war nicht selbst dabei, aber ich habe mich mit einigen Leuten unterhalten, die zufällig dort waren. Normalerweise werden nur diejenigen durchgelassen, die sowohl den Phantomorden als auch ein Relikt mitbringen. Das Relikt hatte sie, aber nicht den Orden. Daraufhin hat sie über eine Stunde mit dem Weisen diskutiert, bevor sie zur Arena ging, Jens holte und ihn dem Weisen bestätigen ließ, dass sie ein stärkerer Trainer ist als er.“

„Das ist ein Scherz.“

„Oh nein. Jens bat den Weisen, Chris den Durchgang zu gewähren, weil sie in der Tat stark genug ist, den Phantomorden jederzeit zu gewinnen.“

„Warum macht sie das dann nicht einfach?“, frage ich. „Wenn sie so stark ist, kann sie sich doch wohl die zwanzig Minuten Zeit nehmen, die sie in der Arena braucht und den Orden einfach gewinnen.“

„Das verstehe ich auch nicht ganz, um ehrlich zu sein.“ Joy tippt sich an die Lippen. „Aber sie scheint mit Jens und seinem Besucher befreundet zu sein.“

„Besucher?“

„Ein Freund von Jens ist vor Chris hier angekommen. Wegen ihm ist Jens nicht in der Stadt, die beiden sind unterwegs.“

„Und seit einer Woche versucht Chris, das Ho-Oh im Glockenturm zu fangen?“

„Das sagt sie. Sie hat angeblich siebzig Hyperbälle in unserem Markt gekauft. Das sind 84000 Pokédollar, das muss man sich mal vorstellen!“

„Na, reich ist sie auf jeden Fall“, meine ich mürrisch und denke an mein eigenes längst wieder viel zu niedriges Vermögen. Daran muss ich auch noch etwas ändern.

„Ich glaube, ich schlafe auch auf dem leeren Anwesen“, sage ich dann zu Schwester Joy. Sie lächelt wissend.

„Hoffentlich ist der Spuk bald vorbei, sonst wird das ein sehr schlechter Monat für uns.“

 

Das verlassene Grundstück zu finden, fällt nicht weiter schwer. Es wird bereits dunkel und die Trainer, die noch unterwegs sind, werden wie von einer unsichtbaren Kraft alle in die gleiche Richtung gezogen.

Ich rufe Sku, die wegen meines Krankenhausaufenthalts kaum an die frische Luft gekommen ist und mir den Auslauf jetzt mit einem fröhlichen Quieken dankt, dann schmiegt sie sich um meine Beine und läuft voraus.

Bereits nach der dritten Straßenbiegung kann ich zwischen zwei Häuserblocks flackerndes Licht erkennen. Gemeinsam mit Sku folge ich der Straße und erreiche schließlich das Grundstück. Das unbebaute Stück Boden reißt ein Loch in das Profil der sonst so schön ausgebauten Stadt, aber trotz der Leere hat es einen gewissen Charme.

Liegen gelassene Stahlträger, alte Kisten und herunter gerissenes Absperrband verleihen dem Anwesen eine eigenartige Atmosphäre, die mir die Haare zu Berge stehen lässt, kaum dass ich in den flackernden Kreis des Lagerfeuers trete, das die Trainer in der Mitte zwischen zerbrochenen Ziegelsteinen entfacht haben.

Lachen und Schreie dringen an meine Ohren und der Geruch brutzelnder Marshmallows, Gemüsespieße und Stockbrot füllt meine Nase.

"Bist du neu hier?"

Ich drehe mich erschrocken um und sehe einen Jungen, etwas älter als ich, der an sein gepimptes Bike gelehnt hinter mir steht. Zwischen ihm und der Trainergruppe liegen gute zwanzig Meter – und ich stehe genau dazwischen.

"So offensichtlich?", frage ich und drehe mich zu ihm um. Sku taucht neben mir auf und legt sich flach auf den Bauch. Sie ist misstrauisch.

"Nicht wirklich." Er grinst breit und kratzt sich am Ohr. "Ich bin nur jeden Abend hier, deshalb habe ich dich nicht erkannt."

"Warum setzt du dich nicht zu den anderen?", frage ich.

"Ich gehöre nicht dazu."

"Ich auch nicht", entgegne ich lachend. "Ich gehe trotzdem einfach hin."

"Das verstehst du nicht… ach, ist ja auch egal. Ich bin Michael. Nenn mich Mik."

"Abby. Warum-"

Weiter komme ich nicht, denn er schwingt sich schon gekonnt auf das Bike und düst davon.

"Komischer Vogel", sage ich und Sku brummt zustimmend.

Als ich das Lagerfeuer erreiche, drehen sich einige der Trainer erwartungsvoll um und treten enttäuscht zur Seite, als sie sehen, dass ich kein Geist bin.

Ich grinse, lache, stelle mich bei den meisten vor, halte kurze Gespräche und komme schließlich bei einem freien Platz auf dem Stahlträger gleich neben dem Feuer an. Ich setze mich und schaue nach links, nur um ein mir bekanntes Gesicht zu entdecken.

"Gib mir eine Sekunde", sage ich, während ich mein Gedächtnis nach dem Jungen durchforste. Langes, dunkelbraunes Haar, Flechtbändchen… "Du bist Toby, richtig? Wir haben dich mit Maisy vor Azalea City getroffen."

"Ja, du hast Recht!" Er gibt mir seine Hand und ich schlage ein. "So sieht man sich wieder. Abby, oder? Wo ist dein Freund?"

"Ihm ist etwas dazwischen gekommen, wir mussten uns trennen", sage ich. "Ich hoffe, er kann bald nachkommen."

"Wir warten auch auf jemanden", gesteht Toby. "Erinnerst du dich noch an Timothy?"

"Er war in eurer Gruppe, oder? Der Stille?"

"Ja, genau. Er hat gegen Bianka verloren. Wir sind vorgegangen, aber…"

"Jens ist weg, ich weiß. Ihr habt Pech."

"Kannst du laut sagen. Ah, da kommt George. Hey, George, schau mal, wer hier ist! Abby, erinnerst du dich an sie?"

"Nein." Ich hebe den Kopf. Georges weiße Haut ist im Feuerschein orangerot gefärbt und seine schwarzen Röhrenjeans lassen ihn aussehen wie ein Zweig. "Sollte ich?"

"Nimm ihn nicht ernst", lacht Toby verlegen. "Er hat nur Augen für Clara."

"Wo ist sie im Übrigen?", fragt George und wirft Toby ein Stockbrot zu. "Ich habe sie seit einer halben Stunde nicht mehr gesehen."

"Sie hat glaube ich nach einem Klo gesucht und dann-"

"KYAAAAA!"

In Sekundenschnelle sind alle anwesenden Trainer aufgesprungen. Köpfe drehen sich suchend, ein oder zwei Jungen deuten in unterschiedliche Richtungen und mehr als einer ruft sein Pokémon. Mehrere Sekunden lang ist die Luft erfüllt von Rufen, Geschrei und rotem Licht.

Als sich das Chaos gelichtet hat, springt ein Mädchen, vielleicht sechzehn, auf einen schräg stehenden Stahlträger und hebt die Arme.

"RUHEEEEE!"

Zu meiner großen Überraschung kehrt nicht nur Ruhe ein, jeder der anwesenden Trainer dreht sich automatisch in ihre Richtung und lauscht.

"Fehlalarm Leute, einer der Biker hat sich einen Scherz erlaubt. Der Geist taucht erst nach Mitternacht auf, das wisst ihr doch."

Sie springt von dem Träger und landet gehockt in knöcheltiefem Matsch. Einer der Spritzer landet auf ihrer Wange, aber sie kümmert sich nicht darum. Im Feuerschein kann ich nicht sicher sein, aber ihre Hochsteckfrisur hat die Farbe glühender Kohlen und sieht so aus, als hätte sie ihre Haare seit einer Woche nicht neu sortiert.

Sie sieht verwegen aus. Und unendlich cool.

"Wer ist das?", frage ich ehrfürchtig und folge ihr mit meinem Blick. George verdreht die Augen.

"Noch eine Fanatikern, na herzlichen Glückwunsch."

"Fanatikerin?"

"Hör nicht auf ihn." Toby legt kameradschaftlich einen Arm um meine Schulter und deutet subtil in ihre Richtung. "Das ist Wiesel. Niemand weiß, wie sie wirklich heißt, nur dass sie die erste war, die den Geist entdeckt hat und diejenige, die seitdem die Gruppe hier organisiert."

"Das klingt wie ´ne richtige Bewegung", sage ich und bemühe mich, Wiesel nicht aus den Augen zu verlieren - vergeblich.

"Ist es auch. Wir sind erst seit zwei Tagen hier, aber der Teamgeist, der hier herrscht ist ansteckend. Dich wird es auch noch erwischen, warte es nur ab."

"Sie ist doch schon längst auf ihre Masche reingefallen", murrt George und setzt sich wieder neben Toby. "Wetten, diese ganze Bikeraktion war auch von ihr initiiert? Sie merkt, dass immer mehr Trainer herkommen, deshalb muss sie dafür sorgen, dass niemand vergisst, wer hier das Sagen hat. Wir sollten Jens herausfordern und abhauen, sobald wir den Orden haben."

"Wir wollen auf Tim warten, oder nicht?", fragt Toby. "Er ist mein bester Freund, ich habe mich in Dukatia City von euch breitschlagen lassen, aber ich werde nicht noch weiter ohne ihn reisen."

"Mach was du willst." George spuckt auf den Boden. "Und wo zum Henker bleibt Clara?"

"Sorry, Jungs."

Ich schaue an George und Toby vorbei und entdecke Clara, deren Locken im Feuerschein golden leuchten. Sie streckt Toby die Zunge heraus und setzt sich dann auf Georges Schoß, der automatisch beide Arme um ihre Taille legt.

Toby zwinkert mir zu und ich grinse wissend.

"Hast du eben so geschrien?", nuschelt George in Claras dichten Haarschopf. "Ich habe deinen Schrei erkannt."

Toby räuspert sich und schaut überall hin, nur nicht zu den Beiden. Ich brauche einen Moment, dann laufe ich knallrot an. Gut, die beiden sind älter, aber trotzdem!

"Ja, war ich. Einer von diesen Scheißbikern ist mir gefolgt, als ich vom Klo zurückkam und ich habe mich voll erschreckt."

"Keine Sorge, sobald Jens wieder hier ist, können wir diese verfluchte Stadt verlassen."

"Bist du sicher, dass du stark genug bist?", fragt Toby neckend. George schüttelt sein fettig glänzendes Haar aus seiner Stirn und schaut ihn wütend an.

"Was soll das denn heißen?"

"Während du und Clara frisch verliebt durch die Gegend gelaufen seit und euch… anderweitig beschäftigt habt, habe ich trainiert. Dein letzter Kampf ist schon eine ganze Weile her."

"Fick dich, Toby."

Er hebt ergeben die Hände. "Nur so ein Gedanke."

"Sag mal, kennt einer von euch eine Chris?", frage ich nach kurzem Zögern.

George und Toby schütteln den Kopf.

"Ich habe sie einmal getroffen", sagt Clara plötzlich. "Sie lief in diesen Shorts rum, bei denen man ihren halben Arsch sehen konnte."

"Ja, genau die." Ich beuge mich etwas zu den dreien vor. "Angeblich will sie das Ho-Oh im Glockenturm fangen."

"Im Ernst?" Clara lacht. "Sie kam mir schon vom ersten Moment an überheblich vor, aber das toppt alles."

"Alle mal herhören!"

Wiesels Stimme schneidet durch die Gespräche wie ein Messer durch weiche Butter. Alle Augen richten sich auf sie. Ihr feuerrotes Haar leuchtet und ihre Augen strahlen ein unerschütterliches Selbstvertrauen aus.

George schnaubt.

"Die meisten hier kennen mich bereits. Für diejenigen, die neu dazugekommen sind, ich bin Wiesel und ich bin es, die das Geisterpokémon zuerst entdeckt hat."

"Jeder von euch ist hier, um dem Spuk von Teak City ein Ende zu bereiten. Aber ich glaube, wir können mehr sein als das."

"Die hat sie ja nicht mehr alle", murmelt George

"Shh!" Toby sieht wütend zu ihm rüber. Auch ich hänge gebannt an Wiesels Worten.

"Lasst mich erklären", fährt sie fort. "Die Biker in Teak City sind korrupt, jeder weiß das. Sie überfallen alte Menschen und kleine Kinder, die sich nicht wehren können. Sie berauben Trainer in Gruppen, wenn diese alleine unterwegs sind. Sie haben von unserem Vorhaben erfahren und schleichen seit Tagen um diesen Platz, erschrecken unsere Mitglieder, legen falsche Spuren. Sie wollen uns und die ganze Stadt boykottieren."

Sie breitet die Arme aus. "Die Biker in dieser Stadt machen sich über uns Trainer lustig. Ihr seid hier, weil ihr fasziniert seid von dem Geisterpokémon, das auftaucht und wieder verschwindet, wie es ihm gefällt, aber ihr seid auch Trainer! Alleine sind wir schwach, aber gemeinsam sind wir stark. Die Biker werden es bereuen, sich mit uns angelegt zu haben!"

Schweigen. Gemurmel.

"Ich kann den Zusammenhang nicht ganz nachvollziehen…", murmelt Toby in mein Ohr.

"Ich auch nicht." Ich denke an Jack, der sich über die Biker in Teak City beschwert hat. An seine Frustration, dort nicht helfen zu können. An seine Wut auf die Trainer, die nur an sich selbst interessiert sind. "Aber ich glaube, das ist eine richtig gute Sache."

Ich stehe auf und schaue zu Wiesel. "Ich bin dabei."

Wiesels Blick fällt auf mich und die Intensität ihrer Augen verbrennt mich förmlich. Dann strahlt sie. "Wer will sich uns anschließen?"

Meine Zustimmung hat den Damm gebrochen. Mehr und mehr Trainer stehen auf und rufen ihre Zustimmung in die Nacht hinaus.

Aber einige der Trainer bleiben sitzen, manche gehen sogar kopfschüttelnd. George ist einer von ihnen. Er steht auf, verabschiedet sich von Toby und verlässt gemeinsam mit Clara das Grundstück.

Als sich die Fronten geklärt haben, stehen etwa zwanzig Trainer vor Wiesel, die stolz auf die Verbliebenen herabschaut.

"Eine Gruppe dieser Größe braucht Struktur", sagt sie. "Wir müssen einen Anführer wählen, seine rechte Hand und Teamleiter. Wir brauchen Regeln und einen Namen. Als erstes der Anführer. Ich stelle mich zur Wahl. Wer möchte einen anderen Kandidaten aufstellen?" Zu niemandes Überraschung bleiben die Trainer ruhig. Wiesel zuckt die Schultern.

"Ich wurde hiermit offiziell zur Anführerin gewählt. Ich werde meine rechte Hand ernennen, sobald ich euch alle etwas besser kennen gelernt habe und weiß, wie ihr euch im Einsatz verhaltet. Nun zu unserem Namen. Gibt es Vorschläge?"

"Die Rächer!"

"Geisterjäger!"

"Wiesels Spezialeinheit!"

"Rescue!"

Wiesel hebt die Hände. Es wird still. "Rescue hat einen guten Klang. Aber warum machen wir das Ganze nicht kompakter? RES-Q, was haltet ihr davon?"

Gemurmel. Einstimmiges Nicken.

"In Ordnung, liebe Qs", sagt Wiesel und im Schein des Feuers leuchten ihre Wangen. Ich kann förmlich sehen, wie zufrieden sie mit dem Verlauf des Abends ist. "Heute Nacht werden wir uns gegenseitig kennen lernen, Regeln entwerfen und Ausschau nach dem Geisterpokémon halten. Aber eine Regel gilt von Anfang an."

Team RES-Q hält gebannt den Atem an.

"Die Biker sind der Feind. Und wir stehen im Krieg. Wer sich freundschaftlich mit ihren Mitgliedern gibt, muss mit den Konsequenzen rechnen. Das ist alles." Sie springt von dem Stahlträger und macht die Runde, um jedem die Hand zu schütteln und alle nach ihren Namen zu fragen.

Als sie bei mir ankommt, drückt sie meine Hand mit beiden Händen. "Vielen Dank. Ohne dich hätten sich die anderen vielleicht nicht getraut."

"Ich finde es gut, dass jemand die Sache in die Hand nimmt", entgegne ich grinsend. "Wir Trainer müssen schließlich auch unseren Teil beitragen."

"Du sagst es, Schwester. Wie heißt du?"

"Abby. Abbygail Hampton." Sie nickt mir zu, dann geht sie weiter zu Toby. Kaum ist sie weg, sinkt mir das Herz in die Hose.

"Die Biker sind der Feind. Und wir stehen im Krieg. Wer sich freundschaftlich mit ihren Mitgliedern gibt, muss mit den Konsequenzen rechnen."

Ich muss an Mik denken, der so schüchtern neben seinem Bike stand und wirklich nett wirkte.

Ich habe plötzlich ein ganz schlechtes Gefühl bei dieser Sache.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Kerstin-san
2017-04-10T16:21:50+00:00 10.04.2017 18:21
Hallo,
 
nooooin, geh nicht Raphael! Ich werde ihn so vermissen *schnief*
Aber jetzt geht es mit Teak City weiter. Ich liebe Teak City und all die Mythen und Legenden, die sich um diese Stadt ranken. Dazu noch die Kimonogirls, hach ja :)
 
Uhh, Chris hat hohe Ziele, was? Aber andererseits wird man als Normalsterblicher wohl kein Glück haben je ein legendäres Pokémon zu treffen. Da muss man wohl schon gezielt nach ihm suchen und wenn man an sich selbst zweifelt, wird man es wohl nie schaffen sich ein legendäres Pokémon zu fangen. Das sie nicht den Orden gewinnt, sondern Jens als Zeugen herholt, der bestätigt, dass sie ih jederzeit besiegen könnte, fand ich jetzt aber auch seeeehr umständlich.
 
Tja, also jetzt ne Geisterjagd, warum wundert es mich überhaupt nicht, dass Abby auf ihr gemütliches Zimmer verzichtet, sondern beschließt eine Spuknacht erleben zu wollen? xD Wiesel ist nicht mein Fall. Ob sie die ganze Geisteraktion insgeheim insziniert hat, damit möglichst viele Trainer auftauchen und sie ein Team rekrutieren kann, dass den Bikern entgegen tritt? Zutrauen würde ich es ihr. Hab auf jeden Fall kein gutes Gefühl, weil sie gleich so aggressiv auftritt. Mal sehen, ob Abbys Bauchgefühl richtig lag oder ob sie es im Nachhinein bereuen wird.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  _Risa_
2015-08-23T16:18:05+00:00 23.08.2015 18:18
>Es ist früher Abend und die Straßen sind gefüllt mit Menschen, die meisten von ihnen Anwohner, erkennbar an schweren Einkaufstüten und dem asiatisch angehauchten Kleidungsstil, der sich in den Häusern und Straßenlaternen widerspiegelt.<
Mach dir nichts draus, bei mir sprechen sie auch japanisch. XD ich bin aber froh, dass du Teaks Atmosphäre miteinbeziehst :)

>„Abby hier", melde ich mich.
„Abby, ich bin´s.“
„Louis?", frage ich verwirrt. "Warum rufst du an? Wolltest du nicht auch heute ankommen?“
„Es ist etwas dazwischen gekommen. Ich bin auf dem Weg nach Viola City.“
„Sag bloß, du hast dich schon wieder verlaufen.“
„Meine Eltern haben gerade angerufen. Meine Großmutter liegt im Sterben.“
„Oh nein…“
„Ich komme nach, sobald ich kann, aber ich muss erst nach Rosalia.“
„Klar… Oh Gott Louis, das tut mir so leid!“
„Ist schon in Ordnung.“ Er schnieft. „Ich werde rechtzeitig da sein, hoffe ich. Ich mochte sie immer sehr gerne, sie… sie war es, die mir den Mut gegeben hat, selbst loszuziehen.“<
Der arme Louis :( Du lässt seine Oma schreiben, weil du ihn noch nicht hierhaben willst, ne? :/

>Warum kümmert sich Jens nicht darum?“, frage ich. „Er verwendet doch Geisttypen. Wenn jemand den Spuk beenden kann, dann er.“
„Jens ist derzeit nicht in der Stadt“, erklärt Schwester Joy. „Deswegen sind all die jungen Trainer so entschlossen, das Pokémon zu fangen, bevor er zurückkommt. Eine Mutprobe, sozusagen. Das mag die Jugend hier.“<
Bianka war doch auch weg. Wurden die entführt oder haben die einfach keinen Bock mehr auf die ganze Scheiße? XD

>„Ho-Oh.“
Wenn Gold Lugia fangen kann xD

>"Die Biker sind der Feind. Und wir stehen im Krieg. Wer sich freundschaftlich mit ihren Mitgliedern gibt, muss mit den Konsequenzen rechnen."
Ich muss an Mik denken, der so schüchtern neben seinem Bike stand und wirklich nett wirkte.
Ich habe plötzlich ein ganz schlechtes Gefühl bei dieser Sache.<
Du hast ein Händchen für Schwierigkeiten, Mädel xD


Antwort von:  yazumi-chan
23.08.2015 18:34
Ich gebe zu, das mit Louis´ Oma hast du durchschaut xD Die Stelle ist ein bisschen aus dem Nichts, aber zu dem Zeitpunkt sah ich keine andere Wahl. Ich bin ein schlechter Mensch v.v

Wo Jens ist, wird sich etwas später herausstellen. Bianka hat Urlaub mit ihrem Freund genommen. Darf sie ja wohl xD
Von: abgemeldet
2015-04-29T06:00:00+00:00 29.04.2015 08:00
"und dem asiatisch angehauchten Kleidungsstil" - okay, fangen wir mal wieder mit Pokémon-Logik an xD Ist deine Pokémon-Welt seperat, oder auch so 'n Mischmasch, in dem man keine Katzen mehr kennt, aber weiß, was China ist? XD
Nachdem Louis angerufen hast, muss nochmal ein Zeilenumbruch ins Gespräch zwischen Joy und Abby :)

Hmmm, eine starke Trainerin, die keine Orden sammelt ... da klingelt was bei mir.
Allgemein habe ich bemerkt, dass es recht viele Leute gibt, die keine Orden sammeln. Fast als ob ... da mehr dahinter stecken würde, als purer Trotz. Nur so ein Gefühl, aber es lässt mich einfach nicht los.
Oho :D Teak City - Stadt der Geister, der Legenden und der anzüglichen Witze :D Clara scheint ja nicht langweilig zu sein^^
Chris war mir auf einen Schlag sympathisch, Wiesel hingegen gar nicht. Mich erinnert ihre Ansprache so ein bisschen an einen Herren, der vor achtzig Jahren ziemlichen Scheiß verzapft hat^^'' Du weißt schon, der mit dem markanten Bart. Ich glaub' nicht, dass sie einfach nur Ruhe und Ordnung in Azalea wiederherstellen will. Da steckt mehr dahinter und ich glaube Abby wird es noch bereuen, ihr geholfen zu haben.
Na mal sehen.
Antwort von:  yazumi-chan
29.04.2015 12:57
Wer weiß, wer weiß :D Wiesel spricht sehr merkwürdig, das stimmt, aber warten wir mal ab, was sich hier so ergibt. Es freut mich sehr, dass Chris gut ankommt^^
Von:  Kalliope
2015-03-15T18:31:42+00:00 15.03.2015 19:31
Du hast am Anfang ein paar Mal "sechszehn" geschrieben, da ist das "s" zu viel.
Wiesel scheint was im Schilde zu führen und Mik kam mir auch nicht bedrohlich vor. Oh-oh, das riecht nach neuem Ärger für Abby. Sie kann es auch nicht lassen xD Chris finde ich ganz cool, da bin ich mal gespannt, was sie mit Ho-Oh anstellen will. Nicht jeder starke Trainer muss Orden sammeln.
Antwort von:  yazumi-chan
15.03.2015 19:35
Keine Sorge, du wirst sie noch besser kennen lernen :)
Von:  Hexenhund
2014-08-06T17:07:01+00:00 06.08.2014 19:07
Juhu, neue Seite!
Du schliesst hier so schön alles ab, als würdest du den ersten Roman einer Trilogie beenden und Jahre bis zum Nächsten brauchen (Das grosse Trauma meiner Kindheit: WEHE DU TUST MIR DAS AN!)
Beim erneuten Durchlesen deines FF (4 Tage habe ichdafür gebraucht! 4!!!) Bin ich auf etwas gestossen was ich volkommen vergessen hatte: Das kleine Evoli von Karin... (Und sie bekam einen Wasserstein? Meine Alarmhlocken bimmeln)
Jetzt wo die erste Partie irgendwie ein bisschen beendrt ist kommt sie ja da bald mal vorbei es abholen... (Ich liebe Evoli!)
Ich bleibe gespannt fürs weitere, hoffe dass sie bald Zach wieder beliebt macht und dabei ihren Eintritt in die Medien macht ;) , was das ganze mit dwn Jugendlichen zu tun hat und natürlich die ganze Situation mit Louis (wibei ich sagen muss dass, obwohl du ihn liebevoll beschreibst und ich ihn auch wirklich gerne habe, ich nicht sicher bin ob ich wirklich abby mit ihm sehe... naja... )
Jedenfalls hat dein FF, meine letzten- ansonsten Lektüre-leeren-Ferientage versüßt!
Lg Hexenhund

Antwort von:  yazumi-chan
06.08.2014 19:15
Keine Sorge, das Trauma habe ich auch xD Erst mal finde ich es Wahnsinn, dass du die ganze FF NOCHMAL gelesen hast, kurz ist sie nicht gerade. Jaja, das kleine Evoli^^ Da meine Klausuren jetzt vorbei sind (HURRA :D), geht es mit dem Schreiben in Rekordtempo weiter ;) Ich hoffe, was in Zukunft auf dich wartet, gefällt dir genauso gut.
Frage aus Interesse: Ist deine Theorie bezüglich Zach wahr gewesen? ;)
Antwort von:  Hexenhund
07.08.2014 19:47
jaja, unsere leiden...
Ach weist du, ich langweilte mich (nur ETa hoffman dabei...) und deine FF, ist beiweiten besser als die letzten romane dich ich zuletzt gelesen habe ;)
Herzlichen Glückwumsch! und ich freue mich natürlich umso mehr :3 (natürlich wird es mir weiterhin so gefallen!! [Fan geworden bin])

Also... sagen wir dass jemand der team rocket über alles hasst ihr gleich beitritt schon meinen Argwohn erregt hat... (aber als Leser ist man eben viel gewöhnt [ich weiß in Krimis immer wer es ist, bloß nicht warum]) aber ansonsten überrascht dein FF andauernd ^^
lg Hexenhund


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