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Elijah – Das Herz eines Alphawolfs

von

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3. Kapitel

Der Vollmond war gerade erst aufgegangen, als Holly sich in seinen Armen zu regen begann.

Ihre Fingerspitzen streichelten zunächst sanft, beinahe entschuldigend über einen leuchtend roten Kratzer, den sie auf seiner Brust im Feuer der Leidenschaft hinterlassen hatte, bis sie bemerkte, dass er wach war und auf sie herab blickte.

„Hey.“ Ihre Stimme war nur ein sanfter Hauch im Wind. Kaum hörbar würden sich im Augenblick nicht sämtliche seiner Sinne auf sie richten.

„Hey.“ Seine Erwiderung war nicht wesentlich lauter, aber vermutlich aus ganz anderen Gründen. Er fühlte sich immer noch schuldig.

„Habe ich lange geschlafen?“ Holly verdrehte ihren Kopf noch ein Stück weiter, um durch die Bäume hindurch in den Nachthimmel schauen zu können.

„Nein.“

Elijah betrachtete ihr vom Mondlicht zart erleuchtetes Gesicht, bis etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich zog und ihm noch weiter zusetzte.

Dunkle Flecken bedeckten ihren zierlichen Hals und schienen ihn und seine Unbeherrschtheit zu verhöhnen. Ja, ihn regelrecht zu verspotten dafür, was für ein elendiger Köter er war.

„Das ist gut. Denn ich könnte mir selbst nicht verzeihen, wenn ich unsere kostbare Zeit mit Schlafen verschwendet hätte.“ Holly gähnte hinter hervorgehaltener Hand und rieb sich kurz über die Augen.

Sie wirkte völlig unbekümmert.

„Eigentlich wollte ich nicht einschlafen, aber ich war letzte Nacht so mit packen beschäftigt, dass ich kaum eine Stunde die Augen zumachen konnte und dann der Tag heute, das war einfach so ... Eli?“

Zarte Finger berührten sein Kinn und zwangen ihn dazu, den Blick wieder zu heben. Er konnte ihr kaum in die Augen schauen.

„Ist alles mit dir in Ordnung?“

Er antwortete nicht.

Nein. Gar nichts war in Ordnung. Und je länger er Zeit hatte, darüber nachzudenken, umso deutlicher wurde er sich dessen bis in jede Faser seines Körpers bewusst.

Schwach schüttelte Elijah schließlich den Kopf, setzte sich auf und wandte ihr den Rücken zu, so dass er seine Arme um seine Knie schlingen und sich vollkommen vor ihr zurück ziehen konnte, so wie er es schon längst hätte tun sollen.

Doch während sie noch selig und zufrieden geschlafen hatte, war es ihm einfach unmöglich gewesen, sie loszulassen. Viel zu vertrauensvoll hatte sie sich an ihn geschmiegt, ihre zarten Fingerspitzen gegen seine Brust gepresst und darauf vertraut, dass er über sie wachen würde, wie damals vor so langer Zeit.

Zu nichts anderem fähig hatte er sie, trotz der wachsenden Abscheu vor sich selbst, zärtlich im Arm gehalten, dabei sanft ihren weichen Nacken gestreichelt und sich jede Sekunde dafür verflucht, was für ein beschissener Feigling er war. Der zuließ, dass dieses Arschloch von Vater ihn all die Jahre von ihr hatte fernhalten können, bis ihnen schließlich keine Zeit mehr blieb.

Elijahs Kehle fühlte sich mit einem Mal an, als hätte jemand Klauen hineingeschlagen und würde mit aller Macht zudrücken.

In seinem Kopf heulte sein Wolf laut und gequält. Ein herzzerreißender Laut, der in der Einsamkeit seiner Gedanken unbeachtet verhallte.

Als hätte sie es dennoch gehört, kniete Holly plötzlich neben ihm und berührte sanft seine Schulter. Kurz suchte sie seinen Blick, doch dieses Mal wich Elijah offen aus. Sie sollte nicht sehen, was sich in seinen Augen abspielte oder in seinem erbärmlichen Herzen.

„Eli, was hast du?“, verlangte sie vorsichtig zu wissen.

Dieses Mal bekam sie keine Antwort.

„Ist es, weil wir miteinander geschlafen haben?“

Das verräterische Ding in seiner Brust machte bei der Erinnerung daran einen Satz und pumpte das Blut noch heißer durch seine Adern, doch das war nicht der Grund, warum er sich so beschissen fühlte, auch wenn Holly das zu glauben schien.

„Ich hatte eigentlich das Gefühl, dass du es auch willst.“ Sie ließ ihn mit einem Mal los und sank auf ihre Fersen zurück.

„Wenn du das bedauerst, dann tut es mir ehrlich leid. Aber ich wollte dich von dem Moment an, als ich in dir nicht länger den kleinen Jungen von damals sehen konnte. Egal wie sehr ich mich angestrengt habe, diesen Gedanken zu verdrängen. Und als du mich dann geküsst hast, da dachte ich ... “

Ihr Atem zitterte, als sie tief Luft holte, um sich für ihre nächsten Worte zu wappnen. „Da dachte ich einfach, dass du in mir auch nicht länger das kleine Mädchen, sondern die Frau siehst und in deinem Herzen noch irgendwo ein Funken Zuneigung für mich sein muss. Zumindest genug, um mich gerne küssen zu wollen.“

Es war zu viel. Ihre Worte und die Art wie Holly sie leise und für sie so untypisch zögerlich aussprach, schnitten sich noch tiefer in sein Herz. Schraubten die Klammern enger um das dicke Eis, das es vollkommen überzog, seit seine Mutter ermordet wurde, bis es schließlich brach.

Mit einem wütenden Grollen in der Kehle, das eigentlich ein jämmerlicher Schluchzer hätte sein sollen, kam Elijah auf die Füße. Für einen Moment stand er einfach nur da, am ganzen Leib bebend, die Hände zu Fäusten geballt und jeder Muskel bis zum Zerreißen gespannt.

Er hatte das Gefühl, jede Sekunde zu explodieren, kämpfte aber mit aller Macht gegen die Verwandlung an, denn er verdiente den Schmerz, der dabei durch ihn hindurch brannte, ohne die Erlösung durch seine Wolfsgestalt.

„Ich wollte einfach abhauen!“, entfuhr es ihm plötzlich wild und voll von Selbsthass.

„Wärst du nicht gewesen, hätte ich einfach nach dem Abschluss meine Sachen gepackt und wäre verschwunden, ohne mich auch nur noch einmal umzudrehen! Ich hätte das alles einfach hinter mich gelassen, verstehst du?“

Die Anspannung in seinem Körper ließ so schlagartig nach, als hätten seine Muskeln dem Druck tatsächlich nicht mehr länger standhalten können. Seine Fäuste öffneten sich und das Kinn sank ihm auf die Brust. Der dadurch entstehende Zug in seinem Nacken war das Einzige, was er noch fühlen konnte. Der Rest von ihm war wie betäubt.

„Ich hätte mir jeglichen Gedanken an dich versagt. So wie ich es schon seit Jahren tue. Weil ich mir nicht hätte eingestehen können, was du mir eigentlich bedeutest und was mir unsere Freundschaft immer bedeutet hat. Irgendwann hätte ich dich vielleicht sogar vergessen können.“

Elijah ging bei diesem schrecklichen Gedanken in die Knie und hörte auf, sich noch länger selbst zu belügen. Er hatte ohnehin nicht mehr die Kraft dazu. Weshalb seine nächsten, dem schwarzen Loch in seiner Brust entspringenden Worte, nur noch als Flüstern über seine bebenden Lippen kamen.

„Ich hasse mich selbst dafür, dass ich unsere Freundschaft einfach kampflos aufgegeben habe, nur weil ich so ein beschissener Feigling bin.“

In der aufziehenden Stille brannte sich eine heiße Träne einen Weg über Elijahs kalte Wange hinab zu seinem Kinn, doch noch bevor sie fallen konnte, wurde sie von einer anderen Wange aufgehalten und einfach fortgewischt.

Hollys Arme schlossen sich behutsam um ihn, während ihr weiblicher Körper sich fest gegen seinen Rücken drängte und ihn von innen heraus zu wärmen begann.

„Also hast du mich in Wahrheit nie gehasst?“ Ihre Stimme prickelte wie sanfter Regen auf seiner Haut.

Seine hingegen schien gebrochen. „Nein.“

„Und du hast auch nie, nicht einmal eine Sekunde lang gedacht, ich wäre unter deiner Würde, obwohl ich ein Omega bin?“

Niemals!.“

„Du wärst also gerne auch weiterhin mein bester Freund geblieben.“

Keine Frage. Eine Feststellung. Elijah antwortete trotzdem.

Ja.“

„Dann“ Holly küsste zärtlich seine Schulter und streichelte über seine Brust. „bist du kein Feigling.“

Dieser Logik konnte er einfach nicht folgen, so sehr er sich auch bemühte.

„Du irrst dich.“

„Tu ich das?“ Sie rutschte an seine Seite, die Arme immer noch um seinen Nacken geschlungen und seinen Blick suchend, ohne ihn halten zu können.

„Korrigiere mich, falls ich mich wirklich irre, aber hast du dich nicht die ganze Zeit über von mir fern und mich auf Abstand gehalten, über deine eigenen Wünsche hinweg und dich selbst zum einsamen Wolf verdammend, weil du nicht wolltest, dass mit mir das Gleiche passiert, wie mit deiner Mutter?“

Vor Überraschung weiteten sich Elijahs Pupillen so stark, bis nur noch ein schmaler blauer Ring darum herum zu erkennen war.

„Du bist kein Feigling, Eli. Sonst hättest du mich nicht die ganzen Jahre über vor deinem Vater zu beschützen versucht.“

„Aber woher-“, setzte er an, doch Holly legte ihm einen Finger auf die Lippen und schüttelte sacht den Kopf.

„Wir wissen beide, was für ein mieses Arschloch dein Vater ist und obwohl es das Rudel in seiner Anwesenheit nie zugeben würde, gibt es doch schon von Anfang an Gerüchte, die besagen, dass es eben kein Unfall war. Wenn man es also genau betrachtet, sind wir anderen die Feiglinge, weil wir dich damit alleine gelassen haben. All die Jahre. Und dieser Wichser immer noch das Rudel anführt, als sei nie etwas gewesen.“

Sprachlos ließ Elijah sich auf seine Fersen zurücksinken und konnte nichts weiter tun, als in diese großen, smaragdgrünen Augen zu starren, in denen es verräterisch glänzte.

Holly verringerte die entstandene Distanz zwischen ihnen dadurch, dass sie sich einfach rittlings auf seine Oberschenkel setzte und ihre zittrigen Hände sich an seinen Schultern festhielten.

„Es tut mir leid, dass ich so dumm und egoistisch war und nicht bemerkt habe, was du wirklich fühlst. Dabei hätte gerade ich als deine beste Freundin sehen müssen, was wirklich los ist. Aber ich hab nicht-“

Ihr stockte der Atem und es brach Elijah das Herz, als er die Tränenflut sah, die sich plötzlich über ihre Wangen ergoss, während Holly gequält das Gesicht verzog und nun selbst seinem Blick auswich.

Sein Beschützerinstinkt heulte zusammen mit seinem Wolf auf. Sofort schlossen sich seine Arme eng um ihren bebenden Leib und zogen sie beschützend an sich. Sanft wiegend versuchte er sie mit seiner Nähe zu beruhigen, wenn er es schon mit Worten nicht wirklich konnte.

„Du weißt, dass ich immer noch nicht damit umgehen kann, wenn du weinst, Holly.“, meinte er nach einer Weile ganz nüchtern, während seine Taten alles andere als das waren.

„Und du solltest wissen“ Ein leises Schniefen. „dass du immer noch richtig gut im Trösten bist, auch wenn du es selbst nicht wahrhaben willst.“

Elijah musste unwillkürlich lachen, ehe er erstaunt innehielt.

Für einen flüchtigen Moment lang hatte es sich so angefühlt, als seien sie in der Zeit zurückgereist und wären tatsächlich noch die besten Freunde von früher, ohne die schmerzhaften Erinnerungen, die seit damals an ihnen hafteten.

Holly hatte es ebenfalls gespürt.

Sie löste sich weit genug von ihm, um sich über das Gesicht reiben und die letzten Spuren der Tränen fortwischen zu können.

„Darf ich dich was fragen, Eli?“ Sie zog in Ermangelung eines Taschentuchs so würdevoll wie möglich die Nase auf.

Elijah strich ihr eine verirrte Strähne hinters Ohr und blickte ihr von einer seltsamen Ruhe erfasst in die Augen. „Ja?“

Holly legte ihre Hände wieder auf seine Schultern und fuhr mit ihren Daumen nachdenklich über die Bögen seiner Schlüsselbeine.

„Es ist vermutlich zu viel verlangt und nach allem, was passiert ist, kann ich verstehen, wenn du damit nicht einverstanden bist. Aber könnten wir vielleicht in der Zeit, die uns noch bleibt, wieder beste Freunde sein?“

Ihre Daumen hielten inne. Abwartend.

Elijah hob mit einem Finger sanft ihr Kinn an, damit sie ihn ansah.

„Für mich warst du immer meine beste Freundin, Holly.“

Zum Glück hatte er sie dazu gebracht, sie anzuschauen, sonst wäre ihm das freudige Funkeln in ihren Augen entgangen.

„Und könnten wir uns dann vielleicht auch wieder küssen?“

Seine Augenbraue schoss in die Höhe.

„Tun beste Freunde das denn?“ Er merkte, wie er sie unwillkürlich neckte. Wurde dann aber sofort wieder ernst, als er ihren Gesichtsausdruck sah.

Dieses Mal strich sie ihm tief in Gedanken versunken das Haar zurück, zupfte ein paar getrocknete Tannennadeln daraus und holte noch einmal tief Luft, bevor sie sich wieder seinem Blick stellte.

„Ich glaube, dass wir in einem anderen Leben nicht bloß beste Freunde gewesen wären, Eli.“

Sein Herz setzte aus.

„Ich denke sogar, dass wir uns hätten lieben können, wäre alles ein bisschen anders gelaufen.“

Und galoppierte ihm davon.

Mit einem Schlag war alles wieder da.

Da war wieder das Kribbeln in seinem Bauch. Das Rauschen in seinen Ohren, das Trommeln in seiner Brust und die alles umfassende Hitze, die durch seine Adern pulsierte.

Unwillkürlich hielt er Holly fester, als könnte man sie ihm jeden Moment aus den Armen reißen. Elijah war einfach noch nicht bereit, sie gehen zu lassen. Alles in ihm wehrte sich allein schon gegen diesen Gedanken und dennoch würde er es früher oder später tun müssen.

Das Schicksal konnte grausam sein. Keiner wusste das besser als er, doch in diesem Moment hätten der Wolf und er sich mit all ihrer Kraft dagegen gewehrt, wenn Hollys überraschender Kuss nicht jeden weiteren Gedanken völlig abgewürgt und dafür das Feuer in ihnen erneut entfacht hätte.

Ihre Finger wühlten sich energisch durch sein Haar, packten ihn fester und verlangten nach seiner uneingeschränkten Aufmerksamkeit, während ihre brennenden Lippen seinen Mund versengten und auch noch die letzten Bedenken aus dem Weg räumten.

Sie hatte etwas in ihm verändert. Elijah konnte es ganz genau fühlen, als er ihren Hintern voller Selbstsicherheit packte, sie näher an sich heranzog und ihren Schoße gegen seinen sich regenden Schaft drängte.

Da war keine Angst mehr in ihm. Kein Zögern. Nur die Gewissheit, dass sie mit ihren Worten recht hatte.

Zu einer anderen Zeit, in einem anderen Leben hätte er sie lieben können. Doch im Hier und Jetzt würden sich viel zu bald schon ihre Wege für immer trennen und das Einzige, was ihnen danach noch blieb, war die Erinnerung an diese Nacht und wie sie sich zumindest körperlich liebten, während die Freundschaft in ihren Herzen bis zu ihren Seelen vordrang und dort für immer ihre Spuren hinterließ.

Keiner der beiden hörte dabei in der Ferne das wütende Heulen ihres Alphawolfs.
 

***
 

Irgendein Insekt kitzelte ihn am Fuß. Elijah wackelte kurz mit den Zehen, bis es wieder weiterzog. Die Bewegung brachte Holly dazu, sich enger an ihn zu schmiegen und ihr Bein noch weiter über das seine zu schieben.

Sie seufzte gesättigt und zufrieden im Schlaf, während ihre Finger sich ein bisschen fester in seine Seite verkrallten.

Kurz blinzelten der Wolf und Elijah verschlafen und beschlossen dann einstimmig, dass es noch zu früh zum Aufstehen war. Es war noch nicht einmal hell, auch wenn die Vögel bereits mit ihrem Gezwitscher die dunstige Luft erfüllten.

Einen Moment lang gab er sich noch dem trügerischen Frieden hin, bis die Erkenntnis Elijah wie ein Blitzschlag durchfuhr.

„Der Flug!“

„Hm?“, murmelte Holly noch völlig verschlafen und öffnete träge ein Auge.

Elijah setzte sich auf, um richtig wach zu werden und zog sie dabei mit sich hoch.

Mit zarten aber bestimmten Gesten versuchte er sie weiter aufzuwecken. „Du sagtest, dein Flug ginge irgendwann in der Früh. Aber wann genau? Hast du ihn schon verpasst?“

Während sein selbstsüchtiger Wolf genau darauf hoffte, wusste Elijah es jedoch besser. Er hatte sich schon in der Nacht nicht länger der Illusion hingegeben, dass irgendein Wunder aufhalten könnte, was nun auf sie zukam.

Als seine Worte dann endlich bei ihr ankamen, war auch Holly mit einem Schlag hellwach. „Verdammt! Wie spät ist es?“

Schwer zu sagen, wenn man nicht einmal Kleider am Leib trug.

„Vier Uhr in etwa?“ Ganz genau konnte er es wirklich nicht sagen.

Sie schoss regelrecht in die Höhe und Elijah musste sich beeilen, es ihr gleich zu tun.

„Oh nein! Wenn das stimmt, bleiben mir nicht einmal mehr zwei Stunden!“

„Du wirst es sicher schaffen.“, versuchte er ihr mit so viel Gewissheit zu vermitteln, wie er sie eigentlich gar nicht empfand. Aber jetzt in Panik auszubrechen half ihr nicht.

„Verwandle dich. Dann geht es schneller.“

Holly nickte nur und wurde zeitgleich mit ihm zum Wolf.

Für einen Moment starrten sich ihre beiden Tiere von Angesicht zu Angesicht in die Augen, ehe Elijah sich einen Ruck gab und sich der unvermeidlichen Situation stellte. Er preschte los und seine beste Freundin versuchte, mit ihm Schritt zu halten.

Wieder ein erstes Mal, das sie für sich beanspruchen konnte.

Elijah war noch nie mit einem Rudelgefährten zusammen als Wolf gelaufen und vielleicht würde er auch nie wieder daran Gefallen finden. Nicht, wenn es ihn von nun an immer an Holly erinnern würde.

Wäre das Ziel nicht zugleich auch das Ende ihrer Freundschaft gewesen, hätte er es vielleicht sogar genossen, mit ihr um die Wette zu laufen. Doch so hämmerte sein Herz mit jedem Satz, den er machte, immer heftiger gegen seine Brust, ohne dass es der Anstrengung zuzuschreiben wäre.

Nach nur wenigen Minuten erreichten sie auch schon den alten Ford Escort und wurden wieder zu Menschen.

Es war vorbei. Endgültig. Ihre Zeit war abgelaufen.

Mit betroffenem Schweigen sammelten sie ihre feuchten Kleider ein und zogen sich rasch an. Elijah konnte einen seiner Schuhe nicht mehr finden, hatte er sie gestern doch in seiner Eile einfach von sich gekickt. Aber er machte sich auch gar nicht erst die Mühe, danach zu suchen. Sie waren ersetzbar, der Abschied von seiner besten Freundin hingegen nicht. Also blieb er einfach barfuß.

Als auch Holly fertig war, öffnete sie die Fahrertür und er wusste, dass sie sich nun tatsächlich voneinander verabschieden mussten.

Vielleicht war die Hektik am Ende sogar das Beste, was ihnen noch hatte passieren können. Denn wenn sie zu viel Zeit gehabt hätten, wäre es vielleicht sogar noch sehr viel schmerzhafter geworden. Auch wenn das eher unwahrscheinlich war. Denn es tat schon jetzt unglaublich weh.

Der bevorstehende Verlust saß Elijah bereits so tief in der Brust, dass er kaum noch richtig atmen konnte.

„Eli ...“ Holly blieb vor der offenen Tür stehen und sah ihn über das Auto hinweg an.

„Ist schon gut. Du musst jetzt los. Der Flieger wartet nicht.“

Krampfhaft bemüht, an dem stacheligen Kloß an seinem Hals vorbeizuschlucken, ließ er sich dennoch seine intensiven Gefühle nicht anmerken. Zumindest einer von ihnen beiden sollte die Fassung bewahren, obwohl er nicht wusste, wie lange er diese Fassade noch aufrecht halten konnte. In seinem Kopf gebärdete sich sein Wolf wie toll und wollte immer noch gegen das unvermeidliche Schicksal ankämpfen.

Holly zögerte. „Ich ...“

Auch Elijah wollte sie um nichts auf der Welt gehen lassen, wo er sie doch gerade erst wiedergewonnen hatte. Aber er musste und zugleich erkannte er, dass sie es nicht konnte. Nicht, wenn er sie nicht dazu zwang.

Zu ihrer eigenen Sicherheit, und weil es ohnehin nie eine gemeinsame Zukunft für sie beide gegeben hätte, ging er entschlossen um den alten Wagen herum und nahm sie noch ein letztes Mal beschützend in den Arm.

Er konnte das Beben ihres Körpers fühlen. Ihr heißer Atem strich nur noch stoßweise über seine nackte Haut und ihre Finger klammerten sich so fest in den Stoff seines Hemdes, dass die Nähte in seine Haut zwickten.

„Fahr nicht zu schnell. Die Straßen sind immer noch nass.“ Elijah berührte ihr Haar und ließ noch ein letztes Mal die Finger durch die zarten Locken gleiten.

„Und vergiss nicht, dass du immer meine beste Freundin bleibst.“ Die einzig wahre. „Aber jetzt musst du los. Sonst verpasst du noch deinen Flug.“

Er zwang sich dazu, ihre Hände vorsichtig aber bestimmt von ihm zu lösen und brachte sich auf Abstand.

Heiße Tränen liefen über Hollys Wangen und blieben an ihren bebenden Lippen hängen. Sie hatte keine Worte mehr. Da war nur noch unendliche Traurigkeit in ihren Augen

Der Anblick zwang Elijah beinahe in die Knie, war er doch das exakte Spiegelbild seines eigenen Seelenschmerzes.

„Nun fahr schon los! Ich komme klar. Den Weg nach Hause finde ich auch alleine, okay?“ Es hatte schärfer geklungen, als beabsichtigt, zeigte aber zumindest endlich Wirkung.

Holly nickte schwach und wischte sich rasch über die Augen.

Sie war schon halb ins Auto gestiegen, als sie plötzlich noch einmal herumwirbelte und ihn für einen letzten Abschiedskuss im Nacken packte.

Es brannte fürchterlich. Nicht nur ihre sengende Hitze an seinen kalten Lippen, sondern auch der reißende Schmerz in Elijahs Herzen.

Erst als er unversehens zurücktaumelte, wurde ihm klar, dass sie ihn losgelassen hatte, um nun doch einzusteigen.

Der Motor heulte auf.

Ein letztes Zögern. Ein letzter Blick, dann fuhr sie los.

Die roten Rücklichter entfernten sich, glitten langsam um eine Kurve und waren dann einfach ... weg.

Elijahs schmerzverzerrter Schrei ließ selbst die Vögel verstummen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  DarkDragon
2015-05-29T18:30:35+00:00 29.05.2015 20:30
Oh, ein neues Kapitel. *freu*
Abschiede sind niemals schön... Aber ich hoffe das Eli un Holly sich irgendwann wiedersehen...
Ich bin gespannt wie es weiter geht.
lg
Antwort von:  Darklover
02.06.2015 12:22
Hey DarkDragon!

Ich darf natürlich nichts verraten. ;)
Aber trotzdem vielen Dank für deinen Kommentar. Hab mich sehr gefreut!

Lg Darklover
Von:  MiezMiez
2015-05-26T10:45:20+00:00 26.05.2015 12:45
Wow!!!
Du hast einen richtig fesselnden Schreibstil! Konnte gar nicht aufhören zu lesen. Ich bin so gespannt wie es weiter geht!
Glg MiezMiez
Antwort von:  Darklover
26.05.2015 17:17
Oh. Das freut mich sehr, dass dir mein Schreibstil gefällt und du dir vor allem auch die Zeit genommen hast, mir das mitzuteilen.

Vielen lieben Dank an dich. Das motiviert! :)

Glg Darklover


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