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Herzensverzicht

Fasten-Wichtel OS und Hetalia Challenge - April
von

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Jahrhundertwende (um 1900 herum) - Wien
 

Es gibt Grenzen, die man trotz Millionen von Soldaten wegwischt...

aber unsere überwindet man nicht!

Xavier Naidoo - Sie sieht mich nicht
 

Roderich sah sie weiterhin nur an und beobachtete jede ihrer Bewegungen. Sie warf kurz ihre braune Haarmähne nach hinten, während sie mit ihren grünen Augen langsam das Zimmer nach ihren Kleidungstücken absuchte. Wiedermal wurde ihm bewusst, dass ihr trotz ihrer weiblichen Rundungen durch ihre Ausstrahlung und Haltung beinahe was Burschikoses anhaftete. Als würde sich hinter dieser Frau noch eine andere Person verbergen und eben dieses Gefühl, noch nicht all ihre Facetten für sich entdeckt zu haben, faszinierte Roderich immer wieder.

Wenn er auch wusste das er nicht der einzige ihrer handverlesenen Freier war, welche dieser Seite ihres Charme erlag und wohl auch eine der Gründe war, weshalb sich Elisabeth einst so erfolgreich in der verborgeneren Seite der Wiener Gesellschaft eingefunden hat.

Kurz strich ihr Blick über ihn hinweg und nur zu deutlich spürte er für einen Moment ihre Unsicherheit, welche sie viel zu selten offenbarte.

Eigentlich sollte er jetzt gehen und nicht weiter in ihrer Anwesenheit verweilen. Eigentlich sollte er wieder sich den ehrbaren Tätigkeiten seines Lebens widmen. Eigentlich sollte ihr Verhältnis einen rein geschäftlichen Aspekt beinhalten.

Aber dieses Eigentlich schloss er wie immer aus, kaum füllte diese ungarische Dame den Raum mit ihrem herrlichen Feuer, welches sie in sich trug.

Es waren seine vier Wände, sein Domizil und so hatte er beschlossen, kaum hatte er die elterliche Autorität in seinem eigenen Heim abgeschüttelt, dass er der alleinige Herr der Regeln des Hauses war. Was hier geschah war weder für fremde Ohren gedacht, noch für allzu neugierige Augen, somit gingen seine Handlungen die Gesellschaft, welche hinter seiner Haustüre lauerte, einfach nichts an.

Dabei genoss er es, ihr beim Abschied zuzuschauen, was vielleicht daran lag, dass er so den süßen Traum ihrer Zweisamkeit ein wenig länger genießen konnte. Es zuließ das er sich vorstellte, sie sei ein Teil seines gewöhnlichen Alltagsleben und nicht in kurzer Zeit aus seinem Haus verschwunden. So als hätten sie die Möglichkeit nachdem sie beide sich wieder angezogen hatten, in die Stadt zu spazieren zu gehen oder gemeinsam seine Eltern auf einen Kaffee zu besuchen. Doch nachdem er diesen Tagtraum fertig ausgeschmückt hatte, holte ihn die Realität mit seiner kalten Wahrheit unbarmherzig wieder ein und der Geschmack der verstorbenen Hoffnung verdunkelte seine Gedanken.

Grazil bückte sich seine Gespielin und hob mit spitzen Fingern ihre Korsage hoch, wobei sie Roderich eine entzückende Aussicht auf ihren nackten Rücken bot. Ein Anblick, den er liebte und sie wusste das geschickt zu nutzen, wie sie viel zu viel über ihn gelernt hatte.

Vielleicht sogar zu viel, doch sie hatte dieses Wissen nie gegen ihn genutzt, um ihre Interessen zu verfolgen. Auf jeden Fall bis heute nicht und er war zu träge, sich ihr zu verwehren. Es war zu einer Sucht geworden.

Bei ihr konnte er seine Fassade fallen lassen, auch wenn er wusste, dass es töricht war. Sie bedachte ihn nicht mit einem abschätzigen Blick, wenn er sich an ihrer Seite ausruhte. Sie baute ihn auf, reparierte die Schäden, welche die Gesellschaft seinem Innersten zufügte und ließ ihn gleichzeitig wieder wie ein Mann fühlen.

Unter ihrem Charme hatte er sich geöffnet, auch wenn er sich bis zum heutigen Tage fragte, warum gerade dieses ungarische Weibsbild den Schlüssel seines Herzens gefunden hatte. Dieses wertvolle Kleinod, welches er bis zu ihrem Eintreten in sein Leben gehütet hatte wie einen zerbrechlichen Schatz, befand sich nun in den Händen einer ungarischen Prostituierten und eben dieser Umstand machte die Sachlage für den jungen Adligen so bitter.

Elizaveta konnte ihn über Nächte hin als Gespielin mit ihrer Anwesenheit beglücken, aber der Platz als Gattin an seiner Seite blieb ihr für immer verwehrt.

Mit anmutigen Schritten kam sie zu ihm zurück.

Vorsichtig, als müsste sie erst überprüfen, dass sie nicht eine unsichtbare Grenze überschritt, stieg sie wieder zu ihm ins aufgewühlte Bett. Er empfing sie mit offenen Armen und zog sie fest an sich, die Tatsache ignorierend, dass sie beide noch so nackt waren wie im Augenblick wo sie sich, im Rausch noch versunken, getrennt hatten.

Augenblicklich stieg ihm ihr Duft in die Nase, als er sein Gesicht in ihren braunen Haaren vergrub.

Der herbe Geruch des Frauenkörper, vermischt mit dem seinigen und dieser einen Note, deren Wesen ihm immer wieder entwischte, doch zu ihr gehörte wie das Grün ihrer Augen oder das aufbrausende Temperament, welches er an ihr zu lieben gelernt hatte, benebelte ihn erneut.

Er war ihm in den letzten Monaten so vertraut geworden und doch hatte er nichts an seiner Wirkung verloren.

Mit Bedacht, als würde er über die schwarz-weißen Tasten seines innig geliebten Pianos streichen, fuhr Roderich mit einer Hand die Wirbelsäule entlang und erfreute sich an ihrem körperlichen Entgegenkommen. Ein leichtes Lachen drang an sein Ohr. Viel zu rau, viel zu tief für einen solch weiblichen Körper, doch vielleicht lag auch hier ein Teil des Zaubers, dem er immer wieder aufs Neue erlag. Dieses Paradoxon gefiel ihm und war wohl der Grund, dass er weiterhin den Kontakt zu ihr suchte, auch wenn ihr Umgang miteinander zu offensichtlich wurde. Er wurde unvorsichtig in seiner Sehnsucht nach ihr und entging oft nur knapp üblen Nachreden bezüglich seiner neuen Liebschaft.

Er konnte sich dies vor allem jetzt nicht leisten und die Angst um seinen Ruf, welcher untrennbar mit dem seiner Familie verbunden war, entnervte ihn zusehends.

Träge hob er ein wenig den Kopf.

„Was amüsiert dich den so?“

Es war nur ein Flüstern, und doch war Roderich überzeugt, dass Elizaveta alles gehört hatte. Braune Haare kitzelten seine Nase, als sie nun den Kopf wandte und ihn von unten mit ihren grünen Augen musterte.

„Du lässt mich immer widerwilliger gehen, oder?“

Sie lächelte ihn an, doch die Freude war aus den Augen verschwunden. Unwillkürlich hielt Roderich inne und betrachtete beinahe nachdenklich ihr Gesicht.

Wie gut er es doch kannte, ebenso wie ihren restlichen Körper. Seine Gedanken rüttelten sich aus der Apathie auf, als sie sich der Bedeutung ihrer Worte bewusst wurden. Eine unangenehme Empfindung setzte sich in seiner Brust fest. Zu nahe brachte sie ihn mit dieser Aussage an die Wahrheit und erinnerte ihn an seine nahende Zukunft. Zögerlich hob er seine Hand und legte sie auf ihre Wange, wobei er liebevoll mit dem Daumen über die weiche Haut fuhr. Elizaveta hatte keinen edlen, blassen Teint, wie ihn sich die hohen Frauen wünschten und - hatten sie ihn mal erlangt - mit Schirmen kultivierten. Sie hatte sogar eine äußert gesunde Farbe, wodurch sie ihn nicht an die Frauenzimmer erinnerte, welche er zu meiden versuchte und sie wusste das.

„Und wenn es so wäre?“

Ohne wirklich nachzudenken hatte er folgende Worte einfach ausgesprochen, die ihm eine unglückselige Eingebung zugeflüstert hatte. Augenblicklich brachen sie den Blickkontakt zueinander ab und ein unangenehmes Schweigen erfüllte den Raum, nur unterbrochen von ihrer leisen Atmung. So nahe an seiner Brust konnte Roderich ihren Herzschlag spüren, so unruhig wie der seinige und ebenso ruhelos. Nie hatten sie ausgesprochen, was zwischen ihnen im Begriff war zu entstehen und nie hatte er auch nur angesprochen, wie sehr es ihn jedes Mal wieder schmerzte, sie gehen zu lassen.

„Ich sollte los...“

Beinahe hätte der junge Adlige das Murmeln ihrerseits nicht vernommen, doch als sie versuchte sich aus seiner Umarmung zu winden, verstand er. Im selben Moment verstärkte er den Griff um sie und spannte die Muskeln an.

„Bleib noch ein wenig...“

Er flehte nicht, er bat nicht, aber der Tonfall machte seine Intention deutlich. Doch sie entkam seinen Armen und setzte sich im Gewühl der Decken ihm gegenüber. Früher war er rot geworden, wenn er sie so entblößt gesehen hatte und sie ihn dabei auch direkt anblickte, doch nun hielt ihn der kummervolle Blick gefangen.

„Roderich, bitte...“

Es war das erste Mal, dass sie ihn beim Namen nannte ohne ihn zu siezen und ein angenehmer Schauer glitt ihm die Wirbelsäule entlang. Es störte ihn nicht, dass sie damit eine Grenze übertrat, die weder für sie noch für ihn standesgemäß war. Alleinig der Klang ihrer Stimme mit dem leichten ungarischen Akzent, welchen die meisten überhörten, hallte in seinen Ohren wieder.

„Bitte mach es nicht schwerer als es ist...“

Beunruhigt setzte er sich auf.

„Warum nicht? Hier sieht uns doch keiner, hier hört uns doch keiner...“

Ein bitteres Lächeln empfing seine Worte.

„Roderich, du weißt, dass es nicht geht. Du weißt sogar sehr genau, warum es für uns alleinig Schmerzen bedeuten würde, wenn wir weiter zulassen würden, das sich unsere Herzen aneinander binden.“

In anderen Worten hätte der Österreicher diese Worte als hochtrabend, wenn nicht rettungslos kitschig empfunden, und unter jeglichen anderen Umständen hätte sich über sie lustig gemacht, doch nun wollte der Zynismus aufgrund dieser Wortwahl ihm nicht über die Lippen gehen. Trotz staute sich in ihm hoch und ließ ihn unbedacht sprechen.

„Warum nicht? Warum sollte mir dieses Glück verwehrt werden? Warum darf ich nicht der Frau mein Herz schenken, die ich zu lieben gelernt habe?“

Ihre Augen weiteten sich kurz und nervös schob sie die Unterlippe vor, wodurch sie ungewöhnlich zerbrechlich wirkte. Er wollte sie zurück in seine Arme ziehen, doch sie wehrte ab und er akzeptierte es.

„Roderich...“ Ihre Stimme klang versöhnlich, auch wenn er sich des unterdrückten Schmerzes bewusst war. „Du weißt sehr wohl, dass du auf mich verzichten musst. Du weißt genau, dass du bald heiraten wirst. Ein Mädchen, dir an Stand gleich und keine...“

Abrupt hielt sie inne, doch Roderich konnte sich vorstellen, an welches Wort sie gedacht hatte und Verzweiflung schnürte ihm die Brust zu. Hoffnung war schön im Traum, doch ließ die Realität diesen platzen, so wurde jeder helle Schimmer der verbotenen Möglichkeiten zu Qual. Betreten sah er zur Seite und fixierte eine Falte in den Bettlacken.

Eine warme Hand strich an seiner Wange entlang. Er hob nicht gleich den Kopf, erst allmählich als Elizaveta einen leichten Druck an seinem Kinn ausübte.

Vorsichtig als würde ihr Anblick ihn weiter in das Dunkel seiner Gedanken treiben, ließ er seinen Blick wieder über ihren Körper gleiten. Ein sanftes Lächeln empfing ihn, als er wieder zu dem Grün ihrer Augen zurück fand.

„Egal was passiert, ich danke dir für die Zeit mit dir und wer weiß, vielleicht ist uns das Leben so gnädig, dass unsere Wege weiterhin in der Nähe des anderen bleiben.“

Zum ersten Mal an diesem Tag schenkte ihr Roderich das ehrliche Lächeln zurück.

-Das wunderbarste, was du lernen wirst, ist zu lieben und geliebt zu werden.-

Die einst geflüsterten Worte seiner Großmutter an ihren Sterbebett kamen ihm wieder in den Sinn und Roderich verstand. Selbst wenn er sich bewusst war wie kurz der Augenblick seines Glückes war, war er doch existent.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Betagelesen von KahoriFutunaka

Zitat: aus dem Film Moulin rouge (markiert durch Fettschrift) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  konohayuki
2014-05-30T08:57:30+00:00 30.05.2014 10:57
Hallöchen :)

Nach viel zu langer Zeit schaffe ich es dann auch einmal, dir einen Kommentar zu hinterlassen. Irgendwie ist bis jetzt doch immer was dazwischen gekommen, und eigentlich sollte ich jetzt auch lernen, aber... ich brauche mal ne Pause.

Wie ich dir ja schon geschrieben hatte, habe ich mich außerordentlich über die Charaktere gefreut und auch den Titel fand ich sehr ansprechend.
Eine kleine Anmerkung zu den Charaktersteckbriefen: Da hat sich bei Roderich ein Vertipper in Elizavetas Namen eingeschlichen, da schreibst du sie einmal mit "s".

>[...]Ausstrahlung und Haltung beinahe was Burschikoses anhaftete.<
Ich mag mich irren, aber "burschikoses" würde ich hier klein schreiben. Und statt dem "was" ein "etwas" benutzen.
Ich mag aber den Einstieg in die Geschichte sehr gerne, weil man direkt den Eindruck hat, dass da mehr hinterstecken muss, als man auf den ersten Blick denkt.

>So als hätten sie die Möglichkeit nachdem sie beide sich wieder angezogen hatten, in die Stadt zu spazieren zu gehen oder gemeinsam seine Eltern auf einen Kaffee zu besuchen.<
Auch wenn es ein AU ist, so finde ich doch, dass dies Roderichs Gefühle für Elizaveta (die du irgendwann mal als Elisabeth geschrieben hast - war das Absicht?) sehr gut und sehr passend darstellt.
Und hier in dem AU bekommt es noch einen bittereren Beigeschmack, einfach weil klar ist, dass diese Wunschträume nicht eintreten werden.

>Der herbe Geruch des Frauenkörper, vermischt mit dem seinigen und dieser einen Note, deren Wesen ihm immer wieder entwischte, doch zu ihr gehörte wie das Grün ihrer Augen oder das aufbrausende Temperament, welches er an ihr zu lieben gelernt hatte, benebelte ihn erneut.<
Der Satz hier ist ein bisschen verschachtelt, da war es wirklich schwer, ihm beim ersten Lesen zu folgen. Vielleicht kannst du den letzten Teil des Satzes vorziehen (also "benebelte ihn erneut") und den Satz ein wenig umstellen oder trennen. Vielleicht: "Der herbe Geruch des Frauenkörpers, vermischt mit dem seinigen, benebelte ihn erneut. Und dann war da diese eine Note, deren Wesen ihm immer wieder entwischte, die aber doch zu ihr gehört wie das Grün ihrer Augen oder das aufbrausend Temperament, welches er an ihr zu lieben gelernt hatte."

>In anderen Worten hätte der Österreicher diese Worte als hochtrabend, wenn nicht rettungslos kitschig empfunden, und unter jeglichen anderen Umständen hätte sich über sie lustig gemacht, doch nun wollte der Zynismus aufgrund dieser Wortwahl ihm nicht über die Lippen gehen. <
Ich kann Roderich so verstehen. Das wäre nämlich auch meine Reaktion gewesen. Aber...ja. Es ist eine verzwickte Situation für beide, und es ist zu einem gewissen Grad so unfair für sie, dass man gerne irgendetwas tun würde. Aber es geht nicht. Und ich denke genau dieser Gedanke ist es, der den vorangegangenen Satz von kitschig zu herzzerreißend verändert.
Und Elizaveta als Stimme der Vernunft, auch wenn sie für ihn genauso empfindet wie er für sie. Vielleicht ist das auch ein Zeichen von Liebe, dass sie bereit ist ihn gehen zu lassen, um seinetwillen. Weil sie ihn nicht verletzen oder in eine missliche Lage bringen will (oder zumindest eine, die noch misslicher ist als die, in der sie sich sowieso schon befinden).

Sehr guter Einsatz des Zitates, da passt es sehr gut. Ein bisschen Moulin Rouge Feeling bekommt man von der Geschichte auch ;)

Eine tolle Geschichte, an der ich nicht wirklich etwas großartiges anzumerken finde. Die Charaktere sind gut getroffen, die Geschichte die du erzählst ist herzzerreißend schön (und ich trete mich gerade selbst metaphorisch in den Hintern, dass ich sie nicht früher gelesen habe). Du hast mich ein AU ins Herz schließen lassen, obwohl das Genre sonst nicht so meins ist ;)
Vielen Dank für die Geschichte, es war eine Freude, sie zu lesen.

Liebe Schreibziehergrüße,

kono

P.S.: Ich werde auch gleich noch bei "Der Sturz eines Engels" vorbeischauen, ich hab schonmal in die Beschreibung geschaut und awwwww! Ich freu mich jetzt schon drauf!


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