Prolog
Steve Rogers sah aus dem Fenster, hinunter auf die dicht befahrenen Straßen New Yorks. Das letzte Mal, als er diese Straße gesehen hatte, war er sie mit Peggy Carter entlang gefahren, auf dem Weg zu dem Experiment, das sein Leben verändert hatte. Nun, sechzig Jahre später, erkannte er die Straße fast nicht wieder.
Ein Klopfen riss ihn aus den Gedanken und ein Mann mit braunen Haaren und schwarzem Anzug kam herein.
"Captain Rogers, bitte verzeihen Sie mir die Störung", sagte der Mann und sah ihn erwartungsvoll an. "Ich bin Agent Phillip Coulson, und es ist mir, bitte entschuldigen Sie meine Anmaßung, eine Ehre, Sie kennen zu lernen."
Steve nickte nur verwirrt. Er hatte noch immer nicht ganz verstanden, dass er sechzig Jahre lang eingefroren war und nun fast alle seine Freunde und Kameraden tot waren. Und er anscheinend ein Nationalheld geworden war. "Es freut mich auch, Sir", sagte er langsam. "Wie kann ich helfen?"
Nick Fury, der Mann, der Steve vor knapp einer Woche "freundlich" in der jetzigen Zeit willkommen geheißen hatte, hatte ihn hierherbestellt. Anscheinend wollten sie etwas mit ihm besprechen, und Steve war sich noch nicht sicher, ob er wirklich wissen wollte, worum es ging.
"Bitte kommen Sie. Ich bin mir sicher, es dauert nicht sonderlich lange." Agent Coulson führte ihn einen Flur entlang und beobachtete ihn immer wieder aus den Augenwinkeln. "Heute Morgen erhielten wir einen... etwas ungewöhnlichen Besuch, der... darum bat, mit ihnen sprechen zu dürfen."
"Tatsächlich?" Für einen kurzen Moment hoffte Steve, dass es seine alten Freunde wären. Aber Bucky war während eines Kampfes auf einem fahrenden Zug heruntergestürzt, Howard war ebenfalls tot und Peggy... Er schüttelte mit dem Kopf. "Und um wen handelt es sich?"
"Nun..." Coulson schien zu überlegen. "Ich habe ihn bisher auch noch nicht gesehen, aber es heißt, er würde sich `Thor Odinson´ nennen."
"Thor Odinson? So jemanden kenne ich nicht."
"Tatsächlich ist das der Name einer nordischen Gottheit", erklärte Coulson und beobachtete amüsiert, wie Steve ihm einen verwirrten Blick zu warf. "Ich habe ähnlich reagiert. Wie auch immer. Er sagte, er würde ihre Hilfe gebrauchen."
Steve hob eine Augenbraue. Eine nordische Gottheit brauchte seine Hilfe? Die Welt war in 2003 noch merkwürdiger als zu seiner Zeit.
Coulson öffnete eine Tür und beide traten ein.
Ein einzelner Tisch mit zwei Stühlen stand im Raum und an der einen Wand hing ein riesiger Spiegel, damit man von der anderen Seite ebenfalls in den Raum sehen konnte. Vier Männer in schwarzen Anzügen standen in den jeweiligen Ecken, doch der blonde Hüne, der alleine am Tisch saß, schien das nicht zu bekümmern. Als er Steve und Coulson sah, sprang er mit einem breiten Lächeln auf und kam ihnen entgegen.
"Captain! Unser Wiedersehen freut mich!", rief er mit donnernden Stimme und schüttelte Steve Hand, bis er sich an Coulson wandte und ernst sagte: "Doch noch mehr freut es mich, euch lebend zu sehen, Sohn von Coul."
"Sohn von Coul?", wiederholte Coulson verdutzt, ehe er über den gesamten Satz nachdachte. "Moment mal- `lebend´?!"
"Aber natürlich." Der Mann schien nun heillos verwirrt. "Wir kämpften gegen einen gemeinsamen Feind, der bedauerlicherweise mein Bruder war, und Ihr starbt einen ehrenvollen Heldentod, als Ihr eure fliegende Festung verteidigte."
"Fliegende Festung?", fragte Steve Coulson, der anscheinend genauso wenig über diesen Kampf wusste wie er.
"Doch ich muss unsere Freude über das unerwartete und doch glückliche Wiedersehen leider zunichte machen", erzählte Thor weiterhin mit lauter Stimme. "Denn leider heckte mein Bruder wieder Unfug aus. Ich muss leider auch hinzufügen, dass er der Gott der List ist und er somit wenig für sein Handeln kann."
Er strahlte die beiden Männer an, bis Coulson sich räusperte und leise den Agenten neben sich fragte: "Wurde er schon untersucht?"
"Ja, Sir."
"Medizinisch?"
"Ja, Sir."
"Und seine Background-Story?"
"Ja, Sir."
"Und?"
"... Sie scheint zu stimmen, Sir. Er ist anscheinend wirklich ein Gott..."
"Nun, ähm", machte Coulson und richtete seine Krawatte, als er sich wieder an Thor richtete. "Ich muss gestehen, dass es das erste Mal ist, dass ich einem Gott begegne und ich-"
"Wieso das erste Mal?", unterbrach Thor ihn. "Wir sind uns schon einmal begegnet, kurz bevor mein Bruder Ihre fliegende Festung attackierte. Sie hatten die Technologien meiner Freunde gestohlen und mein Bruder schickte den Zerstörer, um mich zu vernichten. Außerdem hatten Sie meinen Hammer gefunden."
"Ihren... Hammer?"
"Natürlich. Und nach diesem bedauerlichen Zwischenfall, begegneten wir uns, nachdem mein Bruder durch die Macht des Tesserakt nach Midgard gekommen war. Er brachte einige Agenten unter seiner Kontrolle, sowie meinen guten Freund Erik, und brachte die Chitauri nach New York. Doch Odin sei Dank konnte unser Team ihn aufhalten." Thor sah sie breit lächelnd an, ehe er die Stirn runzelte und Steve fragte: "Erinnern Sie sich denn nicht, Captain?"
"Äh, wie bitte?", wollte Steve erstaunt wissen. "Verzeihen Sie, aber ich kenne Sie nicht. Ich bin vor einer Woche aufgewacht..."
"Haben Sie denn lange geschlafen? Wie geht es denn dem Mann aus Eisen? Es tut mir immer noch sehr leid, dass sein prachtvolles Gebäude während unseres Kampfes zerstört wurde..."
"Mann aus Eisen?"
Coulson blinzelte überrascht, dann zischte er zu dem Agenten neben sich: "Wer zum Teufel hat den Background-Check gemacht?!"
"Nun, diese Informationen höre ich auch zum ersten Mal, Sir", hüstelte der Agent nervös. "Aber er kannte Direktor Fury und Agent Hill, Sir, sowie ihre und Steve Rogers´ Namen."
"Okay", sagte Steve vorsichtig und hob die Arme, als wollte er sich ergeben. "Es tut mir wirklich Leid, Mister... Odinson... Aber ich kenne Sie wirklich nicht. Wie gesagt, ich bin erst vor einer Woche aufgewacht und, ähm, von welchem Kampf reden Sie? Und vor allem von welchem Team?"
Thor schien langsam wütend zu werden. "Der Kampf gegen Loki! In New York! Wir haben Seite an Seite gekämpft! Und unser Team hatte keinerlei Verluste, da der Mann aus Eisen es geschafft hatte, die schreckliche Bombe zu dem Mutterschiff der Chitauri schicken konnte! Und danach haben wir Shawarma gegessen."
"Shawarma?"
"Natürlich, der Mann aus Eisen hatte es sich gewünscht. Und ich muss sagen, es hatte mir wirklich gemundet und ich-"
Steve kniff sich in den Nasenrücken. "Also gut, wer ist der Mann aus Eisen?"
"Aber Sie kennen ihn doch?", fragte Thor erstaunt. "Sie sagten, er wäre der Sohn von einem alten Freund von ihnen. Er und das grüne Wesen haben sich wirklich sehr gut verstanden, sie standen immer vor diesen Gerätschaften, die Sie `Computer´ nennen. Sie und der Mann aus Eisen mochten sich allerdings nicht sonderlich, aber ich glaube, am Ende waren sie gute Freunde!"
"Meine Freunde sind tot und ihre Familien habe ich nie kennen gelernt..." sagte Steve deprimiert. "Und soweit ich weiß, hatte nur Howard einen Sohn- Howard!"
"Natürlich, jeder kennt den Stark-Tower", meinte Coulson. "Aber seit wann kennen Sie Tony Stark, Captain Rogers?"
"Ich kenne ihn nicht, ich habe nicht einmal Howards Frau kennen gelernt. Als ich ihm begegnete, sagte er, er würde sich nur auf seine Arbeit konzentrieren..."
"Die Frage ist also, woher Sie Captain Rogers und Tony Stark kennen", murmelte Coulson und wandte sich an den Agenten. "Ich würde gerne mit Direktor Fury sprechen. Ich bin mir sicher, die Antwort wird ihn ebenfalls interessieren."
"Natürlich, Sir."
"Also gut, Mister Odinson, wer gehörte denn noch zu dem Team, das gegen ihren Bruder kämpfte? Von Captain Rogers und Tony Stark abgesehen?"
"Nun ja, die Namen konnte ich mir nicht merken. Ihr Menschen habt so viele verschiedene und jeder ist so schrecklich kompliziert", sagte Thor nachdenklich. "Ich weiß nur, dass das grüne Wesen ein Doktor war, der den Tesserakt finden sollte, sowie zwei Agenten von ihrer Seite..."
"Was wissen Sie von dem Tesserakt?", fragte Coulson scharf. "Sie haben schon vorhin darüber gesprochen."
"Der Tesserakt kommt aus Asgard, meiner Heimat. Und dorthin zurück habe ich ihn auch gebracht, gemeinsam mit meinem Bruder."
Steve runzelte die Stirn. "Der Tesserakt ist nicht mehr hier?"
"Oh doch", sagte Coulson. "Tatsächlich habe ich persönlich ihn gestern noch gesehen."
"Wie kann das sein? Er ist auf Asgard, seit dem Vorfall auf New York!", brauste Thor auf.
Die Tür wurde aufgerissen, und Direktor Fury erschien. Er runzelte die Stirn, als er Steve, Coulson und Thor zusammen streiten sah. "Meine Herren..."
Sofort stürmte Thor auf Fury zu und im nächsten Moment warf sich Steve zwischen Fury und Thor, während alle Agenten, Coulson eingeschlossen, mit ihren Pistolen auf Thor zielten. "Was soll das?!", schrie Thor, als würde er die Waffen nicht sehen. "Warum erzählt man mir, der Tesserakt wäre noch hier?"
"Weil das der Wahrheit entspricht", entgegnete Fury bestimmt. "Erzählen Sie uns nun, wie sie als `nordischer Gott´ nicht nur meinen Namen, sondern auch der meiner Agenten, von Rogers, der sechzig Jahre eingefroren war und von einem Waffenhersteller kennen?"
"Ich kam her, um meinen Bruder zu finden, und dann wollten Sie, dass wir in einem Team arbeiten", antwortete Thor. "Und den Sohn von Coul kenne ich, seit er meinen Hammer in einer Wüste fand."
"Sie meinen den Hammer, den wir Ihnen abnehmen wollten, aber den keiner außer Ihnen heben kann?"
"Nur Thor kann ihn bewegen", sagte Thor selbstzufrieden. "Diese Lektion musste ich allerdings auch erst lernen, aber Sie waren ja anwesend, Sohn von Coul."
"Ich wiederhole, ich kenne Sie ihn", bemerkte Coulson und klang nun entnervt. "Wann soll das gewesen sein?"
Thor schien zu überlegen. "Eure Heiler sagten mir damals, es wäre 2011 gewesen, aber das genaue Datum ist mir nicht bekannt, weil-"
"2011?!" Coulsons Schrei riss Thor aus seinen Erinnerungen heraus und er bemerkte, dass ihn jeder im Raum verblüfft ansah. "Wie kann das sein? Wir haben das Jahr 2003!"
Der Mann aus Eisen
Gespannt saß Tony Stark in dem Konferenzraum einer Organisation, die sich S.H.I.E.L.D. nannte. Er selber hatte von dieser Organisation noch nie gehört, und er hätte zu gerne JARVIS um mehr Informationen gebeten, aber anscheinend hatten sie von seiner KI bereits gehört- Tony hatte am Eingang sämtliche elektronische Gerätschaften abgeben müssen, die er am Körper besaß. Nicht einmal Happy durfte mitkommen. Da dieser aber im Eingangsbereich einen Kaffee trinken und sich die hübsche Empfangsdame ansehen durfte, war Tony sich sicher, dass dieser keine großen Probleme damit hatte.
Mit einem Male wurde die Tür aufgerissen und ein großer, dunkelhäutiger Mann mit einer schwarzen Augenklappe sah Tony finster an. Dieser hüstelte. "Netter Auftritt. Mir gefällt die Augenklappe. Gibst die auch in Gold oder Rot?"
"Anthony Howard Stark, ich bin Direktor Nick Fury", überhörte der Mann Tonys Kommentar und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch. "Sie wissen, weshalb Sie hier sind?"
"Ich weiß nicht einmal, wo ich bin. Also? Wovon ist S.H.I.E.L.D. die Abkürzung?"
Nick Fury überlegte kurz, dann verschränkte er die Hände ineinander. "Strategische- Heimat- Interventions- Einsatz- und- Logistik- Division", erklärte er. "Wir sind eine Anti-Terror-Organisation, und deswegen sind Sie schon seit einiger Zeit in unserem Visier, Mr. Stark."
"Ich verkaufe meine Waffen nur an die Streitmächte der Vereinigten Staaten", ratterte Tony gelangweilt herunter; solche Phrasen musste er in fast jedem Interview von sich geben und seine Assistentin Pepper Potts hatte deswegen ihre liebe Not gehabt. Kurz ärgerte er sich, dass er sie nicht einfach hierher mitgenommen hatte. Solche Sachen interessierte sie um einiges mehr als ihn und sie hätte ihm am Ende eine Zusammenfassung des Gespräches geben können. Aber vermutlich wäre sie genauso weit gekommen wie Happy.
"Natürlich", sagte Nick Fury und dehnte dabei das Wort, als würde er Tony kein Wort glauben. "Aber deswegen sind Sie nicht hier. Bitte kommen Sie mit."
Er führte Tony durch einen Flur entlang, in dem ihnen Männer und Frauen in schwarzen Anzügen entgegen kamen. Tony fühlte sich wie in einem schlechten Film über das FBI. Schließlich öffnete Fury eine Tür, in der zwei Männer nachdenklich vor einer verglasten Wand standen und einen blonden Hünen auf der anderen Seite der Wand dabei zusahen, wie er in einem Bildband blätterte. Während der eine Mann mit Sicherheit zu S.H.I.E.L.D. gehörte- er trug einen dieser schwarzen Anzüge, die anscheinend hier jeder trug als Fury-, sah der Andere mit seiner braunen Lederjacke, dem grauen Hemd und der Jeans wie ein Zivilist aus.
Beide sahen auf, als Fury und Tony hereinkamen, und irgendetwas in dem Gesicht des Zivilisten kam Tony bekannt vor. Blonde Haare, helle Augen... woher kannte er ihn bloß?
Der Mann selbst musterte Tony ebenfalls; ihm kam er also auch bekannt vor.
"Mr. Stark, darf ich vorstellen?", sagte Fury und deutete auf die zwei Männer. "Agent Phillip Coulson und Captain Steve Rogers. Meine Herren, Anthony Howard Stark."
"Und wer ist unser Conan da drüben?" Tony fand seinen Vergleich passend: der Hüne war muskulös, als würde er entweder den gesamten Tag in einem Fitness-Studio verbringen oder Steroide schlucken. Die blonden Haare fielen ihm glatt bis zu den Schultern und anscheinend hatte er ein Faible für Kostüme, denn er trug eine Rüstung und einen roten Umhang. Allerdings wusste Tony bei bestem Willen nicht, wen der Mann darstellen wollte.
"Das ist Thor Odinson", erklärte Agent Coulson. "Und er ist... der nordische Gott des Donners."
"Das Kostüm ist nicht gut getroffen, ihm fehlen Blitze", bemerkte Tony leichthin. "Ich hätte ihn als einen ganz normalen Ritter oder Ähnliches eingeschätzt."
"Sie verstehen nicht, Mr. Stark. Er ist der Gott des Donners. Seinen Hammer haben wir in einen gesicherten Raum verwahrt, allerdings ist er auch der Einzige, der den Hammer überhaupt bewegen kann."
Tony sah von Coulson zu Fury. "Deswegen bin ich hier? Um mir einen Geistesgestörten anzusehen?", erkundigte er sich.
"Den medizinischen Untersuchungen nach, leidet Mr. Odinson nicht-"
"Ich spreche nicht von Conan", sagte Tony und deutete auf Coulson. "Sondern von dem hier. Ein nordischer Gott? Ich bitte Sie."
"Ich wollte es auch erst nicht glauben", mischte sich Rogers ein. "Aber dann habe ich gesehen, wie er einen Blitz hervorgerufen hat und dann-"
"Hervorragend, mit Ihnen haben wir jetzt zwei Geistesgestörte, einen Käpt´n Hook und ein Genie in einem Raum. Wer will raten, wer wer ist?"
Fury schien kurz vor einem Wutanfall zu sein. "Mr. Stark, jetzt hören Sie endlich zu! Mr. Odinson kannte nicht nur ihren Namen, sondern auch meinen, Agent Coulsons und Rogers´ Namen. Desweiteren redete er von ihrem Tower und besitzt außerdem Informationen, die es gar nicht geben dürfte. Er kennt uns alle, weil er aus einer anderen Zeit kommt."
"Er kommt aus dem Jahre 2011", warf Rogers hilfreich ein.
"Nun gut, ich berichtige mich", räusperte Tony. "Drei Geistesgestörte und ein Genie."
In diesem Moment klopfte es laut und als sie sich umdrehten, stand der blonde Hüne auf der anderen Seite. Er schlug noch einmal leicht auf den vermeintlichen Spiegel und schrie, unsicher, ob sie ihn hören konnten: "Ist der Mann aus Eisen schon da?"
"Der Mann aus Eisen?"
"Damit meint er Sie, Stark", erklärte Coulson. "Sie haben nicht zufällig in der näheren Zeit vor, einen Ganzkörperanzug für sich zu bauen?"
"Äh, nein? Aber ganz nette Idee, glauben Sie, ich könnte mir die von Conan ausleihen, ohne dass er mich wegen Diebstahls geistigen Eigentumes anzeigt?"
Fury drückte auf einen Knopf und fragte laut: "Haben Sie bereits die restlichen Mitglieder ihres Teams gefunden, Mr. Odinson?"
Thor sah zur Decke, an der der Lautsprecher befestigt war. "Nein, noch nicht, geheimnisvolle Stimme. Aber ich bin mir sicher, mit der Hilfe meiner guten Freunde werden wir Sie schon bald finden. Soweit ich weiß, hat die Frau aus Ihren Reihen bereits einmal bei dem Mann aus Eisen gearbeitet."
"Geheimnisvolle Stimme?", wiederholte Tony amüsiert. "Eines muss man Conan lassen: er geht wirklich in seiner Rolle auf."
"Das liegt daran, dass er wirklich ein Gott ist", beharrte Coulson, doch Tony wank ab.
"Und was soll das heißen, `Frau aus Ihren Reihen´?", fragte Tony. "Sagen Sie bloß, unsere liebe Miss Potts ist eine Ihrer Agentinnen?"
"Nun, soweit ich weiß, nich-"
"Ich hab´s ja geahnt. Jede Andere wäre meinem Charme schon längst verfallen."
Von Rogers kam ein belustigtes Husten. "Sie sind eindeutig Howards Sohn."
Langsam wandte sich Tony an Rogers. "Und, woher bitteschön, wollen Sie das wissen?", fragte er ruhig. "Kannten Sie etwa meinen Vater?"
"Tatsächlich waren wir befreundet", antwortete Rogers vorsichtig und von Fury kam ein trockenes Räuspern.
"Captain Rogers und ihr Vater, Mr. Stark, arbeiteten im Zweiten Weltkrieg zusammen. Damals, und noch heute, kannte man ihn unter dem Pseudonym `Captain America´", sagte Fury und klopfte gegen die Scheibe. "Und Mr. Odinson wusste auch das."
"Captain America?", wiederholte Tony und musterte Rogers erneut von oben nach unten. "Irgendwie habe ich ihn mir anders vorgestellt. Heroischer, größer...und irgendwie mit Bartstoppeln."
Rogers wurde tatsächlich rot, während Coulson Tony einen wütenden Blick zuwarf und wollte etwas sagen, als plötzlich der blonde Hüne gegen die Scheibe schlug und alle Vier zusammenzuckten.
"Geheimnisvolle Stimme, ich habe ihn gefunden!", brüllte er in Richtung der Decke, während er den Bildband mit der geöffneten Seite nach oben hielt.
Fury seufzte leise auf, dann drückte er auf den Knopf und sagte: "Mr. Odinson, bitte halten Sie das Buch in Richtung des Spiegels. Und Sie müssen auch nicht schreien; wir verstehen Sie vollkommen."
"Oh. Okay!" Gehorsam streckte er den Bildband von sich weg und die vier Männer beugten sich vor.
Soweit Tony das erkennen konnte, waren mehrere Fotos von Wissenschaftlern abgebildet, und Conan deutete auf das Porträt eines jungen Mannes mit Brille und dunklen Locken, der beinahe nervös in die Kamera blinzelte.
"`Dr. Bruce Banner´", las Tony den Namen unter das Foto vor. "`Gentechnik, Nanotechnologie und Strahlenphysik´. Aha. Und er gehört zu welchem Team?"
"Den Avengers, Mr. Stark", antwortete Fury. "Und Sie sind ebenfalls ein Mitglied dieses Teams."
"Dann stehen die Chancen also gut, dass wir eine schöne Frau an Bord haben", kommentierte Tony trocken. "Habe ich Conan richtig verstanden, dass die Dame aus ihren Reihen kommt?"
"Er hat sie bisher noch nicht in unseren Unterlagen gefunden", sagte Coulson und zuckte mit den Achseln. "Es könnte allerdings auch sein, dass sie erst in den nächsten acht Jahren rekrutiert wird."
"... Sind das alle?"
"Ein Mitglied wäre da noch", fiel Coulson ein. "Aber Mr. Odinson kennt nicht den Namen und er sagte, durch die Taten seines Bruders wäre er erst später zu dem Team gestoßen. Aber er hätte wohl ein `starkes Herz´."
"Aha. Also darf ich einmal zusammenfassen?" Tony wartete erst gar nicht auf die Erlaubnis. "Ein Kostümierter auf Steroide mit Wahnvorstellungen. Captain America, der eigentlich längst tot sein müsste. Ein Wissenschaftler, spezialisiert auf Gentechnik, Strahlenforschung und Nanotechnologie. Eine Mitarbeiterin einer Anti-Terrororganisation. Ein geheimnisvoller Typ, der keine Ahnung von Pünktlichkeit, aber dafür ein `starkes Herz´ hat. Und ich, ein Milliardär. Und zusammen sind wir das `Avengers- Team´? Fehlt vielleicht noch jemandem auf, dass das irgendwie nicht hinhauen kann?"
"Mr. Odinson war sehr überzeugend", meinte Rogers schließlich kleinlaut.
"Wenn ich will, kann ich auch sehr überzeugend darin sein, ihnen zu verklickern, dass ich `Prinzessin Lillifee´ bin. Dass heißt noch lange nicht, dass das wahr ist."
"...Sicher?"
Ehe Tony empört protestieren konnte, klingelte Coulsons Handy und mit einer gemurmelten Entschuldigung in Furys Richtung, ging er hastig auf den Flur.
Rogers warf Tony einen vorsichtigen Blick zu. "Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich bin mir nur nicht sicher, wer oder was `Prinzessin Lillifee´ ist. Deshalb würde ich es Ihnen also vielleicht glauben, wenn Sie sagen würden, dass sie `Prinzessin Lillifee´ heißen."
"Denken Sie nicht, ich würde mich dann `Prinz´ Lillifee nennen? Oder König? Oder Kaiser?"
"Vor drei Tagen habe ich einen Mann kennen gelernt, der sich `Carol´ nannte. Diese Welt überrascht mich nicht mehr."
Tony wandte sich an Fury und deutete mit dem Kinn auf Rogers. "Ist der Typ wirklich Ihr Ernst?"
Fury blieb eine Antwort erspart, da Coulson wieder eintrat und sich noch einmal für den Anruf entschuldigte. Dann beugte er sich zu Fury und flüsterte ihm etwas zu. Tony spitzte die Ohren. Falls er sich nicht verhört hatte, hatte er etwas von "St. Petersburg", "Spinne" und "Falke" verstanden. Enttäuscht sah Tony wieder zu Conan, der immer noch strahlend das Buch in ihre Richtung hielt und augenscheinlich darauf wartete, dass "die geheimnisvolle Stimme" ihm sagte, er solle den Bildband wieder hinlegen. Er verlor immer mehr das Interesse an S.H.I.E.L.D. . Ohne weiter nachzudenken, drückte Tony auf die Fernsprecheranlage und sagte: "Conan, pack das Buch weg, ehe dir die Arme abfallen. Dann hättest du dein Geld völlig umsonst weggeworfen."
Conan schien plötzlich noch begeisterter. "Mann aus Eisen! Es erfreut mein Herz, dass du mich mit deiner Anwesenheit beglückst! Der Captain und das Grüne Wesen werden bestimmt auch bald zu uns stoßen, und dann können wir erneut Midgard vor den Plänen meines Bruders beschützen. Und natürlich erfreut es mich, dass du anscheinend schon die Bekanntschaft mit der geheimnisvollen und allwissenden Stimme gemacht hast!"
Beeindruckt nickte Tony. "Irgendwie hat der Typ echt Comedy-Potenzial. Sind Sie sich sicher, dass er kein Stand-up-Comedian aus Vegas ist?"
"Ja", knurrte Fury. "Er war plötzlich auf dem Dach. Coulson, bringen Sie Dr. Banner her. Mal sehen, was Mr. Odinson von ihm alles weiß."
