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Still Some Hope Left

von

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Stranded

Das Wasser rauschte, und die Wellen schlugen kraftvoll und erbarmungslos gegen die Felsen der Küste. Die weißen Schaumkronen blieben einen kurzen Moment lang am Stein haften, ehe sie sich auflösten und kurz darauf wieder neu bildeten, um gleich wieder zu verschwinden.

Eine ganze Weile lang ging dieses Schauspiel ohne jegliche Unterbrechung weiter, ehe sich der Anblick änderte.

Nach wie vor schlugen die Wellen gegen den Felsen, doch nun brachte das salzige Nass mehr mit sich als nur Algen, Muscheln und sonstiges Meeresgetier.

Ein Mensch wurde an den Steinstrand gespült, der an die Felsküste angrenzte. Es war ein junger Mann, Mitte Zwanzig, der von den Wellen ans Land getrieben wurde.

In seinen kurzen braunen Haaren hatten sich kleine Algen verfangen, sein Gesicht war von mehreren Kratzern übersät, von denen einige noch immer etwas bluteten.

Seine Jacke war zerrissen und blutbefleckt, und die Schutzweste, die er darüber trug, sah kaum besser aus und wurde mit jeder kleinen Welle, die noch bis zu der Stelle reichte, ein wenig vom schlanken aber muskulösen Körper weggespült, da die Riemen vollständig gerissen zu sein schienen.

Der rechte Arm, dessen Ärmel schon oben an der Schulter zerrissen war, schien das einzig mehr oder weniger unversehrte Teil am Körper des Mannes zu sein.

Es hatte den Anschein, als wäre der Verunglückte gerade in letzter Sekunde einer verheerenden Katastrophe entkommen…

Rückkehr

Ein leises, fast trauriges Seufzen kam über Chris Redfields Lippen, als er die Küste entlang ging.

Drei Monate war es nun her, dass er auch noch das allerletzte Mitglied seines letzten Teams verloren hatte: Piers Nivans. Den Mann, dem er ohne zu zögern die Zukunft der B.S.A.A. in die Hände gelegt hätte, den er als seinen Nachfolger auserkoren hatte.

Eigentlich hatte sich der 39-Jährige an diesem Tag in den wohlverdienten Ruhestand begeben wollen. Zumindest aus dem aktiven Dienst wäre er weitestgehend zurückgetreten. Ganz ohne die Arbeit bei der B.S.A.A. hätte er es nach der langen Zeit vermutlich gar nicht mehr ausgehalten.
 

Aber dann war alles anders gekommen als geplant. Und schon allein um Piers’ Willen musste er sein Leben nun fortsetzen und Captain des Alpha-Teams bleiben. Das war er seinem Partner einfach schuldig.

Piers hatte ihn nach dem Vorfall in Edonia aus seinen Depressionen gerettet und ihm geholfen, gegen seinen traumatischen Zustand anzugehen. Ansonsten hätte sich Chris vermutlich wirklich gänzlich in seinem Kummer ertränkt und sich weiterhin vor den schlimmen Erinnerungen gedrückt.

Der junge Soldat hatte immer loyal zu ihm gehalten und ihm dabei dennoch jederzeit ohne zu zögern seine Meinung mitten ins Gesicht gesagt, ganz gleich, welche Folgen das für ihn hätte haben können. Und diese Ehrlichkeit war etwas, das Chris immer sehr an Piers geschätzt hatte. So verbittert der Scharfschütze auch oft gewirkt hatte, war er doch ein unglaublich gutherziger Mensch gewesen, der seine Kameraden niemals im Stich gelassen hatte. Die B.S.A.A. war für ihn wie eine große Familie gewesen. Und Chris hatte diese Ansicht stets geteilt.
 


 

Seufzend blieb er stehen und blickte nachdenklich auf das Wasser hinaus.

Immer wieder hatten ihn in den letzten Nächten Albträume geplagt. Immer wieder sah er in ihnen Piers’ halb mutierte Gestalt, die ihn mit entschuldigendem aber entschlossenem Blick in die Rettungskapsel stieß. Dann Haos, die riesige BOW, die diese Kapsel angriff und Chris beinahe an seiner Flucht gehindert hätte. In letzter Sekunde hatte Piers einen letzten Angriff auf die BOW gestartet und sie am weiteren Attackieren gehindert, ehe die ganze Unterwasser-Einrichtung mitsamt Piers und Haos in die Luft geflogen war.

Und da war nichts gewesen, was Chris hätte tun können, um das Unglück zu verhindern. Hätte er doch nur besser aufgepasst! Wäre er schneller aufgestanden und dem ersten ausschlaggebenden Angriff der BOW ausgewichen, dann hätte Piers ihn nicht wegstoßen und den Angriff mit dem eigenen Körper abfangen müssen.

Dann hätte der junge Soldat nicht seinen Arm opfern und sich das C-Virus injizieren müssen. Und das alles nur, um Chris zu retten.
 

Der B.S.A.A.-Captain schüttelte den Kopf. Ganz gleich, wie schuldig er sich auch fühlte, wie sehr er sich auch selber niedermachte, es brachte doch alles nichts. Piers hätte nicht gewollt, dass sich sein Captain nun in Depressionen stürzte. Er musste sein Leben nutzen, damit Piers’ Opfer wenigstens nicht ganz umsonst gewesen war.

Aber noch lastete der Schmerz einfach zu schwer auf Chris, um sein Leben einfach weiter führen zu können, als wäre nie etwas gewesen.

Er hatte nicht nur Piers verloren, sondern sein gesamtes Team. Und das gleich zwei Mal.

Es hatte einen ganzen Monat gedauert, bis Chris wieder in der Lage gewesen war, vernünftig weiter zu arbeiten, und einen weiteren, bis er in seinem neuen Team nicht jedes Mal seine gefallenen Kameraden gesehen hatte.

Er wurde nicht jünger, und bei den Schrecken, die er schon erlebt hatte, dauerte es von Mal zu Mal länger, die Geschehnisse zu überwinden.

Die Angst, noch einmal alles zu verlieren, hatte er noch immer nicht ganz überwunden, und vermutlich würde er das auch gar nicht mehr schaffen.
 


 

Chris dachte an die letzten drei Monate zurück. Mehrere Male hatte seine Freundin und ehemalige Partnerin, Jill Valentine, ihn angerufen, jedes Mal hatte er sie mit einem knappen „Im Moment ist mir nicht nach Reden zumute, bald wird es besser, dann melde ich mich“ abgespeist. Anrufe seiner jüngeren Schwester Claire hatte er gar nicht erst entgegen genommen.

Und auch Leon S. Kennedys Erklärung, dass er sich zumindest wegen Ada Wong schon mal keinerlei Vorwürfe zu machen brauchte, dass sie am Leben war und es sich bei der Toten, von der Chris berichtet hatte, nur um einen Klon gehandelt hatte, hatten den Soldaten in keinster Weise aufmuntern können, ebenso wenig die Versuche des Jüngeren, ihn mal auf ein Bier oder ein Essen einzuladen.

Selbst als Leon und Claire eines Tages beide zusammen vor seiner Tür gestanden hatten, hatte er ihnen diese einfach wieder vor der Nase zugeschlagen, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen.

Im Nachhinein bereute Chris diese Taten natürlich sehr. In den letzten zwei Monaten hatte sich keiner der Drei mehr bei ihm gemeldet.

Chris wusste, dass sie ihm nicht beleidigt waren, sondern ihm einfach seine Ruhe ließen, doch das machte es nicht wirklich besser, im Gegenteil. Er fand, dass er es durchaus verdient hatte, dass man ihm beleidigt war. In solchen Momentan hätte er jemanden wie Piers gebraucht, der ihn mal kräftig anschrie und ihm klar machte, dass er so nicht weiter kam.

Irgendwie musste Chris sein Verhalten Jill, Claire und Leon gegenüber wieder gutmachen. Er wusste nur noch nicht genau, wie er das anstellen sollte.
 


 

Nun aber wurden seine Gedanken ohnehin erst einmal von etwas abgelenkt, das einige Meter entfernt am Strand lag.

Es war ein junger Mann, so viel konnte Chris von hier aus erkennen. Und noch etwas erkannte er nach einem kurzen, zweiten Blick. Etwas, das ihm für einen kurzen Moment den Atem verschlug: Der Verunglückte trug eindeutig eine Uniform der B.S.A.A..

Der Soldat schnappte kurz erschrocken nach Luft, dann hastete er los, um seinem Kameraden zu helfen. Wer genau dort lag, hatte er bisher nicht erkennen können, doch je weiter er sich dem Scharfschützen näherte, desto klarer wurde es ihm.

Und sein Verstand, der ihm immer wieder einzubläuen versuchte, dass es einfach schier unmöglich war, musste sich letzten Endes doch der Wahrheit beugen.

Vor Chris auf dem Boden lag kein Geringerer als Piers Nivans. Und er war am Leben.
 

Der Soldat traute seinen Augen nicht. Einige Momente lang stand er einfach nur da und starrte auf den jungen Mann hinab, der vor ihm auf dem Boden lag.

Dann hatte er diese kurze Paralyse überwunden und ging neben ihm in die Hocke.

„Piers…?“, murmelte er und berührte den Scharfschützen leicht an der Schulter, erhielt aber keine Antwort, was er sich durchaus schon gedacht hatte.

Piers war am Leben, das hatte Chris mit einem kurzen Griff nach seinem Handgelenk festgestellt. Er atmete sogar, wenn auch recht langsam und stockend, was aber bei seinem Zustand alles andere als ein Wunder war. Im Grunde war es eher eines, dass er überhaupt noch atmen konnte. Sicherlich hatte er eine Menge Wasser geschluckt.

Zudem wies Piers' Körper mehrere Verletzungen auf, größere und kleinere, doch nichts deutete auf den Vorfall in China oder gar eine Infizierung durch das C-Virus hin. Der Scharfschütze war in keinster Weise mutiert und hatte noch dazu einen vollkommen intakten rechten Arm, zumindest, soweit Chris das auf den ersten Blick beurteilen konnte. Wie intakt dieser Arm wirklich war, würde sich erst zeigen, wenn Piers wieder bei Bewusstsein war.

„Was ist nur passiert…?“, fragte Chris sich, während er den Jüngeren weiter auf mögliche Verletzungen untersuchte. Er musste ihn schnellstmöglich hier wegbringen, musste dazu aber wissen, ob er ihm durch falsche Bewegungen weiteren Schaden zufügen konnte.
 

Der Scharfschütze war allerdings zwar sehr blass und stark unterkühlt, aber bis auf ein paar Kratzer und Prellungen konnte Chris keine ernsthaften Verletzungen erkennen.

Das Blut, das überall an Piers' Kleidung haftete, ließ seinen Zustand vermutlich nur noch kritischer wirken als er eigentlich war.

Jedoch zeichneten sich auch seine Muskeln zwar noch deutlich ab, dennoch wirkte Piers alles in allem ein wenig abgemagert. Aber anscheinend hatte er drei Monate unter Wasser verbracht, zumindest aber war er im Meer umher getrieben. Und dass er lebend hier angekommen war, war ein eindeutiger Beweis dafür, dass er nach wie vor infiziert war.

Das Virus hatte sicherlich auch einige der schlimmeren Wunden schon geheilt.

Aus diesem Grund wollte Chris seinen Partner auch nicht unbedingt in ein Krankenhaus bringen. Es war besser, wenn erst einmal niemand von der Infizierung und dem Überleben des jungen Mannes erfuhr.

Außerdem schien das Virus Piers bisher auch am Leben gehalten zu haben. Wenn es entfernt wurde, konnte es gut sein, dass sein Körper zu schwach war, um aus eigener Kraft wieder richtig zu genesen.

Sobald Piers wieder zu sich gekommen war und etwas an Kraft gewonnen hatte, würde sein Captain sich eine der Proben des Anti-Virus, das aus Jakes Mullers Blut gewonnen worden war, von der B.S.A.A.-Krankenstation besorgen. Und dann würde alles wieder gut werden, da war er sicher.

Doch zuerst musste er Piers erst einmal so weit aufpäppeln, dass er wieder aufwachte. Und bei dem momentanen Zustand des jungen Soldaten war das sicherlich kein leichtes Unterfangen.
 

„Erst einmal bringe ich dich weg, und dann sehen wir weiter…“

Aus irgendeinem Grund hatte Chris es sich nun angewöhnt, mit Piers zu reden. Er wusste, dass dieser bewusstlos war, hoffte aber dennoch, dass seine Worte ihn irgendwie erreichten und ihn vielleicht zum Durchhalten bewegten. Es kam ja häufiger vor, dass Bewusstlose Worte wahrnahmen und sogar verstanden. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert, und mehr konnte Chris hier am Strand ja ohnehin nicht tun.

Vorsichtig hob er Piers nun hoch, nachdem er sich versichert hatte, dass er das gefahrlos tun konnte, und stützte ihn, soweit es ging. Tatsächlich hatte der Scharfschütze einiges an Gewicht verloren. Chris spürte das sehr deutlich, obwohl Piers’ Körper dieses Mal mit seinem vollen Gewicht und nasser Kleidung auf ihm lastete.

„Halt einfach durch.“

Wieder sprach Chris zu dem Bewusstlosen, dann schüttelte er leicht den Kopf und machte sich auf den Weg zu seiner Wohnung. Er hatte alles dort, was er brauchte, um Piers weitestgehend zu versorgen. Und alles andere musste das Virus in seinem Körper übernehmen. Chris würde tun, was er konnte, um es irgendwie zu unterstützen.

Nur im äußersten Notfall würde er doch auf ein Krankenhaus zurückgreifen.
 


 

Als sie nach einer Weile bei der Wohnung angekommen waren, öffnete Chris etwas umständlich die Tür und schleppte Piers ins Schlafzimmer, wo er ihn vorsichtig auf dem Bett ablegte.

Der Zustand des jungen Soldaten hatte sich natürlich in keinster Weise verbessert, aber zumindest war er auch nicht sichtbar kritischer geworden. Das war immerhin etwas.

Nach wenigen Minuten hatte Chris alles beisammen, was er brauchte, um Piers bestmöglich zu verarzten. Schutzweste, Jacke und Shirt waren auf direktem Weg in den Müll gewandert, die Hose lag im Wäschekorb, und Chris hatte dem jungen Mann vorübergehend eine seiner Jogginghosen geliehen. Sie war etwas groß, aber besser als nichts.

Anschließend wusch er die Wunden aus und verband jene, die noch immer offen waren und bluteten. Tatsächlich war keine dieser Verletzungen mehr lebensgefährlich, und Chris war mittlerweile sicher, dass hier wieder das C-Virus seine Finger im Spiel gehabt hatte. Im Moment war er dafür aber einfach verdammt dankbar. Scheinbar konnte selbst so ein grausames Virus in gewisser Weise eine gute Seite haben. Aber diesen Gedanken schüttelte der Captain des Alpha-Teams gleich wieder ab. Ohne das Virus wäre das alles nie passiert. Es war unsinnig, zu denken, dass da auch nur irgendetwas Gutes dran sein konnte.
 

Chris erhob sich, brachte die Tücher und Schüsseln, die er zum Auswaschen der Wunden benutzt hatte, weg, und kam mit einem sauberen Tuch und einer Schüssel Wasser, in der auch einige Eiswürfel schwammen, zurück. Ebenso hatte er eine Flasche Wasser und ein Glas dabei, was er beides auf das Nachtkästchen neben dem Bett stellte. Sobald Piers aufwachte, musste er trinken, Flüssigkeit war unglaublich wichtig. Vor allem bei dem aufkommenden Fieber, das Chris mit dem Tuch, das er erst in das Eiswasser tauchte und dann auf Piers’ Stirn legte, einzudämmen versuchte.

Mit irgendwelchen Medikamenten war er im Moment lieber vorsichtig. Dazu war ihm Piers’ Zustand einfach noch viel zu kritisch.

Jetzt hieß es ohnehin erst einmal abwarten. Mehr konnte Chris nun nicht mehr tun.

Er vergewisserte sich nur noch einmal davon, dass Piers' Herz weiterhin schlug und er auch atmete, dann lehnte der B.S.A.A.-Captain sich auf dem Stuhl zurück, den er sich von seinem Schreibtisch zum Bett gezogen hatte, und verschränkte leicht die Arme, während er den Bewusstlosen nachdenklich betrachtete und darauf warte, dass dieser wieder zu sich kam.

Zwischen Leben und Tod

Nur ganz langsam begann die Welt um Piers herum wieder zu existieren. Es war noch dunkel, und der junge Mann hatte noch nicht die Kraft, die Augen wieder zu öffnen. Aber zumindest begann er langsam wieder, etwas zu spüren.

Ihm war warm, viel zu warm. Auf seinem Körper lag eine weiche Decke, und auf seiner Stirn spürte er etwas Kaltes und Nasses, vermutlich ein Tuch oder einen Waschlappen.

Und dann war da noch etwas, das er spürte. Etwas, das er eigentlich gar nicht hätte spüren dürfen: Sein rechter Arm. War das dieser berühmt-berüchtigte Phantomschmerz, den man bei Verlust von Körperteilen an der Stelle spürte, an denen sie sich zuvor befunden hatten?

Das erfuhr er wohl nur, wenn er die Augen aufschlug und nachsah. Aber das konnte er im Moment noch nicht.
 

Wenigstens schaltete sich Piers’ Bewusstsein langsam aber sicher wieder ganz ein, und mit diesem kehrte auch sein Erinnerungsvermögen wieder zurück.

Er war tot. Er musste tot sein!

Diese riesige BOW hatte ihn soweit verletzt, dass er seinen rechten Arm hatte opfern müssen, um seinem Captain zur Hilfe eilen zu können. Und dann hatte er sich in seiner Verzweiflung auch noch mit dem C-Virus infiziert.

Nach einem harten Kampf, bei dem jeder einzelne seiner eigenen Angriffe Piers unendliche Schmerzen zugefügt hatte, waren sie zu den Rettungskapseln gelaufen, um aus der Einrichtung zu fliehen.

Doch Piers hatte das Virus immer deutlicher gespürt und gefürchtet, er könne die Kontrolle über seinen Körper verlieren. Er hatte keine Möglichkeit mehr gesehen, selber zu überleben, ohne dabei irgendeinen größeren Schaden anzurichten.

So hatte er seinen Captain kurzerhand in die Rettungskapsel gestoßen, diese verschlossen und los schwimmen lassen.

Und das war gut so gewesen. Piers erinnerte sich, dass die BOW noch am Leben gewesen war. Sie war der Kapsel gefolgt und hatte sie attackiert.

Und so hatte Piers einen letzten Angriff gestartet, um das Vieh aufzuhalten und Chris’ sicheres Entkommen zu gewährleisten. Dann war die Einrichtung in die Luft geflogen, und Piers’ Wahrnehmung war ausgelöscht worden.
 

Warum also war sie nun wieder da?

Warum konnte er wieder denken, seinen Körper wieder spüren?

Und er hörte auch etwas. Eine Stimme, die ihm seltsam vertraut vorkam. Sie klang wie in Watte gepackt, sagte aber deutlich seinen Namen.

'Er hat es geschafft, er hat überlebt…', dachte Piers und seufzte leise auf. Das war gut, das war sehr gut. Dann war seine Tat nicht umsonst gewesen.

Aber hatte er überhaupt etwas getan?

Vielleicht war das alles nicht real gewesen. Vielleicht hatte es sich nur um eine Fieberfantasie gehandelt. Fieber hatte Piers, das spürte er deutlich.

Das Hier und Jetzt war real, da war er ganz sicher. Aber wie sah es da mit den Geschehnissen in China aus?

Er erinnerte sich an fast alles ganz genau, und dennoch war es auch alles irgendwie verschwommen, was aber vielleicht auch einzig und allein an seinem momentanen Zustand lag.

Er würde es ja sicherlich bald erfahren, wenn er etwas mehr Kraft gesammelt hatte.
 


 

„Piers…? Piers, hörst du mich?!“, hörte der junge Soldat Chris’ Stimme wieder rufen, und nun hatte er eigentlich gar keine Wahl mehr, als die Augen doch wieder zu öffnen.

Einen Spalt weit bekam er sie sogar auf und nahm seine Umgebung etwas verschwommen wahr.

Das Zimmer, in dem er sich befand, war recht klein, aber gemütlich.

Die Wände waren hell gestrichen, an der einen befanden sich ein Kleiderschrank und ein kleiner Spiegel, an der anderen stand ein Schreibtisch vor einem Fenster, dessen Vorhänge zugezogen waren. Daneben stand noch eine recht große Topfpflanze, ebenso wie ein Korb, in dem sich wohl Chris’ schmutzige Wäsche befand. Piers konnte das nur vermuten, denn der Korb war mit einem Deckel verschlossen.
 

Etwas mühsam drehte der junge Mann den Kopf nun zur anderen Seite und machte an der dritten Wand zwei Regale aus, in denen Bücher und Fotos standen.

Das größte Foto zeigte ein Bild von Chris und seiner Schwester Claire, und Piers vermutete auf den anderen Fotos ähnliche Motive.

Mit einem leichten Lächeln erkannte er auch ein Foto, das bei einem Training der B.S.A.A. aufgenommen worden war. Wer sich außer Chris und ihm noch darauf befand, konnte Piers allerdings nicht mehr sagen, und er erkannte es mit seinem verschwommen Blick auch nicht wirklich.

Alles in allem gefiel ihm das Zimmer wirklich sehr gut.

Die dunkelgrüne Bettwäsche passte zu den Vorhängen, und alles zusammen gab dem Raum eine gewisse jugendliche Frische, wie Piers sie in der Wohnung seines Captains auch nicht anders erwartet hatte.
 

„Hast du mein Schlafzimmer nun lange genug bewundert?“, fragte Chris mit ruhiger Stimme, und ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen.

Er hatte nichts dagegen, dass Piers sich umsah, um sich zu orientieren, und er würde ihm auch alle Zeit geben, die er dazu brauchte.

„Tut mir leid, Captain…“, nuschelte Piers nur zur Antwort, und er war erschrocken darüber, wie rau und kraftlos sich seine eigene Stimme anhörte. Zudem schmerzte sein Hals fürchterlich, und er bemerkte einen leichten Blutgeschmack im Mund. Ihm schien es wirklich dreckig zu gehen.

Chris erwiderte die Entschuldigung des jungen Soldaten nun auch nur mit einem leichten Kopfschütteln und einem leisen Lachen.

In seinem momentanen Zustand wirkte Piers fast ein wenig unterwürfig. Das war eine interessante Abwechslung, passte jedoch überhaupt nicht zu ihm.

Aber Chris machte sich in keinster Weise darüber lustig. Ganz im Gegenteil war er einfach nur heilfroh, dass es Piers etwas besser zu gehen schien. Er war früher aufgewacht, als Chris eigentlich vermutet hatte. Und er schien ganz bei sich zu sein und hatte sogar die Kraft, etwas zu sagen.

Blieb nur zu hoffen, dass der Schein nicht trog.
 

„Mein Schlafzimmer ist nun vollkommen egal, wichtig ist nur, wie es dir geht, ok?“, meinte er dann leise und beugte sich etwas nach vorne, damit Piers sich nicht zu sehr anstrengen musste, laut zu reden. Überhaupt sollte er noch nicht zu viel reden, um sich ein wenig zu schonen.

Der Ältere wartete kurz und fürchtete schon fast, Piers hätte erneut das Bewusstsein verloren, weil er die Augen kurz doch noch einmal geschlossen hatte.

Dann aber öffnete er sie wieder und ließ ein müdes Seufzen hören. „Ich bin nicht ganz sicher…“, musste er zugeben und hob leicht den rechten Arm an, den er eben erblickt hatte.

Er existierte also wirklich.
 

„Piers?“

Der junge Mann ließ den Arm wieder sinken.

„Warum bin ich…“

„Am Leben?“

Nun war es Chris, der ein leises Seufzen hören ließ, ehe er sich zurück lehnte und die Arme verschränkte.

„Ich weiß es nicht. Aber ich vermute, dass es mit dem C-Virus zusammenhängt. Es scheint deinen Körper am Leben erhalten und die schlimmstem Verletzungen geheilt zu haben, nachdem die Mutation wohl zurückgegangen war. Wie es aussieht, hast du dich drei Monate lang im Wasser befunden, bis du hier angespült worden bist…“, erklärte er und zuckte dabei etwas hilflos mit den Schultern.

Anschließend wartete Chris kurz, aber die erschrockene Reaktion, die er auf diese Auskunft hin erwartet hatte, blieb aus.

Zwar war Piers deutlich erbleicht, aber sein Captain konnte sich gut vorstellen, dass das einfach nur daran lag, dass es für den jungen Mann gerade eine enorme Anstrengung war, sich wach zu halten und zu konzentrieren. Er musste ihm noch etwas Ruhe lassen.
 

„Aber ich denke, genauere Erklärungen haben Zeit, bis es dir etwas besser geht“, entschied der B.S.A.A.-Captain deshalb, während er Piers nachdenklich musterte.

„Du trinkst jetzt etwas und dann schläfst du noch ein wenig. Und ich dulde keine Widerworte, verstanden?“

Den Befehl hatte Chris leise und sanft ausgesprochen, dennoch verfehlte er seine Wirkung nicht.

Zumindest nickte Piers brav und schloss mit einem kraftlosen Stöhnen wieder die Augen. Das Fieber machte ihm wohl wirklich schwer zu schaffen. Er sah überhaupt nicht gut aus. Seine Haut war sehr blass, und auf seiner Stirn stand mittlerweile kalter Schweiß.
 

Chris drehte sich kurz um, öffnete die Flasche und goss etwas Wasser in das Glas, ehe er sich wieder Piers zu wandte, um ihm die Flüssigkeit zu verabreichen.

Aber irgendwie war ihm der Scharfschütze nun doch ein wenig zu still geworden.

„Hey...? Piers?!“

Keine Reaktion, nicht einmal das leichteste Zucken.

Etwas unsicher stellte Chris das Glas wieder ab und streckte zögernd eine Hand aus, die er knapp über das Gesicht des offenbar Bewusstlosen hielt.

Er wartete etwas, konnte aber keine Luftzüge spüren. Zur Sicherheit beugte er sich etwas hinab und hielt sein Ohr über Piers’ Gesicht, während er mit einer Hand die Decke etwas zur Seite schob, um die Hand selber dann auf die Brust des jungen Mannes zu legen.

Aber auch da tat sich überhaupt nichts.

Piers hatte allem Anschein nach einfach mit dem Atmen aufgehört.

Nur ein ganz leichtes Pochen unter Chris' Fingern verriet diesem, dass zumindest das Herz das Scharfschützen noch ein wenig schlug.
 

„Verdammt…!“

Chris fluchte leise und biss sich etwas auf die Lippen. Er würde Piers nicht einfach sterben lassen, schon gar nicht jetzt.

Ohne noch länger zu zögern und die Chancen des Soldaten noch weiter zu verringern, beugte Chris sich wieder hinab, überstreckte vorsichtig Piers' Kopf und begann damit, ihn zu beatmen.

Immer wieder achtete er auf das Heben und Senken der Brust und tastete ab und an nach dem Puls.

Als selbst der nach einer Weile dann aber einfach ausblieb, stockte Chris selber für einen Moment der Atem.

Er durfte jetzt nicht versagen.

Kurzerhand schob er die Decke ganz weg und platzierte die Hände auf dem reglosen Brustkorb, um mit einer Herzmassage zu beginnen, als er unter seinen Fingern doch wieder eine leichte Bewegung ausmachen konnte.

Fast im gleichen Moment war ein leises Röcheln zu vernehmen, gefolgt von einem kraftlosen Husten.
 

Schnell hatte Chris mit der einen Hand das Glas gegriffen und die andere unter Piers’ Nacken geschoben, um ihn in eine leicht sitzende Position hoch zu stützen, damit er etwas besser atmen konnte.

Scheinbar hatte ihm das Virus erneut das Leben gerettet.

Bis es bekämpft werden konnte, würde Chris sich wohl noch eine ganze Weile gedulden müssen. Solange Piers’ Zustand so instabil war, wollte er kein Risiko eingehen.

„Atme tief durch, nein, atme… atme einfach weiter, ja…?“, murmelte Chris dann einfach, weil er nicht wusste, was er sagen oder tun sollte.

Und er wusste auch nicht, ob er das wirklich nur sagte, um Piers zum Weiteratmen zu bewegen, oder viel mehr, um sich selber irgendwie zu beruhigen.
 

Als Piers’ Herz ausgesetzt hatte, hatte Chris für einen kurzen Moment so etwas wie echte Angst verspürt. Angst wie an jenem Tag, an dem Piers ihn in die Rettungskapsel gestoßen hatte, Angst wie schon ein halbes Jahr davor, als Finn und all die anderen Soldaten von der falschen Ada infiziert und getötet worden waren.

Ebenso wie sein neues Team später in China.

Die Angst, einfach alles zu verlieren, was er noch hatte.

Dabei war es im Grunde nie so gewesen. Weder in Edonia, noch in China.
 

Jill und Claire, Leon… diese drei Menschen hätte er kontaktieren können, diese drei Menschen wären sofort und ohne zu zögern bei ihm gewesen. Sie alle waren ihm wichtig, und er ihnen. Hätte Claire ihn damals gesehen, wie er sich in irgendeiner heruntergekommen Kneipe die Kante gab, weil er vergessen wollte und vergessen hatte, sie hätte vermutlich einen Nervenzusammenbruch erlitten. Und Jill hätte ihm, genau wie Piers es getan hatte, vermutlich in den Hintern getreten, wenn auch vielleicht auf eine etwas sanftere Art und Weise.

Und was hatte er getan?

Er hatte die wichtigsten Menschen in seinem Leben in die hinterste Ecke seiner Erinnerungen gedrängt. Vergessen hatte er sie nicht, nur ignoriert. Damals, wie auch vor drei Monaten.

In Edonia oder China hatten sie von nichts gewusst und nichts tun können, doch dieses Mal schien sich Leon mit der Hilfe von Ingrid Hunnigan, zumindest ging Chris davon aus, irgendwie Zugang zu diesen Informationen verschafft zu haben. Die Tode der Soldaten waren ja kein Geheimnis gewesen, an die Unterlagen kam man schon irgendwie ran.

Und dann hatte Leon diese Infos wohl an Jill und Claire weiter gegeben, und sie alle Drei hatten versucht, Chris irgendwie zu erreichen…
 


 

„Captain…?“

Etwas erschrocken zuckte Chris zusammen, als er die kraftlose und leise Stimme des jungen Soldaten vernahm, und er griff sich leicht an den Kopf, ehe er diesen schüttelte und die Gedanken erst einmal verdrängte.

Darum konnte er sich später noch kümmern. Jetzt war Piers erst einmal wichtiger.

„Trink etwas“, meinte er nur, statt eine Antwort auf Piers’ forschenden und besorgten Blick zu geben.

Dem Scharfschützen ging es weitaus schlechter als ihm selber, da sollte er sich nicht um seinen Captain sorgen müssen. Nein, Chris hatte ihm im letzten Jahr wahrlich schon genug Sorgen bereitet. Und nicht nur ihm. Damit musste nun Schluss sein.

Schweigend hielt Chris Piers also das Glas an die Lippen und stellte es erst wieder weg, als der Jüngere von sich aus mit dem Trinken aufhörte.

Vorsichtig ließ er ihn dann wieder zurücksinken und legte das zweite Kissen auf das, auf dem er schon die ganze Zeit über gelegen hatte,

So befand Piers sich nun in einer etwas höheren, halb sitzenden Position, in der er hoffentlich ein wenig besser atmen konnte.

„Und jetzt schlaf' etwas…“

Erneut nickte Piers brav, und dieses Mal beobachtete Chris ihn ganz genau, als er die Augen schloss und sich erneut einer leichten Ohnmacht hingab.

Er legte ihm erneut ein kaltes Tuch auf die fieberheiße Stirn und ertappte sich dann sogar dabei, wie er nach einigen Momenten die Hand ausstreckte und leicht Piers’ Hals berührte, an dem er einen etwas unregelmäßigen, nun aber halbwegs kräftigen Puls ausmachen konnte. Aber erst die leisen, fast gleichmäßigen Atemzüge beruhigten ihn wirklich.

Bad Dreams

Chris blickte auf den jungen Mann hinab, der halb in seinen Armen lag, und schluckte schwer.

Von Piers war ein kraftloses Husten zu hören, und ein dünnes Blutrinnsal bahnte sich einen Weg über seine Lippen.

„Piers…?“ Chris krallte die Finger in Piers’ linken Arm, doch der junge Soldat schien das gar nicht mehr wirklich mitzubekommen. Und auch auf seinen Namen reagierte er überhaupt nicht.

Seine Haut war leichenblass, Schweiß perlte auf seiner fieberheißen Stirn, und sein Blick flackerte merklich, als er versuchte, den seines Captains irgendwie zu erwidern.

Er starb.

Sein Körper war zerstört, und das Virus kam mit der Heilung einfach nicht mehr hinterher.

Und obwohl Piers’ Körper so stur zu sein schien wie der Scharfschütze selbst, reichte diese Sturheit nun einfach nicht mehr aus.

„Es… tut mir leid… Captain…“

„Was…?“

Chris hatte durchaus gehört, dass Piers versuchte, etwas zu sagen, aber die Stimme des jungen Soldaten war so schwach und brüchig, dass er sie einfach nicht hatte verstehen können.

„Es… tut mir leid… Cap… Captain…“, wiederholte Piers noch einmal, wobei er nun all seine schwindenden Kräfte zusammennahm, um die Worte so deutlich wie möglich auszusprechen.
 

Sein Kopf kippte anschließend nur noch schlapp gegen Chris’ Schulter, und der Captain des Alpha-Teams spürte das Fieber und die stockenden Atemzüge des Scharfschützen, den er noch immer halb im Arm hielt.

„Dir muss nichts leid tun, Piers. Ich bin es, der versagt hat. Hätte ich damals… Piers…?“

Chris stockte. Die Luftzüge und leichten Regungen, die er eben noch gespürt hatte, blieben mit einem Mal einfach aus.

Erschrocken und leicht zitternd hob Chris die zweite Hand an, legte sie an Piers’ heiße und bleiche Wange, und drehte seinen Kopf ein wenig zu sich.

Die braunen Augen des Jüngeren waren noch halb geöffnet, blickten jedoch trüb und leblos ins Nichts.

Vorsichtig legte Chris ihn ab und beugte sich über ihn, während die Finger seiner Rechten nach der Halsschlagader tasteten. Nichts.

Kein Lufthauch streifte Chris' Wange, und unter seinen Fingern konnte er auch keine Herzschläge mehr ausmachen.

Piers war tot.
 


 

Heftig biss sich Chris auf die Lippen und ignorierte das Blut, das er dabei schmeckte.

Schmerz, Trauer und Wut überkamen ihn.

Er hatte seinen Freund und Partner nicht retten können, wieder einmal hatte er ihn verloren.

Nach der Sache in China hatte Chris sein Leben weitergelebt, wie Piers es sicherlich von ihm gewollt hätte.

Aber da war ein einziger Gedanke gewesen, der ihn angespornt hatte, weiter zu machen und nicht aufzugeben.

Es war der Glaube daran gewesen, dass Piers noch am Leben sein könnte.

Im Laufe des Jahres hatte Chris die Kraft des C-Virus kennen gelernt. Die J’avos, die Verletzungen dadurch heilen konnten. Einige mutierten dabei, andere nicht. Die Rasklapanje, die so gut wie unbesiegbar gewesen waren, weil ihre Körper sich immer wieder regeneriert hatten, wenn man sie nicht verbrannte oder zerhäxelte.

Und nicht zuletzt Haos, die riesige BOW, die auch einfach nicht hatte sterben wollen. Bei ihnen allen hatte das C-Virus Unglaubliches geleistet. Warum nicht auch bei Piers?

Und tatsächlich hatte sich diese Hoffnung letztendlich erfüllt, und Piers war, wie das Schicksal es so wollte, fast direkt vor seinen Füßen angespült worden, und er hatte sich um den jungen Soldaten gekümmert.

Und nun sollte alles umsonst gewesen sein?

Das Virus hatte sein Bestes getan, doch es hatte einfach nicht ausgereicht.

Und diese Tatsache, der klare Beweis, der hier nun vor ihm lag, war es, der Chris den Rest gab.

Er sah Piers’ leblose Gestalt vor sich und wusste, dass es nun keinerlei Hoffnung mehr gab. Damals in China hatte es keine direkte Leiche gegeben, auch wenn es eigentlich unmöglich gewesen war, die Explosion zu überleben. Dennoch war Chris nicht bereit gewesen, die Hoffnung aufzugeben, solange er Piers' toten Körper nicht mit eigenen Augen sah. Nun aber war genau das geschehen.
 

„Es tut mir leid, Captain…“

Chris ballte die Hände zu Fäusten und schloss die Augen.

Es waren diese letzten Worte des Scharfschützen, die pausenlos in seinem Kopf widerhallten.

Es tat ihm leid. Was tat ihm leid? Piers hatte sich doch nichts vorzuwerfen.

Es war Chris, der versagt hatte.

Die Hoffnung, Piers könne noch leben, war da gewesen. Er hätte die Macht gehabt, nach dem Soldaten suchen zu lassen.

Hätte er ihn schon etwas eher gefunden, wäre sein Körper noch nicht so geschwächt gewesen, dann hätte er ihn vielleicht doch noch retten können.
 

„Du hast nichts falsch gemacht, Piers. Rein gar nichts. Damals nicht… und heute genau so wenig. Ich habe einfach versagt. Ich habe mich von meinem Frust zerfressen, von meinen Gefühlen kaputt machen lassen, statt logisch und klar zu denken. Und das, obwohl du mir mehr als einmal deutlich klar gemacht hast, dass das nirgendwo hin führt.“

Und hier hatte Chris wieder einmal den Beweis dafür, dass Piers recht gehabt hatte.

Wieder einmal hatte Chris sich von seinen Gefühlen ablenken lassen, und wieder einmal hatte ihn das einen geliebten Menschen gekostet.

Was hätte er dafür gegeben, die Zeit zurückdrehen und alles ändern zu können...

Aber das konnte er nicht.

Es war wie ein Fluch.

Je mehr Chris versuchte, die Menschen, die ihm wichtig waren, zu beschützen, desto mehr von ihnen schienen zu sterben. Und das meistens, während sie ihrerseits ihn beschützten.
 

Jill hatte er vor langer Zeit so einmal fast verloren geglaubt, im Kampf gegen Wesker. Und er war unendlich erleichtert gewesen, als er erfahren hatte, dass sie lebte. Er hatte sie von Weskers Kontrolle befreien können, und alles war wieder gut geworden.

Dann war da Sheva gewesen, auch sie im Kampf gegen Wesker. Sie war ebenfalls bereit gewesen, ihr Leben zu opfern, um ihn zu retten.

Sie hatte seine Hand loslassen wollen, um sich mit Wesker in die Tiefe zu stürzen, doch Chris hatte sie in letzter Sekunde festhalten können. Er hatte nicht zugelassen, dass sie sich opferte.

Und zu guter Letzt Piers.

Piers, der ihn zur Seite gestoßen hatte, als Haos ihn packen wollte.

Er selber war zu langsam gewesen, und am Ende hatte die BOW ihn dennoch erwischt. Piers hatte seinen rechten Arm geopfert und sich das C-Virus injiziert, um seinen Captain zu retten.

Und nach dem Kampf und der Flucht zu den Rettungskapseln hatte er seinen Captain in eine von diesen gestoßen und sie los geschickt.

Haos hatte noch einmal angegriffen, und Piers hatte ihn vernichtet, ehe alles in die Luft geflogen war.

Doch auch hier hatte Chris, wie bei Jill, eine zweite Chance erhalten. Eine Chance, das wieder gut zu machen.

Bei Jill war es ihm gelungen, sie hatte er retten können. Doch bei Piers hatte er auch dieses Mal kläglich versagt.
 

Er war eine Gefahr für alle Menschen, die ihn umgaben, für alle Menschen, die an ihn glaubten, und die in diesem Glauben ihre Leben in seine Hände legten.

Und diese Gefahr musste beseitigt werden.

Langsam griff der B.S.A.A.-Captain neben sich und hob die Waffe an, die er auf dem Nachtkästchen liegen hatte. Mit erschreckend ruhiger Hand lud und entsicherte er sie, ehe er sie weiter anhob und gegen seine Schläfe drückte.

Er wollte einfach nicht mehr, er konnte nicht mehr!

Chris hatte wahrlich genug gelitten, genug gegeben und genug verloren. Genug war eben einfach genug.

„Es tut mir leid…“, murmelte er leise, ehe er die Augen schloss und abdrückte.

Plan B

Chris schrak auf und starrte schweißgebadet auf das Bett hinab, auf dem Piers lag.

Der junge Soldat hatte die Augen geschlossen und schlief tief und fest.

Sein Gesicht hatte etwas an Farbe gewonnen, das Fieber war weitestgehend zurückgegangen, und die Wunden waren dank des C-Virus alle gänzlich verheilt.

Fast zwei Wochen waren nun vergangen, seit Chris Piers in seine Wohnung gebracht hatte.

Die meiste Zeit über war Piers bewusstlos gewesen oder hatte geschlafen, doch in den letzten Tagen war er immer häufiger wach gewesen. Chris erlaubte es ihm allerdings noch nicht, schon wieder aufzustehen.

Nun musste er erst einmal Kraft tanken. Essen und Trinken, das war momentan das Wichtigste. Piers brauchte Vitamine und Flüssigkeit.
 

Seufzend strich Chris sich über die Stirn und schloss noch einmal leicht die Augen, öffnete sie aber schnell wieder, als sich die Bilder des Albtraumes wieder in seinen Kopf drängen wollten.

„Ich werde alt…“, brummte er leise, ehe er aufstand und sich kurz etwas an der Wand abstützen musste.

Die ganze Zeit über hatte Chris sich um Piers gekümmert und sich dabei selber vernachlässigt.

Aber er beschwerte sich nicht. Immerhin war er Piers das schuldig. Er konnte sich ruhig auch einmal für ihn aufopfern.

Übertreiben wollte er aber auch nicht, denn wenn er am Ende selber zusammenbrach, war er dem Scharfschützen auch keine Hilfe mehr.

Noch einmal seufzte Chris, dann wandte er sich ab und ging ins Bad. Er brauchte erst einmal eine kalte Dusche, um richtig wach zu werden und den Albtraum irgendwie abzuschütteln.

Er zog sich aus, warf die Sachen gleich in die Waschmaschine und stieg dann in die Dusche.

Das kalte Wasser, das über seinen Körper lief, tat unglaublich gut.

Die Erinnerung an den Traum verschwand zwar nicht einfach, aber zumindest konnte Chris nun wieder klar denken und den Traum von der Realität unterscheiden. Piers war am Leben, alles war gut. Es ging ihm besser, und bald würde er wieder ganz auf den Beinen sein.

Dieser Traum würde genau das bleiben, ein Traum. Niemals würde Chris zulassen, dass Piers ihm nun doch noch weg starb.
 


 

Als er mit dem Duschen fertig war, trocknete Chris sich ab, atmete noch einmal tief durch, zog sich frische Sachen an und ging ins Schlafzimmer zurück, wo er überrascht in der Tür stehen blieb.

Piers war erwacht und hatte sich aufgesetzt, saß im Moment mit einem Glas Wasser in der Hand da und blickte leicht auf, als er Schritte vernahm.

„Captain…?“

„Piers, du bist wach…“, begann Chris, stockte dann aber und runzelte die Stirn.

Irgendetwas an Piers’ Blick gefiel ihm nicht. Er wirkte besorgt. Warum?

Aber all zu lange hielt der B.S.A.A.-Captain ihm ohnehin nicht stand.

Als er dem Jüngeren für einen kurzen Moment direkt in die Augen gesehen hatte, war ihm gleich wieder das Bild aus dem Traum in den Kopf gesprungen, das bleiche Gesicht, der starre Blick, und Chris hatte den eigenen schnell wieder abgewandt.

„Chris?“, versuchte es Piers nun noch einmal, doch sein Captain schüttelte nur leicht den Kopf.

„Ich war in Gedanken, entschuldige…“
 

Piers war deutlich anzusehen, dass er das keine Sekunde lang glaubte, aber zu Chris’ Glück war er noch viel zu erschöpft, um sich nun großartig mit seinem Captain anzulegen.

Er leerte das Glas, stellte es weg und lehnte sich etwas zurück, ehe er Chris wieder ansah.

Und wieder wich dieser seinem Blick aus.

Piers entging das nicht. Sein scharfer Blick half nicht nur beim Zielen. Und er kannte Chris nun auch schon lange genug, um zu merken, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte.

„Captain, was ist…?“, begann er nun etwas schärfer, doch Chris hob nur leicht die Hand und drehte sich um. Er schaffte es doch nicht wirklich, den Traum ganz zu verdrängen.

Er musste raus, er musste weg!

„Später. Jetzt muss ich erst mal zur Apotheke und noch einmal fiebersenkende Mittel besorgen, damit dein Fieber endlich ganz verschwindet.“, behauptete er deshalb einfach, damit Piers in in Ruhe und gehen ließ.
 

Das war eine Ausrede, nichts weiter, das wusste der junge Soldat ganz genau.

Er hatte gesehen, wie Chris am Vorabend erst eine neue Packung geöffnet hatte. Es waren noch mehr als genug fiebersenkende Mittel da. Und so dringend hatte Piers sie ja auch gar nicht mehr nötig.

In den zwei Wochen war das Fieber immer weiter gesunken, und nun konnte man das höchstens noch erhöhte Temperatur nennen, wenn überhaupt.

Dennoch sagte der Jüngere nichts mehr dazu, sondern schnaubte nur leise und schloss leicht die Augen.

Chris wollte vermutlich einfach für ein paar Minuten an die frische Luft und sich alleine mit dem auseinander setzen, was ihn beschäftigte. Gut, dann sollte er das machen. Wenn er zurück kam, würde Piers ihn schon noch ausfragen können.

Und das würde er auf jeden Fall auch tun.
 


 

Aber Chris kam nicht zurück.

Es verging eine Stunde, aus der wurden zwei, dann drei, letztendlich waren es dann sogar fünf, und der Captain war noch immer nicht wieder da.

Und Piers wurde klar, dass er auch nicht wieder zurück kommen würde.

„Verdammter Mist…“, murrte er leise, ehe er sich aufsetzte und die Beine aus dem Bett schwang.

Chris schien gerade einfach vor seinen Problemen davon laufen zu wollen. Das passte Piers überhaupt nicht.

Nach dem, was er in Chris’ Blick gesehen hatte, eine Mischung aus Angst und Reue, traute er seinem Captain gerade einfach alles zu. Vor allem aber, dass er sich erneut in irgendeine Kneipe setzte und sich voll laufen ließ, um seine Sorgen im Alkohol zu ertränken. Aber noch einmal würde er damit nicht durchkommen.

Vorsichtig stand Piers also ganz auf, stützte sich kurz an der Wand ab, als ihm etwas schwindelig wurde, und tastete sich dann an dieser entlang zum Telefon.

Vermutlich würde Chris nicht an sein Handy gehen, wenn er seine eigene Festnetznummer auf dem Display erkannte, aber einen Versuch war es allemal wert.

Was sollte Piers auch sonst tun?

Er wählte also die Nummer seines Captains und wartete ab.

Dann fluchte er leise, als er nicht weit entfernt ein Klingeln vernahm, legte wieder auf und ging ins Nebenzimmer, Chris’ kleines Arbeitszimmer, wo sein Handy auf dem Schreibtisch lag.

Er hatte es nicht einmal mitgenommen.
 

„Schön, was jetzt…?“, murmelte Piers und nahm das Handy in die Hand.

Dann musste eben ein anderer Plan her. Und er hatte auch schon einen.

Wenn Chris weglaufen wollte, dann musste er ihn eben zurück holen. Das hatte ja schon einmal geklappt.

Nur dass der Scharfschütze ihm dieses Mal keine Bilder von Leichen vor die Nase halten, sondern ihm lebende Menschen präsentieren würde.

Und zwar die Menschen, die Chris am wichtigsten waren, denen er wichtig war. Die für ihn da waren, und für die er auch da sein musste, um deren Willen er einfach nicht aufgeben durfte.

Drei Menschen kamen Piers hier in den Sinn.

An erster Stelle war da Chris’ jüngere Schwester Claire, von der er oft genug erzählt hatte.

Und dann natürlich Leon, den er bei einer kurzen Begegnung selber mehr oder weniger kennengelernt hatte.

Und dann war da noch jemand gewesen. Eine Frau…
 

Piers runzelte die Stirn und versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern.

Sein Blick schweifte durch den Raum und blieb an einem alten Foto hängen, das auf dem Schreibtisch stand. Es war ein Foto von Chris’ altem S.T.A.R.S.-Team.

„Jill Valentine, natürlich…“, kam es Piers wieder in den Sinn, als er die braunhaarige junge Frau auf dem Bild erkannte. Chris trug selber immer ein altes Foto bei sich, welches er Piers auch schon einmal mit Stolz, aber auch gewisser 'Trauer' im Blick, gezeigt hatte.

Sein Captain sprach recht viel von der Frau, jedoch distanziert, beinahe geschäftlich, als wäre sie nur eine gute alte Bekannte. Als hätte Piers nicht von Anfang an durchschaut, was wirklich dahinter steckte.

Kurz musste er etwas lächeln, dann suchte er in Chris’ Kontaktliste nach den drei Nummern. Er hatte sie schnell gefunden und überlegte einen Moment, wen er zuerst anrufen sollte.

Er entschied sich letztendlich für Leon, einfach, weil er diesem selber schon einmal begegnet war, und ihn so zumindest im entferntesten Sinne kannte.

Also wählte Piers die Nummer und wartete ab.
 

„Kennedy… Chris, bist du das?“

Die Stimme, die sich meldete, kam Piers bekannt vor, es war eindeutig die von Leon.

„Nein, hier ist Piers. Piers Nivans.“

Kurzes Schweigen folgte, und Piers kam in den Sinn, dass der Special Agent mit diesem Namen vermutlich nicht sonderlich viel anfangen konnte. Se waren sich einmal begegnet, und sein eigener Name war dabei nicht ein einziges Mal gefallen.

„Sie sind am Leben?“

Mit dieser Reaktion hatte der junge Soldat nun wirklich überhaupt nicht gerechnet. Leon schien doch Bescheid zu wissen.

Kurz zögerte Piers, dann aber entschied er sich, diesem Mann zu vertrauen. Freunden von Chris musste er einfach vertrauen.

„Bin ich“, erwiderte er dann also, und er begann, Leon in kurzen Worten zu berichten, was passiert war, und wie er allem Anschein nach überlebt hatte.
 

„Und nun ist Chris verschwunden.“

„Wie lange schon?“

Leon klang sichtlich besorgt.

„Erst ein paar Stunden, aber ich habe ein ungutes Gefühl“, erklärte Piers seufzend und lehnte sich etwas gegen die Wand.

Sein Kreislauf beschwerte sich über das schnelle Aufstehen, immerhin hatte Piers zwei Wochen lang im Grunde nur im Bett gelegen.

„Wo sind Sie gerade?“, wollte Leon nun wissen, und Piers erklärte ihm, dass er sich in Chris’ Wohnung befand.

Der Special Agent versprach, sich sofort auf den Weg zu machen. Er würde Chris nicht im Stich lassen, auf keinen Fall.

Und seine Ruhe hatte der Ältere nun wirklich lange genug gehabt.

Piers bedankte sich, dann verabschiedeten sie sich, und Leon legte auf.
 

Das war schon einmal geschafft.

Und der junge Soldat war sicher, dass auch Claire nicht lange fackeln würde.

Also wählte er als nächstes ihre Nummer.

„Chris…? Chris, bist du das?!“

Die Stimme, die sich meldete, klang fast ein wenig hysterisch.

„Nein, hier ist Piers Nivans“, musste Piers auch Chris’ Schwester nun leider enttäuschen.

„Oh…“, kam es erst nur von Claire, dann herrschte einen kurzen Moment Schweigen.

„Sie sind nicht tot?“

Wusste hier eigentlich jeder darüber Bescheid?

Gut, Leon war in gewisser Weise ein Freund von Chris, und er hatte in allem mit drin gesteckt und so sicherlich Informationen über die Ereignisse rund um die B.S.A.A., und vor allem Chris, erhalten.

Und Claire war Chris’ Schwester. Sie hatte sich natürlich auch irgendwie informiert.

„Ich lebe“, erklärte Piers erneut, und er entschied, auch Claire zu vertrauen. Sie war Chris’ Schwester, da konnte er gar nicht anders. Zudem brauchte er ihre Hilfe.

Als Piers geendet hatte, schwieg Claire wieder einen Moment, ehe sie leise seufzte.

„Ich mache mich gleich auf den Weg. Bei der Suche nach Chris bin ich mittlerweile Profi. Er kann meinen Anrufen ausweichen, aber nicht mir persönlich“, erklärte sie und lachte etwas.

Aber Piers erkannte, dass dieses Lachen alles andere als fröhlich war.

Claire war verzweifelt und besorgt, sie hatte Angst um ihren Bruder. Und Piers konnte das sehr gut verstehen.

Auch bei Chris’ Schwester bedankte er sich nun, und anschließend blieb nur noch eine letzte Nummer zu wählen.
 

Kurz atmete der Scharfschütze tief durch, lehnte sich ganz gegen die Wand und ließ sich an dieser zu Boden sinken, ehe er für einen Moment die Augen schloss.

In seinem Kopf hämmerte es, und sein Kreislauf schien ihm wirklich einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen. Aber das würde er nicht schaffen.

Leicht verschwamm das Display vor seinen Augen, als er sie wieder öffnete, aber dennoch gelang es Piers, Jills Nummer zu finden und zu wählen.

Es dauerte etwas, bis sie sich meldete.

„Chris?“

Und die Dritte im Bunde, die Piers enttäuschen musste.

Wie es aussah, hatten sie alle mehrmals versucht, Chris zu erreichen und es nie geschafft, oder sie waren abgeblockt worden. Claire hatte so etwas ja schon angedeutet.

„Nein, hier ist nicht Chris. Hier ist Piers Nivans.“

Erneut schwieg sein Gesprächspartner, und Piers war sicher, dass Jill nun wirklich nichts mit diesem Namen anfangen konnte. Aber er hatte sich getäuscht.

„Wie kann es sein, dass Sie am Leben sind?“

Piers blinzelte leicht und schüttelte seufzend den Kopf.

Scheinbar wusste wirklich jeder Bescheid.

Aber eigentlich wunderte es ihn bei Jill nicht einmal wirklich. Immerhin war sie selber Mitglied der B.S.A.A.. Für sie war es ein Leichtes, die Akten über Chris und sein Team einzusehen. Und das musste sie nicht einmal heimlich tun

Und so erklärte der Scharfschütze nun auch Jill, was vorgefallen war, wie er wohl überlebt hatte, und dass Chris verschwunden war.

Ihr gegenüber erwähnte er nun auch, dass er Leon und Claire angerufen hatte, und dass beide zugesagt hatten, bei der Suche zu helfen.

Und auch Jill zögerte, wie erwartet, keine Sekunde lang.

Auch sie sagte sofort ihre Hilfe zu.

Wenn Chris sie brauchte, dann war sie da. Er konnte sich blind auf sie verlassen.

Wieder bedankte Piers sich, Jill legte auf, und der junge Mann legte das Handy beiseite.

Nun musste er warten.
 


 

Vorsichtig stand er nach einer Weile auf und stützte sich wieder an der Wand ab, ehe er sich ins Bad schleppte.

In diesem Zustand war er niemandem eine Hilfe. Er musste sich irgendwie selber etwas weiter aufpäppeln, sonst klappte er am Ende einfach wieder zusammen.

Im Bad angekommen, schüttete er sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht, dann öffnete er die Spiegelschränke und fand hinter der letzten Tür das, wonach er gesucht hatte:

Fiebersenkende Mittel, Schmerztabletten und aufbauende Vitamine.

Piers nahm sich je eine Tablette, dann ging er in die Küche, fand in einem der Schränke noch ein Päckchen Traubenzucker und setzte sich anschließend mit seinem Fund und einem Glas Wasser im Wohnzimmer auf die Couch.

Er kippte die Tabletten mit etwas Wasser runter, dann schob er sich den Traubenzucker in den Mund, lutschte darauf herum und schloss leicht die Augen.

Langsam begannen die Tabletten zu wirken, und Piers spürte, wie sich sein Kreislauf wieder etwas beruhigte.

Nach und nach rutschte der Soldat auf der Couch etwas nach unten und fiel nach einer Weile in einen leichten Schlaf.

Ein alter Feind

„Sieh an, habe ich dich also endlich gefunden, Chris…“

Chris’ Augen weiteten sich, und das Whisky-Glas stoppte auf halbem Weg zu seinem Mund.

Diese Stimme…

Das war unmöglich, ausgeschlossen. Nein, das konnte einfach nicht sein.

‚Aber warum denn nicht? Piers ist zurück. Was ein C-Virus schafft, schafft vielleicht auch ein T-Virus… Uroboros’, hörte der Soldat eine leise Stimme in seinem Kopf sagen, und seine Hand schloss sich fester um das Glas.

Er wollte sich nicht umdrehen. Er wollte den Mann, der da hinter ihm stand, einfach ignorieren. Er wollte, dass der einfach nicht da war.

„Verdammt…“

Chris knirschte leise mit den Zähnen, stellte das Whisky-Glas ab und stand auf, ehe er sich herum drehte.

Das Erste, was ihm auffiel war, dass Albert Wesker sich verändert hatte.

Er hatte deutlich abgenommen. Zwar war er noch immer sehr muskulös, aber er wirkte irgendwie jünger, menschlicher.

So erinnerte er viel mehr an den ehemaligen S.T.A.R.S.-Captain, als an den Mann, den Chris vor etwa vier Jahren in Afrika getötet hatte.

Oder er hatte es eben allem Anschein nach doch nicht getan.
 


 

Und in dem Moment, obwohl hier sein Erzfeind vor ihm stand, der Mensch, den er am meisten hasste, dachte er gerade nicht an einen Kampf, nicht an das, was Wesker getan hatte, sondern schlicht und ergreifend daran, dass dieser Mann vor ihm Vater war.

Ein schlechter Vater, einer, der nie für seinen Sohn da gewesen war, der ihn vermutlich nicht einmal kennen gelernt hatte, aber eben ein Vater.

Wie würde Jake reagieren, wenn er herausfand, dass Wesker noch am Leben war?

Würde er ihn suchen? Oder hatte er vielleicht doch mit der ganzen Sache abgeschlossen? Wie viel Einfluss hatte die junge Agentin Sherry Birkin auf ihn genommen? Wie sehr hatte sie ihn in seiner eigenen Art, in seiner Denkweise und Einstellung verändert?

Aber ganz gleich, wie die Antwort auch lautete, Chris sah Wesker in diesem Moment mit anderen Augen.

Er konnte ihn nicht einfach töten.

Nicht jetzt, da er wusste, dass es da draußen einen Menschen gab, der früher fast alles dafür gegeben hätte, diesem Monster einmal zu begegnen, egal, aus welchem Grund.

Doch verteidigen würde Chris sich durchaus, sollte es zu einem Kampf kommen.
 

Seit er wusste, dass Wesker einen Sohn hatte, hatte der Soldat groteskerweise darüber nachgedacht, wie es überhaupt dazu gekommen war.

Da musste es eine Frau im Leben von Albert Wesker gegeben haben.

Hatte es da also auch Liebe gewesen?

Oder hatte der Blonde da etwas ganz Anderes im Hinterkopf gehabt, Experimente zum Beispiel?

Chris schauderte bei dem Gedanken leicht.

Dem Wesker, den er kannte, war so etwas durchaus zuzutrauen.

Er war nun einmal ein Monster, das nichts anderes im Kopf hatte, als die Welt zu zerstören.

Und das Schlimme war, dass Chris sich manchmal tatsächlich nach den Beweggründen seines ehemaligen Captains fragte.

Es musste ja einen Grund geben, warum der Blonde einen solchen Groll gegen die Welt hegte. Und Chris war irgendwie an diesem interessiert.

Nicht, dass es irgendetwas geändert hätte, hätte Chris den Grund gekannt.

Wesker war und blieb ein Massenmörder, der mit irgendwelchen Viren und Parasiten herum spielte, und der dabei ernsthaft behauptete, die Welt nicht zu zerstören, sondern zu retten. Und dennoch wollte Chris einfach wissen, was im Leben eines Menschen passieren musste, damit so etwas aus ihm wurde…
 


 

'Hör schon auf, dir so unnötige Gedanken zu machen, und überleg dir lieber, wie du Wesker los wirst', mahnte sich Chris in Gedanken nun selber, ehe er Wesker wieder ansah.

Dieser hatte bis auf seinen ersten ‚Begrüßungssatz’ noch rein gar nichts gesagt.

Das sah ihm gar nicht ähnlich. Für gewöhnlich schien Albert Wesker es ja zu lieben, irgendwelche Reden zu schwingen. Vermutlich hörte er sich unglaublich gerne reden.

'Jetzt reicht's aber…'

Chris’ Gedanken schweiften immer wieder ab, und er wusste auch genau, warum das so war.

Zum Einen war da natürlich der Alkohol, den er doch schon ein wenig spürte, aber hauptsächlich lag es daran, dass er sich mit der Situation gerade einfach nicht auseinander setzen wollte.

Er war hergekommen, weil er alleine sein wollte. Weil er über die Vergangenheit nachdenken musste, über sich selber, darüber, wie er in letzter Zeit mit seinen Freunden umgegangen war. Oder eben, besser gesagt, nicht umgegangen war.

Da konnte er einen Albert Wesker nun wirklich am allerwenigsten gebrauchen.
 

„Lass mich einfach in Ruhe, Wesker“, hörte Chris sich nach einer Weile deshalb selber sagen, und obwohl er die Augen des Blonden hinter den dunklen Gläsern seiner Sonnenbrille nicht erkennen konnte, spürte er doch die Verwirrung, die in Weskers Blick trat.

Seine Mundwinkel zuckten dann aber nur verräterisch, und für einen Moment glaubte Chris, sein ehemaliger Captain würde gleich laut loslachen.

Doch das tat er nicht.

Stattdessen zog er, ohne mit der Wimper zu zucken, eine Waffe und richtete diese auf Chris.

Der Barkeeper hinter diesem zuckte zusammen und wollte den neuen Gast erst zurechtweisen, doch ein leises Knurren von diesem ließ ihn eingeschüchtert zurückweichen.

Und kaum eine Sekunde später war er in den Raum hinter der Bar verschwunden.

Auch die wenigen anderen Gäste, die sich noch in der Kneipe befanden, sahen zu, dass sie schnellstmöglich von diesem Irren weg kamen. Sie alle konnten darauf verzichten, einfach abgeknallt zu werden.
 

Nur Chris blieb wo er war, zumal er ja ohnehin keine Wahl hatte. Wollte er weg, musste er an Wesker vorbei, versuchte er das, war er ein toter Mann. Und irgendwie konnte er darauf trotz allem verzichten.

Wieder huschten die Bilder des Traumes der letzten Nacht durch seinen Kopf, und Chris schauderte.

Er hatte sich erschossen. Er war so weit gegangen, sich selber das Leben zu nehmen.

Niemals wäre er auf so eine Idee gekommen. Egal, wie viel er auch durchgemacht hatte, an Selbstmord hatte der Soldat noch nie gedacht.

Zumindest war er davon immer ausgegangen.

Doch der Traum bewies das Gegenteil.

Irgendwo tief in ihm war dieser Gedanke verankert gewesen, irgendwo in ihm existierte der Wille, mit seinem Leben abzuschließen.
 


 

„Du enttäuscht mich, Chris…“, hörte er nun die Stimme des Blonden, der einen weiteren Schritt auf ihn zu machte, die Waffe immer noch auf ihn gerichtet.

„Das sagt genau der Richtige. Der Mann, der alle um sich herum enttäuscht hat, der alles und jeden eiskalt verraten und verkauft hat! Der so viele Menschen auf dem Gewissen hat!“, erwiderte Chris leise murrend, ehe er leicht den Kopf schüttelte und tief durchatmete.

Das letzte Glas Whisky war eindeutig ein Glas zu viel gewesen. Aber er hatte ja auch nicht damit gerechnet, dass der tot geglaubte Albert Wesker hier auftauchen würde.

Doch nun war er hier, und Chris musste wirklich aufpassen. Er war alleine, und er war angeschlagen. Zum Einen vom Alkohol, zum Anderen, weil er die letzten Tage kaum geschlafen hatte. Immerhin hatte er sich um Piers kümmern müssen.

Er versuchte, sich von seiner Schwäche nichts anmerken zu lassen, doch an dem Grinsen, das sich langsam in Weskers Gesicht breit machte, erkannte er, dass er dabei kläglich scheiterte.

Aber was hatte er auch erwartet? Der Blonde war nicht dumm, ganz im Gegenteil. Natürlich fiel ihm so etwas auf.

„Was willst du von mir?“, fragte Chris nun und sah den Älteren müde an. Wozu sich noch verstellen, wenn es ohnehin nichts brachte? Da stellte er sich lieber noch schlapper dar als er eigentlich war, damit ihn Wesker vielleicht unterschätzte. Doch Chris glaubte nicht wirklich daran, dass das funktionieren würde.

Einen Versuch war es aber allemal wert, und viel mehr konnte Chris ja sonst auch nicht tun.

Er saß in der Falle, ganz eindeutig. Er war unbewaffnet, bis auf ein kleines Messer, er war angeschlagen… und vor allem war er nach wie vor alleine.
 

„Ich will dich, Chris, das weißt du doch. Du hast mich umgebracht, du hast mich gedemütigt. Seit Raccoon City trachte ich dir nach dem Leben, seit damals bist du mir ein Dorn im Auge, der einfach nicht verschwinden will!“, knurrte der Blonde, während er noch einen weiteren Schritt auf Chris zu trat und die Waffe auf seinen Kopf richtete.

Beiläufig griff er mit der freien Hand in die Tasche des schwarzen Anzuges, den er trug, und beförderte eine kleine Spritze ans Tageslicht.

„Du willst mich vergiften?“

„So in etwa…“

Chris runzelte die Stirn. Zwar konnte er Weskers Augen noch immer nicht sehen, dennoch sagte ihm der Ausdruck auf dem Gesicht seines Erzfeindes, dass dieser nicht hier war, um ihn zu töten. Was also hatte er sonst vor? Ihn quälen? Oder, was viel schlimmer war und Chris eine Gänsehaut bescherte: Ihn mit irgendeinem Virus infizieren?
 

Automatisch wich Chris einen Schritt zurück. Zumindest versuchte er es. Aber natürlich versperrte ihm die Theke, an der er gesessen hatte, den Weg. Und so einfach würde er es aus seiner Position heraus auch nicht schaffen, darüber zu springen. Und selbst wenn doch, wäre Wesker zweifellos schneller gewesen und hätte ihm eine Kugel durch die Brust oder in den Kopf gejagt. Nein, so kam der Soldat auch nicht weiter. Ihm musste irgendetwas anderes einfallen.

Er ließ seinen Blick durch die leere Bar schweifen und überlegte, ob es hier irgendetwas gab, das ihm helfen würde. Er entdeckte einen Billard-Tisch und fragte sich, ob er mit einem der Queues kämpfen könnte, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Auch da musste er erst einmal hinkommen. Und so ein Billard-Queue hätte gegen Weskers Waffe auch rein gar nichts ausrichten können. Und wenn doch gegen die, dann nicht gegen den Blonden selbst. Für dessen Kräfte war so ein Stab doch nichts weiter als ein dünnes Streichholz.

Und das Messer, das er bei sich trug, war viel zu kurz. So nah ließ der Blonde ihn sicherlich gar nicht erst an sich heran.
 

‚Verdammt…’

Langsam wurde Chris klar, dass er wirklich nicht den Hauch einer Chance gegen seinen ehemaligen Captain hatte. Er saß eindeutig in der Falle, es gab kein Entkommen.

Aber immerhin: Die Gedanken von vorher, in denen er geglaubt hatte, Wesker nicht töten zu wollen, hatten sich verzogen.

Natürlich würde er sich verteidigen, natürlich würde er kämpfen, bis zum bitteren Ende. Doch Chris war nur ein Mensch. Und selbst, wenn er zu 100 Prozent fit gewesen wäre, was er nun einmal nicht war, hätte er gegen Wesker nicht bestehen können, das wusste er. Dieser wusste mit dem Virus in seinem Blut umzugehen und es effektiv zu nutzen. Und in seinem momentanen Zustand war Chris ihm ohnehin gnadenlos unterlegen.

Er seufzte leise, dann ließ er die Schultern hängen und senkte leicht den Blick.

Er schien schon wieder zu versagen. Warum nur war er gegangen? Warum war er nicht bei Piers geblieben? Was, wenn der nun auf dumme Gedanken kam? Wenn er aufstand und ihn suchte? Der junge Soldat war noch immer sehr geschwächt. Wenn er es übertrieb, konnte er gleich wieder flachliegen… oder gar sterben.
 

Chris biss sich auf die Lippen. Wie dumm er doch gewesen war. Wenn Piers nun starb, nur weil er sich um seinen Captain sorgte und sich diesem verpflichtet fühlte, dann war es ganz allein Chris’ Schuld. Weil er es einfach nicht schaffte, sich vernünftig mit der Vergangenheit auseinander zu setzen. Da passte es ja, dass ein sehr schlimmer Teil dieser Vergangenheit gerade hier vor ihm stand.

Und der würde ihm gleich vielleicht die Zukunft nehmen. Er hatte es doch gar nicht anders verdient.

‚Reiß dich zusammen, Chris', murrte sich der B.S.A.A.-Captain dann aber in Gedanken selber zu.

Er durfte nicht wieder davon laufen und sich von seiner Verantwortung abwenden. Er musste sich seiner Vergangenheit stellen, er musste sich Wesker stellen.

Und wenn er dabei starb, dann war das vermutlich ohnehin besser als alles, was der Blonde ihm sonst antun konnte. Er musste es einfach versuchen.

Er musste Wesker zeigen, dass er sich diesem nicht einfach so ergab, dass er nicht aufgab, dass er bereit war, bis zum bitteren Ende zu kämpfen, egal, wie aussichtslos es auch aussah.

Also straffte Chris die Schultern wieder, atmete noch einmal tief durch und hob den Blick wieder an.

Und tatsächlich zeichnete sich für einen kurzen Moment so etwas wie Verwunderung auf Weskers Zügen ab. Wirklich beeindrucken ließ er sich davon allerdings nicht, das wäre auch zu schön gewesen.
 

„Was soll das, Chris? Versuchst du, mich zu verwirren? Glaubst du, ich fange gleich an, mich zu langweilen und gehe einfach?“, fragte Wesker nun mit einem verächtlichen Schnauben, ehe er leicht den Kopf schüttelte, nach seiner Sonnenbrille griff und diese abnahm. Seine Augen leuchteten wie gelb-rotes Feuer durch das Virus, und ein siegessicheres Grinsen huschte über seine Lippen.

Chris war geliefert, er hatte keine Chance. Und dass er dennoch bereit war, zu kämpfen, amüsierte Wesker. Es gefiel ihm. Alles andere wäre langweilig gewesen. Und langweilen wollte er sich nicht.

Natürlich war er auch froh, dass Chris etwas angeschlagen zu sein schien. Das sicherte Wesker die Kontrolle über die Begegnung, über den Kampf, der unausweichlich war. Und kurz sein würde.

„Genug geredet, genug dumm rum gestanden…“, murmelte er dann auch gleich leicht genervt, ließ die Brille einfach fallen und stürmte ohne jegliche Vorwarnung auf Chris zu. Er wollte das hier schnell hinter sich bringen, er hatte keine Lust, es unnötig in die Länge zu ziehen.

Zumal er in der Vergangenheit oft genug gelernt hatte, dass es am besten war, gleich zur Sache zu kommen. Wenn man sich unnötig Zeit ließ, riskierte man nur, dass man am Ende doch aufgehalten wurde. Und das wollte Wesker um keinen Preis. Schon gar nicht jetzt.

Denn jetzt schien alles so einfach. Chris präsentierte sich ihm auf dem Silbertablett.

Er hatte den Soldaten so leicht gefunden, und dann auch noch in solch einer Verfassung. Das war ja fast wie Weihnachten. Fast zu schön, um wahr zu sein. Aber es war wahr, und das musste Wesker nutzen.

Keine weiteren Reden schwingen, keine weiteren Risiken eingehen, sondern die Gelegenheit beim Schopfe packen. Nur so würde er Erfolg haben.
 

Chris keuchte etwas erschrocken auf, als Wesker sich nun auf ihn stürzte, und nur in letzter Sekunde gelang es ihm, sich zwischen zwei Barhockern zu ducken und dem Angriff zu entgehen.

Weskers Faust, die eigentlich auf das Gesicht des Jüngeren gezielt hatte, bohrte sich in das Holz der Theke und riss einige Splitter aus dieser.

Der Blonde zog die Hand wieder zurück, und Chris nutzte den kurzen Moment aus, um aus der Sackgasse heraus zu kommen.

Er hastete an Wesker vorbei und zuckte leicht zusammen, als ein Schuss ihn nur knapp verfehlte.

Er spürte den Luftzug und ein leichtes Brennen, und als er eine Hand an die Wange hob, merkte er, dass die Kugel ihn nicht ganz verfehlt, sondern leicht gestreift hatte.

Er fluchte leise, dann fuhr er herum und starrte direkt in den Waffenlauf der Pistole, die Wesker ihm entgegen streckte.

Der Soldat schluckte leicht, und in seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was nun?

Aber er hatte gar keine Wahl. No risk, no fun. Er musste alles auf eine Karte setzen. Im Grunde war es nun doch ohnehin schon egal.
 

Also nutzte Chris es aus, dass Wesker einen kurzen Moment in seinem vermeintlichen Ruhm badete, holte mit der Hand aus und versuchte, dem Blonden die Waffe aus der Hand zu schlagen.

Und tatsächlich, es gelang.

Weskers Augen weiteten sich vor gespielter Überraschung, als Chris ausholte und die Waffe hinter die Theke beförderte.

Zu spät bemerkte der Jüngere seinen Fehler, dass er zu schnell gehandelt hatte. Wesker war nicht abgelenkt gewesen, er hatte ihn ausgetrickst. Und dafür musste Chris nun teuer bezahlen.

Er spürte den stechenden Schmerz, den die Spritze verursachte, als Wesker diese mit einem triumphalen Grinsen in seinen Nacken rammte. Er drückte den Kolben runter, und das Mittel breitete sich in Chris’ Körper aus.

Leicht keuchend drückte dieser eine Hand gegen den Nacken, und die Welt um ihn herum verschwamm.

Nur schemenhaft nahm er Wesker noch wahr, der ihn einfach nur mit einem kalten Lächeln im Gesicht ansah. „Du… verdammter…“, brachte Chris nur noch leicht keuchend hervor, ehe seine Beine einfach nachgaben, und er zusammensackte.

Noch ehe Wesker seinen erschlafften Körper aufgefangen hatte, hatte der B.S.A.A.-Captain das Bewusstsein verloren.

Back to the Roots

„Chris…? Chris, wachen Sie auf. Na los, kommen Sie zu sich…!“

Chris blinzelte ein paar Mal und versuchte, die Stimme, die ihn da rief, zu identifizieren. Es dauerte etwas, dann aber erkannte er sie. Sie gehörte zu Albert Wesker, natürlich.

Ein wenig ungewohnt klang sie, irgendwie älter, vielleicht aber auch einfach nur müder. So oder so war es zweifellos die Stimme seines Captains, die ihn da zum Aufwachen bewegte.

„Captain... Captain Wesker...?“, nuschelte er, und auch seine eigene Stimme klang irgendwie fremd.

„Ganz ruhig, Chris. Keine hektischen Bewegungen, machen Sie langsam…“

Die Stimme des Blonden wirkte besorgt aber gefasst, ruhig, wie es nicht anders zu erwarten war. Wesker ließ sich durch kaum etwas aus der Ruhe bringen. Er konnte sich aufregen, durchaus, aber eigentlich blieb er immer so gefasst, durchdachte jeden einzelnen Schritt, ohne sich von irgendetwas ablenken lassen. Er war ein guter Captain, er war Chris’ Vorbild.
 

„Was ist passiert?“

Chris’ Kopf dröhnte, und als er sich aufsetzte, verdankte er es nur Weskers schnellen Reflexen, dass er nicht einfach wieder nach hinten kippte. Der Blonde hielt ihn in letzter Sekunde fest und ermahnte ihn erneut, nun in leicht schärferem Ton, es ruhig angehen zu lassen.

Er wartete einen Moment, bis Chris halbwegs sicher saß und nicht mehr so sehr zitterte, dann ließ er ihn los und lehnte sich leicht gegen die Wand.

„Ich habe Sie draußen im Wald gefunden. Sie lagen auf dem Boden, bewusstlos. Als ich Sie nicht wach bekam, habe ich Sie hergebracht“, erklärte Wesker nun, ohne bei dieser Lüge auch nur mit der Wimper zu zucken.

Es hatte geklappt, alles war nach Plan verlaufen. Auf die ehemaligen Umbrella-Wissenschaftler war eben Verlass. Viele davon gab es nicht mehr, und Wesker hatte lange suchen müssen, bis er welche gefunden hatte, die bereit gewesen waren, ihm zu helfen. Der Konzern und er hatten sich ja nicht unbedingt im Guten voneinander getrennt. Aber es hatte doch einige Wissenschaftler gegeben, die Umbrella im Nachhinein ebenso sehr verachteten wie er selber, und die in Wesker ihren Meister gefunden hatten.

Es war fast schon zu leicht gewesen, diese für seine Sache zu gewinnen.

Und die Kerle vertrauten ihm auch noch, wie armselig.

Aber der Blonde beschwerte sich da nicht, wozu auch? Wenn sie ihm vertrauen wollten, dann sollten sie doch. Sie würden ja sehen, was sie davon hatten. Solange sie brav gehorchten, solange sie von Nutzen waren, würde Wesker sie am Leben lassen. Aber sobald irgendeiner Zicken machte, oder sobald sie unbrauchbar geworden waren, würde er ihre Leben beenden.

Jeder, den er nicht brauchte, war ein potenzieller Feind und konnte sich gegen ihn stellen. Auch das hatte er in der Vergangenheit lernen müssen.
 

Er seufzte leise, dann schüttelte er den Kopf und verdrängte diese Gedanken erst einmal. Im Moment interessierte ihn nur Chris. Er musste vorsichtig sein.

Das Mittel hatte gewirkt wie Wesker es geplant hatte.

Es hatte Chris die Erinnerungen an alles geraubt, was nach, und teilweise auch während, seiner Zeit bei S.T.A.R.S. passiert war. Er sah in Wesker nun keinen Feind mehr, sondern einen Verbündeten, seinen Captain.

Einen Piers Nivans gab es für ihn nicht mehr, ebenso wenig einen Leon S. Kennedy.

Die einzigen Leute, die er neben Wesker noch kannte, waren die Mitglieder von S.T.A.R.S., allen voran Jill Valentine und Barry Burton. Und natürlich seine Schwester Claire. Vielleicht hier und da noch ein paar Freunde, von denen der Blonde aber nichts wusste, und die ihn auch nicht interessierten.

Aber dieser Plan konnte auch ganz schnell nach hinten losgehen.

Sie befanden sich nun einmal nicht mehr im Jahr 1998, sondern gingen bereits auf das Jahr 2014 zu. Eine große Spanne lag zwischen diesen beiden Jahren, in der sich unglaublich viel verändert hatte. Und alles, was sich da draußen befand, konnte Chris dabei helfen, seine Erinnerungen wieder zurück zu gewinnen. Darum musste Wesker auf der Hut sein. Er durfte nicht von Chris’ Seite weichen, er durfte sich nicht verdächtig verhalten.

Und zudem musste ihm etwas einfallen, wie er Chris von dem möglichen Bedürfnis abhielt, Jill oder eines der anderen S.T.A.R.S.-Mitglieder sehen zu wollen, oder auch seine Schwester.

Von ihnen allen musste Wesker den Soldaten fernhalten. Und das konnte sich als durchaus schwierig erweisen.

Chris durfte nicht einmal eine Zeitung anschauen oder den Fernseher oder das Radio einschalten.

Das Beste wäre gewesen, ihn im Haus einzusperren, aber das ging nun einmal auch nicht, das war zu verdächtig.

Aber wenn tatsächlich irgendetwas schief ging, dann konnte Wesker Chris immer noch töten.

Jetzt wollte er erst einmal mit ihm spielen und ihn nach und nach gegen seine Freunde ausspielen. Beginnen wollte er da mit denen, die aus seinem Gedächtnis gelöscht worden waren.
 

Da war zum Einen dieser Leon, der ebenso lästig war wie Chris selber.

Wesker hatte persönlich noch nicht wirklich mit dem Mann zu tun gehabt, aber sein Ruf als Special Agent der amerikanischen Regierung eilte ihm voraus, und auch durch Ada Wong hatte er damals eine Menge über ihn erfahren.

Allerdings hatte Wesker auch gemerkt, dass die Asiatin, sobald es um Kennedy gegangen war, gerne einmal herumgedruckst hatte. Auf ihre Informationen konnte er sich also nicht unbedingt verlassen. Scheinbar hatte sie irgendetwas für diesen Agenten übrig.

Das konnte auch noch zum Vorteil werden, wenn sein momentaner Plan doch scheiterte.
 

Und dann gab es da noch Piers Nivans.

Aus den Informationen, die Wesker sich besorgt hatte, hatte er herauslesen können, dass der 26-Jährige sich in einem heftigen Kampf mit einer BOW mit dem C-Virus infiziert und sich anschließend geopfert hatte.

Doch Wesker hatte beobachtet, wie Chris vor gut zwei Wochen einen jungen Mann an der Küste gefunden hatte. Und er hatte ihn als eben diesen tot geglaubten Piers erkannt.

Da dieser Mann nach über drei Monaten noch immer am Leben gewesen war, ging der Blonde davon aus, dass er noch immer infiziert war. Und so stellte der Scharfschütze eine Gefahr für ihn dar.

Sicherlich konnte er das Virus nicht bewusst nutzen, nicht, wie Wesker das tat, aber dieser wollte den jungen Mann auch nicht unterschätzen.
 


 

„Wo sind wir hier überhaupt, Captain?“

Die Frage ließ Wesker zusammenzucken und riss ihn aus seinen Gedanken.

Er räusperte sich leicht, rückte die Sonnenbrille zurecht und verschränkte leicht die Arme, während er sich halb auf die Platte des Tisches setzte, der neben der Couch stand, auf der Chris lag.

„Wir sind in meinem Haus“, antwortete er dann und lächelte schmal.

„Ich hatte überlegt, Sie ins Krankenhaus zu bringen, aber da Sie nicht wirklich verletzt zu sein schienen, entschied ich mich dagegen.“

Noch eine Lüge, die er Chris, ohne eine Miene zu verziehen, auftischte.

Und dieser glaubte sie ihm natürlich in seiner künstlich erzeugten jugendlichen Naivität.

Es war so leicht, dass Wesker am liebsten laut losgelacht hätte. Aber das verkniff er sich lieber. Es hätte den Jüngeren vermutlich doch sehr stutzig gemacht. Und er wollte nichts tun, was Chris irgendwie dabei helfen konnte, sich zu erinnern.

Aus diesem Grund hatte er ihn auch hergebracht.

Es war durchaus Weskers Haus, aber er hatte einige Veränderungen vornehmen müssen.

Die Möbel, die er besaß, waren ohnehin recht alt, und hatten deshalb bleiben können, wie sie waren.

Jedoch hatte der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain Radio und Fernseher gegen alte Modelle tauschen müssen, ebenso Küchengeräte, Computer und Uhren.

Das Haus wirkte nun wie ein Haus, das Ende der 90er Jahre durchaus so hätte existieren können.
 

Kurz sah sich Chris in dem Raum, in dem er lag, um.

Er war geräumig, aber eher spärlich eingerichtet. An einer Wand erstreckten sich Regale, in denen nur ein paar Bücher standen, daneben ein Schrank mit Glastür, hinter der sich ein wenig Geschirr verbarg.

Die helle Couch, auf der Chris lag, stand an der Wand daneben, davor ein kleiner Tisch, auf dem eine S.T.A.R.S.-Akte lag, und daneben befand sich ein Sessel. An der gegenüberliegenden Wand gab es dann noch ein kleines Regal, auf dem ein Fernseher und eine recht neue Musikanlage standen.

Ansonsten war der Raum weitestgehend leer. Am Fenster, das nun die vierte Wand zierte, stand nur noch eine kleine Palme, die dem Raum immerhin ein wenig Lebendigkeit verlieh.

Aber so in etwa hatte sich Chris ein Wohnzimmer seines Captains auch vorgestellt.

Modern aber einfach, nichts, das irgendetwas über Albert Wesker preis gab.
 

Chris’ Blick wanderte nun zu der Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag, und er fragte sich, was wohl darin stehen mochte.

Sicherlich ging es um die Morde im Raccoon Forest, um diese Tier-Angriffe oder was auch immer das war.

Chris hatte da immer noch seine Zweifel, und er hatte sich vorgenommen, Wesker diese während der Besprechung auch mitzuteilen.

Die Besprechung, wann war die noch gleich? Welcher Tag war überhaupt?

Chris schüttelte den Kopf. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren.

Er versuchte, sich daran zu erinnern, was er getan hatte, bevor Wesker ihn gefunden hatte, warum er wohl bewusstlos dort im Wald gelegen hatte.

Der Wald… war er dort angegriffen worden? Hatte er versucht, auf eigene Faust heraus zu finden, was dort vor sich ging?

Ein leises Stöhnen kam über die Lippen des Soldaten, und er griff sich leicht an den Kopf.

„Vielleicht sollte ich Sie doch ins Krankenhaus bringen…“

„Nein, nein, es geht schon wieder, wirklich, Captain“, murmelte Chris und ließ die Hand sinken. Er musste nicht ins Krankenhaus. Er wollte nicht schwach wirken. Was sollte Wesker nur von ihm denken?

Er musste jetzt eben einfach die Zähne zusammenbeißen und die Schmerzen verdrängen.

„Ich habe nur gerade versucht, mich zu erinnern, was ich im Wald gemacht habe“, erklärte er nun und ließ ein leises Seufzen hören.

„Ich weiß es einfach nicht mehr. Und ich habe wohl jegliches Zeitgefühl verloren…“
 

Wesker runzelte die Stirn, löste seine verschränkten Arme und beugte sich etwas zu Chris hinab, um eine Hand an seine Stirn zu legen.

Er wusste ja, was wirklich los war, musste aber wohl oder übel den besorgten Captain spielen.

„Fieber haben Sie nicht, möglicherweise aber eine Gehirnerschütterung. Was Sie im Wald wollten, kann ich Ihnen nicht sagen, aber ich bin sicher, Sie werden sich bald wieder erinnern“, fuhr der Blonde fort, ehe er die Hand wieder weg nahm und sich wieder halb auf den Tisch setzte.

„Vermutlich brauchen Sie einfach nur ein wenig Ruhe, um sich wieder richtig zu erholen. Sie sollten auf jeden Fall etwas trinken.“

Chris schwieg einen Moment, dann nickte er brav und hob den Blick. „Danke, Captain. Und verzeihen Sie die Umstände, die ich Ihnen bereite.“

‚So naiv, so verletzlich…’, dachte Wesker sich nur verächtlich, ließ sich diese Gedanken aber in keinster Weise anmerken.

Stattdessen schüttelte er nur den Kopf, erhob sich vom Tisch und ging auf die Tür zu, die in die Küche führte.

„Sie werden sicherlich eines Tages einer meiner besten Männer sein. Ich weiß um Ihre Fähigkeiten. Für jemanden wie Sie mache ich mir die Mühe gerne. Zudem bin ich Ihr Captain und somit für Sie verantwortlich“, meinte der Blonde dann, als er kurz in der Tür stehen blieb.

Ihm wurde fast ein wenig übel von den Worten, die er da von sich gab, und er verengte leicht die Augen, was Chris in dem Moment natürlich nicht sehen konnte.

Dieses Theater war widerlich, es war erbärmlich. Und irgendwie machte es nicht annähernd so viel Spaß, wie Wesker sich eigentlich erhofft hatte.

Es war durchaus amüsant, wie einfach Chris im Grunde zu seiner Marionette geworden war, aber dass er sich selber dafür so verstellen musste, gefiel Wesker überhaupt nicht.

Aber da musste er nun durch, er hatte sich das selber eingebrockt.

Und um jetzt schon aufzugeben, alles ab zu blasen und Chris einfach zu töten, war der Blonde zu stur. Dafür hätte er sich die ganze Mühe nicht zu machen brauchen.
 

‚Ich werde es einfach ertragen müssen. Ich muss eben schnell dafür sorgen, dass mir das Ganze wieder Spaß macht. Leon oder diesen Piers finden... und Chris dann gegen einen der Beiden aufhetzen. Ich werde ihn schon dazu bringen, seine Freunde zu hassen. Und dann kann ich ein paar Störenfriede los werden, ohne mir dabei selber die Hände schmutzig zu machen.

Ich habe alles unter Kontrolle. Und wenn doch etwas schief läuft, habe ich immer noch genug Kraft, um Chris einfach zu töten. Es kann nichts schief gehen’, sprach Wesker sich in Gedanken selber Mut zu, während er den Kühlschrank öffnete, eine Flasche Wasser herausnahm und diese zusammen mit einem Glas zurück ins Wohnzimmer brachte.

Er musste sich eben einfach ein wenig gedulden und dieses Theater noch eine Weile ertragen. Dafür würde es sich im Nachhinein aber auf jeden Fall lohnen. Ja, das Ergebnis war diese Strapazen allemal wert, da war er sicher.
 

„Hier, trinken Sie ein wenig und ruhen Sie sich dann noch etwas aus. Ich muss noch ein paar Dinge erledigen, aber davon sollten Sie sich nicht stören lassen.“

Wesker stellte das Glas ab, füllte dieses mit Wasser und hielt es Chris dann hin, der es dankend entgegen nahm.

Er schöpfte wirklich keinerlei Verdacht.

Der Jüngere leerte das Glas, stellte es wieder ab und ließ sich zurück sinken.

Er war unglaublich müde und fühlte sich einfach nur schlapp.

Noch immer versuchte Chris, herauszufinden, was überhaupt passiert war, doch er kam einfach nicht drauf.

Nach und nach wurden ihm dann ohnehin die Augenlider schwer, ehe sie ihm ganz zufielen, und er in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.
 

Wesker wartete einen kurzen Moment ab, und als er sicher war, dass Chris tief und fest schlief, griff er nach der Akte auf dem Tisch, ging mit dieser zu seinem Computer und schaltete ihn ein.

Geübt klickte er sich durch ein paar Ordner, ehe er einen von ihnen öffnete. Ein Fenster öffnete sich, und Wesker gab ein Passwort ein, woraufhin der Bildschirm erst einmal schwarz wurde.

Dann flackerte er auf und anschließend öffnete sich eine Datei, die vom Layout her der Akte glich, die Wesker neben sich gelegt hatte.

Das Bild eines dunkelblonden Mannes befand sich auf der ersten Seite, und unter diesem Bild stand in fett gedruckter Schrift -Der Fall Kennedy-Massenmörder wieder auf freiem Fuß-.

Ein breites Grinsen huschte über Weskers Lippen, als er den Drucker einschaltete und die gefälschte Akte über Leon Seite für Seite ausdruckte.

Dann tauschte er vorsichtig den Inhalt der S.T.A.R.S.-Akte aus, heftete die ausgedruckten Blätter ein und betrachtete sein Werk zufrieden.

Es war gar nicht mal dumm gewesen, dass er diese eine Akte aufbewahrt und immer gut gepflegt hatte.

Er hatte sich wirklich unglaublich viel Mühe gegeben, aber am Ende würde es sich lohnen, das wusste er genau.

Der Blonde schaltete PC und Drucker wieder aus, legte die neue Akte auf den Tisch und ließ die alte verschwinden, ehe er sich in den Sessel setzte, die Arme verschränkte und erneut auf Chris’ Erwachen wartete.

Der Fall Kennedy

„Der Mann sieht gar nicht aus wie ein Massenmörder…“

Chris hielt die falsche Akte in der Hand und betrachtete das Bild des Mannes nachdenklich.

Irgendwie kam er ihm bekannt vor, aber das musste Einbildung sein.

Vielleicht hatte er ihn aber auch doch schon einmal gesehen, vielleicht auch nur jemanden, der ihm ähnlich sah.

Im Grunde spielte das ja auch gar keine Rolle.

„Man sollte sich nicht vom Aussehen täuschen lassen, Chris. Das ist ein Fehler, den viele begehen.“

‚Und den du dir auch schon eingestehen musstest, auch wenn du dich nicht mehr daran erinnerst’, fügte Wesker in Gedanken hinzu.

Dann seufzte er leise, lehnte sich zurück und verschränkte wieder die Arme.

„Leon Scott Kennedy, 36 Jahre alt. In den letzten sechs Wochen hat er mehr als 20 Menschen getötet, darunter auch Kinder. Durch die grausamen Morde im Raccoon Forest wurde sein Fall mehr oder weniger zu den Akten gelegt, zumindest kümmert sich die Polizei nur noch bedingt darum“, erklärte Wesker Chris, während er diesen nachdenklich betrachtete.

Der Soldat vertraute ihm, das war diesem deutlich anzusehen. Er würde in die Falle tappen, das musste er einfach.

„Das heißt, niemand kümmert sich mehr darum, und er kann tun und lassen, was er will?“

„Im Moment sieht es mehr oder weniger danach aus, ja.“

„Das ist doch grauenvoll…“
 

Chris schauderte merklich. Natürlich glaubte er das, was da stand. Das war immerhin eine offizielle S.T.A.R.S.-Akte, die sein Captain ihm gegeben hatte. Warum also sollte da irgendetwas drin stehen, das nicht der Wahrheit entsprach?

Chris wusste ja nicht, dass Wesker nur mit ihm spielte, dass die Morde im Raccoon Forest mittlerweile gute 15 Jahre zurück lagen und sich als bioterroristischer Angriff, durch den die Stadt hatte ausradiert werden müssen, entpuppt hatten. Und dass Leon wirklich alles andere als ein Massenmörder war, sah man einmal vom Töten von BOWs ab.

Als Chris seine Erinnerungen noch nicht verloren hatte, war ihm in der Bar aufgefallen, wie sehr Wesker sich verändert hatte, wie sehr er wieder an damals erinnerte.

Und merkte er nun natürlich nicht, dass sein Captain viel älter war als er hätte sein sollen. Und er selber hatte noch nicht die Gelegenheit gehabt, in einen Spiegel zu blicken.
 

Als Wesker nach seinem Tod in Afrika wieder zu sich gekommen war, hatte er mit einem Mal wieder so ausgesehen. Uruboros hatte er in seinem Körper nicht mehr spüren können, und er vermutete, dass das T-Virus für diese Verjüngungskur verantwortlich gewesen war.

Einen wirklichen Beweis hatte er nicht, aber er wusste ja, dass dieses Virus ein Altern eigentlich verhinderte.

Auch, wenn das nicht erklärte, warum es ihn jünger gemacht hatte.

Aber der Blonde beschwerte sich darüber ganz sicher nicht, warum auch?

Er musste zugeben, dass er sich so irgendwie weitaus besser fühlte. Fitter, stärker, eben einfach jünger.

Und für seinen Plan war das auch einfach hervorragend gewesen.

So hatte er immerhin sicherstellen können, dass Chris auch wirklich auf ihn herein fiel, und sich nicht wunderte, warum sein Captain mit einem Mal um 15 Jahre gealtert war.
 


 

„Captain… was machen wir nun? Was ist der Plan?“, fragte Chris nach einer Weile, als er den Bericht fertig gelesen und wieder auf den Tisch gelegt hatte.

Dieser Leon machte ihn wirklich wütend. Wie konnte jemand nur so skrupellos Menschen abschlachten? Er verstand es einfach nicht.

Wütend machte ihn aber auch das R.P.D., das sich nicht im Geringsten um den Fall zu kümmern schien.

Leon hatte mit den Morden im Raccoon Forest offensichtlich nichts zu tun. Und schon war er für die Polizei uninteressant geworden.

Dafür hatte man nun allem Anschein nach S.T.A.R.S. von dem Fall der seltsamen Tier-Angriffe abgezogen, damit sie sich um den Fall Kennedy kümmern konnten.

Naja, immerhin schenkte man dem Fall doch noch eine gewisse Beachtung, auch wenn es für Chris keinen wirklichen Sinn ergab, wie das geregelt worden war. Aber was wusste er schon?

„Wir werden Kennedy suchen, finden und unschädlich machen. Ihm ist die Todesstrafe zugedacht, und wenn es nötig ist, haben wir die Genehmigung, uns darum zu kümmern.“

„Wir sollen ihn töten?“

„Wenn es nötig ist, ja. Er ist ein Massenmörder, Chris. Er hat nichts anderes als den Tod verdient.“

Da musste Chris seinem Captain durchaus recht geben.

Dieser Leon war verdammt gefährlich. Und da momentan mindestens zwei voneinander völlig unabhängige Mörder in Raccoon City ihr Unwesen trieben, war es umso wichtiger, diesen Leon mit allen Mitteln unschädlich zu machen. Auch, wenn das bedeutete, selber zum Mörder zu werden. Aber wenn sie die Erlaubnis von ganz oben hatten, dann war es in Ordnung. Und ein Mann, der so viele Menschen getötet hatte, hatte sein Recht auf das Leben ohnehin verwirkt.
 

„Sie haben recht, Captain. Leon muss gestoppt werden, wenn nötig, dann auch mit Gewalt“, stimmte Chris dem Blonden deshalb auch recht schnell zu.

Dieser grinste unauffällig und nickte leicht. Er hatte den Soldaten wirklich vollkommen in der Hand. Es war so unfassbar einfach.

„Wird das gesamte Alpha-Team auf Leon angesetzt?“

„Nur wir beide.“

Wieder machte Chris es Wesker viel zu leicht.

Der Soldat blinzelte leicht und runzelte die Stirn.

„Nur wir beide? Was ist mit Jill, Barry und den Anderen? Was…“, begann er, doch Wesker unterbrach ihn mit einer knappen Handbewegung.

„Miss Valentine und der Rest des Teams werden sich weiterhin um die Mordserie im Raccoon Forest kümmern. Man traut Ihnen und mir offenbar zu, alleine mit dem Fall Kennedy klar zu kommen.“
 

Wesker war zufrieden. Das Problem, wie er Chris von Jill und dem Rest des Teams fern halten sollte, hatte sich gerade von ganz alleine gelöst.

Es lief wirklich alles reibungslos. Fast schon etwas zu reibungslos. Aber im Grunde spielte das ja überhaupt keine Rolle.

Solange Wesker alles unter Kontrolle hatte, solange Chris ihm, seinem Captain, blind vertraute, war alles in Ordnung.

Und im Moment musste sich Wesker da wohl auch keine Sorgen machen.

Er musste nur ein wenig aufpassen, damit Chris nicht bemerkte, in welchem Jahr sie sich befanden. Und irgendwie musste er ihm auch erklären, warum sie gerade nicht in Raccoon City waren. Und dann einen guten Grund finden, warum sie dort nicht hin konnten.

Wenn Chris heraus fand, dass die Stadt nicht mehr existierte, dann war alles vorbei. Dann würde auch einem Albert Wesker nichts mehr einfallen, um das wieder gerade zu biegen.

Aber so weit war es ja noch nicht.

Und solange Chris seinem Captain vertraute, würde dieser ihm auch eine Lüge nach der anderen auftischen können, ohne sich dabei zu verraten.

Alles war gut, alles war unter Kontrolle.

Wesker musste nur die Nerven behalten, und das würde er problemlos schaffen.
 


 

Chris streckte sich leicht, dann warf er noch einmal einen Blick auf die Akte und schüttelte leicht den Kopf.

Was er gelesen hatte, ließ ihn schaudern. Und er war froh, dass sich in der Akte keine Bilder von den Opfern befanden. Es hatte ihm schon gereicht, die Opfer der vermeintlichen Tier-Angriffe zu sehen. Was dieser Leon Kennedy dem Bericht zufolge alles mit seinen Opfern angestellt hatte, verursachte schon so ein Gefühl der Übelkeit. Hätte Chris dazu auch noch Fotos gesehen, hätte er sich vermutlich wirklich übergeben müssen.

Eine Sache wollte aber einfach nicht in seinen Kopf.

Das, was über Leon in dem Bericht stand, war eindeutig schlimmer als die Morde im Wald. Er schien noch weitaus gefährlicher zu sein als die Tiere, die sich dort aufhielten, oder die Menschen, die es nur nach Tier-Angriffen aussehen ließen.

Warum hetzte man diesem Mann dann nur zwei Leute auf den Hals?

Hatte man herausgefunden, wer oder was wirklich hinter den Morden im Wald steckte?

War es vielleicht tatsächlich eine größere Gruppe, vielleicht gar eine Sekte, wie Chris vermutet hatte?

Dann hätte es Sinn ergeben, dass man sich weiterhin so sehr auf diesen Fall konzentrierte.

Aber warum hatte man ihm dann nichts gesagt?

Gut, er war nur ein einfaches S.T.A.R.S.-Mitglied, er befand sich in keiner hohen Position.

Aber Wesker hatte man doch sicherlich etwas gesagt. Warum also verriet dieser nichts?

Oder ließ man auch ihn tatsächlich im Dunkeln tappen?
 

„Worüber denken Sie nach, Chris?“

Der Soldat zuckte zusammen und hob ertappt den Blick.

„Über die beiden Fälle, Captain. Ich frage mich, warum man so einem gefährlichen Mann nur zwei Leute auf den Hals hetzt. Ich verstehe das einfach nicht“, gestand er dann offen und hoffte, dass Wesker ihn da vielleicht aufklären konnte. Aber leider musste dieser seine Hoffnungen enttäuschen.

„Ich weiß es nicht. Vielleicht schenkt man dem anderen Fall mehr Priorität, weil man noch immer nicht weiß, wer dahinter steckt, oder weil man es eben doch sehr genau weiß...“, vermutete der Blonde und zuckte leicht mit den Schultern. „Dieser Kennedy ist nur ein einzelner Mann. Ein grausamer, verrückter, aber eben auch nur ein einzelner. Man vermutet hinter den vermeintlichen Tier-Angriffen möglicherweise doch mehr.“

Damit bestätigte er lediglich Chris’ Verdacht, aber immerhin. Dass sein Captain ebenso dachte wie er selber, machte Chris irgendwie ein wenig stolz. Das bedeutete, dass er gut nachgedacht und logisch geschlussfolgert hatte.

„Verstehe…“, murmelte er und seufzte leise.

„Denken Sie, wir haben eine Chance?“
 

Nun musste Wesker tatsächlich etwas lachen, und er zuckte erneut mit den Schultern.

„Wissen Sie… ich bin kein Hellseher, Chris. Ich traue mir durchaus zu, mit diesem Mann fertig zu werden. Und Ihnen traue ich es ebenfalls zu. Aber ich weiß über Leon auch nicht mehr als in der Akte steht. Ich weiß nicht, wie er tickt. Ebenso wenig weiß ich, wo er sich befindet. Er ist auf keinen Fall in Raccoon City, das wurde mir immerhin schon bestätigt.“

Und wieder hatte sich ein Problem von selber gelöst. So brauchte sich Wesker keinen Grund mehr auszudenken, warum sie nicht nach Raccoon konnten.

Und einen Grund, warum er selber nicht dort wohnte, fand er sicherlich ganz problemlos.

Er war dem Alpha-Team dort vor nicht all zu langer Zeit zugeteilt worden. Da hatte er eben noch keine Zeit gehabt, umzuziehen. Vielleicht wollte er es auch einfach gar nicht.

Im Grunde spielte es überhaupt keine Rolle, was für eine Geschichte er Chris da auftischte. Es ging den Soldaten ja auch eigentlich gar nichts an, wo sein Captain wohnte, und warum er das tat.
 

„Also müssen wir es einfach versuchen…“

Das machte die Sache doch ein wenig schwieriger.

Sie wussten also, dass sich Leon nicht in Raccoon City aufhielt, gut. Aber es gab ja noch eine ganze Menge anderer Städte, in denen er sich befinden konnte.

Amerika war groß, und vielleicht hatte sich der Kerl auch längst aus dem Staub gemacht.

Wobei…

Chris schüttelte den Kopf.

Ein bekannter Gewaltverbrecher kam so leicht nicht aus dem Land raus. Das wiederum schränkte die Möglichkeiten zumindest wieder ein klein wenig ein.

Dennoch waren es einfach noch zu viele mögliche Orte. Vor allem zu viele für zwei Männer. Wie sollten sie ihn da finden? Wenn sie die eine Stadt kontrolliert hatten, konnte er längst in der nächsten sein. Und so konnte es immer weiter gehen. Das war doch wirklich zum Verzweifeln.
 

„Müssen wir. Ich habe das R.P.D. bereits darum gebeten, ihn für uns ausfindig zu machen. Zumindest, seinen ungefähren Standort zu lokalisieren, soweit das möglich ist.“

Chris atmete auf. Warum machte er sich eigentlich solche Sorgen? Wesker hatte alles fest im Griff, natürlich. Alles war gut.

Der Captain hatte sich, wie nicht anders zu erwarten, um alles gekümmert, er hatte nachgedacht und vorgesorgt. Wie hatte Chris da nur Zweifel haben können?

Und dennoch... irgendetwas war da noch immer, was Chris beunruhigte.

Er hatte aus irgendeinem Grund bewusstlos im Wald gelegen.

Wesker hatte ihn gefunden, her gebracht... und offenbarte ihm nun, dass man sie beide für einen speziellen Fall erwählt hatte. Das waren ihm eindeutig zu viele Zufälle auf einmal.

Chris mochte ab und an naiv wirken, aber er war auch sehr vorsichtig. Für die Mordfälle im Raccoon Forest hatte er sich mehrere mögliche Verschwörungstheorien zusammengereimt. Er war mit dem, was man ihnen präsentiert hatte, einfach nicht zufrieden gewesen, er vermutete dahinter viel mehr. Und so stellte ihn auch die Situation jetzt einfach nicht zufrieden.
 

Chris konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Wesker ihn belog. Und das Mittel in seinem Blut wirkte zu gut, um ihn misstrauisch werden zu lassen.

Das bedeutete, dass Chris auch in Wesker ein Opfer irgendeiner Verschwörungstheorie sah.

Doch als er diesem seine Vermutung kund tat, quittierte Wesker das nur mit einem Stirnrunzeln und einem mitleidigen Blick. Zumindest glaubte Chris, dass es ein mitleidiger Blick war, denn sein Captain trug selbst in seinem eigenen Haus die dunkle Sonnenbrille, die es unmöglich machte, seine Augen zu erkennen.

Warum Wesker diesen Tick hatte, wusste er nicht, und er würde sich auch niemals anmaßen, danach zu fragen. Jedem das Seine, wie es immer so schön hieß.

„Sie halten mich für verrückt oder?“

Wesker seufzte leise, atmete tief durch und schüttelte leicht den Kopf.

„Wissen Sie, Chris… ich bewundere Ihre Fantasie. Und ich finde es sehr interessant, wie weit sie denken können. Aber Ihre Vermutung halte ich doch für glatten Unsinn, ja. Ich meine, was denken Sie? Dass man Sie im Wald überfallen und mich dazu gebracht hat, Sie dort zu finden? Wozu? Ich hätte Sie auch einfach anrufen können, um Ihnen davon zu berichten, dass man uns für die Jagd auf Leon auserkoren hat. Dass ich Sie ausgerechnet jetzt bewusstlos im Wald gefunden habe... das ist vermutlich wirklich nichts weiter als ein dummer Zufall.“
 


 

Wesker schloss für einen Moment die Augen.

Chris’ Verschwörungstheorien waren das Einzige, was ihm wirklich noch gefährlich werden konnte. Wenn sein Verstand über das Mittel siegte, dann konnte es eng für den Blonden werden.

Chris dachte einfach zu viel nach, er dachte zu weit, zu kompliziert.

Natürlich war auch Wesker selber jemand, der viel nachdachte, der plante und immer versuchte, alles so genau wie möglich zu arrangieren.

Ja, vielleicht war er sogar ein klein wenig paranoid. Vermutlich hatte William Birkin ihn damals angesteckt.

Und sein Leben hatte ihm auch deutlich klar gemacht, dass es manchmal gar nicht verkehrt war, übervorsichtig zu sein.

Selbst einen Chris, der völlig unter seiner Kontrolle stand, durfte Wesker nicht unterschätzen.

Der Vorteil war, dass der Jüngere auch ihn für ein Opfer hielt, was dem Blonden erst einmal Sicherheit gab. Da war kein Misstrauen, keine Verdächtigung. Nicht ihm gegenüber. Und das war gut so.

Noch vertraute Chris ihm blind, noch hatte er ihn in der Hand.

Und Wesker musste ja nur dafür sorgen, dass es auch weiterhin so blieb.

Die größten Probleme hatten sich erledigt.

Er hatte einen Grund gefunden, Chris vom Rest des Teams fern zu halten, er hatte erklärt, dass sich Leon S. Kennedy nicht in Raccoon City befand, und er hatte eine passende Antwort auf Lager, warum er selber nicht dort wohnte.

Die einzige Frage, für die er sich noch eine gute Antwort überlegen musste war die, warum Chris sich zum Zeitpunkt seines Zusammenbruchs nicht in Raccoon City aufgehalten hatte.

Die Stadt wäre von hier aus doch ein ganzes Stück weg gewesen, und da wäre es kompletter Schwachsinn gewesen, Chris bis hierher zu bringen, statt doch in ein Krankenhaus.

Aber Wesker war sicher, dass ihm auch da noch irgendetwas Glaubwürdiges einfallen würde.

Im Lügen war er immer gut gewesen, er hatte immer alle an der Nase herumführen könnten.

Das ganze Team, das ganze R.P.D., war damals auf ihn herein gefallen, ebenso wie Umbrella und Tricell.

Und er bildete sich ein, dass auch Ada Wong ihm eine Zeit lang vertraut hatte.

Wobei er bei ihr immer hatte vorsichtig sein müssen. Und am Ende war tatsächlich sie es gewesen, die ihn verraten hatte. Diese Asiatin gehörte zu den wenigen Menschen, die tatsächlich in gewisser Weise seinen Respekt verdienten.
 

„Sie haben ja recht, tut mir leid“, murmelte Chris etwas geknickt, und der Stolz von zuvor verschwand. Ja, da hatte er mal richtig nachgedacht, aber nun hatte er sich vor seinem Captain lächerlich gemacht. Warum hatte er nicht einfach die Klappe gehalten? Was musste Wesker nun von ihm denken?

Er ging diesem mit seinen Verschwörungstheorien vermutlich gehörig auf die Nerven, auch wenn der Blonde sich das nicht anmerken ließ.

„Schon gut…“

Die Antwort überraschte Chris nun allerdings doch ein wenig, aber vermutlich wollte Wesker gerade einfach seine Ruhe haben. Und Chris wollte ihm diese auch gönnen.

Sicherlich hatte sein Captain einen harten Tag hinter sich.

Noch einmal nahm Chris also den Bericht über den Fall Kennedy zur Hand, lehnte sich zurück und begann ein weiteres Mal, diese grausame Akte zu lesen.

Alle für Einen

Es klingelte. Ein Klingeln, dann noch eines...

Und endlich begriff Piers, dass er dieses Klingeln gar nicht im Traum hörte, sondern in der Realität.

„Verdammt...“, murmelte er, blinzelte leicht und stand vorsichtig auf.

Er war tatsächlich doch noch richtig eingeschlafen, und Leon und die Anderen warteten vermutlich schon ungeduldig darauf, dass ihnen endlich die Tür geöffnet wurde.

Einen kurzen Moment wartete der junge Soldat nach dem Aufstehen, doch dieses Mal überkam ihn kein Schwindelgefühl. Die Tabletten hatten also gewirkt.

Dennoch stützte er sich kurz an der Couch ab und atmete tief durch, dann beeilte Piers sich, an die Tür zu kommen und diese zu öffnen.
 

Wie erwartet stand vor dieser Leon, der die Hand gerade wieder zum Klingelknopf wandern lassen wollte, nun aber innehielt und sie wieder sinken ließ.

„Tut mir leid, ich… muss eingeschlafen sein“, entschuldigte sich Piers, und es war ihm wirklich peinlich.

Da bat er Leon, Jill und Claire um Hilfe und schlief dann einfach ein.

Aber Leon schien nicht im Geringsten sauer zu sein. Im Gegenteil wirkte sein Blick eher besorgt, als er Piers musterte. Dieser war noch immer recht blass.

Hinter Leon konnte der Scharfschütze nun auch Claire ausmachen, die ihm freundlich zulächelte, und neben ihr stand auch die Dritte im Bunde: Jill.

Sie alle sahen Piers freundlich an, doch in jedem einzelnen Blick konnte er auch Sorge erkennen. Sorge um ihn, weil er wohl doch noch erschöpfter wirkte als er angenommen hatte, und natürlich auch Sorge um Chris, der einfach verschwunden war.
 

„Kommt doch erst mal rein“, meinte Piers dann nach einer Weile, ehe er ein Stück von der Tür weg trat, um den Dreien Platz zu machen. Sie mussten ja nicht unbedingt hier mitten im Eingang stehen bleiben.

Er schloss die Tür dann wieder, überlegte kurz und führte seine drei Gäste ins Wohnzimmer, wo er den meisten Platz vermutete. Zumindest konnten sich hier alle hinsetzen, wenn sie es wollten.

Kurz verschwand der Scharfschütze anschließend in der Küche, um Trinken und Gläser zu holen, dann stellte er die Sachen auf den Wohnzimmertisch und setzte sich anschließend auf das Sofa.

Auch Leon und Jill hatten sich hingesetzt, und Claire stand hinter den Beiden und lehnte sich zwischen ihnen auf die Couch-Lehne, während sie den Blick durch den Raum schweifen ließ.

„Er ist also immer noch weg?“

Irgendwie hatte Claire gehofft, dass ihr Bruder doch noch von sich aus zurück kommen würde. Aber danach sah es leider nicht aus.

Sie verstand nicht, was in letzter Zeit mit ihm los war, warum er immer wieder davon lief, um seinen Problemen zu entkommen. Das sah Chris gar nicht ähnlich.

Sie hatte ihr Leben lang zu ihm aufgesehen, und Chris war ihrer Meinung nach der tollste große Bruder, den man haben konnte.

Er war immer für sie da gewesen, und als er dann zu S.T.A.R.S. gegangen war, hatte er sich immer bei ihr gemeldet, gefragt, wie es ihr ging und ihr versichert, dass bei ihm alles gut war.

Nach der Katastrophe in Raccoon City hatte er sich, da er verschwunden gewesen war, gar nicht mehr gemeldet, doch anschließend teilweise mehrmals am Tag, etwas, dass Claire dann doch ein wenig zu viel geworden war. Aber sie hatte es dennoch wirklich süß von ihrem großen Bruder gefunden, wie sehr er sich gesorgt hatte.

Und auch in seiner Anfangszeit bei der B.S.A.A hatte Chris sich immer wieder bei Claire gemeldet oder sie besucht.

Aber in den letzten Jahren hatte das nachgelassen.

Wenn sie darüber nachdachte, hatte alles mit Afrika angefangen.

Seit er dort hin gegangen war und Wesker vernichtet hatte, hatte er sich kaum noch bei ihr gemeldet. Meistens war Claire es gewesen, die Chris hatte anrufen müssen, um sich zu informieren, wie es ihm ging oder was er machte.

Und seit Edonia hatte sie überhaupt nichts mehr von ihm gehört.

Tatsächlich war es nun einer seiner Männer gewesen, der sie angerufen hatte, nicht einmal ihr Bruder selber.
 

„Nein, er ist immer noch verschwunden. Und ich glaube nicht, dass ich ihn in meinem Zustand alleine finde“, erklärte Piers, während er sich etwas Wasser in ein Glas einschenkte und ein paar Schlucke trank.

„Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?“, fragte nun Jill, die in Anbetracht der Umstände einfach mal zu einer persönlicheren Anrede gewechselt hatte. Und Piers schien auch nichts dagegen zu haben.

„Das letzte Mal, nach der Sache in Edonia, habe ich Chris nach etwa einem halben Jahr in irgendeiner Kneipe gefunden. Ich kann mir gut vorstellen, dass er den gleichen Mist noch einmal macht. Dieses Mal hat er nicht vergessen. Dieses Mal erinnert er sich an alles, was passiert ist. Vielleicht will er seinen Frust jetzt erneut im Alkohol ertränken“, vermutete Piers nach kurzem Überlegen, ehe er das Glas leerte und wieder weg stellte.

Genau sagen konnte er es natürlich nicht.

Chris konnte auch einfach nur weg gegangen sein, irgendwo sitzen und Trübsal blasen, oder irgendetwas war ihm zugestoßen.

Aber ein Gefühl sagte Piers, dass dem nicht so war.

Und im Grunde konnte sich der junge Soldat auf sein Gefühl immer verlassen. Leider.

Im Moment wäre es ihm wirklich lieber gewesen, dieses ließe ihn einfach im Stich, und Chris würde im nächsten Moment zur Tür herein kommen, um ihnen zu sagen, dass es einfach etwas länger gedauert hatte, weil er noch ein wenig hatte nachdenken müssen.

Aber das passierte natürlich nicht, Piers und seine Gäste blieben weiterhin alleine.
 

„Das heißt, er kann überall sein.“

„Im Grunde ja.“

„Keine unbedingt rosigen Aussichten…“

Leon seufzte leise, lehnte sich zurück und nahm sich dann ebenfalls ein Glas Wasser, welches er aber erst einmal nur nachdenklich in der Hand drehte.

Es würde alles andere als leicht werden, Chris zu finden.

Wenn er bedachte, dass Piers beim letzten Mal sechs Monate gebraucht hatte, und das, obwohl ihm vermutlich einige Männer der B.S.A.A. geholfen hatten, dann würde es zu Viert ewig dauern.

Zudem war Piers noch immer sehr angeschlagen, und Leon wollte nicht, dass er ihnen am Ende irgendwo zusammenbrach. Damit wäre Chris nun wirklich nicht geholfen.

Sie würden den jungen Soldaten nicht davon abbringen können, mit zu kommen, das war klar. Aber sie mussten aufpassen, langsam machen, Pausen einlegen.

Er seufzte leise, schüttelte den Kopf und trank ein paar Schlucke von dem Wasser, ehe er das Glas wieder auf den Tisch stellte und Piers nachdenklich ansah.

„Wie fit bist du?
 

Mit einer solchen Frage hatte Piers schon gerechnet.

Er seufzte leise, lehnte sich etwas zurück und schloss für einen Moment die Augen, ehe er Leon wieder ansah.

„Es geht… Ich kann mich auf den Beinen halten. Vermutlich auch für längere Zeit, aber all zu lange wohl nicht...“, murmelte der Scharfschütze dann und zuckte leicht mit den Schultern. Was brachte es, den Dreien irgendetwas vormachen zu wollen? Dass er nicht ganz fit war, sah man ihm ja anscheinend deutlich an. Und vermutlich hätte ihm das Gegenteil auch niemand geglaubt.

„Wir können uns von mir aus gleich auf den Weg machen“, er dann aber trotzdem noch hinzu.

Piers ging davon aus, dass es das war, worauf Leon hinaus wollte. Wie lange sie noch warten mussten, wann sie gehen konnten.

Weder der Special Agent, noch Jill oder Claire würden Piers drängen, da war er ganz sicher. Aber natürlich wollten sie Chris so schnell wie möglich finden, bevor diesem noch irgendetwas passierte. Und ihm selber ging es da ja nicht anders.

Auch, wenn er etwas sauer war, machte er sich in erster Linie doch einfach Sorgen um seinen Captain. So etwas wie damals in Edonia wollte er nicht noch einmal erleben müssen.
 

Erneut musterte der junge Soldat seine Helfer.

Claire wirkte besonders nervös und besorgt um ihren Bruder. Ihre Finger spielten mit dem Couchbezug und krallten sich leicht in diesen, während sie nachdenklich an Leon vorbei auf dessen Glas blickte, ohne dieses jedoch wirklich anzusehen.

Leon selber hatte sich wieder zurück gelehnt, und in seinem Blick erkannte Piers hauptsächlich Nachdenklichkeit. Vermutlich ging er gerade die Orte durch, an denen Chris sich am wahrscheinlichsten aufhielt.

Jills Blick hingegen war zum Fenster gewandert, aber sie schien sich nicht wirklich auf irgendeinen Gegenstand zu konzentrieren.

Eine Hand hatte sie in den Stoff ihrer Jeans gekrallt, mit der anderen fuhr sie sich leicht durch die nun blonden Haare. Fast hätte Piers sie durch diese an der Tür gar nicht erkannt.

Auch Jill wirkte reichlich nervös und besorgt, und der Fuß, auf dessen Bein sie die eine Hand gelegt hatte, wippte immer ein wenig auf und ab.

Den ruhigsten Eindruck machte tatsächlich Leon. Doch auch er war besorgt, das konnte er nicht verbergen. Schon gar nicht vor Piers.

Er bemerkte die leichte Anspannung trotz allem, so sehr Leon auch versuchen mochte, sie zu verbergen.

„Wenn du sagst, du bist fit genug, glaube ich dir das“, murmelte dieser dann, nahm noch einmal das Glas, um es zu leeren und beugte sich dann etwas nach vorne, wobei er die Arme auf die Knie legte und sich kurz über das Gesicht fuhr.

Er war wirklich angespannt, und langsam konnte er das auch vor den beiden Frauen nicht mehr verbergen.
 

„Und wo fangen wir an?“ Es war Claire, die diese Frage stellte und sich dabei etwas hinab beugte.

Leon sah zu ihr auf und zuckte leicht mit den Schultern, ehe er nachdenklich die Stirn runzelte.

„Wenn Piers’ Vermutung richtig ist, wenn Chris sich tatsächlich wieder in irgendeine Kneipe verzogen hat... dann müssen wir zuerst die Kneipen in der Nähe durchgehen.“

„Und wenn er extra weiter weg gegangen ist, damit ihn niemand so schnell findet?“

„Zum Einen bezweifle ich, dass er in dem Moment daran gedacht hat... Zum Anderen wird er sich nicht zu weit entfernen, um im Notfall schnell wieder zurück sein zu können. Er weiß, dass Piers immer noch nicht ganz fit ist. Es sieht ihm eh schon nicht ähnlich, dass er ihn in seinem Zustand allein gelassen hat.“

Diese Aussage war von Jill gekommen, die ihren Blick endlich vom Fenster hatte abwenden können.

Abgesehen von Claire kannte sie Chris am besten. Sie war schon zu S.T.A.R.S.-Zeiten seine Partnerin gewesen, und als die B.S.A.A. ins Leben gerufen worden war, hatte sich daran nichts geändert. Sie waren Freunde, sie waren mehr als das, auch wenn sie es nicht offen zeigten. Während sie unter Befehl des R.P.D. für S.T.A.R.S. gearbeitet hatten, hätten sie das vermutlich auch gar nicht gedurft. Ob es nun anders war, konnte keiner von ihnen sagen. Sie regelten es professionell, trennten Berufliches von Privatem.

Oft sehnte sich Jill nach mehr Nähe, und sie hatte das Gefühl, dass es Chris da nicht anders ging.

Und im Nachhinein fragte sie sich, ob eine offizielle Beziehung nicht vieles leichter gemacht hätte. Vielleicht wäre Chris dann jetzt nicht in so einer Verfassung gewesen. Vielleicht hätte sie dann schon nach dem Vorfall in Edonia von seinem Zustand erfahren und helfen können.

Aber so oder so war das jetzt nicht mehr zu ändern. Und Jill nahm sich vor, es in Zukunft besser zu machen.

Wenn sie Chris gefunden hatten, wenn sich seine Verfassung gebessert hatte, dann würde sie ihm sagen, was sie für ihn empfand. Ob das nun klug war oder nicht. Aber so konnte es einfach nicht mit ihm weitergehen.
 

Jill atmete tief durch, dann straffte sie leicht die Schultern und hob den Blick.

„Ich bin auf jeden Fall auch bereit zum Aufbruch“, versicherte sie dann, ehe sie einen kurzen Blick zu Claire warf, die ihr leicht zunickte.

Auch sie war bereit, natürlich. Man konnte deutlich spüren, wie sehr es sie nach draußen zog, um ihren Bruder zu finden.

‚Chris, was ist nur mit dir passiert? Dich für mich nicht zusammen zu reißen, okay, meinetwegen. Aber deine Schwester so im Stich zu lassen? Deinen verwundeten Partner alleine zu lassen? Das bist doch nicht du, Chris. So kenne ich dich gar nicht. Und diesen Chris will ich auch nicht kennen.'

Sie seufzte noch einmal, dann schüttelte sie den Kopf und erhob sich.

Nein, soweit wollte sie nicht gehen. Sie wollte Chris nicht im Stich lassen, und sie wollte ihm auch nicht unterstellen, sie im Stich gelassen zu haben, auch wenn es in gewisser Weise so war.

Aber Chris hatte auch viel durchmachen müssen. Zwei Mal hatte er seine gesamte Einheit verloren. Jill konnte nicht im Geringsten nachempfinden, wie sich das anfühlen musste. Und wenn man sich selber auch noch die Schuld daran gab... Sie selber wäre daran sicherlich zerbrochen. Und sie wusste, ohne Piers wäre Chris vermutlich wirklich zugrunde gegangen.

Einen treuen, zuverlässigen Partner hatte er da. Und es gab Jill ein Gefühl der Erleichterung, dass Chris in guten Händen war. Dass es Menschen gab, denen er wichtig war, und die bereit waren, alles zu tun, um ihm zu helfen. Menschen, die sogar soweit gingen, ihr eigenes Leben zu opfern.
 

Langsam wurde Jill doch wieder etwas sauer auf ihren Freund und Partner.

Piers hatte sich geopfert, damit er weiter leben konnte. Er hatte vermutlich keine Sekunde lang gezögert.

Und wie dankte Chris ihm das? Indem er diese zweite Chance einfach weg warf.

Das machte die Soldatin ziemlich wütend.

Sie konnte sich ja denken, dass Chris sich Vorwürfe machte, dass er sich die Schuld an Piers’ vermeintlichen Tod gab, an allem, was passiert war.

Aber um der gefallenen Soldaten Willen musste er sich zusammenreißen. Und auch, wenn es weh tun würde, auch das würde sie ihm ins Gesicht sagen, wenn sie ihn gefunden hatten.

Vermutlich brauchte Chris einfach mal einen kleinen Tritt oder einen verbalen Schlag ins Gesicht, um zu Sinnen zu kommen.

Nach dem, was Piers ihr am Telefon erzählt hatte, hatte er mit dieser Methode immerhin schon zwei Mal Erfolg gehabt. In Edonia, und auch in China, als sie Carla Radames verfolgt hatten, die sie damals noch für Ada gehalten hatten.
 


 

„Jill?“

„Gehen wir. Wir müssen Chris finden, bevor er noch irgendeine Dummheit anstellt.“

Leon nickte leicht, dann stand er ebenfalls auf und sah zu Piers, der sich auch schon vom Sessel erhoben hatte.

Müde wirkte der Scharfschütze, aber er schien sicher auf den Beinen zu stehen.

Leon würde ein Auge auf ihn haben, damit nichts passierte.

Wenn sie Chris einen halb toten Piers vor die Nase hielten, holte ihn das ganz sicher nicht zurück. Und selbst wenn doch, selbst, wenn ihn so ein Anblick erst recht zurück geholt hätte, Leon wollte das dennoch verhindern.

Piers bemerkte den Blick zwar, sagte aber nichts dazu, sondern brachte nun die Gläser und die Flasche in die Küche, ging dann ins Schlafzimmer und blieb vor Chris’ Kleiderschrank stehen.

Seine Klamotten hatte der Captain größtenteils weggeworfen. Er hatte nur noch die Hose, die sich in der Wäsche befand, und im Moment trug er wieder eine Jogginghose und ein Unterhemd von Chris.

Also zog er sich auch jetzt einfach ein paar Sachen des Älteren drüber, auch wenn ihm diese etwas zu groß waren, und lieh sich dann noch zwei Waffen von seinem Captain aus, ehe er auch eine für diesen einsteckte.

Nicht, dass er mit irgendeiner größeren Gefahr rechnete, aber seit er bei der B.S.A.A. war, ging Piers eigentlich nie unbewaffnet aus dem Haus. Er hatte einfach schon zu viele Überraschungen erlebt.

Nach wenigen Minuten war er fertig, hatte sich noch etwas kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt und eine weitere Tablette genommen, ehe er sich wieder zu Leon, Claire und Jill begab und mit ihnen das Haus verließ, um sich auf die Suche nach Chris zu machen.

Remember me

„Das wäre dann also die dritte Kneipe… Vielleicht haben wir hier ja Glück.“

Leon seufzte leise und blickte zur Tür des heruntergekommenen Hauses.

In den letzten beiden Bars hatten sie Chris nicht finden können, und auch auf dem Weg war dieser ihnen nicht begegnet.

Aber die Hoffnung gaben sie noch lange nicht auf. Das durften sie auch einfach nicht. Sie mussten Chris um jeden Preis finden.

Aber sie wussten auch, dass er in den letzten Stunden sehr weit gekommen sein konnte.
 

Seit Piers Jill angerufen hatte, waren gute fünf Stunden vergangen. Eine Zeit, in der sehr viel passieren konnte. Eine Zeit, in der Chris die Stadt schon dreimal hätte verlassen können.

Aber da war eben die Hoffnung, dass er sich, vor allem wegen Piers, dazu entschieden hatte, in der Stadt zu bleiben. Und noch gab es einige Kneipen, in denen er sich aufhalten konnte. Noch war es also durchaus möglich, ihn hier irgendwo zu finden.
 

Leons Blick fiel zu Piers, und erneut kam ein leises Seufzen über seine Lippen.

Der junge Soldat schien langsam am Ende mit seinen Kräften. Er war wieder blasser geworden und lehnte nun leicht an der Wand, vermutlich, um nicht einfach zusammen zu brechen.

Leon ging zu ihm, legte ihm eine Hand auf die Schulter und bedeutete ihm, sich auf die Bank zu setzen, die neben dem Eingang stand, und sich dort ein wenig aus zu ruhen.

Fast ohne Protest stimmte Piers zu und ließ sich auf die Bank sinken, während Leon und die Anderen die Kneipe betraten.
 

Da es mittlerweile doch recht spät war, war diese Bar gut besucht. Auf Anhieb hätten sie Chris ohnehin nicht gefunden.

Suchend sahen die Drei sich um, dann gingen sie nach und nach an den Tischen entlang.

Am anderen Ende des Raumes angekommen, mussten sie feststellen, dass diese Kneipe doch größer war, als sie angenommen hatten.

Es führte eine Treppe nach oben und eine nach unten. Von unten war Musik zu hören, irgendeine moderne Popmusik, die keinem der Drei unbedingt zusagte.

Von oben hörte man größtenteils Stimmen, und nur im Hintergrund erklang hier eine etwas angenehmere Rockmusik, die jedoch von der Musik aus der untersten Etage deutlich übertönt wurde.
 

„Könnt ihr euch auf die beiden Etagen aufteilen? Dann sehe ich hier noch mal nach und gehe dann raus, nach Piers sehen“, wandte sich Leon an seine beiden Begleiterinnen, die auf den Vorschlag hin zustimmend nickten.

Während Claire sich freiwillig auf den Weg nach unten machte, und Jill die Stufen nach oben nahm, wandte Leon sich um und sah sich im Erdgeschoss noch einmal nach Chris um, ging dann sogar zur Bar und beschrieb dem Barkeeper den Mann, den er suchte.

Aber bei den vielen Gästen, die bisher gekommen und gegangen waren, konnte sich der Mann beim besten Willen nicht an alle erinnern. Und irgendwie hatte sich Leon das auch schon gedacht. Aber einen Versuch war es immerhin wert gewesen.
 

Er verließ die Bar also wieder, wandte sich der Bank zu und erstarrte.

Piers war verschwunden.

Der Special Agent sah sich um, ob er vielleicht einfach nur kurz aufgestanden war, ob er irgendwo bewusstlos auf dem Boden lag, weil sein Zustand sich verschlechtert hatte, aber er konnte nichts finden, was in irgendeiner Art und Weise auf den Scharfschützen hinwies.

Dafür entdeckte Leon nun endlich den Mann, den sie schon die ganze Zeit über gesucht hatten: Chris.

Doch dieser schien über das Wiedersehen nicht unbedingt erfreut zu sein. Sein Blick war ernst, und der Soldat wirkte mehr als angespannt.
 

„Chris…?“, murmelte Leon und trat auf den Älteren zu, der just in dem Moment sein Messer zog und ihm entgegenstreckte.

Erschrocken blieb der Special Agent stehen und runzelte die Stirn.

Er fragte sich, wie viel Alkohol Chris mittlerweile intus hatte, um so zu handeln, aber die Augen des Soldaten waren vollkommen klar, er wirkte zu 100 Prozent nüchtern.

Bis eben auf die Tatsache, dass er einen Freund mit dem Messer bedrohte.
 

„Halt den Mund und bleib stehen, Kennedy“, knurrte Chris nun leise, und Leon gehorchte, einfach, weil er mit Chris’ Reaktion gerade schlicht und ergreifend überfordert war.

Seit ihrem ersten Telefonat hatte er ihn nicht mehr bei seinem Nachnamen genannt. Sie hatten sich eigentlich von Anfang an recht gut verstanden, auch wenn sie nicht unbedingt so viel miteinander zu tun gehabt hatten. Die einzige wirkliche Verbindung zwischen ihnen war Claire gewesen.

Ein paar Mal hatten sie sich gesehen, ein paar Mal telefoniert, doch vor ihrer letzten Begegnung in China war eine lange Zeit vergangen.

War Chris etwa immer noch wütend, weil er die falsche Ada verteidigt hatte? Nein, das konnte Leon sich nicht vorstellen. Dazu war Chris einfach nicht der Typ.

Und im Grunde hatte es sich da ja auch einfach um ein Missverständnis gehandelt, für das Leon nichts gekonnt hatte.
 

„Was soll das?“, fragte er deshalb, doch statt einer Antwort trat Chris einen weiteren Schritt auf ihn zu, ohne das Messer dabei runter zu nehmen. Er meinte es ernst, das wurde Leon langsam klar.

Nur den Grund dafür kannte er nicht, wie auch?

„Ich habe gesagt, du sollst still sein“, wiederholte Chris, und in seinen Augen loderte nun deutlicher Hass auf.

Hass, den Leon einfach nicht verstand.

Und da erinnerte er sich an das, was er durch Hunnigan über Edonia erfahren, und was auch Piers ihm am Telefon noch einmal erklärt hatte.

Damals hatte Chris durch das, was passiert war, und durch eine recht schwere Kopfverletzung, einen Teil seiner Erinnerungen verloren.

Die Möglichkeit bestand, dass genau das noch einmal passiert war, einfach, weil Chris es gewollt hatte.

Aber dann hätte er Leon ja gar nicht erkennen dürfen. Dann wäre dieser für ihn ein vollkommen Fremder gewesen und kein Feind.

Nein, das konnte es also auch nicht sein. Aber was dann?
 

Unauffällig sah Leon an Chris vorbei zum Eingang der Kneipe, aber von Claire und Jill war noch nichts zu sehen. Und ebenso wenig von Piers.

Hatte Chris auch in diesem einen Feind gesehen? Hatte er ihm irgendetwas angetan?

Leon fluchte innerlich.

Wie sollte er herausfinden, was mit Chris passiert war, wenn dieser bei jedem seiner Worte mit dem Messer vor seiner Nase herumfuchtelte?

Leon selber trug zwar auch eine Waffe bei sich, aber die wollte er nicht gegen den Älteren benutzen. Er wollte ihn ja nicht verletzen.
 

„Chris, bitte…“, versuchte er es dann also trotzdem noch einmal, weil er sonst ja auch nicht viel tun konnte.

Aber Chris war alles andere als begeistert von seiner Sturheit.

„Sei endlich still!“, knurrte er Leon nun wirklich wütend an, und mit einem Mal ging alles ganz schnell.

Chris zögerte keine Sekunde mehr, sondern sprintete nun regelrecht auf Leon zu.

Und dieser war einfach zu überrascht, um noch rechtzeitig reagieren zu können. Wenn nun kein Wunder geschah, war er geliefert...

Und das Wunder geschah.

Ein leises Surren war zu hören, gefolgt von einem Schmerzensschrei und dem Klappern des Messers, das zu Boden fiel.

Chris taumelte etwas zurück und griff nach seiner rechten Hand, in der ein dünner Pfeil steckte.

Leons Kopf schnellte nach oben, und er erkannte auf dem Dach der Kneipe keine Geringere als Ada Wong, die ihre Armbrust auf Chris gerichtet hatte.

Wieder einmal hatte sie Leon geholfen, und er war ihr unglaublich dankbar dafür.

Und noch dankbarer war er, dass Ada Chris nicht einfach erschossen hatte.
 

„Ada…“, murmelte Leon und blickte weiterhin zu der Asiatin auf.

Diese strich sich leicht durch die Haare und schenkte ihm ein angedeutetes Lächeln, ehe sie vom Dach der Kneipe sprang und leichtfüßig auf dem Boden aufkam.

Leon fragte sich immer noch, wie ihr solche kleinen Einlagen mit hochhackigen Schuhen, und in diesem Fall auch noch einem engen schwarzen Minirock, gelangen, aber für Ada war anscheinend nichts unmöglich.
 

„Danke“, meinte er nun und erwiderte das Lächeln, als auf Adas Gesicht für einen kurzen Moment tatsächlich ein erschrockener Ausdruck erschien.

„Leon, pass auf!“

In letzter Sekunde schnellte der Special Agent herum und erkannte Chris, der sein Messer wieder aufgehoben hatte und erneut auf ihn zustürmte.

Sowohl Leon als auch Ada hatten nun keine Möglichkeit mehr, schnell genug zu reagieren.

Und wieder geschah genau das Wunder, das Leon gerade gebraucht hatte.
 

Die Stimmen zweier Frauen waren zu hören, die beide entsetzt Chris’ Namen riefen.

Und diese Stimmen waren es, die Chris für einen Moment verunsicherten.

Leon und diese schwarzhaarige Frau kannte er nicht, aber Claire und Jill schon. Und genau ihre Stimmen waren es, die ihn gerade davon abhalten wollten, diesen vermeintlichen Massenmörder zu töten.

Aber abbrechen konnte und wollte Chris seinen Angriff nun nicht mehr. Dieser Mann hatte den Tod verdient, ob Jill und seine Schwester ihn nun selber als Mörder sehen wollten oder nicht.

Chris lief also weiter, holte mit dem Messer aus und stach zu.
 

Ein leises Ächzen kam über Leons Lippen, als er spürte, wie das Messer in seinen Körper gerammt wurde.

Leicht strauchelte er, hielt sich jedoch auf den Beinen und verzog nur leicht das Gesicht, während Ada ihre Armbrust wieder auf Chris richtete, um diesen zu erschießen.

„Nicht…“, hörte sie da jedoch Leons etwas schwache Stimme und hielt inne.

„Aber…“

„Chris, du bist und bleibst ein Weichei…“

Diese Stimme war nun eindeutig von keinem der Anwesenden gekommen.
 

Leon hob leicht den Blick und entdeckte den blonden Mann, der etwas abseits stand. Und zu seinem Entsetzen war er es, der Piers in seiner Gewalt hatte.

Er hielt den jungen Soldaten ohne jegliche Mühe fest und hatte ihm ein Messer an die Kehle gedrückt.

Und selbst wenn Piers kerngesund gewesen wäre, hätte er trotz Virus keine Chance gehabt, Wesker zu entkommen.
 

„Captain, verzeihen Sie…“, meinte Chris leicht beschämt, ohne wirklich zu merken, wie sich Weskers Art, mit ihm zu reden, verändert hatte, ehe er einen Schritt zurück ging und die Hand von dem Messer löste, das er auf Leons Herz angesetzt hatte. Getroffen hatte er jedoch lediglich die Schulter des Jüngeren.

Sicherlich schmerzte diese Verletzung, und Leon verlor einiges an Blut, aber sterben würde er daran vermutlich nicht.

Dennoch gaben seine Beine nach, was Claire erneut einen erschrockenen Schrei entlockte, und Ada dazu veranlasste, ihre Armbrust fallen zu lassen, um Leon aufzufangen.

Er keuchte noch einmal,schaffte es aber, sich halbwegs aufrecht zu halten und stützte sich nur ein wenig auf Ada, die ihn besorgt musterte.
 

Und nun endlich blickten sie alle zu dem Neuankömmling, den jeder Einzelne von ihnen bis zu diesem Moment für tot gehalten hatte.

Jill ballte die Hände zu Fäusten, und Claire wich ein paar Schritte zurück.

Und auch Ada wirkte alles andere als begeistert darüber, dass Wesker doch noch am Leben war.

Auch, wenn ihre größte Aufmerksamkeit im Moment schlicht und ergreifend Leon galt.

Dieser schaffte es einfach immer wieder, sich in Gefahr zu bringen. Das schien irgendwie sein Hobby zu sein.

Aber zu seinem Glück hatte er in ihr wohl eine Art Schutzengel gefunden, der zufälligerweise immer genau dort war, wo er sich auch befand.

Aber gut, in gewisser Hinsicht war er ja auch ihr Schutzengel. Leon hatte ihr auch schon oft genug den Hintern gerettet.
 

„Chris, was hat das alles zu bedeuten? Warum bist du hier, warum mit Wesker? Und warum… warum wolltest du Leon töten?“

Erstaunlicherweise war es Claire, die ihre Verwunderung und ihren Schrecken als Erste überwunden hatte und sich nun an ihren Bruder wandte.

„Du... du kennst diesen Mann?!“

In Chris’ Blick war deutliches Entsetzen zu erkennen.

Wenn Claire diesen Massenmörder kannte, hatte sie unglaubliches Glück gehabt, noch am Leben zu sein.

Und das Gleiche galt dann wohl auch für Jill und diese asiatische Frau…
 

Für einen kurzen Moment durchzuckten Bilder Chris’ Kopf, und er griff sich leicht an diesen, ehe er einige Schritte zurück taumelte.

Er hatte diese Frau schon einmal gesehen, da war er ganz sicher. Und er verband mit dieser schemenhaften Erinnerung nichts Gutes.

Anscheinend hatte dieser Leon noch eine Komplizin. Das machte die Sache nicht leichter.

Aber wer war der junge Mann, den sein Captain da als eine Art Geisel genommen hatte?

Und warum hatte er das getan?
 

Chris blickte zu dem jungen Soldaten, der halb ohnmächtig in Weskers Griff hing, und wieder waren da Bilder in seinem Kopf, die ihn dieses Mal leicht schmerzerfüllt aufstöhnen ließen.

Was war hier nur los? Was ging hier vor sich?

Das alles ergab doch einfach keinen Sinn mehr.

Dieser Massenmörder, der irgendwie gar nicht wie ein solcher wirkte, Claire und Jill, die ihn scheinbar kannten und Chris davon hatten abhalten wollen, ihn zu töten.

Die Fremde, die wie aus dem Nichts aufgetaucht war und seinen ersten Angriff abgeblockt hatte.

Und so langsam spürte Chris auch wieder die Schmerzen in seiner Hand, von der noch immer Blut auf den Boden tropfte.

Schlimm verletzt war er nicht, aber es tat doch nicht unbedingt gut.
 

„Claire, ich… wie soll ich…“, begann Chris nun, doch er wusste einfach nicht, was er sagen sollte.

Eigentlich hatte er Claire erklären wollen, dass es sich bei Leon um einen verrückten Killer handelte, aber irgendwie war er sich da gar nicht mehr so sicher.

Und die entsetzten Blicke, die sie seinem Captain alle zuwarfen, mussten ja auch irgendeinen Grund haben.

Erneut griff sich Chris an den Kopf und schloss leicht die Augen.

Er verstand es einfach nicht, er verstand überhaupt nichts mehr.

Und er wollte auch einfach nicht mehr.
 

Müde blickte er auf das Messer hinab und hob es an, überlegte tatsächlich, ob er den ganzen Mist nicht einfach beenden sollte.

Und in dem Moment kam alles wieder zurück.

Angefangen mit dem Albtraum, in dem er sich das Leben genommen hatte, gefolgt von dem Tag, an dem er Piers am Strand gefunden hatte. Die Geschehnisse in China, Edonia…

Und ganz zum Schluss Afrika, der Kampf gegen Wesker.

Gegen den Mann, der sie zu S.T.A.R.S.-Zeiten alle verraten hatte.

Und der nun erneut seine Spielchen mit ihm getrieben hatte.
 

Die Kopfschmerzen und das aufkommende Schwindelgefühl ignorierend, drehte er sich zu dem Blonden um und sah diesen mit hasserfülltem Blick an.

„Wesker, du verdammter…“

Doch er stockte, als Wesker den Druck des Messers an Piers’ Kehle verstärkte, und von dem jungen Mann ein leiser Schmerzenslaut zu hören war. Etwas Blut rann an seinem Hals herab, und Wesker zeigte ein siegessicheres Grinsen.
 

Doch innerlich war ihm gar nicht wirklich nach Grinsen zumute.

Wie hatte das passieren können? Wie hatte sein Plan so schief gehen können?

Niemals hätte er damit gerechnet, bei Leon auch Jill und Claire zu finden.

Dass Piers da gewesen war, hatte ihn gefreut. Da hätte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können.

Aber die beiden Frauen… die drei Frauen, korrigierte er sich mit einem Blick zu Ada, hatten alles ruiniert.

Der Plan war so perfekt gewesen, er hatte Chris vollkommen unter Kontrolle gehabt.

Nur ein paar Sekunden später, und Leon wäre tot gewesen.

Und nun stand er selber hier der ganzen Bande gegenüber.

Aber noch hatte er die Kontrolle über die Begegnung.

Er hatte Piers in seiner Gewalt, und niemand würde es wagen, ihn jetzt anzugreifen.

Gut, Ada hätte es vielleicht getan, aber da Leon nun hier war, würde auch sie sicherlich davon absehen.

Also gab es noch keinen wirklichen Grund zur Sorge. Noch konnte Wesker alles retten. Er musste jetzt nur noch besser aufpassen und durfte sich nicht zu überlegen fühlen.

Das war bisher sein Fehler gewesen, den er jetzt nicht unbedingt all zu sehr bereuen wollte…

Der Held und das Virus

‚Es ist meine Schuld. Das alles, die ganze Situation… Leon, Piers… alles meine verdammte Schuld…!’

Chris konnte es einfach nicht fassen. Durch sein Verhalten hatte er alles nur noch schlimmer gemacht.

Wie erwartet war Piers wohl aufgebrochen, um ihn zu suchen, und er hatte dazu auch noch Claire, Jill und Leon angeheuert. Irgendwie war Chris davon einfach nur gerührt, und das hätte er den Vieren auch unglaublich gerne gesagt, hätten sie sich in einer anderen Situation befunden.
 

Aber so konnte er das nicht tun. Und er hatte es doch eigentlich auch gar nicht verdient, dass man sich so sehr für ihn einsetzte.

Immerhin endete das doch immer in einem Desaster.

Leon hatte er selber verletzt, Piers wurde von seinem ehemaligen Captain als Geisel gehalten. Und in seinem Zustand hatte der Scharfschütze nicht die geringste Chance, Wesker lebend zu entkommen.

Chris hatte versagt, definitiv.

Aber er durfte sich davon nicht schon wieder unterkriegen lassen.

Er sah ja ein, dass das immer alles nur schlimmer machte, dass er damit einfach nicht weiter kam und sich selber und seine Freunde von einer Misere in die nächste katapultierte.
 

„Es tut mir leid“, murmelte er leise und senkte etwas den Blick, als er mit einem Mal Jills Hand auf seiner Schulter spürte und auch Claire neben sich erblickte.

„Dafür ist später noch Zeit. Jetzt müssen wir erstmal Piers retten und Wesker los werden“, erwiderte Jill mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

Man sah ihr deutlich an, dass ihr zum Lächeln wirklich nicht zumute war, aber sie wollte Chris irgendwie aufmuntern, ihn zumindest soweit bringen, dass er wieder etwas hoch kam.

Sie brauchten ihn nun. Nur gemeinsam konnten sie gegen Wesker etwas ausrichten, wenn überhaupt.

Das Problem war im Moment nicht einmal die Stärke des Blonden, gegen die wären sie vermutlich sogar angekommen. Das Problem war, dass er Piers in seiner Gewalt hatte. Eine falsche Bewegung, und der junge Soldat war tot.

Und das durfte einfach nicht passieren. Sie hatten nicht alles gegeben, um Chris wieder zu finden, nur um Piers nun zu verlieren.
 

„Und was sollen wir tun?“, hakte Chris nach, der nun etwas die Schultern straffte, den Pfeil aus seiner Hand zog und die andere Hand auf die blutende Wunde drückte.

Sanft nahm Claire die Hand ihres Bruders nun in ihre und verband die Verletzung mit einem sauberen Tuch, das sie bei sich getragen hatte.

„Wesker scheint nicht anzugreifen, solange wir nichts tun. Das heißt, wir haben etwas Zeit zum Überlegen“, meinte sie leise und blickte zu dem Blonden rüber.

Dieser schien tatsächlich keine Anstalten zu machen, in irgendeiner Art und Weise anzugreifen.

Dazu hätte er nämlich Piers loslassen müssen und so sein Druckmittel verloren.

Und dann wäre er seinen Gegnern schutzlos ausgeliefert gewesen.

Er musste sich also wieder einmal in Geduld üben.
 

„Wir können nichts tun, Zeit oder nicht. Selbst wenn wir schneller sind als Wesker und eine Kugel auf ihn abfeuern… wird er diese kaum spüren. Und dem Jungen wird er dann die Kehle durchschneiden.“

Ada hatte Leon vorsichtig gegen die Wand gelehnt, nachdem sie das Messer entfernt hatte, und bedeutete dem Special Agent nun, fest auf die Wunde zu drücken, ehe sie sich erhob und auf Chris und die Anderen zu trat, wobei sie dem Soldaten sein blutiges Messer wieder in die Hand drückte.

Im Grunde war es wirklich aussichtslos. Ganz gleich, was sie auch taten, Wesker war ihnen immer einen Schritt voraus. Jede falsche Bewegung führte unweigerlich zu Piers’ Tod. Daran gab es nun einmal nichts zu rütteln.
 

„Jetzt machen Sie schon, Captain. Greifen Sie… endlich an…!“

Chris hob den Blick und sah zu Piers, der den Kopf etwas angehoben hatte und ihn ernst und auffordernd ansah.

Er wollte nicht, dass Chris Wesker wegen ihm laufen ließ. Mit dem, was er getan hatte, durfte der Blonde einfach nicht durchkommen. Er musste aufgehalten werden. Er musste endgültig vernichtet werden.

„Chris!“

Ein leichtes Keuchen kam über Piers’ Lippen, als Wesker den Druck des Messers noch einmal verstärkte, und der junge Soldat versuchte, ruhig zu bleiben und sich nicht zu bewegen.

Wenn er noch einmal irgendetwas sagte, oder wenn er doch wieder ohnmächtig wurde, dann bedeutete das seinen Tod. Letzteres würde dazu führen, dass er sich beim Zusammenbrechen selber die Kehle an Weskers Messer aufschlitzen würde.

Aber vielleicht konnte er Chris nur so dazu bringen, den Blonden endlich anzugreifen.
 

„Oh nein, nicht noch einmal. Ich lasse das nicht noch einmal zu. Hörst du!?“

Unweigerlich hob Piers den Kopf noch einmal etwas mehr an und sah seinen Captain verblüfft an.

Da hatte er also wieder zu sich selbst gefunden. Wenigstens ein Gutes hatte die ganze Sache hier. Irgendwie beruhigend.

Nur brachte es niemanden wirklich weiter.

Was wollte sein Captain denn tun? Er konnte Wesker ja nicht angreifen, ohne Piers’ Leben damit zu beenden. Und wenn er nichts tat, dann standen sie in zwei Wochen noch hier rum. Oder Wesker würde ihn als Geisel mitnehmen.

Und das wäre vermutlich die beste Lösung gewesen.

Dann befand sich Piers möglicherweise nicht mehr in unmittelbarer Lebensgefahr, und Chris und die Anderen konnten ihn retten.
 

Was für einen Unsinn dachte er da eigentlich gerade?

Wenn Wesker ihn mitnahm, dann würde er so oder so sterben.

Denn Piers konnte sich kaum vorstellen, dass der Blonde ihn in ein weiches Bett stecken und mit Medikamenten versorgen würde.

Sein Körper würde eine Gefangenschaft bei Wesker vermutlich nicht lange durchhalten.

Und wenn dieser von dem Virus in Piers wusste, dann war es ohnehin aus und vorbei.

So oder so, Piers’ Leben neigte sich dem Ende zu. Und er war der Einzige, der hier noch irgendetwas ausrichten konnte. Das stand fest.

Es gab nur eine einzige Sache, die ihn davon abhielt, sich selber in Weskers Messer fallen zu lassen. Er wollte nicht, dass Chris sich wieder Vorwürfe machte, und dass er wieder irgendeine Dummheit begann. Das durfte einfach nicht passieren. Dafür hatte er sich weder in Edonia, noch in China oder gar hier diese ganze Mühe gegeben, ihm zu helfen und ihn zu retten.
 

„Captain… wenn ich sterbe, dann denken Sie daran, dass nichts davon Ihre Schuld war, okay?“

„Piers, nicht…“

„Ich habe doch gar keine…“, begann der Scharfschütze weiter zu reden, als er erschrocken aufkeuchte und etwas Blut auf den Boden vor sich spuckte.

Wesker hatte das Messer kurz von seinem Hals gelöst und es ihm stattdessen in den Magen gerammt, dabei jedoch aufgepasst, kein lebenswichtiges Organ zu treffen.

Scheinbar hatte er kein wirkliches Interesse daran, seine Geisel schon zu verlieren.

Und langsam wurde es Piers klar.

Wesker brauchte ihn, um sein eigenes Leben zu schützen. Wenn es keine Geisel mehr gab, gab es keinen Grund mehr, ihn nicht anzugreifen.

Und gegen Chris, Jill, Claire und Ada zusammen hatte auch Wesker vermutlich keine Chance.
 

Aber was änderte das schon?

Sobald Chris oder Einer der Anderen angriff, war es ohnehin egal, ob Wesker noch eine Geisel brauchte oder nicht. Dann hätte er Piers eher erst einmal als Schutzschild benutzt.

‚Es geht einfach nicht anders. Wie ich es auch drehe und wende… Solange ich lebe, greift Chris nicht an. Und die Anderen auch nicht. Also muss ich ihnen die Entscheidung abnehmen…’

Kurz versuchte Piers, mit dem Messer im Magen tief durchzuatmen, dann hob er zitternd eine Hand an, legte sie auf Weskers, die noch immer das Messer hielt, und rammte sich dieses selber noch tiefer in den Körper hinein.

Wieder spuckte der junge Soldat Blut, dann gaben seine Beine einfach nach, und sein Körper erschlaffte in Weskers Griff.
 

„Verdammt…“, murrte dieser genervt, zog das Messer heraus und ließ Piers’ vermeintlich toten Körper einfach zu Boden fallen, ehe er sich auf den Angriff bereit machte, der natürlich kam.

Wutentbrannt schrie Chris ihn an und hastete mit dem eigenen Messer auf ihn zu, während Jill ihre Waffe zückte und etwas zur Seite ging, um beim Schießen auch wirklich Wesker und nicht am Ende noch Chris zu erwischen.

Claire, die als Einzige unbewaffnet war, ging erst zu Leon, um zu sehen wie es ihm ging. Als dieser ihr versicherte, dass alles in Ordnung war, und sie sich selber davon überzeugt hatte, dass die Blutung langsam nachließ, wandte sie sich um und machte einige Meter von Weskers derzeitiger Position entfernt Piers aus, der regungslos auf dem Boden lag.

Sie glaubte nicht wirklich, dass der Scharfschütze noch am Leben war, aber solange auch nur die geringste Hoffnung bestand, wollte sie es versuchen.
 

Also stand Claire wieder auf und wollte zu Piers eilen, als Ada sie am Arm festhielt und ihr eine kleine Spritze in die Hand drückte.

„Hier, das könnte ihm helfen“, erklärte sie nur ruhig, ehe sie von Claires Arm abließ, um sich ebenfalls in den Kampf gegen Wesker zu stürzen.

Eigentlich war sie ja eher eine Einzelkämpferin, aber man musste eben auch Ausnahmen machen können. Und alleine kam gegen den Blonden ohnehin niemand an, das wusste auch Ada.
 

Claire wollte sich bei Ada gerade noch bedanken, als diese auch schon los hastete, um Chris und Jill zu helfen.

Und auch Leon rappelte sich langsam wieder auf, wie Claire aus den Augenwinkeln heraus bemerken konnte.

Es gefiel ihr nicht, aber sie wusste, dass nun jeder Kämpfer gebraucht wurde. Und ebenso wusste sie, dass Leon sich so leicht ohnehin nicht unterkriegen ließ.

Er war stark, er hielt eine Menge aus. Und seine Freunde ließ er ohnehin nicht im Stich, egal, wie schlecht es ihm ging.

‚Sie packen das schon, da bin ich sicher. Gegen alle zusammen hat auch Wesker keine Chance’, sprach Claire sich in Gedanken nun selber etwas Mut zu, ehe sie weiter eilte, um Piers zu helfen.
 

Chris und die Anderen hatten Wesker wunderbar von dem Verletzten weg gelockt, sodass Claire nun gefahrlos zu ihm konnte.

Schnell hatte sie ihn dann auch erreicht, sank neben ihm auf die Knie und drehte den jungen Soldaten vorsichtig auf den Rücken.

Da war Blut, überall war einfach nur Blut… aber keine Wunde.

Claire traute ihren Augen nicht und ließ eine Hand über Bauch und Brust des Verletzten gleiten. Aber da war nichts. Die Wunde, die das Messer verursacht hatte, war verschwunden.
 

‚Das Virus, natürlich’, schoss es ihr durch den Kopf, und zum ersten Mal im Leben war sie fast dankbar für dieses. Nicht, dass sie den Bioterrorismus jemals unterstützen würde, ganz im Gegenteil. Aber das C-Virus hatte gerade möglicherweise Piers’ Leben gerettet.

Vorsichtig griff Claire nach der linken Hand des Scharfschützen und drückte die Finger gegen das Handgelenk.

Ihre Hoffnung wurde enttäuscht, als sie dort keinen Puls finden konnte, und flammte doch wieder etwas auf, als sie an die Spritze in ihrer Hand dachte.

Vermutlich war deren Inhalt Adrenalin, oder irgendein Mittel, das eine ähnliche Wirkung erzielte.
 

Claire öffnete Piers Jacke und riss das Shirt darunter auseinander, dann atmete se tief durch, rammte die Spritze direkt in Piers’ Herz und hoffte und betete, während sie den Kolben runter drückte und die Spritze anschließend wieder herauszog.

Erst einmal tat sich gar nichts, dann aber zuckten Piers’ Finger leicht, und im nächsten Moment war ein leises Keuchen zu hören, ehe der Scharfschütze verwirrt blinzelnd die Augen aufschlug.

Es war geschafft, er war am Leben. Scheinbar hatte Piers einen verdammt guten Schutzengel. Und Claire war sicher, dass das Virus auch nicht ganz unschuldig gewesen war. Und natürlich Adas Mittel, das sie ihr gegeben hatte.
 

Müde griff sich der junge Soldat an den Kopf, dann setzte er sich vorsichtig auf und verzog leicht das Gesicht.

Er schmeckte Blut in seinem Mund, und ihm war schwindelig.

Aber seltsamerweise fühlte er sich besser als vorher. Obwohl das doch eigentlich unmöglich war.

Er hatte sich doch…

Unvermittelt fuhr seine Hand zu seinem Bauch, und auch sein Blick folgte ihr.

Die Wunde war verschwunden.

„Das Virus…“, murmelte er, und Claire bestätigte seine Vermutung mit einem leichten Nicken.

„Das Virus hat die Wunde geheilt, wie es aussieht. Und Ada hat mir ein Mittel gegeben, das deinen Kreislauf wieder angeregt hat“, erklärte sie dann weiter, ehe ihr Blick zu Chris und den Anderen wanderte.
 

Diese hatten aufgehört, zu kämpfen.

Wesker war verschwunden, ebenso wie Ada.

Chris lehnte an einem Baum, und Jill kümmerte sich erneut um die kleine Verletzung an der Hand, während Leon mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht seine Schulter betastete.

Es war totenstill.

Und erst jetzt bemerkte Claire, dass es schon die ganze Zeit über so gewesen war.

In der Kneipe waren so viele Menschen gewesen, aber hier draußen hatte sich nicht ein einziger befunden. Und niemand schien den Kampfeslärm bemerkt zu haben.

Vorsichtig stand sie auf und drehte sich einmal um sich selbst, aber es blieb dabei.

Die Straße war bis auf die kleine Gruppe vollkommen verlassen.

„Was zum…“, murmelte sie, schüttelte den Kopf und atmete tief durch.

Sie musste zugeben, dass ihr das Angst machte.

Irgendwie wollte sie in die Kneipe stürmen, um zu sehen, ob da noch jemand war, aber aus irgendeinem Grund fürchtete sie sich auch davor.
 


 

„Piers…!“

Es war Chris’ Stimme, die Claire aus ihrer Schockstarre erwachen und sich wieder umdrehen ließ.

Ihr Bruder kam herbeigeeilt und ließ sich neben dem Scharfschützen in die Hocke sinken, der abwehrend die Hände hob.

„Mir geht’s gut, Captain, keine Sorge. Ich…“

Doch weiter kam Piers nicht.

Sein Kopf machte einen Ruck zur Seite, als Chris ihm einen sanften, dennoch erstaunlich heftigen Schlag verpasste.

Im nächsten Moment schlang er wie in väterlicher Liebe die Arme um den Jüngeren und drückte ihn etwas an sich.

„Mach das nicht noch einmal, hörst du? Oder du bekommst es mit mir zu tun“, murrte er leise, ehe er sich löste und anschließend wieder erhob.

„Tut mir Leid, Captain“, erwiderte Piers leise und merklich verwirrt, denn damit hatte er nun wirklich überhaupt nicht gerechnet. Dann ließ er sich von Chris auf die Beine helfen und etwas stützen, als seine beine doch wieder nachgeben wollten.

Piers fühlte sich besser, aber er war doch noch immer ein wenig schlapp.

Er seufzte leise, dann blinzelte er etwas und blickte stirnrunzelnd die menschenleere Straße entlang.
 

Und nun bemerkten langsam auch die Anderen die Totenstille, die hier in der Straße herrschte. Sie wirkte wirklich wie ausgestorben.

Selbst die Musik aus der Kneipe war einfach nicht mehr zu hören.

Mit einem leichten Stirnrunzeln hob Leon seine Pistole an, richtete diese auf die Tür der Kneipe und ging langsam auf diese zu, während Chris es ihm mit dem Messer gleichtat.

An der Tür angekommen, atmeten sie beide tief durch, dann nickten sie sich zu, Chris öffnete die Tür, und Leon richtete die Waffe in das Innere, und damit in gähnende Leere.

Willkommen in der Stille

Leon blickte in die Kneipe hinein und runzelte die Stirn.

Das konnte doch gar nicht sein. Vor wenigen Minuten war der Laden noch voll gewesen, und nun war hier keine Menschenseele mehr zu sehen. Wie war so etwas möglich?

Er blickte zu Chris neben sich, doch auch in seinem Gesicht las er nur Ratlosigkeit, natürlich.

Er seufzte leise, schüttelte den Kopf und wandte sich um.

Was nun?

Wesker und Ada zu verfolgen, war sinnlos, auch wenn Leon sich um die Asiatin sorgte, die Wesker, nachdem dieser geflohen war, einfach hinterher gerannt war.

Aber einholen würden sie die Beiden ohnehin nicht mehr, und Leon war sicher, dass Ada auf sich aufpassen konnte. Das hatte sie ja bisher immer gekonnt. Und lebensmüde schien sie auch nicht unbedingt zu sein.

Nicht mehr als er selber und jeder Andere, der den Bioterrorismus bekämpfte.
 

Nachdenklich ließ der Special Agent den Blick durch die Runde schweifen und hielt, bei Piers angekommen, inne.

Der Scharfschütze wirkte um einiges fitter als vorher, war aber noch immer angeschlagen.

Auch er selber war verletzt, und das Gleiche galt für Chris, auch wenn dessen Verletzung nicht unbedingt schlimm war.

Sie blutete und schmerzte und konnte durchaus hinderlich werden.

Wesker hatten sie also auf jeden Fall erst einmal aus dem Blick verloren, und so mussten sie sich erst einmal um das kümmern, was hier in der Stadt passierte. Was auch immer das war.

Leon kannte kein Virus, das Leute einfach verschwinden ließ. Und auch keines, das die Illusion einer belebten Stadt hervorrief. Aber das war auch nicht der Fall.

Nein, diese Menschen waren wirklich da gewesen, und nun waren sie es nicht mehr. Das war eindeutig. Jetzt mussten sie nur noch den Grund dafür finden. Und das konnte sich als äußerst schwierig gestalten.

Noch einmal sah Leon die Anderen an, dann seufzte er leise und schüttelte den Kopf.

Er spürte die eigene Verletzung, und auch Chris waren seine Schmerzen anzusehen. Piers versuchte zwar, sich nichts anmerken zu lassen, aber so wirklich gelang diesem das auch nicht.
 

Hier zu bleiben und alles abzuklappern, brachte im Moment also ebenfalls rein gar nichts. Sie mussten sich ausruhen, sie alle. Immerhin hatten sie gerade erst gegen Wesker gekämpft.

Und nur, weil sie eindeutig in der Überzahl gewesen waren, hatten sie überhaupt eine Chance gehabt.

Sie hätten den Blonden vernichten können, wäre dieser nicht abgehauen, ja. Aber der Kampf war dennoch anstrengend gewesen, und Wesker hatte sich erschreckend gut gegen diese Übermacht verteidigen können.
 

Einen kurzen Moment lang zögerte Leon allerdings doch noch.

Was hier geschehen war, durften sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Mehrere Menschen waren spurlos verschwunden, einfach so. Normal war das nun wirklich nicht.

Und was auch immer es war, das die Menschen verschwinden ließ, konnte auch hinter ihnen her sein.

‚Wir können nicht einfach verschwinden und nichts tun, wir…’
 

„Es ist wie damals, kurz nachdem ich Sheva in Afrika getroffen habe“, riss Chris Leon aus seinen Gedanken. Der Jüngere blickte auf und runzelte leicht die Stirn. Auch ihn erinnerte das an etwas, und zwar an Spanien. Auch dort waren die Leute teilweise einfach verschwunden.

Und es gefiel Leon ganz und gar nicht, was das nun zu bedeuten hatte.

„Du meinst, die Menschen hier waren… sind… alle infiziert?“, hakte er dann nach und blickte den Soldaten nachdenklich an.

Dieser nickte nur leicht und lehnte sich etwas müde gegen die Tür der Kneipe.

„Zumindest wäre es für mich im Moment die einzig sinnvolle Erklärung. Auch wenn es mir wirklich nicht gefällt“, murmelte er dann leise und ernst.

Und mit dieser Einstellung stand Chris natürlich nicht alleine da.

Claire und Jill schauderten bei dem Gedanken merklich, und auch Piers war anzusehen, dass ihm das ganz und gar nicht gefiel.
 

„Captain, denken Sie, dass ein neues Virus im Umlauf ist?“, fragte er dann und blickte nun ebenfalls in die leere Kneipe hinein.

Einen Moment lang zögerte Chris, dann zuckte er hilflos mit den Schultern, ehe er den Scharfschützen ansah.

„Entweder das, was ich nicht hoffe… oder es sind Überreste eines alten Virus. Ich meine… Wesker ist wieder hier. Würde mich nicht wundern, wenn er seine Finger im Spiel hat und mit irgendwelchen Resten von Uruboros herumspielt. Oder er hat noch irgendeinen kleinen Plaga-Parasiten gefunden…“

Möglich war das ja durchaus. Und zuzutrauen war es dem Blonden ohnehin, das wussten sie alle.
 

„Mit Sicherheit können wir das erst sagen, wenn wir irgendeinen der Bewohner gefunden haben… Oder wenn Wesker uns noch einmal über den Weg läuft und es freudig ausplaudert.“

Wesker schien ja mittlerweile der Typ geworden zu sein, der seine Pläne an die große Glocke hing. Chris glaubte daran also durchaus. Allerdings weniger daran, dass sich der Blonde so bald noch einmal bei ihnen blicken würde.

Der wusste vermutlich, dass er momentan keine wirkliche Chance hatte.

Und wenn er wirklich hinter dem Verschwinden der Menschen steckte, dann würde er sich erst einmal in aller Seelenruhe zurücklehnen und abwarten, dass das Virus oder der Parasit für ihn die Drecksarbeit erledigte.

Denn auch, wenn er seine Pläne verkünden würde, war Wesker scheinbar nach wie vor der Typ Mensch, der lieber andere die Drecksarbeit für sich machen ließ. Er machte sich nur ungern die Finger schmutzig.
 

Chris fuhr sich müde mit der unverletzten Hand über das Gesicht, dann seufzte er leise und schüttelte den Kopf.

Genau wie Leon fand auch er, dass es erst einmal das Beste war, sich ein wenig auszuruhen.

Aber er wollte dabei auch gerne die Umgebung im Blick behalten, falls noch irgendetwas passierte.

Noch einmal ließ er den Blick durch die menschenleere Kneipe wandern, ehe er sich den Anderen zuwandte.

„Ich denke, es ist das Beste, wenn wir uns noch einmal genau in der Kneipe umsehen und jede kleine Ecke unter die Lupe nehmen. Wenn wir nichts finden, bleiben wir hier und ruhen uns ein wenig aus. Dann bekommen wir es wenigstens mit, wenn sich doch etwas tut“, schlug er also vor und wartete die Antworten der Anderen ab.

Natürlich hatte keiner von ihnen etwas dagegen.

Sie alle waren ein wenig angeschlagen und müde, und viel tun konnten sie momentan ohnehin nicht ohne irgendwelche Anhaltspunkte.
 

Also betraten sie gesammelt die Bar, Chris als Letzter und schloss die Tür hinter sich, ehe er sich in dem verlassenen Raum umsah. So wirkte die Kneipe gleich noch größer als sie ohnehin schon war.

Überall auf den Tischen standen Gläser, Teller und Flaschen, einige bereits geleert, andere noch fast voll.

Auf einem der Tische weiter hinten stand sogar eine kleine Menüplatte in der Mitte, die so aussah, als wäre sie noch gar nicht angerührt worden.

Chris hatte gar nicht gewusst, dass man so etwas in einer Kneipe wie dieser bekam.

Er schüttelte den Kopf und wandte den Blick von dem Tisch ab.

Es gab nun weitaus Wichtigeres zu tun, als nachzusehen, welche Tische noch volle Gläser und Teller offenbarten, und was man hier zu Essen bekommen konnte.

Er bedeutete Piers mit einem leichten Kopfnicken, ihn nach oben zu begleiten, während Jill und Claire sich auf den Weg zur Treppe nach unten machten.

Leon blieb nun im Erdgeschoss und begann hier, sich ein wenig umzusehen.

Sein Weg führte ihn zunächst hinter die Bar und von dort aus in die kleine Küche und die Abstellkammer. Das waren in dieser Etage die besten Verstecke.

Allerdings konnte der Special Agent weit und breit niemanden finden, und es war auch totenstill. Selbst die Musik hatte vollkommen ausgesetzt.
 

Seufzend verließ er den Raum wieder, wanderte zwischen Stühlen und Tischen umher, warf hier und dort einen Blick darunter und hielt Ausschau nach allem, was sich irgendwie bewegte.

Aber auch jetzt blieb es dabei: Zumindest das Erdgeschoss war wirklich verlassen.

Und als Claire und Jill nach einer Weile wieder hoch kamen, und auch Chris und Piers ihre Köpfe über das Geländer der Treppe zu ihm reckten, konnte er an ihren Blicken erkennen, dass sie ebenfalls nichts gefunden hatten.

Im Moment war das allerdings auch gut so.

So konnten sie wenigstens sicher sein, in der Kneipe nicht plötzlich von irgendwelchen Infizierten überrascht zu werden.
 


 

„Hier ist weit und breit niemand zu sehen. Ich denke, wir sind erst einmal sicher. Ich werde mich nach ein paar Getränken umsehen, und dann werde ich mich erst einmal beim Hauptquartier melden. Die sollten zumindest erfahren, dass hier etwas vor sich geht, auch wenn wir noch nicht sagen können, was es ist…“

Sie hatten sich an einen der hinteren Tische im Erdgeschoss gesetzt, von dem aus man einen guten Überblick über die gesamte Etage hatte. Vor allem die Eingangstür und die Theke hatten sie gut im Blick.

Wenn irgendjemand her kam, entging ihnen das auf keinen Fall.

Chris hatte sich erhoben und leicht auf den Tisch gestützt, wobei er die verletzte Hand so wenig wie möglich belastete.

Leon sah sich das kurz mit einem leichten Stirnrunzeln an, ehe er den Kopf schüttelte und sich selber erhob.

„Du schonst deine Hand und meldest dich gleich bei der B.S.A.A.. Ich hole die Getränke.“

Allerdings wurde auch ihm nun widersprochen, als sich als nächstes Claire erhob und ihn kopfschüttelnd anblickte.

„Sagt der mit der verletzten Schulter“, meinte sie mit einem leichten Lächeln und sah ihn gespielt tadelnd an, ehe sie Jill zunickte und mit ihr gemeinsam in die Küche ging, um sich um das Trinken zu kümmern.
 

Chris und Leon ließen sich nun beide wieder auf die Stühle sinken und sahen den zwei Frauen nach.

Sie schienen sich gut zu verstehen. Das war etwas, das Chris sehr gefiel.

Er musste wieder daran denken, wie sehr er seine Freunde und seine Schwester in den letzten Monaten ignoriert hatte, wie er Piers alleine gelassen hatte, und was deshalb fast passiert war.

Der Soldat ballte die Hände zu Fäusten und wandte den Blick ab.

Sie alle taten so, als wäre nichts gewesen. Keiner von ihnen war ihm böse. Aber warum nicht?

Chris hätte seiner eigenen Meinung nach nichts mehr verdient, als einen heftigen Fausthieb ins Gesicht und eine nicht enden wollende Beschimpfung.

Aber nichts dergleichen passierte.

Stattdessen erkannte er in Leons und Piers’ Gesichtern nun auch noch Sorge, als er den eigenen Blick nun doch wieder etwas hob.

„Captain…?“

„Es tut mir leid. Dass ich dich allein gelassen habe, dass ich mich bei euch…“ Bei diesen Worten blickte er zu Leon, „Nicht gemeldet habe. Ich…“

Doch es war Piers, der nur den Kopf schüttelte, sich etwas zurücklehnte und ein genervtes Schnauben hören ließ.
 

„Hören Sie auf mit dem Unsinn, Captain. Wollen Sie es nur wieder schlimmer machen?“, hakte er nach und sah den Älteren ernst und fast etwas wütend an.

Chris schien wirklich nichts dazu zu lernen.

Konnte er es nicht einfach gut sein lassen und aus seinen Fehlern lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen?

„Machen Sie so einen Unsinn nur einfach nie wieder“, murmelte er dann und schloss leicht die Augen.
 

Es war ermüdend, immer wieder mit dem Captain zu diskutieren.

Er war ein guter Mann, er war und blieb sein Vorbild. Aber es gab einfach Wesenszüge an Chris, die Piers schlicht und ergreifend aufregten.

Er sah sich immer als eine Art Vater für das gesamte Team. Er glaubte, für alles und jeden verantwortlich zu sein. Dabei entschieden die Soldaten aus freiem Willen, ihm zu folgen. Niemand wurde dazu gezwungen.

Und auch Piers folgte Chris nicht, weil er es musste, sondern weil er es wollte.

Die Männer waren alle erwachsen gewesen. Sie hatten gewusst, was es bedeutete, den Bioterrorismus zu bekämpfen. Sie hatten gewusst, was sie damit riskierten.
 

Piers wollte nicht so weit gehen, zu sagen, dass keiner der Tode auf Chris’ Kappe ging.

Seine Meinung dazu hatte er ihm in China ja deutlich klar gemacht.

Einige der Tode hätten sie verhindern können.

Aber einige eben nicht.

Und auch Chris war nur ein Mensch, der sich weder zerreißen, noch Wunder vollbringen konnte.

Und das war es, was Piers seinem Captain nun auch versuchte, klar zu machen.

Ob es etwas bringen würde, wusste er jedoch nicht.
 


 

Als Piers geendet hatte, waren Claire und Jill bereits zurückgekehrt und hatten Flaschen und Gläser auf den Tisch gestellt.

Chris schwieg und blickte zur Tür, während er über das, was der Scharfschütze gesagt hatte, nachdachte.

Leon blickte ihn nachdenklich und besorgt an, sagte aber nichts mehr, da Piers bereits alles gesagt hatte, was es zu sagen gegeben hatte.

„Was machen wir, wenn wir wieder fit sind?“, fragte Claire nach einer Weile und sah kurz zu Piers, dessen Blick erst auf seinem Captain ruhte, und der dann aufstand, sich das Funkgerät des Älteren schnappte und sich mit diesem etwas vom Tisch entfernte, um das zu tun, was Chris schon vor einer halben Ewigkeit hatte tun wollen: Das HQ zu kontaktieren.

„Ich denke, viel tun können wir nicht. Wir sollten uns in der Straße umsehen, und dann nach und nach die Seitenstraßen abklappern, vielleicht auch ein paar der Häuser, sofern wir reinkommen“, murmelte Leon und warf dabei einen Seitenblick zu Jill.

Mit ihrer Hilfe wären sie vermutlich in jedes einzelne Haus gekommen. Chris hatte ihm vor einiger Zeit mal von ihren Fähigkeiten erzählt.
 

„Das Wichtigste ist, dass wir herausfinden, was hier los ist. Ob die Menschen wirklich alle infiziert sind, und wenn ja, mit was für einem Virus, oder was für ein Parasit sie befallen hat. Alleine können wir kaum etwas ausrichten, aber ich bin sicher, die B.S.A.A. wird uns unterstützen. Vielleicht erreiche ich später auch Hunnigan, um sie zu informieren. Dann weiß die Regierung wenigstens auch gleich Bescheid.“

Im Moment war das eben alles, was sie tun konnten. Auf Hilfe hoffen und herausfinden, was hier passierte.

Leon hasste es, so vollkommen unwissend zu sein, nichts tun zu können.

Und noch dazu machte er sich Sorgen um Ada, die Wesker einfach gefolgt war.

Zwar war er noch immer sicher, dass sie nicht so lebensmüde sein würde, ihn alleine anzugreifen, aber das hieß ja nicht, dass Wesker nicht seinerseits einen Angriff starten würde.

Und wenn es hier wirklich Infizierte gab, und vielleicht nicht nur in der Gegend, dann war Ada erst recht in Gefahr.

Sie wusste ja auch nicht, was hier vor sich ging. Oder?
 

Leon ertappte sich tatsächlich bei diesem Gedanken.

Es war nicht so, dass er Ada misstraute, das hätte er vermutlich nie gekonnt.

Aber sie schien doch immer über alles irgendwie Bescheid zu wissen.

Und sie ließ ihn stets im Dunkeln tappen. Irgendwie schien sie daran wohl wirklich ihren Spaß gefunden zu haben.

‚Nein… Nein, wenn sie irgendetwas hier rüber wissen würde, hätte sie es mir gesagt. Das wäre viel zu wichtig gewesen“’, redete er sich selber ein und atmete tief durch.

So oder so brachte es nun nichts, darüber nachzudenken.

Ada war nicht hier, und Leon konnte sie nicht fragen.

Es war also sinnlos, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob die Asiatin nun etwas wusste oder nicht. Es hätte nur unnötige Kopfschmerzen verursacht.
 

Also lehnte sich der Special Agent wieder zurück, griff nach einem der Gläser, in die Jill etwas Wasser gefüllt hatte, und trank ein paar Schlucke, während er den Blick auf die Tür heftete und darauf wartete, dass irgendetwas passierte.

Und bis auf Chris, der noch immer seinen eigenen Gedanken nachhing, schienen es ihm die Anderen gleich zu tun.

Piers, der sich wieder zu ihnen gesetzt hatte, nachdem er das HQ über die momentane Lage weitestgehend aufgeklärt hatte, behielt die Treppen im Auge, Claire hatte die Theke im Blick, und Jill sah abwechselnd zu den leicht milchigen und verschmutzten Fenstern.

Viel erkannte man dort nicht, aber wenn sich draußen etwas bewegte, würde man es dennoch merken.

Und so warteten sie nun mehr oder weniger schweigend, bis sie alle etwas fitter waren und sich wieder nach draußen wagen können, um diese scheinbar tote Stadt zu durchforsten und nach irgendwelchen möglichen Lebenszeichen zu suchen.

City of the Dead

„Was ist das?“

Chris hob leicht den Blick und lauschte in die Stille hinein, die in der Kneipe herrschte.

Aber irgendetwas hatte er gehört, Geräusche, die eindeutig nicht von den Anderen gekommen waren.

Und auch Piers sah nun stirnrunzelnd auf und lauschte ebenfalls.

„Klingt wie ein Stöhnen… Zombies?“, hakte er dann nach und blickte seinen Captain an.

Vielleicht waren das die verschwundenen Stadtbewohner, möglich war es auf jeden Fall. Wirklich menschlich klang es zumindest nicht, das erkannten sie alle.

Und sie hatten sich ja schon gedacht, dass die Menschen hier vermutlich infiziert waren.

Aber irgendwie hatten sowohl Leon als auch Chris gehofft, dass es dennoch keine Zombies sein würden.

Andererseits waren die klassischen Zombies dumm und langsam.

Gegen die kam man recht leicht an, wenn man so erfahren war.

Die Zombies, die Leon und Helena jedoch zum Beispiel in China gesehen hatten, waren da deutlich anders gewesen.

Fast hoffte der Special Agent wirklich, dass hier noch mal das T-Virus ausgebrochen war. Da war es zumindest leichter gewesen, mit den Infizierten klar zu kommen. Am liebsten wäre Leon natürlich gar kein Virus gewesen, aber das ließ sich wohl nicht mehr verhindern.
 

Langsam stand er auf, prüfte die Munition seiner Waffe und wandte sich dann der Tür zu.

Chris, dem Piers eine Waffe mitgebracht hatte, und der junge Soldat selber taten es ihm gleich, ebenso wie Jill.

Leons Blick fiel zu Claire und er hielt ihr mit fragendem Blick die zweite Pistole hin.

Er wusste, dass sie Waffen gegenüber abgeneigt war, aber wenn es ums Überleben ging, würde sie vermutlich nicht nein sagen. Und so war es auch.

Mit einem Nicken und einem dankbaren Lächeln nahm Claire die Waffe an sich, prüfte sie und entsicherte sie, ehe sie sie auf die Tür richtete. Abneigung oder nicht, sie wusste, wie man mit Schusswaffen umging. Chris hatte ihr das beigebracht, und auch selber hatte sie es leider schon oft genug demonstrieren müssen.

Raccoon City, Rockford Island und alles, was dazu gehörte… und auch später, als sie mit Leon und Angela gegen Curtis und WilPharma angegangen war. Es hatte eben einfach sein müssen. Und lieber benutzte sie eine Waffe, als sich einem Zombie mit bloßen Fäusten entgegen zu stellen. Und auch der Regenschirm war damals nicht unbedingt die beste Idee gewesen. Im Nachhinein sah Claire das ja durchaus ein.
 


 

Nun waren sie alle bereit und gingen langsam auf die Tür zu.

Leon wartete, bis alle in Position waren, dann legte er eine Hand an die Klinke, drückte sie herunter, öffnete die Tür und erstarrte.

Ja, die Stadtbewohner waren alle wieder da. Und jeder einzelne schien infiziert zu sein.

Für einen Moment fühlte sich Leon an China zurück erinnert. Und ebenso an Raccoon City.

Er schauderte leicht, ließ sich davon jedoch nicht ablenken, sondern verpasste einem der Zombies, der gerade auf die Tür zugetaumelt kam, einen gezielten Kopfschuss.

Sterbend brach der Mann zusammen, und ein weiterer folgte.

Auch Chris und die Anderen hatten nun zu schießen begonnen, und so wurden natürlich immer mehr Zombies auf die kleine Gruppe aufmerksam.

Aber sie hätten sich ohnehin nicht unbemerkt davon schleichen können. Und selbst wenn, was hätte es gebracht?

Sie mussten die Infizierten ausschalten, sie durften nicht weg kommen und noch weitere Menschen infizieren.

Wie viele Opfer gab es wohl schon? War das hier wirklich noch die einzige Stadt? Wenn ja, wäre es fast Glück gewesen. Sie war nicht groß, einen Ausbruch hier einzudämmen, war durchaus möglich.
 

Allerdings nicht alleine, und noch war niemand von der B.S.A.A. hier aufgetaucht.

Leon blickte kurz zu Piers, und er erkannte, dass dieser etwas verzweifelt auf das Funkgerät seines Captains blickte, das sich noch immer in seinem Besitz befand.

Was war da nur los? Für gewöhnlich hätte schon längst Hilfe eintreffen müssen.

Piers erwiderte Leons Blick, und der Special Agent nickte leicht, ehe er mit dem Kopf zurück in die Kneipe deutete.

Piers verstand und zog sich etwas zurück, und Jill schloss sofort die kleine Lücke, ehe der Scharfschütze noch einmal versuchte, mit dem HQ Kontakt aufzunehmen. Erfolglos.

So lange er es auch versuchte, auf mehreren Kanälen, anschließend sogar noch von Chris’ Handy aus, das er ebenfalls bei sich trug, er erreichte einfach niemanden.

Und ein ungutes Gefühl machte sich in Piers breit.

Ganz egal, was auch passiert war, irgendjemand hätte im HQ sein müssen, irgendjemand hätte ihm antworten müssen. Es sei denn, dort war etwas passiert.

Und das wäre alles andere als gut gewesen.
 

„Verdammt…“, murrte er, steckte Handy und Funkgerät weg und zog stattdessen wieder seine Waffe.

Dann blickte er zur Treppe, runzelte die Stirn, steckte die MP wieder weg und nahm stattdessen Chris' Sniper zur Hand. Es war gut, dass es mitgenommen hatte.

Piers gab Chris und den Anderen ein kurzes Zeichen, damit sie sich nicht fragten, wo er mit einem Mal abgeblieben war, dann eilte er zur Treppe, hastete nach oben und fand schnell eine kleine Luke in der Decke, die er öffnete.

Eine Leiter kam zum Vorschein, Piers erklomm sie, öffnete eine weitere Luke und stand schon mitten auf dem Dach.

Vorsichtig schlich er auf diesem entlang, nachdem er die Luke wieder geschlossen hatte, und positionierte sich am Rand des Daches.

Von hier aus hatte der Scharfschütze einen hervorragenden Blick über die gesamte Straße.

Und so konnte er die Infizierten einen nach dem Anderen gezielt ausschalten.

Jeder Schuss, den Piers abgab, saß, er war vollkommen konzentriert.

Nicht umsonst war er der beste Scharfschütze der B.S.A.A.. Da musste man das bei so einer Gelegenheit natürlich auch ausnutzen.
 

Leon und die Anderen konnten von ihrer Position aus deutlich sehen, wie immer wieder Infizierte umfielen, auf die keiner von ihnen geschossen hatte.

Piers machte seinen Job wirklich perfekt.

Und auch Leon, Chris, Jill und Claire zielten, so gut es ging.

Auch bei ihnen saß fast jeder Schuss perfekt.

Die Zahl der Zombies nahm deutlich ab, aber noch waren sie nicht verschwunden, und der kleinen Gruppe ging nach und nach auch die Munition aus.

Schon nach wenigen Minuten war von Leons Pistole nur noch ein Klicken zu hören, und der Special Agent wandte sich leise fluchend um.

Er ging zurück in die Kneipe, wandte sich der Theke zu und kramte hinter dieser in einigen Schränken, Schubladen und Fächern.

„Es lebe Amerika…“, murmelte er, als er nach kurzem Suchen tatsächlich etwas Munition und ein Schrotgewehr gefunden hatte.
 

Er drückte Claire die Munition für die Pistole in die Hand, steckte die eigene weg und schoss nun mit der Schrotflinte auf die Zombies.

Aber auch das brachte nur eine kurze Zeit lang etwas.

Denn auch die Waffen von Jill und Chris waren irgendwann leer, und nach einigen Minuten kam auch Piers wieder zu ihnen nach unten. Auch er hatte keine Munition mehr für seine Waffen.

Und die Zombies waren noch immer da draußen, auch wenn es deutlich mehr geworden waren.
 

Leon griff nach der Klinke, zog die Tür zu und schob mit Chris’ Hilfe zwei Tische davor, ehe er sich leicht gegen einen davon lehnte und tief durchatmete.

„So kommen wir nicht weiter“, murmelte er und blickte wieder zu Piers.

„Wie sieht’s aus? Jemanden erreicht?“

Aber allein der Blick, den der Scharfschütze ihm zuwarf, war schon Antwort genug, und seine Worte bestätigten die Vermutung auch noch mal.

„Nein, niemanden. Auf keinem Kanal, über das Handy nicht. Es… es ist, als würde das HQ gar nicht mehr existieren“, erwiderte er seufzend und lehnte sich etwas gegen die Wand.
 

Im Moment sah es wirklich alles andere als gut aus.

Vermutlich hatten sie zu vorschnell gehandelt. Aber warten hätte ja auch nichts gebracht.

Sie hatten keine Munition mehr, nur noch leere Waffen und ein paar Messer.

Eine Zeit lang würden sie sich damit durchschlagen können, vor allem Leon war mit dem Messer sehr talentiert.

Aber auf Dauer wäre das auch keine Lösung gewesen, und zudem viel zu gefährlich.

Sie wussten nicht, wie viele Infizierte wirklich noch da draußen waren.

Aber auf Hilfe zu hoffen, schien nun auch nichts mehr zu bringen.

Gut, vielleicht war das Team, das zu ihrer Hilfe hatte eilen sollen, weg gekommen, bevor etwas passiert war, aber auch dieses Team hatte Piers nicht erreicht. Er hatte einfach überhaupt niemanden erreicht. So, als gäbe es das Hauptquartier der B.S.A.A. gar nicht mehr.
 

„Was machen wir nun?“

Chris ließ seinen Blick durch die Runde schweifen, senkte ihn kurz auf seine leere Pistole und seufzte dann leise auf.

„Wir können nichts tun, überhaupt nichts. Hilfe kommt nicht, wir haben keine Munition mehr… und wenn die Infizierten irgendwann hier rein kommen, können wir sie höchstens noch ein paar Minuten lang mit dem Messer abwehren, ehe sie uns erwischen“, meinte er leise aber ernst.

Es war nun wirklich nicht Chris’ Art, aufzugeben, auch wenn er es in letzte Zeit viel zu oft tat.

Aber im Moment sah es nun einmal alles andere als gut aus.

Was sollten sie ohne Waffen schon großartig ausrichten?

Sterben wollte er natürlich auch nicht einfach, und er würde auch nicht kampflos aufgeben.

Dennoch machte sich der Soldat nicht mehr all zu viele Hoffnungen, dass sie aus der Situation noch lebend raus kamen.
 

„Wir dürfen noch nicht aufgeben, nicht so lange wir am Leben sind!“

Verwirrt blinzelte Chris und sah zu seiner Schwester, die seinen Blick entschlossen erwiderte.

Sie hatte ja recht. Noch waren sie am Leben, noch waren die Zombies nicht in der Kneipe.

Und noch gab es die Möglichkeit, dass Leon jemanden von der Regierung erreichte.

„Leon, kannst du versuchen, Hunnigan zu erreichen? Dann machen wir den Laden, so gut es geht, einbruchsicher“, meinte Chris, nachdem er tief durchgeatmet hatte.

Nein, er würde nicht aufgeben, nicht noch einmal. Nicht, solange auch nur die geringste Hoffnung bestand.

Das war er vor allem seinen Freunden und seiner Schwester schuldig.

Leon nickte leicht, zog sein Handy und löste sich von dem Tisch, ehe Chris und die Anderen sich daran machten, Tische und Stühle vor die Fenster zu schieben, um diese zu versperren.

Chris überlegte auch einen kurzen Moment lang, ob sie versuchen sollten, mit dem Alkohol Molotov Cocktails herzustellen, aber der Versuch, die Zombies damit abzuwehren, wäre bei dem ganzen Holz in der Kneipe wohl nach hinten los gegangen.

Also beschränkte er sich doch lieber darauf, die Bar erst einmal so sicher wie möglich zu machen und zu hoffen, dass wenigstens Leon jemanden erreichte.
 

Nach einiger Zeit waren die Fenster dicht, und Chris wandte sich um und wieder der Tür zu, wo Leon sich wieder leicht auf einen der Tische gesetzt hatte.

„Und…?“

Chris hatte schon fast Angst vor der Antwort, die Leon ihm gleich geben würde, doch diese fiel glücklicherweise positiver aus als Piers’ Antwort zuvor. Zumindest anfangs noch.

„Ich habe Hunnigan erreicht. Sie wird sich mit der Polizei in Verbindung setzen und ein S.W.A.T.-Team zu uns kommen lassen. Sie… hat selber auch noch mal versucht, die B.S.A.A: zu erreichen, aber…“

Leon wandte den Blick ab, seufzte schwer und schüttelte leicht den Kopf.

„Es tut mir leid, Chris. Piers…“
 

Beiden war klar, was diese Worte zu bedeuten hatten.

Es war, wie vermutet. Das HQ existierte nicht mehr.

Aber wie war das möglich?

Vor knapp zwei Stunden hatte Piers noch mit dem Hauptquartier telefoniert, und mit einem Mal… war es einfach nicht mehr da.

„Was ist passiert?“

Chris versuchte, gefasst zu wirken, aber Leon entging nicht, wie sehr ihm diese Nachricht zusetzte. Er hatte zwei Mal sein gesamtes Team verloren, und nun sollte einfach alles ausgelöscht sein. Niemand hätte das einfach so hinnehmen können. Niemand außer Wesker vielleicht.

Und Leon zweifelte nur bedingt daran, dass der etwas damit zu tun hatte.

„Eine Explosion, scheinbar von mehreren Bomben. Es ist… keine zwei Stunden her. Ganz genau konnte sie es noch nicht sagen“, erklärte er dann und seufzte noch einmal.
 

„Wesker…“

„So wahrscheinlich es auch ist, Chris… Aber das können wir nicht mit Sicherheit sagen.“

Leon erhob sich wieder von dem Tisch und zuckte leicht zusammen, als dieser sich ein Stück gegen seine Beine drückte.

Er wandte sich um und erkannte, dass die Tür sich ein wenig bewegte.

„Verdammt…“

Die tragischen Ereignisse waren nicht vergessen, nun aber erst einmal nebensächlich.

Was geschehen war, konnten sie nicht ändern, und nun galt es erst einmal, die eigenen Leben zu retten.

Tot konnten sie niemandem helfen, und auch Wesker war so schwer aufzuhalten. Das war er ja ohnehin schon.
 


 

Sie mussten versuchen, die Infizierten noch eine Weile lang zurück zu halten.

Jetzt bestand ja wieder eine reelle Chance auf Hilfe.

Da durften sie natürlich erst recht nicht aufgeben.

Und auch, wenn es nicht leicht werden würde, die Zombies abzuhalten, unmöglich war es auch nicht.

Ohne zu zögern zog Leon sein Messer, und auch Chris und Jill taten es ihm gleich.

Claire und Piers, die beide keine Messer bei sich trugen, konzentrierten sich darauf, sich gegen die Tische zu stemmen, damit es den Infizierten nicht gelang, durch die Tür zu brechen.

Wenn es sich nicht mehr verhindern ließ, würden die drei Bewaffneten schon rechtzeitig eingreifen.
 

Als ein leises Zischen ertönte, hob Piers den Kopf und runzelte die Stirn.

„Was…?“, begann er und blickte in die Gesichter der Anderen, in denen zu lesen war, dass auch sie es gehört hatten.

Noch einmal war ein solches Zischen zu hören, gefolgt von einem Knistern und einem ohrenbetäubenden Knall.

Mit einem Mal wurde es hell und heiß, Holz splitterte, die kleine Gruppe wurde von einer gewaltigen Explosion zurück gestoßen.

Claire und Piers knallten beide gegen die Wand und blieben regungslos liegen, Chris und Jill hatten auch nicht wirklich viel mehr Glück, wurden aber immerhin mehr oder weniger nur über den Boden gefegt, und schafften es beide, sich irgendwie mit letzter Kraft abzurollen.

Dennoch lagen auch sie danach erst einmal still da.

Und auch Leon erging es nicht sonderlich gut. Im Gegenteil.

Die Explosion riss ihn von den Füßen, katapultierte ihn fast durch den ganzen Raum und ließ ihn dann gegen die Treppe krachen.

Ein leises Ächzen kam über seine Lippen, gefolgt von einem Blutrinnsal, ehe er an der Treppe zu Boden sackte und leblos liegen blieb.
 

Doch an sich hatte jeder Einzelne Glück im Unglück gehabt.

Sie waren alle am Leben, keiner war tödlich verwundet, und die Zombies waren von der Explosion ebenfalls erwischt worden.

Und Feuer hatte Zombies noch nie gut getan.

Das einzige wirkliche Problem war, dass nun auch die Kneipe langsam aber sicher zu brennen begann, und Teile der Decke und der Wände durch die Explosion einzubrechen drohten.

Ein Stützbalken war schon gebrochen, und ein Teil der Decke hing bedrohlich nah über Leons Kopf, gab aber noch nicht ganz nach. Ansonsten wäre es mit dem Special Agent sofort aus gewesen, so zäh er sonst auch war.
 


 

Langsam und bedächtig waren die Schritte des blonden Mannes, der sich nun dem Feuer näherte, vorsichtig und ehrfürchtig. Zu nahe wollte er den Flammen nicht kommen, Feuer war auch sein Feind.

Sein Blick schweifte über die brennende Kneipe und anschließend über die letzten Infizierten, die sich in den Flammen wanden.

Ein einzelner Zombie hatte es irgendwie geschafft, dem Feuer zu entgehen, und nun taumelte er mit vorgestreckten Armen auf Wesker zu.

Ohne auch nur in die Richtung des Infizierten zu sehen, zog er seine Waffe, entsicherte sie und drückte ab.

Der Kopfschuss ließ den Zombie steif nach hinten kippen und tot liegen bleiben.

Wesker steckte die Waffe wieder weg und wollte weiter auf die Kneipe zugehen, wollte diesen Störenfrieden endlich ein endgültiges Ende bereiten.

Aber wie immer wurden seine Pläne vereitelt, und langsam hatte der Blonde wirklich die Nase voll davon.

Eine einzelne Sekunde lang hatte er nicht aufgepasst, und seine Aufmerksamkeit nur dem brennenden Gebäude geschenkt, und schon hatte er einen Pfeil im Rücken stecken.

Knurrend griff er nach hinten, brach diesen ab und hob den Blick, ließ ihn zu dem Gebäude wandern, dass sich gegenüber der Kneipe befand.

„Ada Wong, du bist genau so stur wie Chris. Zu schade, dass du nicht mehr in meinen Diensten stehst. Du warst wirklich eine Bereicherung“, murmelte er und blickte noch einmal kurz zu der brennenden Kneipe.
 

In dem Gebäude hatte sich nichts mehr geregt, bis auf ein paar brennende Holzteile, die unter der Hitze nachgegeben hatten.

Chris und die Anderen waren vermutlich tot, und selbst wenn nicht, würden sie es schon bald sein.

Da konnte ihnen niemand mehr rechtzeitig raus helfen.

Also folgte Wesker nun lieber Ada, die von dem Dach gesprungen war und mit klackernden Schritten davon lief.

Er wusste, dass sie keine Angst vor ihm hatte, sondern ihn nur von den Anderen weglocken wollte.

Aber bitte, dann ging er auf das kleine Spielchen eben mal ein. Das würde sicherlich amüsant werden.

Vom Regen in die Traufe

„Ach du heilige… Was ist denn hier passiert…?“

Jake trat auf die qualmenden Überreste des Gebäudes zu, das vor ihm stand.

Überall lagen verkohlte Leichen, einige noch mehr oder weniger erkennbar. Es waren Infizierte, Zombies, das hatte Jake mit einem schnellen Blick festgestellt.

Und jeder Einzelne von ihnen war tot.

Aber irgendwie war das nicht wirklich beruhigend.

„Jake…? Jake, hier drüben!“

Die Stimme der blonden Frau ließ den Söldner zusammenzucken.

Er wandte sich um, betrachtete die verkohlten und schiefen Dachbalken, schüttelte den Kopf und trat dann vorsichtig in die Kneipe hinein.
 

Kaum eine halbe Stunde zuvor hatte sich bei Sherry eine gewisse Ingrid Hunnigan gemeldet.

Sie hatte berichtet, dass das Hauptquartier der B.S.A.A. in die Luft gejagt worden war, und dass man auch das S.W.A.T.-Team, das Leon S. Kennedy und einigen Freunden zur Hilfe hatte eilen sollen, angegriffen und ausgelöscht worden war. Anscheinend waren Leon und die Anderen von Infizierten überrascht worden.

Ohne zu zögern hatte Sherry ihre Hilfe zugesagt, und nach einigem langen Flehen der jungen Frau, hatte Jake versprochen, sie zu begleiten. Wenn er schon einmal in der Nähe war, warum nicht.

Leon hatte er ja irgendwie ganz cool gefunden, die zwei Mal, die sie sich begegnet waren.

Und irgendwie konnte er Sherry einen so verzweifelten Wunsch auch einfach nicht ausschlagen. Sie hatte ihn eindeutig erweicht.
 

„Was ist denn?“, fragte er nun und schob sich an einem Balken vorbei, der so aussah, als würde er zu Staub zerfallen, wenn man ihn auch nur anhauchte.

Hier drin fühlte sich der Söldner nicht unbedingt wohl.

Bei der blonden Agentin angekommen, ging Jake in die Hocke und starrte auf den Mann hinab, den Sherry da gefunden hatte.

„Ist das nicht dieser Piers? Chris’ Schoßhündchen?“, fragte er dann und sah sich weiter um.

Nach und nach erkannte er auch Chris selber, in einiger Entfernung dann auch Leon. Und dann waren da noch zwei Frauen, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte.

Doch als Sherry beim Anblick der einen Frau erschrocken aufschrie und sich die Hände vor den Mund schlug, ehe sie ein „Oh Gott, Claire!!!“, hervorstieß, war es Jake klar.

Das war also die Frau, die Sherry damals gemeinsam mit Leon in Raccoon City gerettet hatte.
 

„Piers lebt noch. Sehen wir nach den Anderen und schaffen wir sie raus“, murmelte er dann und legte Sherry eine Hand auf die Schulter, um ihr etwas Mut zu machen.

Keiner der Bewusstlosen schien auf den ersten Blick ernsthaft verletzt zu sein, keiner von ihnen war vom Feuer erfasst worden.

Jake hatte nur Sorge, dass sie alle eine Rauchvergiftung haben könnten. Aber auch da würde ihnen etwas einfallen.

Während er sich zu Chris vorarbeitete und mit einer Hand nach dessen Puls tastete, kramte er mit der anderen sein Handy hervor, um einen Krankenwagen zu rufen.

Dann aber erinnerte er sich an Hunnigans Worte, brach den Anruf ab und schüttelte den Kopf.

Am Ende jagte man auch noch den Krankenwagen in die Luft, damit war niemandem geholfen.

Sie mussten die Fünf hier raus holen und dann zusehen, dass sie sich selber bestmöglich um sie kümmerten.

Währenddessen fragte Jake sich, wer wohl das Feuer gelöscht hatte. Es war nicht von alleine ausgegangen, sonst hätte das Gebäude gar nicht mehr gestanden, und Chris und die Anderen hätten nur noch als verkohlte Leichen geborgen werden können.

Aber darüber konnte er sich später noch Gedanken machen. Das Feuer war aus, niemand war verkohlt, und alles war gut.
 

Auch Chris war noch am Leben, und so untersuchte Jake ihn schnell auf äußerliche Wunden, ehe er unter seine Achseln griff und ihn vorsichtig aus dem Gebäude zog.

Das war alles andere als leicht, gelang dem Söldner aber dennoch erstaunlich schnell.

Nachdem er Chris draußen abgelegt und sich versichert hatte, dass da wirklich kein Infizierter mehr lauerte, ging er in die Kneipe zurück, um nun auch Piers nach draußen an die frische Luft zu befördern.

Kaum zwei Minuten später war er schon wieder bei Sherry, die nun neben Leon kniete.

Blut klebte an seinen Lippen und seinem Kopf, und Jake brauchte einen Moment, um seinen Puls zu ertasten.

Aber auch der Special Agent war am Leben und atmete, wenn auch ein wenig flach.

Bei ihm mussten sie jedoch noch vorsichtiger sein.

So, wie Leon neben der Treppe lag, war es sehr wahrscheinlich, dass er Verletzungen an Rücken oder Nacken hatte. Wenn sie ihn zu unvorsichtig oder falsch bewegten, konnten sie ihn umbringen. Oder er würde bis an sein Lebensende gelähmt sein.

Und das musste ja nun wirklich nicht sein.
 

„Kümmer dich um Claire und die andere Frau. Ich bring ihn hier raus. Und keine Sorge, ich pass auf, Supergil“, versprach Jake und schenkte Sherry ein leichtes Lächeln.

Die junge Frau nickte seufzend, dann stand sie auf und bahnte sich ihren Weg zu Claire vor.

Zum Glück war auch sie am Leben, ebenso wie Jill. Sie hatten wirklich unheimliches Glück gehabt.

Während Jake nun Leon nach draußen brachte, wofür er sich etwas mehr Zeit ließ, um ihn nicht weiter zu verletzen, zog Sherry Claire ein wenig hoch, stützte sie und brachte auch sie nach draußen.

„S-Sherry…?“

Die Agentin blieb stehen und blickte zu der Älteren, die leicht den Kopf hob. Auch Claire hatte sie also noch erkannt, sie erinnerte sich noch an sie.

„Ja, ich bin es, Claire. Keine Sorge, alles ist gut. Ich bring dich hier raus, ja?“

„Leon… wo ist Leon? Und Chris? Jill, Piers…“

„Keine Sorge, ihnen geht es gut. Jake.. ein Freund von mir hilft mir, euch raus zu bringen.“

Mit dem Namen Jake konnte Claire ja vermutlich rein gar nichts anfangen. Da drückte Sherry es lieber so aus. Für genauere Erklärungen war später ja noch immer Zeit.

Und wenigstens wusste sie nun, wie die andere Frau hieß.
 

Auf dem Weg nach draußen kam Jake ihnen entgegen, der nun als Letzte noch Jill aus der verkohlten Kneipe holte.

Wenige Momente später lag auch sie draußen auf der Straße.

Claire hatte sich bereits ein wenig erholt und saß nun neben Leon, nahm vorsichtig seine Hand in ihre und drückte sie sanft.

Sie wusste, dass er keine Gefühle für sie hegte, zumindest nicht mehr als Freundschaft. Sie wusste, welcher Frau seine einzige Liebe galt.

Und das war in Ordnung für Claire.

Dennoch wollte sie für Leon da sein, und sie wollte auch, dass er das wusste.

Denn Freunde waren sie ja trotz allem.
 

„Was nun? Habt ihr einen Krankenwagen gerufen?“

Claire hob den Blick, ohne Leons Hand dabei los zu lassen, und sah erst zu Sherry und dann zu dem jungen Mann, der gerade bei Chris stand.

Jake wandte sich um und schüttelte leicht den Kopf.

„Nachdem man die B.S.A.A. und das S.W.A.T.-Team, das zu euch kommen sollte, ausgelöscht hat, hab ich es für besser gehalten, nicht auch noch ein Ärzte-Team zu riskieren“, meinte er dann und verschränkte leicht die Arme.

„Bis auf Leon ist keiner von euch schwer verletzt, ihr atmet alle noch, was heißt, dass auch niemand eine zu schlimme Rauchvergiftung hat. Und unser Superheld hier ist ja ohnehin zäh, das weiß ich von Sherry. Der wird das auch packen. Solange hier keine weiteren Infizierten auftauchen, müssten wir auch noch ein Weilchen sicher sein.“
 

Claire nickte leicht und senkte den Blick wieder auf Leons blasses Gesicht hinab.

Dieser Jake hatte recht. So leicht ließ sich Leon von nichts unterkriegen.

Und wenn er nun ein wenig Ruhe bekam, war er auch bald wieder fit.

Und noch mehr Menschen sollten nun wirklich nicht sterben. Schon gar nicht wegen ihnen.

Sie lehnte sich etwas gegen die Hauswand und zog vorsichtig Leons Kopf auf ihren Schoß, ehe sie leicht die Augen schloss.

Sie wollte nicht schlafen, das konnte sie gerade auch nicht. Aber Claire wollte zumindest versuchen, sich ein wenig zu entspannen. Und das tat sie nun auch.
 


 

Es vergingen ganze zwei Stunden, bis Chris, Jill und Piers wieder aufgewacht waren.

Leon zeigte noch immer keine Regung, war aber nicht mehr ganz so blass, und auch sein Puls war nun deutlich zu spüren, regelmäßig und kräftig.

Er brauchte wohl einfach noch ein wenig Ruhe, um sich von der Kopfverletzung zu erholen.

Und die nötige Zeit würden sie ihm geben.

Sherry erklärte Chris und den Anderen, dass auch das S.W.A.T.-Team ausgelöscht worden war, und dass Hunnigan sie angerufen hatte, um nach Leon zu suchen, der um Hilfe gebeten hatte.

„Naja, und als wir hier ankamen… waren die ganzen Infizierten tot, und die Kneipe war verkohlt und qualmte nur noch ein wenig vor sich hin. Irgendjemand muss das Feuer ausgemacht haben. Sonst… sonst wärt ihr nun alle tot…“

Sherry senkte leicht den Blick und seufzte leise, als sie an den Moment dachte, in dem sie angekommen war.

Sie hatte fast einen Herzinfarkt bekommen.

Hunnigan hatte ihr gesagt, dass Leon hier sein musste, und als sie dann das Bild der verkohlten Kneipe und der ganzen Leichen gesehen hatte, war sie vom Schlimmsten ausgegangen. Ihre Knie hatten richtig gezittert, als sie das halb eingestürzte Gebäude betreten hatte.

Und Sherry hatte erst etwas aufatmen können, als sie Piers erblickt hatte, der noch am Leben gewesen war. Und dann war auch schon Jake gekommen

Sie war so froh, dass er zugesagt hatte. Ohne ihn hätte sie es nicht so schnell geschafft, alle raus zu bringen.
 

Sherry blickte zu dem Söldner und schenkte ihm ein dankbares Lächeln.

Doch Jake murrte nur leise und wandte den Blick ab.

„Was glotzt du so?“, maulte er dann Piers an, der die Beiden mit einem leichten Grinsen beobachtet hatte.

Doch anders als erwartet, hob der Scharfschütze nur abwehrend die Hände.

„Ist ja gut…“, murmelte er und lehnte sich etwas zurück.

Er war viel zu müde, um sich nun großartig mit Jake anzulegen.

Sein Blick fiel zu seinem Captain und er runzelte leicht die Stirn.

Auch Chris sah zu Jake, aber sein Blick war undeutbar. Eine Mischung aus Sorge, Trauer und Unsicherheit.

Und Piers war auch irgendwie klar, was gerade in Chris vorging.

Es war wegen Wesker, mit Sicherheit.

Der Kerl war Jakes Vater, und er war tot, zumindest war er das gewesen, angeblich.

Sein Captain hatte dieses Monster vernichtet, und Jake war darüber alles andere als begeistert gewesen.

Auch, wenn Piers bezweifelte, dass Jake wirklich traurig über den Tod seines Vater gewesen war. Vermutlich hatte er sich nur die Möglichkeit gewünscht, ihm mal selber die Meinung sagen zu können. Und diese Möglichkeit war ihm genommen worden. Oder eben auch nicht.

Aber nachdem, was Wesker getan hatte, was er schon wieder getan hatte… Chris wollte vermutlich nicht, dass Jake von Weskers Lebendigkeit erfuhr und ihn aufsuchte. Zumindest ihm selber ging es da so.

Wesker machte sich nichts aus den Menschen, er hasste sie.

Und auch bei seinem Sohn würde er da keine Ausnahme machen, sonst hätte er ihn und seine Mutter kaum einfach sitzen lassen.
 

„Jake, ich muss mit dir reden…“

„Captain…!“

Chris hob nur leicht die Hand und schüttelte den Kopf.

Mit einem leisen Murren verstummte Piers und lehnte sich wieder zurück. Er hielt das für keine Idee, konnte es Chris aber natürlich nicht verbieten.

„Was ist?“, fragte Jake, runzelte die Stirn und blickte kurz zu Piers, als dieser seinen Captain davon abbringen wollte, mit ihm zu reden. Was war hier los?

Gezwungenermaßen folgte er Chris, der ihn in eine kleine Seitenstraße führte, sodass sie in Ruhe reden konnten.

Chris wusste noch nicht genau, wie er anfangen sollte, aber er wusste, dass das Gespräch sich nicht vermeiden ließ.

Irgendwann würde Jake es erfahren, und so sagte er es ihm am besten gleich.
 

„Es geht um deinen Vater…“

Jake spannte sich merklich an, und sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich rasch.

„Fängst du schon wieder damit an? Willst du unbedingt sterben?“, knurrte Jake ihn an, doch Chris hob nun ebenfalls abwehrend die Hände und schüttelte leicht den Kopf.

„Er ist nicht tot, Jake. Wesker ist am Leben. Und er… er hat uns das hier vermutlich angetan“, erklärte Chris und wandte den Blick ab, den toten Infizierten und der Kneipe zu.

„Was…?“

Jake war nicht ganz sicher, ob er das richtig verstanden hatte.

Sein Vater… am Leben?

Das war unmöglich, Chris hatte ihn doch…

Aber warum sollte dieser lügen?

„Wie… wie kann das sein?“, wollte der Söldner wissen, und seine Stimme zitterte merklich. Er wusste einfach nicht, was er davon halten sollte.

„Ich weiß es nicht. Ich dachte, er wäre tot. Ich… wir haben auf ihn geschossen, als er in der Lava stand. Es ist eigentlich unmöglich, dass er das überlebt hat. Und trotzdem ist er hier, wir sind ihm schon begegnet. Er wollte mich mit irgendeinem Mittel dazu bringen, Leon zu töten. Und Piers hat er selber fast getötet.“, erklärte Chris dann und senkte den Blick.

Jake wusste ja noch gar nicht, dass auch Piers eigentlich schon tot gewesen war.

Und das musste er nun auch nicht unbedingt erfahren. Vermutlich hätte es ihn ohnehin nicht gestört. Zumindest hätte es ihn reichlich wenig interessiert.
 


 

„Ich muss zu ihm. Ich will mit ihm reden, ich will ihn sehen. Den Kerl, der meine Mutter und mich im Stich gelassen hat. Dieses Monster… dieses… meinen… meinen Vater…“

Jake fuhr sich müde über die kurzen Haare und ließ sich an der Hauswand zu Boden sinken.

So verzweifelt kannte er sich selber gar nicht.

Als Chris ihm offenbart hatte, dass er der Mörder Weskers gewesen war, hatte Jake geglaubt, einfach wütend zu sein und einen unbändigen Hass auf Chris zu empfinden.

Aber eigentlich stimmte das gar nicht.

Sein Vater hatte den Tod verdient, das wusste Jake.

Er hatte nur einfach gehofft, diesem Mann noch einmal ins Gesicht blicken zu können. Ihm zu zeigen, dass er es auch ohne ihn zu etwas gebracht hatte. Dass er es ihm nie verzeihen würde, dass seine Mutter wegen ihm gestorben war.

Diese Möglichkeit hatte Chris ihm genommen, und das war es, was Jake so sauer gemacht hatte.

Und nun, da er die Chance doch wieder hatte, war er unsicher, ob er sie wirklich ergreifen sollte.

Wesker war ein Monster. Was erwartete er sich von einer Begegnung?

Als würde es den Verrückten interessieren, dass er einen Sohn hatte. Vermutlich würde er diesem kurzerhand das Genick brechen und ihn links liegen lassen.

Sollte Jake einfach mit der Sache abschließen?

Konnte er das überhaupt, nun da Wesker wieder da war?
 

„Warum hast du mir das gesagt? Warum…?“

Jake hob den Blick und sah den Älteren müde an.

Nein, es war richtig gewesen. Er hatte getan, was er tun musste, damals und auch jetzt.

„Entschuldige…“

Chris schüttelte nur leicht den Kopf, dann reichte er Jake die Hand und half ihm wieder auf die Beine.

„Ich kann verstehen, dass du unsicher bist und nicht weißt, was du tun sollst. Ich kann dir nur den Tipp geben, Wesker nicht aufzusuchen. Wenn ihr euch begegnet, ist das so, aber fordere es nicht heraus.“

Chris machte sich doch ein wenig Sorgen um den jungen Söldner.

Er hatte schon damals gemerkt, wie stur er war, und in mancher Hinsicht war er Wesker in seinem Verhalten ähnlich.

Dank Sherry war Jake ein wenig erweicht worden, dennoch sah Chris auch jetzt noch irgendwie seinen Vater in ihm.

Wenn die Beiden aufeinander trafen, dann war Chaos vorprogrammiert. Es würde Opfer geben, einer von Beiden würde sterben.

Und ohne, dass er Jake unterschätzen wollte, aber gegen Wesker hatte der Junge nicht den Hauch einer Chance.
 

„Ich denk drüber nach“, murmelte Jake nun nur noch, ehe er sich abwandte und zu den Anderen zurück ging.

Sein Blick fiel auf Piers, dann ging er zu diesem und ließ sich ungefragt neben ihm auf die Erde nieder.

„Sag mal… wie seid ihr damals eigentlich da raus gekommen?“, fragte er dann und blickte den Scharfschützen an. Irgendwie interessierte ihn das ja doch sehr. Und außerdem musste er gerade einfach auf andere Gedanken kommen.

Piers schwieg einen Moment, dann lehnte er sich zurück, verschränkte die Arme und betrachtete nachdenklich seine rechte Hand.

„Chris mit einer Rettungskapsel… Ich eigentlich gar nicht. Ich weiß es nicht… Ich dachte, ich wäre tot.“

Jake blinzelte verwirrt und schnaubte dann leise, ehe er sich wieder erheben wollte.

„Ich hatte gehofft, vernünftig mit dir reden zu können, aber…“

Doch er stockte, als er Chris vor sich erblickte, der mit deutlichem Schmerz im Gesicht zu Piers sah.

„Er hat keinen Mist geredet oder?“

Chris schüttelte leicht den Kopf.

„Was ist passiert?“
 

Jake ließ sich nun wieder zurück fallen, und Chris lehnte sich neben ihm gegen die Wand, während er den Blick in weite Ferne zu richten schien.

„Diese riesige BOW hat uns quer durch die Anlage gejagt. Wir sind geflohen, so gut wir konnten, aber sie holte uns ein. Als sie mich angreifen wollte, ging Piers dazwischen, opferte seinen rechten Arm und injizierte sich selber das C-Virus."

Chris stockte leicht und atmete tief durch. daran zurück zu denken, schmerzte noch immer.

"Dann haben wir weiter gekämpft. Als wir dachten, Haos wäre besiegt… sind wir weiter gelaufen, aber das Virus hat Piers schwer zu schaffen gemacht. Letzten Endes hat er mich in einer Rettungskapseln gestoßen und mir somit erneut das Leben gerettet. Diese BOW hat noch gelebt und die Kapsel angegriffen. Piers konnte sie aufhalten, aber dann flog die gesamte Einrichtung in die Luft. Ich… ich dachte nicht, dass Piers das jemals überleben könnte.“ Es fiel Chris wirklich noch immer unglaublich schwer, darüber zu reden, und die Bilder seiner Albträume spukten wieder in seinem Kopf herum.
 

„Aber er hat, wie es aussieht…“

Jake blickte wieder zu Piers und sah ihn fast etwas anerkennend an.

Er hatte sich über Chris’ Schoßhündchen lustig gemacht, aber dass seine Treue so weit gegangen war, ließ Jake doch in leichter Ehrfurcht erschaudern.

Er hatte sein Leben für seinen Captain gegeben.

„Das Virus. Es muss mich irgendwie am Leben gehalten haben. Vor etwa zwei Wochen hat Chris mich wohl am Strand gefunden. Unversehrt… unmutiert und mit zwei Armen.“

Piers seufzte leise und schloss für einen Moment die Augen.

Er selber hatte damals mit dem Leben abgeschlossen. Er war sicher gewesen, dass er niemals lebend davon kommen würde. Und es war für ihn in Ordnung gewesen, solange wenigstens sein Captain lebend da raus kam.

Als er nun zwei Wochen zuvor in Chris’ Wohnung erwacht war, hatte er es gar nicht richtig fassen können. Und bis zu dem jetzigen Zeitpunkt hatte Piers auch nicht länger darüber nachgedacht. Irgendwie hatte er nie wirklich die Zeit dazu gehabt.
 

„Glück gehabt. Freut mich, dass du es dann doch noch geschafft hast“, murmelte Jake ehrlich, ehe er sich wieder erhob und zu Sherry ging, die etwas abseits auf einem Trümmer der Kneipe saß und diese nachdenklich anblickte. Er merkte, dass sowohl Chris als auch Piers nun in Gedanken waren, und wollte ihnen ihre Ruhe lassen.

Sie mussten nun ohnehin noch warten, dass Leon wieder zu sich kam, ehe sie die Straße verlassen konnten.

Sie mussten einen Ort finden, an dem sie für ein paar Stunden wirklich sicher waren und sich ausruhen konnten.

Und dann mussten sie um jeden Preis Wesker, seinen Vater, finden, um diesen ganzen Mist endlich zu beenden. Falls er denn wirklich dahinter steckte.

Die Ruhe vor dem Sturm

Es vergingen noch einmal zwei Stunden, ehe sich auch Leon endlich wieder regte.

Langsam schlug er die Augen auf und brauchte einen kurzen Moment, um alles richtig zu erkennen.

Sein Kopf dröhnte, und ihm war schlecht und schwindelig.

Eine Gehirnerschütterung, die hatte ihm gerade noch gefehlt.

Aber immerhin war er am Leben, und die Anderen allem Anschein nach auch.

Und nach einigen weiteren Momenten erkannte er dann auch noch Jake und Sherry. Scheinbar hatten die sie gerettet.

Die junge Agentin hielt ihm eine Wasserflasche hin, in der leider nur noch ein paar Schlucke drin waren, weil alle schon etwas daraus getrunken hatten.

Aber das Bisschen reichte, um den Blutgeschmack im Mund los zu werden, und ebenso die Trockenheit im Hals, die durch das Feuer und den Rauch entstanden war.

Sherry ließ Leon dann noch ein paar Mal tief durchatmen und richtig zu sich kommen, ehe sie nun auch ihm erklärte, was passiert war.
 

„Und jetzt müssen wir hier weg. Wenn das hier wirklich Weskers Werk war, wird er vermutlich wiederkommen. Wenn nicht, kommt vielleicht Derjenige zurück, der das verursacht hat“, murmelte Sherry und blickte nachdenklich durch die Straße.

Die Frage war nur, wo sie hin sollten.

Irgendjemand schien Leon und die Anderen zu beobachten und alles und jeden anzugreifen, der ihnen helfen wollte.

Es war ein wahres Wunder, dass Sherry und Jake unbehelligt bei ihnen angekommen waren.

Aber beschweren würde sich darüber sicherlich keiner von ihnen.

Sie mussten nun einfach verdammt vorsichtig sein.

Wer immer da draußen war, Wesker oder doch ein Anderer, er konnte auch jetzt hier sein und sie beobachten.

Vielleicht war auch er es gewesen, der das Feuer gelöscht hatte. Vielleicht wollte er einfach seine Spielchen mit der Gruppe treiben, sie verunsichern und verwirren.

Und ein wenig schien das auch zu klappen.

Irgendwann würden sie vielleicht paranoid werden.

Aber noch waren sie alle bei klarem Verstand, auch wenn Leon durch seine Gehirnerschütterung noch ein wenig benommen war.

Aber keiner von ihnen litt unter psychischen Problemen, wenn man von Chris vielleicht einmal absah.

Sein mentaler Zustand war momentan vermutlich wirklich noch der instabilste.

Aber er war ja nicht alleine, und die Anderen standen ihm immer bei.

Sie mussten einfach weiterhin zusammenhalten und stark bleiben, dann kam ihr Gegner auch mit dieser Masche nicht weit.
 


 

„Ich denke, wir werden hier schon irgendein kleines Häuschen finden, in dem wir uns erst einmal verstecken können. Dann ruhen wir uns noch weiter aus und sehen weiter. Wir müssen dann eh auch Hunnigan darüber informieren, dass wir euch gefunden haben“, murmelte nun Jake und wandte sich Leon und den Anderen zu.

Noch immer spukten die Gedanken über seinen Vater in seinem Kopf herum.

Wesker war tatsächlich am Leben, er war wieder da.

Und noch immer wusste Jake nicht, wie er damit umgehen sollte.

Aber die Gedanken musste er nun erst einmal verdrängen. Es war jetzt wichtiger, hier weg zu kommen und alle in Sicherheit zu bringen.

Dass er so etwas wirklich mal denken würde… er war selber verwirrt.
 

Klar, als er mit Sherry unterwegs gewesen war, hatte er durchaus angefangen, sich um sie zu sorgen, sie zu mögen. Er hatte sie wirklich beschützen wollen, obwohl er es eigentlich gewesen war, der unter ihrer Obhut gestanden hatte.

Ja, das Supergirl hatte ihm wirklich wieder Gefühle eingetrichtert, daran bestand kein Zweifel.

Ihm war nicht mehr alles egal.

Sie hatte ihn davor bewahrt, wirklich noch wie sein Vater zu werden.

Und wieder… wieder die Gedanken an diesen Mann, nein, an dieses Monster.

Das musste aufhören, nun war einfach nicht der richtige Zeitpunkt dazu.
 

„Kannst du aufstehen?“

Diese Worte richtete der Söldner nun direkt an Leon, dem seine Schmerzen doch noch deutlich anzusehen waren.

Seine Schulter schien auch wieder Probleme zu machen, und etwas frisches Blut tränkte seine Jacke.

Die Verletzung am Kopf war zum Glück nicht so schlimm wie sie anfangs ausgesehen hatte, aber das Blut, das sich an Leons Lippen befunden hatte, ließ dennoch auf innere Verletzungen schließen.

Er hatte mindestens eine Gehirnerschütterung und konnte von Glück reden, wenn es nicht schlimmer war.

„Es wird schon gehen.“

Aber wie erwartet, ließ sich Leon von dieser Tatsache nicht unterkriegen.

Gehirnerschütterung oder nicht, er rappelte sich wieder auf, ließ sich kurz von Claire stützen und stand dann relativ sicher auf den Beinen.

Er wäre ja auch nicht Leon gewesen, wäre er nun einfach schwächelnd liegen geblieben. Nein, dazu war der Special Agent viel zu zäh, aber das musste er in seinem Job ja auch sein, nach all den Jahren.
 

Sie alle hatten schon viel durchgemacht, jeder auf seine Art und Weise, jeder konnte seine eigene kleine Geschichte erzählen.

Und kein normaler Mensch hätte mit ihnen tauschen wollen.

Aber sie selber kamen aus ihren Leben nicht mehr raus, es gab kein Zurück mehr.

Der beste Beweis dafür war Chris.

Er hatte es sich vorgenommen, aber er hatte gewusst, selbst, wenn alles nach Plan gelaufen wäre, und er mit Piers gemeinsam aus der Einrichtung hätte fliehen können, er hätte niemals ganz mit seiner Arbeit aufhören können. Dazu steckte er schon viel zu tief in dieser drin.

Und auch nun, da Piers wieder zurück war, wusste der B.S.A.A.-Captain, dass er weitermachen würde. Er konnte gar nicht anders.

Er konnte nicht rum sitzen und nichts tun, während er genau wusste, was in der Welt um ihn herum vor sich ging, das war schier unmöglich.

Und er wusste, dass es den Anderen genau so erging.
 

Selbst seine Schwester Claire handelte, wenn auch nicht mit Waffengewalt, sondern auf ihre Art und Weise.

Ob die etwas brachte oder nicht, ob sich irgendein verrückter Bio-Forscher von TerraSave beeindrucken ließ, das war eine andere Sache.

Aber letzten Endes zählten allein der Wille und die Tat, der Versuch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und dafür setzte Claire sich ein, ebenso wie ihr Bruder und ihre Freunde.
 

Leon und Sherry arbeiteten im Kampf gegen den Bioterrorismus für die Regierung, die schon mehr als einmal selber hinter den Schrecken gesteckt hatte. Nicht zuletzt mit Simmons, der in seiner Rage gedankenlos den Präsidenten hatte infizieren lassen, nur, weil er befürchtet hatte, dessen Plan, der Welt die Wahrheit zu sagen, könne schlimme Folgen haben.

Über die Folgen seiner eigenen Tat hatte der Kerl dabei irgendwie nicht nachgedacht.

Die Vorkommnisse in China und Edonia, die Taten von Simmons und Carla, all das hätte beinahe zur Apokalypse geführt.

Nur in letzter Sekunde hatte das Schlimmste verhindert werden können.

Und die Menschheit hatte durch Jakes Blut gerettet werden können. Ein Söldner, der sich nichts aus den Menschen um sich herum gemacht hatte, hatte sie alle gerettet.

Der Sohn des Mannes, der zuvor ihre Auslöschung gewollt hatte.

Ja, es war vermutlich wirklich Schicksal gewesen, daran zweifelte Chris mittlerweile keine Sekunde mehr.
 

Und dann war da natürlich noch Jill.

Sie hatte schon damals zu S.T.A.R.S.-Zeiten an Chris’ Seite gekämpft und war ihm immer eine treue Partnerin und Freundin gewesen.

Als er damals gedacht hatte, sie im Kampf gegen Wesker verloren zu haben, war für Chris eine Welt zusammengebrochen.

Und als er dann erfahren hatte, dass sie noch lebte, als es ihm gelungen war, sie aus Weskers Fängen zu befreien, da hatte er sich geschworen, sie nie wieder alleine zu lassen, immer auf sie aufzupassen, und dafür zu sorgen, dass sie ihn nie wieder mit so einer Aktion retten musste.

Es schmerzte Chris, als ihm klar wurde, dass er dieses Versprechen nicht hatte halten können.

Er hatte sie alleine gelassen, sie alle…

Und er fing schon wieder damit an, in Selbstmitleid zu versinken.
 

Doch dieses Mal riss der Soldat sich zusammen.

Nun war nicht der richtige Augenblick, wieder in Depressionen zu versinken.

Sie mussten hier weg, so schnell wie möglich.

Kommentarlos stützte er nun Leon, auch wenn dieser sich selber auf den Beinen halten konnte, und nickte Jake zu, damit dieser voraus ging, um ein geeignetes Häuschen für sie zu suchen.

Der Söldner erwiderte das Nicken knapp, dann sah er sich um und führte die kleine Gruppe die Straße entlang, bog nach einer Weile in eine kleine Gasse ein und brachte sie zu einem Haus, das ein wenig abseits stand.

Es war klein, bot aber Platz für sie alle.

Und der Vorteil an der geringen Größe war, dass sie es schnell durchsuchen konnten. Immerhin mussten sie nachsehen, ob sich hier nicht doch noch irgendwo ein Infizierter verbarg. Sicher sein konnte man da nie.

Vielleicht versteckten sich irgendwo auch noch Überlebende, die Hilfe brauchten...
 

Jake bedeutete den Anderen, kurz draußen zu warten, dann betrat er das Haus, nachdem Jill die Tür mit ihrem Dietrich geöffnet hatte, und Piers folgte ihm vorsichtig.

Auch, wenn er in Jake noch lange keinen Freund sah, wollte er nicht unbedingt, dass der am Ende von einem Infizierten überrascht wurde und sich vielleicht nicht rechtzeitig wehren konnte.

Piers zweifelte nicht an den Fähigkeiten des Söldners, aber wenn man überrascht wurde, konnte alles passieren. Egal, wie gut man sich sonst auch verteidigen konnte.

Er selber hatte das schon viel zu oft erleben müssen.

Da war es auf jeden Fall besser, wenn sie sich zu Zweit ein wenig hier umsahen. Und zudem ging das ja auch viel schneller.

Ganz abgesehen davon wollte der Scharfschütze gerade auch nicht einfach nur rum stehen und warten.
 


 

Es dauerte tatsächlich nur wenige Minuten, bis die beiden jungen Männer das Haus durchsucht und für sauber befunden hatten, ehe sie raus kamen und den Anderen Bescheid gaben.

Und noch einmal ein paar Minuten später hatten sie es sich dann alle so weit es ging in dem Haus bequem gemacht.

Es war nichts Besonderes, wirklich nur ein kleines Haus, das allem Anschein nach einer älteren Dame zu gehören schien, wenn man sich die Habseligkeiten einmal genauer ansah.

Aber das spielte ja keine Rolle, solange das Gebäude der kleinen Gruppe Schutz bot. Und die Möglichkeit, sich ein wenig zu entspannen.

Und dazu reichte das Häuschen wirklich vollkommen aus.
 

Claire und Jill hatten sich wieder um etwas zu Trinken gekümmert, Flaschen aus dem Kühlschrank gezogen, und diese und ein paar Gläser auf den kleinen Tisch im Wohnzimmer gestellt.

Piers hatte sich dort auf einen Sessel fallen lassen, und Chris und Jill hatten es sich auf der Couch gemütlich gemacht, wo sie nun auch noch etwas Platz für Jake und Sherry ließen.

Claire hingegen hatte sich kurzerhand Leon geschnappt und diesen ins angrenzende Schlafzimmer gezerrt, mit der mütterlichen Erklärung, dass er sich mit seiner Gehirnerschütterung gefälligst hinzulegen habe. Da duldete sie auch keine Widerrede.

Also hatte sich der Special Agent mit einem leisen Seufzen breitschlagen lassen und sich hingelegt, ehe Claire ihm eine extra Flasche Wasser und ein Glas hingestellt hatte.

Anschließend hatte sie sich dazu entschieden, bei Leon zu bleiben, damit dieser nicht auf den dummen Gedanken kam, doch einfach aufstehen zu wollen.

So zäh er auch war, er war eben nur ein Mensch, und auch sein Körper brauchte mal richtige Ruhe.

Und diese wollten sie sich hier alle endlich einmal gönnen.
 

Sie verzichteten darum auch darauf, irgendwelche Wachen einzuteilen.

Wenn sich ihnen jemand näherte, würden sie es auch so mitbekommen, und Claire war im Moment ohnehin wach und sah es auch gar nicht ein, nun zu schlafen.

Sie war aber auch nicht müde, sondern fühlte sich recht fit, weshalb es ihr ohnehin gar nichts ausmachte, bei Leon sitzen zu bleiben und diesen nach einer Weile ein wenig beim Schlafen zu beobachten.

Im Wohnzimmer waren die Anderen nach einiger Zeit ebenfalls eingeschlafen.

Chris war auf der Couch etwas in sich zusammengesunken, und Jills Kopf war gegen seine Schulter gekippt.

So friedlich wie die Beiden da saßen, wirkten sie wirklich wie ein frisch verliebtes Paar.

Auch Piers war in dem Sessel eingeschlafen, hatte den Kopf gegen die Rückenlehne gelehnt und seufzte einmal leise, blieb ansonsten aber still.

Sherry, die es sich neben Chris und Jill auf der Couch bequem gemacht hatte, blieb noch eine Weile lang wach, schlief dann aber auch ein, weil diese friedliche Ruhe sie einfach schläfrig machte.

Und so war nun neben Claire nur noch Jake wach, der die Anderen nachdenklich betrachtete, ehe sein Blick zur Tür fiel.
 

Er war noch immer unsicher, er wusste nicht, was er tun sollte.

Chris’ Worte hallten nach wie vor in seinem Kopf wider. Und der Soldat hatte durchaus recht.

Vermutlich war es wirklich dumm, vermutlich war es Selbstmord, Wesker aufzusuchen.

Aber auf der anderen Seite… er konnte auch nicht einfach hier rum sitzen und nichts tun.

Die Anderen kamen auch ohne ihn klar.

Jake musste es einfach wissen, er musste ihn sehen.

Es ging nicht anders.

Mit einem letzten Blick auf die Schlafenden verließ Jake das Zimmer, und anschließend auch das Haus, leise, um niemanden zu wecken, und um Claire nicht auf sich aufmerksam zu machen, um sich wider alle Vernunft nun doch auf die Suche nach seinem Vater zu machen.

Father and Son

Jake blieb stehen und blickte zu dem Mann, der da vor ihm stand.

Wie aus dem Nichts war dieser aufgetaucht.

Die blonden Haare, der schwarze Anzug, die Sonnenbrille...

Durch die dunklen Gläser konnte Jake seine Augen nicht erkennen, aber dennoch spürte er, dass der Mann ihn direkt ansah.

Dieser Mann… sein Vater, ein Monster.

Doch sicherlich wusste Wesker nicht einmal, wen er da vor sich hatte.

Für einen kurzen Moment kam Jake der erschreckende Gedanke, dass sein Vater ihn vielleicht einfach töten würde, bevor er überhaupt dazu kam, irgendetwas zu sagen.

Dennoch straffte er leicht die Schultern, hob den Blick und sah sein Gegenüber nun ebenfalls direkt an.

In Jakes Blick lag keinerlei Furcht, nur Hass, Wut und eine gewisse Verzweiflung, die er nicht verbergen konnte, ebenso wie eine leichte Unsicherheit.

Was nun?
 


 

Wesker runzelte leicht die Stirn und sah den jungen Mann nachdenklich an.

Er kannte ihn nicht, er war sicher, ihn nie zuvor gesehen zu haben.

Und dennoch war da etwas an dem Jungen, was ihm bekannt vorkam, was ihn an irgendetwas erinnerte.

Aber der Blonde konnte beim besten Willen nicht sagen, was es war.

Und er wollte es auch eigentlich gar nicht wissen. Es spielte keine Rolle.

Wesker hatte gerade wirklich Wichtigeres zu tun.

Diese verdammte Ada Wong war ihm wieder entwischt, hatte Katz und Maus mit ihm gespielt.

Sie war es gewesen, die ihn von der Kneipe weg gelockt und anschließend das Feuer bei dieser gelöscht hatte. Und dann hatte sie ihn ein weiteres Mal von dieser abgelenkt.

Langsam fragte sich der Blonde wirklich, warum er das überhaupt noch mitmachte.

Immerhin wollte er Chris und die Anderen tot sehen. Sollte Ada doch machen, was sie wollte. Beim nächsten Mal würde er ihr nicht folgen.
 

Doch nun stand ihm da ohnehin schon wieder jemand im Weg und hielt ihn auf.

Heute war eindeutig nicht sein Tag. Es wurde nur immer nerviger und schwieriger.

Vielleicht hätte Wesker von Anfang an Nägel mit Köpfen machen sollen.

Er hatte sich doch selber immer wieder ermahnt, dass es nichts brachte, mit Chris und seinen Freunden zu spielen.

Wenn er sie tot sehen wollte, musste er sie töten, fertig.

Und er nahm sich vor, das bei ihrer nächsten Begegnung auch ohne weitere Verzögerungen zu tun.

Wenn er dann erst einmal diesen komischen Bengel hier los geworden war, der ihn so seltsam anstarrte.
 

„ Was willst du? Geh mir aus dem Weg, Junge…“, murrte Wesker nun, doch er klang dabei eher ein wenig müde als wirklich sauer. Er hatte auch langsam einfach genug. Irgendwo war er ja auch doch noch ein Mensch, der trotz Virus mal Ruhe brauchte. Aber diese gönnte er sich einfach nicht.

Er hatte seine Opfer aus den Augen verloren, das war schon schlimm genug. Aber noch waren sie sicherlich nicht all zu weit gekommen.

Also musste er weiter suchen, bis er sie wieder gefunden und endlich ausgeschaltet hatte.

Danach konnte er sich anderen Dingen widmen. Dingen, wie der Jagd nach Ada. Sie war auf jeden Fall die Nächste auf seiner Liste.
 

„Du weißt nicht, wer ich bin oder? Erkennst du es nicht? Nicht einmal ein bisschen?“

Jake verschränkte missmutig die Arme und neigte den Kopf zur Seite, ohne Wesker dabei zu antworten. Stattdessen hatte er diesem eine Gegenfrage gestellt, mutig -oder dumm?- wie er war.

Chris hatte ihm gesagt, dass er seinen Vater in ihm sah. Da musste also eine gewisse Ähnlichkeit sein, nicht nur vom Charakter her.

Und wenn da irgendetwas von seiner Mutter an ihm war…

Nein, Jake bezweifelte, dass sich Wesker überhaupt noch an diese Frau erinnerte.

Vermutlich hatte er sie in dem Moment vergessen, in dem er ihr den Rücken zu gewandt hatte, um sie zu verlassen.

Jake löste seine verschränkten Arme und ballte die Hände zu Fäusten.

Dieser verdammte Mistkerl wusste nicht, wen er da vor sich hatte, und er schien es auch gar nicht wissen zu wollen.

Sein Blick, soweit der zu erkennen war, blieb ausdruckslos und nur ein wenig genervt.
 

Wesker schüttelte den Kopf und seufzte müde auf.

Er hatte nun wirklich keine Zeit für so etwas.

„Nein, ich weiß nicht, wer du bist. Und mir ist das auch vollkommen egal, Junge. Verschwinde.“, meinte er noch einmal und fragte sich selber, warum er so viel Zeit mit Reden vergeudete.

Er konnte den Bengel auch einfach umbringen und liegen lassen.

Selber schuld, wenn er sich ihm in den Weg stellte.

Aber da war irgendetwas, das Wesker davon abhielt.

Irgendetwas kam ihm wirklich bekannt vor. Das bildete er sich nicht nur ein.

Und langsam weckte dieses Etwas doch Weskers Neugier.

„Na schön, wer bist du?“, fragte er dann nach einer Weile, damit er das hier endlich hinter sich bringen konnte.
 

„Mein Name ist Jake. Jake Muller. Sagt dir der Name noch was?“

Wesker runzelte leicht die Stirn, und Jake erkannte, wie es hinter dieser zu arbeiten begann.

Da war etwas, da waren deutlich Erinnerungen, das erkannte er. Hätte der Name ihm nichts gesagt, hätte er nicht so scharf nachgedacht.

„Muller…“, wiederholte der Blonde, und seine Miene verfinsterte sich etwas.

Da war tatsächlich etwas, der Name sagte ihm was.

Es war lange her, verdammt lange. Und er hatte diese Zeit längst vergessen, zumindest hatte er das bis zu diesem Moment gedacht.
 

„Jake Muller?“

„Ganz recht, Vater.“

Das 'Vater' hatte Jake mehr als verächtlich betont, und er schauderte bei der Erwähnung des Wortes merklich.

Er wollte es ja eigentlich selber nicht, er wollte diesen Mann nicht als seinen Vater anerkennen. Nicht nach allem, was er über diesen erfahren hatte.

Aber er konnte es eben auch nicht leugnen, er wusste, wie es war.

Und irgendwie war es beruhigend, dass Wesker ebenso wenig begeistert schien wie er selber.
 


 

Jake Muller, Vater… das Alter… es passte alles. Aber das war doch unmöglich, das war ein Witz. Ein schlechter Scherz, den sich da jemand mit ihm erlaubte.

Wesker schnaubte verächtlich und schüttelte leicht den Kopf.

Er wollte es nicht wahr haben, auch wenn er aus irgendeinem unerfindlichen Grund wusste, dass der Junge nicht log.

Er erkannte sich selber in ihn, erkannte seine Mutter…

Wesker erinnerte sich an den Namen, den sie ihrem Kind hatte geben wollte, wenn es ein Junge werden würde. Jake.

Warum zum Teufel hatte er sich so etwas überhaupt gemerkt? Etwas so Unwichtiges.

Er verstand es einfach nicht.

Und ebenso wenig verstand er, was sein vermeintlicher Sohn nun hier machte und von ihm wollte.

Für ein gemütliches Familientreffen war er wohl nicht gekommen, und ihm musste klar sein, dass so etwas auch nicht unbedingt zu den Hobbys eines Albert Wesker gehörte.
 

„Ich frage dich noch einmal: Was willst du von mir?“, murmelte der Blonde nach einem Moment des Schweigens, und er merkte, dass seine Stimme nicht mehr ganz so kalt klang, wie er selber es eigentlich beabsichtigt hatte.

Was war los mit ihm?

Er entwickelte sicherlich keine Gefühle für einen völlig Fremden. Nein, er wurde langsam einfach nur richtig müde, das war alles.

„Ich wollte dich sehen, Vater. Den Mann, der meine Mutter im Stich gelassen hat. Wegen dem sie sterben musste, wegen dem ich alleine aufwuchs. Und irgendwie will ich dir für Letzteres fast schon danken.“

Nun war es Jake, der seine Worte mehr als verächtlich sagte, fast schon aus spie. Und dennoch war er Wesker wirklich fast dankbar dafür, dass er durch sein Verschwinden, durch das Nichtvorhandensein eines Vaters, so geworden war, wie er nun eben war. Stark und unabhängig.

Aber dennoch, er hasste diesen Mann, daran bestand nun kein Zweifel mehr.

Nun, da er ihn gesehen hatte, nun, da er ihn reden hörte, war es fast schon wieder genug.

Und Jake ärgerte sich, dass er nicht doch auf Chris gehört hatte. Aber nun gab es kein Zurück mehr.

Wenn er schon einmal hier war, musste er das auch nutzen. Musste er mehr erfahren, auch wenn er entweder keine Antworten bekam, oder von den Antworten nicht sehr begeistert sein würde. Doch welche Rolle spielte das jetzt noch?
 

„Jetzt hast du mich gesehen. Bist du zufrieden? Oder hast du Angst? Oder… willst du nun versuchen, mich umzubringen, um dich zu rächen?“

Bei der letzten Frage zuckte es verräterisch um Weskers Mundwinkel herum.

Diese Vorstellung amüsierte ihn.

Irgendwie hoffte er schon darauf, dass dieser Jake zu der Frage ja sagen würde, dass er sich auf ihn stürzte, mit all seiner Wut und seiner Kraft.

Aber er wurde enttäuscht, sein Sohn schüttelte nur leicht den Kopf.

„Ich habe Fragen.“

„Und erwartest tatsächlich Antworten?“

Wie naiv der Bengel doch war.

Glaubte er wirklich, Albert Wesker irgendwo auf der Straße ansprechen zu können, um eine kleine Quizrunde zu starten?

Dachte er, den Blonden würden nun väterliche Gefühle überkommen, und er alles versuchen, um die verlorene gemeinsame Zeit nachzuholen?

Dann irrte sich er aber gewaltig.

Wesker hatte an nichts davon Interesse. Er wollte weiter, er wollte Chris, Leon und die Anderen finden, sie töten und seine Ruhe haben, ehe er sich wieder daran machte, Ada Wong zu verfolgen.

Und dieser Jake war ihm dabei gerade schlicht und ergreifend im Weg.
 

„Man kann es ja mal versuchen oder?"

Wesker runzelte leicht die Stirn.

Er hatte bereits einen Fuß angehoben, um auf Jake zu oder an ihm vorbei zu gehen, als er ihn wieder absetzte und ein wenig grinsen musste.

Irgendwie gefiel ihm der Junge ja doch.

Er hatte Mut, das musste man ihm lassen. Er zeigte keinerlei Furcht, obwohl er sicherlich wusste, was sein Vater getan hatte, wozu er fähig war.

Oder etwa nicht?

War er vielleicht nur so mutig, weil er von dem Virus und all den Taten keine Ahnung hatte?

„Du bist vorlaut und mutig. Oder einfach nur unglaublich dumm“, erwiderte Wesker mit einem verächtlichen Lachen.

Aber er hatte sich entschieden.

Mutig oder nicht, amüsant oder nicht, er hatte genug Zeit mit seinem vermeintlichen Sohn vergeudet.

Sollte der doch irgendwann anders wieder kommen, wenn es unbedingt sein musste.

Jetzt wollte er nichts mehr von dem Bengel sehen und hören.
 

Also hob Wesker den Fuß doch wieder an, schritt los und wollte an Jake vorbei, als dieser tatsächlich die Frechheit besaß, ihn am Arm zu packen, um ihn festzuhalten.

Ein sehr dummer Fehler, den er schnell bereuen würde.

Ein leises Knurren war von dem Blonden zu hören, dann blieb er abrupt stehen, packte Jakes Arm, der ihn festhielt, riss ihn von seinem eigenen los und drückte den Jungen kraftvoll gegen eine Hauswand, eine Hand um dessen Kehle gelegt.

Jake konnte gar nicht so schnell reagieren und ließ nur ein leises Keuchen hören, als er sich mit einem Mal an eben dieser Wand wiederfand.
 

Das war dumm gewesen, das sah er selber ein.

Er hatte doch gewusst, mit wem er sich hier anlegte.

Wesker hatte übermenschliche Kräfte, gegen ihn kam Jake nicht an.

Und nun hatte er den Salat.

So einfach kam er seinem Vater nicht mehr davon, das wusste er.

Vermutlich würde er nun sterben. Gleich würde die Hand des Blonden auf ihn zuschnellen, würde sich seine Faust in Jakes Magen bohren. Oder sein Genick würde brechen, er würde ihm die Kehle zerquetschen…

Der Söldner wunderte sich über seine eigene Fantasie, und vor allem darüber, wie er in dem Moment noch so klar denken konnte. Mehr oder weniger klar, verrückt waren diese Gedanken auf jeden Fall.
 

Doch der Schmerz, auf den der Söldner sich eingestellt hatte, blieb aus. Es passierte nichts.

Wesker hatte noch immer eine Hand um seinen Hals gelegt und drückte ihn so gegen die Wand, doch er drückte nicht fester zu, holte nicht aus.

Er starrte ihn einfach nur an, mit einem Blick, den Jake durch die dunklen Brillengläser nicht deuten konnte. Alles, was er sah, war das rötlich-orange Leuchten der Iris, das durch das Virus hervorgerufen wurde. Ein unheimlicher Anblick, der dem toughen jungen Mann tatsächlich eine leichte Gänsehaut bescherte.
 

„Entweder, du bringst mich endlich um, oder du lässt mich langsam mal los…“

Trotz allem hatte Jake noch immer den Nerv, seine Klappe aufzureißen.

Er wusste, dass ihm das das Leben kosten konnte, vermutlich sogar würde, aber was für eine Rolle spielte das noch? Er war Wesker doch ohnehin unterlegen.

Da wollte er diesem wenigstens irgendwie stark entgegentreten. Wenn nicht in Taten, dann eben in Worten. Zu Taten war er in seiner momentanen Position ja ohnehin nicht unbedingt in der Lage.
 

Und tatsächlich schien der Blonde einen kurzen Moment lang verwirrt zu sein. Fast sogar… beeindruckt?

Nein, da musste Jake sich irren. Wenn Wesker sich von so einem Satz beeindrucken ließ, dann hatte er ihn wirklich überschätzt.

Auf der anderen Seite hatte der Blonde vermutlich noch nie einen Gegner gehabt, der die Frechheit besaß, ihm selbst im Angesicht des Todes noch solche Worte entgegen zu spucken.

Verständlich bei seiner Kraft und dem mordlustigen Aufleuchten der infizierten Augen.
 

„Also…?“, hakte Jake noch einmal nach, weil es ja, wie gesagt, schon gar keine Rolle mehr spielte, was er tat oder sagte.

„Ganz wie du meinst…“

Kurz glaubte der Söldner, dass nun wirklich sein letztes Stündlein geschlagen hätte, und er bereitete sich noch einmal darauf vor. Doch wider alle Erwartungen folgte auch nun kein tödlicher Schmerz. Stattdessen löste Wesker den Griff um seinen Hals langsam und ließ ihn dann ganz los.

Ehe er sich jedoch abwandte, holte er nun doch noch aus und rammte Jake die Faust in den Magen.

Der Schlag war heftig genug, ihn aufkeuchen und in die Knie gehen zu lassen, würde ihn aber nicht ernsthaft verletzen.

Aber er sollte Jake zeigen, dass sein Vater es durchaus ernst meinte, dass er vor ihm keinen Halt machte, nur weil er sich ihm als sein Sohn vorgestellt hatte.

Er ließ den Jungen nur am Leben, weil er ihm irgendwie gefiel. Und eine Gefahr war er für den Blonden ja auch nicht.

Er wollte Jake nicht unterschätzen, aber gegen ihn hatte der junge Mann nicht den Hauch einer Chance, das war sicher.
 

Wesker blickte noch einmal auf seinen Sohn hinab, der nun mit einem leisen Ächzen ganz zusammengesunken war und sich leicht krümmte, dann schüttelte er den Kopf, wandte sich endgültig ab und folgte wieder der Straße, um weiter nach Chris und dessen Freunden zu suchen.

Wirklich darauf konzentrieren konnte er sich nun aber nicht mehr.

Dieser Jake ging ihm einfach nicht aus dem Kopf, die Vergangenheit holte Wesker ein.

Leicht ballte er eine Hand zur Faust und rammte diese gegen eine Hauswand, in der er eine deutliche Spur hinterließ.

An diesem Tag ging einfach alles schief, nichts klappte, wie es sollte.

Chris entkam ihm immer wieder, Ada spielte ihre Spielchen mit ihm, obwohl das eigentlich sein Gebiet war, und nun tauchte auch noch aus heiterem Himmel dieser Jake Muller auf und behauptete, sein Sohn zu sein.

Nein, er behauptete es nicht nur, er war es auch. Es war sinnlos, sich etwas Anderes einreden zu wollen.
 

„Vergiss diesen Jungen, vergiss ihn oder töte ihn, wenn er dir das nächste Mal in die Quere kommt“, knurrte Wesker sich nun selber leise zu und schüttelte noch einmal den Kopf.

Sohn hin oder her, Jake war ein Fremder für ihn. Und noch dazu jemand, der sich ganz schön viel heraus nahm.

Und auch, wenn Wesker das irgendwie gefiel, ging es ihm auch tierisch auf die Nerven.

Fakt war, dass Jakes Verhalten ihn verunsicherte, auch wenn er das nur ungern zugab.

In gewisser Weise sah er da Eigenschaften in dem Jungen, die ihn an sich selbst erinnerten.

Und dennoch war der Junge ganz anders.

Er war kein Monster, wie er selber es war.

Aber auch kein ‚Held’, wie Leon oder Chris.

Jake schien irgendwie dazwischen zu stehen, als wäre er unsicher.

Und vielleicht war das etwas, was sich Wesker noch zunutze machen konnte.

Möglicherweise gab es ja doch noch ein gemütliches Familientreffen.

Er wollte gewiss nicht Jakes Freund, oder diesem gar ein guter Vater werden, aber vielleicht gab es die Möglichkeit, den Jungen irgendwie zu benutzen.

Man musste es nur richtig anstellen. Und darin war der Blonde ja geübt.
 

Ein leichtes Grinsen huschte über seine Lippen, als er der Straße nun weiterhin folgte.

Vielleicht ließ er nun doch erst einmal von Chris und den Anderen ab.

Er hatte sich genug mit ihnen herumgeärgert, er wollte einfach nicht mehr.

Und irgendwann würden sie ihn ohnehin von sich aus aufsuchen, da war er sicher.

Immerhin wollten sie ja bestimmt wissen, was hier wirklich vor sich ging, und ob wirklich er hinter allem steckte.

Warum also sich selber nun die Arbeit machen?

Nein, das war unnötig.

Wesker beschloss, sich erst einmal zurück zu ziehen und ein wenig auszuruhen, dann würde er sich überlegen, was er mit Jake anfing.

Irgendetwas würde ihm da mit Sicherheit einfallen.

Und für den Anfang hatte er noch etwas von dem Mittel, das er schon für Chris benutzt hatte.

Es war riskant, weil er nicht wusste, wie weit es die Erinnerungen des Jungen auslöschen konnte, wie weit er, Wesker, das beeinflussen konnte.

Aber einen Versuch war es auf jeden Fall wert.

Zu verlieren hatte er ja nichts.

Und dieses Mal würde er einfach besser aufpassen und sich selber seines Sieges nicht zu sicher sein, um nicht noch einmal den gleichen Fehler zu machen wie bei Chris, den er eindeutig unterschätzt hatte.

Aus Fehlern lernt Man(n) nicht

Nach seinem nicht unbedingt gut verlaufenen Treffen mit Wesker hatte sich Jake wieder auf den Weg zurück zu dem kleinen Häuschen gemacht.

Sein Magen schmerzte, aber das war nicht annähernd so schlimm wie sein angefressener Stolz.

Was hatte er eigentlich erwartet? Was hatte er sich von dem Treffen erhofft?

Dass Wesker sich für das, was er getan hatte, entschuldigte? Dass er vorschlug, die verlorene Zeit mit ihm nachzuholen?

Unsinn.

Jake hatte ganz genau gewusst, dass sein Vater in ihm nichts weiter sehen würde als einen Fremden, der ihm im Weg stand.

Ein Objekt, an dem er seine Wut auslassen und seine Kraft testen konnte. Nichts weiter.

Und dennoch, dennoch hatte der Söldner wider jede Vernunft nicht auf Chris gehört und sich doch auf die Suche nach Wesker gemacht.

Er konnte sich schon gut vorstellen, wie der Soldat ihm die Tür öffnete und ihn mit einem ‚Ich hab es dir ja gesagt’-Blick empfing.
 

Aber er war ja selber schuld und hatte es gar nicht anders verdient.

Er war einfach dumm gewesen. Dumm und voreilig, und das hatte er nun davon.

Sein Stolz war angefressen, sein Magen schmerzte höllisch, und zu allem Überfluss war ihm durch den harten Schlag auch noch verdammt übel.

Da konnte Jake nur hoffen, dass Wesker bei ihm nicht irgendwelche inneren Verletzungen verursacht hatte.

Aber so schlimm fühlte es sich nicht an, und Jake merkte auch keinen Blutgeschmack im Mund. Er hatte vermutlich Glück im Unglück gehabt.

Nein, einfach mehr Glück als Verstand.

Und vermutlich hatte sich Wesker auch gar nicht intensiver mit ihm befassen wollen.

Er hätte es wahrscheinlich als Zeitverschwendung angesehen, ihn nun auch noch zu töten.
 

Ob der Blonde sich wohl wieder auf die Suche nach Chris und den Anderen gemacht hatte? Ob er schon bei ihnen war?

Mit einem leisen Fluchen beschleunigte Jake seine Schritte.

Kurz bevor Wesker gegangen war, hatte der junge Mann durch den Schmerz wohl das Bewusstsein verloren, denn als er die Augen nach einer Weile wieder geöffnet hatte, war Wesker spurlos verschwunden gewesen.

Wie lange Jake da ohne Bewusstsein auf dem Boden gelegen hatte, konnte er jedoch nicht sagen.

Ein paar Minuten, eine halbe Stunde, eine, mehrere?

Es war noch nicht wieder hell geworden, also hatte er vermutlich nicht länger als ein oder zwei Stunden dort gelegen, wenn überhaupt.

Vielleicht waren es auch wirklich nur ein paar Minuten gewesen, und Wesker war noch in der Nähe.

Und vielleicht wollte der im Moment auch gar nicht zu Chris und den Anderen.
 

Dennoch wollte Jake da lieber kein Risiko eingehen.

Wenn er doch schon länger fort war, egal, ob Wesker auf dem Weg zu dem Haus war oder nicht, dann waren die Anderen vielleicht schon wieder aufgewacht.

Der Söldner glaubte nicht, dass sie nach ihm suchten. Vermutlich konnte sich Chris schon denken, wo er war.

Auf der anderen Seite hatte Jake schon damals gemerkt, dass der Ältere ein Mensch war, der sich schnell sorgte und für andere verantwortlich fühlte.

Und wenn nun irgendetwas passierte, weil sich der B.S.A.A.-Captain ausgerechnet um ihn sorgte… nein, das musste nun wirklich nicht sein.

Chris oder die Anderen sollten nun wirklich nicht unter seiner Dummheit und Übereile leiden müssen.

Nicht, dass sie ihm irgendwie all zu sehr ans Herz gewachsen wären, aber egal waren sie ihm auch nicht. Und das verdankte er mit Sicherheit Sherrys gutem Einfluss.

Auch, wenn Jake selber sich einzureden versuchte, dass er einfach nicht unbedingt selber schuld daran sein wollte, wenn irgendetwas passierte.
 

Noch einmal beschleunigte er also seine Schritte, die Schmerzen im Magen nun einfach verdrängend.

Nach wenigen Minuten sah er die verkohlte Kneipe, vor der noch immer einige Zombieleichen lagen.

Ansonsten war die Stadt so ausgestorben wie die ganze Zeit über.

Der Söldner ging weiter, bog in die Seitenstraße ein, und hatte dann auch recht schnell das alte Häuschen erreicht.

Als er eine Hand zum Klingeln ausstrecken wollte, stellte er jedoch fest, dass die Tür nur angelehnt war.

Ein ungutes Gefühl überkam ihn, und Jake schwang die Tür auf, während er im gleichen Moment seine Waffe zog.
 

Aber alles, was ihm entgegen kam, war ein mehr als verwirrter und erschrockener Piers, der das Glas, welches er in der Hand hielt, fast hätte fallen lassen.

„Sorry…“, murmelte Jake schnell, ließ die Waffe sinken und sah sich um.

Es war alles in Ordnung.

Jill, Chris und Sherry schliefen noch, und auch Claire saß nun hier und hatte Piers’ Platz auf dem Sofa eingenommen. Die junge Frau schlief ebenfalls, und auch aus dem Schlafzimmer waren keine Geräusche zu vernehmen, was vermuten ließ, dass auch Leon noch nicht wieder erwacht war. Wesker war also allem Anschein nach nicht hier gewesen. Und er selber nicht wirklich lange weg.
 

„Ich dachte nur… weil die Tür…“

Jake seufzte leise und verengte bei Piers’ Stirnrunzeln leicht die Augen.

„Was?“, murrte er dann genervt, und der Ältere schüttelte nur den Kopf.

„Du hast lediglich vergessen, die Tür zu schließen als du gegangen bist. Ist mir auch erst vor ein paar Minuten aufgefallen. Ich wollte sie gerade zu machen, als du gekommen bist.“

Piers seufzte leise und schüttelte noch einmal den Kopf.

Er konnte sich denken, wohin es Jake verschlagen hatte, und er musste zugeben, dass er fast etwas erleichtert war, dass der Söldner lebend wieder zurück gekommen war.

„Hast du ihn getroffen?“
 

Nun war es Jake, der den Anderen erst einmal verwirrt ansah, ehe er leicht nickte und sich gegen die Tür lehnte, die er nun wieder geschlossen hatte.

„Hab ich. War aber nicht unbedingt toll“, murmelte er dann und schloss leicht die Augen.

Nicht unbedingt toll… da hatte er gerade maßlos untertrieben.

„Naja, wenigstens hast du es überlebt. Immerhin etwas.“

Und damit hatte Piers nicht unrecht, das war dem Söldner klar.

Er wusste, wie viel Glück er gehabt hatte.

Warum Wesker ihn nicht erledigt hatte, wusste Jake nicht, und es war ihm eigentlich auch egal.

Wichtig war, dass er lebte, dass er nicht all zu hoch für seine eigene Dummheit hatte bezahlen müssen.

Noch einmal würde er so etwas Dämliches nicht tun, das nahm er sich vor.

„Habt ihr noch etwas Wasser für mich?“, fragte er nun, als er sich etwas von der Tür löste und Piers zu wandte, ehe er sich doch noch einmal gegen das Holz lehnte und eine Hand auf den Bauch presste. Jake musste vorsichtig sein, er durfte sich nicht zu schnell bewegen.

Mit dem Leben hatte er nicht bezahlen müssen, aber die Schmerzen waren auch alles andere als angenehm. Doch lieber spürte er diese als gar nichts mehr.

Dennoch wollte er es nun nicht unbedingt noch schlimmer machen. Wer wusste schon, wie lange es dauerte, bis Wesker wieder auftauchte und er selber fit genug sein musste, um den Anderen gegen ihn beizustehen?
 

„Alles okay?“

Jake blinzelte leicht und schüttelte diese düsteren Gedanken erst einmal ab.

Hörte er da gerade tatsächlich Sorge aus Piers’ Stimme heraus?

Er hob den Blick und sah den Scharfschützen an, und tatsächlich war in dessen Augen eindeutig Besorgnis zu erkennen.

„Mir geht’s gut, ja. Wesker hat nur… einen ziemlich heftigen Schlag drauf“, erwiderte Jake und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen, das der Scharfschütze ihm aber so oder so nicht wirklich abkaufte. Der Schmerz in Jakes Blick war viel zu deutlich.

Der Söldner vermied es zudem peinlichst, das Wort ‚Vater’ zu benutzen, wenn er von dem Blonden sprach.

Er wusste, dass er die Wahrheit damit nicht änderte, dass Wesker sein Vater blieb, egal, wie er es auch drehte und wendete. Und dennoch fühlte sich Jake etwas wohler, wenn er von ihm wie von einer fremden Person sprach.

Von einer fremden Person, die Wesker ja trotz allem auch für ihn war.
 

„Setz dich hin, ich bring dir was. Und sei leise, die Anderen schlafen noch“, murmelte Piers nun, womit er Jake erneut aus dessen Gedanken riss. Dann betrachtete er nachdenklich sein Glas und drückte dem Jüngeren dieses in die Hand.

„Ach, weißt du was? Hier. Ich hol mir selber was Neues. Und keine Sorge, ich hab noch nicht davon getrunken.“ Und selbst wenn, er war ja nicht giftig. Und er hätte Jake so auch sicherlich nicht mit dem Virus angesteckt.

Er wollte einfach nur, dass dieser sich nun setzte, ausruhte und die Klappe hielt. Am besten war es, wenn Jake sofort einschlief, damit er nicht noch einmal auf dumme Gedanken kommen konnte.

Mit ihm und Chris kam sich Piers gerade irgendwie vor, als versuche er, einen Sack Flöhe zu hüten. Erst war sein Captain weg gelaufen, nun war Jake Derjenige, der einfach mal das Haus verließ. Und irgendwie waren sie beide dabei ausgerechnet auf Wesker gestoßen.
 

Der junge Soldat seufzte leise, dann wandte er sich ab, um in die Küche zu gehen und sich nun selber ein neues Glas Wasser zu holen, als er an der Tür etwas hörte.

Also drehte er sich wieder um, runzelte die Stirn und legte den Kopf schief, während er langsam seine Waffe zog.

Er hatte keine Munition mehr, aber irgendwie fühlte er sich so doch sicherer, und ein möglicher Angreifer würde vielleicht zögern.

Und wenn es sich um Wesker handelte, hätte auch eine geladene Waffe keinen Unterschied gemacht.

Auch Jake hatte seine Waffe wieder angehoben und das Glas erst einmal abgestellt. Wenigstens in seiner Pistole befand sich noch Munition.

Schlafen würde der Söldner nun so schnell wohl doch nicht.
 

Jake sah zu dem Älteren, der seinen Blick nur mit einem leichten Kopfschütteln quittierte und dann mit einem Nicken zur Tür deutete.

Er verstand, ging langsam auf diese zu, streckte eine Hand aus und öffnete sie, während Piers seine Waffe weiterhin auf die Tür richtete, auch wenn er nichts hätte tun können.

Gut, er konnte abdrücken und sein Gegenüber so wenigstens kurz ablenken

Aber da war ohnehin niemand. Kein Mensch, kein Zombie, keine andere BOW.

Die kleine Straße vor dem alten Haus wirkte so ausgestorben wie der Rest der Stadt, wie sie schon die ganze Zeit über gewirkt hatte.
 

Seufzend ließ Piers die Waffe wieder sinken und schüttelte den Kopf.

Anscheinend wurden sie nun schon paranoid. Das war sicherlich nur der Wind gewesen, nichts weiter.

Jake jedoch wollte das nicht einfach so hinnehmen, und trotz eines warnenden Blickes seitens Piers sah er sich zu beiden Seiten um und verließ dann das Haus, um der kleinen Seitenstraße zu folgen. Und tatsächlich hatte er sich nicht geirrt.

Es war nicht nur der Wind gewesen. Leider.

„Wesker…“

Jake wollte die Waffe erst senken, überlegte es sich dann aber anders und richtete sie weiterhin auf den Blonden, der in einigen Metern Entfernung stand und auf ihn zu warten schien.

Zumindest machte Wesker keinerlei Anstalten, ihn anzugreifen, und ebenso wenig Anstalten, einfach zu verschwinden.

Jake war das nicht unbedingt geheuer, aber trotz allem witterte er in diesem Verhalten eine zweite Chance.

Darauf, dass das hier nur eine Falle Weskers war, kam er gar nicht.

Dass er selber vor wenigen Minuten noch gedacht hatte, einen solch dummen Fehler nicht noch einmal zu begehen, hatte er offenbar auch schon wieder vollkommen verdrängt.

Aber er war ja auch nicht der Einzige, der hier etwas tat, was verdammt schlecht für ihn enden konnte.

Scheinbar lag es in der Familie, dass man seine Fehler gerne immer und immer wiederholte, obwohl man genau wusste, wie wenig Erfolg man damit letzten Endes haben würde.

Jake wollte unbedingt noch einmal versuchen, ein vernünftiges Gespräch mit seinem Vater zu führen, und dieser hatte es sich in den Kopf gesetzt, den Fehler, den er bei Chris gemacht hatte, nun bei Jake wieder gut zu machen.

Die Frage war jetzt nur, wer von beiden am Ende mehr Glück hatte und mit seinem Plan weiter kam.

Wobei Jake ja im Grunde nicht einmal einen Plan hatte.

Und auch Weskers Plan ging im Moment nur so weit, dass er herausfinden wollte, ob er seinen Sohn mit seinem Mittel irgendwie ähnlich kontrollieren konnte wie Chris zuvor.

Was sie machen sollten, wenn sie ihr Teilziel erreicht hatten, wussten allerdings weder Wesker noch Jake.

Auf ein Neues

„Jake…?“

Piers runzelte die Stirn und blickte nachdenklich zur Tür.

Er hatte diese nur angelehnt, damit der Söldner nicht klingeln oder klopfen und die Anderen aus dem Schlaf reißen musste, wenn er zurück kam.

Der junge Soldat war davon ausgegangen, dass Jake nur eben nachsehen wollte, ob da nicht doch etwas war.

Aber dafür brauchte er seiner Meinung nach nun schon viel zu lange.

Mit einem Seufzen leerte Piers das Glas, welches er sich geholt hatte, stellte es zu Jakes und zog dann wieder seine Waffe.

War der Söldner doch noch einmal aufgebrochen, um nach Wesker zu suchen?

Nein, so viel Dummheit traute er ihm irgendwie nicht zu.

Sturheit, ja, Dummheit aber nicht.

Andererseits... Sturheit konnte auch schnell zu Dummheit führen, das wusste Piers nur zu gut.
 

Er verließ das Haus, lehnte die Tür an und suchte die Straße zu beiden Seiten hin nach Jake ab.

Aber der war spurlos verschwunden.

„Idiot…“, murmelte der Scharfschütze, seufzte erneut und bog dann in die Hauptstraße ab.

Vielleicht war Jake ja doch noch irgendwo hier, möglich war es ja.

Vielleicht hatte er etwas gesehen oder gehört und war einfach ein wenig weiter weg gelaufen.

Aber es blieb dabei, dass von ihm jede Spur fehlte.

Und zu weit wollte sich Piers nun auch nicht von dem alten Haus entfernen.

Die Tür war noch offen, und da die Anderen alle schliefen, musste ja einer aufpassen, dass nichts passierte.

Hier gab es keine Spuren eines Kampfes, und so ging Piers nicht davon aus, dass Jake irgendetwas Schlimmes passiert war. Entweder kam er bald wieder oder nicht.

Piers war doch nicht sein Aufpasser.
 

Mit einem leisen Murren wandte sich der Scharfschütze also wieder um und ging zu dem Häuschen zurück.

Irgendwie machte er sich ja doch leichte Sorgen, aber langsam hatte er von Jakes dummen Verhalten auch wirklich genug.

Wenn er wirklich noch einmal auf Wesker getroffen und ihm gefolgt war, dann hatte er es auch gar nicht anders verdient, wenn er von dem nochmal eine verpasst bekam.

Fast war ihm Jake ja sympathisch geworden, aber eben nur fast. Jetzt war wieder die Abneigung da, die er schon seit Edonia empfunden hatte, und die in China noch weiter angewachsen war, als der Kerl ernsthaft versucht gewesen war, seinen Captain zu erschießen.

Und auch, wenn Chris damals der Meinung gewesen war, das verdient zu haben, sah Piers das ganz anders. Und das war einfach etwas, was er Jake niemals verzeihen würde.

Allerdings wusste Piers auch, dass sein Captain nicht tatenlos rum sitzen würde, wenn er erfuhr, dass der Söldner verschwunden war, nachdem er und Piers draußen irgendetwas gehört hatten.

Und wenn er seinem Captain dann noch sagte, dass Jake bereits seinem Vater begegnet war…

‚Wenn ich dich gefunden habe, bring ich dich um, das schwör' ich dir…’, murrte der junge Soldat in Gedanken verbittert, als er zu dem Haus zurück ging, die Tür schloss und sich mit einem schweren Seufzen daran machte, Chris zu wecken.
 


 

Der B.S.A.A.-Captain wirkte alles andere als begeistert, als er seinem Scharfschützen zuhörte.

Ihm war ja doch durchaus klar gewesen, dass Jake nicht auf ihn hören würde, aber irgendwie hatte er es zumindest gehofft.

Dass er nun ein weiteres Mal verschwunden war, machte die Sache nicht besser.

Piers’ Unmut konnte er da wirklich verstehen, und auch er selber war etwas wütend auf den Söldner, die Sorge um diesen überwog bei Chris allerdings deutlich.

Dumm und vorschnell gehandelt oder nicht, sie konnten Jake ja nicht einfach im Stich lassen. Wenn er wirklich noch einmal zu Wesker wollte, dann war er in großer Gefahr. Und dann zählte jede Sekunde.

Die Frage war nur, wo sie mit der Suche beginnen sollten.

Jake konnte überall sein, Wesker ebenfalls.

Und die Möglichkeit bestand, dass sie gar nicht zusammen waren.

Vielleicht war Jake auch einfach so weg gelaufen, aus welchem Grund auch immer, oder er war entführt worden.

Möglicherweise gab es hier ja weitaus mehr als nur einen menschlichen Gegner.

Und dann war da auch immer noch die Frage, was mit Ada war.
 

Chris sorgte sich nicht wirklich um diese Frau.

Auch, wenn er sich wieder an alles erinnerte, wenn er wusste, dass sie kein Monster war, so konnte er ihr dennoch nicht wirklich trauen.

Aber er wusste auch, wie viel sie Leon bedeutete, dass dieser sich unheimlich große Sorgen machte.

Zudem hatte er auch nicht vergessen, was mit dem Hauptquartier und dem S.W.A.T.-Team passiert war.

Langsam zweifelte er wirklich daran, dass Wesker ganz alleine hinter alledem steckte.

Und das bedeutete wiederum, dass es drei Dinge gab, die erledigt werden mussten, vielleicht sogar vier.

Wesker musste gefunden werden, und Jake möglicherweise gerettet, auf jeden Fall aber auch gefunden.

Gleiches galt für Ada Wong.

Als Letztes mussten sie dann noch erneut Kontakt zur Regierung aufnehmen, am besten wieder über Hunnigan, um diese über die letzten Geschehnisse zu informieren.
 

Es konnten sich ja noch immer irgendwo Infizierte aufhalten.

Auch, wenn sie schon viele von ihnen vernichtet hatten, die ganze Stadt war es sicherlich nicht gewesen.

Und zu allem Überfluss bedeutete das, dass die Infizierten nicht mehr nur hier waren.

Weitere Städte konnten ihnen bereits zum Opfer gefallen sein, das Virus würde sich nur immer weiter verbreiten.

Und da sie noch immer nicht wussten, um welches Virus es sich überhaupt handelte, konnten sie auch noch nicht wirkungsvoll dagegen angehen.

Deshalb brauchten sie dringend Hilfe. Alleine konnten sie das alles nicht bewältigen.

Sie würden sich ohnehin schon in Gruppen aufteilen müssen, um die Suche nach den ‚Vermissten’ aufzunehmen und die Regierung zu kontaktieren.

Hier war es vermutlich das Beste, wenn sie sich dieses Mal selber auf den Weg zu Hunnigan machten, bevor noch irgendein Hilfstrupp ihrem Feind zum Opfer fiel.
 


 

„Captain…?“

Chris hob den Blick und sah den jungen Soldaten nachdenklich an.

Er wirkte fit und ausgeruht, von dem, was passiert war, war nichts mehr zu sehen. Dass er vor guten zwei Wochen noch halbtot am Strand gelegen hatte, dass Wesker ihn fast umgebracht hatte, das hätte jemand, der nichts davon wusste, nicht eine Sekunde lang geglaubt.

Das C-Virus war wirklich erstaunlich, es hatte Piers wieder vollständig geheilt.

Aber der Schein konnte auch trügen, und Chris wusste das.

Zwar war Piers geheilt und fit, aber er war auch noch immer infiziert. Die Gefahr bestand, dass sein Körper irgendwann doch schwächer war als das Virus.

Antikörper wies sein Körper ja nicht auf, das hatte die Mutation deutlich gezeigt.

Piers war nur irgendwie in der Lage, das Virus mehr oder weniger zu kontrollieren.

Auf eine ähnliche Art und Weise wie Wesker, wie Chris nachdenklich feststellte.
 

„Captain!?“, versuchte Piers es nun noch einmal etwas lauter, und endlich sah Chris ihn auch direkt an, ohne gleich wieder in seine Gedanken abzudriften.

„Was ist…?“, murmelte er, fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und lehnte sich auf der Couch zurück, die besorgten Blicke der Anderen ignorierend.

Ihm ging es gut, er war nur mit den Nerven ein wenig am Ende. Da sollten sie sich nicht solche Gedanken um ihn machen müssen.

„Was machen wir jetzt? Ich meine… ich denke, Sie haben recht. Jake mag ein Mistkerl sein, tut mir leid, meine Meinung… aber er ist ja nicht unser Feind, ganz im Gegensatz zu Wesker. Also stimme ich zu, dass wir ihm helfen müssen. Aber wir wissen ja nicht einmal sicher, dass er bei Wesker ist“, sprach Piers nun die Gedanken aus, die Chris sich zuvor gemacht hatte.

„Wir werden uns aufteilen müssen. In…“ Er dachte kurz nach, „vier Gruppen. Wenn wir das irgendwie hinbekommen. Vielleicht reichen auch drei, wenn wir erst einmal davon ausgehen, dass Jake doch auf Wesker getroffen ist. Eine Gruppe muss nach ihnen suchen, eine zweite nach Ada“, fuhr Chris fort, wobei er den Blick nun Leon zu wandte, der sich zu ihnen gesellt hatte.

Er wusste, dass es sich der Special Agent nicht nehmen lassen würde, selber nach der Asiatin zu suchen. Und er hatte auch nichts dagegen.

„Die dritte Gruppe muss Kontakt zu Hunnigan aufnehmen und am besten persönlich zu ihr gehen. Wenn wir ein weiteres Mal von hier aus Hilfe rufen… wird diese vermutlich auch gar nicht erst ankommen. Wir müssen einen Weg finden, unserem Feind, und ich gehe davon aus, dass es sich bei diesem nicht um Wesker allein handelt, eine Falle zu stellen.“
 

Chris verstummte, fuhr sich müde über die Haare und verschränkte dann leicht die Arme, während er seine Freunde und seine Schwester musterte.

Es passte ihm nicht, die Gruppe nun aufzuteilen.

Sie hatten so schon nur eine geringe Chance gegen Wesker gehabt.

Wenn sich hier ein weiterer Feind befand, und selbst wenn nicht, so waren sie als kleine Zweier-Grüppchen noch weitaus angreifbarer.

Dummerweise hatten sie nur gar keine andere Wahl.

Es hätte zu viel Zeit in Anspruch genommen. Zeit, die sie gar nicht hatten.

Wesker, ein Virus war im Umlauf, irgendjemandem machte es Spaß, Hilfstrupps und HQs in die Luft zu jagen… und ein Verbündeter war spurlos verschwunden.

Es war wirklich zum Verzweifeln, und es wurde einfach nicht besser, ganz im Gegenteil.

Auch, wenn es immer wieder kleine Lichtblicke gab, so wurden diese auch jedes Mal wieder von irgendeinem anderen Ereignis überschattet.
 

Chris hatte Piers lebend gefunden, und beinahe wäre er ihm doch noch weg gestorben. Er selber war nach seinem verdammten Albtraum weg gelaufen und auf Wesker gestoßen.

Chris’ Erinnerungen waren zurück gekommen, dafür hätte er Piers ein weiteres Mal fast verloren, und Wesker war entkommen. Und mit ihm war auch Ada verschwunden.

Sie hatten ein wenig Ruhe gehabt und sich zurückziehen können, und schon waren die ganzen Infizierten aufgetaucht.

Ihnen war es gelungen, sie mehr oder weniger zu vernichten, und das HQ und das S.W.A.T.-Team waren ausgelöscht worden. Ganz zu schweigen von der Kneipe, die von Wesker abgefackelt worden war.

Sie hatten irgendwie überlebt und waren von Jake und Sherry gerettet worden, und dafür waren sie nun im Grunde keinen Schritt weiter als vorher.

Erneut hatte die kleine Gruppe Zeit gehabt, sich ein wenig zu erholen, und dafür wurde nun Jake vermisst.

Egal, wie viel Gutes auch immer wieder passierte, den wirklichen Durchbruch schafften sie irgendwie nie.

Irgendetwas passierte immer, und wenn Chris so darüber nachdachte, stimmte es tatsächlich, dass sie nicht mehr wussten als in dem Moment, in dem ihnen aufgefallen war, dass mit der Stadt irgendetwas nicht stimmte.

Das war nicht unbedingt beruhigend.
 

„Ich werde mich auf die Suche nach Ada machen. Es scheint zwar ihr Hobby zu sein, ständig davon zu laufen, wenn ich ihr begegne, aber ich bin sicher, dass ich sie dennoch finden kann“, meldete sich nun Leon zu Wort, als er merkte, dass Chris wieder abzuschweifen schien.

Der Soldat hob den Blick und nickte leicht, runzelte aber die Stirn, als sich nun ausgerechnet Claire anbot, Leon zu begleiten.

Doch er ließ sie gewähren.

Claire war erwachsen. Sie konnte selber entscheiden, was sie tat. Das hatte sie all die Jahre über auch getan. Und Chris musste nicht ausgerechnet jetzt wieder damit anfangen, den besorgten großen Bruder spielen zu wollen. Nach der ganzen zeit, nach allem, was passiert war, hatte er auch einfach nicht mehr das Recht dazu.

Außerdem vertraute er Leon, zum Einen. Und zum Anderen musste Claire so oder so mit irgendjemandem mitgehen.

Er selber würde auf jeden Fall Piers in seinem Team aufnehmen, sofern der Scharfschütze das wollte.

Chris wusste, dass er ja sagen würde, einfach, weil er seinem Captain nicht grundlos widersprach.

Aber sie waren nur zu Zweit, sie waren alles, was im Moment von der B.S.A.A. Nordamerika übrig war, sah man einmal von Jill ab. Da wollte Chris sich nun wirklich nicht auf irgendeine Rangfolge versteifen.
 

„Gut, dann sucht ihr beide nach Ada. Piers, begleitest du mich auf der Suche nach Jake und Wesker?“, wandte sich Chris nun an den jungen Soldaten, der wie erwartet gleich mit einem Nicken antwortete.

Auf Piers war Verlass, niemals würde er seinen Captain im Stich lassen, das hatte er immer wieder bewiesen.

Und Chris nahm sich vor, gut aufzupassen, keine Dummheiten zu begehen und alles dafür zu tun, dass sich Piers nicht wieder für seine Fehler opfern musste.

Denn irgendwie hatte Chris das Gefühl, dass Piers das immer und immer wieder tun würde, ohne sich auch nur im Ansatz darüber zu beschweren.

Chris war davon gerührt, aber es tat ihm auch weh, wie treu Piers ihm war, wie sehr er das Leben seines Captains über sein eigenes stellte. Der würde all das, was Piers für ihn getan hatte, niemals wieder gut machen können, das wusste er ganz genau.

Umso mehr musste er sich nun anstrengen, dem jungen Scharfschützen ein guter Captain zu sein, damit er Piers’ Respekt und Bewunderung auch wirklich wieder verdient hatte.
 

„Das heißt also, Sherry und ich werden uns bei Hunnigan melden und uns dann auf den Weg zu ihr machen. Wir müssen versuchen, den Ursprung des Virus-Ausbruchs zu finden und Schlimmeres zu verhindern.“

„Ich hoffe, das bekommen wir hin…“

Sherry seufzte leise und atmete tief durch.

Eigentlich hatte sie Chris erst bitten wollen, bei der Suche nach Jake dabei sein zu dürfen, weil sie sich doch sehr um ihn sorgte, aber sie vertraute Chris und dessen Partner blind.

Und sie wollte nun auch nicht irgendwelche Ansprüche stellen, nur, damit sie selber sich besser fühlte.

Gut, Leon hatte das getan. Aber das war etwas anderes. Er durfte das. Er hatte in seinem Leben genug geleistet, Ada war für ihn…

Ja, was war sie für ihn? Liebte er sie?

Und Sherry selber? Liebte sie nicht auch Jake?

Da waren Gefühle, das konnte sie nicht bestreiten. Und wenn sie nun an ihn dachte, daran, was ihm vielleicht passieren konnte, begannen ihre Beine zu zittern, bekam sie richtige Angst um den Söldner.
 

„Sherry, ist alles in Ordnung?“

Erschrocken zuckte die junge Frau bei Leons Worten zusammen und hob ertappt den Blick.

Sie sah es in seinen Augen, dass er wusste, was in ihr vorging.

Aber sie musste nun stark sein, sie musste sich zusammenreißen.

Die Aufgaben waren verteilt worden, und nun musste die junge Agentin alles daran setzen, ihre gemeinsam mit Jill zu erfüllen.

Und sie wusste, dass Chris und Piers auch alles tun würden, um ihr… um Jake heile zurück zu bringen. Daran zweifelte sie nicht.

Also atmete die Blonde tief durch, erwiderte Leons Blick und nickte leicht.

„Alles in Ordnung“, erwiderte sie und straffte leicht die Schultern.
 

Jake war stark, sehr stark. Und er war auch nicht dumm, nur vielleicht etwas übereifrig.

Vermutlich war das der Grund, aus dem er und Piers sich einfach nicht verstanden. Sie waren sich in gewisser Weise da doch sehr ähnlich.

Jake erzwang mit seiner Sturheit Unabhängigkeit, und Piers stand mit seiner Sturheit treu zur B.S.A.A. und seinem Captain. Für ihn waren diese Leute seine Familie.

‚Und ich mache hier so ein Theater, weil Jake verschwunden ist. Chris und Piers… sie haben alles verloren. Vermutlich gibt es nur noch wenige Mitglieder der B.S.A.A., die am Leben sind. Die, die nicht im HQ waren. Aber Jake geht es bestimmt gut, er packt das schon. Und Chris und Piers werden ihn finden. Die Beiden machen doch weitaus mehr durch als ich’, dachte Sherry traurig, und sie hätte sich für ihre vorherigen egoistischen Gedanken selbst ohrfeigen können.
 

„Gut, dann hätten wir die Gruppen also aufgeteilt. Ich denke, wir sollten uns noch ein paar Minuten ausruhen und vorbereiten, dann sollten wir gemeinsam einen Waffenladen aufsuchen, um unsere Vorräte aufzufrischen, ehe wir uns dann getrennt auf den Weg machen, um diesem Wahnsinn hier endlich ein Ende zu bereiten“, ergriff letzten Endes dann wieder Chris das Wort, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass jeder seine Aufgabe verstanden und akzeptiert hatte.

Er wollte niemanden zu etwas zwingen, sie alle waren freie Menschen. Und wenn jemand sich beschweren wollte, wenn einem von ihnen etwas nicht passte, so hatte jeder von ihnen das Recht, frei zu sprechen.

Aber sie alle wussten auch, was hier auf dem Spiel stand, und sie alle waren professionell genug, das höhere Wohl über eigene Bedürfnisse zu stellen.

Und Chris wusste, wie glücklich er sich mit seinen Freunden schätzen konnte.

‚Wenn das vorbei ist’, schwor er sich ‚werde ich sie alle zu einem richtig großen Essen einladen. Das macht zwar mein Verhalten nicht wieder gut, aber immerhin kann ich ihnen damit meine Dankbarkeit für ihre Unterstützung ausdrücken. Ohne sie… ohne sie wäre Piers nun tot, ebenso wie Leon. Und ich… ich würde vermutlich massenmordend an Weskers Seite durch das Land schreiten. Nein… nein, ich wäre heute gar nicht mehr hier. Denn ohne Piers hätte ich vielleicht damals tot in einer Seitenstraße Edonias geendet.'

This is where Roads part

Chris stand schweigend am Fenster und blickte hinaus.

In Zweier-Gruppen los zu ziehen hielt er zwar immer noch für eine gefährliche Idee, aber er wusste auch, dass es nicht anders ging.

Es gab einfach zu viel zu tun. Zu viel an zu verschiedenen Orten.

Er seufzte leise, schloss leicht die Augen und lehnte die Stirn gegen das kühle Glas der Fensterscheibe.

Dann öffnete er die Augen wieder, hob die rechte Hand an und betrachtete diese nachdenklich.

Den Verband hatte er entfernt, und es war nur noch eine dünne Narbe auf seinem Handrücken zu erkennen, dort, wo Adas Pfeil ihn getroffen hatte.

Er war ein wenig verwirrt darüber, dass die Asiatin ihn wirklich nur von seinem Angriff abgehalten hatte, war aber sicher, dass sie ihn nur Leon zuliebe nicht einfach umgebracht hatte.

So oder so, er beschwerte sich bestimmt nicht darüber.

Das hätte er höchstens getan, wenn es nicht funktioniert, und er selber den Jüngeren doch umgebracht hätte.

Verletzt hatte er ihn ja, und auch wenn Leon behauptete, dass es halb so wild war, konnte Chris sich das einfach nicht verzeihen.
 

Aber es brachte auch nichts, Leon darauf anzusprechen, um sich noch einmal zu entschuldigen. Dieser wollte davon nichts hören.

Es war passiert, Chris war nicht er selbst gewesen und konnte somit nichts dafür, und damit war das Gespräch für den Special Agent beendet gewesen.

Dieses Gespräch, dieses unglaublich kurze und dennoch nervenaufreibende Gespräch, hatte wenige Minuten zuvor stattgefunden.

Und seitdem stand Chris hier und blickte hinaus, sich fragend, ob Leon ihm wirklich nicht böse war, oder ob er einfach nicht mehr darüber reden wollte.

Aber so wie Chris den Jüngeren kannte, war der wider alle Logik tatsächlich nicht sauer auf ihn. Obwohl er es hätte sein sollen, sein müssen!

Aber das Thema hatten sie ja in den letzten Tagen und Stunden schon oft genug gehabt.

Und Chris wurde auch weiterhin nicht schlau aus den Anderen, die ihm hier einfach alles durchgehen ließen.
 

„Captain, kommen Sie endlich. Sie müssen auch wieder richtig zu Kräften kommen!“, hörte Chris nun Piers’ Stimme hinter sich, seufzte erneut und wandte sich dann von dem Fenster ab, um auf den Tisch zu zu gehen, an dem die Anderen nun saßen, mit etwas Brot, Wurst, Käse, Obst, Wasser und Saft vor sich.

Piers hatte ja recht.

Sie hatten alle seit einer gefühlten Ewigkeit nichts mehr gegessen.

Und mit leerem Magen irgendwelchen BOWs und Wesker hinterher zu jagen, war sicherlich keine gute Idee.

Wenn einer von ihnen am Ende vor Hunger oder aus Energiemangel zusammenbrach, war damit ja auch niemandem geholfen.

Und irgendwie bezweifelte der B.S.A.A.-Captain, dass die Lebensmittel, die sich im Kühlschrank befunden hatten, sonst noch von irgendjemandem gebraucht wurden. Zumindest wusste er von keinen Zombies, die es sich bei Brot und Saft gemütlich machten.

Also verdrängte er seine unschönen Gedanken, setzte sich hin und aß und trank dann brav etwas von allem, was die Küche her gegeben hatte.
 


 

Nach einer knappen Stunde, die sie sich für Essen und Trinken genommen hatten, waren sie endgültig aufgebrochen.

Ein Waffenladen war schnell gefunden, und die Gruppe hatte sich dort mit Munition und teilweise neuen Waffen ausgerüstet.

Lieber nahmen sie etwas zu viel mit als zu wenig. Sie hatten ja schon in der Kneipe gesehen, wie schnell einem die Munition ausgehen konnte.

Und wer wusste schon, wann sie das nächste Mal die Gelegenheit bekamen, sich neu auszurüsten?

Chris und Piers nahmen noch Munition und eine zweite Waffe für Jake mit, dann verließen sie den Laden und warteten darauf, dass auch die Anderen ihre günstige Shopping-Tour beendet hatten.

Nun wurde es langsam Zeit für den Abschied.

Sie würden nicht in Kontakt bleiben können, das war zu riskant. Sie würden sich beieinander nur dann melden, wenn es einen Notfall gab. Und wann sie sich alle wiedersehen würden, konnte keiner sagen.

Die Gesuchten konnten sich überall befinden, und es würde sicherlich nicht leicht werden, Ada und Jake zu finden, Wesker zu vernichten und die Zombie-Apokalypse aufzuhalten.
 

Chris seufzte leise und blickte nachdenklich zu Claire, ehe sein Blick auf Leon fiel, der ihm aufmunternd zulächelte.

„Keine Sorge, ich wache mit Argusaugen über deine Schwester“, versprach er, und auch, wenn das eher wie ein Scherz geklungen hatte, war sein Blick dabei doch vollkommen ernst.

Er wusste, dass Claire alles war, was Chris an Familie noch hatte.

Und auch er selber wollte nicht, dass der Jüngeren irgendetwas passierte.

Sie war ihm selber zudem eine wichtige Freundin, und er sorgte sich um sie, auch wenn er wusste, dass sie durchaus in der Lage war, sich selber durchzubeißen.

Das hatte sie schon als Teenager bewiesen.

Und schon damals war Leon mehr als beeindruckt von der jungen Frau gewesen, vor allem, da sie teilweise stärker und gefasster gewirkt hatte als er selber.

Dennoch änderte das nichts an seiner Sorge um sie.
 

„Wenn ihr was passiert, drehe ich dir den Hals um, Kennedy“, murrte Chris leise, ehe es um seine Mundwinkel herum verräterisch zuckte, und er selber wirklich grinsen musste. Das war nun wirklich ein Scherz gewesen, aber der leichte Schrecken, den er für einen Moment in Leons Blick bemerkt hatte, amüsierte ihn köstlich.

Eigentlich war Chris nun wirklich nicht nach lachen zumute, vor allem, wenn es darum ging, dass Claire etwas passieren konnte. Aber irgendwie musste er sich selber aufbauen, er musste einfach positive Gedanken fassen, um seine Sorge um die Anderen zu überspielen.

Seine Schwester wusste er außerdem bei Leon in guten Händen, Und auch bei Sherry wusste er ja, dass sie durchaus was drauf hatte.

Das Gleiche galt natürlich ebenso für Jill. Sie kannte ja auch schon lange genug, um zu wissen, dass sie sich nicht so leicht unterkriegen ließ. Dennoch versetzte es ihm einen leichten Stich, dass sie sich nun trennen mussten.

Er hatte sie so lange nicht gesehen, und nun hatten sie nicht einmal wirklich die Zeit gehabt, richtig miteinander zu reden. Und da war so vieles, was er Jill sagen wollte, und er hatte gemerkt, dass auch ihr etwas auf dem Herzen lag. Vermutlich das Gleiche wie ihm. Zumindest hoffte er das instinktiv.
 

‚Später, es dauert nicht lange. Sie alle werden da heile raus kommen. Und wenn der Virus-Ausbruch eingedämmt und Wesker vernichtet ist… wenn wir mit Jake wieder zurück sind, dann ist alles gut. Dann kannst du ganz lange und ganz viel mit Jill reden, mit ihnen allen. Du kannst dich noch einmal richtig für deine Ignoranz und Dummheit entschuldigen, und du kannst sie dann alle zum Essen einladen’, sprach sich Chris nun Mut zu, ehe er tief durchatmete und den Blick von Jill ab wandte, um sich nun Piers zuzuwenden.

Er musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren und sich ganz auf seine Aufgabe konzentrieren. Das war im Moment einfach das Wichtigste.
 


 

„Bist du bereit?“

Das war eine überflüssige Frage gewesen, natürlich, denn Chris hatte noch nie erlebt, dass Piers darauf mal mit einem Nein geantwortet hätte. Wenn er bereit zu sein hatte, war er es auch.

Piers hätte nie zugelassen, mal der Grund für eine Verzögerung zu sein. Dazu nahm er seinen Job viel zu ernst.

Er wollte, dass immer alles perfekt lief, er wollte immer alles richtig machen. Der junge Scharfschütze war verdammt ehrgeizig.

Darum hatte Chris in ihm ja auch den perfekten Nachfolger gesehen. Aber natürlich war das nur einer von unglaublich vielen Gründen gewesen. Nicht zuletzt war er so überzeugt von dem jungen Mann, weil dieser bis zum Ende durchgehalten und treu an seiner Seite gestanden hatte. Und das hatte sich nicht geändert.
 

Chris dachte erneut darüber nach, aus dem aktiven Dienst zurück zu treten. Langsam wurde ihm das wirklich zu viel. Und er merkte, dass seine Psyche das auch nicht mehr lange mitmachte. Er wurde nicht jünger, er ließ nach, das konnte er nicht mehr leugnen. Und Andere mussten darunter leiden.

Vielleicht konnte er für Piers dann so etwas werden wie Hunnigan für Leon.

Dann konnte er ihn vom Schreibtisch aus weiter begleiten, möglicherweise konnte er dann auch einfach junge, neue Soldaten ausbilden. Irgendetwas tun musste er auf jeden Fall.

Aber von der aktiven Jagd nach BOWs würde er Abstand halten.

Er wollte gerne weiter machen, er wusste, dass er niemals einfach damit aufhören könnte.

Aber Chris hatte auch gesehen, dass er so niemandem eine Hilfe war.

In der letzten Zeit hatte er Piers und den Anderen nun einmal wirklich mehr Ärger als Hilfe bereitet.

Und er wollte nicht, dass wegen ihm noch mehr gute Menschen starben, nur, weil er seine Emotionen nicht mehr im Griff hatte.

Nein, wenn das hier vorbei war, dann würde er Piers erneut bitten, seine Nachfolge anzutreten, der Entschluss stand fest.

Und dann würden sie die B.S.A.A. Nordamerika gemeinsam wieder aufbauen.

Und Chris war sicher, dass Jill ihnen dabei behilflich sein würde. Und vielleicht, hoffentlich, lebten auch Rebecca, Barry und ein paar der Anderen noch.

Auf jeden Fall würde Chris jeden, den er bei der B.S.A.A. kannte, anrufen, würde versuchen, jeden Einzelnen zu erreichen, in der Hoffnung, dass es vielleicht doch noch ein paar Männer und Frauen gab, die sich zum Zeitpunkt der Explosion nicht im Hauptquartier befunden hatten.
 

Ein leichtes Lächeln huschte bei dem Gedanken über seine Lippen.

Das war ein guter Plan, ein hervorragender Plan.

So konnte er wieder ein wenig von seinem Verhalten gut machen.

Er musste endlich mit der Vergangenheit abschließen und nach vorne sehen.

Nichts von dem, was passiert war, war mehr zu ändern, ob er nun schuld hatte oder nicht.

Aber für die Zukunft konnte Chris es auf jeden Fall besser machen. Und genau das nahm er sich auch vor.
 

„Kommt mir bitte alle heile zurück, ja?“, bat er die Anderen dann nach einer Weile, während er noch einmal einen Blick in die Runde warf und die Gedanken erst einmal zurück drängte. Dazu war ja später auch noch Zeit. Nun musste er sich erst einmal auf Wesker und Jake konzentrieren.

Er vertraute jedem Einzelnen der hier Anwesenden.

Seinen Freunden, seiner Familie…

Und um jeden Einzelnen sorgte er sich, genau so wie er wusste, dass sie sich um ihn sorgten.

Es musste einfach gut gehen, er wollte nicht noch mehr geliebte Menschen verlieren…
 

„Klar, wir kommen heile zurück. Wir alle. Passt ihr nur auch gut auf euch auf“, erwiderte Leon, ehe er Chris aufmunternd eine Hand auf die Schulter legte und leichten Druck ausübte.

Er konnte förmlich sehen, was in Chris vor sich ging.

Und er wollte nicht, dass der Ältere sich nun die ganze Zeit über Sorgen um seine Freunde machte.

Er musste sich nun auf sich selber konzentrieren.

Auf sich selber, auf Piers und auf die Suche nach Jake und Wesker.

Ihre Aufgabe war mit die schwerste von allen.

Denn sie mussten Wesker auch vernichten, sie mussten ihn endgültig töten.

Leon wollte wirklich nicht mit Chris tauschen, und selbst wenn, er wusste genau, dass dieser das niemals zugelassen hätte.

Wesker auszulöschen sah Chris als seine Bestimmung an.

Er war sein Erzfeind, so war es schon immer gewesen.

Er selber würde sich seinem ehemaligen Captain stellen, und niemand sonst sollte sich dieser Gefahr aussetzen müssen.
 

Auch, wenn er genau wusste, dass er Piers letztendlich nicht davon würde abhalten können.

Der junge Soldat würde einen derartigen Befehl ohne zu zögern verweigern.

Dazu war ihm Chris’ Leben viel zu wichtig.

Außerdem waren sie ein Team. Ein Team bis zum bitteren Ende.

Piers war nun der einzige Soldat, den Chris noch hatte. Und so musste er sich besonders anstrengen. Er musste perfekt funktionieren.

Und im Notfall würde er es noch ein zweites Mal darauf ankommen lassen und das Virus nutzen.

Vielleicht würde es funktionieren, vielleicht er dieses Mal endgültig sterben.

Aber wenn Wesker so vernichtet werden konnte, wenn die Welt so gerettet werden konnte, dann war es das allemal wert.

Und dafür opferte Piers sich dann auch liebend gern, das hatte er ja schon mehr als einmal bewiesen.

Und Chris würde wiederum alles dafür tun, dass es soweit nicht noch einmal kam.
 

Ein letztes Mal blickte Chris in die Ruhe, wobei sein Blick längere Zeit auf Jill verweilte.

Diese blinzelte leicht, legte den Kopf schief und atmete dann tief durch, ehe sie sich einen Ruck gab und den Mut fasste, das zu tun, was sie schon längst hätte tun sollen.

Sie bedeutete Sherry, einen kurzen Moment zu warten, dann trat sie auf Chris zu, stellte sich leicht auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Wange.

„Pass auf dich auf und komm heile zurück, ja?“, murmelte sie leise in sein Ohr, ehe sie den Kopf leicht an seine Schulter lehnte.

Jetzt, da sie sich ihrer Gefühle endlich so sicher war, da sie den Mut gefasst hatte, sie zu zeigen, wollte sie Chris erst recht nicht verlieren. Gut, das wollte sie ja so oder so nicht.

Er musste Wesker einfach vernichten und lebend zurück kommen, er musste!
 

Chris blinzelte bei Jills Tun erst einmal mehr als verwirrt und errötete leicht, weil er damit nun wirklich nicht gerechnet hatte, ehe er eine Hand anhob und sanft über Jills Wange strich.

„Ich komme zurück, versprochen. Wir alle werden zurück kommen, da bin ich sicher. Wir haben endlich auch mal richtiges Glück verdient“, murmelte er dann leise, ehe auch er sich nun einen Ruck gab, Jills Kinn etwas anhob und ihr seinerseits einen leichten Kuss auf die Lippen drückte, den die Jüngere nur zu gerne erwiderte.

Chris hätte ewig so hier mit ihr stehen können. Er wollte, dass dieser Moment niemals endete. Aber er wusste auch, dass das leider nicht ging.

Kurz vertiefte Chris den Kuss und seufzte leise gegen Jills Lippen, dann aber löste er sich wieder und atmete tief durch.

Der B.S.A.A.-Captain wollte den Abschied nicht noch länger hinauszögern, er wollte es nicht noch schlimmer machen als es ohnehin schon war.

Und vor allem brannte er nun förmlich darauf, mit Piers alleine zu sein, um diesem für sein freches Grinsen eine ordentliche Kopfnuss zu verpassen…

Du gehörst mir!

Jake blickte sich schweigend in dem Zimmer um, in das sein Vater ihn gebracht hatte.

Es war das gleiche Wohnzimmer, in dem sich auch Chris zuvor schon zum gleichen Zweck befunden hatte. Aber natürlich wusste Jake davon nichts. Woher auch?

Da Wesker die ganze Zeit über zu tun gehabt hatte und nicht mehr hier gewesen war, wirkte das Haus noch immer, als wäre es seit den späten 90ern nicht mehr benutzt worden.

Aber der Söldner störte sich daran nicht im Geringsten. Er musste hanz im Gegenteil zugeben, dass es ihm sogar irgendwie gefiel.

Er saß auf der Couch, hatte sich zurückgelehnt und wartete darauf, dass Wesker zurück kam. Dieser war nur eben in die Küche gegangen, um ihm etwas zu Trinken zu holen.

Und noch immer vermutete Jake hinter alledem keine Falle des Blonden.

Nein, er war sicher, dass sein Vater sich letztendlich doch dazu entschieden hatte, ihm die Chance zu einem Gespräch zu geben. Warum, hätte er selber nicht sagen können.
 

Und natürlich ging da in Wesker etwas ganz anderes vor.

Der Blonde hatte nach wie vor nicht das geringste Interesse an einem Gespräch mit seinem Sohn. Und er wollte diesem auch nicht einfach nur ein Glas Wasser bringen.

Zwar hatte er ein Glas mit Wasser gefüllt, aber in dieses hatte er etwas von dem Mittel gemischt, das er damals auch schon verwendet hatte, um Chris’ Erinnerungen auszulöschen.

Kein Geruch, kein Geschmack, keine Farbe.

Jake würde gar nicht merken, wie ihm geschah, ehe es ohnehin schon zu spät war. Ein wundervoller Plan.
 

Aber Wesker wollte auch nicht zu voreilig in seinem vermeintlichen Ruhm baden.

Bei Chris hatte alles so perfekt gewirkt, und am Ende war dennoch einfach alles schief gelaufen.

Das durfte nicht noch einmal passieren.

Der Vorteil war, dass er in Jake dieses Mal ein Opfer hatte, das im Grunde freiwillig zu ihm gekommen war. Und er musste sich bei diesem auch keine Sorgen um die Welt um sie herum machen.

Immerhin wollte er seinen Sohn nicht davon überzeugen, mehr als 15 Jahr in der Vergangenheit zu leben, das reichte ohnehin nicht aus.

Nein, hier musste er ein wenig anders vorgehen.

Das Gute war, dass Jake ein wenig unsicher schien.

Er war aus freien Stücken mit gekommen, er hatte ihn zuvor von sich aus aufgesucht.

Er war Wesker also nicht so abgeneigt, wie zum Beispiel Chris, für den er ein Erzfeind war.

Es war also möglich, Jake so weit zu bekommen, ihm am Ende wirklich zu vertrauen.

Vielleicht wäre ihm das auch gelungen, hätte er sich doch zu einem Gespräch herabgelassen, aber das wollte er nicht. Zudem konnte man ja nie sicher genug sein. Vorsicht war bekanntlich besser als Nachsicht.
 

Abgesehen davon hatte Wesker sich nicht umsonst die ganze Mühe gemacht, an dieses Mittel zu kommen.

Und Chris hatte ja gezeigt, dass es durchaus wirkte.

Bei ihm war da nur das Problem gewesen, dass seine Freunde ungeplant aufgetaucht waren.

Es hatte zu viele Komponenten gegeben, die Wesker nicht hatte beeinflussen können.

Die Zeit, die Menschen um Chris herum…

Bei Jake würde es auf jeden Fall leichter werden.

In Chris und den Anderen sah er keine engen Freunde. Hier konnte nur die blonde Agentin zu einem ernsthaften Problem werden. Aber mit der wurde Wesker allemal fertig, wenn es sein musste.

Dass Chris und Piers bereits auf dem Weg waren, um Jake zurück zu holen, wusste er ja nicht. Aber auch das hätte nicht viel geändert, auch mit den Beiden wurde er fertig.
 

Piers…

Diesen jungen Mann hasste Wesker langsam wirklich fast noch mehr als Chris.

Wäre er nicht gewesen, hätte der Bengel sich nicht selber das Messer rein gerammt, hätte Wesker da vielleicht einen Teilerfolg erzielen können. Dann hätte er nicht wie ein feiges Huhn fliehen müssen.

Warum musste sich Chris auch immer so nervige Freunde suchen, die es sich scheinbar jedes Mal zum Hobby machten, sich für Chris opfern zu wollen?

Und jedes Mal überlebten sie dann doch irgendwie.

Jill hatte überlebt, Sheva war gar nicht erst dazu gekommen, sich zu opfern, und auch Piers hatte jetzt schon zum zweiten Mal mehr Glück als Verstand gehabt und war noch am Leben.

Und so hatte Wesker wieder einmal auf ganzer Linie versagt.
 

Langsam fragte er sich ja selber, warum er das alles überhaupt noch mit machte, warum er sich diese Demütigungen Mal um Mal antat.

Aber die Antwort war ja eigentlich ganz einfach. Er war zu stur, um einzusehen, dass er nicht weiter kam, dass er Chris und den Anderen unterlegen war.

Er konnte das nicht auf sich sitzen lassen.

Zudem war auch er selber noch nicht besiegt. Er lebte. Noch oder wieder, das spielte keine Rolle. Er war noch da, und er hatte noch immer die Chance, Chris auszulöschen.

Und solange diese Chance bestand, würde er nicht aufgeben. Ebenso wenig wie sein Erzfeind, das wusste er ganz genau.

Er musste Chris nur irgendwann einmal alleine antreffen.

Aber diese Klette von Piers würde er vermutlich so schnell nicht los werden, der wich ja kaum von Chris’ Seite.

Aber gut, auch gegen beide zudammen hatte er noch eine Chance, solange der ganze Rest nicht auch an ihnen klebte.

Und Ada war ja auch noch irgendwo da draußen. Zumindest dieser Leon würde sich dann wohl eher der Suche nach ihr zuwenden wollen.
 

„Hier…“, murmelte Wesker nun, während er die Gedanken erst einmal zurückdrängte.

Er war ins Wohnzimmer zurück gekommen und hielt Jake nun das Glas vor die Nase, der es dankend annahm, erst einmal jedoch einfach nur betrachtete und in der Hand drehte.

Aber wenn er selber es noch länger festgehalten hätte, hätte er es in seiner Wut vermutlich einfach zerdrückt. Und er wollte ja auch endlich wissen, in wie weit er seinen Sohn nun mit dem Mittel kontrollieren konnte.

Was er tun würde, wenn es doch nicht klappen sollte, hatte er sich noch gar nicht überlegt.

An diese Möglichkeit wollte er im Moment auch einfach nicht denken.

Obwohl es eigentlich wirklich nicht Weskers Art war, schien er langsam aber sicher nachlässig zu werden, unkonzentriert.
 

Er verlor eben einfach die Geduld, wurde dadurch aber dummerweise auch immer unvorsichtiger.

Er wollte endlich einen wirklichen Sieg erringen.

So viel hatte er schon erreicht, aber am Ende war er doch auch jedes Mal gescheitert. Es gab nichts, was ihn über einen längeren Zeitraum zufrieden gestellt hatte. Bis vielleicht auf die Infizierung mit dem T-Virus. Aber das war nun wirklich nicht genug.

All die Jahre, fast sein ganzes Leben lang, hatte Wesker mehr als hart für seine Ziele gearbeitet, hatte alles und jeden verraten, sich alles zunutze gemacht, was er hatte finden können.

Also wo war jetzt endlich sein verdammter Lohn für all diese Mühen?

Warum konnte er nicht endlich sein Ziel erreichen? Warum schaffte er es noch nicht einmal, einen einzigen bestimmten Menschen auszuradieren?

Und er hatte die gesamte Menschheit auslöschen wollen.

Fast hätte er bei dem Gedanken laut losgelacht. Er bekam ja nicht einmal Chris klein.

Aber so gerade eben konnte sich Wesker noch zusammenreißen und sich darauf besinnen, dass er hier nicht alleine war.
 

„Alles in Ordnung?“, holte ihn Jake dann auch schon aus seinen Gedanken zurück.

Wesker hatte es sich verkneifen können, los zu lachen, aber man schien ihm dennoch anzusehen, dass irgendetwas los war.

Der Blonde atmete tief durch, nickte nur knapp und sah Jake dann nachdenklich an.

Der Junge hatte noch nicht einmal an seinem Glas genippt, wie es aussah.

Konnte eigentlich mal irgendetwas so laufen wie es sollte?

Wesker verkniff sich jedoch eine diesbezügliche Anmerkung.

Er durfte seinen Sohn nicht zum Trinken drängen, das hätte dann vermutlich doch nur einen unnötigen Verdacht in diesem geweckt.

Wieder einmal musste er sich in Geduld üben, aber das war er ja mittlerweile gewohnt.

Und auf ein paar Minuten mehr oder weniger kam es nun ja auch wirklich nicht mehr an.

Und Jake war ohnehin schon naiver als Wesker angenommen hatte.
 

Es sah ganz danach aus, als wäre Jakes Wunsch, ein vernünftiges Gespräch mit seinem Vater zu führen, stärker als jedes andere Gefühl.

Und für den Blonden war das ja nur von Vorteil.

Wenn Jake schon in normalem Zustand so ‚zutraulich’ war, würde es mit dem Mittel ein Klacks werden, den Jungen nach seinen eigenen Wünschen umzuformen.

Er hätte das Mittel vermutlich wirklich nicht gebraucht, aber es schadete sicherlich auch nicht.

Die Frage war nur, wie viel Jake vergessen würde, wie anders, besser oder schlechter, das Zeug wirkte, wenn man es mit dem Trinken zu sich nahm und nicht direkt ins Blut injiziert bekam.
 

Aber das würde Wesker ja schon sehr bald erfahren.

Vorausgesetzt natürlich, Jake trank jetzt endlich von dem präparierten Wasser.

Wurde der Junge langsam vielleicht doch ein wenig kritisch?

Fing er an, zu zweifeln? Erkannte er, wie dumm es war, freiwillig zu Albert Wesker zu gehen?

Oder gab es einen anderen Grund?

Wurde nur er selber langsam aber sicher paranoid, weil er zu ungeduldig war?

Aber ganz egal, was es auch war, es war ohnehin längst zu spät.

Wenn der Söldner sich weigerte, von dem Wasser zu trinken, fand Wesker eben einen anderen Weg.

Er hatte es bei Chris geschafft, da würde es ihm bei seinem Sohn erst recht gelingen.

Es wäre ihm nur lieber, wenn es nicht so weit kommen musste, sondern Jake es ihm weiterhin so leicht wie möglich machte.

Langsam wurde der Blonde nämlich wirklich ein wenig müde.

Aber schlafen konnte und wollte er nicht, solange er sich bei Jake nicht wirklich sicher war.
 


 

„Doch keinen Durst?“

Wesker wollte nicht länger schweigend rum stehen. Vielleicht hatte Jake das Glas in seiner Hand ja auch einfach vergessen.

Die Frage, die er nun stellte, war zudem eine Frage, die keinen Verdacht verursachen würde. Er drängte Jake nicht, er zeigte nur in gewisser Weise Interesse.

Und das war ja ohnehin etwas, das Jake sich zu wünschen schien.

Dann ging er eben doch einen kleinen Schritt auf den Jungen zu. Es tat ja nicht weh.
 

Jake seufzte leise, blickte sein Glas an und schüttelte dann leicht den Kopf.

„Doch… doch, ich habe Durst. Ich hab’ nur nachgedacht“, murmelte er dann.

Was zum Teufel machte er eigentlich hier?

War er lebensmüde? Lernte er denn gar nicht aus seinen Fehlern?

Jake spürte noch immer deutlich die Schmerzen im Magen, die Wesker ihm durch den Schlag zugefügt hatte.

Der Mann hatte nichts für ihn übrig, das hatte er ihm klar gemacht.

Und er war doch sicherlich nicht ernsthaft zu dem Häuschen gekommen, um ihn für eine Plauderstunde abzuholen.

Irgendetwas stimmte hier ganz gewaltig nicht, das stand fest.

Aber wie sein Vater war Jake einfach zu stur, das wirklich einzusehen.

Er wollte keinen Rückzieher machen. Und er konnte jetzt auch gar nicht zurück.

Der Söldner konnte sich gut vorstellen, mit wie wenig Begeisterung man ihn begrüßt hätte, wäre er nun zu den Anderen zurück gekehrt.

Dass Chris und Piers tatsächlich auf dem Weg waren, um Wesker zu vernichten und ihn zu retten, konnte er ja nicht ahnen.
 

Aber er war auch nicht sicher, ob eine solche Rettung überhaupt nötig gewesen wäre.

Er wusste, was sein Vater getan hatte, dass er ein Monster war.

Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass das gleiche Blut durch seine Adern lief.

Und Blut war eben dicker als Wasser.

Aus dem Grund war Wesker selber ja auch so sicher, bei Jake wirkliche Erfolgsaussichten zu haben.

Hass oder nicht, fremd oder nicht, Jake war nun einmal sein Sohn. Das hatten sie ja mittlerweile beide begriffen.

Und er war beim ersten Mal von sich aus zu ihm gekommen.

Und auch jetzt war er ihm aus freien Stücken gefolgt. Wesker hatte ihn zu nichts gezwungen.

Das alles konnte der Blonde auf jeden Fall zu seinem Vorteil nutzen.

Und das würde er auch tun, natürlich.

Ihm lag ja nichts an diesem Jungen, er war ihm egal. Wie jeder andere Mensch sollte er auch nur dazu dienen, seine Ziele zu erreichen. Irgendwann musste das ja einfach mal klappen, das redete sich Wesker noch immer stur ein.

‚Du gehörst mir, Jake. Ich habe dich schon längst in der Hand, auch wenn dir das gar nicht bewusst ist. Du machst es mir auch einfach viel zu leicht. Und dafür danke ich dir von ganzem Herzen, …mein Sohn…’

Eine schwere Entscheidung

Sohn…

Dieser Junge war sein Sohn.

Verdammt, warum machte ihn das so verrückt?

Warum zerbrach er sich so dermaßen den Kopf über diese Tatsache?

Es war doch wirklich zum Verzweifeln.

‚Was ist nur los mit mir…?’, fragte Wesker sich in Gedanken und schloss für einen Moment die Augen.

Das durfte doch alles nicht wahr sein. Versagte er etwa schon wieder?

Ließ er, Albert Wesker, sich jetzt schon von Gefühlen manipulieren?

Wie armselig...
 

„Wesker… Dad, was…? Argh…“

Der Blonde hob erschrocken den Blick, als er den Schmerzenslaut von Jake vernahm. Oder war es die Tatsache, dass er ihn Vater genannt hatte, die ihn hatte aufhorchen lassen? Aber was für eine Rolle spielte das schon?

Wesker hatte reagiert, egal, warum.

Der Junge war ihm nicht egal, nicht im Geringsten. Er war…

Doch, natürlich war er ihm egal. Was für unsinnige Gedanken machte sich der Blonde da eigentlich?

Er interessierte sich doch nur für seinen Sohn, weil der noch nützlich werden konnte.

Das war alles, so einfach war das.

Wesker wurde langsam aber sicher anscheinend wirklich zu müde, wenn er schon so einen Unsinn dachte.

Er seufzte einmal leise, öffnete die Augen wieder und blickte nun zu seinem Sohn, um zu sehen, was diesen zu seinem Schmerzenslaut veranlasst hatte.
 

Jake war auf der Couch etwas zusammengesunken und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Bauch. Die Schmerzen kamen also allem Anschein nach von dem Schlag, den der Blonde ihm verpasst hatte.

Und er hatte Glück, dass Wesker nur mit sehr wenig Kraft zugeschlagen hatte.

Kommentarlos löste sich dieser nun von der Wand, ging in die Küche und kam dann mit einer Tablette zurück, die er in Jakes Wasserglas fallen ließ, wo sie sich sprudelnd auflöste.

„Trink das, jetzt. Und keine Widerrede“, ,meinte Wesker nur knapp, wobei er sich ein triumphales Grinsen gerade in letzter Sekunde verkneifen konnte.

Jetzt hatte er endlich einen Grund, Jake zum Trinken zu drängen.

Und der würde vermutlich auch noch glauben, sein Vater mache sich Sorgen um ihn. Wie lächerlich.

Sowas von lächerlich…
 


 

„Sag mal, spinnst du eigentlich!?“

Ruckartig sprang Jake auf, als sich der Inhalt des Glases über seinen Pullover und die Hose ergoss.

Seltsamerweise wirkte Wesker darüber allerdings kaum weniger verwirrt als er selber.

Der Söldner hatte gerade murrend das Glas angehoben, um den Inhalt samt Tablette runter zu kippen, als sein Vater mit einem Mal ausgeholt und ihm das Glas einfach aus der Hand geschlagen hatte, ohne jede Vorwarnung, ohne einen ersichtlichen Grund.

Es lag nun in einigen Metern Entfernung auf dem Teppich, tatsächlich vollkommen unversehrt, und tränkte den Stoff mit dem restlichen Wasser, und somit auch mit dem Mittel und der halb aufgelösten Tablette.

„Was… sollte das? Verdammt, Alter, ich red mit…“

Wieder ließ Jake einen Laut des Schmerzes hören, und dieses Mal klang es schon fast nach einem qualvollen Wimmern, mit dem er sich kraftlos wieder auf die Couch fallen ließ, ehe er die Augen zusammenkniff und sich leicht auf die Lippen biss.

Das ruckartige Aufstehen war alles andere als eine gute Idee gewesen.

Aber die dummen Ideen häuften sich bei ihm in letzter Zeit ja ohnehin irgendwie. Darum war er ja auch überhaupt erst her gekommen.

Und natürlich musste er nun wieder für seine Sturheit und Dummheit bezahlen. Das war aber auch nur gerecht, wie er fand.
 

Starke aber erschreckend sanfte Hände legten sich auf Jakes Schultern und drückten ihn nach unten, damit er nicht doch noch einmal aufstand.

„Bleib ruhig sitzen, tief durchatmen…“

Der Söldner blinzelte leicht und war einen Moment lang versucht, eine Hand anzuheben, um diese dann an Weskers Stirn zu legen. Aber dazu war er durch die Schmerzen und die Verwirrung viel zu schlapp.

Hatte der Kerl Fieber oder versuchte er gerade nur irgendeinen Trick? Oder… oder war das am Ende wirklich noch echte Sorge?

Nein, das konnte Jake sich beim besten Willen nicht vorstellen. Er hatte da immerhin Albert Wesker vor sich.
 

Müde hob er also den Kopf und blickte seinen Vater an, in der Hoffnung, so irgendwie schlau aus ihm zu werden.

Das Fieber konnte er schon mal ausschließen.

Selbst durch die dunklen Gläser und bei dem rötlichen Schimmer erkannte er, wie klar Weskers Augen waren.

Und in ihnen lag auch etwas, das gut und gerne Sorge gewesen sein konnte, zumindest ein sehr ähnliches Gefühl.

Auf jeden Fall war es etwas, das Jake bei ihm niemals vermutet hätte. Und es war echt. Nicht einmal Wesker konnte ein solches Gefühl so überzeugend spielen. Ein Gefühl, das er vermutlich nicht einmal wirklich kannte. Oder zumindest hatte er es bis jetzt nicht gekannt.

Was war hier nur los?
 

Auch Wesker selber war noch immer verwirrt von dem, was er gerade getan hatte.

Was hatte er überhaupt getan? Warum hatte er es getan?

Verwundert blinzelte er seine Hand an und sah dann zu dem Glas auf dem Teppich.

Er hatte es einfach nicht zulassen können.

Ganz gleich, was er auch versuchte, sich selber einreden zu wollen, er hatte einfach nicht zulassen können, dass er seinen Sohn mit diesem verdammten Mittel manipulierte.

Und er konnte auch nicht länger vorgeben, dass der Junge ihm egal war, dass er ihn nur benutzen wollte.

Er bedeutete ihm etwas. Und diese Erkenntnis traf Wesker wie ein Schlag.

Das konnte einfach nicht sein, das durfte nicht sein!

Wenn dieser Junge, ein völlig Fremder, ihn schon so erweichte, war es dann möglich, dass er irgendwann auch Chris…?

Nein, nein, das war wirklich vollkommen lächerlich.

Er hasste Chris abgrundtief und das würde sich niemals ändern.

Jake mochte er nur, weil dieser bisher nichts getan hatte, was seinen Hass hätte entfachen können, und vielleicht, weil er sein Sohn war.

Chris würde er auf ewig hassen, solange, bis einer von ihnen tot war.

Und wenn Chris der Erste war, der starb, dann würde er ihn vermutlich selbst dann noch hassen, bis in alle Ewigkeit, bis er dann selber starb.
 

„Ich warte auf eine Erklärung, Wesker…“

Jakes Stimme klang müde aber fest.

Noch immer ruhten Weskers Hände auf seinen Schultern, die dieser nun aber löste, ehe er einen Schritt zurück ging und sich müde durch die kurzen blonden Haare fuhr.

Eine Erklärung, natürlich.

Und wie sollte er das erklären?

Konnte Wesker es wirklich riskieren, diesem jungen Mann seine Schwäche zu gestehen?

Konnte er ihm sagen, dass er sich um ihn sorgte?

Es war keine leichte Entscheidung.
 

Wesker war der König der Lügner.

Er konnte Jake auch irgendetwas auftischen, das dieser vermutlich auch noch sofort geglaubt hätte.

So viele Leute hatte Wesker so schon hintergangen und benutzt, da schaffte er es auch bei seinem Sohn.

Aber wollte er das wirklich?

Wollte er den einzigen Menschen, für den er tatsächlich etwas empfand, wirklich so belügen?

Die Antwort war ein ganz klares Nein.

Nicht, wenn er sich solche Gedanken darüber machte, nicht, wenn er so unsicher war.

Wenn ihn das schon so sehr beschäftigte, dann musste er zu Jake einfach ehrlich sein, es ging nicht anders. So schwer es ihm auch fiel, sich das einzugestehen.
 

Seufzend ließ sich Wesker nun auf den Sessel fallen, lehnte sich zurück und schloss leicht die Augen, was Jake nun natürlich gar nicht mehr sah.

„Ich wollte… dich kontrollieren, deine Erinnerungen auslöschen. Das Mittel war in dem Wasserglas“, murmelte er, und Jakes Blick wanderte gleich zu dem Glas.

Konnte das wirklich sein?

Hatte Wesker am Ende tatsächlich ein schlechtes Gewissen bekommen und das Glas aus seiner Hand geschlagen, damit er das Zeug nicht trank?

Aber Albert Wesker und ein Gewissen?

Auf der anderen Seite hatte Jake ja zuvor schon die Sorge in seinem Blick gemerkt, die auf jeden Fall echt gewesen war.

Es ergab also langsam alles einen Sinn, sah man davon ab, dass hier eben um Wesker ging.
 

„Und dann hast du entschieden, dass du es einfach nicht kannst… und hast mir das Glas aus der Hand geschlagen“, murmelte Jake nun und wandte seinen Blick wieder seinem Vater zu, der auf diese Frage hin nur mit einem knappen Nicken antwortete.

Jake war ein wenig wütend, aber er konnte Wesker nicht anschreien, dann viel stärker war das Gefühl der Verwunderung und Unsicherheit. Dankbarkeit?

Sein Vater war ehrlich gewesen. Er gestand sich selber Schwäche ein, und er versteckte sie nicht einmal vor Jake.

Das war ihm auf jeden Fall hoch anzurechnen. Jake konnte ihn einfach nicht verachten, es ging nicht.
 


 

„Danke…“

„Ist das dein Ernst? Du dankst mir einfach?“

Wesker war sichtlich verwirrt. Damit hatte er nicht gerechnet.

Er war sicher gewesen, dass Jake ihm nun am liebsten die Faust mitten ins Gesicht schlagen würde.

Aber dem war anscheinend nicht so.

Stattdessen bedankte sich der Junge auch noch für seine Ehrlichkeit.

Aber gut, für Wesker war das vermutlich schon eine ganz besondere Tat.

Er war ehrlich gewesen und hatte eine gewisse Schwäche zugegeben.
 

Jake nickte leicht und zuckte nur mit den Schultern. Was sollte er dazu schon großartig sagen?

„Ja… ich meine… immerhin bist du ehrlich“, meinte er dann auch nur und hob gleich noch einmal die Schultern, ehe er sie fast etwas hilflos wieder fallen ließ.

Es war eine unangenehme Situation.

Jake war im Grunde nie um Worte verlegen, nun wusste er aber wirklich nicht, was er sagen oder tun sollte.

Er war erleichtert, dass es Wesker da nicht anders zu ergehen schien.

Auch dieser schwieg nun.

Er wirkte ein wenig blass, aber vielleicht war er einfach nur müde.
 

„Hast du trotzdem noch eine Tablette für mich?“, fragte Jake nach einer Weile und rang sich zu einem gequälten Lächeln durch.

Irgendwie hatte er das Schweigen brechen wollen, und das war das Beste gewesen, was ihm eingefallen war. Zumal er ja auch immer noch Schmerzen hatte. Und die wollte er doch gerne loswerden.

Wieder nickte Wesker nur, erhob sich und ging wieder in die Küche.

Seine Schritte wirkten schleppender und langsamer als zuvor.

Und Jake merkte, dass er sich nun auch seinerseits um seinen Vater sorgte.

Er war nicht bereit, ihm zu verzeihen, was er alles getan hatte, ebenso wenig die Tatsache, dass er seine Mutter im Stich gelassen hatte.

Dennoch war er der Meinung, dass Wesker zumindest eine zweite Chance verdiente.

Nur wie erklärte er das Chris?

Vermutlich war es das Beste, wenn Jake diesen und die Anderen nicht so bald wieder aufsuchte.
 

Er hätte nicht gewusst, für wen er Partei ergreifen sollte. Vermutlich hätte er sich am Ende ganz raus gehalten.

Jake wollte nicht, dass Chris seinen Vater tötete, aber mittlerweile wollte er auch den Tod des Soldaten nicht mehr.

Ja, selbst um sein Schoßhündchen wäre es schade gewesen.

Solange Wesker davon absah, die Anderen anzugreifen, war alles in Ordnung. Aber Jake bezweifelte irgendwie, dass der Blonde sich darauf einlassen würde.

Er wollte Chris’ Tod anscheinend sehnlicher als alles andere.

Was sollte er also tun?

Gut, nun konnte er vermutlich wirklich mal in Ruhe mit Wesker reden, aber das würde kaum etwas bringen. Nicht bei diesem Thema.
 


 

Jake seufzte leise, lehnte sich zurück und schloss müde die Augen.

Langsam wurde ihm das zu viel. Die Schmerzen, das ganze Durcheinander…

Und auch, wenn er froh war, nun hier zu sein und den Beweis zu haben, dass sein Vater nicht nur ein Monster war, bereute er es dennoch, nicht auf Chris gehört zu haben.

Aber es war nun einmal nicht mehr zu ändern. Nun war er hier und musste eben damit leben. So einfach war das.

Er stand zwischen den Fronten, und das hatte er sich nun einmal selber zuzuschreiben.

Aber im Moment wollte er darüber einfach nicht nachdenken.
 

Als Wesker nun mit einem neuen Glas kam, in dem sich dieses Mal nur Wasser und eine Schmerztablette befanden, war Jake wieder auf der Couch zusammengesunken, hatte die Augen geschlossen und atmete langsam und gleichmäßig.

Er war eingeschlafen.

Leise stellte der Blonde das Glas ab, ließ sich in den Sessel sinken und schloss selber die Augen.

Nun musste er sich erst einmal keine Sorgen mehr machen. Zumindest nicht, was Jake betraf.

Um den Rest würde er sich später kümmern.

Im Moment wollte er Chris und die Anderen ja auch gar nicht jagen, jetzt wollte Wesker sich erst einmal ein wenig ausruhen.

Kurz öffnete er die Augen noch einmal und blickte zu Jake, dann schloss er sie wieder, ließ ein leises Seufzen hören und war nach wenigen Minuten dann ebenfalls eingeschlafen.

Women...

„Du siehst nicht sonderlich glücklich aus. Ist alles in Ordnung?“

Claire legte leicht den Kopf schief und betrachtete Leon neben sich nachdenklich.

Seit sie aufgebrochen waren, hatte der Special Agent kein Wort mehr gesagt.

Nicht, dass er für gewöhnlich der große Redner war, aber Claire wusste, dass Leon selbst in den schwierigsten Situationen immer irgendeinen lockeren Spruch parat hatte. Normalerweise.

Nun aber schien er ganz in Gedanken versunken und hatte ein düsteres Gesicht aufgesetzt.

„Du machst dir Sorgen… um Ada, nicht wahr? Leon…?“
 

„Was…?“

Leicht blinzelnd hob Leon den Kopf und sah Claire an.

Er hatte der Jüngeren gar nicht wirklich zugehört. Und irgendwie tat ihm das leid.

Sie hatte ja recht. Er sorgte sich um Ada. Natürlich tat er das.

Aber es war nicht nur die Asiatin, die ihn beschäftigte.

Natürlich machte sich Leon auch Sorgen um Chris und die Anderen.

Ganz besonders um Chris und dessen Partner.

Jill und Sherry würden sich schon zur Regierung und zu Hunnigan durchschlagen.

Aber Chris wollte es erneut mit Wesker aufnehmen. Und der Kerl schien ja wirklich unsterblich zu sein, wenn ihn nicht einmal die Aktion im Vulkan aufgehalten hatte.

Und auch, wenn Chris wirklich stark war, und Leon wusste, dass auch Piers sicherlich etwas drauf hatte, hatte er doch Angst um die Beiden.

Wesker war immerhin nicht irgendwer.

Und zudem sah es ganz danach aus, als hätte er schon wieder eine Geisel genommen.

Was da wirklich vor sich ging, konnte natürlich keiner von ihnen zu diesem Zeitpunkt ahnen.
 

„Du sorgst dich echt um Ada, hm…?“

Leon seufzte leise und fuhr sich müde durch die Haare.

„Natürlich sorge ich mich um sie. Sie ist immerhin Wesker nachgerannt. Das bedeutet nichts Gutes. Und seitdem haben wir nichts mehr von ihr gehört.“

„Hast du schon einmal daran gedacht, dass sie das Feuer in der Kneipe vielleicht gelöscht haben könnte?“

Leon musste zugeben, dass er das noch nicht hatte.

Darüber, dass das Feuer einfach irgendwann gelöscht worden war, hatte er noch gar nicht wirklich nachgedacht. Er selber hatte das auch nur am Rande mitbekommen, als die Anderen darüber geredet hatten. Und da hatte sein Kopf noch viel zu sehr geschmerzt, um sich intensiver damit zu befassen.

Auch jetzt war ihm noch ein wenig schwindelig, aber er fühlte sich ansonsten fit und ausgeruht und hatte keine Sorge, irgendwann einfach aufgrund der Gehirnerschütterung zusammenzubrechen.
 


 

„Leon… Hörst du mir überhaupt zu?“

„Tut mir leid, mir ist gerade nicht nach Reden zumute…“

Das hatte gesessen. Und Claire begriff langsam, dass es besser war, den Älteren nicht länger zu nerven.

Und eigentlich war das ja auch gar nicht ihre Art.

Sie war kein kleines Mädchen, das ständig rum plappern musste.

Aber im Moment machte Claire sich auch einfach Sorgen um Leon.

So ernst und schweigsam kannte sie ihn gar nicht.

Und sie hatte Angst, dass er in seiner Sorge um Ada vielleicht irgendeine Dummheit anstellte.

Wenn es um die Asiatin ging, schienen bei Leon ja gerne mal die Sicherungen durchzubrennen. Es war wie verhext.

Claire seufzte noch einmal leise, schloss die Augen und atmete tief durch, ehe sie nun schweigend neben dem Älteren her ging.

Diese Stille war bedrückend, aber sie wollte Leon auch nicht unbedingt nerven. Das machte es ja nicht besser.
 

„Tut mir leid…“

„Ist schon gut.“

Claire lächelte leicht und schüttelte nur den Kopf.

Es war kindisch, sich darüber nun aufzuregen. Vor allem in so einer Situation.

Sie wusste selber ja nur zu gut, wie es war, wenn man sich um einen geliebten Menschen sorgte.

Wenn sie an Raccoon City zurückdachte, daran, wie sie nach Chris gesucht hatte, weil sie den einfach nicht hatte erreichen können…

Sie hatte panische Angst um ihren Bruder gehabt.

Wenn ihm irgendetwas zugestoßen wäre, wenn sie ihn verloren hätte… dann wäre sie ganz alleine gewesen, zumindest, was die Familie betraf.

Vermutlich wäre das bei Leon nicht der Fall gewesen, wenn Ada etwas passierte, dennoch war sie ihm sehr wichtig, und natürlich wollte er sie nicht verlieren.

Und Claire wollte auch nicht, dass er sie verlor.

Immerhin wollte sie, dass Leon glücklich war. Er war ihr Freund, er war ihr auch wichtig.

Ja, irgendwie war Leon für Claire wie ein zweiter großer Bruder.

Und es tat ihr weh, zu sehen, wie sehr es ihm zusetzte, dass Ada immer wieder einfach verschwand.
 

In China hatte Leon geglaubt, sie wirklich für immer verloren zu haben.

Als Chris ihm mitgeteilt hatte, dass Ada tot war, war für den Special Agent eine Welt zusammengebrochen, das hatte sie bereits erfahren.

Er hatte damals versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Helena hatte ihn nicht für schwach halten sollen, und es hatte auch einfach Wichtigeres zu tun gegeben. So viele Menschenleben hatten auf dem Spiel gestanden.

Und trotzdem war Leon den dicken Kloß in seinem Hals nicht los geworden, bis sie Ada mit einem Mal doch wieder begegnet waren.

Und als sie dann im Kampf gegen Simmons verletzt worden war, da war diese Angst wieder da gewesen.
 

Leon wusste nicht, was zwischen Ada und ihm war, ob da überhaupt irgendetwas war.

Er hegte auf jeden Fall Gefühle für die Asiatin, das konnte er nicht leugnen. Und das schien auch jedem Anderen klar zu sein.

Aber was war mit ihr?

Ada hasste ihn auf jeden Fall nicht, das stand fest.

Sie mochte ihn sogar, auch da war Leon sicher.

Immer wieder rettete sie ihn, und auch, wenn sie ihn schon mehr oder weniger hintergangen hatte, wenn sie nun wirklich keine Unschuldige war, brachte sie ihn doch nie in Gefahr. Ganz im Gegenteil.

In Raccoon City, in Spanien… und letztendlich auch in China.

Ada war immer da, wo er war. Und sie war immer zur Stelle, um ihm zu helfen.

Aber tat sie das nur aus Freundschaft oder war da mehr?

Leon wusste es einfach nicht. Aus Frauen würde er wohl niemals schlau werden.

Und im Moment wollte er das auch gar nicht.

Alles, was für ihn jetzt zählte, war, Ada zu finden. Lebend und am besten unversehrt.

Und auch Claire sollte dabei nichts passieren.

Zum Einen, weil Chris ihm das vermutlich wirklich niemals verzeihen würde, zum Anderen, weil sie ihm selber ja auch nicht egal war. Ganz im Gegenteil.
 

Wäre er Ada nicht begegnet, vielleicht hätte er diese starken Gefühle in diesem Fall für Claire empfunden.

Vielleicht wäre dann alles anders gekommen.

Aber es war nun einmal so, wie es war. Leon kannte Ada, Leon liebte Ada.

Zumindest glaubte er, dass es so war.

Diese verdammten Emotionen, sie waren einfach viel zu verwirrend.

Überhaupt waren Frauen verwirrend und so unglaublich kompliziert.

Warum war das nur so?

Aber Leon hatte nun wirklich keine Zeit, darüber nachzudenken.

Er musste damit aufhören.
 

Als er ein leises Kichern vernahm, hob der Special Agent den Kopf und runzelte leicht die Stirn.

Da stand wirklich Claire neben ihm und lachte ihn aus.

Hatte man ihm seine Gedanken etwa so deutlich angesehen?

Es sah zumindest ganz danach aus.

Er murrte kurz leise, dann aber seufzte er nur und atmete geräuschvoll aus.

„Du findest das also witzig, ja? Wenn ich mir Sorgen mache…?“

„Entschuldige, so war das nicht gemeint“, erwiderte Claire schnell und schüttelte heftig den Kopf.
 

Claire machte sich nicht lustig, weil er sich sorgte, sondern weil er einfach so verplant wirkte, wenn er über Ada nachdachte. Das war irgendwie niedlich.

Leon, der Mann, der scheinbar alles konnte, den nichts aus der Ruhe brachte, den nichts überraschen konnte.

Ausgerechnet der Mann war mehr als überfordert, sobald es um Frauen ging.

Aber es war, wie auch Ada schon bemerkt hatte.

Leon hinkte oftmals einen Schritt hinterher, ohne es wirklich zu merken. Er glaubte, den Überblick zu haben, wenn es gar nicht so war.

Aber das war nichts Schlimmes, das machte ihn menschlich.

Und das war ja das, was Ada so sehr an ihm mochte, vielleicht sogar liebte.

Und es war auch das, was Claire am meisten an Leon schätzte.
 

„Weißt du… Ich verstehe, dass du dich um Ada sorgst, und sicherlich auch um die Anderen. Mir geht es ja nicht anders, aber… Ich denke, wir sollten uns irgendwo ausruhen, eine kleine Pause machen, meinst du nicht?“, murmelte Claire nach einer Weile, während sie Leon wieder eindringlich musterte.

Er war noch immer so sehr in seinen Gedanken vertieft.

In dem Zustand war er weder Ada noch sonst irgendjemandem eine große Hilfe.

Allerdings wusste Claire auch, dass Leons Sorge um die Asiatin nicht nachlassen würde.

Je länger sie warteten, desto schlimmer wurde es vermutlich.

Dennoch sagte Leon nach kurzem Zögern zu, was Claire doch ein wenig aufatmen ließ.

Wenigstens hatte Leon noch nicht an Vernunft eingebüßt.

So sehr hatte Ada seinen Verstand dann also noch nicht vernebelt.
 

Claire sah sich kurz etwas um, dann hatte sie eine Bank in einer kleinen Seitenstraße gefunden und zog Leon bestimmt zu dieser Bank hin.

Ada konnte auf sich aufpassen, das hatte sie oft genug bewiesen.

Und wenn sie wirklich dumm genug gewesen war, Wesker auf die Pelle zu rücken, dann war sie vermutlich längst tot.

Das mochte grausam klingen, aber so war es nun einmal.

Nicht, dass das etwas war, was Claire sich wünschte, ganz im Gegenteil.

Aber sie wollte sich auch keine heile Welt herbei reden, wo vermutlich keine war.

Es hatte einen Virusausbruch gegeben, Albert Wesker war am Leben, Jake Muller war verschwunden…

Es war sinnlos, sich hier irgendetwas vormachen zu wollen.

Wieder einmal sah es alles andere als gut aus.

Claire wäre etwas optimistischer gewesen, hätten sie die B.S.A.A. und die Regierung zur Unterstützung auf ihrer Seite gehabt.

Aber da es da noch irgendjemanden gab, der ihre Hilfe immer wieder ausschaltete, musste Claire zugeben, dass sie im Moment nicht sonderlich viel Hoffnung hatte, was das alles anging.

Sie hatte Angst, unglaubliche Angst. Und es war doch wirklich kein Wunder, dass Leon da ebenso angespannt war.

Egal, wie viel er aushielt, was er alles konnte… er war doch auch nur ein Mensch.

Ein Mensch, der sich um die Welt und deren Bewohner sorgte.
 

„Wir packen das oder? Wir besiegen auch dieses Virus, und alles wird wieder gut…“

Claire ließ sich auf die Bank fallen, lehnte sich zurück und schloss leicht die Augen.

Sie wollte einfach unbedingt daran glauben, sie wollte die Hoffnung nicht aufgeben, auch wenn es schwer war.

„Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es sehr…“

Selbst Leon hatte nicht mehr den Optimismus, mit einem klaren ja zu antworten. Aber wo hätte er den auch her nehmen sollen?

Sie waren alleine. Niemand, der ihnen half.

Drei Teams mit je zwei Leuten, die den Untergang der Welt verhindern wollten.

Das waren nicht unbedingt optimale Voraussetzungen.

Das war jedem Einzelnen von ihnen klar.
 

Leon setzte sich nun neben Claire und lehnte sich ebenfalls zurück, ehe er seinen Blick durch die kleine verlassene Straße schweifen ließ.

Hier war einfach niemand mehr, jeder einzelne Bewohner war anscheinend infiziert.

Vielleicht waren ein paar von ihnen doch entkommen, vielleicht versteckte sich noch irgendwer in irgendeinem Keller.

Aber wo waren all die Infizierten? All Diejenigen, die sie aus der Kneipe heraus nicht hatten erschießen können, all Diejenigen, die die anschließende Explosion überlebt hatten?

Was, wenn Jill und Sherry doch nicht so einfach voran kamen?

Was, wenn Chris und Piers gegen Wesker versagten, wenn dieser Jake tötete?

Was, wenn Ada… wenn Claire…?

Leon griff sich an den Kopf und kniff die Augen zusammen.

Er war der Verzweiflung nahe.

Das konnte alles einfach nicht wahr sein.
 

Durch all das, was Leon schon erlebt und durchgemacht hatte, war er nach und nach abgehärtet worden.

Er hatte ein hervorragendes Training absolviert, er hatte viele BOWs und ihre Schwächen kennengelernt.

Leon gehörte zu den Leuten, die im Kampf gegen den Bioterrorismus die meiste Ahnung hatten.

Und dadurch hatte er sich im Laufe der Jahre angewöhnen müssen, das alles ein wenig mit Humor zu sehen.

Nicht, dass es am Bioterrorismus irgendetwas zu lachen gab, aber anders ertrug man das einfach nicht.

Leon nahm das alles durchaus verdammt ernst.

Aber irgendwie musste er sich auch selber immer wieder vorantreiben.

Und ab und an einen lockeren Spruch über die Lippen zu bringen, half eben einfach, das durchzustehen.
 

Nur langsam war auch Leon am Ende.

Genau wie Chris wurde auch er nicht jünger.

Und nur, weil man immer mehr kennen lernte, bedeutete das nicht, dass es einem auch immer weniger ausmachte. Ganz im Gegenteil.

Der Special Agent war mit seinem Latein am Ende, ebenso wie mit den Nerven.

Für gewöhnlich holte Ada ihn in brenzligen Situationen wieder hoch und zeigte ihm dadurch, dass es noch Hoffnung gab.

Er musste zugeben, dass er bei der einen oder anderen Mission tatsächlich schon fast auf die Spionin gewartet hatte. Oftmals hatte er einfach gehofft, dass sie vielleicht auch da war.

Und meistens war es ja auch so gewesen.

Aber nun war sie nicht hier, und Leon hatte keine Ahnung, wo sie sich befand, ob es ihr gut geht.

Er sorgte sich um sie, um Claire, um Sherry und Chris, und auch um Jake, Jill und Piers.

Sie alle waren ihm wichtig, auch wenn er Jill, Piers und Jake kaum kannte. Aber für Leon spielte das überhaupt keine Rolle, da war er genau wie Chris.

Wer Hilfe brauchte, dem half er auch, so gut es nur ging.

Seine eigene Sicherheit stellte er dabei sehr gerne zurück, wenn es sein musste.
 

Während er so neben Claire auf der Bank saß, schweiften seine Gedanken wieder ab.

Da war noch immer die Frage, was nun mit Ada und ihm war.

Das war etwas, was ihn einfach nicht so schnell loslassen wollte.

Und das, obwohl es im Moment eigentlich vollkommen gleichgültig war.

Hier ging es um so viele Menschenleben, und er dachte allen Ernstes über nach, ob er so etwas wie eine Beziehung hatte oder nicht?

Was stimmte nicht mit ihm? Was war nur los?

Oder versuchte er gerade einfach, seine eigentlichen Gefühle zu überspielen?

Er konnte es selber nicht sagen, Leon wusste es einfach nicht.

Was er wusste war, dass Frauen seiner Meinung nach weitaus anstrengender und komplizierter waren als der Kampf gegen den Bioterrorismus.

Setzte man ihm eine BOW vor die Nase, wusste er, was zu tun war.

Tat man das Gleiche mit einer Frau, war Leon hoffnungslos überfordert.

Damals wie heute

Schweigend ging Piers neben seinem Captain her und dachte ein wenig nach.

Bei ihnen war es ähnlich wie bei Leon und Claire.

Auch Chris hatte seit ihrem Aufbruch kein Wort mehr gesprochen.

Aber Piers störte sich daran im Moment noch nicht so wirklich.

Was hätte der Ältere auch sagen sollen? Keinem der Beiden war groß nach plaudern zumute.

Immerhin waren sie gerade drauf und dran, sich mit Wesker anzulegen.

Und Piers wusste, dass der nicht zu unterschätzen war.

Nur ganz kurz hatte er eine Kostprobe seiner Kräfte zu spüren bekommen.

Sein Griff war fest gewesen, und der Scharfschütze hatte gewusst, dass er auch im Vollbesitz seiner Kräfte keine Chance gehabt hätte, sich da irgendwie los zu reißen.

Und immerhin wusste Piers auch, was Wesker in seinem Leben schon alles angerichtet hatte. Und ebenso, was er überlebt hatte.

Nein, diesen Kerl würde er auf keinen Fall unterschätzen.
 

Und auch Chris tat das nicht. Im Gegenteil.

Man sah es daran, wie angespannt der Ältere war.

Den Blick hatte er starr nach vorne gerichtet, und seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt, während er die Straße schnellen Schrittes entlang ging.

Seine Gedanken kreisten zwar immer noch um seine Freunde und um Claire, doch langsam aber sicher schwand die Sorge und machte Angst Platz.

Angst um das eigene Leben, wie er schnell feststellte.

Chris hatte schon mehr als einmal gegen Wesker gekämpft.

Er kannte seine Schwachstellen. Zumindest war er davon ausgegangen.

Aber scheinbar war er mittlerweile auch immun gegen Feuer, und sogar gegen Lava, die ja noch um einiges stärker war.

Der Soldat wusste, wie mächtig sein ehemaliger Captain war, dass er mehr als ein Virus in seinem Körper hatte, das ihm übermenschliche Fähigkeiten verlieh.

Er war zäh, verdammt schnell und stark. Ja, anscheinend war er tatsächlich fast unsterblich. Oder vielleicht wirklich ganz unsterblich?

Gab es am Ende vielleicht gar keinen Weg, Albert Wesker irgendwie für immer zu vernichten?
 

Doch, natürlich gab es den, und das wusste Chris auch.

Wenn er seinen ehemaligen Captain in tausend Stücke zerriss, diese verbrannte, und die Asche in alle Winde zerstreute, dann war auch ein Albert Wesker nicht mehr in der Lage, irgendwie ins Leben zurück zu finden.

Aber das musste man ja erst einmal schaffen.

Wenn selbst die Lava und die Raketenwerfer nicht ausgereicht hatten, um ihn zu zersprengen und zu verbrennen, was in aller Welt war dann stark genug dazu?

Chris wusste es einfach nicht, er hatte nicht die geringste Ahnung. Woher auch?

Keine BOW, der er bisher begegnet war, war so stark gewesen wie dieser eine Mann.

Kein Zombie, keine Riesenschlange, kein Haos. Selbst die Rasklapanje waren tot geblieben, wenn man sie verbrannte oder zerhäxelte.

Sie alle waren im Vergleich zu Wesker unglaublich einfach zu vernichten gewesen.

Aber der Blonde kehrte immer und immer wieder zurück, unaufhaltsam, immer mit einem neuen Plan, immer mit neuen Kräften.

Was konnten sie nur dagegen tun?
 


 

„Captain, wenn Sie weiterhin so erstarrt nach vorne blicken, laufen Sie noch gegen die nächste Laterne“, hörte er mit einem Mal Piers’ Stimme, und der B.S.A.A.-Captain hob etwas erschrocken den Blick.

War er etwa so sehr in Gedanken versunken gewesen?

Tatsache.

Als er den Kopf noch ein wenig weiter anhob, sah er sich tatsächlich einem Laternenmast gegenüber, der nur noch ein bis zwei Meter von ihm entfernt war.

Kurz warf Chris dem jungen Soldaten einen missmutigen Blick zu, als wolle er diesem Vorwürfe machen, dass er ihm nicht eher Bescheid gegeben hatte.

Aber als er auf Piers’ Gesicht nun tatsächlich ein leichtes Grinsen bemerkte, seufzte er nur leise und fuhr sich kurz mit einer Hand über das Gesicht.

Piers konnte ja nun wirklich nichts dafür, dass der ach so legendäre Chris Redfield es nicht auf die Reihe bekam, auf den Weg zu achten.

Er hätte ihm auch gar nicht Bescheid sagen müssen und einfach abwarten können, bis Chris geradewegs gegen den Laternenpfahl knallte.

Aber so etwas würde Piers natürlich niemals tun, auch wenn Chris der Meinung war, dass es manchmal vielleicht besser gewesen wäre, dass er so etwas durchaus mal verdient hatte.
 

„Chris, Sie müssen sich konzentrieren. Und damit meine ich nicht, dass Ihre Gedanken jetzt die ganze Zeit stur um Wesker kreisen sollten“, murmelte Piers, und das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht, um Sorge und Ernst Platz zu machen.

Er wusste, wie der Ältere war, wenn seine Emotionen ihn überrannten.

Er hatte es in China deutlich sehen können.

Wenn Chris nicht aufpasste, wenn er sich nicht zusammenriss, dann konnten sie sich auch gleich gemeinsam von der nächst besten Brücke stürzen.

Denn dann hatten sie von vornherein nicht den Hauch einer Chance, gegen Wesker zu bestehen.

In diesem Kampf kam es darauf an, dass sie bedacht vorgingen und als Team perfekt zusammenarbeiteten.

Sie durften sich keinen einzigen Fehler erlauben.

Sie waren Wesker zwar zahlenmäßig im Grunde überlegen, immerhin waren sie zu Zweit und er nur ein einziger Mann, aber an Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit des Blonden kamen sie auch gemeinsam nicht annähernd heran.

Sie hatten nur eine Chance, wenn sie zusammen wie eine Person kämpften, wenn sie genaustens auf jede kleine Regung achteten, auf jede Lücke, die Wesker ihnen vielleicht ließ. Wenn er ihnen denn überhaupt eine ließ.

Und selbst dann war es noch lange nicht gewiss, ob es irgendetwas bringen würde. Selbst dann konnten sie noch immer kläglich versagen. Das war Piers durchaus klar.
 

Der Scharfschütze fragte sich, warum sie sich wirklich auf diese Selbstmordmission begaben. Natürlich wusste er, dass Wesker beseitigt werden musste. Natürlich war ihm klar, dass Chris das um jeden Preis selber machen wollte. Das konnte er ja auch verstehen.

Und Piers war auch bereit, seinem Captain in diesem Kampf zur Seite zu stehen. Er würde es auch gar nicht wagen, sich da in irgendeiner Art und Weise zu beschweren. Nein, er würde Chris treu und kommentarlos zur Seite stehen. Weil er es musste, und weil er es wollte.

Dennoch konnte er es einfach nicht wirklich begreifen.

Sie waren nur zu Zweit. Zwei Menschen gegen eine Kampfmaschine, einen Terminator.

Andererseits… auch Piers’ Körper beherbergte ein Virus. Und gegen Haos war es doch recht hilfreich gewesen.

Allerdings hatte der junge Soldat keine Ahnung, wie er es nutzen konnte.

Damals hatte er es sich selber injiziert, sein Arm war mutiert nachgewachsen, und er hatte diese tollen Kräfte erhalten, mit denen er die riesige BOW hatte bezwingen können.

Aber jetzt?

Jetzt war Piers ein Mensch ohne jegliche Mutation, ohne jegliche Superkraft.

Zwar spürte er das Virus in seinem Körper, und es tat ja auch noch immer irgendetwas, indem es ihn zum Beispiel bei Verletzungen schneller heilte und am Leben hielt, aber wie er es bewusst nutzen konnte, war ihm nach wie vor ein Rätsel.

Und irgendwie war er auch nicht so ganz sicher, ob er es überhaupt wissen wollte.

Was, wenn er versagte?

Was, wenn er zu schwach war und am Ende nicht Wesker, sondern vielleicht seinen eigenen Captain angriff?
 

Im Kampf gegen Haos war Piers einfach verzweifelt gewesen, da hatte er gar nicht lange darüber nachgedacht, was er da eigentlich anrichtete.

Und diese Verzweiflung hatte seinen Verstand bewahrt.

Er hatte einfach nur Chris retten wollen, das war in dem Moment sein einziger Gedanke gewesen, darauf hatte er sich fokussiert.

Aber ob er das noch einmal schaffen würde?

Ob er sich noch einmal so sehr würde konzentrieren können, um bei Verstand zu bleiben und die Kraft des C-Virus bewusst zu nutzen?

Es war verdammt riskant, das war klar.

Und solange Piers nicht wusste, wie er dieses Virus und dessen Kräfte überhaupt aktivieren konnte, falls das wirklich irgendwie ging, wollte er es auch gar nicht erst versuchen.

Am Ende röstete er noch Chris und sich selber. Und damit war ja auch niemandem geholfen. Niemandem außer Wesker natürlich. Der hätte das mit Sicherheit ganz toll und amüsant gefunden.
 

„Ich weiß. Aber…“

Chris seufzte leise, schloss die Augen und atmete tief durch, ehe er stehen blieb und sich leicht gegen eine Hauswand lehnte.

Konzentrieren… das war leichter gesagt als getan.

In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und Gefühle.

Angst, Sorge, Wut, Verzweiflung…

Er kam damit einfach nicht mehr klar, es war zu viel.

Aber er wusste, dass Piers recht hatte, natürlich.

Und er wusste auch, was das letzte Mal passiert war, als er sich von seinen Emotionen so sehr hatte beeinflussen lassen.

Wie könnte er das auch jemals vergessen?

Und als er daran dachte, fiel ihm auch wieder ein, dass die gesamte B.S.A.A. vernichtet war, dass ein S.W.A.T.-Team einfach ausgelöscht worden war.

Und das schürte Chris’ Wut nur noch mehr.

Er schnaubte leise, öffnete die Augen wieder und schüttelte den Kopf, um den vielleicht zumindest ein klein wenig klarer zu bekommen.

Wirklich gelingen wollte das allerdings nicht.
 

„Wollen Sie so wirklich zu Wesker gehen? Dann können Sie sich gleich selber die Kugel geben.“

Mittlerweile war Piers’ Stimme fast schon zu einem Knurren geworden.

Er wusste, dass er Chris mit seinen Worten nicht unbedingt ermutigte, aber das war ihm egal.

Dieser Mann verstand es ja scheinbar nicht anders.

Piers wusste genau, wie Chris reagierte, wenn er so durcheinander und geladen war, und man ihn dann auch noch so anstachelte.

Aber genau so wusste er, dass Chris selbst dann über die gesagten Worte nachdachte.

Und er vertraute Piers, das wusste dieser ebenfalls.

Er vertraute Piers, wie dieser Chris vertraute.

Und er legte viel Wert auf die Meinung des Jüngeren.

Aber die eigentlich erwartete Reaktion blieb dann ohnehin aus, was Piers doch verwundert die Stirn runzeln ließ.

Lernte sein Captain etwa tatsächlich dazu? Hatte seine Ansprache damals in China ihm für so etwas endlich die Augen geöffnet?
 

„Ich weiß, ich weiß…“, erwiderte Chris seufzend, und er schloss doch noch einmal die Augen.

Natürlich war ihm klar, dass er in seinem momentanen Zustand keine Chance gegen Wesker hatte.

Aber was sollte er denn machen?

Er konnte nicht einfach rum stehen und nichts tun und einfach warten, bis es vielleicht besser wurde.

Die Zeit ließ ihnen der Blonde sicherlich nicht.

Außerdem verließen sich ja auch die Anderen auf sie.

Leon, Claire, Jill und Sherry… sie alle verfolgten gerade auch ihre Aufgaben, sie alle rissen sich sicherlich zusammen und taten, was getan werden musste.

Und er sollte sich nun hier ausruhen und warten, bis sich sein Verstand wieder geklärt hatte?

Ganz abgesehen davon, dass das eine halbe Ewigkeit dauern konnte, war Chris einfach nicht bereit, die Anderen nun so im Stich zu lassen.

Sie zählten auf ihn. Sie würden…
 

„Captain, verdammt, reißen Sie sich zusammen!“

Die scharfe Stimme des Jüngeren ließ ihn dieses Mal richtig zusammenzucken, und er blickte mit schuldbewusstem Blick wieder auf.

Machte er etwa schon wieder die gleichen Fehler wie damals?

Verdammt, warum merkte er es selber gar nicht?

Die Anderen würden nicht enttäuscht sein. Sie wussten doch, wie gefährlich es war, sich mit Wesker anzulegen.

Niemand war ihm böse, wenn er mit dem Kampf noch etwas wartete, bis er zumindest wieder so klar denken konnte, dass er ihn länger als eine halbe Minute überlebte.

„Entschuldige…“, murmelte Chris nur leise und er atmete etwas zitternd durch.

Für einen kurzen Moment hatte er tatsächlich das Gefühl, einfach in Tränen ausbrechen zu können.

Er war fix und fertig, und das war ihm auch deutlich anzusehen.

Seine Haut war blass, unter seinen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet, und sein Blick wirkte glasig, fast ein wenig fiebrig.
 

„So haben wir keine Chance gegen Wesker, Captain. Wenn wir jetzt zu ihm gehen… wenn wir ihn nun bekämpfen, sind wir tot, noch ehe der Kampf wirklich begonnen hat“, fuhr der Scharfschütze nun mit etwas sanfterer Stimme fort.

„Denken Sie doch mal nach. Hilft es irgendwem, wenn wir uns nun fast freiwillig abschlachten lassen? Denken Sie etwa, das ist es, was Claire und die Anderen wollen?“

Das hatte nun wirklich gesessen.

Chris biss sich auf die Unerlippe und schüttelte schwach den Kopf.

Natürlich war damit niemandem geholfen, natürlich ging Chris nicht davon aus, dass seine Schwester sich seinen Tod wünschte.

Und wenn ihm etwas zustieß, dann hatte sie gar keine Familie mehr.
 

„Ruhen wir uns aus, machen wir eine kurze Pause“, murmelte er nun endlich zustimmend und sah sich kurz um.

Einige Meter entfernt befand sich ein kleines Haus, dessen Tür offen stand.

Wenn sie sich darin kurz nach möglichen Infizierten umsahen, konnten sie vielleicht ein paar Minuten dort drinnen verbringen und wieder einen klaren Kopf bekommen. Das galt natürlich in allererster Linie ihm.

Piers’ Kopf war vollkommen klar, wie immer eben.

Es wurde wirklich Zeit, dass der junge Soldat seine Nachfolge antrat.

Chris konnte ja nicht einmal mehr sich selber koordinieren, wie wollte er das dann mit einem Team schaffen?

Aber gut, ein Team gab es ja nicht mehr.

Es gab nichts mehr, nur noch Piers und ihn. Zumindest im Moment.

Und sie hatten keine Wahl, als damit irgendwie klar zu kommen. Zu ändern war es ja nicht mehr, auch wenn diese Erkenntnis sehr schmerzte. Und was tat er? Er brachte den einzigen Soldaten in Gefahr, der ihm nach alledem noch geblieben war, und der ihm immer so treu zur Seite stand.

„Verzeih mir…“, murmelte Chris noch einmal, ehe seine Beine einfach nachgaben, und Piers ihn in letzter Sekunde mit erschrockenem Blick stützte, ehe sein Captain ganz zusammenbrechen konnte.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt

„Geht’s wieder?“

Piers blickte besorgt auf seinen Captain hinab, den er nach dessen halben Zusammenbruch irgendwie in das Haus gehievt und auf die Couch verfrachtet hatte.

Er war wirklich leichenblass, nickte aber dennoch leicht und nahm dankend das Glas Wasser entgegen, das Piers ihm gerade hin hielt.

Egal wie stur Chris auch gewesen war, sie wären ohnehin nicht mehr weit gekommen.

Irgendwann wäre der Soldat so oder so zusammengebrochen.

Er musste einsehen, dass das, was er hier tat, einfach sinnlos war.

Wie sollte er so gegen Wesker bestehen?

Es war ja schon fast unmöglich, einen Kampf zu überleben, aber ihn dann auch noch zu gewinnen?!
 

„Was habe ich mir nur dabei gedacht? Wo habe ich dich da mit hinein gezogen…?“, murmelte er, während er das Glas in seiner Hand anstarrte und dann nur lustlos daran nippte.

Doch das Wasser tat gut, es erfrischte ihn ein wenig. Und zumindest das ärgste Schwindelgefühl war wieder verschwunden.

Nur Chris’ Beine fühlten sich selbst im Sitzen noch wie Pudding an. So schnell kamen sie vermutlich nicht wieder hier weg.

Aber was hätte ein baldiger Aufbruch auch schon geändert? Dann wären sie nur ein paar Minuten eher gestorben.

Chris’ Sturheit wäre ihnen beinahe wieder zum Verhängnis geworden.

Und es erschütterte ihn, wie bereitwillig ihm Piers in den sicheren Tod gefolgt wäre.

„Warum tust das eigentlich, Piers? Warum folgst du mir immer noch, ohne auch nur eine Sekunde lang zu zögern?“, fragte er deshalb nun auch leise und müde, während er das Glas weiter anhob und schließlich mit einem Zug leerte.

Dann stellte er es auf den kleinen Tisch vor der Couch, lehnte sich zurück und schloss müde die Augen.
 

„Soll das ein Witz sein, Captain?“

Bei dieser Frage öffnete Chris die Augen nun doch wieder.

Hatte es für Piers nach einem Witz geklungen? Nein, er hatte die Frage sehr ernst gemeint.

„Sie sind mein Captain, ich bin Ihr Soldat. Und ob das HQ nun noch existiert oder nicht, ändert es daran nicht das Geringste. Und einer muss ja aufpassen, dass Sie keinen Unsinn anstellen, Chris.“

Ein ganz leichtes Lächeln lag bei diesen Worten auf Piers’ Lippen, das dessen Augen jedoch nicht erreichte.

Er sorgte sich einfach um seinen Captain.

Und er hatte irgendwie das Gefühl, für diesen da sein zu müssen, ihm verpflichtet zu sein. Was für eine Rolle spielte es denn, ob die B.S.A.A. als solche noch existierte oder nicht?

Sie waren noch am Leben, und keiner von ihnen hatte gekündigt oder war entlassen worden.

Und so lange waren und blieben sie Captain und Soldat. Und solange würde Piers Chris folgen, sofern dieser nicht etwas wirklich völlig Unmögliches von ihm forderte.

Piers war seinem Captain treu ergeben, aber er ließ es sich auch nicht nehmen, dem Älteren dennoch seine Meinung kund zu tun.

Er hatte seinen eigenen Willen, und genau den zeigte er auch. Das hielt er für das Richtige.

Und scheinbar fand Chris das ja auch gut so.

Natürlich war es möglich, dass Piers da ab und an übertrieb, und dass er sich vielleicht auch mal zu viel herausnahm, aber bisher hatte Chris dennoch immer auf ihn gehört, wenn auch manchmal ein wenig zu spät.

Aber allein die Tatsache, dass der Captain sich seine Worte immer wieder zu Herzen nahm, bestätigte Piers in seinem Tun.
 

Schweigend blickte Chris nach Piers’ Worten auf das leere Glas hinab und dachte nach.

So sah Scharfschütze das also.

Er hatte sich Chris gegenüber als einer seiner Soldaten verpflichtet, und nun würde er mit ihm bis ans Ende der Welt gehen.

Das war einfach so rührend, und gleichzeitig so ungerecht.

Piers hatte das nicht verdient.

Er hatte es nicht verdient, sich so für Chris aufopfern zu müssen.

„Sagen Sie jetzt, was Sie wollen, Sie bringen mich nicht von meiner Meinung ab“, hörte er den jungen Soldaten nun sagen, als dieser sich neben ihm auf die Couch fallen ließ.

Chris wusste ja, wie stur Piers war. Und somit wusste er auch, dass es wirklich nichts gebracht hätte, ihn davon überzeugen zu wollen, ihn alleine weitergehen zu lassen.

Außerdem war damals in China er selber es gewesen, der gesagt hatte, dass er nicht ohne Piers gehen würde. Er hatte darauf bestanden, den Scharfschützen irgendwie aus der Unterwasser-Einrichtung raus zu bringen. Egal, wie lange es auch gedauert hätte.

Das einzige Mal, dass Piers bereit gewesen war, Chris gehen zu lassen, und da hatte dieser es nicht zugelassen. Verhindern hatte er es aber letztendlich trotzdem nicht können. Da hatte er nun wirklich nicht das Recht, Piers darum bitten zu wollen, ihn dieses Mal doch gehen zu lassen.

Zumal es ja eh nichts gebracht hätte.

Und für unnötige Diskussionen war Chris im Moment auch viel zu erschöpft.

Außerdem war er ja doch irgendwie dankbar dafür, dass Piers bei ihm war.

Dieser war im Moment eindeutig der Vernünftigere. Er hielt Chris davon ab, seine dummen Gedanken in die Tat umzusetzen und einfach drauf los zu stürmen.

Wäre der Captain alleine unterwegs gewesen, läge er jetzt vermutlich irgendwo auf der Straße, oder er hätte es zu Wesker geschafft und wäre von diesem getötet worden.

Damit wäre weder seinen Freunden, noch Claire oder dem Rest der Welt in irgendeiner Art und Weise geholfen gewesen.
 

„Piers…“, begann Chris nach einer Weile des Schweigens, und er richtete seinen Blick wieder auf das leere Glas vor sich auf dem Tisch.

„Was ich damals im Aufzug gesagt habe… das gilt immer noch. Ich will, dass du mein Nachfolger wirst. Ich weiß“, begann er dann schnell, weiter zu reden, als Piers etwas sagen wollte „dass die B.S.A.A. in Nordamerika vermutlich nur noch sehr wenige Mitglieder hat. Aber ich will sie nicht aufgeben. Der Bioterrorismus wird weiterhin bestehen, und ich will ihn weiterhin bekämpfen.“

Und es war klar, dass Piers ihn da nicht im Stich lassen würde. Ebenso wenig wie Jill.

Und vielleicht würde sich ihnen auch Claire anschließen.

Möglich war es durchaus.

Und Chris wollte sie auch gerne wieder näher bei sich haben.

In den letzten Jahren war er ihr ein schlechter Bruder gewesen. Irgendwie musste er das wieder gutmachen.

Außerdem fand er, dass Claire mit der B.S.A.A. mehr erreichen würde als mit TerraSave.

Er fand es einerseits schon toll, dass Claire versuchte, den Bioterrorismus ohne Waffengewalt zu bekämpfen, aber das war einfach so gut wie unmöglich.

Und vielleicht hatte seine Schwester das auch mittlerweile eingesehen.

Mit Waffen umgehen konnte sie ja.

Und Chris hätte sich Claire auch gut in der Verwaltung vorstellen können. Sie musste ja nicht unbedingt aufs Schlachtfeld stürmen.
 

„Captain, Sie wissen, dass Sie auf mich zählen können. Trotzdem… bin ich immer noch nicht sicher, ob ich dazu bereit bin“, murmelte Piers und seufzte leise auf.

Ja, er war weit gekommen, er hatte bis zum Schluss an Chris’ Seite durchgehalten.

Aber das bedeutete doch noch lange nicht, dass er in der Lage war, ein Team anzuführen.

Dazu gehörte mehr, als seine Meinung zu sagen und durchhalten zu können.

Und auch seine Talente als Fahrer und Scharfschütze machten ihn noch lange nicht zu einem guten Captain.

Piers war zwar für gewöhnlich nicht der Typ, der an sich zweifelte, aber in diesem Fall war er wirklich unsicher. Das war er schon damals in China gewesen.

„Ich meine… ich spiele mich zwar gerne mal auf, aber das reicht noch lange nicht, um ein Team anzuführen. Ich könnte niemals so überzeugend und gleichzeitig mitfühlend sein wie Sie, Chris.“, fuhr er dann fort und ließ ein leises Seufzen hören.
 

Und nun war es Chris, der grinsen musste, und kurz kam sogar ein leises Lachen über seine Lippen.

Er hatte nicht gewusst, dass Piers tatsächlich so sehr an sich zweifelte. Ausgerechnet er.

Aber Chris hatte sich nicht aus Spaß an der Freude für ihn als Nachfolger entschieden, das musste Piers klar sein. Auch, als das restliche Team noch am Leben gewesen war, hatte Chris seine Entscheidung bereits getroffen.

Er selber konnte so auf keinen Fall weiter machen, das wurde ihm immer deutlicher bewusst.

Er war eigentlich schon viel zu lange dabei.

Nicht einmal ganz 40 und schon zu alt, das war irgendwie erschreckend.

Aber bei dem, was er schon alles erlebt hatte, war es vermutlich auch wirklich kein Wunder.

Und niemand würde ihm da Vorwürfe machen.

Chris hatte sein Leben dem Kampf gegen den Bioterrorismus verschrieben und in diesem sein Bestes gegeben.

Nun war es an der Zeit, der nächsten Generation Platz zu machen.

Und er würde den Kampf ja auch nicht ganz aufgeben.

Er würde sich diesem weiter widmen, anders konnte er schon gar nicht mehr.

Und er war mit fast 40 seiner eigenen Meinung nach ohnehin zu alt, um noch großartig eine andere Richtung einzuschlagen.

Solange er noch halbwegs fit war, wollte er sich auf jeden Fall weiterhin dem Kampf gegen die BOWs widmen.

Und wenn auch vom Schreibtisch aus, oder indem er neue Soldaten ausbildete. Das würde sich zeigen, wenn es dann soweit war.

Wenn er den Kampf gegen Wesker überlebt hatte, und erst einmal wieder eine kurze Zeit der Ruhe eingekehrt war.
 

„Ich bin sicher, dass du es kannst, Piers. Ansonsten hätte ich dich nicht dafür ausgewählt. Ich vertraue dir, das weißt du. Und du hast mich nie im Stich gelassen, egal, was für ein schlechter Captain ich auch war. Du hast immer treu zu mir gestanden und mir trotzdem ohne zu zögern die Meinung gesagt, auch wenn du wusstest, sie würde mir nicht gefallen. Du bist ein hervorragender Soldat, clever und geschickt. Du bist in der Lage, deine Meinung zu sagen, egal, welche Folgen das haben kann. Und du bist in der Lage, selbst mich als deinen Captain zu überzeugen und dafür zu sorgen, dass ich mir deine Worte zu Herzen nehme.“

Das war nur die Wahrheit, nichts weiter.

In Chris’ Augen war Piers der perfekte Kandidat für seine Nachfolge. Er hätte keinen besseren finden können.

Aber zwingen würde er den Scharfschützen sicherlich nicht. Das brachte ja auch nichts.

Er seufzte leise, schloss noch einmal die Augen und lehnte sich etwas weiter zurück.

Die Couch war so angenehm weich.
 

„Erst einmal haben wir ohnehin andere Sorgen. Wir müssen Wesker aufhalten, ob es nun eigentlich zum Scheitern verurteilt ist oder nicht. Denk einfach darüber nach, es eilt ja nicht“, entschied Chris dann nach einer Weile und blieb nun so sitzen.

Er war einfach nur erschöpft, physisch und psychisch.

Der Soldat brauchte etwas Ruhe, wenn er zumindest eine ganz kleine Chance gegen Wesker haben wollte.

Und im Moment kam er mit seinen zitternden Beinen ohnehin nicht sonderlich weit. Da war er eher eine Last für Piers.

Und auch der hatte sicherlich nichts dagegen, sich nun ein paar Minuten lang auszuruhen.

Chris hoffte nur, dass keiner der Anderen Wesker begegnete, und dass dieser Jake noch nicht getötet hatte, oder sonst etwas mit ihm angestellt.

Der Soldat dachte an das Mittel, das Wesker ihm injiziert hatte.

Ein Virus würde bei Jake nichts bringen, aber dieses Mittel vermutlich schon.

Und wenn sich Jake am Ende Seite an Seite mit Wesker gegen Piers und ihn stellte, dann waren sie wirklich verloren, egal, wie fit sie auch waren.
 

Aber darüber dachte Chris nur noch am Rande nach, während seine Sinne sich langsam schon verabschiedeten.

Ganz leise gähnte er sogar, dann sank er etwas zusammen, und das Kinn kippte ihm auf die Brust.

Die ruhigen Atemzüge des Älteren verrieten Piers, dass er eingeschlafen war.

Er selber blieb allerdings wach.

Wirklich müde war er nicht, und er wollte zudem aufpassen, damit nichts passierte.

Neben Wesker lief hier vermutlich noch ein Irrer herum, und es bestand die Möglichkeit, dass hier auch doch noch Infizierte waren.

Und Piers wollte auf keinen Fall von einem Angriff überrascht werden.

Also machte er es sich auf der Couch halbwegs gemütlich, betrachtete eine Weile lang seinen friedlichen schlafenden Captain und heftete seinen Blick dann abwechselnd auf die Tür und die Fenster, um es sofort mitzubekommen, wenn sich irgendjemand oder irgendetwas näherte.
 

Währenddessen hatte nun auch er endlich Zeit, ein wenig nachzudenken.

Über das, was er tat, über das, was er tun sollte.

Piers wollte sehr gerne Chris’ Nachfolge antreten, das war nicht das Problem.

Aber er hatte eben einfach Angst, dabei zu versagen.

Wie für Chris war die B.S.A.A. auch für ihn wie eine große Familie gewesen.

Auch ihn hatte es schwer getroffen, als sie in Edonia und China ihre Teams verloren hatten.

Und je mehr Männer gestorben waren, desto mehr hatte er sich dazu angestachelt, dafür zu sorgen, dass zumindest Chris heile aus der ganzen Sache raus kam.

Er konnte sich kaum vorstellen, wie schwer es für den Captain gewesen sein musste, all die Männer zu verlieren, für die er sich verantwortlich gefühlt hatte.

Und selbst nach China hatte er dann die Kraft gefunden, doch noch irgendwie weiter zu machen.

Da Piers seine Nachfolge nicht hatte antreten können, hatte Chris seinen Job als Captain des Alpha-Teams fortgeführt.

Und Piers bewunderte ihn dafür wirklich sehr.

Er wusste nicht, ob er selber in der Lage sein würde, die Nerven zu bewahren, wenn es darauf ankam.

Ja, es war ihm bisher gelungen, und er war es gewesen, der Chris immer wieder hoch geholt hatte. Aber das war etwas anderes.

Da war er selber nicht der Anführer gewesen, auf dessen Schultern die gesamte Verantwortung lastete.

Wenn er selber an Chris’ Stelle gewesen wäre, wenn er sich selber die schuld an den ganzen Toden gegeben hätte…

Piers war nicht sicher, ob er dann nicht schon weitaus eher zusammengebrochen wäre als Chris.

Ob er sich nach dem Vorfall in Edonia nicht schlicht und ergreifend das Leben genommen hätte.

Spätestens jedoch nach den Ereignissen in China.

Er selber hätte niemals die Kraft gefunden, anschließend einfach weiter zu machen, das Risiko einzugehen, so einen Verlust auch noch ein drittes Mal erleben zu müssen.
 

Nachdenklich blickte er nun doch wieder zu Chris und sah diesen einfach nur an.

Er sah alles andere als gut aus.

Müde, krank, als wäre er einfach völlig am Ende. Und das war sicherlich auch.

Doch noch immer raffte er sich irgendwie auf, auch wenn Piers ihn hin und wieder pushen musste.

Es war erstaunlich. So wollte er selber gerne auch sein.

Zwar schien er doch oft etwas stärkere Nerven zu haben als sein Captain, aber dafür fehlte ihm allem Anschein nach dessen Sanftmütigkeit und Einfühlungsvermögen.

Piers ging viel zu schnell an die Decke, und gerade bei Leuten wie Finn war er schnell genervt.

Der hatte ihn einfach aufgeregt mit seiner naiven Art und seiner kindischen Begeisterung für Chris. Und dann war er auch noch so verplant gewesen.

Und dennoch war Finn ein wundervoller Mensch gewesen, und er hätte das Zeug zu einem hervorragenden Soldaten gehabt.

Im Grunde war er doch kaum anders gewesen als Piers selber.

Er war begeistert von Chris gewesen, hatte ihm vermutlich nacheifern wollen.

Er hatte das nur auf eine andere Art und Weise getan und gezeigt.

Aber genau das war es, was Piers an sich selber zweifeln ließ.

Er wollte einfach nicht, dass er irgendwann Captain war und sein Team ihn verachtete, weil er nicht in der Lage war, sich in seine Männer hinein zu versetzen.
 

‚Aber vielleicht muss ich es einfach versuchen. Ich kann es ja möglicherweise lernen. Und Chris wird mich dabei auch unterstützen, da bin ich sicher. Er ist fest davon überzeugt, dass ich der perfekte Nachfolger bin. Und das würde er nicht einfach so behaupten, dazu ist ihm die B.S.A.A. zu wichtig…'

Pier seufzte leise und schüttelte den Kopf.

Er musste es einfach versuchen.

Vor allem, da im Moment ohnehin niemand sonst da war, der Chris’ Nachfolge hätte antreten können.

Jill vielleicht, ja. Aber ansonsten gab es niemanden mehr.

Der Scharfschütze musste einfach darauf vertrauen, dass sein Captain ihm beibringen würde, was er wissen musste.

Und dann musste er selber sich einfach ein wenig zusammenreißen und offener und freundlicher werden.

Im Grunde war er ja ein ganz lieber Kerl, er zeigte es nur nicht wirklich. Das lag zum Teil auch einfach daran, dass er bei der Arbeit immer konzentriert war und perfekte Ergebnisse erzielen wollte. Das ließ ihn meistens verbitterte wirken als er eigentlich war.

Ja, irgendwie würde Piers das schon hinbekommen. Wenn Chris das sagte, dann glaubte er daran. Immerhin wusste der Captain, wovon er sprach. Einen Versuch war es allemal wert.

The National Security Advisor

Wo war er? Was war geschehen?

Das Erste, was dem Mann auffiel, als er nun ein wenig zur Ruhe kam, war, dass er nicht der war, der er zu sein schien.

Er betrachtete sein Gesicht in einer Pfütze auf dem Boden und runzelte leicht die Stirn.

Derek C. Simmons, das war der Name, der durch seinen Kopf schwirrte. Das war der Mann, der er sein sollte.

Naja, diesem Namen war er auf jeden Fall schon gerecht geworden.

Das Blut der S.W.A.T.-Männer klebte an seinen Händen und seiner Kleidung, Ruß bedeckte sein Gesicht, Ruß von der Explosion des B.S.A.A.-Hauptquartiers, und seine Haare waren zerzaust und verschmutzt von seiner Arbeit.

Er hatte wie mechanisch gehandelt, einfach das getan, was sein Verstand ihm aufgetragen hatte.

Und erst jetzt hatte er die Zeit gefunden, wirklich nachzudenken und herauszufinden, wer er selber eigentlich war.

Er war nicht Simmons, das stand fest. Er sollte dieser Mann sein, er sollte ihn darstellen, aber er spürte, dass sich in seinem Kopf nur dessen Erinnerungen befanden, nichts weiter.

Er schien ein Klon zu sein, und das ergab ja auch Sinn.

In seinem Kopf befand sich in der Tat eine Erinnerung, die von Klonen handelte. Von Klonen und einer Frau namens Ada Wong. Und dann war da noch irgendeine Carla Radames, die Ada Wong werden sollte.

Es war verwirrend, es bereitete Kopfschmerzen, aber es ergab wirklich Sinn das alles, irgendwie...
 

Simmons hatte einen Klon von sich selber erschaffen.

Vermutlich, damit er auch nach seinem möglichen Tod noch seine Ziele verfolgen konnte.

Aber wie bei Carla hatte er wohl auch bei sich selber versagt.

Denn dieser Klon sah es gar nicht ein, das zu tun, was Simmons hatte tun wollen.

Er wollte einfach das Leben nutzen, das ihm gegeben worden war.

Gut, bisher hatte er im Grunde mehr oder weniger doch getan, was Simmons von ihm erwartet hatte.

Und in gewisser Weise hatte es auch durchaus Spaß gemacht.

Irgendwie gefiel ihm der Geruch des Blutes, das an ihm haftete, huschte ein Grinsen über sein Gesicht, als er an die Leichen der Soldaten dachte, die vor ihm auf dem Boden gelegen hatten.

Also warum sollte er nicht doch weiter machen?

Was hatte er schon zu verlieren?
 

Simmons war nicht mehr am Leben, das hatte der Klon bereits in Erfahrung gebracht.

Also gab es da niemanden mehr, der ihm irgendetwas vorschreiben konnte.

Er war ein freier Mensch, na ja, zumindest ein freier Klon.

Wie viel Menschliches an ihm war, konnte er selber nicht sagen.

Auf jeden Fall wusste er, dass ein gewisses C-Virus dahinter steckte, das erkannte er aus Simmons Erinnerungen.

Aber irgendwo hörten diese auch einfach auf.

Sie gingen nur bis zu dem Moment, in dem Simmons ihn erschaffen hatte.

Was also alles danach passiert war, was mit dieser Carla war, ob alles funktioniert hatte oder nicht, dass wusste der Simmons-Klon leider nicht.

Aber auch das spielte an sich keine Rolle.

Er war da, er existierte. Und das konnte er nutzen.

Ob es nun lange halten würde oder nicht, das war ihm eigentlich relativ egal.

Er hatte keinen all zu großen Überlebenswunsch, aber sterben wollte er natürlich auch nicht einfach so. Er wollte eben einfach die Zeit, die ihm gegeben wurde, ausnutzen.
 


 

Nachdenklich blickte er sich also um und versuchte, sich zu orientieren.

Die Stadt, in der er sich befand, kannte er nicht. Darüber fand er in seinem Kopf keinerlei Informationen.

Das bedeutete also, dass Simmons entweder nie hier gewesen war, oder die Stadt einfach keine Bedeutung hatte.

Aber hier hatten sich Menschen befunden, Menschen, die gegen das Virus angehen wollten.

Und Erinnerungen dieses existierten im Kopf des Klons ebenfalls.

Aus dem Grund hatte er sich auch als erstes daran gemacht, diese Menschen ausfindig zu machen, und zumindest schon einmal die Leute, die ihnen hatten helfen wollten, auszulöschen.

Die kleine Gruppe selber hatte er dann erst einmal beobachtet.

Eigentlich hatte er auch sie auslöschen wollen, doch dann war dieser blonde Typ mit der Sonnenbrille in der Stadt aufgetaucht.

Und auch dieser schien in den Anderen keine Freunde gesehen zu haben.

Dann waren da eine kurze Zeit vor seinem Auftauchen überall Zombies erschienen, anscheinend die Stadtbewohner, und schließlich hatte der Blonde zwei Mollys vor die Kneipentür geworfen, hinter der sich die Mitglieder der kleinen Gruppe befunden hatten.

Der Klon hatte sich da lieber erst einmal bedeckt gehalten und dem Kerl zugeschaut.
 

Dieser wollte die Gruppe also tot sehen, ebenso wie der Simmons-Klon.

Nur, dass der gar keinen wirklichen Grund dafür hatte. Der einzige war, dass die Mitglieder der kleinen Gruppe gegen die Infizierten gekämpft hatten.

Und in seinem Kopf war eine Erinnerung daran, dass er die Infizierten nutzen sollte oder wollte. Also musste er verhindern, dass sie alle ausgelöscht wurden.

Vielleicht sollte er sich nun auf die Suche nach dem Mann mit der Sonnenbrille machen.

Er kannte ihn nicht, fand nicht die kleinste Erinnerung an ihn.

Natürlich war irgendwo in seinem Kopf der Name Albert Wesker verankert, weil Simmons durchaus schon von ihm gehört hatte, doch diesen brachte er nicht mit dem Mann in Verbindung. Noch nicht.

Aber das war ja auch egal. Dann würde er ihn eben kennen lernen.

Und vielleicht fand er in dem Blonden ja auch einen Verbündeten gegen die Gruppe.

Auf jeden Fall schienen sie beide von dem Virus angetan zu sein, auch der Andere bekämpfte es anscheinend nicht.

Und so, wie er gegen seine Feinde gekämpft hatte, schien er sogar infiziert zu sein. Zumindest wirkte er so, als hätte er übermenschliche Fähigkeiten.

Und auch der Simmons-Klon selber hatte ein Virus in sich, das C-Virus. Mit dessen Hilfe war er erschaffen worden, das wusste er.
 

Also entschloss er sich dazu, den blonden Mann in dem schwarzen Anzug aufzusuchen.

Im Grunde hatte er ja ohnehin nichts Besseres zu tun.

Und bevor sich an etwas anderes machte, wollte er seine Gedanken noch ein wenig ordnen.

Nach seinem Erwachen waren da so viele Erinnerungen und Gedanken gewesen, dass es ihn schlichtweg überfordert hatte.

Aus dem Grund war er auch erst einmal seinen Instinkten gefolgt.

Nun wollte er diese Erinnerungen alle nach und nach durchgehen und dann entscheiden, was er als nächstes tat.

Und solange konnte er sich ja mit dem anderen Infizierten befassen.

Dieser war nach dem Vorfall in der Kneipe nach Süden gelaufen, aber das bedeutete ja nicht, dass er noch dort war.

Allerdings wusste der Klon auch nicht, wo er sonst hin gehen sollte. Er kannte sich hier ja nicht wirklich aus.
 

Also wandte er sich erst einmal um und ging die Straße entlang.

So, wie er dort lief, wirkte er im ersten Moment selber wie ein Zombie, so blutbeschmiert und zerzaust wie er war.

Auch seine Schritte waren noch ein wenig unsicher, da ihm die ganzen Erinnerungen immer noch Kopfschmerzen bereiteten und dadurch auch ein leichtes Schwindelgefühl auslösten.

Wären die Geschehnisse in China nicht schon über drei Monate her, hätte man auch meinen können, dass Simmons überlebt hatte und nun durch die Straßen irrte.

Und Leon würde das vermutlich wirklich glauben.

Immerhin war diesem auch bei Carla nicht aufgefallen, dass es sich nicht um die echte Ada handelte.

Und dieser Simmons-Klon trug immerhin auch einen ähnlichen Anzug wie der echte Simmons.

Aber da dessen Tod schon länger her war, und man ihn auch bestätigt hatte, würde nicht einmal der Special Agent darauf rein fallen. Außerdem wusste er ja jetzt, dass ein Klon von Ada existiert hatte und würde daher schnell darauf kommen, dass es sich auch hier um nichts weiter als einen solchen Klon handelte.
 

Der Simmons-Klon war allerdings im Moment ohnehin nicht auf dem Weg zu Leon und Claire, sondern schlug gerade eher die Richtung ein, in der sich Jill und Sherry befanden.

Wesker, zu dem er ja eigentlich wollte, war mittlerweile schon wieder ganz woanders.

Der Blonde hielt sich im Moment nicht all zu lange an einem Ort auf.

Außer natürlich zu diesem Zeitpunkt.

Momentan war er ja noch in seinem Haus, zusammen mit Jake.

Und so würde ‚Simmons’ ihn im Süden der Stadt nicht mehr finden.

Dafür würde er dort nun auf die beiden Frauen treffen.

Und zumindest die Eine von ihnen würde ihn erkennen, oder eben zumindest den Mann, dessen Klon er war.

Erinnerungen an Sherry befanden sich auch in seinem Kopf, aber er wusste nicht, dass er für sie ein Feind war.

Seine Erinnerungen reichten nur für die Zeit, in der er ihr Auftraggeber gewesen war. In der Sherry noch nicht gewusst hatte, was für ein schlechter Mensch Simmons eigentlich war.
 

Dem Klon war aber auch das ganz egal.

Wenn er Sherry begegnen würde, würde er sie erkennen, und wenn er dann sah, wie diese reagierte, wusste er ja, dass sie in ihm kaum einen Verbündeten sah.

Und dann konnte er sie ja auch ganz einfach aus dem Weg räumen. Warum auch nicht?

Aber er dachte im Moment überhaupt nicht an die blonde Agentin.

Mit ihr rechnete er hier auch gar nicht.

Sein Ziel war der Mann mit der Sonnenbrille, und wenn er den nicht fand, würde er einfach warten, bis seine Gedanken geordnet waren und sich dann entscheiden, irgendetwas anderes zu tun.

Vielleicht machte er sich dann einfach spontan auf die Suche nach den Mitgliedern der Gruppe, die sich bei der Kneipe aufgehalten hatte.

Oder nach dieser schwarzhaarigen Frau, diese Ada Wong. Oder war das Carla gewesen?

Dass Adas Klon tot war, wusste ‚Simmons’ ja nicht.

Er hatte nur erkannt, dass die Asiatin eine von Beiden sein musste, das hatten Simmons’ Erinnerungen ihm gesagt.

Ja, wenn er den Blonden nicht fand, würde er nach der Frau suchen, auf jeden Fall.

Immerhin hatte die für Simmons gearbeitet. Vielleicht wusste sie auch mehr über das Virus.

Denn aus irgendeinem Grund war das Wissen über dieses im Kopf des Klons sehr verschwommen.

Entweder hatte Simmons nicht viel über das Virus gewusst, oder er hatte nicht gewollt, dass sein Klon zu viel wusste. Wobei die zweite Variante eindeutig die wahrscheinlichere war.
 

Allerdings wusste der Klon auch, dass Simmons bei Ada unsicher gewesen war.

Er selber war regelrecht in diese Frau vernarrt gewesen, hatte aber gespürt, dass diese ihm nicht traute. Und tief in sich hatte er auch gewusst, dass er ihr ebenso wenig trauen konnte.

Ada würde also vermutlich nicht gut auf den Klon zu sprechen sein. Und sicherlich würde sie ihn auch als Klon erkennen, wenn sie wusste, dass der echte Simmons tot war.

Und wenn es sich bei der Schwarzhaarigen doch um Carla gehandelt hatte?

Hatte diese die gleichen Erinnerungen wie Ada?

War es wie bei ihm, dass die Erinnerungen zwar da waren, sie aber eine eigene Persönlichkeit hatte?

Dem Simmons-Klon wurde klar, dass er wirklich vorsichtig sein musste.

Egal, ob Ada oder Carla, er würde auf eine Frau stoßen, die Simmons gegenüber vermutlich nicht unbedingt freundlich auftreten würde. Und somit auch ihm gegenüber nicht.

Im schlimmsten Fall konnte sie ohne Umschweife eine Waffe auf ihn richten und abdrücken.
 

Aber irgendetwas musste der Klon ja tun.

Irgendwie musste er an Informationen kommen.

Gerade weil das Wissen über das Virus so begrenzt war, hatte es seine Neugierde geweckt.

Er war ganz sicher, dass das Original seine Gründe gehabt hatte, ihn nicht zu viel wissen zu lassen.

Zu dumm, dass der Klon eine eigene Denkweise entwickelt hatte und aus eigenem Antrieb handelte.

Aber den toten Simmons würde das ja ohnehin nicht mehr stören.

Wieder huschte ein Grinsen über die Lippen des Klons, und er lachte leise in sich hinein.

Ihm stand die ganze Welt des Bioterrorismus offen.

Und wenn er den Blonden und Ada fand, wenn er es schaffte, mit beiden zu reden, wenn vielleicht sogar beide mit ihm kooperierten, würde ihm mehr gelingen als der echte Simmons vermutlich jemals zu träumen gewagt hatte.
 

Er war begeistert von seiner eigenen Idee und richtig unruhig vor lauter Tatendrang.

Aber er musste sich beruhigen und tief durchatmen.

In dieser Stadt kannte er sich nicht aus, und noch hatte er niemanden gefunden.

Ada oder Carla und der Mann mit der Sonnenbrille konnten überall sein.

Und dann waren da auch noch die Mitglieder der kleinen Gruppe, die gegen die Infizierten angingen.

Und die waren vermutlich auch noch irgendwo.

Zwar wollte der Klon gegen diese nicht unbedingt kämpfen, aber die Zombies selber sahen das vermutlich anders.

Sie sahen in ihm ja sicherlich auch nur ein Opfer und Futter. Vielleicht bemerkten sie aber auch das Virus und griffen ihn nicht an. Das hatte er bisher noch nicht ausprobiert. Und eigentlich hatte er das auch gar nicht vor.

Es würde eben kommen wie es kam.
 

Jetzt würde er erst einmal Diejenigen suchen, die etwas über den ganzen Viren-Kram wussten, dann würde er sehen, was bei einem möglichen Gespräch herauskam.

Und was er danach tat, würde er auch erst dann entscheiden.

Im Moment waren seine Gedanken dazu auch noch immer viel zu unsortiert.

Und der Simmons-Klon hatte ja eigentlich auch noch gar keinen wirklichen Plan.

Irgendwo war da der Wunsch, den ganzen Planeten mit BOWs zu verseuchen. Aber das war ein Gedanke, der irgendwie von ihm selber kam und nicht von dem Original.

Aber letzten Endes machte das ja keinen Unterschied.

Wenn die Welt von BOWs beherrscht wurde und dadurch mehr oder weniger vernichtet war, war es ja vollkommen egal, wer nun wirklich schuld daran gewesen war.

Denn dann gab es niemanden mehr, den das noch in irgendeiner Art und Weise hätte interessieren können...

Sackgassen und Zeitverschwendung

Nach mehreren Versuchen hatte Sherry Hunnigan endlich erreicht und ihr berichtet, dass sie Leon und die Anderen hatten retten können, und dass sie sich nun aufgeteilt hatten, um den Horror so schnell wie möglich zu beenden.

Hunnigan hatte ihr daraufhin eine Adresse genannt, zu der Jill und sie kommen sollten.

Und auf dem Weg zu eben dieser Adresse waren die beiden Frauen nun.

Anfangs waren sie beide nicht gesprächiger als Leon oder Chris, doch nach einer Weile wurde ihnen diese Stille zu unangenehm, und sie begannen, über irgendwelche belanglose Themen zu reden.

Jill seufzte leise, fuhr sich durch die Haare und löste nachdenklich ihren Zopf, den sie doch etwas zu eng gebunden hatte, und der ihr langsam Kopfschmerzen bereitete.

Dann sah sie zu Sherry und hörte dieser zu, wie sie gerade von ihren Erlebnissen mit Jake berichtete.

Sie waren eben Frauen. Kein Wunder, dass das Gespräch recht schnell in diese Richtung gegangen war und nun von Männern handelte.
 

„Du scheinst ihn wirklich richtig aufgetaut zu haben“, meinte Jill dann, als die Jüngere geendet hatte und gedankenverloren nach vorne blickte.

„Habe ich, ja. Und ich bin froh, dass ich das geschafft habe. Jake ist ein wundervoller Mann, nur manchmal… ist er sehr stur und hitzköpfig“, fuhr Sherry mit einem leichten Lächeln fort.

Ihr gefiel das irgendwie, auch, wenn Jake manchmal wirklich übertrieb.

Und auch jetzt hatte seine Sturheit überhand genommen, und die junge Agentin machte sich wirklich Sorgen.

Natürlich konnte Jake sich wunderbar verteidigen, er war ein sehr guter Kämpfer.

Und irgendwie ertappte sich Sherry sogar dabei, wie sie sich wirklich fragte, wie ein Kampf zwischen ihm und seinem Vater wohl aussehen würde. Wäre es ein einfacher kleiner Kampf zwischen Vater und Sohn, bei dem es dann nicht um Leben und Tod ging.

So aber hatte sie einfach nur Angst, Jake zu verlieren.
 

„Er wird schon klar kommen. Und Chris und sein Partner holen ihn auf jeden Fall zurück, da bin ich sicher“, murmelte Jill nachdenklich, als sie bemerkte, wie Sherrys Stimmung deutlich zu kippen begann.

Sie konnte die junge Frau ja verstehen, natürlich.

Ihr selber ging es doch mit Chris wirklich nicht anders.

Sie wusste, wie stark er war, sie wusste, dass man sich auf ihn verlassen konnte, und dass auch sein Partner Piers alles geben würde.

Aber hier ging es nun einmal um Albert Wesker.

Und auch den kannte Jill gut genug, um zu wissen, wie stark er war.

Wie man es auch drehte und wendete, Chris und Piers waren nun einmal nur Menschen.

Und Piers hatte zwar das Virus in sich, aber er konnte es mit Sicherheit nicht kontrollieren.

Wesker hingegen schon, und er tat das schon viele Jahre lang.

Er wusste, wie er das Virus ausnutzen konnte, er wusste, dass er seinen Gegnern haushoch überlegen war.

Damals in Afrika hatten sie einfach verdammtes Glück gehabt. Und wie man ja nun sah, hatte nicht einmal das ausgereicht, um Wesker gänzlich zu vernichten.
 

„Du wirkst… nicht gerade überzeugt, aber danke trotzdem.“

Sherry lächelte matt und sah zu der Älteren, die nun kaum glücklicher aussah als sie selber.

Sicherlich sorgte sie sich um Chris. Das konnte Sherry gut nachvollziehen.

Und sie wusste, dass sich Jake und Chris vermutlich ebenso um sie sorgten.

Ob das wohl wirklich so war?

Bei Chris war die Blonde ganz sicher, aber wie sah es mit Jake aus?

Ob Jake sich wirklich um sie sorgte? Vielleicht dachte er gerade auch wirklich nur an Wesker, vielleicht war ihm Sherry im Moment vollkommen egal.

Irgendwie konnte sie sich das nicht vorstellen, oder sie wollte es sich einfach nicht vorstellen.

Aber sie redete sich ein, dass Jake etwas für sie empfand, dass sie ihm zumindest nicht egal war.

Und zumindest da konnte Sherry auch ganz sicher sein, das wusste sie.

Dennoch war die Agentin einfach unsicher.

Auch, wenn ihr durchaus klar war, dass es nun weitaus Wichtigeres als ihre Beziehung zu Jake gab.

Immerhin mussten sie zu Hunnigan kommen, um zu berichten, was genau vorgefallen war, was sie nun taten, und wie sie vielleicht doch noch an Hilfe kommen würden.

Sie mussten ihrem Feind eine Falle stellen.
 

Mittlerweile stand fest, dass dieser Feind nicht Wesker war.

Der war nämlich in der Nähe der Kneipe gesichtet worden, als man das S.W.A.T.-Team ausgelöscht hatte.

Und bei dieser Auslöschung hatte man deutlich einen Mann beobachten können. Leider war dieser jedoch nicht erkannt worden.

Es war natürlich durchaus möglich, dass er dennoch für Wesker arbeitete, aber fest stand so oder so, dass sie es hier mit mindestens zwei Feinden zu tun hatten.

Und Chris schien auch dieser Ada nicht über den Weg zu trauen, darüber hatte sich Sherry den bisherigen Weg über unter anderem auch Gedanken gemacht.

Er hätte Leon und Claire nicht gehen lassen, um der Asiatin zu folgen, wenn er sich einfach Sorgen um sie gemacht hätte.

Denn in dem Fall wäre das eine recht lächerliche Aufgabe gewesen, und man hätte Leon und Claire stattdessen viel besser einem anderen Team zuteilen können.

Also war es relativ sicher, dass Chris hinter Ada eine Feindin vermutete.

Zumindest aber schien er davon auszugehen, dass sie irgendetwas wusste.

Und auch in dem Fall war es vermutlich keine gute Idee gewesen, ausgerechnet Leon zu schicken.

Denn dieser hegte eindeutig Gefühle für Ada, ihn konnte diese so leicht um den Finger wickeln.

Er würde kaum etwas aus ihr herausbekommen, selbst wenn er es ernsthaft versuchen würde.

Aber Chris schien Leon zu vertrauen.

Und Sherry tat das ohnehin.

Schließlich wusste der Special Agent ja auch, um was es hier ging. Und Liebe zu Ada oder nicht, er würde seine Freunde und die Welt niemals im Stich lassen. Nicht für eine einzige Frau.
 


 

„Woran denkst du?“

Sie waren bereits eine ganze Weile lang gelaufen und näherten sich langsam aber sicher dem Gebäude, in dem sie Hunnigan treffen sollten.

Sie hatte ihnen extra Koordinaten genannt und keine genaue Adresse. Einen Ort weit weg vom eigentlichen Sitz der Regierung.

Ihr Feind sollte sie nicht zu schnell finden.

Sherry hob den Blick, sah zu Jill und zuckte leicht mit den Schultern, ehe sie ein müdes Seufzen hören ließ.

„Ich mache mir Sorgen. Um Chris, um Leon, vor allem um Jake… Und ich frage mich, ob wir nicht doch besser alle hätten zusammen bleiben sollen“, gestand sie nun leise und senkte den Blick.

Sie wusste, wie schwach das klingen musste, vielleicht sogar etwas egoistisch.

Aber sie wollte Jill auch nicht belügen. Und diese kam ihr auch wie jemand vor, dem man so etwas durchaus im Vertrauen sagen konnte. Sie würde es verstehen.

Und tatsächlich verstand Jill es nicht nur, sondern stimmte Sherry auch noch zu.
 

Ihr ging es nicht anders.

Auch Jill machte sich so ihre Gedanken und fragte sich, ob es richtig gewesen war, ausgerechnet Chris und Piers alleine gehen zu lassen.

Ada zu finden konnte sich als schwierig gestalten, war aber vergleichsweise ungefährlich.

Wenn Sherry und sie erst einmal bei Hunnigan angekommen waren, hatten sie vermutlich auch gleich Unterstützung gegen den unbekannten Feind.

Chris und sein Partner hingegen wollten sich mit Wesker anlegen.

Gut, Jake war noch dort, aber ähnlich wie Chris dachte auch Jill über das nach, was zuvor bei der Kneipe passiert war.

Wesker hatte Chris irgendwie eine Gehirnwäsche verpasst. Und die Gefahr bestand, dass der Blonde das bei seinem Sohn auch noch versuchte.

Der Kerl machte ja vor niemandem Halt.

Und wenn es ihm wirklich gelang, wenn er Jake auf seine Seite ziehen konnte, dann hatten es Chris und Piers mit zwei sehr starken Gegnern zu tun.

Und auch, wenn Jill um Chris’ Kraft wusste und diesem blind vertraute, wusste sie doch auch, dass die beiden Soldaten dann auf jeden Fall dem Tode geweiht wären.

Selbst, wenn es Piers irgendwie gelingen würde, sein Virus zu nutzen. Denn im Gegenteil zu Wesker hatte er keinerlei Erfahrung damit.
 

„Ich mache mir auch Sorgen. Und ich denke… dass wir Chris und Piers niemals alleine hätten gehen lassen sollen. Sich mit Wesker anzulegen, das ist reiner Selbstmord“, meinte sie seufzend und schüttelte leicht den Kopf.

Bisher waren die Themen, über die sie und Sherry geredet hatten, eher fröhlich gewesen. Eben einfach irgendwelche belanglosen Kleinigkeiten aus dem Leben.

So hatten sie versucht, die Schrecken, die hier lauerten, ein wenig zu überspielen.

Aber als das Gespräch dann auf Chris und Jake gekommen war, hatte diese Fröhlichkeit mit einem Mal aufgehört und war Sorge und Angst, Unsicherheit und Verzweiflung gewichen.

Jill überlegte sogar, ob sie Hunnigan nicht einfach per Telefon alles mitteilen sollten. Auch auf die Gefahr hin, abgehört zu werden, aber ihr Verfolger schien ja ohnehin schon alles zu wissen.
 

Dann hätten sie umkehren und Chris und Piers zur Hilfe eilen können.

Sie hätten sie anrufen und Bescheid geben können. Zu Viert hätten sie vielleicht eine kleine Chance gehabt.

Aber Jill wollte Chris auch nicht enttäuschen, sie wollte ihre Aufgabe erfüllen. Und er wusste doch auch, was er tat, oder nicht?

Wusste Chris vielleicht, dass dies sein letzter Kampf sein würde? Hatte er deshalb auf diese Teams bestanden? Hatte er gewollt, dass Jill dann auf keinen Fall bei ihm war?

Die Blonde wurde immer unsicherer, so viele Fragen schwirrten ihr durch den Kopf.

Dann aber schüttelte sie diesen und murrte leise auf.

Was dachte sie denn da? Wie egoistisch war sie eigentlich?

Als würde es hier um sie gehen, als würde Chris hier nur an sie denken. So ein Unsinn.

Der Kampf gegen Wesker, das war sein Kampf, war es schon immer gewesen.

Und im Moment war nun einmal Piers sein Partner, nicht sie. Und darum hatte er ihn mitgenommen.

Sie selber hatte auch eine Aufgabe zu erfüllen. Und eine Partnerin, die sie nicht im Stich lassen durfte.

„Gehen wir weiter“, meinte sie dann leise und ernst und nickte Sherry zu.
 

Diese erwiderte das Nicken, straffte die Schultern und folgte Jill.

Auch die Jüngere wusste, dass sie einfach weiter machen mussten.

Die Aufgaben waren verteilt worden, und diese hier war nun einmal ihnen zugeteilt worden.

Und auch, wenn es vielleicht leichter war als einen Sieg gegen Wesker zu erringen, war es doch nicht weniger wichtig.

Und auch die Suche nach Ada konnte von Bedeutung sein.

Zumal es da ja nicht nur darum ging, Leons Sorge um die Frau zu beseitigen.

Sie konnte Informationen haben, sie hatte ganz sicher welche.

Immerhin war sie zuvor Wesker gefolgt.

Und vielleicht hatte sie auch das Feuer in der Kneipe gelöscht.

Und da sie momentan überhaupt keinerlei Anhaltspunkte hatten, da sie nicht einmal im Ansatz wussten, was hier eigentlich los war, mussten sie jede Möglichkeit nutzen, die sich ihnen bot.

Letzten Endes konnte das Finden der Asiatin sogar zu den wichtigsten Aufgaben gehören.

Vielleicht schaffte Leon es ja doch, ihr ein paar Informationen zu entlocken. Vielleicht war er sogar der Einzige, der das überhaupt konnte.

Dass er etwas für Ada empfand, war klar. Daran gab es nicht den geringsten Zweifel.

Aber es war ja auch durchaus möglich, dass es Ada ähnlich ging, dass auch sie Gefühle für Leon hegte.

Und wenn dem so war, war der Special Agent auf jeden Fall der Einzige, der überhaupt die Chance hatte, irgendwelche Informationen von Ada zu bekommen.
 

Und das war nun doch wieder etwas, das Jill zweifeln ließ. Zweifeln an dem, was Sherry und sie tun sollten.

Was sollten sie Hunnigan denn erzählen?

Sie wussten, dass ein Virus ausgebrochen war, hatten aber keine Ahnung, um welches es sich handelte.

Dann wussten sie noch, dass Wesker lebte, dass er Chris manipuliert hatte, und dass er nun Jake…

Nein, das wussten sie ja nicht einmal mit Sicherheit.

Jake konnte auch bei diesem anderen Kerl sein, von dem sie auch keine Ahnung hatten, um wen es sich eigentlich handelte.

Sie hatten nichts, was sie Hunnigan und den Anderen vorweisen konnten.

Und die Regierung würde nach allem, was passiert war, kaum einen weiteren Hilfstrupp ins Ungewisse schicken.

Nein, das wäre auch mehr als dumm gewesen.
 


 

„Warte…“, murmelte Jill deshalb, hielt Sherry am Ärmel fest und schüttelte leicht den Kopf, ehe sie ihr Handy hervor zog.

Sie wollte Chris anrufen und diesem berichten, dass sie umkehren würden, um ihm und Piers bei dem Kampf gegen Wesker zu helfen.

Sie selber hatte auch noch eine Rechnung mit ihm offen. Und Sherry… die war die Tochter eines ehemaligen Mitarbeiters von Wesker. Das reichte als Grund, ihn bekämpfen zu wollen. Und wenn nicht, war sie eben auch noch die Freundin seines Sohnes, den er möglicherweise gefangen hielt. Das war dann auf jeden Fall Grund genug.

Hier konnten die beiden Frauen einfach nichts ausrichten.

Nicht, ohne weitere Informationen zu haben.

Und dazu mussten entweder Wesker oder Ada auspacken.

Und bis das geschah, konnte es noch lange dauern.

Da gab Jill lieber bei Hunnigan Bescheid, dass sie nicht kommen würden, und gab ihr schon einmal die wenigen Informationen, die sie bisher hatten. Zumal die Braunhaarige diese ja eigentlich ohnehin auch schon alle kannte.

Natürlich gab es auch noch Infizierte zu vernichten, aber niemand wusste, wie viele es bereits waren.

Niemand wusste, wo sich diese aufhielten.

Auch das war eine eher unmögliche Aufgabe für Sherry und Jill.

Gut, sie konnten den großen bösen Unbekannten jagen, vielleicht fanden sie den.

Aber möglicherweise handelte es sich bei dem um einen ebenso übermenschlichen Gegner wie Wesker.

Besser war es, erst einmal diesen auszuschalten und sich dann gemeinsam dem neuen Feind zuzuwenden.

Alles andere war glatter Selbstmord, der einfach niemanden weiter brachte.
 

Sherry verstand die Geste, blieb stehen und nickte leicht, ehe sie die Arme verschränkte und abwartete.

Sie war noch immer der gleichen Meinung wie Jill.

Auch ihr war es lieber, Chris und Piers zu unterstützen. Wesker zu vernichten und vielleicht Jake zu finden, als nun zur Regierung zu gehen, bei der sie ohnehin nichts tun konnten.

Leicht schloss sie die Augen und atmete tief durch, ehe sie in den Himmel blickte.

Es wurde langsam schon wieder dunkel, und sie selber wieder müde.

Aber sie riss sich zusammen und verdrängte diese Müdigkeit erst einmal.

Schlafen konnte sie, wenn Wesker vernichtet war.

Dann brauchten sie sicherlich alle erst einmal Ruhe.

Nun aber musste sie sich zusammenreißen und wach bleiben.

Also senkte Sherry den Blick wieder und heftete ihn stattdessen auf Jill, die das Handy an ihr Ohr hielt und ein wenig ungeduldig darauf wartete, dass Chris endlich abnahm.

Allerdings tat er das nicht.

Stattdessen war es Piers, der an das Handy seines Captains ging und sich meldete, wobei er verwirrt und etwas besorgt zugleich klang.

Verständlich, immerhin hatten sie sich nur im Notfall beieinander melden wollen.
 

„Piers?“, hakte Jill nach, als sie die Stimme am anderen Ende erkannte.

Sie runzelte leicht die Stirn, sah fragend zu Sherry und zuckte dann leicht mit den Schultern, ehe sie sich wieder auf das Telefonat konzentrierte.

„Chris schläft, darum bin ich an sein Handy gegangen. Er ist… auf dem Weg fast zusammengebrochen, und ich habe entschieden, eine Pause einzulegen. In dem Zustand gegen Wesker zu kämpfen, wäre Selbstmord. Auch wenn es so nicht wirklich anders aussieht.“

Also hatte auch Piers Zweifel. Irgendwie beruhigte Jill das ein wenig. Es bedeutete, dass Sherry und sie zumindest nicht übertrieben besorgt waren, sondern die Situation ganz realistisch sahen.

„Genau darüber wollte ich mit ihm reden, Piers“, erklärte Jill nun und lehnte sich dabei leicht gegen eine Hauswand.

„Aber lass ihn ruhig schlafen, die Entscheidung ist eigentlich eh schon gefallen. Wir können bei der Regierung nichts ausrichten, wir wissen zu wenig. Das Gleiche gilt für den mysteriösen Typen, der uns zu beobachten scheint. Er könnte eben so gefährlich sein wie Wesker…“

Jill machte eine kurze Pause, damit Piers über ihre Worte nachdenken konnte, ehe sie etwas leiser aber auch ernster fortfuhr.

„Darum wollen wir zu euch stoßen. Wesker ist ein übermenschlicher Gegner. Und selbst ganz fit hättet ihr kaum eine Chance gegen ihn. Wir wissen doch alle, wie knapp es schon beim letzten Mal war, als er dich als Geisel genommen hatte. Und wenn er nun Jake hat, wenn er mit ihm macht, was er mit Chris gemacht hat…“

„Dann haben wir es mit zwei starken Gegnern zu tun und müssen bei einem auch noch aufpassen, ihn nicht zu töten“, beendete Piers Jills Satz und seufzte müde auf.

„Auch, wenn der Captain nicht begeistert sein wird… Kommt vorbei. Ich weiß selber, dass wir keine Chance haben, und Chris sollte das auch eingesehen haben. Hier können wir zu Viert sicherlich mehr ausrichten. Das ist sinnvoller, als sich in Zweier-Teams in den Tod zu stürzen“, murmelte der junge Soldat, ehe er Jill die Adresse nannte, auflegte und sich zurück lehnte, während er seinen schlafenden Captain betrachtete.

Es behagte ihm nicht unbedingt, über dessen Kopf hinweg entschieden zu haben, aber Jill hatte nun einmal recht.

Selbst fit war es fast unmöglich, Wesker zu bezwingen.

Und mit Chris in seinem momentanen Zustand war es einfach unmöglich.

Zudem waren Jill und Sherry erwachsen und standen nicht unter Chris’ Führung.

Sie konnten selber entscheiden, was sie taten.

„Sorry für die Entscheidung, die Ihnen vermutlich nicht gefallen wird, Captain“, meinte er dann auch leise, ehe er mit einem leichten Gähnen wieder die Augen schloss und noch einmal ein wenig vor sich hin döste, jedoch wach genug blieb, um es mitzubekommen, wenn die beiden Frauen eintrafen.

Simmons und die Klon-Krieger

Während sich Sherry und Jill nun also auf den Weg zurück machten und sich so doch wieder von dem Simmons-Klon entfernten, ging dieser weiter die Straße entlang in Richtung Süden.

Auch, wenn er dort weder Wesker noch Ada finden würde, hatte er das Gefühl, dass dies einfach der richtige Weg war.

Irgendetwas regte sich doch in seinem Kopf, eine Erinnerung die mit dieser ihm eigentlich unbekannten Stadt zusammenhing.

Es hatte nichts mit dieser Ada zu tun, nichts mit dem Blonden mit der Sonnenbrille.

Es war etwas Anderes, etwas, das aber durchaus wichtig war.

Aber dieser Gedanke, diese Erinnerung, sie war ebenso verschwommen wie die Erinnerungen an das C-Virus.

Als hätte der echte Simmons Angst gehabt, dass sein Klon irgendetwas entdecken könnte, was besser vor ihm verborgen blieb.

Und wieder stachelte das seine Neugier nur noch weiter an.

Er wollte es wissen. Wollte wissen, was sein Original hier versteckt hatte, was er verborgen hielt, mehr oder weniger sogar vor sich selber.

Was war es, das er als so wichtig erachtet hatte, dass er es nicht einmal seinem eigenen Klon zeigen wollte?

Es musste etwas sehr Großes sein, etwas sehr Mächtiges.

Vielleicht eine neue Biowaffe?

Vielleicht etwas, womit man sie herstellen konnte, wie zum Beispiel Reste des C-Virus?
 

So oder so, der Klon war sicher, das schon sehr bald herauszufinden.

Er merkte, dass er sich dem geheimen Ort näherte, dass es in seinem Kopf arbeitete wie in einem Uhrwerk.

Und das zeigte deutlich, dass er sich an einem Ort befand, der für den echten Simmons doch in irgendeiner Art und Weise wichtig gewesen war.

Also ging er weiter, sah sich um und betrachtete die umliegenden Gebäude eingehend.

Bei irgendeinem mussten die Erinnerungen stärker sein.

Und das Gebäude war dann jenes, welches er betreten musste.

Er vermutete irgendein geheimes Labor, zumindest hätte Simmons das ähnlich gesehen.

Und ein solches befand sich vermutlich im Keller, zumindest ging der Klon davon aus, denn das war ja nur sinnvoll.

Labors befanden sich meistens in Kellern, je tiefer, desto besser, desto sicherer und geheimer.
 

Kurz blieb der Simmons-Klon stehen, dann legte er den Kopf schief und grinste ganz leicht.

Er schien das Gebäude gefunden zu haben.

Es war ein recht altes Haus, ein verlassenes Fabrikgebäude, bei dem die meisten Fenster kaputt waren oder ganz und gar fehlten.

Die Mauern waren grau, teilweise mit Graffiti besprüht. Hier und da fehlten Teile der Farbe, Steine lugten hervor, Putz war abgebröckelt.

Niemand würde vermuten, dass dieser Ort noch von irgendwem für irgendetwas genutzt wurde.

Und selbst wenn, vermutete man dahinter höchstens das illegale Heim eines eigentlich Obdachlosen und nicht ein geheimes Labor oder dergleichen.

Der Klon musste etwas grinsen, als er darüber nachdachte, dass Simmons bei ihm wohl wirklich versagt hatte.

Er dachte eigenständiger als er sollte, und noch dazu waren die Erinnerungen, die Simmons hatte verbergen wollen, immer noch vorhanden. Sie waren schwach, aber da. Und somit konnte der Klon sie nutzen. Und genau das tat er auch.
 


 

Langsam und vorsichtig betrat er das Haus, falls es doch noch jemanden gab, der davon wusste, und der sich vielleicht hier aufhielt.

Man wusste ja nie, wer noch so für Simmons gearbeitet hatte. Immerhin kannte der Klon ja nur die Leute, die es vor seiner Erschaffung gegeben hatte. Simmons hatte die Erinnerungen nicht aktualisiert.

Und so bestand durchaus die Möglichkeit, dass er hier in eine Art Falle lief.

Aber dem war nicht so.

Es blieb ruhig in dem Haus, und es wirkte wirklich so, als wäre ewig niemand mehr hier gewesen.

Dem Klon fiel jedoch auf, dass der Schein trog.

Hier und da erkannte man im dicken Staub Fußspuren, an Fensterbrettern Fingerabdrücke.

Eine Tür, die sich etwas weiter hinten befand, war erst vor kurzer Zeit geöffnet worden, was man gut daran erkannte, dass der Staub auf dem Boden verwischt und zusammengeschoben worden war. Da, wo die Tür über den Boden schrammte.

„Viel zu auffällig…“, murmelte der Klon und fragte sich, ob es sich dabei vielleicht um eine Falle handelte.

War Simmons wirklich so unvorsichtig gewesen?

War er einfach davon ausgegangen, dass ohnehin niemand her kommen würde?

Sein Klon hoffte, dass es so war, denn er wollte nun wirklich nicht in eine Falle laufen. Und er wollte auch nicht unbedingt erst das ganze Haus absuchen.

Lieber folgte er dem offensichtlichen Weg, auch wenn das vielleicht dumm war.
 

Aber tatsächlich hatte er Glück.

Der Weg war verlassen und führte in einen Gang hinein, der an einer weiteren Tür endete.

Der Klon öffnete diese, und war erstaunt, dass es wirklich so einfach funktionierte. Damit hatte er eigentlich nicht gerechnet.

Überhaupt war er erschreckend leicht in das Gebäude gekommen.

Der Haupteingang war zerstört gewesen, die erste Tür im Gang hatte sich ebenso leicht öffnen lassen wie diese hier. Es war merkwürdig, aber solange es ihn an sein Ziel führte, würde sich der Klon sicherlich nicht beschweren.

Also ging er weiter, lauschte in die Stille hinein und schüttelte den Kopf.

Das Gebäude war wirklich so tot wie es wirkte. Hier war niemand mehr. Vielleicht fand er hier auch nichts.

Zwar waren da wirklich blasse Erinnerungen in seinem Kopf, die mit dem Haus zusammenhingen, aber vielleicht lag das ja nur daran, dass auch der echte Simmons es einfach verdrängt hatte.

Kurz überlegte der Klon daher tatsächlich, einfach umzukehren, entschied sich dann aber dagegen. Erst einmal wollte er dem Weg weiter folgen.

Und die Entscheidung war eindeutig die richtige gewesen.
 

Er gelangte an eine dritte Tür, öffnete diese und fand zu seinen Füßen eine steile, dunkle Treppe, die nach unten führte.

Der Klon tastete nach dem Lichtschalter, aber natürlich gab es hier oben keinen Strom. Hoffentlich war es unten anders.

Er ging so vorsichtig wie möglich nach unten, hielt sich am Geländer fest und tastete mit den Füßen nach jeder Stufe einzeln.

Einige waren wirklich kaputt, und wäre er unvorsichtiger gewesen, hätte er ganz leicht in die Tiefe stürzen können.

Nach einer gefühlten Ewigkeit war der Klon dann aber heile unten angekommen und sah sich um, auch, wenn er in der Dunkelheit ohnehin nichts erkennen konnte.

Allerdings nahm er dann zumindest leichte Umrisse wahr und erkannte nach einer Weile eine kleine Konsole an der Wand.

Das war der erste Gegenstand in diesem Gebäude, der an ein Labor erinnerte.

Vermutlich war dies die Tür, die in in eben dieses Labor führte. Zumindest hoffte der Simmons-Klon das.

Nur wie kam er dort hinein?

Er versuchte, die Tür so zu öffnen, doch es gab nicht einmal eine Klinke, und aufdrücken konnte er sie auch nicht.

Also musste er wohl oder übel herausfinden, wie der Code für diese Tür lautete.

Also lehnte er sich gegen die Wand, schloss die Augen und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.

Wenn es da Erinnerungen an das Gebäude an sich gab, gab es da vielleicht auch Erinnerungen an diese Tür. Und somit auch an den Code.

Die einzige Gefahr, die nun noch bestand war die, dass Simmons diesen Code geändert haben könnte, um kein Risiko einzugehen.

Das hätte auch erklärt, warum er sonst so mit Sicherheitsvorkehrungen gegeizt hatte.
 

Eine ganze Weile lang stand der Klon nun einfach so schweigend da, dann öffnete er die Augen wieder, atmete tief durch und blickte die kleine Konsole an.

Den Code kannte er nun, stand dafür aber einem anderen Problem gegenüber, an das er zuvor gar nicht gedacht hatte: Es gab auch hier unten keinen Strom.

Der Bildschirm war schwarz, es leuchtete nicht einmal das kleinste Licht.

Und so würde das Teil natürlich auch nicht reagieren.

„Verdammt…“, murrte er leise und schlug leicht gegen die Wand.

Etwas Putz bröckelte von dieser, und ein leises Rumoren war zu hören.

„Ist das wirklich dein Ernst? Wie armselig…“, murmelte der Klon nun, als er spürte, wie es in der Wand vibrierte und sich die Tür dann mit einem knarrenden Laut öffnete.

Wieder bröckelte Putz von der Wand, und der Klon schloss leicht die Augen und hustete ein paar Mal heftig.

Hier unten war scheinbar wirklich schon länger niemand gewesen. Zumindest hatte niemand diesen Eingang benutzt. Es war ja durchaus möglich, dass es noch einen zweiten gab.

Noch etwas verwirrt von der Tatsache, dass die kleine Konsole und der Code wohl nur zur Tarnung gedient hatten, schlug der Klon die Augen wieder auf und ging durch die nun offene Tür hindurch.

Auch in dem Raum, den er nun betrat, war es dunkel.

Aber es war auch sehr kalt, und ein leises Summen und Surren war zu hören.

Zumindest schien es in diesem Zimmer Strom zu geben.

Das war immerhin etwas und bewies, dass der Raum vor einiger Zeit noch genutzt worden war, dass es hier irgendetwas von Interesse geben konnte.
 

Der Klon ging noch ein paar Schritte weiter, dann tastete er wieder die Wand entlang und fand erneut einen Lichtschalter, den er drückte.

Und tatsächlich hatte er dieses Mal Glück.

Ein etwas lauteres Summen war zu hören, dann flimmerte es erst, ehe sich das Licht ganz einschaltete.

Es war nicht so hell, wie der Klon vermutet hatte, blendete nach der vollkommen Dunkelheit aber doch ein wenig.

Als sich das wieder gelegt hatte, sah sich Simmons’ Klon erst einmal um.

Er stand tatsächlich in einem Labor, wenn auch in einem eher kleinen.

Es gab einige Behälter, die an den Wänden aufgereiht waren, und auch in der Mitte des Raumes gab es noch einmal zwei Reihen dieser Behälter, die sich durch das gesamte Zimmer zogen.

In jedem einzelnen dieser Behälter befand sich ein Kokon, und alle Behälter waren mit Schalttafeln verbunden, von denen die surrenden Geräusche ausgingen.

„Was zum…“, murmelte der Klon, als er ein paar Schritte weiter auf die Behälter zuging und sie betrachtete.
 

Es handelte sich eindeutig um Kokons, die durch das C-Virus geschaffen worden waren. In einem solchen musste auch er sich befunden haben.

Und das bedeutete dann wohl, dass sich in diesem Raum weitere Klone befanden, zumindest aber BOWs.

Und als er kurz nachrechnete, kam er auf eine Zahl von über 20.

20 BOWs oder Klone, die hier unten lagerten und nur darauf warteten, befreit zu werden, um die Welt zu bevölkern und zu vernichten.

Das war wie Weihnachten und Geburtstag in einem und entlockte dem Klon ein leises Lachen.

„Wie schön, wie schön. Simmons, ich muss sagen, du hast gute Arbeit geleistet“, murmelte er und ging um einen der Behälter herum.

Wenn er die Maschinen erst einmal wieder richtig in Gang gebracht hatte, im Moment befanden sie sich alle im Standby-Modus, dann stand ihm eine ganze Armee an BOWs zur Verfügung. Oder eben eine Armee von Klonen, aber auch das wäre sicherlich nicht verkehrt gewesen.

Allerdings ging der Klon davon aus, dass Simmons nicht mehr als einen von seiner Sorte geschaffen hatte.

Und dass es einen weiteren Klon von Ada gab, bezweifelte er auch, denn allem Anschein nach hatte es verdammt lange gedauert, bis der Versuch wirklich geglückt, und eine Ada gelungen war, die dem Namen auch gerecht geworden war.

Simmons hatte sicherlich weder Zeit noch Lust gehabt, weitere Versuche anzustellen, und die dann noch dazu einfach unfertig zurück zu lassen.
 

„Wollen wir doch mal sehen, ob ich das nicht irgendwie hin bekomme…“

Der Klon hatte sich vor eines der Pulte gestellt und blickte auf dieses hinab.

Ein ganz schwaches Licht war zu erkennen, und über den Bildschirm flackerten die Worte ‚Standby - Please push the black button to activate Life Mode’.

„Life Mode…“, murmelte er und neigte den Kopf zur Seite.

Das war ja noch nicht unbedingt das, was er tun wollte. Er wollte erst einmal wissen, um was es sich hier handelte, und es nicht einfach gleich zum Leben erwecken.

Deshalb ließ er die Maschine auch erst einmal Maschine sein und wandte sich der einzigen Wand zu, an der sich keine Behälter befanden. Es war die Wand gegenüber der Tür, und an dieser entlang reihten sich einige Regale, die mit Akten gefüllt waren.

Sicherlich konnte er da etwas über diese Kokons und deren Inhalt in Erfahrung bringen.

Seufzend schüttelte der Simmons-Klon den Kopf und ging auf die Regale zu.

Sie waren bis in die letzte Ecke mit Akten gefüllt und zogen sich über die ganze Wand und fast bis zur Decke hoch.

Hier jede einzelne Akte durchzulesen, kostete viel zu viel Zeit.

Und dazu hatte der Klon nun auch wirklich keine Lust. Immerhin hätte es zu nichts geführt.
 

Und so musste er noch einmal auf die verblassten Erinnerungen zurückgreifen, die Simmons in seinem Kopf zurück gelassen hatte.

Erneut schloss der Klon die Augen, konzentrierte sich auf das Labor und die Akten, und versuchte, herauszufinden, in welchem Bereich er in etwa suchen musste.

Es dauerte eine Weile, und der Klon kniff leicht die Augen zusammen, weil die Erinnerungen in seinem Kopf schmerzten.

Es war verdammt anstrengend, sie abzurufen.

Etwas Schweiß perlte auf seiner Stirn, als er die Augen wieder öffnete, und der Simmons-Klon wirkte nun fast ein wenig krank.

Er war blass und hatte Augenringe, und als er sich dem Regal wieder zuwandte, schwankte er ganz leicht.

Doch er riss sich zusammen, atmete ein paar Mal tief durch und griff dann in das Regal, um eine der Akten heraus zu ziehen.

Diese schlug er dann auf, lehnte sich gegen die Wand und begann, die Akte durchzublättern.
 

Was er da sah, gefiel dem Klon recht gut, überraschte ihn aber auch ein wenig.

Wie erwartet handelte es sich bei den Kokons um jene, die durch das C-Virus erschaffen worden waren.

Doch was genau sie hervorbringen würden, stand nicht in den Unterlagen.

Simmons hatte per Hand notiert, dass er eine einzelne Probe noch in einer Spritze hatte, die sich in einem Fach hinter dem ersten Behälter links der Tür befand.

Doch als der Klon dort hin ging und das Fach öffnete, war es leer.

Er konnte ja ach nicht ahnen, dass besagte Spritze sich schon vor einiger Zeit auf den Weg nach China gemacht, und dort ihren Weg in Simmons Nacken gefunden hatte, nachdem sie noch zusätzlich mit Jake Mullers Blut verstärkt worden war.

„Das bringt nicht viel, das bringt gar nichts…“, knurrte er und schlug die Akte genervt wieder zu.

Simmons hatte anscheinend selber keinen blassen Schimmer gehabt, was er da fabrizierte.

Er hatte das C-Virus einfach irgendwie mit irgendetwas anderem gemischt, ein paar Opfer gefunden, und das Zeug an ihnen getestet.

Vermutlich war er währenddessen gestört worden und hatte einfach nicht die Möglichkeit gehabt, seine Forschung zu beenden.

Und sonst wusste anscheinend niemand von dem Labor, oder es kümmerte sich einfach keiner mehr um das, was sich hier unten befand.
 

Diese Maschinen zu aktivieren und Leben in die Kokons zu leiten, konnte sich also als durchaus riskant erweisen.

In ihnen konnte sich alles Mögliche befinden. Und auch alles eigentlich Unmögliche.

Aber was sollte der Klon sonst tun?

Er war nicht her gekommen und hatte diese tollen Kokons entdeckt, um nun einfach wieder unverrichteter Dinge zu gehen.

Nein, ganz bestimmt nicht.

„Ein Versuch kann nicht schaden. Und was habe ich als einfacher Klon schon zu verlieren?“, murmelte er zu sich selbst, zuckte mit den Schultern und warf die Akte einfach achtlos zu Boden, ehe er sich wieder den Maschinen zu wandte.

Erneut trat er an das erste Schaltpult heran und drückte dort, wie die Anweisungen auf dem Display es verlangten, den schwarzen Knopf.

Nun musste er einen Code eingeben, und der Klon versuchte es auf gut Glück mit dem, der eigentlich als Code für die Eingangstür in seinem Kopf herum gespukt hatte.

Tatsächlich war dieser Code richtig.

Es summte wieder, dann ertönte eine Frauenstimme, die ihn fragte, ob er nur einen Behälter aktivieren wollte, oder alle, oder ob er nur ein paar ausgewählte aktivieren wollte.

Der Klon zögerte kurz, entschied sich dann aber dafür, gleich alle Kokons mit Leben zu füllen. Ganz oder gar nicht, das war seine Devise.

Nun verlangte die Stimme der Frau, dass er, um seine Wahl zu bestätigen, einen grünen Knopf drücken sollte, was er natürlich auch gleich tat.

Anschließend galt es nur noch, einen Hebel an der linken Seite der Konsole zu ziehen, um den Vorgang zu starten.

Auch das tat der Klon, dann trat er einen Schritt zurück und beobachtete interessiert, wie die Schläuche und Kabel zu leuchten begannen, und wie durch einige der Schläuche eine seltsame Flüssigkeit geleitet wurde.

Dann begannen die Kokons, sich zu bewegen, waberten und zuckten vor sich hin.

Schon bald würde der Simmons-Klon erfahren, was sein Erschaffer hier kreiert hatte, und sein ganzer Körper kribbelte vor Aufregung.

Let me Save you

Von dem, was in einiger Entfernung in dem verlassenen Fabrik-Gebäude geschah, bekamen Chris und Piers nicht das Geringste mit.

Sie warteten auf Sherry und Jill, die Hunnigan Bescheid gegeben und sich auf den Weg zu den beiden Soldaten gemacht hatten.

Piers saß schweigend in dem Sessel und blickte ab und an zu Chris, der ihn jedoch keines Blickes würdigte.

Er schien wirklich sauer zu sein.

„Captain…“, murmelte Piers, doch Chris ließ nur ein leises Murren hören und achtete nicht weiter auf ihn, weshalb der Scharfschütze sich nur mit einem leisen Seufzen zurück lehnte.

Er hatte zwar mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet, aber mit einer so extremen dann doch nicht.

Nachdem Chris nach einiger Zeit wieder erwacht war, hatte Piers ihm vorsichtig von dem berichtet, was Jill und Sherry geplant hatten.

Wie erwartet war der Ältere davon alles andere als begeistert gewesen und hatte ihm Vorwürfe gemacht, sie nicht aufgehalten, oder ihn zumindest geweckt zu haben.

Als Piers ihm beteuert hatte, dass Jill und Sherry alt genug waren, eigene Entscheidungen zu treffen, hatte der Captain nur noch leise gemurrt und seitdem gar nichts mehr gesagt.

Und ein solches Murren war auch alles, was Piers noch irgendwie aus ihm herausbekam.

Er konnte ja verstehen, dass Chris ihm Vorwürfe machte, ihn nicht geweckt zu haben, aber was hätte er denn tun sollen?

Auch, wenn er gesagt hätte, dass sie nicht kommen sollten, hätten Jill und Sherry nicht auf ihn gehört, und wie sollte er die beiden Frauen von hier aus bitte aufhalten? Das war völlig unmöglich. Zudem brauchte Chris die Ruhe einfach.
 

Nun selber leise murrend verschränkte der junge Soldat die Arme, schloss die Augen und atmete tief durch.

Am liebsten hätte er seinem Captain mal ordentlich die Meinung gesagt, aber aus Rücksicht auf dessen Zustand ließ er es sein.

Chris war noch immer sehr blass, und dem leichten Schweißfilm auf seiner Stirn nach zu urteilen, hatte er Fieber.

Aber Piers hatte auch dazu nichts mehr gesagt.

Wenn Chris auf stur machen wollte, dann sollte er doch. Der Scharfschütze war es leid, ihm immer und immer wieder Vorträge zu halten, aus denen der Ältere ja ohnehin nichts lernte.

Vielleicht brachte ihn Jill ja zur Vernunft. Auch, wenn Piers das eher bezweifelte.

Am Ende fuhr Chris diese nur auch noch an, und schon hatten sie ihren ersten großen Beziehungskrach.

Dass der junge Soldat gerade wirklich über so etwas nachdachte, verwirrte ihn doch ein wenig.

Aber gut, worüber sollte er auch sonst nachdenken?

Mit den Infizierten und Wesker hatte er sich wirklich genug beschäftigt. Da kam er ohnehin nicht weiter.

Da konnte er sich genau so gut Gedanken über irgendwelche belanglosen Themen machen, die ihn eigentlich nicht im Entferntesten interessierten. Das war besser als nichts und half, sich die Zeit zu vertreiben.

Und Chris war im Moment ohnehin kein geselliger Partner. Den konnte Piers gerade völlig vergessen.
 


 

Umso erleichterter war er dann, als er an der Tür ein Klopfen hörte, gefolgt von den Stimmen zweier Frauen, die in das Hausinnere riefen.

Das waren eindeutig Sherry und Jill.

Kurz warf Piers seinem Captain einen kurzen Seitenblick zu, den dieser nicht einmal im Ansatz erwiderte, ehe er sich wieder abwandte.

Im Moment kam ihm der Ältere wirklich vor wie ein störrisches Kleinkind, was Piers’ Wut nur weiter anstachelte. Langsam reichte es ihm wirklich. Ob Chris nun krank und geschwächt war oder nicht, ob er selber nun noch Lust auf solche Vorträge hatte oder nicht, genug war einfach genug.

Er stapfte zur Tür, öffnete diese kommentarlos und bedeutete den beiden Frauen nur mit einem kurzen Blick, rein zu kommen, ehe er sich um wandte, wieder ins Wohnzimmer zurück ging und dort vor der Couch stehen blieb, auf der Chris saß.

Dieser hob nun doch leicht den Blick und sah den jungen Soldaten abwartend an.

„Was…?“, fragte er nur knapp und runzelte leicht die Stirn, ehe er sich etwas aufsetzen wollte, da ihm ja nicht entgangen war, dass die beiden Frauen eingetroffen waren.

Doch weit kam er bei dem Versuch nicht.

Piers beugte sich hinab, sah ihn ernst an und ließ dann ein leises Knurren hören, ehe er sich mit den Händen an den Lehnen abstützte.

„Es reicht, Captain. Ich habe die Nase endgültig voll! Glauben Sie wirklich, jetzt ist die richtige Zeit, um störrisches Kleinkind zu spielen? Glauben Sie, es bringt irgendetwas, ausgerechnet jetzt auf seine Autorität zu bestehen?“

Aber noch ehe Chris auch nur ansatzweise hätte antworten können, hatte Piers schon den Kopf geschüttelt und verschränkte genervt die Arme, wobei er sich wieder etwas aufrichtete.

„Sie brauchten Ruhe, darum habe ich Sie nicht geweckt. Weil Sie erschöpft sind, weil Sie Fieber haben. Und weil es hier verdammt noch mal darum geht, Wesker zu vernichten, was schon in Topform fast unmöglich für uns ist! Und außerdem…“

„Piers…“

„Ich bin noch lange nicht fertig, Chris!“
 

Der Ältere blinzelte verwirrt, und jegliche Wut war aus seinem Blick gewichen und hatte Reue und Scham Platz gemacht.

Piers hatte ja recht. Was spielte Chris sich hier eigentlich so auf?

Er hatte doch vor wenigen Stunden selber noch entschieden, sich nicht mehr als der große Captain zu sehen, weil nur noch sie beide übrig waren, weil sie nun nichts weiter waren als ein Team, Partner.

Und nun beschwerte er sich bei Piers darüber, dass er erwachsene Menschen nicht von ihrem Plan abgebracht und seinen kranken Captain nicht aus seinem Schlaf gerissen hatte. Was zum Teufel war nur los mit ihm? Chris verstand sich ja selber nicht mehr.

Warum nur musste Piers ihn immer wieder so hart zurechtweisen, damit er selber begriff, wie dumm er sich eigentlich verhielt?

Warum konnte er nicht einfach mal von selber darauf kommen und etwas ändern?

Es war beeindruckend, dass der Scharfschütze tatsächlich immer wieder den Nerv fand, Chris die Meinung zu sagen. Er selber hätte vermutlich irgendwann angefangen, sich einfach mal einen heftigen Schlag mitten ins Gesicht zu verpassen, um sich wieder zu Sinnen zu bringen.

Nicht so aber Piers. Dem wäre nicht im Traum eingefallen, seinen Captain zu schlagen.

Denn egal, wie wütend er auch war, egal, wie hart seine Ansprache auch war, so hörte er dennoch nicht auf, in Chris seinen Captain zu sehen und ihn nach wie vor mit Respekt anzusprechen.

Wieder eine Eigenschaft, aufgrund derer Chris in diesem jungen Mann seinen perfekten Nachfolger sah. Den Nachfolger, den er wirklich bitter nötig hatte.
 

„Es tut mir leid…“

„Bitte…?“

Piers hatte gerade mit seinem Vortrag fortfahren wollen, als er erschreckend leise die Stimme seines Captains vernommen hatte.

Leicht blinzelte er, legte den Kopf schief und runzelte die Stirn.

Chris war noch blasser geworden und zitterte mittlerweile sogar leicht.

Und mit einem Mal kam sich Piers richtig mies vor.

Er wollte doch, dass Chris für den Kampf gegen Wesker fit war. Da musste er sich einfach mal zusammenreißen und seine Wut zurückhalten.

Es brachte doch nichts, den Älteren fertig zu machen.

„Schon gut“, meinte er dann nur, ehe er seine abwehrende Haltung wieder löste und leicht den Kopf schüttelte.

Dann ließ Piers sich wieder auf den Sessel fallen, fuhr sich durch die Haare und blickte leicht auf, als er ein leises Räuspern hörte.

„Oh…“

Er hatte schon wieder ganz vergessen, dass er Jill und Sherry wenige Momente zuvor rein gelassen hatte, und dass diese nun natürlich recht verwirrt im Zimmer standen.
 

Sherry lächelte verlegen, weil sie sich gerade etwas fehl am Platze fühlte, und Jills Blick war stur auf Chris gerichtet, der ihn etwas demütig erwiderte.

Man sah ihr deutlich an, dass sie sich Sorgen machte, aber noch deutlicher war in ihrem Blick zu erkennen, dass ihr Piers’ kleiner Wutausbruch durchaus gefallen hatte.

Chris lernte es scheinbar nur noch auf die harte Tour.

Und auch, wenn ihr das weh tat, schien es eben nicht anders zu gehen.

Sie verstand natürlich aber auch, wie fertig Chris das alles machte, und ihr ging es ja auch nicht anders.

Er hatte die Ereignisse in Edonia und China hinter sich, das gesamte HQ war vernichtet, Wesker war irgendwo da draußen, und es trieben Infizierte ihr Unwesen.

Natürlich ließ das keinen von ihnen kalt.

Aber sich in seinem Frust zu ertränken, brachte nun einmal auch nichts. Und dem Chris, den Jill kannte, sah das auch wirklich nicht ähnlich.

Aber in letzter Zeit schien er immer weiter an Kraft und Selbstbewusstsein zu verlieren.

Was in China geschehen war, hatte ihm anscheinend wirklich den Rest gegeben. Er konnte einfach nicht mehr.

Und auch das war verständlich, bedachte man, was er schon alles erlebt hatte.

Er hatte so viele Menschen verloren, er hatte so viel durchgemacht… Es war ein Wunder, dass er überhaupt so lange durchgehalten hatte.

Und dennoch musste er sich nun einfach zusammenreißen, es ging nicht anders. Sie brauchten ihn nun einmal.

Wenn das alles vorbei war, dann konnte er sich zur Ruhe setzen. Die hatte er sich dann auch redlich verdient.

Aber bis dahin musste er sich einfach noch mal aufraffen. Und das hatte Piers ihm nun auch wieder einmal deutlich klar gemacht. Wo wäre er jetzt nur ohne diesen? Das fragte Chris sich in letzter Zeit so häufig.
 


 

Eine Weile lang herrschte in dem Raum nun Schweigen, ehe Chris wieder den Blick hob und die Anderen müde ansah.

Ihm war schwindelig, er fühlte sich richtig schlecht. Aber er wollte nun auch nicht wieder zusammenbrechen. Er war ja nicht krank oder schwer verletzt, es waren einfach die Nerven, das alles, was ihn langsam wahnsinnig machte. Es war eben zu viel.

„Es tut mir leid“, murmelte er nun noch einmal und ließ ein leises Seufzen hören, ehe er sich auf der Couch etwas aufrichtete.

„Es war die richtige Entscheidung, her zu kommen. Ihr könnt bei der Regierung nichts ausrichten. Und auch Piers hat recht. Wir haben zu Zweit nicht den Hauch einer Chance. Selbst so wird es schwer. Und wenn Jake…“

Er stockte und blickte leicht unsicher zu Sherry auf, die aber nur leicht den Kopf schüttelte.

„Ich weiß, dass die Möglichkeit besteht, dass Wesker ihn kontrolliert wie dich damals. Darum will ich auch unbedingt mit. Bei dir hat es damals geholfen, dass Claire und Jill da waren, dass Wesker Piers als Geisel genommen hatte. Vielleicht kann ich im Ernstfall auch Jake wieder zur Vernunft bringen“, meinte sie leise und sah den B.S.A.A.-Captain mit entschlossenem Blick an.

Sie hoffte inständig, dass Wesker Jake nichts angetan hatte, aber wenn doch, dann wollte sie alles daran setzen, ihm zu helfen.

Immerhin war er ihr so unendlich wichtig, sie wollte ihn um keinen Preis verlieren.

Neben Leon und Claire war Jake der wichtigste Mensch in ihrem Leben, sie liebte ihn einfach.

Und da sie wusste, dass sie sich im Ernstfall immer auf ihn verlassen konnte, wollte sie das Gleiche auch für ihn tun können.
 

Sherry atmete tief durch, dann sah sie wieder zu Chris und lächelte leicht.

„Ich bin sicher, dass wir es hinbekommen. Wenn wir Jake erst einmal gerettet haben, wenn er wirklich bei Wesker ist, versteht sich… dann haben wir auch eine Chance gegen diesen. Dann sind wir zu Fünft.“

„Und was, wenn Wesker das Mittel gar nicht braucht?“

Sherry verstummte und blickte etwas erschrocken zu Piers, der das Wort ergriffen hatte.

„Was meinst du damit?“

„Was wohl? Jake ist beim ersten Mal selber los gezogen, um Wesker zu suchen. Er wollte zu ihm, und das nicht, um ihn zu töten. Was ist, wenn Jake sich entscheidet, bei seinem Vater zu bleiben? Wenn der ihn ganz ohne Mittel davon überzeugen kann, sich ihm anzuschließen? Wenn er auch dieses Mal freiwillig zu ihm gegangen ist?"

Piers warf einen Blick zu seinem Captain, dann zu Jill und anschließend wieder zu Sherry.

„Mein Captain und Jill können dir ein Lied von seiner Schauspielkunst singen. Der Kerl hat einfach alle hinters Licht geführt. Und wenn er das bei Fremden schafft, dann vielleicht auch bei seinem Sohn, gerade bei ihm. Jake ist unsicher, was Wesker angeht, sonst wäre er gar nicht erst los gezogen.“
 

Die Blonde senkte den Blick wieder und ballte die Hände leicht zu Fäusten.

Was Piers da sagte, gefiel ihr ganz und gar nicht, es war so ungerecht.

Aber sie wusste auch, dass es stimmte.

Jake hatte selber nach Wesker gesucht. Er hatte mit ihm reden wollen, er appellierte vielleicht tatsächlich an väterliche Gefühle.

Ob das nun klug war oder nicht, spielte dabei keine Rolle.

Ganz gleich, was für ein Monster Wesker auch war, war er doch auch immer noch Jakes Vater. Und das war diesem auch bewusst.

Und wenn Wesker sein Schauspieltalent einsetzte, wenn er seinem Sohn Gefühle vorspielte, dann war es für ihn vermutlich ein Leichtes, den Söldner in seinen Bann zu ziehen.

Und wenn er am Ende noch echte Gefühle entwickelte, wurde es nur umso schlimmer.

Denn auch, wenn er Jake dann mochte, würde sein Hass Chris und den Anderen gegenüber sicherlich bestehen bleiben.

Und wenn Jake dann begriff, dass er seinem Vater doch etwas bedeutete, wenn auch seine eigene Zuneigung diesem gegenüber anwuchs, wenn er ihm wichtiger wurde als Sherry es war… dann würde er diese vielleicht im Auftrag seines Vaters angreifen und bereit sein, sie zu töten.

Und so weit wollte und durfte Sherry es einfach nicht kommen lassen, das musste sie um jeden Preis verhindern. Sie mussten sofort aufbrechen!

Doch bei dem Gedanken fiel ihr Blick auf Chris, der zwar nicht mehr ganz so kaputt wirkte, aber noch immer recht blass war.

Er brauchte noch ein wenig Ruhe, sonst würde Wesker ihn mit einer einzigen Handbewegung umbringen können.
 

Und doch war es eben dieser Chris, der sich nun erhob, kurz etwas schwankte und dann leicht an der Couchlehne abstützte, ehe er die anderen Drei der Reihe nach ansah.

„Wir sollten keine Zeit mehr verlieren. Je länger wir warten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Wesker irgendetwas anstellt. Sei es mit Jake oder den Infizierten, oder er findet am Ende Leon und Claire. Wir müssen ihn endlich aufhalten.“

„Captain, sind Sie sicher, dass…“

Doch nun war es Chris, der den jungen Soldaten mit einer knappen Handbewegung zum Schweigen brachte.

„Mir geht es sicher nicht gut, aber ich kann mich nicht länger ausruhen, die Zeit bleibt einfach nicht. Ich muss mich eben zusammenreißen. Zu viel hängt davon ab“, murmelte er und seufzte leise, ehe er sich von seinem Halt löste, wobei er Piers’ kritischen Blick ignorierte.

Chris wusste selber, dass er sich hier in den sicheren Tod stürzte, aber das war ihm egal.

Er hatte den Anderen genug Kummer bereitet, sie hatten lange genug wegen ihm warten müssen.

Wesker musste nun einmal aufgehalten werden.

Und der Kerl wartete sicherlich nicht extra so lange, bis Chris wieder ganz fit war.
 

Piers seufzte also nur leise, zuckte mit den Schultern und erhob sich dann ebenfalls.

Er war ja froh, dass sein Captain seine Krise wohl überstanden hatte, aber ihm war dennoch nicht wohl bei dem Gedanken, nun aufzubrechen.

Chris war geschwächt, und einen Kampf gegen Wesker würde er so kaum überstehen. Was also sollte das?

Wollte er sich nun etwa opfern, nur damit sie schnell weiter kamen? War es das, was in dem Kopf des Älteren vor sich ging?

Piers traute ihm das durchaus zu.

Er selber war mehrmals bereit gewesen, sich für Chris zu opfern, und er hatte es ja auch getan.

Und anscheinend hatte sein Captain sich dadurch eingeredet, sich da irgendwie revanchieren zu müssen.

Was dachte er sich nur dabei?

Als würde Piers das zulassen. Als würden Jill oder Claire so etwas zulassen.

Wollte er sie alle wieder unglücklich machen? Lernte er etwa doch nicht wirklich dazu? Hatte Piers sich zu früh gefreut?

Der Scharfschütze schüttelte nur leicht den Kopf und sagte nun nichts mehr dazu.

Er würde seinen Captain schon von dummen Ideen abhalten. Und er wusste, dass auch Jill und Sherry nicht zulassen würden, dass Chris irgendeinen Mist baute.

Sie Vier waren nun ein Team und würden zusammenhalten.

Vielleicht hatten sie so ja doch noch eine echte Chance gegen Wesker.

Von Blut und Wasser

Als er Geräusche an der Tür hörte, hob Jake stirnrunzelnd den Kopf.

Wer war das?

Erwartete sein Vater Besuch? Oder hatte man ihn gesucht?

Kurz warf er einen Blick auf Wesker, der jedoch noch immer schlief.

Und so ließ er ihn und stand auf, um nachzusehen.

Jake seufzte leise, zog seine Waffe und ging zur Tür, leise und vorsichtig.

Er wusste ja nicht, wer da vor dieser stand. Es hätte jeder sein können, auch dieser unbekannte Feind.

Aber natürlich war dem nicht so, und das erkannte der Söldner nun auch, nachdem er die Tür aufgerissen und die Waffe direkt auf Sherry gerichtet hatte.

Die junge Frau erschrak ziemlich und zuckte merklich zusammen, vor allem, als sie Jakes Blick begegnete.

Jake erkannte sie durchaus, und er senkte auch die Waffe, weil er Sherry sicherlich nicht umbringen wollte.

Dennoch schimmerte in seinen Augen eine leichte Unsicherheit, als wäre er alles andere als begeistert über ihr Erscheinen.
 

Sie hatten also wirklich nach ihm gesucht und wollten ihn offenbar vor Wesker retten.

Aber Jake brauchte keine Hilfe. Wesker wollte ihn nicht töten.

Wie sollte er Chris und den Anderen das klar machen?

Er hatte genau diese Situation vermeiden wollen.

Jake war nun einmal einfach unsicher.

Nicht, dass er Wesker seine Taten vergab, aber der Mann war sein Vater.

Er war ihm gegenüber ehrlich gewesen und hatte von sich aus davon abgesehen, Jake mit seinem Mittel zu manipulieren.

Die Gefühle, die er in den Augen des Blonden gesehen hatte, waren echt gewesen.

Und nun befand er sich in einer Zwickmühle.

Der Söldner würde nicht zulassen, dass Chris seinen Vater umbrachte, aber genau so wenig wollte er den Soldaten oder die Anderen töten. Am allerwenigsten Sherry.

Aber was sollte er tun?
 

„Verschwindet. Verschwindet, solange mein Vater schläft. Lasst uns… einfach in Ruhe“, murmelte er deshalb und blickte Chris fast schon flehend an.

Dieser seufzte leise und blickte unsicher an Jake vorbei.

Er konnte etwas weiter hinten Wesker erkennen, der im Sessel saß und etwas zusammengesunken war.

Wie er so schlief wirkte er ungewöhnlich friedlich, aber Chris wusste, wie es wirklich in diesem Mann aussah. Er war und blieb ein verrücktes Monster.

„Also hat er das verdammte Mittel genutzt, ja?“

„Er hat gar nichts genutzt, du kleiner Schoßhund. Er hat es von sich aus gelassen. Er war verdammt noch mal ehrlich zu mir!“, fuhr Jake Piers bei dessen Vermutung genervt an.

Diese Leute hatten doch keine Ahnung. Hier ging es um seinen Vater, Monster oder nicht.

Warum konnten Chris und die Anderen sie nicht einfach in Ruhe lassen?

Wesker tat ihnen im Moment doch auch nichts.

Warum musste ausgerechnet er nun so zwischen den Fronten stehen?
 

Piers wollte gerade noch etwas sagen, doch Chris schüttelte den Kopf und hielt mit einer knappen Geste zurück.

Er merkte, dass der junge Soldat noch immer ziemlich geladen war, und dass er das liebend gerne an jemandem wie Jake ausgelassen hätte.

Aber das war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für einen Wutausbruch. Es hätte einfach zu nichts geführt. Höchstens zu noch mehr Problemen.

Es war offensichtlich, dass sich Piers’ Befürchtung bestätigt hatte.

Wesker hatte Jake für sich gewonnen, zumindest teilweise.

Doch er schien die Gruppe nicht angreifen zu wollen, er wollte einfach nur seine Ruhe haben.

Und Chris war wirklich versucht, ihm diese auch zu gönnen.

Im Moment stellte Wesker allem Anschein nach keine Gefahr für sie dar.

Aber er war eben noch immer der Feind.

Und woher sollten sie auch wissen, dass Weskers väterliche Gefühle seinem Sohn gegenüber nicht nur gespielt waren?

Und selbst wenn sie es gewusst hätten, war der Hass ihnen gegenüber noch immer da, und er würde immer bleiben, so lange, bis eine Seite endgültig vernichtet war.

Sie konnten sich nicht darauf verlassen, dass Wesker sie einfach in Ruhe lassen würde. Das war viel zu riskant.
 

„Wir können nicht gehen, Jake. Nicht ohne dich. Wir können dich nicht bei Wesker lassen. Er ist ein Monster…“

Sherry hatte sich etwas an Chris vorbei geschoben und sah den Söldner nun mit ernstem und flehendem Blick an.

Sie konnte ihn ja verstehen. Auch sie selber konnte ihren Vater nicht abgrundtief hassen, auch wenn er mit dem G-Virus wirklich Mist gebaut hatte.

Aber das hier war etwas Anderes.

Hier ging es um einen Mann, der die Welt vernichten wollte, der so viele Menschen getäuscht und verletzt hatte.

Es war zu gefährlich, ihn einfach herumlaufe zu lassen.

Und das musste Jake nun einmal einsehen.

Für väterliche Zuneigung und Vergebung, um die Wesker ohnehin nicht beten würde, war es schlicht und ergreifend zu spät.

Aber sie konnten ja dennoch davon absehen, Wesker nun zu töten, wenn Jake wenigstens mit ihnen ging und nicht bei ihm blieb.
 

„Er ist aber auch mein Vater.“

„Und das ändert, was er getan hat?!“

„Nein, aber…“

„Verdammt, sieh es endlich ein!“

Piers war wirklich außer sich, das war nicht zu übersehen.

Und auch Chris verlor langsam aber sicher die Geduld.

Wie Sherry konnte auch er den Jüngsten verstehen.

Aber Wesker war ein Massenmörder, ein Verrückter, der mit Viren herum spielte.

An diesen Mann durfte er sich einfach nicht binden.

„Jake, bitte. Ich kann verstehen, dass…“

„Halt du dich verdammt noch mal da raus, Chris!“

Jake schrie beinahe, als er die Waffe wieder anhob und auf Chris’ Brust richtete.

„Du… wolltest meinen Vater töten. Du hast mir gesagt, ich solle nicht zu ihm gehen. Du hast mir eingeredet, dass er ein Monster ist!“

„Aber genau das ist er auch…“

„Was weißt du schon!?“

Jakes Hände zitterten, ebenso wie der Rest seines Körpers, als er den Finger enger um den Abzug legte.

„Dir kann es ja egal sein, nicht wahr? Für dich ist Wesker nur ein Feind, nichts weiter. Dir bedeutet er nichts!“

„Das ist nicht wahr…“, murmelte Chris und schüttelte leicht den Kopf.

„Mag sein, dass er nicht mein Vater ist, aber er war mein Captain. Ich habe ihm vertraut und ein Vorbild in ihm gesehen. Es war alles andere als leicht zu begreifen, dass dieser Mann die ganze Zeit über nur mit uns gespielt hatte.“

Jake lachte leise und freudlos auf und schütte leicht den Kopf.

„Dann müsstest du es erst recht verstehen, Chris.“

„Und das tue ich auch. Ich verstehe durchaus, dass es für dich nicht leicht ist, es zu akzeptieren, aber im Grunde weißt du, dass ich, dass wir alle, recht haben. Wesker ist ein Monster, das vernichtet…“
 

Aber weiter kam Chris nicht.

Ein leises Knurren entwich Jakes Kehle, gefolgt von einem hasserfüllten ‚Nein!’, und noch ehe Piers oder einer der Anderen irgendetwas hätte tun können, hatte Jake den Finger ganz um den Abzug gelegt und abgedrückt.

Und dieses Mal hatte er die Waffe nicht zur Seite gehalten, um Chris knapp zu verfehlen. Dieses Mal war es kein Warnschuss gewesen.

Der Schuss traf, und die Kugel bohrte sich durch Chris’ Brust, durchdrang seinen Körper und stanzte ein Loch in die Wand hinter ihm.

„Captain!“, schrie Piers erschrocken auf und richtete die eigene Waffe auf Jake, die dieser nun aber einfach mit einem gezielten Tritt nach oben aus seiner Hand auf den Boden beförderte.

Sherry schlug sich die Hände vor den Mund, und Jill hastete nach vorne, um Chris aufzufangen, als dieser mit einem leisen Keuchen zusammensackte

Hustend presste er eine Hand auf die Wunde, aus der eine beachtliche Menge an Blut quoll, und auch über seine Lippen floss etwas von der zäh-roten Masse.

Jake hatte sein Herz nur knapp verfehlt, und die Verletzung konnte nach wie vor tödlich sein.

„Halt durch, hörst du…?“, flüsterte Jill und blinzelte die Tränen weg, die über ihre Wangen rannen.

Das durfte einfach nicht wahr sein, das musste ein Albtraum sein.

So hatte sie sich diese Begegnung wirklich nicht vorgestellt.
 

Während Jill nun versuchte, Chris irgendwie zum Wachbleiben zu bewegen und eine Hand auf seine drückte, um die Blutung irgendwie aufzuhalten, versuchte Piers verzweifelt, sich gegen Jake zu behaupten.

Aber auch, wenn er selbst ohne Waffen ein verdammt guter Kämpfer war, kam er gegen die Stärke und Erfahrung des Söldners einfach nicht an.

Und natürlich war durch den Lärm nun auch Wesker aufgewacht, der die Lage schnell durchschaut hatte und sich in den Kampf einmischte. Gegen beide zusammen hatte Piers erst recht keine Chance.

Sherry hatte ihren ersten Schrecken halbwegs überwunden, war aber dafür leichenblass vor Sorge um Chris.

Dennoch hob sie mit zitternden Händen ihre Waffe an, um auf Wesker zu schießen.

Aber da dieser sich in den Kampf zwischen Piers und Jake eingemischt hatte, traute sie sich einfach nicht, abzudrücken.

Sie wollte nicht am Ende noch den Scharfschützen treffen, und trotz dessen Tat ebenso wenig Jake.

Was der soeben getan hatte, konnte sie ihm nicht verzeihen, aber dennoch verstand sie, dass es einfach eine Kurzschlussreaktion gewesen war.

Nicht, dass sie so weit gegangen wäre, zu behaupten, Chris wäre selber schuld gewesen, aber so, wie das Gespräch sich entwickelt hatte, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis bei irgendwem die Sicherungen durchbrennen würden.

Und da Jake im Gegensatz zu Piers niemanden hatte, der ihn zurecht wies, war es nur klar gewesen, dass es bei seinem Temperament seine Sicherungen sein würden, die zuerst durchbrannten.

Und so urplötzlich wie Jake geschossen hatte, hätte niemand verhindern können, dass er Chris traf.
 

„Chris…? Chris, nicht einschlafen, bitte. Mach die Augen auf!“

Ein leises Schluchzen kam über Jills Lippen, und sie biss sich auf diese, bis sie Blut schmeckte.

Wenn Chris nun starb, wenn er wegen diesem verdammten, sinnlosen Mist starb, dann würde Jake der Nächste sein, das schwor sie sich.

Es war nun wirklich nicht Jills Art, solch grausame Gedanken zu hegen, aber auch ihre Nerven lagen nun einfach blank.

Immerhin lag hier der ihr wichtigste Mensch in ihren Armen und verblutete langsam vor sich hin.

Wie konnte sie da ruhig bleiben? Wie konnte sie da nicht an Rache denken?

„Bitte…“, flüsterte sie leise und streich mit vor Angst zitternden und kalten Fingern über Chris’ Wange.

Tatsächlich öffnete der Soldat leicht die Augen, doch als er etwas sagen wollte, hustete er nur noch mehr Blut aus und verzog schmerzerfüllt das Gesicht.

Er wusste, dass er diese Verletzung nicht überleben würde. Und er machte Jake dabei nicht einmal die geringsten Vorwürfe.

Wie damals in China war Chris der Meinung, dass Jake jedes Recht gehabt hatte, abzudrücken.

Trotz allem was Wesker getan hatte, verstand er noch immer Jakes Gefühle für diesen. Er war sein Vater, Monster oder nicht. Und dagegen konnte Chris nichts ausrichten. Blut war und blieb dicker als Wasser.
 


 

„Du verdammter Mistkerl! Ich schwör dir, dass ich dich eigenhändig umbringe!“

Piers zitterte mittlerweile selber am ganzen Körper, im Gegensatz zu Chris und Jill jedoch nicht aus Angst oder Schwäche, sondern einzig und allein aus Wut und Hass.

Blut lief über seine Stirn und seine Lippen, und dem jungen Soldaten war anzusehen, dass er höllische Schmerzen hatte.

Jake hatte ihm ordentlich zugesetzt, und Piers hatte sich auch eine ganze Weile lang gegen Wesker behaupten müssen, ehe dieser sich nun Sherry zu gewandt hatte, die noch immer wie in Trance da stand.

Er sprintete auf die junge Frau zu, die nun aber doch endlich den Mut fand, abzudrücken; leider ein wenig zu spät.

Denn natürlich kümmerte das den Blonden nicht im Geringsten.

Die Kugeln trafen ihn bei seiner Schnelligkeit ja nicht einmal, nun, da er vorgewarnt war und genau sah, dass Sherry auf ihn schoss.

Er schnellte vor, schlug der Agentin die Pistole aus der Hand und rammte ihr anschließend die Faust in den Magen.

Keuchend klappte Sherry zusammen, wurde von Wesker festgehalten, der nun den Arm anhob und die sie mit einem festen Hieb mit dem Ellbogen in ihren Rücken auf den Boden beförderte, wo sie wimmernd und sich krümmend liegen blieb.
 

Und das war der Auslöser, den es gebraucht hatte.

Fassungslos sah Jake mit an, wie sein Vater Sherry ausschaltete, und es war sein Glück, dass Piers von dem Geschehen ebenso abgelenkt gewesen wa, und daher nicht mehr daran dachte, den Söldner anzugreifen.

Dessen Blick fiel nun auf Jill, die mit tränennassem Blick auf den sterbenden Chris hinab blickte, der sich kaum noch rührte, seinen Blick aber dennoch erschreckend direkt erwiderte, ohne dass auch nur der geringste Vorwurf darin lag.

„Verdammt…“

Jake taumelte etwas, griff sich an den Kopf und schloss die Augen, ehe er die eigene Waffe einfach fallen ließ und sich mit dem Rücken gegen die Wand lehnte.

Was hatte er nur getan, was hatte er angerichtet?

Wie hatte er nur wirklich glauben können, sein Vater würde sich ihm zuliebe vielleicht ändern?

Nein, das war dumm gewesen, mehr als dumm.

Aber nun war es zu spät für diese Einsicht, zu spät für jegliche Entschuldigung.

Er hatte Chris getötet, und wenn er nicht endlich irgendetwas tat, würde sein Vater Sherrys Leben auch noch beenden.
 

„Es reicht. Hör auf!“, schrie er deshalb energisch, während er seine Waffe doch wieder aufhob und auf Wesker richtete, der tatsächlich in seiner Bewegung innehielt und sich herumdrehte.

Und der Ausdruck auf seinem Gesicht ließ den Söldner tatsächlich für einen kurzen Moment doch noch einmal zögern.

Wesker war ernsthaft erschrocken.

Sein Blick fiel auf die Waffe, und er schien gar nicht fassen zu können, dass sein Sohn diese wirklich auf ihn richtete, dass er bereit war, ihn zu erschießen.

Kurz sah er auf Sherry hinab, die in Embryohaltung da lag und sich den Bauch hielt, dann sah er zu Chris, der schwer atmend und leichenblass in Jills Armen lag.

Und schlussendlich fiel sein Blick auf Piers, der seine eigene Waffe ebenfalls wieder aufgehoben hatte, sich aber wohl noch nicht ganz entscheiden konnte, ob er diese nun auf Jake oder ebenfalls auf ihn richten sollte. Und noch immer zitterte der Scharfschütze am ganzen Körper, mittlerweile durchaus doch auch vor Schwäche. Es war ein Wunder, wie er sich tatsächlich eine Zeit lang gegen Jake und Wesker hatte behaupten können.
 

„Manchmal… scheint Wasser doch dicker zu sein als Blut, nicht wahr, Jake…?“, murmelte Letzterer nun leise, und tatsächlich ließ er von Sherry ab, ließ die Arme sinken und sah seinen Sohn einfach nur an, ohne etwas zu tun.

Er wartete ab, doch nichts passierte.

Jake schoss nicht, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund zögerte auch Piers noch immer.

Auch, wenn dieser sich zumindest dazu entschieden hatte, die Waffe nicht auf Jake richten, sondern tatsächlich auf Wesker. Was aber kaum etwas änderte, solange er sie nicht auch nutzte.

Jake konnte es einfach nicht. Er konnte seinen Vater nicht erschießen, ganz gleich, was auch eben passiert war.

An Chris’ Zustand war dieser nicht schuld, das hatte er ganz alleine zu verantworten. Er, Jake, hatte den Soldaten auf dem Gewissen. Und sonst niemand.

Und im Grunde war er auch schuld daran, dass Sherry beinahe ebenfalls mit dem Leben hatte bezahlen müssen.

„Verschwinde, Vater. Verschwinde einfach, bevor ich es mir anders überlege!“, knurrte der Söldner nun und hob die Waffe weiter an, sodass ihr Lauf direkt auf die Stirn des Blonden gerichtet war.

Dieser seufzte nur leise, wandte sich um und wollte tatsächlich gehen, als eine Kugel seine Schläfe streifte und ihm ein leises Zischen entlockte.

Piers hatte also doch noch den Abzug seiner Waffe gefunden.

Aber anstatt sich nun umzudrehen, um den Kampf erneut aufzunehmen, hielt Wesker sich mit einer Hand den Kopf, während er mit der anderen nach der Türklinke griff, diese etwas unbeholfen herunter drückte und dann durch die Tür nach draußen verschwand.

Er musste sich erst einmal zurückziehen, er konnte hier nicht weiter machen.

Er schaffte es einfach nicht, in Jake einen Feind zu sehen. Und so war er nicht in der Lage, diesen zu bekämpfen oder gar zu töten.

Wesker musste sich einen anderen Plan überlegen.

Und während er nun, durch den Streifschuss doch etwas taumelnd, die Straße entlang ging, bemerkte er gar nicht mehr, wie sich dem Haus von der anderen Seite her eine BOW näherte.

Eine BOW, die wie ein knochengepanzerter, teilweise schleimiger Säbelzahntiger wirkte, und die sich geschickt und beinahe lautlos zu dem Haus begab, in dem sich Chris und die Anderen noch befanden.

Die Macht des C

„Captain…? Captain, hören Sie mich?“

Nachdem Wesker das Haus verlassen hatte, hatte Piers Jake einfach stehen lassen und war zu seinem Captain geeilt, den Jill noch immer in den Armen hielt.

Müde hob dieser den Kopf an, und es dauerte etwas, bis er Piers’ Blick wirklich erwiderte und in seinem eigenen echtes Erkennen lag.

Seine Augen wirkten bereits etwas trüb, und es fiel Chris auffallend schwer, sie offen zu halten.

Sein Oberteil war mit Blut getränkt, eine beachtliche Lache hatte sich auf dem Boden unter ihm gebildet, und auch Jills Kleidung und ihre Hände waren rot von seinem vergossenen Lebenssaft.

Er starb.

Chris starb, und Piers wusste ganz genau, dass er nichts mehr dagegen tun konnte,

Es gab keine Möglichkeit, den Blutfluss gänzlich zu stoppen, und so dringend, wie Chris einen Arzt gebraucht hätte, wäre niemals einer eingetroffen.

Der Soldat sagte kein Wort, sondern schloss einfach wieder die Augen, ehe sein Körper in Jills Griff ein wenig erschlaffte.

Aber noch war er am Leben und hatte vorerst nur das Bewusstsein verloren, wie die Blonde Piers mit einem leichten Aufatmen zu verstehen gab, nachdem sie die Finger gegen Chris’ Hals gedrückt hatte.

Der einzig wirklich beruhigende Gedanke war jedoch, dass Chris so wenigstens keine Schmerzen mehr spüren musste.
 

Piers schloss selber kurz die Augen, dann erhob er sich und drehte sich betont langsam zu Jake um, der noch immer wie ein begossener Pudel da stand und selber nicht zu begreifen schien, was hier eigentlich passiert war.

Die Waffe hatte er wieder fallen lassen, und als sich Piers zu ihm umdrehte, hob er langsam und müde den Blick an.

Er sagte kein Wort. Was hätte er auch sagen sollen?

Dass es ihm leid tat? Das hätte auch nichts geändert, das machte Chris nicht wieder gesund.

Nein, es gab nichts zu sagen, nichts zu tun.

Jake hatte es eindeutig vermasselt, und durch nichts hätte er das wieder gutmachen können.

„Erschieß mich, wenn du dich dann besser fühlst…“, murmelte er nach einer Weile also nur und senkte den Blick wieder, hob ihn aber erneut, als er von Piers ein verächtliches Auflachen hörte.

„Glaub mir, wenn es irgendwas ändern würde, wenn es Chris retten würde, würd’ ich es ohne zu zögern tun“, schnaubte der Scharfschütze und schüttelte leicht den Kopf.

„Aber es würde nur ein weiteres sinnloses Opfer geben. Und weder mein Captain, noch Sherry wären davon begeistert.“
 

Er sah bei diesen Worten zu der jungen Frau, die sich wieder etwas aufgerappelt hatte und nun mit dem Rücken an die Wand gelehnt da saß.

Sie hatte, seit Wesker gegangen war, keinen Laut mehr von sich gegeben und wirkte, als befände sie sich in einem Schockzustand, was auch durchaus mehr als verständlich war.

„Kümmer dich am besten einfach mal um deine Freundin, hm? Wäre ein Anfang, etwas Sinnvolles zu tun“, murrte Piers nun verächtlich, und er wollte sich gerade umwenden und wieder zu Jill und Chris gehen, als er hinter sich einen seltsamen Laut hörte, der entfernt an das Knurren eines Tieres erinnerte.

Im ersten Moment überlegte er, ob Wesker vielleicht zurückgekommen war, doch seine Laute hatten eindeutig menschlicher geklungen.

„Was zum…?“, murmelte er deshalb, warf Jake einen fragenden Blick zu und wandte sich dann der Tür zu.

Auch, wenn er den Söldner noch immer am liebsten einfach in Stücke gerissen hätte, mussten sie nun zusammenhalten.

Irgendetwas lauerte das draußen und näherte sich ihnen, und es hätte rein gar nichts gebracht, nun Streit anzufangen.

Zumal Piers Chris und Sherry wirklich nicht unglücklich machen wollte.

Und wenn Jake ihn getötet hätte… nein, das musste auch nicht sein.

Wobei der Scharfschütze sich auch sicher war, dass der Jüngere nichts mehr tun würde.

Er hatte eingesehen, was für einen Mist er gebaut hatte. Auch, wenn es zu spät war.

Das Letzte, was Jake also tun würde war, ihn jetzt auch noch weiter zu verletzen.

Der Söldner erwiderte dann auch Piers’ Blick und schüttelte nur leicht den Kopf, weil er ja selber nicht wusste, was da draußen war.

Seufzend wandte er den Blick anschließend wieder von Piers ab und der Tür zu, wobei er die eigene Waffe jetzt ebenfalls auf diese richtete.

Er war, wie Piers eben auch, professionell genug, jetzt keine Diskussion zu beginnen, zumal er das Recht ohnehin nicht hatte. Das wusste Jake selber.
 

Nur wenige Momente nach dem seltsamen Knurren war ein klackendes Geräusch zu hören, ein zweites Knurren folgte, und im nächsten Moment kam die BOW in das Zimmer gestürmt.

Die Tür war für sie kein Hindernis und wurde einfach weggeschleudert, wobei sie Jake, der viel zu überrumpelt war, um ausweichen zu können, frontal traf und von den Füßen riss.

Trotz allem blickte Piers erschrocken zu ihm und knirschte leicht mit den Zähnen, als er bemerkte, dass der Söldner sich nicht mehr rührte.

Sherry saß noch immer wie in Trance auf dem Boden, und Jill hatte Chris enger an sich gezogen, als könne sie ihn so irgendwie beschützen.

Piers stand diesem seltsamen Vieh also vollkommen alleine gegenüber.

Leise fluchte er, dann hob er die Waffe weiter an und begann, auf die BOW zu schießen, was diese aber kaum kümmerte.

Ihr Panzer schien die Kugeln einfach abzublocken, und die, die in die Zwischenräume drangen, schienen das Ding auch nicht weiter zu interessieren.

Es knurrte nur noch etwas lauter und bedrohlicher und schien nur immer etwas zu dampfen, wenn eine Kugel in die Zwischenräume gelangte. Das war es dann aber auch schon wieder.

Noch einmal fluchend wich Piers etwas zurück und versuchte dabei, sich keinem der Anderen zu nähern, was jedoch alles andere als leicht war.

Es gab somit immerhin nur eine Richtung, in die er zurückweichen konnte.
 

Der Scharfschütze versuchte es mit der dann auch gleich, wobei er die BOW nicht eine Sekunde lang aus den Augen ließ.

Diese konzentrierte sich zum Glück auch nur auf ihn und ließ die Anderen vollkommen in Ruhe. Das war immerhin etwas.

„Na komm schon, greif mich doch an“, stachelte Piers die BOW mit einem leichten Grinsen an, auch wenn ihm nach diesem eigentlich gar nicht zumute war.

Gegen das Ding hatte er alleine vermutlich nicht den Hauch einer Chance.

Aber er wollte, dass es sich auch weiterhin auf ihn konzentrierte, er wollte seine Aufmerksamkeit nicht verlieren. Die Anderen konnten sich immerhin so gut wie gar nicht verteidigen.

Und so musste Piers dafür sorgen, dass sie sicher waren. Das war nun seine Aufgabe.

Und er hatte nicht vor, bei dieser zu versagen, auch wenn es schwer war.

Denn die BOW ging zwar auf seine Provokation ein, aber wirklich gut war das für den jungen Soldaten nicht.
 

Denn nun wurde dieser angegriffen und hatte keine Chance mehr, mit der Schusswaffe etwas auszurichten, da das Vieh viel zu schnell war.

In letzter Sekunde gelang es Piers, dem Angriff auszuweichen, aber die BOW setzte ihm gleich nach.

Sie war wirklich flink wie ein Raubtier, dessen Gestalt sie ja auch hatte.

Piers fluchte erneut leise und versuchte, wieder auf die Füße zu kommen, war durch seinen vorherigen Kampf gegen Wesker und Jake allerdings schon viel zu ausgelaugt.

So schaffte er es gerade einmal, in eine hockende Haltung hoch zu kommen, ehe das Ding ihn erreicht hatte und mit der Klaue ausschlug.

Erschrocken keuchte der Scharfschütze auf, als der Angriff ihn traf und mit einer solchen Wucht gegen die Wand beförderte, dass diese zu erzittern begann, Blut über Piers’ Lippen rann, und der junge Mann erst einmal leblos zu Boden sank.
 

„P-Piers… nein...“

Müde öffnete der Scharfschütze die Augen, als er die schwache Stimme seines Captains vernahm.

Dass der sich in seinem Zustand ausgerechnet um ihn sorgte!

Aber diese Tatsache holte Piers zumindest wieder ein wenig hoch.

Noch war Chris am Leben, er musste ihn retten. Ihn und die Anderen. Das musste er einfach, egal wie.

Leicht keuchend rappelte sich der Scharfschütze wieder auf und spuckte etwas Blut, als ein unschönes Knacksen zu hören war. Seinen Rücken schien es ziemlich erwischt zu haben.

Dennoch hielt Piers sich halbwegs auf den Beinen, wischte das Blut weg und schloss dann leicht die Augen, ehe er versuchte, tief durchzuatmen.

So hatte er einfach keine Chance gegen das Vieh. Er hatte nur noch eine einzige Wahl.

Hier ging es um so viele Leben, vor allem um die Leben der Menschen, die ihm wichtig waren.

Er konnte sie nicht einfach im Stich lassen.

Als Piers die Augen nach einer kurzen Weile wieder öffnete, sah er kurz zu Chris, und ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen, dem wieder ein wenig Blut folgt.

Dann blickte er zu der BOW, die scheinbar doch etwas verwirrt darüber war, dass ihr Opfer noch lebte, und deshalb nicht angriff. Und das war ein Fehler, den sie bereuen würde.
 

Und trotz seines Zustandes, trotz seiner immer weiter schwindenden Sinne, erkannte Chris, was dieser Blick zu bedeuten hatte, was der junge Soldat nun versuchen wollte.

„Piers, nicht!“

Der Scharfschütze schüttelte jedoch nur entschuldigend den Kopf, dann schloss er noch einmal die Augen, holte tief Luft und konzentrierte sich einzig und allein auf das Virus in seinem Körper.

Dann begann er, leicht zu straucheln, kippte auf die Knie und presste die linke Hand gegen seinen rechten Arm, der nach und nach heftig zu schmerzen und zu brennen begann.

Er hatte es anscheinend wirklich geschafft. Endlich.

Er hatte herausgefunden, wie er das C-Virus kontrollieren konnte.

Er musste sich einfach nur fest genug darauf konzentrieren, er musste einfach nur verzweifelt genug sein, um alles riskieren zu wollen.

Und wie es aussah, würde er nun wieder mutieren.

Immer stärker wurden die Schmerzen in Piers’ Arm und raubten ihm fast die Besinnung.

Es fühlte sich an, als würden die Muskeln und Knochen zerreißen und zersplittern wollen.

Und allem Anschein nach war das gar nicht einmal so falsch.

Leise schrie der junge Soldat auf und kniff die Augen zusammen, während er weiter nach vorne kippte, ehe er ganz zusammensackte und sich auf dem Boden zu krümmen begann.

Ihm wurde immer heißer, und sein Körper zuckte unter heftigen Krämpfen zusammen.

Kraftlos japste der Scharfschütze nach Luft, schrie noch einmal erstickt auf und kratzte mit den Fingern der linken Hand so fest über den Boden, dass sie zu bluten begannen.

Jill konnte gar nicht hinsehen, und auch Chris schluckte schwer, zwang sich aber, die Augen nicht wieder zu schließen. Hätte er das getan, wäre er vermutlich eingeschlafen und nie wieder aufgewacht.

Und so wie der Scharfschütze nun verzweifelt kämpfte und alles gab, konnte auch er selber nicht einfach so aufgeben.
 

Noch einmal ging ein heftiger Ruck durch Piers’ Körper, dann, mit einem Mal, war es vorbei.

Ein leises, atemloses Stöhnen kam über die Lippen des jungen Soldaten, sein Körper erschlaffte kurz, und im nächsten Moment riss sein rechter Arm auf und mutierte tatsächlich wieder zu der knochigen, schleimigen und sehnigen Klaue, die er schon gegen Haos eingesetzt hatte.

Piers lag noch einige Momente lang zitternd und schweißgebadet am Boden und kniff die Augen zusammen, weil der Schmerz einfach nicht verebben wollte.

Nach und nach wurde es dann aber zumindest ein klein wenig besser, und der junge Soldat hatte nicht mehr die Befürchtung, dass er gleich einfach das Bewusstsein verlieren würde.

Er atmete kurz tief durch, dann stemmte er sich mühsam hoch, wobei er schmerzerfüllt das Gesicht verzog, strauchelte noch einmal leicht und blickte anschließend zu der BOW, die er allerdings nur sehr verschwommen erkannte.

Sein Blickfeld war eingeschränkt, genau wie damals, ein Teil seiner rechten Gesichtshälfte war gemeinsam mit dem Arm verändert worden.

„Bist du… überrascht…?“, brachte Piers dennoch etwas keuchend hervor, und ein schiefes Grinsen huschte über seine Lippen, über die jedoch auch wieder ein wenig Blut rann.

Die Mutation setzte ihm zu, der Schmerz war noch immer fast unerträglich, und dieses verdammte Pochen und Pulsieren in seinem mutierten Arm raubten ihm wirklich fast den Verstand.

Aber er musste durchhalten. Zumindest, bis diese BOW vernichtet und die Anderen in Sicherheit waren. Danach konnte er sich getrost der Schwäche und der lockenden Dunkelheit hingeben.
 

Tatsächlich schien die BOW überrascht zu sein, denn sie wich etwas zurück und knurrte den jungen Soldaten nur leise an.

Das Vieh konnte nicht wirklich denken, es handelte aus Instinkt. Und sein Instinkt sagte ihm, dass sein Gegner gefährlich war.

Aber der Instinkt der BOW trieb sie auch dennoch zum Angriff.

Dafür war sie erschaffen worden, dafür existierte sie. Angst kannte sie nicht, ebenso wenig wie echten Überlebenswillen.

Also fauchte das säbelzahntiger-artige Vieh einmal leise und bedrohlich, ehe es loshastete und sich auf Piers stürzte.

Aber der hatte natürlich genau damit gerechnet und wich zur Seite aus, ehe er den mutierten Arm anhob und die BOW mit Blitzen beschoss.

Keuchend biss er dabei die Zähen zusammen, denn wie damals kostete ihn dieser Angriff eine Menge Energie und fügte ihm unendliche Schmerzen zu.

Als er wirklich nicht mehr konnte, ließ Piers den Arm sinken und taumelte etwas, wobei er durch das Pulsieren und Pochen in seinem Arm kaum noch etwas wahrnahm.

Ihm wurde richtig schwindelig. Und für einen kurzen Moment verschwamm die Welt vor seinen Augen.

Aber erneut riss der junge Soldat sich zusammen, rang etwas nach Luft und stand dann wieder mehr oder weniger fest auf den Beinen. Leider aber nicht nur er, sondern auch die BOW, die er kurz zuvor angegriffen hatte.
 

Das Vieh war nur etwas fauchend und knurrend zusammengesunken und hatte sich unter der Elektrizität ein wenig gekrümmt, aber wirklich viel angerichtet hatte diese wohl nicht.

Die BOW war noch am Leben, rappelte sich wieder auf und schüttelte sich nur leicht, ehe sie ihren Gegner wieder fixierte.

Konditionsmäßig war sie Piers eindeutig überlegen, ebenso an Schnelligkeit.

Piers’ einzige Hoffnung war, dass er vielleicht ein wenig mehr Kraft hatte, aber auch diese ließ immer mehr nach.

Er war ja schon froh, dass er sich überhaupt noch auf den Beinen halten konnte.

Und er war sogar noch in der Lage, irgendwie zu kämpfen, auch wenn das Blut in seinem Kopf rauschte und ihm das Gefühl gab, jedes andere Geräusch zu übertönen.

Aber solange noch Leben in ihm war, so lange er noch irgendwie stand, den Arm heben und sich konzentrieren konnte, so lange würde er weiter machen, das schwor er sich.

Also nahm er noch ein weiteres Mal all seine schwindenden Kräfte zusammen, streckte den Arm aus und griff die BOW wieder an.

Dieses Mal jedoch hatte diese ebenfalls mit dem Angriff gerechnet und machte einen Satz zur Seite, ehe sie hochsprang, Piers anfiel und ihn zu Boden riss, wobei sie mit einer Klaue ausholte, um dem Scharfschützen mit dieser den Brustkorb aufzuschlitzen.

Und das hätte sie auch geschafft, denn Piers hatte nicht die Kraft, das Vieh nun irgendwie von sich zu stoßen, und die Schmerzen in dem mutierten Arm nahmen immer weiter zu.
 

Aber zum Glück hatte Sherry nun endlich einmal ihre Schockstarre überwunden, und in dem Moment, in dem die BOW zum tödlichen Hieb ausholte, traf ein Schuss sie direkt zwischen dem, was wohl im Normalfall die Schulterblätter gewesen wären.

Wirklichen Schaden konnte der Schuss nicht anrichten, aber zumindest spürte die BOW ihn und ließ kurz von Piers ab, um sich der Blonden zuzuwenden.

Piers nutzte diese Chance natürlich, um umständlich wieder auf die Beine zu kommen.

Kurz schwankte er dabei merklich und wäre fast wieder zusammengeklappt, doch Sherry war nicht die Einzige, die sich aufgerafft hatte.

Auch Jake war wieder auf den Beinen und anscheinend mehr oder weniger unverletzt.

Schnell griff er nach Piers’ unverletzten Arm und hielt den jungen Soldaten fest, als dessen Beine einfach einknicken wollten.

„Danke…“, nuschelte er leise und hustete wieder ein wenig Blut aus, ehe er sich leicht an Jake abstützte und den mutierten Arm der BOW entgegenstreckte, die gerade von Sherry abgelenkt wurde.

Langsam aber sicher kam sie der jungen Frau jedoch bedrohlich nahe, und diese konnte nirgendwo hin ausweichen, denn hinter ihr befand sich nur noch eine Wand.
 

Piers durfte also keine Sekunde lang mehr zögern, und das tat er auch nicht.

Er nahm wieder alle Kraft zusammen, ignorierte das Pochen, das Pulsieren, die Hitze, die seinen Körper übermannte, das Schwindelgefühl… einfach alles, was das Virus verursachte, und konzentrierte sich einzig und allein auf dessen Kräfte.

Er spürte, wie sein Arm sich anspannte, wie jeder einzelne Muskel arbeitete, und wie sein Körper dann wieder diese übermenschliche Kraft frei ließ, die die Blitze erzeugte.

Erneut traf der junge Soldat sein Ziel, und das Geräusch, das die BOW dieses Mal von sich gab, war schon ein wenig zufriedenstellender.

Es war ein Jaulen, gefolgt von einem Quieken, und dann, als Piers’ Kräfte wieder nachließen und der Stromfluss unterbrochen wurde, zuckte die Kreatur nur noch ein paar Mal, während sie den Boden mit ihrem Blut bedeckte.

Kurz schien ihr Körper sich verändern zu wollen, als versuche er, eine neue Form anzunehmen, dann aber war da nur noch ein letztes Zucken, und die BOW erschlaffte sterbend. Es war geschafft.

„Na also, geht doch…“, nuschelte Piers leise, und er hörte nur noch ganz entfernt eine besorgte Stimme, die wohl seinen Namen rief, aber wirklich erkennen konnte er das nicht, und er wusste auch nicht, wem er diese Stimme überhaupt zuordnen sollte.

Die Schmerzen nahmen noch einmal zu, Piers spürte seinen eigenen harten Herzschlag, als wolle dieser seine Brust sprengen, und die Hitze war so unerträglich, als würde sein Körper jeden Moment in Flammen aufgehen.

Dann war es vorbei, und über die Lippen des jungen Mannes kam nur noch ein leichtes, fast erleichtert klingendes Seufzen, ehe ihn die Kräfte endgültig verließen, und er leblos in Jakes Armen zusammensank.

For the B.S.A.A. - For the Future

Als Piers erwachte, hatte er das Gefühl, als befände er sich in einer Sauna, oder mitten in der Wüste, am hellichten Tag, bei strahlendstem Sonnenschein.

Ihm war noch immer so unglaublich heiß, und die Atemzüge, die über seine Lippen kamen, waren eher ein angestrengtes Keuchen, als wäre er Kilometer weit gerannt.

Sein Kopf dröhnte, und das Pochen in seinem Arm konnte er noch immer deutlich spüren.

Aber die Fläche, die von diesem Pochen befallen war, war kleiner geworden, und als er angestrengt den Kopf zur Seite drehte, erkannte er, dass die Mutation wieder zurückgegangen war. Das war faszinierend. Aber so wirklich interessierte es den jungen Soldaten gerade nicht.

Er hustete etwas und schloss noch einmal die Augen, öffnete sie auch erst wieder, als er merkte, wie irgendjemand ihm eine Hand unter den Nacken schob und seinen Kopf und Oberkörper ein wenig anhob.

„Mach den Mund auf und trink ein wenig“, hörte er eine Stimme sagen, aber wie vor seinem Zusammenbruch konnte er sie nicht wirklich zuordnen, und sein Blick war auch noch viel zu verschwommen, um wirklich etwas zu erkennen.

Also gehorchte er erst einmal brav, öffnete die Lippen und trank ein paar Schlucke von der Flüssigkeit, die sich als einfaches aber reines und erfrischendes Leitungswasser entpuppte.

Tatsächlich halfen diese paar Schlucke auch, und nach wenigen weiteren Momenten kehrte Piers’ Bewusstsein auch endlich wieder richtig zurück, und sein Blick klärte sich ein wenig.
 

Er war am Leben, er hatte es geschafft.

Aus den Augenwinkeln erkannte er die BOW, die in wenigen Metern Entfernung auf dem Boden lag und sich nicht mehr regte. Sie war ganz offensichtlich tot.

„Was…?“, nuschelte Piers, verstummte aber, als er merkte, dass seine Stimme gar nicht wirklich zu verstehen war.

„Nicht reden… schon dich. Alles ist gut“, hörte er nun eine weitere Stimme, sanfter als die erste, aber auch müder, leiser, kraftloser.

„C-Captain…“, murmelte er, und ein erleichtertes Seufzen kam über seine Lippen.

Vor seinem Zusammenbruch war Piers sicher gewesen, dass er, falls er überhaupt wieder erwachte, vermutlich nur noch den erstarrten Leichnam seines Captains zu Gesicht bekommen würde.

Aber tatsächlich war dieser noch immer am Leben, und er hatte sogar noch die Kraft, zu reden.

Das gab dem jungen Soldaten doch wieder ein wenig Hoffnung, auch, wenn er an der Schwäche und dem Zittern in Chris’ Stimme deutlich erkannt hatte, dass diese Hoffnung trügerisch sein konnte.

Sein Captain schwebte nach wie vor in Lebensgefahr, da musste Piers sich nichts vormachen.

Und noch klarer wurde ihm das, als er endlich die Kraft fand, den Kopf zur anderen Seite zu drehen.
 

Denn da erkannte er Chris nun auch, und bei dessen Anblick erschrak er wirklich.

Hatte er zuvor schon gedacht, der Ältere wäre leichenblass gewesen, dann gab es nun kein Wort mehr, um die Farbe seines Gesichtes zu beschreiben.

Er war fast so weiß wie eine Wand, und diese Wand war bedeckt von Schweiß, an seinen Lippen klebten noch Reste des eingetrockneten Blutes, und seine Augen wirkten so unglaublich glasig, fast schon leer. Er schien sehr hohes Fieber zu haben, was auch wirklich nicht weiter verwunderlich war.

Auch Chris’ Atem ging schwer und keuchend, und ab und an ging ein leichtes Zittern durch seinen Körper.

Hätte Jill ihn nicht ein wenig gestützt, wäre Chris vermutlich wirklich einfach zusammengeklappt.

Und dennoch lag auf den Lippen des Soldaten ein erleichtertes Lächeln, nun, da er sah, dass Piers erwacht war, dass er die Nutzung des C-Virus tatsächlich überstanden hatte.
 

Nachdem Piers zusammengebrochen war, hatte Chris nicht mehr damit gerechnet, dass er wieder erwachen würde.

Es war ein beängstigender Anblick gewesen, als sein bewusstloser Körper sich auf dem Boden gekrümmt hatte, und die Mutation nach und nach zurückgegangen war.

Piers war leichenblass gewesen, seine Haut hatte sich so kalt angefühlt, und doch schien es, als hätte er tödlich hohes Fieber gehabt, als würde sein Körper jeden Moment einfach zu brennen beginnen.

Chris konnte das, was er da gesehen und gespürt hatte, gar nicht wirklich beschreiben, was nicht nur daran lag, dass er selber kaum richtig bei sich gewesen war.

Aber keiner von ihnen hatte so etwas jemals zuvor erlebt. Und sie waren sich auch alle einig gewesen, dass sie niemanden kannten, der so etwas schon ÜBERlebt hatte.

Gut, ihnen war natürlich sofort Wesker eingefallen, aber der spielte ohnehin in einer ganz anderen Liga. Das war einfach kein Vergleich.

So oder so, Piers hatte es überlebt, wenn auch vermutlich nur durch die tatkräftige Hilfe des Virus, das es gar nicht einsah, seinen Wirt nun zu verlieren.

Aber Piers war noch immer er selber, sein Wille war noch immer stärker als das C-Virus.

Er wollte sich auch gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn er diese Kontrolle irgendwann einmal verlor.
 

„Wir müssen hier weg. Wenn hier noch mehr von den Viechern sind, wenn Wesker zurück kommt…“

„Wir bleiben. Wir bleiben so lange, bis es Piers und Chris etwas besser geht. In dem Zustand kommt keiner der Beiden weit.“

Piers lenkte seine Aufmerksamkeit nun auf die Stimmen, die da sprachen, und versuchte, sich ganz auf diese zu konzentrieren.

Er fühlte sich noch immer ziemlich schlapp und hatte Angst, einfach wieder die Besinnung zu verlieren. So müde, wie er im Moment war, hätte das vermutlich wirklich doch noch seinen Tod bedeutet.

Und nachdem er die Mutation und den Kampf überstanden hatte, klammerte er sich nun ans Leben. Vor allem, weil auch Chris noch immer so tapfer durchhielt.

Da musste er sich einfach auch ein wenig zusammenreißen, auch wenn es ihm so unendlich schwer fiel.

Leicht hob er den Blick und sah zu den Beiden, die eben gesprochen hatten. Er erkannte Jill und Jake, wobei der Söldner den Blick abgewandt hatte und verstummt war.

Er schien es gar nicht mehr zu wagen, auch nur noch bei irgendetwas zu widersprechen.

Und bei dem Blick, den Jill ihm zuwarf, konnte Piers das auch durchaus nachvollziehen.

Ihre Augen waren ein einziger großer Vorwurf.
 

Und Jill fand, dass dieser Vorwurf auch durchaus berechtigt war, auch, wenn Chris sie noch immer von dem Gegenteil überzeugen wollte.

Ihr war es tatsächlich nach einer Weile gelungen, die Blutung ein wenig zu stoppen, und da Chris einfach verdammt hartnäckig war, hatte er es sogar geschafft, sich ein wenig zu erholen.

Er war jedoch noch lange nicht außer Gefahr, das wusste er selber.

Aber zumindest lag er im Moment nicht mehr wirklich im Sterben.

Und das war immerhin ein kleiner Hoffnungsschimmer.

Es beruhigte Jill zumindest ein wenig, doch dadurch, dass ihre Angst nun nicht mehr ganz so stark war, war ihre Wut auf Jake wieder angewachsen.

Piers mochte für den kurzen Kampf gegen die BOW auf Streit verzichtet haben, und auch Jill hatte kein Interesse daran gehabt, sich in dem Moment mit Jake anzulegen. Ja, sie war sogar ebenfalls besorgt gewesen, als dieser von der Tür erwischt worden und einfach liegen geblieben war.

Aber das änderte nun einmal alles nichts an dem, was Jake getan hatte.

Und auch, wenn Chris sich ein wenig erholt hatte, konnte der Söldner noch immer ganz schnell zu seinem Mörder werden.

Und Jill wusste, dass sie sich dann nicht mehr würde zurückhalten können.

Und ihr war ebenso klar, dass sie dann vermutlich nicht einmal dazu kommen würde, ihre Wut an Jake auszulassen, denn sie kannte jemanden, der ihr dann sicherlich noch zuvor kommen würde.
 

Piers war eben so temperamentvoll wie Jake, und wenn sein Captain wegen diesem starb, dann würde es nichts mehr geben, was ihn davon abhielt, auch Jakes Leben zu beenden. Ob Chris das nun gefallen hätte oder nicht.

Aber noch war der B.S.A.A.-Captain am Leben, und noch waren sie in diesem Haus mehr oder weniger gefangen und konnten erst weg, wenn sich die beiden Soldaten ein wenig erholt hatten.

Und es war durchaus möglich, dass es hier in der Gegend noch weitere solcher BOWs gab.

Untereinander Streit anzufangen, wäre also vollkommen sinnlos gewesen.

Und so mussten sie sich im Moment alle zusammenreißen, auch wenn die Spannung, die in der Luft lag, mehr als deutlich zu spüren war.

Man konnte sich zwar zurückhalten, aber seine Gedanken und Gefühle abschalten, das funktionierte nun einmal nur in den seltensten Fällen.

Und Jake war ja ohnehin klar, dass ihm die Anderen im Moment alles andere als freundlich gesinnt waren. Er verstand das auch, und er machte auch keine Anstalten, sich irgendwie zu beschweren, oder in irgendeiner Art und Weise bei irgendetwas widersprechen zu wollen.

So kleinlaut und zurückhaltend kannte Jake vermutlich niemand, aber er war eben auch nicht dumm und wusste ganz genau, was er da angerichtet hatte.

Vor ein, zwei Jahren hätte ihn das vielleicht wirklich noch kalt gelassen, nun aber war es anders. Und das verdankte er Sherry. Und er war ihr auch wirklich dankbar dafür, auch wenn es bedeutete, dass er sich dafür jetzt unendliche Vorwürfe machen musste.
 

„Dann werde ich raus gehen und mich umsehen. Wenn da noch mehr von den Viechern sind, sollten wir zumindest rechtzeitig Bescheid wissen. Ich glaube nicht, dass wir einen weiteren Kampf überstehen“, murmelte Jake nach einer Weile, während er die Flasche weg stellte, und Piers vorsichtig gegen ein paar Couchkissen lehnte, die er an der Wand aufgestapelt hatte.

Sie hatten es nur dem Scharfschützen zu verdanken, dass sie alle noch am Leben waren.

Und einen weiteren Kampf würde der auch nicht überstehen. Und Jake wollte auch gar nicht, dass Piers das Virus wegen ihnen noch einmal nutzen musste.

Weil er nicht aufgepasst hatte, weil er sich von dieser verdammten Tür hatte ausschalten lassen.

Irgendwie schien er gerade wirklich vom Pech verfolgt. Und dieses Pech färbte anscheinend auch auf die Anderen ab. Er musste gerade einfach weg von ihnen.

Jake wollte nicht abhauen, das hätte nichts gebracht. Er wollte die Anderen nicht ausgerechnet jetzt auch noch im Stich lassen. Er wollte nur das, was er getan hatte, zumindest wieder ein bisschen gut machen, auch wenn es eigentlich unmöglich war.

Aber im Moment erdrückte ihn diese dicke Luft in dem Haus einfach.

Und da niemand etwas zu seinem Vorschlag sagte, und somit auch niemand Einwände zu haben schien, seufzte Jake nur noch einmal leise, hob die Flasche wieder auf und drückte sie Piers in die Hand, ehe er sich erhob, ab wandte und das Haus durch den Türrahmen verließ. Eine Tür gab es ja nun nicht mehr.
 


 

„Ist das wirklich Ihr Ernst, Captain? Wollen Sie… ihm wirklich verzeihen?“

Piers hatte sich ein wenig aufgesetzt und sah nun zu seinem Captain, der sich an die Wand neben ihm gelehnt hatte. Zu langes Stehen bekam ihm einfach nicht, dazu war er noch viel zu geschwächt.

Der ältere Soldat seufzte leise, schloss die Augen und zuckte leicht mit den Schultern, ehe er ein leises Seufzen hören ließ.

„Was ich gesagt habe, war ernst gemeint, Piers. Ich kann ihn verstehen. Für uns alle ist Wesker ein Monster, aber für ihn ist er auch sein Vater“, murmelte er dann leise und öffnete die Augen wieder, um den Scharfschützen anzusehen.

Irrte der sich, oder war Chris tatsächlich noch blasser geworden? Er würde ihn im Auge behalten.

„Mag sein, aber das ist kein Grund, einfach die Knarre zu zücken und Sie zu erschießen“, murrte Piers und schüttelte ernst den Kopf.

Schon damals hatte ihn das aufgeregt, und nun, da Jake wirklich abgedrückt und Chris getroffen hatte, war da einfach nur noch Hass in dem jungen Soldaten.

Damals hatte er dem Söldner schon nicht verzeihen können, und dieses Mal würde er für seine Tat bezahlen. Und dafür spielte es keine Rolle, ob Chris überlebte oder starb.

Jake war zu weit gegangen.

„Streit bringt uns jetzt nicht weiter, Piers. Ich sehe dir an, wie wütend du bist, und ich verstehe, dass du Jake vermutlich… am liebsten einfach den Hals umdrehen würdest… Aber im Moment haben wir nur uns. Und bei solchen BOWs, bei Wesker, der noch immer da draußen ist… brauchen wir einfach jeden Einzelnen von uns.“

Und damit hatte Chris recht, das war Piers durchaus bewusst.

Aber er verstand eben einfach nicht, wie sein Captain dem Söldner verzeihen konnte.

Ganz egal, was auch passiert war, ganz egal, ob Wesker nun sein Vater war oder nicht, das gab Jake noch lange nicht das Recht, einfach auf den Nächstbesten zu ballern, der ihm in den Weg kam.

Und dann auch noch ausgerechnet auf Chris, den Einzigen, der auch noch ernsthaft zu verstehen schien, was in Jake vor sich ging, und der ihm dann sogar noch verzieh, wenn er sterbend auf dem Boden lag. Das war einfach zu viel des Guten.
 

„Wie Sie meinen“, murrte Piers dann aber auch nur, um das Gespräch zu beenden, denn er wusste genau, dass seine Wut nicht abklingen würde, wenn sie nun weiter über Jake und Wesker redeten. Ganz im Gegenteil.

Er wollte dennoch noch einmal etwas sagen, als er hörte, wie sich schnelle Schritte näherten, und wie diesen weitere folgten.

Die ersten Schritte gehörten eindeutig einem Menschen, die folgenden jedoch klangen wie die der BOW, die sie zuvor bekämpft hatten. Und es waren eindeutig die Schritte von mehr als einer.

„Verdammter Mist…“, keuchte Piers erschrocken, ehe er sich einfach erhob, mit noch etwas zitternden Fingern nach seiner Waffe tastete, und die Hand dann jedoch sinken ließ, als er daran dachte, wie viel das Schießen beim letzten Mal gebracht hatte.

Und so straffte er, ohne ein Wort zu sagen, die Schultern, machte einen Schritt zur Seite und stellte sich beschützend vor seinen Captain, der von Jill nun daran gehindert wurde, sich ebenfalls zu erheben.

Sherry stellte sich dieses Mal todesmutig neben Piers, bereit, alles zu geben.

Der Scharfschütze und sein Captain stellten sich hier mutig jedem Kampf, und beim letzten Mal hatte sie nur da gesessen und nichts getan. So durfte das nicht weiter gehen.

Sie musste jetzt endlich auch handeln und etwas tun. Immerhin war sie Agentin der amerikanischen Regierung. Es war ja nicht so, dass sie ein Laie war. Sie war durchaus in der Lage, zu kämpfen, sie hatte wirklich was drauf. Und so musste die Blonde nun einfach in den sauren Apfel beißen und ihre Angst verdrängen. Anders ging es eben nicht.
 

Es dauerte dann auch nur noch wenige Sekunden, ehe die hastigen Schritte das Haus erreicht hatten, und Jake mit gezückter Waffe in dieses stolperte.

Gerne hätte er nun einfach die Tür zugeschlagen, aber leider war das ja nicht mehr möglich, weshalb er den Anderen nun den Rücken zudrehte und auf die erste BOW schoss, die sich dem Gebäude in rasantem Tempo näherte.

Es war wirklich die gleiche BOW, die sie zuvor auch schon bekämpft hatten, und in geringem Abstand zu dieser folgte noch eine weitere.

Es war aus, es war vorbei.

Piers und Chris waren verletzt und viel zu geschwächt, um wirklich kämpfen zu können, und auch, wenn Jake auch ohne Waffen in der Lage war, hervorragend zu kämpfen, ging er nicht davon aus, diese Viecher mit seinen Moves irgendwie beeindrucken zu können.

„Scheiße…“, murmelte er und wich zu den Anderen zurück, als die BOW die Tür erreicht hatte. Natürlich beeindruckten sie auch die Schüsse nicht, die der Söldner abfeuerte. Sie spürte sie nicht einmal wirklich.

„Ich… ich mach das schon…“, hörte Jake nun eine Stimme hinter sich sagen, und als er sich etwas erschrocken umdrehte, hatte Piers sich an Jill vorbei geschoben und sah den Söldner mit müdem aber ernsten Blick an.

„Tu du mir nur den Gefallen und lass, wenn ich versage, keines der Viecher an meinen Captain ran“, meinte Piers nur knapp, dann wandte er sich von Jake ab und blickte zu der BOW, die leicht den raubkatzenähnlichen Kopf zur Seite neigte.
 

Und dann begann es wieder von vorne. Das Brennen, die Schmerzen, die unendlichen Qualen, die einfach nicht enden wollten.

Doch dieses Mal hielt sich Piers auf den Beinen, obwohl er ohnehin schon ziemlich geschwächt war. Aber er sah es gar nicht ein, dieses Mal Schwäche zu zeigen.

Er biss die Zähne zusammen, unterdrückte jeden Schmerzenslaut, und keuchte nur einmal leicht, als sein Arm ein drittes Mal mutierte.

Und kaum war das geschafft, streckte er ihn auch schon der BOW entgegen und griff diese an, immer und immer wieder.

Der junge Soldat zitterte am ganzen Körper, Blut rann über seine Lippen, und sein Körper wurde immer weiter zerstört, weil er ihn und das Virus so überforderte.

Aber Piers schien gar nicht zu merken, dass er eigentlich längst tot auf dem Boden hätte liegen sollen.

Er griff nur immer weiter an, ohne es selber noch wirklich mitzubekommen.

Und tatsächlich schaffte er es, die erste BOW zu vernichten, ehe diese auch nur annähernd zum Angreifen gekommen war.

Das zweite Vieh war jedoch vorgewarnt, und so schnellte es vor, als Piers doch eine kurze Pause brauchte, sprintete auf ihn zu, ohne auf die Schüsse von Jill, Jake oder Sherry zu achten, sprang, wie die erste BOW im letzten Kampf, auf Piers’ Brust und riss ihn von den Füßen.
 

Der Scharfschütze schrie erschrocken auf, keuchte schwer und versuchte, die BOW irgendwie von sich zu schieben und zu treten, was aber einfach nicht gelingen wollte.

Sein Körper gehorchte ihm kaum noch.

Und dann passierte es. Genau das Gleiche wie beim ersten Kampf.

Die BOW holte mit der Klaue aus, um diese auf Piers’ Oberkörper hinabsausen zu lassen, und wieder wurde sie aufgehalten.

Es dauerte einen Moment, bis dem jungen Soldaten das klar wurde, und einen weiteren bis er begriff, dass es dieses Mal kein Schuss aus Sherrys Waffe gewesen war, der das Vieh aufgehalten hatte.

Und als er die Blicke der Anderen bemerkte, als er sah, dass hinter Jill und Jake niemand mehr war, als er sah, dass weder die Beiden noch Sherry ihm und der BOW wirkich näher gekommen waren, wurde es Piers klar.

Langsam, fast wie in Zeitlupe, drehte er den Kopf zur Seite, erkannte er die BOW, die neben ihm lag und sich nicht mehr rührte.

Ein Messer steckte in ihrer Kehle, falls sie eine solche überhaupt besaß, und beachtliche Mengen an Blut flossen aus der tödlichen Wunde.

Aber der Lebenssaft der BOW war nicht der einzige, der den Boden tränkte.

„Nein…“, war alles, was Piers noch hervorbrachte, ehe ihm durch die Anstrengung ein weiteres Mal die Sinne schwanden.
 


 

Und als er dieses Mal erwachte, geschah genau das, was er schon beim ersten Mal befürchtet hatte, wovor er die ganze Zeit über Angst gehabt hatte.

Er brauchte einen Moment, um seine Sinne halbwegs zu sammeln, und sein Blick wollte sich dieses Mal gar nicht mehr richtig klären.

Er hatte eindeutig übertrieben, er hatte das Virus zu sehr überstrapaziert.

Die Mutation war wieder zurückgegangen, doch dafür spürte der Scharfschütze seinen Arm nun überhaupt nicht mehr, auch, wenn er durchaus noch vorhanden war. Ansonsten fühlte sein Körper sich an, als hätte jemand mit einem Mixer seine Innereien umgerührt.

Aber das alles kümmerte Piers überhaupt nicht, das alles war vollkommen egal, es war bedeutungslos verglichen mit dem Opfer, das Chris gebracht hatte.

Piers’ Blick fiel auf seinen Captain, der regungslos neben ihm auf dem Boden lag, und er schluckte leicht, als er die Blicke der Anderen bemerkte, in denen nur Trauer und Schmerz zu sehen waren. Vielleicht noch ein wenig Sorge um ihn, möglicherweise auch so etwas wie leichte Bewunderung für seine Hartnäckigkeit.

Müde stemmte der junge Soldat sich hoch und taumelte mit schleppenden Schritten zu seinem Captain, ohne die Blicke weiter deuten zu wollen, sank neben diesem wieder auf die Knie und starrte einfach nur auf ihn hinab.

Es war zu spät.

Chris’ Lippen hatten bereits einen leicht bläulichen Farbton angenommen, und noch immer tropfte Blut von diesen auf den Boden, sein Oberteil hatte sich ebenfalls mit frischem Blut vollgesogen.

„Captain…?“

Piers wusste, dass er keine Antwort mehr erhalten würde, und als er dennoch nach dem Puls des Älteren tastete, schauderte er merklich, als er die kalte Haut berührte.

Natürlich fand er nichts mehr, und es gab wohl keine Möglichkeit, den Älteren jetzt noch zu retten.

Chris war tot.

Der Tod muss warten

„Komm schon… komm schon, verdammt noch mal. Gib nicht auf!“

Piers war einfach nicht bereit, Chris’ Tod zu akzeptieren. Er konnte das nicht.

Es durfte einfach nicht sein. Auch, wenn er wusste, dass es längst zu spät war, wenn selbst Jill die Hoffnung längst aufgegeben hatte, Piers konnte es einfach nicht.

Immer wieder drückte er kräftig auf den Brustkorb des Älteren, beatmete ihn abwechselnd dazu und achtete gar nicht auf das Blut, das er dadurch auch selber abbekam, und das sein Gesicht richtig gruselig aussehen ließ.

Aber was für eine Rolle spielte es auch schon, wie er aussah?

Er machte weiter, schüttelte Jills Hände ab, die ihn sanft von Chris wegziehen wollten, und schloss leicht die Augen, während er weiterhin stur versuchte, Chris zu reanimieren.

Und dann hatte er da noch eine Idee.

Einen letzten kleinen Einfall, etwas, das vermutlich einfach nur verrückt war. So verrückt, dass es vielleicht sogar klappen konnte. Oder völlig schiefgehen und ihrer aller Leben kosten.
 

Aber so verzweifelt, wie Piers gerade war, war ihm das in dem Moment vollkommen egal.

Er sah neben sich, hörte kurz mit der Herzmassage auf, die ohnehin noch nichts brachte, und zog das Messer aus der Leiche der BOW, ehe er es an seiner Hose abstreifte.

Dann hob er den rechten Arm an, in dem er ohnehin kein wirkliches Gefühl mehr hatte, schnitt etwas in die Haut, und tat das Gleiche anschließend bei Chris’ Arm.

Es würde niemals reichen, um dem Älteren genug Blut zu spenden, und dazu war es ohnehin zu spät; doch das war auch nicht das, was Piers vor hatte.

Aber wenn das Virus bisher immer in der Lage gewesen war, sein Leben zu retten, dann konnte es vielleicht auch Chris retten.

Es war nur eine geringe Menge, nur so viel, wie durch die paar Tropfen Blut in Chris’ Kreislauf gelangen konnte. Und Piers musste auch erst wieder sein Herz künstlich antreiben, damit das nun infizierte Blut überhaupt durch den leblosen Körper geleitet wurde.

Aber es war die einzige Möglichkeit, die dem jungen Soldaten noch blieb.

Und diese Möglichkeit, diese winzig kleine Chance, musste er einfach ergreifen.
 

Und keiner der Anderen mischte sich mehr ein.

Sie hatte wohl eingesehen, dass es nichts brachte, dass er nicht aufhören würde, und Jill konnte gerade eh einfach nicht mehr hin sehen. Das war zu viel für sie.

Sie wandte sich ab, verließ das Haus, und Sherry folgte ihr, ehe sie leicht die Arme um die Ältere legte.

Sie sagte nichts, wusste nicht, wie sie Jill irgendwie trösten konnte. Und sie selber war ja auch erschüttert und traurig über Chris’ Tod.

Nur Jake blieb neben dem Soldaten stehen und blickte auf ihn hinab. Selbst in seinen Augen schimmerte es verdächtig, aber noch kamen keine Tränen.

Er schien zu begreifen, was Piers vor hatte und runzelte leicht die Stirn, ehe er sich kurz in dem Raum umsah.

Was hätte er in dem Moment nicht alles dafür gegeben, sich in irgendeiner Arztpraxis zu befinden, oder bei irgendeinem Typen der ein Faible für Medizin hatte.

Einfach in irgendeinem Haus, in dem sich wenigstens ein Defibrillator oder irgendetwas in der Art befand.

Der Söldner sah noch einmal kurz zu Piers, der aber wohl noch immer nichts erreichte, dann verließ er das Zimmer, ging in die Küche, ins Schlafzimmer, ins Bad…

Und hätte dort fast aufgejubelt, als seine Hoffnung sich tatsächlich erfüllte.

Aber nach Jubeln war ihm nun trotz allem wirklich nicht zumute.

Schnell schnappte Jake sich den Erste-Hilfe-Kasten, eilte zurück und ließ sich neben Piers und Chris auf die Knie sinken.

Aus dem Bad hatte er auch noch eine Verbandschere mitgenommen, die er nun anhob, um Chris’ Oberteil aufzuschneiden. Durch das ganze Blut war das zwar alles andere als leicht, aber nach einigen leisen Flüchen hatte er es dann doch geschafft.
 

Und als Jake auf den reglosen Brustkorb hinabblickte, weiteten sich seine Augen, und er berührte Piers an der Schulter, um seine Aufmerksamkeit nach unten zu lenken.

Die Schussverletzung und die Kratzer, die die BOW Chris zugefügt hatten, waren verschwunden. Da war nichts mehr.

Nur das viele Blut zeugte noch davon, dass der Soldat wenige Momente zuvor tödlich noch verwundet gewesen war.

„Das Virus… Das Virus tut etwas“, flüsterte Piers aufgeregt, ehe er sich gleich wieder hinabbeugte und Chris Kopf erneut vorsichtig überstreckte, um mit der Beatmung fortzufahren.

Nun würde er erst recht nicht aufgeben.

Das Virus arbeitete in Chris’ Körper, und vielleicht gelang es ihnen wirklich, den Captain zu retten.

Jake nickte bei Piers Worten nur leicht, weil er gerade viel zu verwirrt war, um irgendetwas zu sagen.

Stattdessen machte er sich nun daran, den Kasten mit dem Defibrillator zu öffnen, die Elektroden auszupacken, und diese dann vorschriftsmäßig auf Chris’ Brustkorb zu kleben.

Auch, wenn das Virus arbeitete, durften sie keine Zeit verlieren. Ganz besonders dann nicht.

Wenn sie zu lange warteten, konnte es sein, dass das Virus den toten Körper übernahm, und dann würden sie einem Zombie-Chris gegenüber stehen. Oder der würde am Ende noch mutieren.

Und darauf konnte Jake doch wirklich verzichten.

Selbst wenn Chris überlebte, wenn sie ihn retten konnten, war noch lange nicht gesagt, dass sein Körper mit dem Virus klar kommen würde. Aber im Notfall war er dann ja auch noch da und konnte sein Blut ebenso geben, wie Piers es zuvor getan hatte.
 


 

„Okay, bleib kurz etwas auf Abstand“, murmelte Jake nach einer Weile, als er fertig war und das Gerät eingeschaltet und den bisherigen Instruktionen Folge geleistet hatte.

Piers gehorchte schweigend, sah auf Chris hinab und wischte sich leicht über das Gesicht, wobei er das Blut nur noch weiter verteilte. Aber nach wie vor kümmerte er sich darum gar nicht.

Er atmete nur tief durch, ballte die linke Hand zur Faust und schluckte schwer, als Chris durch den Defibrillator ein erster Schock verpasst wurde.

Nichts.

Es tat sich überhaupt nichts.

Chris hatte unter dem Stromschlag nur leicht aufgezuckt, und sein Kopf war etwas zur Seite gesackt, doch das war auch schon alles, was an Reaktionen auf die Wiederbelebungsmaßnahmen folgte. Ein Puls war noch nicht wieder zu spüren.

Eerneut beugte der Scharfschütze sich hinab, versuchte, Chris mittels einer Herzmassage zu reanimieren, ließ Jake dann wieder den Defibrillator aufladen, beatmete Chris, wartete… hoffte… betete.

Und irgendwann hatten sie es tatsächlich geschafft.

Ein ganz leichtes Pochen war zu spüren, als Piers vorsichtig die Finger gegen Chris’ Hals drückte, und wenige Momente später, nach ein paar weiteren Atemspenden, hörte er dann auch ganz leise und stockend die ersten schwachen Luftzüge.

„Wir haben es geschafft… Danke...“, murmelte Piers, und Jake war etwas überrascht, dass er tatsächlich ‚wir’ sagte… Und sich dann auch noch ernsthaft bei ihm bedankte.

Daran sah man wirklich, wie sehr ihm das alles zugesetzt hatte, dass er sogar seine Wut auf den Söldner einfach vergaß.
 

Auch der wollte gerade aufatmen, als das zu passieren schien, was er befürchtet hatte.

Ein Ruck ging durch Chris’ Körper, er verkrampfte sich, begann, sich auf dem Boden zu winden, und die Finger hart in diesen zu krallen.

Nun war es der B.S.A.A.-Captain, der das Gefühl hatte, zu verbrennen, der glaubte, sein Körper würde einfach zerreißen, und das, obwohl er nicht einmal bei Bewusstsein sein war.

„Chris…? Chris!“, schrie Piers entsetzt, und er versuchte, seinen Captain irgendwie festzuhalten, versuchte, ihn zu beruhigen, indem er auf ihn einredete, aber der Ältere hörte ihn ja nicht einmal.

„Nein, bitte… bitte nicht…“, murmelte der junge Soldat verstört, und er saß nun wirklich da wie ein Häufchen Elend, verzweifelt und hilflos.

Ein Anblick, der Jake vor einiger Zeit noch sehr gut gefallen hätte, der ihm nun aber tatsächlich einen leichten Schauer über den Rücken jagte.

Nicht, dass ihm Chris’ Schoßhund wirklich sympathisch geworden wäre, aber so konnte er diesen einfach nicht sehen.

„Geh mal weg…“, murrte er deshalb, wobei seine Stimme aber ungewohnt sanft klang.

Er schob Piers dann auch einfach zur Seite, griff in den Kasten, in dem sich der Defibrillator befunden hatte, zog eine Spritze hervor und rammte sich diese in den Arm, um sich selber Blut abzuzapfen.

Das war kein fertiges Antivirus, und er wusste nicht einmal, ob er überhaupt die gleiche Blutgruppe wie Chris hatte, aber der Söldner ging davon aus, dass das C-Virus das schon irgendwie in den Griff bekommen würde.

Es hatte Piers sooft gerettet, es hatte Chris das Leben zurückgegeben, da würde es im Notfall sicherlich auch in der Lage sein, Blut am Klumpen zu hindern.

Zumindest hoffte Jake das, denn er wollte am Ende nicht doch noch Schuld an Chris’ Tod sein.
 

Als er die Spritze mit seinem eigenen Blut gefüllt und wieder aus seinem Arm gezogen hatte, beugte er sich wieder hinab und versenkte die Nadel nun im Arm des Soldaten, was alles andere als leicht war, so, wie der sich noch immer auf dem Boden wand.

Und es gelang Piers auch nicht wirklich, ihn richtig festzuhalten.

Irgendwie klappte es dann aber tatsächlich, und Jake drückte den Kolben herunter, sodass sein Blut in Chris’ Kreislauf gelangte.

Wieder zog er die Spritze heraus, drückte kurz auf die Einstichstelle und wartete dann gebannt ab.

Jake ertappte sich dann sogar tatsächlich dabei, wie er kurz den Atem anhielt, als der Soldat nach einigen Momenten mit einem Mal einfach erschlaffte und vollkommen regungslos liegen blieb.

Piers tastete mit zitternden Fingern wieder nach Chris’ Hals, wartete etwas und sackte dann leicht in sich zusammen, wobei er ein erleichtertes Seufzen hören ließ.

„Er lebt?“

„Er lebt…“, erwiderte Piers leise und hob den Blick wieder etwas an.

Er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass er mit seinem verrückten Plan etwas erreichen würde, aber er beschwerte sich sicherlich nicht darüber, dass es tatsächlich geklappt hatte. Wenn auch letztendlich nur mit Jakes Hilfe.

Seufzend lehnte er sich zurück, schloss leicht die Augen und atmete ein paar Mal tief durch, während Jake die Elektroden von Chris’ Brust löste, eine Decke von der Couch nahm und diese über den Bewusstlosen legte. Er sollte sich ja nicht am Ende noch erkälten, so geschwächt er durch das alles ohnehin schon war. Noch mehr Wunder konnten sie dann sicherlich nicht erwarten.

„Ich seh’ kurz nach den Anderen und geb’ Bescheid.“, meinte Jake dann, als er wider zurück kam und auf Piers hinab sah.

„Mach das…“, erwiderte der Scharfschütze nur knapp, dann schloss er die Augen wieder, ließ den Kopf hinter sich gegen die Wand sinken und gab sich einer leichten Ohnmacht hin.
 


 

Nur leider wurde er aus dieser viel zu schnell wieder geweckt.

Nach wenigen Minuten stürmte Jake in das Zimmer zurück, eilte zu Piers und beugte sich zu ihm, ehe er begann, an seinen Schultern zu rütteln.

„Wach auf… komm zu dir. Mach schon!“, rief er ihm zu und machte so lange mit Schütteln und Rufen weiter, bis der Ältere mühsam wieder die Augen öffnete.

Nicht, dass Jake ihm seine Rühe nicht gegönnt hätte, ganz im Gegenteil.

Aber er hatte leider keine guten Neuigkeiten.

„Was… was ist?“, murmelte Piers, griff sich an den Kopf und setzte sich weiter auf, während er leicht die Stirn runzelte.

Sein Blick fiel auf Chris, der noch immer so ruhig und bleich da lag wie ein Toter, aber die Tatsache, dass die bläuliche Verfärbung seiner Lippen zurückgegangen war, und das leichte Heben und Senken seiner Brust, das unter der Decke zu erkennen war, zeigten ihm, dass mit seinem Captain wohl nichts passiert war.

Dann also mit Jill und Sherry?

Diese Befürchtung wurde ihm schnell von Jake bestätigt.

„Sherry und Jill.. sie sind verschwunden. Spurlos“, murmelte der Söldner nun leise und ließ nun endlich einmal von Piers ab, erhob sich wieder und lehnte sich selber leicht gegen die Wand.

„Ich hab alles um das Haus herum abgesucht, nichts. Sie sind nicht irgendwo in der Nähe, es gab keine Spuren eines Kampfes, Nichts...“

„Also wie bei dir damals.“

Piers hätte Jake das gerade liebend gerne als Vorwurf entgegen geworfen, aber dazu war seine Stimme gerade viel zu schwach.
 

Jetzt, da hier keine BOWs mehr waren, da Chris wieder lebte, und alles mehr oder weniger gut war, sah man davon ab, dass nun Jill und Sherry verschwunden waren, hatte das Adrenalin in Piers’ Körper nachgelassen, und er spürte die Schwäche und die Schmerzen wieder mehr als deutlich.

Nur sein rechter Arm war wieder taub geworden, diesen spürte er mittlerweile wirklich überhaupt nicht mehr, was ihn aber nicht wirklich kümmerte.

Er hatte ihn im Kampf gespürt, und da hatte es gereicht, um die BOW zu vernichten. Und er hatte auch genug Gefühl in diesem Arm gehabt, um Chris zu helfen. Und alles andere spielte einfach keine Rolle.

Solange Chris lebte, solange sie nun halbwegs sicher waren, war es Piers vollkommen egal, ob er seinen Arm noch spürte, ob sein Arm überhaupt noch da war.

Und es war ihm auch egal, dass sein Körper sich immer noch anfühlte, als wäre alles darin einfach zerstört.

Vermutlich traf das auf einen Großteil seines Körper sogar zu, und wenn er an den steten Blutgeschmack in seinem Mund dachte, hatte er sicherlich irgendwelche inneren Verletzungen.

Aber wenn er aufpasste, wenn er es nicht übertrieb, würde das C-Virus diese nach und nach sicherlich heilen.

Und im Moment spielte das ja ohnehin keine Rolle.

Es gab Wichtigeres zu tun.
 

„Ja… ja, wie bei mir damals. Hab schon kapiert, dass ich dumm war. Aber ich bezweifle, dass Jill und Sherry freiwillig mit Wesker oder sonst wem mitgehen.“

„Es sei denn, sie glauben, sie könnten ihn aufhalten. Daran schon mal gedacht?“

„Hältst du die beiden für so dumm?“

Piers schüttelte nur leicht den Kopf und seufzte schwer.

„Dumm nicht, aber verzweifelt. Ich habe dich auch nicht für dumm gehalten, wirklich nicht. Nur für starrsinnig und verzweifelt genug, es mit Wesker doch noch mal versuchen.“

Über diese Ehrlichkeit war Jake mehr als verwundert. Und nicht nur darüber.

Er hatte auch nicht erwartet, dass Piers ihn wirklich nicht für dumm gehalten hatte.

„Wie geht’s dir? Bist du durch die Tür irgendwie schwer verletzt worden?“

Und auch damit hatte Jake absolut nicht gerechnet.

Er beugte sich hinab, ohne die Frage zu beantworten, hob eine Hand an und legte diese auf Piers’ Stirn.

Als der Scharfschütze leicht zusammenzuckte, schüttelte der Söldner nur den Kopf, löste die Hand wieder und verschränkte leicht die Arme.

„Kein Wunder, dass du nur noch Unsinn laberst. Du hast hohes Fieber. Ruh dich aus. Wir gehen jetzt eh nirgendwo hin. Chris ist bewusstlos, du hast verdammt viel abbekommen. Und ich… naja, mir tut nur der Rücken weh“, meinte Jake dann ehrlich und grinste leicht, ehe er ein leises Gähnen hören ließ.

„Wenn wir auf dem Weg umkippen oder gar sterben, helfen wir den Beiden damit auch nicht wirklich. Außerdem können Sherry und Jill auf sich aufpassen.“

„Mag sein, trotzdem. Ich mach mir Sorgen…“

„Du bist ja genau so schlimm wie Chris. Hast gerade zweimal mutiert gegen eine BOW gekämpft, wärst dabei fast drauf gegangen, sitzt jetzt halbtot und im Fieberwahn rum… und machst dir immer noch Sorgen um Andere?“

Piers blinzelte leicht, legte den Kopf schief und sah dann zu seinem Captain, der noch immer bewusstlos war.
 

‚Das hatten Sie also gemeint, ja? Haben Sie darum in mir den richtigen Nachfolger gesehen? Weil ich, auch wenn ich es kaum zeige… immer um Andere besorgt bin?’

Auch damals war es ja im Grunde Sorge gewesen, die Piers dazu bewegt hatte, sich so mit Chris anzulegen.

Klar war er sauer gewesen, aber eben auch besorgt.

Er hatte sich um Chris gesorgt, um die anderen Menschen, und bevor sie alle tot gewesen waren, hatte er sich auch um seine Kameraden gesorgt.

Im Grunde stimmte es. Im Grunde war er seinem Captain doch verdammt ähnlich.

Er versuchte nur immer wieder, den Starken und Coolen zu markieren. So fühlte er sich irgendwie einfach besser.

Und so hatte er gar nicht gemerkt, wie wichtig ihm all diese Menschen eigentlich gewesen waren.

Wie wichtig ihm Chris war.

Nicht, dass er ihn liebte, nein. Aber der Mann war wie ein Vater für ihn.

Er gehörte auf jeden Fall zu den wichtigsten Menschen in Piers’ Leben.

Und er würde immer wieder alles daran setzen, um diese Menschen zu beschützen.

Mit diesem Gedanken und einem leichten Lächeln auf den Lippen, gab sich Piers nun doch noch einmal der verlockenden Ohnmacht hin.

Jake hatte ja recht. Im Moment konnten sie ohnehin nichts ausrichten.

Da war es besser, wenn sie sich einfach noch eine Weile lang ausruhten.

Ein Söldner auf Abwegen

Als Piers nach guten drei Stunden erwachte, war Jake verschwunden.

Chris lag mittlerweile auf der Couch und schlief oder war noch immer bewusstlos, die Decke von vorher lag wieder auf seinem Körper und hielt ihn warm.

Der Scharfschütze seufzte leise, erhob sich langsam und keuchte leicht, als sein gesamter Körper wieder zu schmerzen begann.

Er kniff etwas die Augen zusammen, wartete, bis sich zumindest das leichte Schwindelgefühl gelegt hatte und atmete dann etwas auf.

Piers musste wohl doch noch etwas vorsichtig sein. Das Virus schien seit seiner letzten Mutation nicht mehr so wirklich mit der Heilung hinterher zu kommen.

Aber das war ja eigentlich kein Wunder, er hatte seinem Körper ja eine Menge abverlangt. Er konnte froh sein, überhaupt noch zu leben.

Der junge Soldat löste sich langsam von der Wand, wartete noch einmal kurz und sah sich dann um.

Er ging in die Küche, ins Bad und ins Schlafzimmer, öffnete dann sogar die Tür, die zu einer kleinen Terrasse führte, und sah sich auch dort um, aber tatsächlich war Jake einfach weg.

Also ging Piers seufzend ins Wohnzimmer zurück, wo er erst einmal nach seinem Captain sah.

Dabei fiel sein Blick auf einen Zettel, der gefaltet auf dem Wohnzimmertisch neben der Wasserflasche lag.

Stirnrunzelnd nahm Piers ihn zur Hand, klappte ihn auf und las den kurzen Satz, der dort stand: Ich mach’s wieder gut.’

„Oh, du verdammter Mistkerl, das kann nicht dein Ernst sein“, fluchte Piers leise, während er den Zettel wütend zerknüllte.
 

Ihm war ja klar, dass Jake sich schuldig fühlte, und dazu hatte der ja auch allen Grund.

Aber er konnte doch jetzt nicht einfach mir nichts, dir nichts verschwinden.

Hätte irgendjemand angegriffen, wären Piers und Chris nun tot gewesen, und wenn Jake auf dem Weg in irgendeinen Kampf gegen eine dieser BOWs geriet, war es mit ihm auch vorbei.

Wie konnte man nur so… ja, nun fiel Piers wirklich kein besseres Wort mehr ein. Wie konnte man nur so dumm sein?

Er fluchte noch einmal, schüttelte den Kopf und warf den Zettel achtlos in die Ecke.

Nicht nur, dass er selber noch etwas Ruhe gebraucht hätte, nein, nun musste er auch noch seinen Captain aus seinem erholsamen Schlaf wecken. Falls ihm das überhaupt gelang.

Aber Piers war tatsächlich viel zu gutmütig, um Jake einfach in sein Verderben rennen zu lassen.

Ein seltsamer Sinneswandel, wenn er bedachte, dass er den Söldner vor wenigen Minuten noch hatte umbringen wollen.

Aber gut, er hatte bei Chris’ Rettung geholfen, und dafür war Piers ihm dankbar.

Es machte nicht gut, was Jake zuvor getan hatte, aber es milderte Piers’ Hass ihm gegenüber doch ein wenig.

Jake hatte immerhin gezeigt, dass ihm nicht wirklich etwas daran lag, Chris tot zu sehen.

Das war besser als nichts, auch wenn es im Grunde nicht das Geringste änderte.

Dennoch war Piers bereit, zumindest zu versuchen, Jake zu finden und ihm zu helfen.

Falls er Hilfe brauchte, und wenn, falls sie dann nicht zu spät kamen.

Der junge Soldat wollte ja seinen Captain nicht in unnötige Gefahr bringen.

Nicht, nachdem er ihn gerade erst gerettet hatte.
 


 

„Captain…? Captain, hören Sie mich? Wachen Sie auf…“, versuchte er es nun also und rüttelte sanft an Chris’ Schulter.

Anschließend legte er eine Hand an die Stirn des Älteren, als der sich nicht rührte, und stellte erleichtert fest, dass dessen Fieber ein wenig gesunken war. Ganz im Gegensatz zu seinem eigenen, aber das war vollkommen egal. Er selber fühlte sich halbwegs fit und kam mit dem Fieber klar.

„Bitte, wachen Sie auf!“, murmelte Piers nun etwas lauter und rüttelte auch ein wenig fester an seinem Captain.

Nur langsam zeigte es Wirkung, und als Chris die Augen dann endlich öffnete, lag noch kein wirkliches Erkennen in ihnen.

’Ich verfluche dich dafür, dass ich das hier tun muss, Jake Muller’, knurrte Piers in Gedanken leise, während er mit einer Hand nach der Wasserflasche griff und mit der anderen Chris ein wenig hoch stützte, damit er etwas trinken konnte.

Bei ihm selber hatte das kühle Nass ja Wunder gewirkt und ihn recht schnell wieder richtig zur Besinnung gebracht.

„Hier, trinken Sie was. Das hilft“, meinte Piers dann leise und kippte die Flasche vorsichtig ein wenig an.

Anfangs lief das Wasser einfach noch an Chris’ Mundwinkeln hinab, dann aber schien der Ältere zu begreifen, was los war, und er trank langsam ein paar Schlucke.

Und auch bei ihm half das Wasser ein wenig, und sein Blick wurde ein wenig klarer.

Endlich lag auch Erkennen darin, als er zu Piers aufsah.

Erkennen und eine große Portion Verwirrung.
 

Was war passiert? Warum war er am Leben?

Chris erinnerte sich ganz deutlich daran, wie er, trotz der schweren Schussverletzung, einfach aufgestanden und an Jill und Jake vorbei gehastet war, als diese verdammte BOW Piers angegriffen hatte.

Er hatte das Vieh von dem Soldaten runter gerissen und getötet, war dabei aber selber noch einmal schwer verletzt worden.

Aber er hatte kaum noch Schmerzen gespürt, es war einfach nur so unglaublich kalt geworden, und der B.S.A.A.-Captain war mit einem Mal so müde gewesen.

Er hatte noch mitbekommen, wie Piers neben ihm zusammengesackt war, dann war es einfach nur noch dunkel gewesen.

Und er hatte seinen eigenen, immer langsamer und schwächer werdenden Herzschlag spüren können, bis da plötzlich einfach gar nichts mehr gewesen war.

Chris konnte nicht am Leben sein, das war völlig unmöglich.

Nicht mit den Verletzungen, dem Blutverlust, dem Fieber. Das ging einfach nicht.

Und dennoch war es so. Dennoch lebte er, atmete er, war er sogar bei Bewusstsein.

Und über ihn gebeugt stand Piers, mit einer Flasche Wasser in der Hand und einem mehr als besorgten Ausdruck auf dem Gesicht.
 

„Was ist…“, begann Chris, doch Piers schüttelte nur den Kopf und hielt ihm noch einmal die Flasche an die Lippen.

Bei dem Fieber und dem Blutverlust war Flüssigkeit nun sehr wichtig.

Denn zwar hatte das C-Virus die tödlichen Wunden heilen und dem Körper etwas Kraft geben können, doch Blut konnte es leider nicht erschaffen, weshalb der Soldat auch noch immer ziemlich blass und schlapp war.

„Was ist passiert?“, versuchte er es noch einmal, als Piers die Flasche wieder runter genommen und weg gestellt hatte.

War das alles vielleicht nur ein Traum gewesen? Hatte das Fieber ihn irgendwann einfach ausgeschaltet? Möglich war das ja durchaus.

„Ich habe Sie infiziert…“

Das war die einzige Antwort, mit der Chris nun wirklich nicht gerechnet hatte.

Fassungslos sah er Piers an und schüttelte leicht den Kopf.

„Ich bin…“

„Nicht mehr, keine Sorge. Sie haben das Virus nicht vertragen, und Jake… Jake hat Ihnen etwas von seinem Blut gegeben. Die Antikörper haben geholfen und das Virus beseitigt. Zum Glück hat es Ihnen zuvor schon das Leben gerettet.“, erklärte der Scharfschütze nun etwas kleinlautund musterte seinen Captain nachdenklich.

Das waren sicherlich viele Informationen auf einmal, Informationen, die auch alles andere als sinnvoll klangen, zumindest im ersten Moment, aber er konnte seinen Captain ja auch schlecht belügen. Und einfach nicht zu antworten, war auch keine Option.
 

Diese ganzen mehr oder weniger sinnvollen Informationen musste Chris nun auch wirklich erst einmal verarbeiten.

Das musste ein schlechter Scherz sein, was Piers da sagte, konnte einfach nicht stimmen.

Es klang viel zu verrückt, viel zu…

Aber im Grunde war es die einzig logische Erklärung, und das wusste der Soldat durchaus.

Das Virus hatte Piers mehrmals gerettet.

Und Chris traute dem Scharfschützen durchaus zu, auf solch eine ‚dumme’ Idee zu kommen, um ihn zu retten. Er war viel zu treu, um seinen Captain einfach so sterben zu lassen. Das war ihm eigentlich ohnehin klar gewesen.

Nicht, dass er sich darauf verlassen hätte. Nein, Chris war bereit gewesen, sein Leben zu geben, um Piers zu retten.

Es wäre doch ohnehin nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Schussverletzung und das Fieber ihn dahin gerafft hätten. Er wäre eh gestorben. Und so hatte er zumindest noch etwas Sinnvolles tun können, sich bei Piers revanchieren...
 

„Captain, es tut mir leid, aber ich… ich konnte nicht…“

„Schon gut, danke.“

Chris hob leicht eine Hand an und bedeutete dem jungen Soldaten, zu schweigen.

Er war ihm doch nicht böse, nicht im Geringsten.

Auch, wenn er bei dem Gedanken, infiziert worden zu sein, schauderte, so war er doch dankbar, am Leben zu sein.

Und immerhin war das Virus ja nun nicht mehr da.

Und noch dazu schien er jetzt auch noch immun dagegen zu sein. Verkehrt war das sicherlich nicht.

Und Piers war der Letzte, dem er in irgendeiner Art und Weise Vorwürfe hätte machen dürfen.

Nein, dieses Recht hatte Chris nun wirklich nicht.

Piers hatte ihn gerettet, wieder einmal. Er hatte wieder einmal alles getan, um seinem Captain das leben zu retten, das war einfach unglaublich.

Der Scharfschütze war ihm wirklich ähnlich, da hatte Chris sich nicht geirrt. Nein, er war sogar noch weitaus besser als er selber.

Er sorgte sich ebenso um andere Menschen wie er selber, vor allem um die Menschen, die ihm nahe standen. Und er stellte ihre Leben ohne zu zögern über sein eigenes. Und gerade bei Chris bewies er das imer wieder.
 

„Wo ist Jake jetzt?“

Piers wandte den Blick ab, seufzte leise und schüttelte leicht den Kopf.

Sie konnten nun nicht weg, um ihn zu suchen, dazu war Chris einfach noch zu schwach.

„Das ist eigentlich der Grund, aus dem ich Sie so… unsanft wecken musste", murmelte er dnan dennoch und seufzte leise. "Er ist weg. Keine Ahnung, wo er hin ist. Erst sind Jill und Sherry verschwunden, und dann, als ich nach einer kurzen Ohnmacht wieder zu mir kam… war auch Jake weg.“

„Denkst du, ihm ist etwas passiert? Oder Jill und Sherry?“

Wieder schüttelte Piers den Kopf, zuckte dann aber leicht mit den Schultern und ließ sich auf die Kante der Couch sinken.

„Bei Jill und Sherry habe ich keine Ahnung, aber Jake ist von sich aus gegangen. Er hat einen Zettel da gelassen, auf dem er meinte, er würde es wieder gut machen. Dieser verdammte Idiot…“
 


 

Und dieser verdammte Idiot, über den Piers gerade sprach, hatte sich mittlerweile ein gutes Stück von dem Haus entfernt.

Er musste einfach irgendetwas tun, er konnte nicht einfach nur rum sitzen.

Auch, wenn Chris wieder am Leben war, auch, wenn Piers ihn scheinbar nicht mehr abgrundtief hasste, plagten den jungen Söldner doch noch immer Schuldgefühle.

Für Piers und seinen Captain konnte er gerade nicht viel tun, aber vielleicht konnte er ja Jill und Sherry ausfindig machen.

Er hatte auf dem Weg, den er gegangen war, ein paar Stofffetzen und frisches Blut gefunden.

Hier war also in der letzten Zeit eindeutig ein Mensch her gegangen. Und so viele waren von diesen ja allen Anschein nach nicht mehr übrig.

Es konnten nur Jill und Sherry, Wesker – was allerdings weg fiel, da die Fetzen einen dunklen Grauton hatten, und der Blonde gänzlich in Schwarz gekleidet war – Ada oder Leon und Claire gewesen sein.

Da Sherrys Jeans jedoch blau war, und ihre Jacke weiß, Jills Jacke blau, und ihre Hose ebenfalls eine Jeans, fielen auch diese beiden raus.

Zumindest stammten der Stofffetzen und das Blut nicht von ihnen.

Leon trug eine schwarze Jacke und ein graublaues Shirt, seine Hose war zwar grau, jedoch zu hell für den Stoff, den der Söldner gefunden hatte, und zudem ebenfalls eine Jeans. Der Fetzen jedoch schien eher zu einem Anzug zu gehören.

Und auch Ada oder Claire trugen nichts, was diesem Farbton entsprach. Zumindest nichts Sichtbares.

Und Jake ging nicht davon aus, dass hier Fetzen von Unterwäsche auf der Straße lagen. Zumal er sich nicht vorstellen konnte, dass einer von ihnen Unterwäsche aus Anzug-Stoff trug.

Und somit kam eigentlich nur noch der unbekannte Fremde in Frage, von dem keiner von ihnen wusste, wie er aussah, oder was für Kleidung er trug.

Vermutlich waren Jill und Sherry ihm also tatsächlich gefolgt oder von ihm entführt worden.
 

Und so blieb Jake nichts anderes übrig, als der Spur zu folgen.

Immer wieder fand er Blutstropfen auf dem Boden, mal kleinere, mal größere.

Und auch, wenn er somit wirklich eine tolle Spur zum Folgen hatte, beruhigte ihn das nicht wirklich.

Man verlor ja nicht einfach aus heiterem Himmel Blut, dazu musste man schon verletzt sein.

Und das wiederum bedeutete, dass sich hier noch irgendetwas aufhielt.

Oder der Kerl war schon verletzt worden, bevor er überhaupt angekommen war, vielleicht schon auf dem Weg zu dem Haus hin.

Vielleicht war er aber auch nie dort gewesen, sondern Jill und Sherry hatten ihn in einiger Entfernung entdeckt.

Jake wusste es nicht, und so konnte er nur mutmaßen und weitergehen und dabei einfach vorsichtig sein.

Er hatte nun einmal einiges gut zu machen, und auch, wenn er wusste, dass es nicht gerade clever gewesen war, Chris und Piers alleine zurück zu lassen, hatte er im Grunde doch gar keine andere Wahl gehabt.

Zudem glaubte er auch nicht wirklich, dass Piers ihn gerade unbedingt um sich haben wollte.

Andererseits bereute Jake es schon ein wenig, die Beiden mehr oder weniger hilflos zurückgelassen zu haben.

Aber hätte er gewartet, bis Piers aufgewacht wäre, hätte er ihn trotz allem aufgehalten, das wusste der Söldner ganz genau.

Und so hatte er wirklich keine Wahl gehabt, als einfach zu gehen.
 

Er würde aufpassen, er würde nichts Dummes anstellen.

Jake wollte einfach nur Jill und Sherry finden und ihnen helfen, wenn sie Hilfe brauchten, das war alles.

Bisher hatte er ja nicht viel mehr getan als Ärger zu bereiten, und das musste einfach aufhören.

Zwar wusste Jake nicht, was auf ihn zukommen würde, wie dieser fremde Typ war, was er konnte, aber das würde er dann ja schon sehr bald erfahren.

Es gab nun ohnehin kein Zurück mehr.

Wenn er jetzt mit leeren Händen zurückkam, weil er den Schwanz eingezogen hatte, machte er es auch nicht besser.

Ganz oder gar nicht, so war es nun einmal.

Und da Jake seine Verfolgungsjagd bereits begonnen hatte, musste er sie auch zu Ende bringen.

Er war ja nicht schwach, ganz im Gegenteil.

Und bis auf einen schmerzenden Rücken und noch leichte Schmerzen in der Magengegend war er auch unverletzt und fit.

Er durfte sich eben einfach nicht unterschätzen und musste aufpassen, solange er seinen Gegner nicht kannte und einschätzen konnte.

Das Wichtigste war im Moment einfach, die beiden Frauen zu retten, falls sie gerettet werden mussten. Aber auf jeden Fall musste er sie unterstützen.
 

Nicht, dass Jake glaubte, Frauen könnten sich nicht selber verteidigen, nein. Er hatte ja gesehen, dass Sherry durchaus was drauf hatte. Und bei einer ehemaligen S.T.A.R.S.- und jetzigen B.S.A.A.-Soldatin wie Jill es war, ging er ohnehin davon aus, dass sie sich zu verteidigen wusste.

Aber der Söldner wusste eben auch, dass es Gegner gab, mit denen man nicht so leicht klar kam.

Wenn er da an Ustanak dachte… oder vor allem auch an seinen Vater…

Selbst diese mehr oder weniger kleinen Viecher, die sie im Haus überrascht hatten, waren sehr stark gewesen, und nur durch Piers’ Virus hatten sie sie so schnell vernichten können.

Und diesen fremden Typen kannten sie überhaupt nicht. Sie wussten nur, was er schon angerichtet hatte, und das war eine Menge gewesen.

Das Hauptquartier der B.S.A.A., das S.W.A.T.-Team. Und Jake ging davon aus, dass der Typ auch etwas mit diesen BOWs zu tun hatte.

Die Zombies waren eindeutig nicht durch das C-Virus entstanden, das war sogar ihm aufgefallen. Aber diese Viecher eben schon.

Und so war Jake fast sicher, dass dieses Mal nicht sein Vater dahinter steckte. Für die Zombies machte er diesen jedoch ohne zu zögern verantwortlich. Und damit lag er ja auch ganz richtig. Mit beiden Vermutungen.
 

Natürlich waren die BOWs nicht von Wesker erschaffen worden. Erschaffen hatte sie Simmons, geweckt hatte sie dessen Klon.

Und der war es auch tatsächlich gewesen, der ihnen gefolgt war, um zu sehen, was sie machen würden.

Und die Viecher hatten ihn direkt zu dem kleinen Haus geführt, wo er sich das Schauspiel aus einiger Entfernung hatte ansehen können.

Viel erkannt hatte er nicht, aber er hatte missmutig feststellen müssen, dass man seine kleinen Lieblinge einfach niedergemacht hatte.

Aber wenigstens ein Opfer hatte es gegeben, das war besser als nichts.

Dieser Soldat war gestorben, und die beiden Frauen hatten das Haus verlassen, woraufhin der Klon natürlich gleich zugeschlagen hatte.

Es war ein Leichtes gewesen, die Zwei zu überwältigen.

Die Jüngere hatte die Ältere gerade getröstet, was vermuten ließ, dass das Opfer ihr sehr nahe gestanden hatte.

Und in ihrer Trauer hatten die Frauen gar nicht auf den Klon geachtet, der sie einfach kurzerhand von hinten niedergeschlagen hatte. Zumindest die Ältere, die Jüngere war daraufhin fast freiwillig mitgekommen, um die Andere nicht weiter in Gefahr zu bringen.

Dann hatte er sie mitgeschleift, war auf dem Weg aber tatsächlich noch einer der BOWs begegnet.

Sie hatte ihn angegriffen, allerdings nur kurz, denn sie schien durch das Virus eine Art Verbündeten in ihm gesehen zu haben.

Und so hatte sie auch davon abgesehen, seine beiden Geiseln anzugreifen und war weggelaufen.

Der Klon hatte durch den kurzenm Angriff zwar doch eine beachtliche Menge an Blut verloren, aber nach und nach war die Wunde geheilt.
 

Und so verlor nun auch Jake nach einiger Zeit einfach die Spur und blieb leise fluchend stehen.

Als er sich umsah, musste er sich auch noch eingestehen, dass er keine Ahnung hatte, wo er war.

Er befand sich wohl noch in der Stadt, jedoch schon ein ganzes Stück weit von dem Haus weg.

Er hätte dem Blut zurück folgen können, aber dann wäre der ganze Weg umsonst gewesen.

„Augen zu und durch, irgendwo wird der Kerl schon sein…“, murmelte der Söldner leise und atmete tief durch.

Er konnte und wollte nicht zurück, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als einfach zu raten und den Weg zu nehmen, von dem er vermutete, dass auch der Fremde ihn am ehesten gegangen war.

Ada, wait!

Mittlerweile hatten sich Leon und Claire wieder auf den Weg gemacht und waren ein gutes Stück weit gekommen. Von dem, was bei Chris und den Anderen vor sich ging, wussten sie natürlich nichts, sonst wären sie ohne Umschweife zu ihnen geeilt.

So aber waren sie weiterhin auf der Suche nach Ada.

Es war schwer, diese zu finden, weil sie überall sein konnte.

Und dadurch, dass sie so athletisch war und ihren Enterhaken hatte, konnten sie die Suche auch nicht auf den Boden beschränken.

Nur leider kamen Leon und Claire nicht einfach so auf die Dächer der umliegenden Häuser, sondern konnten immer nur kurze Blicke zu diesen werfen.

Allerdings brachte das nicht viel, da die meisten Dächer so weit oben lagen, dass man dort überhaupt nichts mehr erkennen konnte.

Und sie wenigen Häuser, die ‚klein’ waren, kamen als Versteck für die Spionin eigentlich ohnehin nicht in Frage.
 

Sie waren eine ganze Zeit lang weiter gelaufen und näherten sich gerade dem Ende der Stadt, als Leon stehen blieb, Claire am Arm fest hielt und in eine kleine Seitengasse deutete.

Hatten sie sie also endlich gefunden.

Der Special Agent sah noch ein Stück des schwarzen Rocks und der roten Jacke, die Ada trug, ehe sich beides in die Lüfte hob. Sie floh also tatsächlich wieder auf eines der Dächer.

„Ada!“, rief Leon deshalb laut und lief los, wobei er gar nicht darauf achtete, ob Claire ihm folgte.

Dieses Mal würde die Asiatin ihm nicht entkommen, dieses Mal würde er nicht einfach stehen bleiben.
 

Und tatsächlich hielt Ada mitten in der Luft inne und hing nun auf halber Höhe des Hauses an ihrem Enterhaken.

Sie hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass Leon ihr nachlaufen würde. Das hatte er ja noch nie getan.

Nach ihr rufen, ja, das konnte er ganz gut, aber er hatte noch nie Anstalten gemacht, sie wirklich aufhalten zu wollen.

Nun aber lagen die Dinge anders, und in Leons Tat erkannte sie den Ernst der Lage.

Es musste um etwas sehr Wichtiges gehen, wenn er tatsächlich versuchte, ihr zu folgen.

Kurz zögerte die Spionin und überlegte, ob sie wie so oft einfach verschwinden sollte, dann aber bemerkte sie Claire, die tatsächlich die Waffe auf sie richtete, die Leon ihr zuvor in der Kneipe geliehen hatte.

Zwar bezweifelte Ada, dass sie wirklich schießen würde, weil Leon das sicherlich auch nicht gefallen würde, dennoch entschied sie sich gegen die Flucht, seufzte nur leise, löste den Enterhaken und landete wieder auf den Füßen.

Sie klopfte sich kurz etwas Staub von ihrem Rock, steckte die Enterhaken-Pistole weg und trat dann auf Leon und Claire zu, ein kokettes Lächeln auf den Lippen.
 

„Sieh an, ihr habt mich also gefunden. Hat ja wirklich lange genug gedauert“, meinte sie dann nur und musterte Leon von oben bis unten.

Er wirkte ziemlich müde, und Ada entging das Blut an dem Verband nicht.

Er hatte es also wieder einmal übertrieben und sich in irgendeine Gefahr gestürzt, obwohl er noch immer verletzt gewesen war.

Es amüsierte Ada irgendwie, dennoch machte sie sich auch Sorgen um den Special Agent. Das hatte sie schon immer, auch wenn sie es niemals deutlich zeigte. Das war eben einfach nicht ihre Art.

Dennoch lag nun ein leicht besorgter Ausdruck in ihrem Blick, der weder Leon noch Claire entging, die die Waffe dennoch nicht senkte.

Erst, als Leon leicht den Kopf schüttelte, seufzte sie leise und steckte die Pistole weg. Sie hätte sie ja ohnehin nicht benutzt, ihre Abneigung zu Waffen war nicht einfach verschwunden. Aber wenigstens hatte sie Ada so davon abhalten können, einfach wieder zu verschwinden, wie sie es sonst ja so gerne tat.
 

„Du hast uns eine Menge zu erklären, Ada“, meinte Leon dann und sah die Asiatin ernst an.

Er war selber überrascht über die Härte in seiner Stimme, und fast tat es ihm wieder leid, doch das ließ er sich nun auch nicht anmerken.

Hier ging es einfach um zu viel, um zu viele Menschenleben. Da konnte er auf seine Gefühle für diese mysteriöse Frau einfach keine Rücksicht nehmen.

„Habe ich das?“, hakte diese dann nach und legte leicht den Kopf schief, ehe sie ein leises Seufzen hören ließ.

„Das ist wieder typisch Leon. Du läufst hier durch die Gegend und spielst den großen Helden, aber in Wirklichkeit weißt du nicht einmal, was hier vor sich geht. Ich muss sagen, dass mir das wirklich gefällt. Ich finde es süß“, meinte Ada dann nachdenklich, ehe sie leicht die Arme verschränkte und sich seitlich gegen die Hauswand lehnte.

Bei Leons missmutigem Blick musste sie dann tatsächlich ein wenig grinsen.

Sie seufzte dann gleich noch einmal, lockerte ihre Haltung und neigte den Kopf zur anderen Seite.

„Na schön, was willst du wissen?“, gab die Asiatin sich dann tatsächlich geschlagen.

Sie wollte mal nicht so sein und Leon dieses Mal vielleicht ein wenig offensichtlicher helfen.
 

Der Special Agent verengte ganz leicht die Augen, aber so wirklich wütend konnte er Ada trotz allem nicht ansehen. Und irgendwie ärgerte ihn das sogar ein wenig.

Er war dieser Frau hilflos ausgeliefert. Schon damals in Raccoon City war es so gewesen. Und auch in Spanien, China...

Immer wieder hatte sie ihn ausgetrickst und war einfach verschwunden. Sie hatte für den Feind gearbeitet, für Wesker…

Und dennoch hatte sie ihm auch immer wieder geholfen, ihm das Leben gerettet. Nicht zuletzt gegen Krauser, und auch im Kampf gegen Simmons.

Auch, wenn er eigentlich gar nichts über Ada wusste, so war ihm doch klar, dass sie niemals irgendetwas tun würde, was ihm ernsthaft schaden konnte. Das hatte sie schon mehr als einmal bewiesen.

„Was geht hier vor sich, Ada? Was hat es mit dem Virus auf sich? Mit Wesker… mit dem zerstörten HQ und dem S.W.A.T.-Team?“, fragte er nun und sah Ada nachdenklich an, suchte in ihrem Gesicht nach irgendeiner Regung, nach irgendetwas, das ihm verraten würde, ob sie, falls sie antwortete, mit der Wahrheit rausrückte oder nicht.
 

„Ich weiß nicht, warum Wesker lebt. Aber er hat in dieser Stadt Reste des T-Virus benutzt, um seine Rückkehr offiziell zu machen“, antwortete Ada nach kurzem Zögern ruhig und zuckte leicht mit den Schultern, während sie Leons Blick ohne das geringste Wimpernzucken erwiderte.

Sie log nicht, sie verschwieg ihm auch nichts.

Vermutlich zum allerersten Mal in ihrem Leben war Ada wirklich ehrlich.

„Was es allerdings mit diesen BOWs auf sich hat, die hier herum laufen…“

„BOWs?“, hakte Leon nach und unterbrach Ada somit in ihrer Erklärung.

Claire und er wussten ja noch nichts von den Viechern, die der Simmons-Klon erweckt und frei gelassen hatte, und die beinahe Chris’ Leben ausradiert hätten.

Ganz leicht weiteten sich Adas Augen bei der Frage, ehe ein kaum wahrnehmbares Grinsen über ihre Lippen huschte.

„Wieder einmal hast du keine Ahnung, Leon S. Kennedy. Das sieht dir ähnlich. Ja, BOWs. Sie streifen seit einigen Stunden durch die Stadt“, fuhr Ada fort und verschränkte nun doch wieder leicht die Arme.

„Aber ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung habe, wo sie her kommen, wer sie geschickt hat. Das ist die Wahrheit“, fügte sie in etwas schärferem Ton fort, als Claire schon wieder nach ihrer Waffe greifen wollte.

Was war nur los mit dieser Frau? So aggressiv hatte Ada sie damals in Raccoon City nicht erlebt.

Aber gut, vermutlich lagen ihre Nerven einfach blank, und das war ihr nun wirklich nicht zu verübeln.

Im Grunde ging es der Asiatin da kaum anders, sie zeigte es nur eben einfach nicht so deutlich.
 

„Wie gesagt, ich weiß nicht, wer die anderen BOWs geschickt hat. Aber ich vermute, es ist die gleiche Person, die auch das Hauptquartier der B.S.A.A. und das S.W.A.T.-Team ausradiert hat.“

Das war alles, was Ada wusste.

Gerne hätte sie Leon dieses Mal mehr berichtet, aber ausgerechnet in diesem Moment, in dem sie wirklich bereit war, zu reden, gab es einfach nichts mehr zu sagen.

Sie wusste leider nicht, wie und warum Wesker wieder lebte. Und eigentlich wollte sie das auch gar nicht wissen.

„Das Einzige, was ich euch noch sagen kann ist, wo Wesker wohnt. Oder wo er zumindest im Moment eine Art Lager hat“, fügte Ada dann nach kurzem Zögern doch noch hinzu.

Sie war dem Blonden ja gefolgt und hatte so gesehen, wo er hingegangen war, wo er sich die meiste Zeit über aufzuhalten schien, wenn er sich wie ein verletztes Raubtier seine Wunden lecken musste.
 

„Und das ist wirklich alles?“

Leon runzelte leicht die Stirn und seufzte nun selber leise.

In seinem Blick war deutlich zu erkennen, dass er Ada durchaus glaubte und einfach nur enttäuscht war, dass sie nicht mehr wusste.

So hatte die Suche nach ihr wirklich nicht viel gebracht, es war eher reine Zeitverschwendung gewesen.

„Ja, das ist wirklich alles. Was willst du denn noch hören?“, murmelte die Schwarzhaarige und klang dabei fast schon ein wenig verzweifelt.

Leon war heute aber auch wirklich penetrant. So kannte sie ihn gar nicht.

Auch, wenn ihm das Toughe doch irgendwie stand.

Allerdings favorisierte sie dann doch den naiven kleinen Cop, der planlos durch die Gegend lief und versuchte, so viele Menschen wie nur möglich zu retten.

Damals war Leon einfach so unglaublich niedlich gewesen.

Und irgendwann hatte er mit diesen coolen Sprüchen angefangen…

Aber Ada wusste auch, dass der Special Agent tief in sich drin noch immer der Gleiche war wie damals.

Das sah sie ihm deutlich an.

Die coolen Sprüche, die heldenhaften Moves… das alles diente nur dazu, den Schrecken zu überspielen, den Leon schon erlebt hatte. Um all das zu verdrängen, was er hatte mit ansehen müssen.
 

Raccoon City, Spanien, Osteuropa, China…

Leon hatte schon so oft gegen BOWs und andere Infizierte kämpfen müssen, dass er vermutlich gar keine andere Wahl gehabt hatte, als sich nach einer Weile eine mehr oder weniger harte Schale zuzulegen, um das alles noch richtig zu verkraften.

Ada selber war da ja eigentlich nicht anders.

Sie war keine emotionslose Puppe, die stur Befehle ausführte, weil sie das alles nichts anging, ganz im Gegenteil.

Das war nur der Schein, den sie nach außen hin wahrte, um ihren Feinden so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten.

Und auch, um andere Menschen von sich fern zu halten. Menschen, die ihr ans Herz wachsen könnten, die sie schwach machen könnten.

Und das war ihr auch immer gelungen. Bis auf ein einziges Mal.

Es gab nur eine einzige Person, die ihre harte Schale einfach so hatte zerspringen lassen, die zu ihr vorgedrungen war. Und das war Leon. Schon an dem Tag, als sie sich in Raccoon City begegnet waren.
 

Und seitdem hatte sich daran nichts geändert.

Seit diesem Tag hoffte Ada immer wieder, Leon zu begegnen, um zu wissen, dass es ihm gut ging.

Zwar war sie die meiste Zeit im Hintergrund geblieben und hatte ihm aus den Schatten heraus geholfen, aber das hatte oftmals lediglich zu seinem eigenen Schutz gedient.

Vor allem Wesker hatte nicht unbedingt von ihren Gefühlen dem Special Agent gegenüber erfahren müssen.

Das hätte für Letzteren dann sicherlich tödlich geendet.

Und das war etwas, das Ada auf keinen Fall wollte.

Sie wollte nicht, dass Leon irgendetwas zustieß.

Es fiel ihr schwer, sich das einzugestehen, aber sie hatte sich tatsächlich in diesen Mann verliebt. Sie war schwach geworden.

Und sie hatte Angst, am Ende für diese Gefühle einen hohen Preis zahlen zu müssen.
 

„Ada…?“

Die Spionin zuckte unmerklich zusammen und hob leicht den Blick, als Leon sie aus ihren unschönen Gedanken riss.

Gut, ein kleiner Teil von ihnen war durchaus schön gewesen, aber Zeit hatte sie dafür nun wirklich nicht.

„Entschuldige, ich war in Gedanken“, meinte sie dann nur ruhig und setzte wieder ihr undeutbares Lächeln auf, bei dem Leon jedes Mal fast dahin schmolz.

Es war diese unnahbare, mysteriöse Art, die ihn an Ada faszinierte.

Er wusste nichts über sie, er kannte sie schon so lange, und doch kannte er sie eigentlich gar nicht.

Und dennoch waren seine Gefühle für sie so unglaublich stark.

Vermutlich war es das, was man Liebe auf den ersten Blick nannte.

Früher hatte Leon an so etwas nicht geglaubt, doch seit er Ada das erste Mal getroffen hatte, hatte sich das geändert.
 

„Nun bist du aber in Gedanken, Leon“, hörte er sie nun leise kichernd sagen und zuckte selber leicht zusammen.

„Entschuldige, ich bin nur müde. Es war ein harter Tag“, verteidigte er sich mit einem schiefen Lächeln, bei dem Claire nun nur leicht die Augen verdrehte.

Sie war ja sehr geduldig und eigentlich auch sehr emotional, aber das hier ging selbst ihr doch langsam wirklich auf die Nerven.

Hier ging es darum, Menschen zu retten, nicht darum, sich gegenseitig verliebt anzugaffen.

„Wenn du auch nichts mehr weißt, dann sollten wir Chris und den Anderen Bescheid geben und zu ihnen stoßen“, murmelte Claire und wandte sich am Ende dieser Worte zu Leon, der den Blick nur etwas widerwillig von Ada abzuwenden schien.

„Ja, du hast recht. Vielleicht brauchen sie unsere Hilfe. Hier können wir nichts mehr ausrichten“, stimmte er dann zu, und klang dabei doch ein wenig geknickt.

Da hatte er Ada endlich einmal dazu gebracht, auf ihn zu warten und ihm wirklich zu erzählen, was sie wusste, und dann war ausgerechnet er es, der gehen musste.
 

Ada schien das zu merken, denn sie schmunzelte leicht, streckte sich etwas und zog langsam wieder die Enterhaken-Pistole hervor.

„Ich denke, wir sollten mit den alten Traditionen nicht brechen, was meinst du?“, fragte sie nachdenklich und neigte wieder leicht den Kopf zur Seite, ehe sie Leon ein letztes Mal eingehend musterte.

Dann trat sie an ihn heran, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, ließ eine Hand etwas nach unten wandern und zwinkerte ihm zu, als sie wieder etwas zurück ging.

„Wie sehen uns, Leon“, meinte sie dann mit einem leichten Lächeln, ehe sie rückwärts gehend eine Hand zum knappen Winken hob und dabei das Schminkdöschen zeigte, das sie damals im Helikopter hatte liegen lassen, als sie Leon und Helena die Informationen über Simmons und seine Taten überlassen hatte.

Leon hatte es immer bei sich getragen, und nun hatte Ada es einfach wieder aus seiner Tasche stibitzt und an sich genommen. Das sah ihr ähnlich.

„Ada, warte!“, rief er der Asiatin dann noch nach, wie er es sooft tat, nachdem er sich nach seiner leichten Verwirrung über den Kuss und die Worte wieder gefangen hatte, doch da hatte sich die Asiatin mit ihrem Enterhaken bereits auf das nächste Gebäude gezogen und war verschwunden.

Jeder Krieg fordert Opfer

Jake hatte bereits ein gutes Stück Weg zurückgelegt, als sich die Blutspur, der er bisher gefolgt war, einfach verlor.

Der junge Söldner sah sich um und prüfte, ob sie vielleicht nur in eine kleine Seitengasse führte, wurde dabei jedoch enttäuscht. Sie war schlicht und ergreifend verschwunden.

Er hatte nun nichts mehr, das ihm irgendwie weiter half.

Trotzdem konnte er nicht einfach umkehren, schon gar nicht jetzt. Jill und Sherry waren hier irgendwo, da war Jake sich mehr als sicher. Und sie waren auch nicht alleine.

Der Kleidungsfetzen und das Blut schienen beide nicht von einer der Frauen zu stammen, da die Spur hier einfach aufhörte.

Also ging Jake davon aus, dass Derjenige, der verletzt war, zu den Infizierten gehörte, und dass seine Wunde im Laufe der Zeit einfach verheilt war.

Denn wenn Jill oder Sherry verletzt gewesen wären, hätten diese sich schon eher um die Verletzung gekümmert und sie verbunden.

Und der Söldner bezweifelte auch, dass sie damit absichtlich gewartet hatten, um ihm oder einem der Anderen eine Spur zu legen.

Und so stand nun mehr oder weniger fest, dass irgendjemand die beiden Frauen entführt hatte, oder dass sie vor irgendjemandem davon liefen.

Einfach so waren die Zwei sicherlich nicht verschwunden. Sie hätten Piers und ihn nicht mit dem vermeintlich toten Chris alleine gelassen.

Also musste Jake einfach weiter laufen, in der Hoffnung, dem richtigen Weg zu folgen. Eine andere Möglichkeit blieb ihm einfach nicht.
 

Außerdem wollte Jake im Moment auch nichts lieber, als Jill berichten zu können, dass Chris am Leben war. Sie hatte ja nicht mitbekommen, dass es Piers gelungen war, seinen Captain zu retten. Dass er selber mitgeholfen hatte, spielte keine Rolle, und Jake würde das auch nicht erwähnen. Viel hatte er ohnehin nicht getan, und zudem war er es gewesen, der in allererster Linie für Chris’ Zustand verantwortlich gewesen war.

‚Seid am Leben, bitte, bitte seid am Leben’, dachte er nun fieberhaft, während er der Hauptstraße weiter folgte.

Es war erschreckend ruhig, dennoch war der Söldner mehr als wachsam. Man durfte eine solche Ruhe nie unterschätzen, das wusste er ganz genau.

Überall konnten BOWs lauern, und auch der unbekannte Fremde konnte sich irgendwo versteckt halten.

Jake musste die ganze Zeit über wachsam bleiben, sich immer wieder umsehen und gleichzeitig versuchen, sich nicht am Ende wirklich noch zu verlaufen. Denn damit war dann niemandem geholfen.
 

Als ein leises Knacken zu hören war, hielt der junge Mann inne, runzelte die Stirn und drehte sich leicht herum, um die umliegenden Häuser mit seinen Blicken abzutasten.

Aber da war nichts, keine Regung, kein weiteres Geräusch.

Jake runzelte leicht die Stirn, zog die Waffe und bog in eine kleine Seitenstraße ein.

Er meinte, das Geräusch aus dieser Richtung vernommen zu haben. Irgendetwas musste hier sein. Zumindest musste er nachsehen, um ganz sicher gehen zu können.

Also lugte Jake vorsichtig um die Ecke, runzelte erneut die Stirn und fluchte dann stumm, als er erst nichts entdecken konnte. Er hatte so gehofft, etwas gefunden zu haben.

Als er sich gerade wieder abwenden wollte, bemerkte er aus den Augenwinkeln jedoch eine leichte Regung, drehte sich noch einmal herum und sah in dem Moment den Zipfel einer weißen Jacke um die Ecke verschwinden.

Diese Jacke musste Sherry gehören, da war Jake ganz sicher.

Zumindest hoffte er sehr, dass es so war. Das hätte bedeutet, dass sie zumindest noch am Leben war, dass er sie gefunden hatte. Und dann war sicherlich auch Jill bei ihr.

Und natürlich auch der Fremde, wie Jake schnell bemerkte, als er um die Ecke gehastet war, um die weiße Jacke einzuholen.

Es handelte sich tatsächlich um Sherry, und auch Jill war bei ihr, ebenso aber auch ein Mann, denn Jake nur zu gut kannte.

Aber das war nicht möglich.

Er hatte gehört, dass Leon und Helena es geschafft hatten, Simmons zu töten. Er konnte nicht hier sein.

Und irgendwie hatte Jake das Gefühl, dass er auch gar nicht hier war.

Dieser Mann sah aus wie Simmons, ja. Aber er wirkte irgendwie ganz anders. Das war nicht der Simmons, den er kennen gelernt hatte, wenn man das so überhaupt nennen konnte.
 

„Simmons, richtig?“, murrte Jake dennoch, als er nun stehen blieb und den Fremden ansah. Er war zwar sicher, dass er es nicht war, aber der Name passte eben zu dem Gesicht, und ein anderer fiel dem Söldner auch nicht sein.

Der Klon grinste bei der Erwähnung des Namens auch nur leicht, zuckte mit den Schultern und packte Sherry etwas fester, damit diese nicht einfach weg lief.

Jill saß neben ihm auf dem Boden an die Wand gelehnt und schien bewusstlos zu sein.

Jake hoffte sehr, dass sie wirklich nur bewusstlos war, und nicht gar tot.

Aber sie schien sich ein wenig zu regen, sie atmete auf jeden Fall. Und das beruhigte ihn doch ein wenig.

Aber gerettet waren die Beiden noch nicht, und Jake verstand auch nicht, was Simmons, oder wer auch immer dieser Mann wirklich war, von den zwei Frauen wollte.
 

Der Klon schwieg auch weiterhin nur und legte leicht den Kopf schief, während er Jake nachdenklich betrachtete.

An diesen Mann befand sich in seinem Kopf keine Erinnerung, ihn hatte Simmons nicht gekannt, als er ihn erschaffen hatte.

Aber das machte nichts.

Der junge Mann schien mit den beiden Frauen in Verbindung zu stehen, das hatte er deutlich daran gemerkt, wie sich die Blonde in seinem Griff angespannt hatte, als Jake aufgetaucht war.

Die Zwei kannten sich auf jeden Fall. Und beim Kennen schien es nicht zu bleiben. Da war mehr, da waren Gefühle im Spiel.

Ein leichtes Grinsen huschte über die Lippen des Simmons-Klons, und er seufzte leise, ehe er eine Pistole hervor zog und diese gegen Sherrys Schläfe drückte.

„Mein Name ist wohl Simmons, ja“, meinte er dann nur ruhig und legte den Kopf auf die andere Seite. „Und wer bist du, Junge? Warum hältst du mich auf?“, wollte er wissen und verstärkte dabei den Druck der Waffe gegen Sherrys Kopf, woraufhin die junge Frau nur leicht schluckte und die Augen schloss.

Sie wollte nicht sterben, und sie hatte auch Angst um Jill und Jake.

Sie selber konnte sich denken, dass es sich bei dem Mann hinter ihr um einen Klon handelte, und auch Jake wurde das langsam klar.

Von dem Ada-Klon hatten sie im Nachhinein beide erfahren, und da sie wussten, dass der echte Simmons tot war, war ein Klon die logischste Erklärung. Und zuzutrauen war es ihm ja durchaus gewesen.
 

Aber was brachte dieses Wissen schon? Klon oder nicht, der Mann hatte Sherry in seiner Gewalt und bedrohte sie mit einer Waffe, da spielte es nun wirklich keine Rolle, wer der Typ war oder was er wollte.

Jake musste einfach einen Weg finden, die Blonde zu retten.

Und er durfte auch nicht davon ausgehen, dass Jill außer Gefahr war.

Der Klon konnte seine Waffe auch ganz schnell auf diese richten und abdrücken. Jake musste da verdammt gut aufpassen.

„Was wollen Sie?“, fragte der junge Söldner also, ohne dem Klon selber eine Antwort auf dessen Frage zu geben. Es war ja wohl offensichtlich, warum er ihn aufhielt. Und sein Name ging den Kerl nichts an. Jake knurrte dann aber auch nur leise, ohne selber eine Antwort abzuwarten, ehe er die eigene Waffe wieder anhob.

Er musste den Typen ablenken, um selber ein wenig Zeit zum Nachdenken zu haben. Um sich etwas überlegen zu können. Denn im Moment sah es ziemlich schlecht aus.

Ein falscher Schritt, ein falsches Wort, und Sherry hatte eine Kugel im Kopf.

Da wäre dann nichts mehr zu machen gewesen, das hätte sie nicht überlebt.

Und das war etwas, was Jake auf gar keinen Fall zulassen konnte.
 

Der Klon seufzte nur noch einmal leise, schüttelte fast etwas mitleidig den Kopf, wobei er dem Söldner nun ebenfalls eine Antwort schuldig blieb, und entsicherte die Waffe, ehe er langsam einen Finger um den Abzug legte, und sich ein breites Grinsen auf sein Gesicht schlich.

Er wollte auch gerade einfach abdrücken, als dann aber mit einem Mal alles ganz schnell ging.

Jake schrie erschrocken Sherrys Namen, die junge Frau hob ein Bein an und trat dem Klon mit einer solchen Wucht auf den Fuß, dass dieser aufkeuchte und für einen Moment den Griff um die Blonde lockerte.

Diese nutzte ihre Chance, befreite sich aus dem Griff und wollte nach der Waffe greifen, doch der geklonte Simmons reagierte nun wieder erschreckend schnell.

Er wich etwas zurück, stolperte dabei aber über ein anderes Bein und strauchelte gleich noch einmal.

Jill war anscheinend wieder zu sich gekommen und hatte instinktiv ein Bein ausgestreckt, als sie gesehen hatte, dass der Typ nach hinten ausgewichen war.

Der Klon fand das jedoch alles andere als witzig, knurrte wütend und richtete die Waffe im Stolpern nach vorne, ehe er einfach abdrückte, bevor er dann endgültig das Gleichgewicht verlor und auf den Boden fiel. Jake hatte im gleichen Moment abgedrückt und getroffen, doch sein Schuss hatte den Simmons-Klon nur noch am Arm gestreift, da dieser schon zu fallen begonnen hatte.
 

Die beiden Schüsse hallten durch die ansonsten menschenleere Straße, und Sherry und Jill hielten erschrocken den Atem an.

Doch keine der beiden Frauen brach zusammen, keine von ihnen spürte einen Schmerz oder Blut. Anscheinend war der Schuss des Klons ins Leere gegangen.

Sie wollten auch gerade beide erleichtert aufatmen, als sie ein Keuchen vernahmen und gleichzeitig den Kopf in Jakes Richtung drehten.

Sherry schrie erschrocken auf und hastete sofort los, um den jungen Söldner aufzufangen, als dieser einfach zusammensackte.

Blut quoll zwischen seinen Händen hindurch, die er fest auf die Brust gepresst hatte, und er hustete etwas, als sich auch Blut in seinem Hals anstaute.

Simmons’ Schuss, so spontan er auch gewesen war, hatte gesessen und Jakes Herz nur ganz knapp verfehlt.

Diese Verletzung würde er kaum überleben können. Und hier gab es keinen Piers, der ihn mal eben infizieren konnte. Zumal das bei ihm ohnehin nichts gebracht hätte.

Und ausruhen konnte Jake sich auch nicht, denn dieser falsche Simmons war noch immer am Leben und rappelte sich nun auch langsam wieder auf.

„Geht schon…“, nuschelte der Söldner deshalb leise, ehe er leicht zitternd eine Hand anhob und über Sherrys Wange strich.

Dann murmelte er eine tonlose Entschuldigung, weil er durch sein Tun Blut auf der Wange der Blonden verteilt hatte, doch diese schüttelte nur den Kopf, legte einen Finger an seine Lippen und verkniff sich einen leisen Schluchzer, ehe sie den Schal abnahm, den sie damals in China mitgenommen hatte, und Jake bedeutete, ihn fest auf die Wunde zu drücken.

Sie konnte nur hoffen, dass der junge Mann noch etwas bei Bewusstsein blieb, denn wenn er dieses verlor und den Druck auf die Wunde löste, war er in Sekundenschnelle verblutet.
 

Jake schien sich aber doch noch gut zusammen zu reißen, und er nickte leicht, ehe er Sherrys Aufforderung nachkam und den Stoff auf die Verletzung drückte, während er sich mit dem Rücken gegen eine Hauswand lehnte.

Er konnte im Moment nichts tun, und das ärgerte ihn.

Wie hatte er nur so unvorsichtig sein können? Warum hatte er nicht einfach schon viel eher abgedrückt?

Aber die Antwort auf diese Frage war ganz klar. Er hatte Angst gehabt, dabei Sherry oder Jill erwischen zu können. Das Risiko war einfach viel zu groß gewesen.

Doch nun standen die beiden Frauen dem Klon wieder alleine gegenüber, und Jill schien ein wenig wackelig auf den Beinen zu sein, als sie sich nun erhob.

Eine Verletzung konnte Jake auf die Schnelle nicht erkennen, aber das musste nichts heißen.

So oder so ging es der jungen Frau nicht gut, und ihm ebenso wenig.

Nur Sherry war wirklich fit, doch alleine hatte sie wohl kaum eine Chance gegen den falschen Simmons, auch wenn sie nun todesmutig die Waffe auf diesen richtete.

Das würde ihr Ende sein, das wusste Jake. Und wirklich klar wurde es ihm, als Jill mit einem leisen Stöhnen zusammensank und sich dabei etwas zitternd an den Kopf griff.

Sie würde der Jüngeren nicht helfen können. Es war aus.
 


 

‚Nein… nein, das lasse ich nicht zu!’, knurrte Jake in Gedanken, ehe er sich mühsam und schwer atmend wieder aufrichtete.

Die eine Hand hatte er nach wie vor gegen die Brust gepresst, mit der anderen hatte er seine eigene Waffe wieder aufgehoben und richtete diese nun ebenfalls auf den Klon.

Jake zitterte merklich, dennoch hielt seine Hand die Waffe erschreckend ruhig.

Der junge Söldner nahm all seine schwindenden Kräfte zusammen und konzentrierte sich nur darauf, Sherry zu retten und diesen Typen zu töten.

Und der schien tatsächlich ein wenig überrascht darüber zu sein, dass Jake nicht nur noch immer am Leben war, sondern zudem auch in der Lage, sich aufzurichten.

Aber lange würde der Junge sich nicht mehr auf den Beinen halten können, das war ihm mehr als deutlich anzusehen.

„Gibst du immer noch nicht auf? Du bist hartnäckig!“, meinte der Klon dann auch nur leise lachend, ehe er nachdenklich von der einen Pistole zur anderen blickte.

Gut sah es für ihn trotz allem nicht aus. Er war zwar durch das Virus entstanden und somit infiziert, aber er hatte keine übermenschlichen Kräfte. Er war nichts weiter als der Klon eines normalen, wenn auch eindeutig verrückten, Menschen.
 

„Verschwinde und lass die Beiden in Ruhe. Oder kassier eine Kugel in den Kopf“, knurrte Jake, während er die Waffe entsicherte und weiterhin auf den falschen Simmons richtete. Und auch Sherry hatte ihre Pistole nicht runter genommen und blickte starr zu dem Mann, auch, wenn sie nichts lieber getan hätte, als sich umzudrehen und Jake zum Ausruhen zu zwingen.

Aber sie wusste genau, dass das ihr Todesurteil gewesen wäre. Und Jakes vermutlich ebenso.

Also schluckte sie nur schwer, atmete zitternd durch und biss sich auf die Lippen, ehe sich ihr Blick festigte und nun mehr Wut als Sorge darin lag.

Dieser Mann hatte Jake verletzt, vielleicht hatte er ihn sogar getötet. Das würde Sherry ihm niemals verzeihen.

Sie schrie verzweifelt auf, als ihr das nun so wirklich bewusst wurde, und drückte dann einfach ab, einmal, zweimal… so lange, bis ihr Magazin leer war.

Und sie traf auch, wenn auch nicht ganz so gut, wie sie gehofft hatte.

Die Kugeln bohrten sich in den Körper des Simmons-Klons, der daraufhin auch leicht schwankte, doch sterben wollte er durch diese Tat irgendwie nicht.

Und da die Blonde nun wehrlos war, und Jill im Moment rein gar nichts tun konnte, hob der Klon die eigene Waffe wieder an, um das Leben der jungen Frau zu beenden.

Nun jedoch hallte ein weiterer Schuss durch die Straßen, der auf die Hand des Klons gezielt war und dieser die Waffe entriss.
 

Der Klon fluchte leise und fuhr zu Jake herum, der zitternd da stand und trotz allem ein leichtes Grinsen im Gesicht hatte.

„Pech gehab“, meinte er leise lachend, spuckte wieder Blut und nahm dann noch einmal die letzten Kräfte zusammen, ehe er einfach los stürmte, sich auf den Klon stürzte und diesen zu Boden riss, wobei er begann, immer und immer wieder auf ihn ein zu schlagen, so lange, bis der Kerl sich nicht mehr rührte.

Dann erhob er sich, blickte auf den falschen Simmons hinab und richtete die Waffe auf dessen Kopf, ehe er abdrückte und das Leben des Klons endgültig auslöschte.

Das Adrenalin in seinem Körper, das durch die Angst und die Aufregung entstanden war, hatte Jake noch einmal etwas Kraft gegeben und es ihm ermöglicht, trotz seines Zustandes am Leben zu bleiben.

Doch nun, da der Klon tot war, ließ dieser Zustand langsam nach, und Jakes Körper verlor auch noch das allerletzte Bisschen an Kraft.
 

Der junge Söldner keuchte leicht, strauchelte etwas und kippte dann auf die Knie, nun wieder beide Hände auf die noch immer stark blutende Wunde in seiner Brust pressend.

Nie hätte er gedacht, mal so zu sterben, indem er sich für Andere einsetzte, sich für Menschen, die ihm wichtig waren, opferte.

Und in diesem Moment verstand er, warum Piers immer wieder bereit gewesen war, für Chris zu sterben. Ihm selber ging es da bei Sherry nicht anders, auch wenn das eine ganze andere Beziehung war.

Er liebte diese Frau. Und er konnte nicht zulassen, dass der verdammte Klon ihr irgendetwas antat.

Und auch Jill sollte nicht sterben. Chris wartete doch auf sie.

Jake war es ihm schuldig, dafür zu sorgen, dass sie gesund und munter zu dem B.S.A.A.-Captain zurückkehrte.

Er atmete tief durch, spuckte etwas Blut und rappelte sich dann schwankend doch wieder auf.

Mittlerweile war Jake leichenblass, und der Blutverlust ließ ihn fast wieder zusammenbrechen.

Er wäre aber vermutlich ohnehin gestorben, auch, wenn er ruhig sitzen geblieben wäre.

So hatte er seinen Tod vermutlich nur um ein paar Minuten beschleunigt, was für einen Unterschied machte das schon?

Er wollte nur wenigstens noch lange genug durchhalten, um Jill berichten zu können, dass Chris lebte, und um Sherry zu sagen, wie froh er war, dass es ihr gut ging, wie viel sie ihm bedeutete. Und dass es ihm leid tat, dass er sie nun alleine lassen würde.

Solche Worte hätte Jake vor einigen Monaten nicht einmal in Gedanken in den Mund genommen. Und nun brannte er förmlich darauf, sie los zu werden.

Er musste etwas lächeln, hustete wieder ein wenig Blut aus, und sackte dann doch erneut in sich zusammen, weil seine Beine ihn einfach nicht mehr tragen wollten.

Sofort war Jill, die ich nun auch einfach zusammenriss, bei ihm, und Sherry, die sich eben von dem Tod des Klons überzeugt hatte, eilte auch gleich herbei und sank neben dem Jüngeren auf die Knie.
 

„Jake… Jake, bitte halt durch“, flüsterte sie, und Tränen rannen über ihre Wangen.

Sie hatten doch schon Chris verloren, sie durften nicht auch noch Jake verlieren. Schon gar nicht so. Sie liebte ihn doch. Und sie hatte nicht einmal die Gelegenheit bekommen, ihm das zu sagen.

„Bitte…“, hauchte Sherry und konnte ein leises Schluchzen nun auch nicht mehr unterdrücken.

Weinend schlang sie die Arme um den jungen Mann und drückte ihn fest aber vorsichtig an sich.

Sein Körper war schon richtig kalt, und sie spürte, wie sehr Jake durch den Blutverlust und die Schwäche zitterte. Lange hielt er nicht mehr durch, das wusste die junge Frau. Und es machte ihr einfach Angst, zu wissen, dass Jake sie in wenigen Momenten für immer verlassen würde. Dass es nichts gab, was sie tun konnte, um den Söldner zu retten.

Dann würde er sie nie wieder ansehen, nie wieder irgendeinen lockeren Spruch los lassen, nie wieder lachen, nie wieder ernst sein. Nie wieder irgendetwas tun.

Sherrry zuckte heftig zusammen und weinte nun nur noch mehr, krallte sich richtig an Jake, der schwach die Arme um sie gelegt hatte.
 

Es tat ihm verdammt weh, die junge Frau so zu sehen. Das passte gar nicht zu ihr.

Aber was sollte er schon dagegen tun? Er konnte nicht einfach aufspringen und wieder fit sein, das ging nicht, so leid es Jake auch tat.

„Tut mir leid“, meinte er dann auch leise und schloss langsam die Augen. Er war so unglaublich müde, er konnte einfach nicht mehr.

Ein letztes Mal riss er sich dann aber zusammen, schlug die Augen wieder auf und suchte Jills Blick.

„Chris ist am Leben, wenigstens ihn konnten wir retten. Das hat er allerdings einzig und allein Piers zu verdanken“, flüsterte der Söldner dann und drehte etwas den Kopf zur Seite, um noch einmal etwas Blut auszuhusten, ehe er den Kopf gegen die Wand hinter sich sinken ließ.

Die Augen ließ er nun aber noch geöffnet, einfach, um Jills dankbaren und erleichterten Blick zu sehen, auch wenn sich in diesem ebenfalls Sorge um den jungen Söldner widerspiegelte.

Ja, sie war noch sauer auf ihn, natürlich. Aber Chris lebte. Und Jakes Tod hatte sie nun wirklich nicht gewollt.

Sie schämte sich nun sogar richtig dafür, ernsthaft darüber nachgedacht zu haben, ihn selber umzubringen, wenn Chris es nicht schaffte.

Und nun war Jake ihnen gefolgt, hatte sie gerettet und musste dafür sterben. Weil sie es zu Zweit nicht hinbekommen hatten, sich gegen einen einzelnen Mann zu wehren.

Das war so verdammt ungerecht.

Sie schluchzte jetzt selber leise, hielt sich eine Hand vor den Mund und versuchte, ruhig durchzuatmen, ehe sie sich leicht abwandte und Jake und Sherry die wenigen verbleibenden Momente seines Lebens alleine ließ.
 

„Sherry…“, begann der junge Söldner nun, seufzte ganz leise und strich sanft und leicht zitternd über ihre Wange, wobei er trotz seines Zustandes gut aufpasste, nicht noch mehr Blut auf dieser zu verteilen.

Er hatte es längst aufgegeben, mit der anderen Hand weiterhin zu versuchen, die Wunde abzudrücken, und so war ihm Sherrys Schal auch längst runter und auf den Boden gefallen.

Er hätte eh kein weiteres Blut mehr aufgenommen, so vollgesogen wie er schon war, und Jake selber hätte auch gar nicht mehr genug Energie gehabt, kraftvoll genug auf die Verletzung zu drücken.

Da war zwar noch so viel, was er der jungen Frau noch sagen wollte, aber durch den Blutverlust fehlte ihm ohnehin schlicht und ergreifend die Kraft dazu.

„Ich… ich liebe dich“, hauchte er deshalb mit letzter Kraftaufbringung nur noch, einfach, weil das die Aussage war, die für ihn am wichtigsten gewesen war, das, was er um jeden Preis noch hatte loswerden müssen.

Noch ein letztes Mal versuchte der Söldner, tief durchzuatmen, und er zog die Blonde etwas zu sich, um ihr einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen. Dann aber übermannte ihn die Schwäche endgültig, und sein Kopf sackte zur Seite weg, ehe sein Körper leblos in Sherrys Umarmung erschlaffte, sein Atem stockte, und sein Herz nur wenige Sekunden später zu schlagen aufhörte.

Sherry startet durch

„Sherry, wir sollten langsam zurück“, murmelte Jill leise, als sie auf die Jüngere zu trat, die noch immer den leblosen Körper des Söldners in ihren Armen hielt.

Doch Sherry schüttelte nur leicht den Kopf und drückte den Toten noch enger an sich.

Sie wusste, dass sie ihn nicht mit sich herum tragen konnte, aber ebenso wenig konnte sie ihn einfach hier liegen lassen.

Wer wusste schon, was sich hier noch so herum trieb.

Und Jake hatte zudem ein anständiges Begräbnis verdient.

Sherry schluckte bei dem Gedanken daran schwer, da es die Endgültigkeit von Jakes Tod nur noch deutlicher machte.

Ihre Augen waren gerötet vom Weinen, und ihre Wangen noch immer tränennass.

Sie konnte nach wie vor nicht ganz begreifen, dass sie Jake nun für immer verloren hatte.

Es war einfach so irreal, so falsch, so ungerecht!

Und dennoch war es passiert, dennoch lag Jake hier bleich und leblos in ihren Armen.

Noch einmal schluchzte die junge Frau leise auf, dann hauchte sie dem jungen Mann einen sanften Kuss auf die Stirn und schloss leicht die Augen.
 


 

„Sherry, bitte, wir… was zum…!?“

Der erschrockene Aufschrei der Älteren ließ Sherry zusammenzucken und den Blick wieder heben.

„Was… was ist passiert?“, fragte sie und wandte den Blick zu Jill, die entsetzt auf den Boden starrte.

Erst verstand Sherry nicht ganz, was das zu bedeuten hatte, dann aber merkte sie, dass der Simmons-Klon, der eigentlich mausetot dort hätte liegen müssen, spurlos verschwunden war.

„Das… das ist doch nicht möglich“, hauchte sie, schüttelte den Kopf und legte Jake erst einmal sanft auf dem Boden ab, ehe sie sich erhob und neben ‚Jill trat.

„Er war tot, ganz sicher. Wie kann er…?“, begann sie, seufzte müde und ließ den Kopf hängen.

Das Virus, natürlich. Aber dass er selbst Jakes Kopfschuss überlebt hatte…

Sherry ballte die Hände zu Fäusten und atmete tief durch.

„Sein Opfer war völlig umsonst, Jake ist…“

„Das stimmt nicht ganz“, unterbrach Jill sie ernst und schüttelte den Kopf.

„Du bist am Leben. Und das allein war es ihm schon wert“, murmelte sie leise und lächelte schwach.

Natürlich machte diese Tatsache das Ganze nicht weniger traurig, und es machte Jake auch nicht wieder lebendig. Da tröstete es Sherry auch nicht wirklich, dass sie selber noch am Leben war. Und dennoch hatte Jill irgendwie recht. Für Jake war das allein Grund genug gewesen.
 

Dennoch war Jake nun tot, und ob das für ihn in Ordnung war oder nicht, ob es ihm das wert gewesen war oder nicht, Sherry fand das nun einmal alles andere als schön.

Und noch dazu war dieser falsche Simmons verschwunden, was bedeutete, dass dieser noch am Leben war.

Somit hatte das alles rein gar nichts gebracht. Abgesehen eben davon, dass Sherry und Jill noch lebten. Aber die Gefahr war nun einmal noch lange nicht gebannt.

Seufzend blickte die junge Frau zu Jake zurück und senkte dann den Blick.

„Jill… bring ihn zurück, er… er kann hier nicht so liegen bleiben“, meinte sie dann leise, ehe sie sich auf die Lippen biss und versuchte, nicht erneut in Tränen auszubrechen. Das war jedoch leichter gesagt als getan.

„Und was ist mit dir?“, wollte die Ältere nun wissen und runzelte leicht die Stirn.

Sie konnte sich in etwa denken, was Sherry vor hatte, und es war etwas, das sie selber nicht gutheißen konnte.

„Das weißt du ganz genau. Ich werde diesen Klon jagen und töten. Und dann…“
 

„Ich werde ihn nehmen…“

Sherry und Jill zuckten zusammen und fuhren erschrocken herum, die Waffen auf den blonden Mann gerichtet, der sich ihnen näherte.

Eigentlich wollten sie beide einfach abdrücken, doch der Blick in Weskers Augen ließ sie innehalten und die Pistolen dann sogar wieder senken.

Da war kein Hass, keine Wut, nichts dergleichen. In Weskers Augen war einfach nur Trauer zu erkennen.

Jill hatte gar nicht gewusst, dass ihr ehemaliger Captain zu einem solchen Gefühl überhaupt noch fähig war.

„Das wirst du sicherlich nicht. Was hast du vor? Ihn benutzen?!“, schrie Sherry den Blonden an und hob die Waffe wieder etwas, doch Jill schüttelte den Kopf und drückte Sherrys Hand ein wenig nach unten.

„Das wird er nicht“, erwiderte sie leise und ließ ein müdes Seufzen hören.

Die Trauer in Weskers Blick war echt. Es schmerzte ihn, dass sein Sohn tot war. Es brach ihm beinahe das Herz, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass er es noch besaß.
 

„Dann sagt mir wenigstens, was passiert ist... bitte...“, bat er anschließend, und nun war Sherry mehr als verwirrt.

Nicht nur, dass der Blonde nicht weiter versuchte, sie zu überreden, ihm Jake zu übergeben, nein, er bat sie auch, ihm zu sagen, was geschehen war. Albert Wesker BAT um etwas.

Die junge Frau war sicher, sich verhört zu haben und schüttelte erst einmal nur leicht den Kopf.

Dann aber fiel ihr Blick wieder auf Jake, und sie ließ die Waffe erneut sinken und steckte sie dieses Mal sogar weg.

„Simmons… besser gesagt, ein Klon“, murmelte sie, und dann begann Sherry, Wesker in kanppen Wirten zu erklären, was es mit Simmons und den Klonen auf sich hatte.

Der Blonde hörte ihr schweigend zu, ehe auch sein Blick auf Jake fiel, und er die Hände leicht zu Fäusten ballte.

Auch, wenn Jake sich am Ende wieder von ihm abgewandt hatte, so war dieser Junge dennoch sein Sohn gewesen. Alles, was Wesker noch gehabt hatte, alles, was ihm noch irgendwie Menschlichkeit verliehen hatte.

Und kaum, dass er ihn überhaupt kennen gelernt hatte, war er ihm auch schon wieder genommen worden.
 

Wesker knurrte ganz leise, dann atmete er tief durch, straffte die Schultern und blickte die beiden Frauen an.

„Wo ist dieser Klon jetzt?“, wollte er wissen, ehe er seinen Blick durch die Straße wandern ließ.

„Das wissen wir nicht. Wir waren sicher, Jake hätte ihn getötet, aber als Jill vorhin nachgesehen hat… war er weg“, antwortete Sherry leise und schüttelte leicht den Kopf.

„Ich wollte nach ihm suchen, um ihn für das, was er getan hat, bezahlen zu lassen…“

Der Blonde runzelte die Stirn, musterte die junge Frau und musste fast etwas lachen.

„Du ganz alleine, ja? Dann wünsche ich dir viel Spaß“, meinte er nur leicht verächtlich, wobei seine Stimme dennoch nicht annähernd so kalt klang, wie man es von ihm gewohnt war.

In ihr war deutlich die Trauer um Jake zu hören, ebenso nun aber auch eine leichte Wut, die immer stärker zu werden schien.

Auch Wesker plagten Rachegedanken, das war nicht zu übersehen.

„Und wenn?“, hakte Sherry murrend nach und verschränkte leicht die Arme.

Im Moment war die Agentin auf 180, und da kümmerte es sie auch nicht mehr, dass es mehr als lebensmüde war, sich ausgerechnet mit Albert Wesker anzulegen.

Aber dieser schien gerade keinerlei Interesse daran zu haben, ihr oder ihrer Begleiterin irgendetwas anzutun.
 

„Wie auch immer…“, murmelte er stattdessen nur, ehe er die Beiden stehen ließ und auf Jakes Leichnam zu trat.

Neben diesem ließ Wesker sich in die Hocke sinken, ehe er vorsichtig eine Hand ausstreckte und Jakes kalte Wange berührte.

Die Wut wurde dabei nur wieder stärker, und Wesker schloss für einen Moment die Augen.

Als er sie wieder öffnete, glühten sie rot-orange durch das Virus, und der Blonde musste sich beherrschen, nicht einfach mit voller Wucht die Faust in den Boden neben dem Toten zu rammen.

Er atmete ein paar Mal tief durch, dann beruhigte er sich langsam wieder, hob Jake erstaunlich sanft auf seine Arme und wandte sich den beiden Frauen wieder zu.

„Ich würde ihm niemals etwas antun“, meinte er dann ehrlich, und alleine sein Tonfall ließ Jill und Sherry einfach nur automatisch nicken.

Sie glaubten ihm, und sie wussten, dass er die Wahrheit sagte.

Die Trauer, dieser sanfte Umgang mit Jakes toten Körper, genau wie die Tatsache, dass Wesker sich den Beiden fast schon unterwarf… das hier war nicht gespielt, es war echt.

Und es machte Sherry tatsächlich etwas traurig, Wesker so zu sehen. Das passte nun wirklich nicht zu ihm.

Und nur die Tatsache, dass nichts davon seine Taten wieder gutmachte, hielt Sherry davon ab, den Älteren einfach tröstend zu umarmen, oder ihm wenigstens eine Hand auf die Schulter zu legen.

Das Einzige, was sie stattdessen von sich gab, war ein leises ‚es tut mir leid’, welches Wesker dann auch noch erwiderte. Er war wirklich vollkommen am Ende.
 

Seufzend schüttelte die Agentin den Kopf, dann trat sie an Wesker heran und hauchte Jake einen letzten sanften Kuss auf die Stirn, ehe sie zurücktrat, Jakes Vater leicht zunickte und ihm nachsah, als dieser die Straße wieder entlang ging.

Einen Moment lang blieb die Blonde einfach da stehen und versuchte, zu begreifen, dass Jake fort war, aber das wollte ihr noch immer nicht gelingen. Vielleicht würde das auch niemals passieren.

Noch einmal schluchzte sie leise und drückte sich dann etwas an Jill, die sanft die Arme um sie legte.

„Willst du wirklich gehen, in dem Zustand?“, fragte die Ältere nun leise, und Sherry nickte ganz leicht, ehe sie sich aus der tröstenden Umarmung löste und Jill mit ernstem, wenn auch noch etwas verweintem, Blick ansah.

„Ich muss. Ich weiß, Jake hat das getan, um mich zu retten, und mich in den Tod zu stürzen, würde das alles noch unnötiger machen, aber ich…“

Sie stockte, seufzte leise und schüttelte den Kopf.

„Wenn es hier um Chris ginge, was würdest du tun?“

Nun war es Jill, die ein leises Seufzen ausstieß und den Kopf schüttelte.

„Ich hab’s ja schon verstanden“, meinte sie dann und rang sich zu einem ganz leichten Lächeln durch.

„Natürlich würde ich das Gleiche tun, aber… ich kann dich nicht alleine gehen lassen.“

„Du kannst. Und du musst“, erwiderte Sherry nun mit etwas festerer Stimme, und auch sie lächelte nun ganz leicht, auch, wenn dieses Lächeln ihre Augen nicht annähernd erreichte.

„Chris braucht dich. Er ist zwar am Leben, aber sicherlich noch sehr schwach. Und Piers wird es vermutlich kaum besser gehen, nachdem er zweimal das Virus genutzt hat. Du musst zurück und ihnen sagen, dass es uns gut geht. Und dass… dass…“

Sherry verstummte erneut und biss sich wieder auf die Lippen, so fest, dass sie dieses Mal sogar ein wenig Blut schmecken konnte.

Dann aber atmete sie tief durch und hob den Blick wieder an.

„Du musst ihnen berichten, dass Jake tot ist. Und halte sie um jeden Preis davon ab, mir folgen zu wollen, ja?“
 

Sherry kannte Chris, und auch Piers mittlerweile gut genug, um sie beide halbwegs einschätzen zu können.

Egal, wie schlecht es ihnen ging, die zwei Soldaten wären vermutlich auf der Stelle aufgebrochen, um ihr zu helfen.

Und das hätte ihren sicheren Tod bedeutet.

Chris war diesem gerade erst entkommen, er war im Grunde schon tot gewesen. Und ganz gleich, wie es Piers auch gelungen war, ihn zu retten, er hatte ihn sicherlich nicht gesund zaubern können.

Der junge Soldat selber war zwei Mal mutiert und hatte all seine Kraft im Kampf gegen die drei BOWs verbraucht.

Es war mehr als nur ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte.

Wenn die Beiden sich noch einmal in einen Kampf stürzten, auch, wenn es eher ein leichter war, dann würden ihre Körper das sicherlich nicht mehr mitmachen. Und dann wäre ihr bisheriges Durchhaltevermögen wirklich völlig umsonst gewesen.

Das war etwas, was Sherry um keinen Preis zulassen konnte, vor allem, da sie selber bisher noch nicht sonderlich viel hatte tun können.

Wäre sie im Kampf gegen Wesker und die BOWs nicht so in Schock gewesen, sie war sicher, dass sie dann einiges hätte verhindern können. Vermutlich nicht viel, aber vielleicht doch ein wenig.

Zumindest war sie es den Anderen schuldig, nun auch mal etwas zu tun.

Nur die Tatsache, dass ein eben solcher Gedanke vermutlich auch Jake dazu getrieben hatte, einfach los zu eilen, dass ein solcher Gedanke mehr oder weniger zu seinem Tod geführt hatte, ließ die junge Frau ein wenig zögern.

Jedoch nicht lange, und nach wenigen Sekunden atmete sie erneut tief durch und sah Jill entschlossen an.

„Geh jetzt“, meinte sie leise und deutete mit einem leichten Kopfnicken in Richtung Weg zurück, ehe sie ihre Waffe nachlud und sich umwandte.
 

Die junge Agentin würde sich nun auf den Weg machen, den Simmons-Klon zu finden. Und sie würde nicht eher ruhen, bis sie ihn gefunden hatte. Sie wusste, dass er vermutlich stärker war als sie, aber zudem war er auch angeschlagen. Und Virus hin oder her, der Klon hatte einige Kugeln im Körper, die so leicht auch nicht verschwinden würden. Das konnte einen Vorteil für Sherry bedeuten.

Genau wie die Tatsache, dass sie nicht die Einzige war, die es auf den falschen Simmons abgesehen hatte.

Auch Wesker wollte seine Leiche vor seinen Füßen liegen haben, auch er verspürte einen unbändigen Hass auf diesen Mann.

Und in eben diesem Wesker konnte sie einen sehr starken Verbündeten haben, einen, gegen den der verdammte Klon nicht den Hauch einer Chance haben würde.

Sherry musste nur aufpassen, am Ende nicht selber zu Weskers Opfer zu werden.

Aber irgendwie glaubte sie nicht, dass das passieren würde.

Sie hatte seinen Blick gesehen, als sie sich von seinem Sohn verabschiedet hatte.

Wesker wusste, dass sie Jake wichtig gewesen war, und vielleicht würde er sie alleine aus diesem Grund verschonen, um Jake in gewisser Weise zu gedenken.
 

Ein leichtes Zittern ging durch Sherrys Körper, und sie griff ihre Waffe fester.

Sie musste sich wirklich zusammenreißen, sie musste aufhören, die ganze Zeit an Jake und seinen Tod zu denken.

Das lenkte sie ab, das machte sie schwach.

Nicht, dass sie Trauer und Gefühle einfach abstellen wollte, aber im Moment war dazu keine Zeit.

Das alles konnte sie raus lassen, wenn der Simmons-Klon endlich wirklich vernichtet war.

Dieses Mal würde sie sich nicht einfach nur davon überzeugen, dass sein Herz nicht mehr schlug, sondern sie würde ihm den Kopf von den Schultern trennen, um wirklich ganz sicher zu gehen.

Diese grausame Einstellung erschreckte Sherry, und es machte ihr fast ein wenig Angst, mit einem Mal so skrupellos zu sein.

Aber was sollte sie tun? Sie hatte Jake verloren, der Klon war entkommen, da konnte sie ja kaum fröhlich durch die Gegend laufen.

Natürlich war sie traurig, natürlich hatte sie eine solche Wut in sich, dass sie glaubte, durch diese irgendwann zu platzen.

Und ein weiteres tiefes Durchatmen brachte ebenso wenig wie das halbe Zerbeißen ihrer Lippe, weshalb die Blonde nun einfach leise fluchte und die Waffe noch fester griff, sodass ihre Knöchel fast weiß hervortraten.
 

Noch einmal leise fluchend richtete Sherry ihren Blick stur auf den Weg vor sich und beschleunigte ihre Schritte ein wenig.

Nach einer Weile blieb sie dann aber stehen, runzelte die Stirn und lauschte in die Stille.

Sie war sicher, etwas gehört zu haben.

Da war ein leises Surren, ein Piepen, Geräusche, die Sherry nicht zuordnen konnte.

Aber wenigstens erkannte sie, aus welcher Richtung sie kamen, weshalb sie sich nun etwas nach links wandte und zu dem Haus sah, das sich dort befand.

„Was zum…?“, murmelte sie, zögerte ganz kurz und ging dann auf die Tür zu, deren Klinke sie vorsichtig herunter drückte.

Die Tür war nicht verschlossen und schwang mit einem leisen Knarzen auf, das Sherry dennoch einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

‚Reiß dich zusammen, du bist doch kein Kleinkind mehr’, schalte sie sich selber in Gedanken und schüttelte nur leicht den Kopf.

Sie war ja fast panischer als in Raccoon City, und da war sie gerade einmal 12 gewesen.

Aber ihre Gefühle spielten im Moment einfach verrückt, es war alles so durcheinander. Trauer, Wut, Hass, und dann eine leichte Unsicherheit, vielleicht wirklich schon Angst.

Sie blieb in der Tür stehen, blickte in das dunkle Haus hinein und ließ dann den Kopf hängen.

Wie wollte sie es bei dem Wirrwarr in ihrem Kopf denn bitte mit Simmons aufnehmen? Klon oder nicht, er war stark, er war gefährlich. Er hatte haufenweise Kugeln in die Brust und einen Kopfschuss überlebt.

Es war doch im Grunde aussichtslos. Was machte die junge Frau hier eigentlich?

„Jake,...“, flüsterte sie mit zitternder Stimme und sank im Türrahmen nach unten, ehe sie die Beine anzog und den Kopf auf die Knie legte, bevor sie ihre Beine mit den Armen umschlang.

„Warum… warum hast du das getan? Warum bist du nicht einfach sitzen geblieben?“, murmelte sie, schüttelte den Kopf und schluchzte leise auf.

Im Grunde wusste sie ja ganz genau, dass auch das nichts gebracht hätte, dass er die Wunde niemals überlebt hätte.
 

‚Verdammt, was ist los mit dir? Jake hat sein Leben gegeben. Für dich. Piers war bereit gewesen, sich für Chris zu opfern, und der hat sich dann seinerseits für ihn geopfert. Sie alle geben hier ihr Bestes, und was tust du? Du spuckst große Töne und sitzt jammernd hier rum. Was willst du damit denn erreichen?’

„Komm schon, steh auf, Supergirl. Hey, ich weiß, dass du was drauf hast. Und du weißt es doch auch oder? Also hopp, zeig mir, dass du Kampfeswillen hast. Gib nicht einfach so auf!“

„Jake…?!“

Sherry hob den Blick und sah wieder in die Dunkelheit hinein, aber natürlich war Jake nicht dort. Und er würde sich ihr auch nie wieder zeigen.

Er war tot, und ganz gleich, wie sehr sie sich hier auch zusammenkauerte, sie konnte an dieser Tatsache nichts ändern.

„Du hast recht, Jake. Ich kann das“, murmelte sie dann, wischte sich die Tränen weg und stand dann wieder auf, ehe sie leicht die Schultern straffte, das Haus ganz betrat und sich in diesem umsah, um der Quelle der Geräusche auf den Grund zu gehen.

Natürlich wollte sie um jeden Preis den Simmons-Klon jagen, aber sie wusste, dass sie sich da auch auf Wesker verlassen konnte.

Und wenn dieser Klon mit den BOWs in Zusammenhang stand, und davon ging Sherry irgendwie aus, dann bestand die Möglichkeit, dass sich irgendwo noch weitere BOWs befanden. Vielleicht welche, die eingesperrt waren, oder die noch gar nicht ‚aktiviert’ worden waren.

Und die Geräusche, die die junge Agentin hier vernommen hatte, hatten sie eindeutig an ein Labor erinnert, das wurde ihr erst jetzt klar.

Und Labor-Geräusche kannte sie selber nur zu gut, damit war sie aufgewachsen.

Sie seufzte leise, holte tief Luft und ging dann langsam auf die Treppe zu, die nach unten und tatsächlich in ein kleines Labor führte, das sie nun erst erinmal dem Erdboden gleich machte, um ihrer Wut ein wenig Luft zu machen.

He was my Son!

Etwas umständlich drückte Wesker die Türklinke herunter, schob die Tür mit der Schulter auf und trug den leblosen Körper seines Sohnes hinein, in das Schlafzimmer, wo er ihn vorsichtig auf dem Bett ablegte.

Schweigend sah er auf Jake hinab und presste die Lippen zusammen.

Er hatte seinen Sohn kaum gekannt, und sie waren nicht unbedingt im Guten auseinander gegangen.

„Wie hast du es nur geschafft, mich so zu erweichen, ohne wirklich etwas zu tun, Jake Muller…?“, murmelte er, seufzte leise und streckte die Hand aus, um Jake an der Wange zu berühren.

Er schauderte merklich bei der Kälte, die von dessen Haut ausging, zog die Hand wieder zurück und schloss leicht die Augen.

Er hatte seinen Sohn verloren, kaum, dass er überhaupt gewusst hatte, dass es diesen überhaupt gab.

Es war so ungerecht, sein ganzes Leben war ungerecht. Nie lief irgendetwas wirklich so, wie es sollte. Aber vielleicht hatte er das auch gar nicht anders verdient.

Aber Jake? Jake hatte etwas Besseres verdient, hatte das Leben verdient.

Vielleicht gab es ja doch eine Möglichkeit…?
 

Wesker schüttelte den Kopf.

Er konnte seinen Sohn nicht für irgendein Experiment benutzen.

Auf der anderen Seite wusste er eigentlich sicher, dass er es überstehen würde.

Mehr als nicht klappen konnte es nicht, und dann würde Jake einfach tot bleiben.

Er hatte Antikörper gegen jegliche Viren, genau wie Wesker selber.

Dennoch stieß sein Körper das T-Virus nicht ab, sondern war in der Lage, es zu nutzen.

Es machte ihn schneller, stärker, heilte ihn, hatte ihn damals im Spencer-Anwesen ebenso am Leben gehalten wie letztendlich in Afrika.

Wenn es dem Blonden gelang, Jake etwas von seinem Blut, und somit von dem Virus, zu geben, dann konnte es seinen Körper vielleicht wieder zum Leben erwecken.

Mutieren würde er nicht, er würde es ebenso vertragen wie sein Vater.

Es war nur möglich, dass es nicht reichte, dass Weskers Blut nicht genug war.

Aber einen Versuch war es allemal wert.

Er wollte Jake nicht verlieren, und auch Sherry wäre sicherlich erleichtert…

Ging es mit ihm nun wirklich schon so bergab?

Dass er tatsächlich an die Gefühle dieser fremden Agentin dachte, nur weil sein Sohn ihr etwas bedeutete? Und sie ihm.

Es ging nicht um Sherry, es ging um Jake. Das zumindest redete sich Wesker nun stur ein, auch wenn er wusste, dass dies nicht ganz der Wahrheit entsprach.
 

Nun aber spielte all das ohnehin keine Rolle.

Nun ging es um ihn, um das, was er selber wollte.

Und das war zum Einen, Jake zu retten, und zum Anderen, diesen verdammten falschen Simmons zu vernichten.

Das war alles, was für Wesker in diesem Moment zählte.

Und als Erstes würde er sich auf jeden Fall um seinen Sohn kümmern. Wenn alles klappte, und wenn Jake dann halbwegs stabil war, würde er ihm eine kurze Nachricht schreiben und sich auf den Weg machen.

Immerhin war auch Sherry da draußen auf der Suche nach dem Klon, und Wesker ging nicht davon aus, dass sie alleine eine Chance gegen diesen hatte.

Er musste ihr also helfen.

Das Letzte, was Wesker wollte war, dass er seinem Sohn nach dessen Wiederauferstehung berichten musste, dass seine Liebste gestorben war, für die er sich allem Anschein nach geopfert hatte.
 

„Wirklich weich geworden, tz…“, murrte der Blonde nur und schüttelte leicht den Kopf, ehe er sich etwas abwandte, im Badezimmer verschwand und von dort einen kleinen weißen Erste-Hilfe-Koffer holte.

Er öffnete diesen, zog einen Gurt und mehrere Spritze hervor, und band sich dann den Arm ab, ehe er eine Spritze nach der anderen ansetzte, um sich Blut abzuzapfen.

Er hatte keine Ahnung, welche Blutgruppe sein Sohn besaß, aber das Virus würde das regeln, wenn alles klappte. Und wenn nicht, dann war es ohnehin egal. Tot war Jake ja schon.

Wesker biss sich erneut leicht auf die Lippen, atmete tief durch und verdrängte das Schwindelgefühl, das durch den Blutverlust aufkam.

Er löste den Gurt um seinen Arm und begann damit, Jake das Blut zu injizieren, so lange, bis alle vier Spritzen leer waren.
 

Dann blickte er auf den Jüngeren hinab, schloss leicht die Augen und atmete noch ein paar Mal tief durch.

Langsam aber sicher regenerierte sein eigener Körper das verlorene Blut, aber den Verlust merkte er doch noch.

Doch darauf konnte der Blonde nun wirklich keine Rücksicht nehmen.

Er öffnete die Augen wieder, verdrängte die Schwäche und begann, in regelmäßigen Abständen kräftig auf Jakes Brustkorb zu drücken, und ihn abwechselnd dazu zu beatmen.

Nichts.

Auch nach weiteren Versuchen, und als Wesker aus den Tiefen seines Badezimmers einen Defibrillator herauf geholt hatte, gelang es ihm nicht, seinen Sohn ins Leben zurück zu holen.

Dennoch gab er erst auf, als seine Arme schon richtig müde wurden und unerträglich zu schmerzen begannen. So sehr, dass sie ab und an einfach nachgaben.

Er konnte nicht mehr, Virus hin oder her, er machte einfach schlapp.

Und da sich Jake bisher noch nicht einen Millimeter geregt hatte, stand ohnehin fest, dass es hoffnungslos war.

Es fiel dem Blonden schwer, das einzusehen, aber ihm fehlte schlicht und ergreifend die Kraft, diese sinnlosen Versuche fortzuführen.
 

Vorsichtig trennte Wesker die Elektroden von dem reglosen Brustkorb, strich leicht über Jakes Wange und zog dann die dünne Decke hoch, bis diese das bleiche Gesicht des jungen Söldners bedeckte.

Es war Weskers einzige Hoffnung gewesen, aber das Virus hatte nicht gereicht, hatte in dem leblosen Körper nichts mehr ausrichten können.

Leise fluchend schlug er mit der Faust gegen die Wand, wobei diese erzitterte, Putz herab bröckelte, und eine recht ansehnliche Delle zurück blieb.

‚Er wird dafür büßen. Dieser verdammte… dieser Mistkerl…’, knurrte Wesker in Gedanken und blickte noch einmal auf die Decke, unter der Jake lag, ehe er sich seine Waffe schnappte und wutentbrannt das Haus verließ.

Das letzte Stündlein dieses verdammten Klons hatte geschlagen. Darauf konnte dieser sich verlassen. Er würde Wesker nicht entkommen.
 


 

Eine ganze Weile lang war Wesker nun schon die Straße entlang gegangen, und seine Wut und sein Schmerz wurden nur immer stärker, je weiter er lief.

Jake war tot, sein Sohn war tot. Das konnte er einfach nicht akzeptieren, das durfte nicht sein.

Niemals hatte irgendein Mensch dem Blonden etwas bedeutet, immer waren sie nur seine Spielfiguren gewesen, hatte er sie ohne Skrupel für seine Zwecke benutzt.

Barry und auch das restliche S.T.A.R.S.-Team, Ada, Krauser, Excella, Jill, sie alle. Sie alle hatten nur einem einzigen Zweck gedient: Ihn, Albert Wesker, an seine Ziele zu bringen.

Letztendlich hatte das alles nichts gebracht und mit seinem vermeintlichen Tod geendet, mehr als einmal.

Aber immer wieder hatte er diesem getrotzt und war zurück gekehrt. Das T-Virus, ebenso wie Uroboros, hatten ihn stark genug gemacht, dem Tod widerstehen zu können.

Er war überheblich geworden, seine Überlegenheit allem und jedem gegenüber hatte ihn größenwahnsinnig werden lassen. Und diesen Fehler hatte er eingesehen. Ihm war eine weitere Chance gegeben worden, das wieder gut zu machen.

Er hatte sie nutzen wollen, und wieder hatte er es mit einem Virus versucht.

Und vermutlich hätte er einfach weiter gemacht wie bisher, wäre da nicht mit einem Mal dieser junge Mann aufgetaucht, der sich ihm, mitten auf offener Straße, entgegen gestellt hatte: Jake Muller.

Ein Fremder für Wesker, der ihm an diesem Tag offenbarte, dass er sein Sohn war, und der sein Leben verändert hatte, von diesem Moment an.
 

Anfangs hatte der Blonde sich eingeredet, dass auch Jake für ihn nicht mehr war als ein Werkzeug. Eines, durch das er vielleicht an Chris kam, eines, das er vielleicht auf seine Seite ziehen konnte. Immerhin hatte es sich um seinen Sohn gehandelt.

Doch genau diese Tatsache hatte auch Wesker zögern lassen. Und schließlich hatte er davon abgesehen, den jungen Söldner kontrollieren zu wollen. Er hatte ihm seinen Willen einfach nicht aufzwingen können.

Dennoch war er nach wie vor ein Monster gewesen, und beinahe hätte er die Frau getötet, die seinem Sohn am meisten bedeutet hatte.

Die Wut in Jakes Augen, die schon an echten Hass gegrenzt hatte, würde Wesker vermutlich niemals vergessen. Dieser Ausdruck hatte selbst ihm einen Schauer über den Rücken gejagt.

Und danach hatten sie sich nicht mehr gesehen und waren sich erst wieder begegnet, als Jake bereits umgebracht worden war.

Und diese Tatsache hatte dem Blonden das Herz gebrochen.

Ein Herz, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass er es überhaupt noch besaß.

Er hatte vergessen, was es bedeutete, ein Mensch zu sein, hatte sich für einen unsterblichen und gefühllosen Gott gehalten, der alles erreichen konnte, was er wollte.

Und dieser Glaube hatte sich verstärkt, nachdem ihm klar geworden war, dass nicht einmal Afrika ihn hatte töten können.
 

Doch mit Jakes Auftauchen, und ganz besonders mit seinem Tod, hatte Wesker es begriffen.

Er mochte ein Monster sein, er mochte so gut wie unbezwingbar sein, aber sein Körper war noch immer der eines Menschen, ebenso sein Herz und seine Seele, die er durchaus noch besaß.

Er hatte all das nur verdrängt, um stärker zu werden, um seinen Feinden so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten.

Aber Jake war es gelungen, diese Hülle zu durchbrechen und zu dem Wesker vorzudringen, der durchaus noch in der Lage war, Gefühle wie Liebe zu empfinden.

Noch ein wenig länger, ein paar Begegnungen und Gespräche mehr, und der Söldner hätte aus seinem Vater einen anständigen Menschen machen können, der für niemanden mehr eine Gefahr gewesen wäre. Und vielleicht wäre Wesker sogar noch zu einem guten Vater geworden. Besser spät als nie.

Doch Jakes Tod weckte in dem Blonden wieder den Killer, das Monster, das er war.

Er würde den Simmons-Klon in Stücke reißen, würde ihn für das, was er ihm genommen hatte, mit Höllenqualen und seinem Leben bezahlen lassen.

Er sollte sehen, was es hieß, sich mit Albert Wesker anzulegen und diesem alles zu nehmen, was ihm jemals irgendetwas bedeutet hatte.
 


 

„Sieh an… Du bist doch der Typ, der diese Kneipe angezündet hat, nicht wahr? Schön, dich auch mal wieder zu sehen. Lernen wir uns also endlich persönlich kennen, Albert Wesker…“

Der Blonde fuhr herum, ein leises Knurren auf den Lippen, die rot glühenden Augen zu Schlitzen verengt.

Er kannte die Stimme nicht, war aber fast sicher, dass sie zu diesem Simmons-Klon gehörte.

Er musterte den Fremden, der in einem blutverschmierten grauen Anzug vor ihm stand und ihn mit einem leichten Grinsen musterte.

„Sie wissen also, wer ich bin, ja? Das beruht allerdings nicht auf Gegenseitigkeit“, erwiderte Wesker kühl, ohne jedoch schon Anstalten zu machen, anzugreifen.

Nicht, dass er sich darum sorgte, vielleicht doch einen Unschuldigen anzugreifen, aber er wollte nichts überstürzen, wollte es genießen, wenn er diesem Mann das Herz aus der Brust riss.

„Mein Name ist Simmons. Derek Simmons“, erwiderte der Klon nur und musterte Wesker von oben bis unten.

Von dem Blonden wusste er nur aus ein paar Akten, die er gefunden hatte. Er sollte angeblich tot sein, wirkte auf ihn aber doch recht lebendig. Aber gut, dieser Mann war infiziert. Und diese Viren machten ja irgendwie alles möglich.

„Simmons, ja? Ich verstehe. Dann gehe ich davon aus, dass Sie Derjenige waren, der den jungen Mann vor einigen Stunden getötet hat?“

Wesker beherrschte sich, seine Stimme möglichst frei von Emotionen zu machen. Der Typ sollte nicht gleich merken, wie sehr ihn diese Tat erzürnte, er sollte nicht gewarnt sein.
 

Und das schien auch zu klappen, denn der falsche Simmons gab nur ein leises Lachen von sich und zuckte dann leicht mit den Schultern.

„Dieser Jake Muller? Ja… ja, den habe ich getötet. Zäher und nerviger Bursche. Dumm war er außerdem. Hat sich für die kleine Blonde und ihre Freundin einfach…“

Doch weiter kam der Klon nicht, denn länger konnte Wesker seine Gefühle einfach nicht beherrschen.

Er ließ ein leises Knurren hören, dann sprintete er los, war nach weniger als einer Sekunde bei Simmons und packte diesen am Hals, ehe er ihn so auf den Boden aufschlagen ließ.

Dann holte er mit der Faust aus, um einen Schlag in sein Gesicht folgen zu lassen, doch der Klon hatte sich schneller wieder gefasst als Wesker erwartet hatte.

Sein Schlag wurde abgeblockt, und stattdessen kassierte er selber einen recht heftigen Tritt in den Magen, der ihn etwas zurück taumeln ließ.

Der kurze Moment reichte dem falschen Simmons, um wieder auf die Beine zu kommen.

Er grinste leicht, klopfte sich den Staub vom Anzug und schüttelte nur leicht den Kopf.

„Genau so stürmisch wie der Junge, die gleiche Kraft, die gleiche Art, zuzuschlagen. Sag bloß, ich… lege mich hier mit dem stolzen Herrn Vater an?“
 

„Du verdammter…!“

Wesker ließ die falsche Höflichkeit nun endgültig fallen und stürmte gleich wieder auf den Klon zu.

Dem würden sein dämliches Grinsen und das nervige Lachen schon noch vergehen.

Er würde leiden, unendlich leiden, und dann würde er sterben, langsam und qualvoll.

Dieses Mal kam der Angriff des Blonden für den Klon doch etwas zu überraschend.

Er bekam einen Schlag gegen die Brust zu spüren, hustete etwas und spuckte ein wenig Blut aus, ehe nun er es war, der zurück taumelte.

Aber ebenso wie Wesker zuvor, fing sich auch Simmons nun wieder, hustete noch einmal ein wenig Blut und griff sich leicht an die schmerzende Brust, ehe er sich ein wenig streckte, die Gelenke knacken ließ und leise, fast schon mitleidig, aufseufzte.

„Nach allem, was ich gelesen habe, hielt ich dich für stärker und cleverer, Wesker. Bist du etwa geschwächt?“
 

Damit lag der Klon gar nicht einmal so falsch.

Tatsächlich spürte Wesker noch immer die leichte Schwäche, die seine Blutspende verursacht hatte. Aber es wurde besser, und seine alte Stärke kehrte nach und nach wieder in seinen jungen Körper zurück.

Ein wenig Zeit würde er noch schinden müssen, um wirklich leichtes Spiel mit seinem Gegner zu haben. Aber das sollte eigentlich kein Problem werden.

Dieser falsche Simmons war zwar recht stark und schnell, aber Wesker war ihm dann doch noch ein wenig überlegen. Im Moment sollte das auf jeden Fall reichen, um ihn zu schwächen und so lange hin zu halten, bis Wesker selber wieder ganz bei Kräften war.

Oder er musste es einfach darauf ankommen lassen, bevor der Klon noch hinter seinen Plan kam.

Das konnte dann doch ein wenig riskant werden.

Und sterben wollte Wesker hier auf keinen Fall, schon gar nicht, weil er unaufmerksam wurde und sein Gegenüber unterschätzte. Diesen Fehler würde er nie wieder begehen.
 

„Ich halte mich nur ein wenig zurück, um zu genießen, wie du leidest. Für das, was du getan hast.“

„Sagt der Mann, der die gesamte Menschheit ausradieren wollte. Wie amüsant…“

Wieder kam ein leises Knurren über Weskers Lippen, und er ballte die Hände zu Fäusten.

Unrecht hatte dieser Klon ja nicht, aber das spielte keine Rolle.

Hier ging es um seinen Sohn, nur das zählte.

Der Rest der Welt kümmerte den Blonden auch weiterhin reichlich wenig, auch, wenn er nicht mehr unbedingt die Absicht hatte, die Menschheit zu vernichten.

Gerade wollte er nur diesen Mann hier vernichten, und dann bestand da noch immer sein Hass gegenüber Chris.

Aber selbst von diesem hätte er ablassen können, hätte ihm das nur seinen Sohn zurück gebracht.
 

Die Wut auf den Klon wurde wieder stärker, und Weskers Kräfte kehrten mit einem Mal wieder zurück.

Er hob den Blick, grinste ganz leicht und stürmte dann ein drittes Mal auf den Klon zu.

Und dann ging alles ganz schnell.

Weskers Schlag traf, und seine flache Hand bohrte sich, wie schon damals bei Spencer, durch die Brust des falschen Simmons, trat an seinem Rücken wieder heraus, und wurde dann von Wesker zurück gezogen.

Der Klon strauchelte leicht, spuckte einen ganzen Schwall Blut und ging dann in die Knie.

Wesker war sicher, dass er nun sterbend zusammenbrechen und elendig verbluten würde, doch das geschah nicht.

Stattdessen erhob der Simmons-Klon sich wieder, wischte sich das Blut von den Lippen und neigte leicht den Kopf zur Seite, während die Wunde sich langsam wieder schloss, und sein Körper nach und nach zu mutieren begann.

Seine Arme verrenkten sich, die Knochen knackten und schienen zu brechen, ehe die Arme länger wurden und von einer Art braun-gelben Panzerung umhüllt, so, wie auch die säbelzahntiger-artigen BOWs von der Farbe her ausgesehen hatten.

Nur, dass dieser Klon an sich die Gestalt eines Menschen behielt, und nur seine Gliedmaßen, Arme ebenso wie Beine, nach und nach ein wenig entstellt wurden.

Klauen bildeten sich anstelle seiner Hände, und an seinen Zehen bildete sich pro Fuß eine Art Messer, das aus dem selben Material zu bestehen schien wie die Panzerung, die den restlichen Körper umgab. Nur das Gesicht war nun noch frei, doch es war ebenfalls ein wenig entstellt.
 

‚Ich habe ihn doch unterschätzt’, fuhr es Wesker durch den Kopf, und er verzog leicht das Gesicht.

Blut tropfte von seiner Hand, und er schüttelte sie etwas, um sie halbwegs wieder sauber zu bekommen.

Dann atmete er tief durch, spannte sich an und lief einfach erneut los.

Er konnte ja nicht mehr tun, als diese BOW zu bekämpfen.

Schießen hatte schon bei den anderen Viechern nichts gebracht, und so verschwendete der Blonde hier erst gar keine Munition. Das hätte vermutlich ebenso wenig gebracht wie bei den vorherigen BOWs. Die Panzerung war immerhin die gleiche gewesen.

Und es war gerade auch Weskers Vorteil, dass sich der Klon noch mehr oder weniger im Transformations-Prozess befand.

Somit war er gerade mehr oder weniger bewegungsunfähig und konnte sich nicht wirklich verteidigen, sodass auch Weskers nächster Angriff saß.

Doch natürlich drang dieser Hieb nicht mehr durch den Körper der BOW, sondern dellte lediglich deren Panzer ein wenig ein.

Trotzdem schlug Wesker noch ein paar mal auf den Körper ein, so lange, bis der Klon sich wieder richtig bewegen konnte, den Blonden packte und gegen die nächst beste Hauswand schleuderte, an der er kraftlos zusammensank.
 

Aber Wesker wäre nicht Wesker gewesen, hätte dieser Hieb ihn ausgeschaltet.

Etwas keuchend rappelte er sich auf, wischte sich ein wenig Blut von den Lippen und stand dann wieder fest auf den Beinen.

„Nicht schlecht, aber noch lange nicht gut genug“, meinte er nur kalt und lachte leise auf, ehe er wieder zum Angriff überging.

Ein paar Mal ging das nun so, dass Wesker Simmons angriff, dieser ihn abwehrte und weg schleuderte oder selber zum Schlag ausholte.

Nach einigen Minuten strauchelte der Blonde merklich und rang etwas nach Luft, doch auch die BOW wirkte schon ein wenig angeschlagen.
 

Noch einmal nahm Wesker all seine Kraft zusammen, atmete tief durch und stürzte sich wieder auf den mutierten Klon.

Er schlug auf diesen ein, wich aus, hastete um ihn herum, prügelte weiterhin auf ihn ein, nutzte dann doch einmal seine Schusswaffe, um die BOW aus der Nähe zu beschießen, und schlug wieder zu, als er die Panzerung irgendwann tatsächlich durchbrochen hatte.

Ein Jaulen war zu hören, gefolgt von einem Fauchen und Knurren, ehe der Klon herum fuhr, Wesker packte und hoch hob, ehe er mit der mutierten Klaue zudrückte, um den Blonden zu zerquetschen oder gar zu zerteilen.

Wesker keuchte leicht, rang röchelnd nach Luft und versuchte, zumindest den Arm mit der Waffe frei zu bekommen.

Es gelang nach einigen Versuchen, nach denen er seinen Körper schon kaum noch spürte und alles nur noch sehr verschwommen wahrnahm.

Seine Hand zitterte und er brauchte einen Moment, bis er die Pistole zielsicher auf den Kopf der BOW gerichtet hatte.

Er drückte ab, traf, und die Klaue, die ihn festhielt, ließ locker, sodass der Blonde kraftlos zu Boden sank, auf dem er so hart aufschlug, dass ihm nun auch noch die restliche Luft aus den Lungen gepresst wurde, und ihm erst einmal ein wenig schwarz vor Augen wurde.

Aber er hatte den Simmons-Klon vernichtet, der Kopfschuss hatte ihm den Rest gegeben.

Kurz hielt die BOW sich noch auf den Beinen, als hätte sie nicht ganz begriffen, dass sie eigentlich tot sein sollte, dann taumelte sie, machte einen unsicheren Schritt nach vorne und sank sterbend zusammen.

Blut floss aus mehreren Wunden, das meiste davon aus der Schusswunde in ihrem Kopf.

Nach und nach versiegte der Blutfluss aber und stoppte mit dem Schlagen von Simmons' Herz endgültig.

Müde hob Wesker den Blick an, hustete etwas und spuckte ein wenig Blut vor sich auf den Boden, ehe sein Kopf wieder auf diesem aufschlug, und es endgültig dunkel wurde.

Alte Partnerschaften

Es war keine Geringere als Sherry Birkin, die ihn fand, nachdem er den Kampf gegen diesen falschen Simmons gewonnen hatte.

Die Leiche der BOW lag noch immer regungslos und verkrümmt auf dem Boden, inmitten einer beachtlichen Blutlache.

Und auch Wesker hatte einiges abbekommen, das konnte er nicht leugnen.

T-Virus oder nicht, unverwundbar war der Blonde leider nicht. Und er hatte es hier ja nicht mit einem einfachen Menschen zu tun gehabt.

Dennoch war er sogar schon wieder bei Bewusstsein, als Sherry auftauchte, und er hatte sich sogar schon irgendwie in eine sitzende Position gebracht, lehnte an einer Hauswand und rieb sich über die Rippen, die noch immer höllisch schmerzten.

Simmons hatte einen verdammt festen Griff gehabt, und hätte Wesker seine Hand nur ein wenig später frei bekommen, wäre es um ihn geschehen gewesen, dann hätte der Kerl ihn gnadenlos zerquetscht.

So wie Wesker das selber beurteilen konnte, hatte er aber Glück im Unglück gehabt. Einige Rippen fühlten sich eindeutig geprellt an, aber zumindest schien nichts gebrochen zu sein.

Vorsichtig bewegte der Blonde sich etwas und verzog wieder das Gesicht. Nichts gebrochen, aber es schmerzte dennoch höllisch, und dieser kurze Kampf hatte ihm doch mehr zugesetzt, als er eigentlich angenommen hatte.

Aber gut, er selber war bis vor kurzem noch tot gewesen, und sicherlich hatte das Virus eine Menge damit zu tun gehabt, seinen Körper zu regenerieren. Da war es kein Wunder, wenn es mit der Heilung nun etwas länger dauerte.

Und solange kein weiteres Monster auftauchte, war alles in Ordnung.
 

Als sich nun die Schritte der jungen Agentin näherten, hatte Wesker die Augen wieder geschlossen, war aber wach.

Er öffnete sie dann auch, blinzelte ein paar Mal und erkannte die Gestalt, die auf ihn zu- und anschließend vor ihm leicht in die Hocke ging.

„Wesker…?“

Die Stimme der jungen Frau klang etwas unsicher, und der Blonde konnte doch tatsächlich einen Hauch Besorgnis in ihr ausmachen.

Müde hob er den Blick und musterte Sherry, und erst jetzt dämmerte ihm das, was ihm eigentlich schon die ganze Zeit über klar gewesen war.

Der Name Sherry, der hatte ihm irgendetwas gesagt, und dennoch war Wesker einfach nicht darauf gekommen.

Aber jetzt?

Diese Augen, das Gesicht… natürlich.

Diese Frau, Sherry, war keine Geringere als die Tochter von William Birkin.

Und bei der Erkenntnis hätte Wesker fast laut aufgelacht, hätte der etwas verwirrte Ausdruck auf Sherrys Gesicht ihn nicht gerade noch davon abgehalten.

Birkin und er, Partner bei Umbrella, und nun ihre Kinder… wie als hätte das Schicksal es so gewollt, waren sie sich begegnet und nahe gekommen.

Sherry und Jake…
 

Bei diesen Gedanken kam wieder die Wut auf, und mit dieser Wut kamen die Trauer und die Verzweiflung.

Jake… er hatte ihn gerächt, er hatte seinen Mörder getötet.

Aber geändert hatte das nichts. Der Söldner war und blieb tot, egal, was Wesker auch anstellte.

Er konnte nichts tun, überhaupt nichts.

Noch nie hatte der Blonde sich so machtlos gefühlt.

Und noch nie hatte er sich eine solche Machtlosigkeit so offen anmerken lasen.

Aber im Moment konnte er einfach nicht anders.

Er war zu müde, um seine kalte Fassade aufrecht zu erhalten, zu geschwächt, um den Emotionslosen und Überlegenen zu spielen.

Auch er war nur ein Mensch, und Jake hatte ihm das deutlich wieder klar gemacht.

Zudem hatte Sherry ja zuvor schon sehen können, dass auch ein Albert Wesker durchaus Gefühle haben konnte.

Warum also jetzt irgendetwas anderes vorgeben?
 

„Wesker…?“

Noch einmal sprach Sherry den Blonden an, da sie zwar sah, dass er bei Bewusstsein war, jedoch bisher keine Reaktion erhalten hatte.

Er schien sie erkannt zu haben, kurz hatte er sie angesehen und gemustert, doch nun war Wesker mit seinen Gedanken anscheinend schon wieder ganz woanders.

„Hey…!“, versuchte die Blonde es ein drittes Mal, ehe sie leicht zögernd die Hand ausstreckte, um vorsichtig an Weskers Schulter zu rütteln.

Sie wollte ihn nicht erschrecken, wusste, dass es ganz schnell ins Auge gehen konnte, wenn er sich dabei bedroht fühlte.

Tatsächlich stockte Sherry für einen Moment der Atem, als die Hand des Blonden hervorschnellte, doch diese griff nur nach ihrer ausgestreckten Hand und hielt diese fest.

„Ich habe dich gehört, Sherry, klar und deutlich“, erwiderte er nun, ruhig, aber auch eindeutig müde.

Mit einem leisen Seufzen ließ die Agentin die Hand wieder sinken, als Wesker von ihr abließ, und ging einen kleinen Schritt zurück, um ihn zu mustern.

Er wirkte blass, erschreckend blass, und dennoch waren seine Augen klar und voller Bewusstsein.

Blut bedeckte den Großteil seines Anzuges, der auch einige Risse aufwies, aber Verletzungen konnte Sherry keine mehr erkennen.

Also wandte sie den Blick etwas ab, bückte sich dann, als sie gefunden hatte, wonach sie gesucht hatte, und hielt Wesker dann die Sonnenbrille hin, die erstaunlicherweise vollkommen unversehrt war.
 

Dann wandte die Blonde den Blick erneut ab und nun der gefallenen BOW zu.

Sie musste nicht fragen, was hier passiert war, oder um wen es sich bei der toten BOW handelte.

Zum Einen konnte sie es sich denken, zum Anderen lagen außen herum Fetzen des grauen Anzuges verteilt, den der Simmons-Klon getragen hatte.

Er war also tot, das war doch eine Erleichterung, auch, wenn es nichts änderte. Auch für Sherry nicht.

Wie Wesker schmerzte auch sie der Tod des jungen Söldners, immerhin hatte sie ihn geliebt.

Und nie hatte sie ihm das sagen können, vor seinem Tod war nur noch Zeit für sein leises, kraftloses Geständnis gewesen.

Tränen schossen Sherry bei der Erinnerung in die Augen, und sie biss sich leicht auf die Lippen, versuchte, sich das Weinen irgendwie zu verkneifen.

Vor Wesker musste das nun wirklich nicht sein, auch, wenn er momentan alles andere als ihr Feind war, eher ein Verbündeter, ein Verbündeter mit dem gleichen Ziel und den gleichen Beweggründen.
 

„Kannst du aufstehen?“, fragte Sherry nun, als sie es irgendwie geschafft hatte, die Tränen wieder zurück zu drängen, und sie sah auf Wesker hinab.

Blass war er noch immer, seine Augen konnte sie nun nicht mehr erkennen, da er die Sonnenbrille wieder aufgesetzt hatte.

Ein Schweigen war die Antwort, und die Blonde runzelte leicht die Stirn, beugte sich hinab, weil sie befürchtete, dass Wesker vielleicht doch bewusstlos geworden war. Immerhin konnte sie nicht mehr sehen, ob er die Augen geöffnet oder geschlossen hatte, und so regte er sich nicht.

„Ich werde es versuchen müssen“, murmelte der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain dann jedoch und stemmte sich vorsichtig hoch.

Ein zischender Laut kam über seine Lippen, und kurz ließ er sich doch wieder zurück sinken, atmete tief durch und biss bei dem zweiten Versuch fest die Zähne zusammen.

Trotz allem war es erbärmlich, sich vor Sherry eine solche Blöße zu geben, aber ändern konnte Wesker das nun einmal nicht.

Als er dann endlich stand, lehnte er sich erst einmal gegen die Wand und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.

Wenigstens waren die Verletzungen verheilt, und er bekam kein Fieber. Das wäre mehr als ärgerlich gewesen.

Er musste es vermutlich nur etwas ruhiger angehen lassen, dann würde seine Kraft bald wieder ganz zurück gekehrt sein. Davon war Wesker überzeugt.
 

„Wo… wo hast du Jake hingebracht?“

Bei dieser Frage der jungen Agentin ballte Wesker erst einmal die Hände zu Fäusten und presste die Lippen zusammen.

Dann seufzte er leise, schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab, ehe er seine Haltung wieder ein wenig lockerte.

„Zu mir nach Hause. Ich habe versucht, ihn zu retten, aber…“

„Hast du etwa…!?“

Mit einer knappen Geste unterbrach Wesker die junge Frau und schüttelte langsam den Kopf.

„Ich habe ihm lediglich etwas von meinem Blut gegeben, in der Hoffnung, das T-Virus könne irgendetwas bewirken. Aber das hat es nicht“, erwiderte er, und er hatte Mühe, weiterhin ruhig zu sprechen.

Dennoch entging Sherry nicht, wie sehr ihn das schmerzte, das konnte er ihrem Blick deutlich ansehen.

Und irgendwie machte es ihm kaum noch etwas aus, dass er für sie gerade so etwas Ähnliches wie ein offenes Buch zu sein schien.

Diese Frau war nicht seine Feindin, im Gegenteil. Da dachte er genau so wie sie.

Zudem hatte sie seinen Sohn geliebt, und dieser sie.

Und dann war sie auch noch Birkins Tochter.

Nervig war William gewesen, ja. Mit seinem heißgeliebten G-Virus, als hätte er für nichts anderes mehr Augen gehabt. Aber gehasst hatte Wesker ihn nicht, nein.

Und seine Tochter schien ja auch ganz in Ordnung zu sein.
 

‚Wirklich eine interessante Ironie…’, dachte er sich nur wieder, als er Sherry ein weiteres Mal musterte.

Dann jedoch wandte er leicht den Blick ab, als die junge Frau seinen erwiderte und den Kopf schief legte.

„Was ist?“, wollte sie wissen, doch Wesker schüttelte nur den Kopf.

„Nichts, du hast mich nur… ein wenig an deinen Vater erinnert“, gestand er dann ruhig, und ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen.

„Ja… du hast mit ihm gearbeitet, nicht wahr?“

„Habe ich.“

Die Antwort war knapp, und Sherry wusste, dass Wesker nun nicht irgendwelche Geschichten aus der Vergangenheit erzählen würde.

Und im Grunde war das ja auch nicht nötig. Sherry wusste genug über die Arbeit ihrer Eltern.

Und sie hatte im Moment auch kein wirkliches Interesse daran, das alles wieder auszugraben.

Zumal das gerade auch wirklich nicht von Belang war. Nun zählten ganz andere Dinge.

Sherry musste zurück zu Chris und Piers, und hoffentlich hatte auch Jill es heile zurück geschafft.

Dann mussten sie sich mal bei Leon und Claire melden, denn so langsam lief das hier alles aus dem Ruder.

Vielleicht hatte Ada ihnen ja ein wenig weiterhelfen können.

Und die Regierung, auch die mussten sie mal wieder kontaktieren.

Noch sah es nicht so aus, als hätten die sich irgendwie für einen Kampf gerüstet, und auch von Hunnigan war nichts mehr gekommen.

Aber die wichtigste Frage, bevor Sherry sich um all das kümmern konnte, war immer noch die, was sie mit Wesker anfangen sollte.

Mitnehmen konnte sie ihn schlecht. Dann wäre er ein toter Mann, sobald Chris ihn erblickte.

Dass Wesker im Moment irgendein Interesse daran hatte, den Soldaten zu töten, glaubte die Agentin irgendwie nicht.

Aber so oder so, mitnehmen konnte sie ihn nicht. Genauso wenig konnte sie ihn aber einfach hier stehen lassen.

Er hatte seinen Sohn verloren, er hatte ihn gerächt und somit auch eine Gefahr für sie alle gebannt. Und er selber stellte momentan keine dar.

Sie musste sich irgendwie um ihn kümmern, wenigstens so lange, bis er nicht mehr ganz so blass war, und bis er stehen konnte, ohne dass Sherry glaubte, er würde im nächsten Moment einfach schlapp machen.
 

„Was hast du nun vor?“, hörte sie dann auch schon die Stimme des Älteren, und irgendwie war sie froh, dass dieser darauf zu sprechen kam, und sie das nicht selber tun musste.

Eine wirkliche Antwort hatte sie nur leider nicht parat.

„Ich… ich weiß nicht…“, murmelte sie dann und zuckte etwas hilflos mit den Schultern.

„Ich müsste eigentlich zurück zu Chris und den Anderen. Aber…“

Ihr Blick fiel auf den toten Simmons und wanderte dann wieder über Weskers Gesicht, welches durch die dunkle Sonnenbrille nur noch weißer wirkte.

Viel Farbe hatte er schon zuvor nicht gehabt, aber im Moment war er eindeutig zu blass, er war geschwächt.

„Ich will dich ungern hier allein lassen. Und mitnehmen kann…“

Schallendes Gelächter unterbrach die junge Frau, bei dem sie regelrecht zusammenzuckte.

Jedoch eher weniger wegen dem Lachen, als vielmehr aufgrund der Tatsache, dass Wesker nach diesem erst einmal heftig hustete, Blut spuckte und sich mit einem qualvollen Stöhnen an die Brust griff.

Ohne groß nachzudenken war Sherry wieder nah bei ihm und stützte ihn leicht, damit er ihr nicht einfach zusammenbrach.

Irrte sie sich, oder sah sie da leichte Dankbarkeit in seinen Augen aufblitzen, als sie diese kurz erkennen konnte?

„Mach langsam. Dieser… Diese BOW scheint dich ziemlich mitgenommen zu haben“, murmelte Sherry leise und lächelte matt.

„So unsinnig ist es also gar nicht, dich nicht alleine lassen zu wollen…“
 

Wesker gab daraufhin jedoch nur ein leises Murren von sich und wischte sich mit einer knappen Handbewegung das Blut von den Lippen.

Dummerweise hatte Sherry nicht unrecht.

Er war angeschlagen, und weit kam er so vermutlich nicht. Zumindest nicht, wenn doch noch irgendetwas angriff.

„Es geht gleich wieder“, murmelte er dann dennoch, straffte etwas die Schultern und atmete tief durch.

Simmons schien mehr gequetscht zu haben als nur seine Rippen, das war Wesker nun deutlich klar geworden.

Aber auch das würde heilen, das tat es immer. Es dauerte nur eben ein wenig.

Und wenn er so lange die junge Miss Birkin an seiner Seite hatte, warum nicht?

Sie laberte ihn ja nicht unentwegt zu oder wollte irgendetwas wissen. Und sie sah ihn auch nicht einfach die ganze Zeit über an, als hätte sie ein sehr verhasstes Monster bei sich.

Ganz im Gegenteil schien die junge Frau sich wirklich um ihn zu sorgen, und das war etwas, das Wesker beim besten Willen nicht verstand.

Er hatte nicht unbedingt viel Gutes in seinem Leben getan. Eigentlich so gut wie gar nichts.

Durch ihn waren viele Menschen gestorben, noch weitaus mehr hatte er hintergangen und für seine Pläne benutzt.

Und er hatte auch nichts getan, um auch nur irgendetwas davon wieder gut zu machen.

Ja, er war ‚nett’ zu seinem Sohn gewesen, hatte davon abgesehen, ihn kontrollieren zu wollen, hatte ihn in sein Herz geschlossen.

Aber an seinen Taten änderte das ja nun rein gar nichts.

Andererseits stellte er nun auch keine Gefahr für Sherry und die Anderen dar, und ihn an seiner Seite zu haben, das war sicherlich nicht verkehrt. Wenn er fit war, konnte es kaum einer mit ihm aufnehmen.

Und zudem hatte er Simmons getötet, das gab sicherlich auch einen Pluspunkt bei Sherry.

Aber Wesker hatte eigentlich auch gar keine Lust, sich jetzt großartig Gedanken über das Warum zu machen. Er nahm es einfach hin, wie es war. Und wenn es doch irgendwelche Probleme geben sollte, würde er diese schon regeln können. Auf die ein oder andere Art und Weise.
 

Er seufzte also leise, schüttelte innerlich den Kopf und schloss für einen Moment die Augen, bis sich der Schmerz wieder halbwegs gelegt hatte.

Dann wandte er den Blick Sherry zu und zuckte leicht mit den Schultern.

„Du willst mich also weder stehen lassen, noch willst du mich mitnehmen. Hast du sonst irgendeinen Plan, was du mit mir anfangen willst?“, fragte er und klang schon fast etwas belustigt.

Was wollte Sherry denn machen?

Sie schien nichts dabei zu haben, mit dem sie ihn hätte versorgen können, zumal von äußerlichen Wunden ohnehin nichts mehr zu sehen war.

Und Wesker bezweifelte, dass die blonde Agentin ihn auf offener Straße operieren wollte, um gegen mögliche innere Verletzungen anzugehen.

Und das hätte er auch niemals zugelassen.

Was also wollte sie dann tun?

Sich irgendwo mit ihm hinsetzen? Ein gemütliches Örtchen finden, an dem er wieder zu Kräften kommen konnte, um währenddessen seine Leibgarde zu spielen?

Auch das war etwas, das sich der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain nur schwerlich vorstellen konnte.
 

„Ich… ich weiß es doch nicht…“, erwiderte Sherry dann nur wieder, und sie klang nun schon fast ein wenig verzweifelt.

Sie gab sich Mühe, das musste man ihr lassen.

Es schien ihr wirklich wichtig zu sein, irgendetwas zu finden, das sie nun tun konnte.

„Wollen wir uns… in irgendein Haus setzen? Oder… oder soll ich dich… nach Hause begleiten?“

Das war vermutlich die beste Idee.

Zu Hause war Wesker bestimmt sicher, und dort konnte er sich ausruhen. Da hatte er dann auch sicherlich etwas, um sich selber zu versorgen und ein wenig zu pushen, wenn es sein musste.

Doch die Antwort, die Sherry auf diese Frage erhielt, überraschte sie. Wenn auch nur im ersten Moment.

„Nein… nein, ich möchte nicht nach Hause“, erwiderte Wesker, und jeglicher Rest an Kälte war aus seiner Stimme gewichen und hatte wieder diesem unbekannten Schmerz Platz gemacht, den wohl noch niemand zuvor bei ihm gehört hatte.

„Ich… verstehe. Jake, nicht wahr?“, murmelte Sherry und biss sich auf die Lippen. Natürlich wollte er jetzt nicht dahin, wo sein toter Sohn lag. Das hätte sie sich ja denken können.

„Gut, dann… dann gehen wir einfach ein wenig. Und wenn du nicht mehr kannst, dann sagst du Bescheid, dann suchen wir uns einen ruhigen Ort, ein verlassenes Haus“, entschied die Blonde nun also, und sie musste doch etwas grinsen, weil es so grotesk war, in dieser Art und Weise ausgerechnet mit Albert Wesker zu reden.

Und es war auch trotz allem schwer, für diese Zeit zu vergessen, was der Mann alles in seinem Leben getan hatte.

Aber sie musste das einfach tun, musste vergeben, musste helfen. Allein schon für Jake.

Denn immerhin war Wesker sein Vater.

Und Sherry wusste, wie es war, wenn man seinen Vater liebte, auch wenn man kaum etwas von diesem hatte. Mit ihrem war es nicht anders gewesen. Wesker hatte ihren Vater vermutlich häufiger zu Gesicht bekommen als sie selber .Und ein Monster war William Birkin ja im Grunde auch gewesen. Vor allem zum Ende hin, ein Monster im wahrsten Sinne des Wortes.
 

„Gut, wie du meinst, dann gehen wir“, nickte der Blonde nun und riss Sherry damit aus ihren etwas traurigen Gedanken.

Sie erwiderte das Nicken, straffte ebenfalls die Schultern und atmete tief durch, ehe sie mit Wesker die verlassene Straße in dieser toten Stadt entlang ging, den Älteren noch immer ab und an stützend, und ein ganz leichtes, trauriges Lächeln auf den Lippen.

Wo sollte das alles noch hinführen, was sollte noch passieren?

Oder passierte überhaupt noch etwas? War es nicht vielleicht schon vorbei?

Wesker stellte nichts mehr an, und Simmons war tot.

Die Verantwortlichen für all das hier waren also unschädlich gemacht worden.

Nun musste eigentlich nur noch die Regierung ihre Truppen los schicken, um die Infizierten und die BOWs zu beseitigen.

Und mit dieser doch eher naiven Hoffnung lächelte Sherry nun etwas fröhlicher, und ihre Schritte wurden leichter.

Alles würde gut werden, schon sehr bald.

Es würde keine weiteren Opfer geben, und auch sie würde überleben, damit Jakes Opfer nicht ganz umsonst gewesen war.

Der Albtraum wiederholt sich

Eine ganze Weile lang war Sherry mit Wesker unterwegs gewesen, doch sobald es diesem etwas besser gegangen war, hatten sich ihre Wege wieder getrennt.

Der Blonde war, weil es sich einfach nicht länger vermeiden ließ, nach Hause zurück gekehrt, und Sherry hatte sich auf den Weg zu Chris und den Anderen gemacht.

Einen verpassten Anruf von Jill hatte sie auf dem Handy entdeckt, und schnell hatte sie ihr in einer kurzen Nachricht geschrieben, dass alles in Ordnung war, und dass sie zurück kommen würde, dass sie bereits auf dem Weg war.

Und auch, dass der Simmons-Klon endgültig vernichtet worden war, von Wesker.

Anschließend hatte die junge Agentin bei Hunnigun angerufen, weil sie sich langsam doch Sorgen machte, dass von Seiten der Regierung gar keine Rückmeldungen mehr kamen.

Hunnigan hatte sich entschuldigt, weil einfach so viel los gewesen war, und sie sich deshalb nicht hatte melden können.

Truppen würden jedoch jeden Moment ausrücken, um die restlichen Virusträger unschädlich zu machen.

Auch das hatte Sherry Jill dann in einer weiteren SMS mitgeteilt, damit sie und die Anderen schon einmal ein wenig aufatmen konnten, ehe sie ihre Schritte ein wenig beschleunigt hatte.

Sie wurde langsam wirklich müde, und der Verlust schmerzte noch immer sehr, er war kaum zu ertragen, vor allem jetzt, da doch ein Teil der Angst von Sherry abfiel.
 


 

Als die Agentin nach einer Weile ankam, richteten sich die Blicke der Drei auf sie, und in ihren Augen zeichnete sich Schmerz ab.

Selbst in Piers' Blick war dieser deutlich zu erkennen.

Klar, er hatte Jake nicht gemocht, aber den Tod hatte er ihm nicht gewünscht, nicht mehr.

Irgendwie waren sie in der kurzen Zeit doch alle ein wenig zusammengewachsen, und auch Jake hatte er verstehen gelernt.

Natürlich rechtfertigte nichts davon, dass der Kerl auf seinen Captain geschossen und ihn dieses Mal fast getötet hatte, aber dennoch milderte es die Umstände ein wenig.

Und letzten Endes war Jake bei dem Versuch gestorben, sie alle zu retten. Das war ihm durchaus hoch anzurechnen.

„Es tut mir leid, Sherry", murmelte der junge Soldat deshalb leise, erhob sich und legte leicht die Arme um die Blonde, die bei dieser sanften Berührung dankbar seufzte.

Die Nähe tat gut, und sie zeigte ihr, dass sie nicht alleine war, dass sie hier Freunde hatte, die ihr halfen, irgendwie mit dem Schmerz klar zu kommen. Und das war einfach wunderbar, alleine das Wissen half, sich ein wenig besser zu fühlen.
 

„Hey…"

Sherry blinzelte leicht, als sie Piers' Stimme erneut vernahm, dieses Mal leiser, beinahe etwas besorgt.

Und erst jetzt merkte die Blonde, dass sie sein Oberteil an der Schulter schon mit ihren Tränen genässt hatte.

Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass sie wieder zu weinen begonnen hatte, es war einfach über sie gekommen.

Sie waren in Sicherheit, Simmons war tot, Wesker stellte keine Gefahr mehr dar.

Nun ließ das Adrenalin nach, und die Trauer übermannte die junge Frau einfach.

Schluchzend drückte sie sich etwas an Piers und krallte die Finger in sein Oberteil.

Etwas unbeholfen strich der junge Soldat über Sherrys Rücken, um sie irgendwie zu trösten.

Damit hatte er nicht unbedingt Erfahrung. Chris wäre eher der Mann für so etwas gewesen. Oder am besten Jill, die war immerhin eine Frau. Und Frauen konnten so etwas ja meistens besser.

Aber Chris war noch immer ziemlich angeschlagen, auch wenn seine Verletzung halbewegs geheilt war, in der kurzen Zeit, in der sein Körper das C-Virus beherbergt hatte.

Aber das Blut hatte es nicht auffüllen können, und der Kampf von Virus gegen Antivirus hatte seinem Körper ebenfalls zugesetzt.

Jill hätte zwar die Möglichkeit gehabt, Sherry zu trösten, aber Piers war nun einmal als Erster aufgestanden, und so hatte sich die Blonde eben ihm an den Hals geworfen.

Und es störte ihn ja auch nicht, er wusste nur nicht, was er tun oder sagen sollte.
 

Aber etwas zu tun oder zu sagen war eigentlich auch gar nicht nötig.

Sherry reichte die Nähe, das Wissen, jemanden bei sich zu haben, Menschen, denen sie vertrauen konnte.

Langsam beruhigte sie sich dann auch wieder, wischte sich die restlichen Tränen weg und blickte entschuldigend auf den nassen Fleck auf Piers' Oberteil.

Doch der Scharfschütze schüttelte nur den Kopf und strich Sherry eine ihrer kurzen Haarsträhnen aus dem Gesicht.

„Alles wieder ok?", fragte er, auch wenn er wusste, dass natürlich nicht alles ok war.

Weinen brachte Jake nicht zurück, und auch, wenn Sherry mit dem Schmerz nun etwas besser klar kam, war der nicht einfach verschwunden.

Dennoch antwortete Sherry mit einem Nicken und einem schwachen Lächeln.

„Ja, geht schon wieder."

Was sollte sie auch sonst sagen? Jammern, wie schlimm das alles war? Das wollte sicher keiner der Anderen hören, auch wenn sie sich vermutlich nicht einmal beschwert hätten. Aber es musste dennoch nicht sein.
 

Sherry wollte ihren Worten gerade trotzdem noch etwas hinzufügen, als sie ein leises Brummen vernahm und dann einen ihr bekannten Klingelton hörte.

Ihre Hand wanderte zu ihrem Handy, und sie erkannte Hunnigans Nummer.

Sherry bedeutete den Anderen, leise zu sein, auch wenn von ihnen ohnehin keiner etwas gesagt hatte, dann ging sie ran, meldete sich und wartete ab.

Nach und nach verfinsterte sich ihre Miene, dann wurde Sherry immer blasser, und sie begann so sehr zu zittern, dass Piers fürchtete, sie würde gleich einfach das Handy fallen lassen.

Wieder waren alle Blicke auf die junge Agentin gerichtet, die nun einfach ins Leere stierte und Hunnigan weiter zuhörte, oder vielleicht auch nicht mehr, das war ihrem Blick nicht mehr wirklich zu entnehmen.

„Sherry…?", versuchte Piers es deshalb, und auch Jill kam ihr näher, bedeutete Chris, der sich ebenfalls erheben sollte, mit einem strengen Blick, lieber sitzen zu bleiben.

„Was ist los?" Sherry, wer ist dran? Was ist passiert?"

„Hey?!"
 

Erst Piers' lautere Stimme holte die Blonde wieder richtig hoch, und sie blinzelte ein paar Mal, bis sie sich wieder des Telefons in ihrer Hand bewusst wurde, an dem sie nun wieder Hunnigans Stimme vernahm, die ebenfalls lauter und besorgter geworden war.

„Ich… ich hab verstanden. Wir… wir werden sehen, ob wir das irgendwie… verhindern können", stammelte sie, legte auf und ließ das Handy dann tatsächlich einfach fallen, ehe sie selber nach vorne und in Piers' ausgebreitete Arme fiel.

Zum Glück reagierte der Scharfschütze automatisch verdammt schnell und konnte sie deshalb auffangen.

„Was zum Teufel ist denn passiert?", wollte er wieder wissen, und seine Stimme klang sehr alarmiert.

Sherry sah aus, als hätte man ihr berichtet, dass man sie alle grausam abschlachten würde.

Und was sollten sie verhindern?

Doch Piers fragte nicht noch einmal nach, sondern wartete nun, bis Sherry wieder richtig bei sich war, die Schultern straffte, und sie alle drei mit ernstem Blick ansah.

„Ruft… ruft Leon und Claire her und dann… dann muss ich euch etwas Schreckliches mitteilen", flüsterte sie und senkte leicht den Blick.

Was Hunnigan ihr da gesagt hatte, konnte sie einfach nicht glauben…
 


 

„Sie… sie werden was?!"

Leon starrte Sherry bei ihren Worten ungläubig an, schüttelte den Kopf und ballte die Hände zu Fäusten.

Das konnte nicht wahr sein, das durfte nicht wahr sein!

Sollte das alles wieder von vorne los gehen?

Sollten schon wieder so viele Unschuldige…

Aber gab es überhaupt noch welche? Bisher hatten sie keinen lebenden Menschen mehr gesehen, sie waren die Einzigen.

Und sie wussten Bescheid, sie konnten verschwinden.

Und dennoch… dennoch wollte Leon das einfach nicht glauben.

„Hunnigan hat versucht, sie abzuhalten, ihnen zu erklären, dass es nicht nötig ist. Aber der neue Präsident ist anderer Meinung. Simmons und er wären vermutlich gute Freunde geworden…", murmelte die Blonde und seufzte leise und müde auf.

„Sie wollen die Stadt vernichten, auslöschen, wie sie es mit Raccoon City getan haben. Einfach alles in die Luft sprengen, alle Spuren verwischen und den Menschen irgendein Märchen auftischen…"
 

Und das war es, was Leon am meisten aufregte.

Sie waren so nah dran gewesen, der Welt die verdiente Wahrheit zu präsentieren.

Die Menschen hatten ein Recht darauf, zu erfahren, was wirklich da draußen vor sich ging.

Ja, es würde eine Panik geben, vermutlich. Aber dann waren die Leute wenigstens gewarnt.

Doch so?

So wurde alles wieder totgeschwiegen, alles vertuscht, der Bioterrorismus als Mythos dargestellt, der gar nicht existierte.

Es war wie damals mit S.T.A.R.S..

Niemand würde ihnen glauben, wenn sie versuchten, doch alles an die Öffentlichkeit zu bringen.

Selbst jetzt, 15 Jahre nach Raccoon, war es noch immer so verdammt kompliziert, den Menschen die Wahrheit zu berichten.

Denn es gab immer Leute wie Umbrella, Simmons, den neuen Präsidenten.

Leute, die nur an sich selber dachten, an ihren Ruf.

Ruf… Was brachte der einem schon? Ruf half nicht, zu überleben, sich zu verteidigen, den Wahnsinn zu beenden.

Ruf brachte einem verdammt noch mal rein gar nichts.
 

„Und was machen wir jetzt?"

Claire hatte sich zu ihrem Bruder auf die Couch gesetzt und diesen erst einmal eingehend besorgt gemustert.

Als sie gehört hatte, was passiert war, war sie entsetzt gewesen, aber Chris hatte sie beruhigt, dass alles in Ordnung war, dass er das überstehen würde.

Und trotz allem hatte Claire und Leon auch Jakes Tod erschreckt.

Von Wesker hatte Sherry erst einmal nichts berichtet. Sie hatte nicht einmal gesagt, dass dieser Jakes Leiche hatte, und auch Jill hatte nichts dazu gesagt.

Sherry hatte die Lüge in den Raun geworfen, dass sie Jakes Körper vergraben hätte, wie es sich eben gehörte.

Niemand hier musste unbedingt die Wahrheit wissen.

Und sie war sicher, dass sie Wesker, zumindest, was seinen Sohn betraf, vertrauen konnte, dass er dessen Körper nichts antun würde.

Und vermutlich würde der Blonde Jake später selber wirklich vergraben oder verbrennen.

Wieder schluckte Sherry schwer, doch sie schaffte es, nicht wieder in Tränen auszubrechen, sondern konzentrierte sich einzig und alleine auf Claires Frage.

„Ich weiß es nicht", murmelte sie dann aber nur und schüttelte hoffnungslos den Kopf.

Was sollten sie auch schon tun? Sie konnten keine Truppe der Army aufhalten, das war unmöglich.

Hunnigan hatte ja schon alles versucht, und auch sie hatte keinen Erfolg gehabt.
 

„Ich fürchte, wir… wir können nur fliehen", fügte sie dann leise hinzu und ließ den Kopf hängen.

Ja, das war vermutlich ihre einzige Wahl.

Die Stadt verlassen, dabei schauen, dass nichts und niemand außer ihnen sie verlassen hatte. Zumindest nichts, das nicht menschlich und am Leben war.

Und wenn sie unterwegs den ein oder anderen Infizierten trafen, oder irgendeine BOW, dann mussten sie diese vernichten.

Mehr konnten sie nicht mehr tun.

Diese Stadt war verloren, so, wie Raccoon vor guten 15 Jahren verloren gewesen war.

Sie alle waren dort gewesen, jeder Einzelne von ihnen.

Sherry war damals erst 12 gewesen, doch sie erinnerte sich an alles.

An die Angst, die schiere Panik, an die Erleichterung, als sie Claire und Leon begegnet war.

Daran, wie sie erfahren hatte, dass ihre Eltern gestorben waren, daran, wie die Regierung Leon und sie aufgeschnappt hatten.

Und Jill und Chris waren wenige Monate vor dem schlimmsten Ausbruch dort gewesen.

Beim Vorfall im Spencer-Anwesen.

Gemeinsam mit Wesker, der an diesem Tag Chris' Erzfeind geworden war.

Und Jill war anschließend ebenfalls in der Stadt gewesen und hatte einen erbitterten Kampf gegen die mächtige BOW Nemesis gefochten.
 

Ja, das war etwas, das diese Gruppe wirklich zusammenschweißte.

Ihre gemeinsamen Erinnerungen an Raccoon City.

Und so traf es sie alle wie ein Schlag.

Für jeden war das, was hier nun passieren sollte, ein Déjà vue.

Sie hatten es in Raccoon City erlebt, bis auf Chris, und sie sollten es nun wieder erleben.

Und schon in China hatten sie gedacht, dass sich das Unglück wiederholen würde, dieses Mal weltweit.

Das hatten sie verhindern können.

Die gesamte Welt hatten sie retten können, warum dann nicht auch eine einzige Stadt?

Gut, hier war es nicht das Werk Derjenigen, die mit den Viren spielten.

Hier gab es keine einsame Rakete auf einem Schiff, die sie abwehren konnten.

Und selbst da war es ihnen letztendlich doch nicht ganz gelungen. Die Stadt Tatchi hatte dran glauben müssen.

Vielleicht mussten sie es einfach endlich einsehen. Sie konnten nicht immer alle retten. Opfer völlig zu vermeiden, das war einfach unmöglich, so sehr sie es auch immer und immer wieder versuchten.

Das hier war kein Film mit einem perfekten Happy End, es war die Realität. Und die sah nun einmal weitaus düsterer aus.
 

„Dann sollten wir uns auf den Weg machen und verschwinden", murmelte Chris nun, und er erhob sich mit einem leisen Ächzen von der Couch.

Noch immer war er blass, und seine Stirn glänzte vor Schweiß.

Piers warf seinem Captain einen strengen Blick zu, sagte aber nichts.

Er hatte ja recht, sie mussten verschwinden, so schnell wie möglich.

Hier konnten sie einfach nichts mehr tun, es war aussichtslos.

Das wusste jeder Einzelne von ihnen, auch wenn Sherry beim Telefonat wenigstens versucht hatte, irgendwie Hoffnung aufzubringen. Es war sinnlos.

Piers nickte also leicht, und Jill und Claire stützten nun Chris, während der Scharfschütze auf die Tür zu trat, sie öffnete, und gemeinsam mit den Anderen das Haus verließ.

Er wollte sich dann auch gerade dem Weg aus der Stadt hinaus zu wenden, als Sherry mit einem Mal stehen blieb, auf ihrer Unterlippe herum kaute und nach Worten zu suchen schien.

„Was ist noch?", hakte Piers nach und sah die Blonde mit gerunzelter Stirn an.

Diese schwieg noch einen Moment, dann hob sie den Blick, sah erst den Scharfschützen und anschließend dessen Captain an.
 

„Es… es ist… wegen Wesker", murmelte sie dann und wandte den Blick wieder ab.

„Er… er hat Jake. Er kam zu uns, nachdem der Simmons-Klon ihn…"

Sherry stockte, schluckte schwer und biss sich so fest auf die Lippe, dass sie Blut schmecken konnte.

„Jake ist sein Sohn, er würde ihm nichts tun. Und Wesker war es ja auch, der Simmons vernichtet hat. Er… er ist am Boden zerstört, er hat kein Interesse mehr daran, uns zu jagen und zu töten", meinte sie leise, wie, um sich zu rechtgertigen, und blickte nun doch wieder zu Chris, sah diesem direkt in die Augen.

„Wir müssen ihn warnen, bitte", fügte Sherry nun noch hinzu, und ihr Blick war ebenso flehend wie ihre Stimme.

Chris' Hände ballten sich zu Fäusten, und man konnte dem B.S.A.A.-Captain deutlich ansehen, dass er sich alle Mühe gab, nicht die Beherrschung zu verlieren.

Dann jedoch beruhigte er sich langsam wieder und atmete ein paar Mal tief durch.

„Na schön, suchen wir ihn und warnen wir ihn. Aber dann verschwinden wir. Wesker wird schon alleine klar kommen", murrte Chris und wandte sich ab.

„Wo lang?"

Sherry atmete etwas auf, lächelte leicht und gab die Richtung vor, in die sie mussten, um zu Weskers Haus zu gelangen. Sie war sicher, dass er dort sein würde.

Und nach allem, was hier passiert war, wollte sie ihn wenigstens vor dem warnen, was passieren würde.

Damit er die Chance hatte, ebenfalls zu entkommen.

Seinen Tod wollte Sherry nicht mehr.

Immerhin war Wesker alles, was sie noch irgendwie mit Jake verband…

Farewell

Sherry schwieg, als sie sich auf den Weg zu Weskers Haus machten.

Die Stimmung war bedrückt, verständlicherweise.

Ja, dieser Horror würde ein Ende haben, schon in wenigen Stunden.

Die BOWs würden vernichtet werden, die ganze Stadt würde von der Bildfläche verschwinden.

Im Grunde war das ein Grund, aufzuatmen, zumindest ein wenig Erleichterung zu empfinden.

Aber im Moment konnte das noch keiner von ihnen.

Sie hatten versagt, das konnten sie einfach nicht leugnen.

Nichts, aber auch rein gar nichts, war ihnen hier gelungen.

Alles, was sie erreicht hatten war, dass Jake sterben musste, und dass es Chris und Piers auch beinahe erwischt hätte, ebenso wie Leon, als Wesker Chris dazu gebracht hatte, diesen anzugreifen.

Und wäre Ada nicht…

„Verdammt! Verdammt, ich muss… ich muss Ada warnen!", rief Leon just in dem Moment auch schon aus und blieb wie angewurzelt stehen.

In der ganzen Aufregung hatte er die Asiatin für einen Moment tatsächlich vergessen.

Aber wie sollte er sie nun finden? Ada konnte überall sein, vielleicht hatte sie die Stadt sogar schon verlassen.
 

‚Handy… ich hab ihre Handynummer', dachte er dann etwas aufatmend und kramte sein eigenes Handy hervor.

Dann sah er zu den Anderen, die ebenfalls stehen geblieben waren, räusperte sich leicht und bedeutete ihnen, dass sie weiter gehen konnten, ehe auch er selber sich wieder in Bewegung setzte, während er Adas Nummer wählte, das Handy an sein Ohr hielt und betete, dass sie ran gehen würde.

Und das tat sie dann auch.

„Hallo Agent Kennedy, hast du mich sehr vermisst~?", hauchte sie mit etwas verführerischer Stimme ins Telefon, wurde aber sofort ernst, als Leon sie mitten im Satz mit ungewohnt scharfer Stimme unterbrach.

Für so etwas war nun wirklich keine Zeit.

„Ada… du musst verschwinden, du musst raus aus der Stadt, wenn du noch hier bist. Hunnigan hat angerufen. Die Regierung hat vor, die Stadt zu vernichten, so wie Raccoon vernichtet worden ist!"

Ada, auch sie gehörte zu den Leuten, die in Raccoon City gewesen waren, gemeinsam mit Leon und Claire.

Auch für sie sollte sich der Albtraum hier wiederholen.
 

Kurz herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann war ein leichtes Schlucken zu hören, ehe Ada tief durchatmete.

War sie etwa nervös? Irgendwie konnte sich Leon das gar nicht wirklich vorstellen.

Andererseits war auch die Spionin nur ein Mensch.

„Ich habe verstanden, Leon. Danke. Ich werde sofort verschwinden."

Sie schwieg wieder, und Leon glaubte, dass sie auflegen würde, als er ihre Stimme doch noch einmal vernahm.

„Leon… pass auf dich aus. Komm heile aus der Sache raus", fügte sie ihren Worten noch hinzu, dann ertönte nur noch ein Tuten vom anderen Ende der Leitung.

„Mache ich… tu du mir nur den gleichen Gefallen", murmelte Leon seinem nun wieder stillen Handy zu, dann packte er es weg, beschleunigte seine Schritte und schloss zu den Anderen auf.
 

Und wieder herrschte Schweigen, wieder hing jeder seinen eigenen Gedanken nach.

Versagt, das war das Wort, was allen immer wieder durch den Kopf schoss.

Sie hatten Simmons nicht vernichtet, das hatte Wesker für sie erledigen müssen.

Sie hatten noch immer keine Ahnung, was dieser Klon genau geplant hatte, was seine Absichten, seine Gründe gewesen waren.

Wo die Reste des C-Virus hergekommen waren, wo sich vielleicht noch immer welche befanden.

Und auch gegen Wesker hatten sie nichts ausrichten können.

Gut, der hatte, abgesehen davon, dass er Reste des T-Virus freigesetzt hatte, nicht sonderlich viel getan.

Aber alleine das war schon mehr, als sie hätten zulassen dürfen.

Und eigentlich war es trotz allem falsch, Wesker die Möglichkeit zur Flucht zu verschaffen.

Zumal Chris irgendwie sicher war, dass der es auch überleben würde, wenn man die Stadt ausradierte.

Und sobald die Regierung damit begann, war der Blonde ohnehin gewarnt.

Das hier tat der Captain des Alpha-Teams nur Sherry zuliebe.

Wesker war alles, was sie irgendwie noch an Jake erinnerte, das verstand er durchaus.

Und Wesker hatte Simmons vernichtet.

Er hatte gezeigt, dass er Gefühle hatte, indem er Jake zu sich genommen und versucht hatte, ihn zu retten.

Und auch davor schon, als er darauf verzichtet hatte, das Mittel bei Jake einzusetzen, oder als er auf dessen Einschreiten hin von Sherry abgelassen hatte und gegangen war.

Das alles zeigte deutlich, dass Wesker nicht mehr das Monster war, als das Chris ihn kannte.
 

Und dennoch…

Der Blonde hatte schon wieder so viele Menschenleben auf dem Gewissen.

Und auch sie hatte er töten wollen, als er die Kneipe in Brand gesetzt hatte.

Konnte Chris wirklich riskieren, diesen Mann nun laufen zu lassen? Nur, weil er einmal im Leben etwas Gutes getan hatte?

Änderte das irgendetwas an all den Verbrechen? An all den Morden, dem Verrat?

Wieder ballten die Hände des Soldaten sich zu Fäusten, und er schloss für einen kurzen Moment die Augen.

Er war müde, er wollte sich nicht länger aufregen, das führte zu nichts.

Und trotzdem war er einfach unsicher.

Wesker war ein Monster, nach wie vor, auch wenn er sich ein wenig geändert hatte.

Chris' Blick fiel auf Sherry, und er musterte die junge Frau nachdenklich.

Sie wirkte nervös, unsicher, besorgt…

Besorgt um Wesker?
 

Chris fluchte innerlich leise.

Sie hatten es doch ohnehin schon vollkommen vermasselt.

Da machte es auch nichts mehr, wenn er Wesker nun auch noch laufen ließ.

Wen kümmerte das schon?

Keiner würde davon ausgehen, dass sie ihm zur Flucht verholfen hatten.

Es spielte auch gar keine Rolle mehr, wenn doch.

Das hier war gelaufen, es war vorbei.

In wenigen Stunden würde von dieser Stadt nichts mehr übrig sein, bis auf Flammen, Qualm und Trümmer.

Sie brachten sich in Sicherheit, Ada und Wesker taten es ihnen gleich, und dann gingen sie alle wieder ihrer Wege, bis das nächste Unglück auf sie zukam.

So war es doch bisher immer gewesen.

Der Braunhaarige seufzte leise, schüttelte den Kopf und atmete tief durch, ehe er ein wenig die Schultern straffte und versuchte, so gut es ging, alleine zu laufen.

Claire und Jill unterstützten ihn dennoch weiterhin, keiner von ihnen sagte ein Wort.
 

Nach einigen Minuten waren sie dann angekommen, und Sherry sah zu den Anderen, bedeutete ihnen, zu warten, während sie auf das Haus zu trat und klingelte.

Chris und Wesker mussten sich nun trotz allem nicht begegnen, das wollte sie doch lieber vermeiden.

Und so würde sie das eben alleine regeln.

Es dauerte etwas, dann aber hörte die Blonde, wie Schritte sich näherten, ein Schlüssel im Schloss gedreht wurde, und schon schwang die Tür vor ihr auf.

Wesker blickte auf die junge Frau hinab und runzelte leicht die Stirn.

„Sherry, was…?", murmelte er, doch diese brachte ihn mit einer knappen Geste zum Schweigen.

„Wesker, du musst verschwinden, sofort. Die Regierung wird die Stadt vernichten, um das Chaos, welches du und der Simmons-Klon angerichtet haben, zu beseitigen. Die Stadt wird bald in die Luft fliegen. Du solltest dich also besser…"

Doch nun war es Wesker, der Sherry zum Verstummen brachte, und sein Blick wurde beinahe ein wenig leer, als er mit gezwungen ruhiger Stimme antwortete.

„Ich werde nicht gehen, Sherry. Ich habe mitbekommen, was die Regierung plant. Ich habe meine Mittel und Wege, sie zu ‚belauschen'", erklärte er mit einem leisen Seufzen und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen.
 

„Ich habe das hier mit zu verantworten. Zudem habe ich alles verloren, was mir je etwas bedeutet hat. Mein Leben ist nichts mehr wert. Und erreicht habe ich zugegebenermaßen auch nicht gerade viel."

Wesker schüttelte noch einmal den Kopf und atmete tief durch.

Dass er wo etwas mal sagen würde, das hätte er bis zu diesem Moment selber nicht geglaubt.

„Ich war nie der Typ, der sich durch irgendetwas hat unterkriegen lassen. Ich habe nie aufgegeben. Aber ich habe einen Punkt erreicht, an dem es für mich keinen Sinn mehr ergibt, weiter zu leben. Einen Punkt, an dem ich Zeit hatte, nachzudenken und mir über mich und meine Taten klar zu werden", meinte der Blonde ernst, ehe er sich wieder vom Türrahmen löste und die Hand an die Klinke legte.

„Verschwindet, beeilt euch. Ich wünsche euch viel Glück", fügte Wesker seinen letzten Worten nur noch hinzu, ehe er die Tür einfach wieder schloss und sich dagegen lehnte.

Sherry starrte das Holz noch einen Moment lang etwas fassungslos an, dann wandte sie sich ab und trat wieder auf die Anderen zu, die sie abwartend ansahen.

„Er wird bleiben", war alles, was Sherry heraus brachte, und sie wandte den Blick ab, senkte diesen zu Boden und atmete ein paar Mal tief durch.

„Gehen wir. Wir sollten keine Zeit mehr verlieren."

Mit einem letzten Blick auf Weskers Haus setzte sie sich in Bewegung, um die Stadt gemeinsam mit den Anderen zu verlassen.
 


 

Schweigend stand Wesker zwischen den Trümmern der Häuser und blickte über die brennende Stadt hinweg.

Über ihm flog die Regierung ihre Runden, um hier alles dem Erdboden gleich zu machen.

Knappe drei Stunden waren vergangen, seit Sherry an seiner Tür geklingelt hatte, um ihm zu sagen, dass er fliehen sollte.

Doch er hatte es abgelehnt, hatte ihr die Tür mehr oder weniger vor der Nase zu geknallt, und war dann nach einiger Zeit aufgebrochen, um sich das Spektakel aus nächster Nähe anzusehen.

Er würde hier sterben, aber das wollte er nicht unbedingt in seinem Haus tun.

Auch, wenn er es dort an der Seite seines Sohnes gekonnt hätte.

Aber trotz allem, auch, wenn er seine Taten im Nachhinein bereute, fand er diese BOWs noch immer unglaublich faszinierend.

Es waren mehr geworden, und Wesker fragte sich doch, wo sie alle in der kurzen Zeit her gekommen waren.

Und ebenso wankten erstaunlich viele Infizierte durch die Straßen der untergehenden Stadt. Hier hatte er selber ganze Arbeit geleistet.

Aber das alles kümmerte ihn nun eigentlich gar nicht mehr.
 

Der Blonde lachte leise und freudlos auf und schüttelte den Kopf.

All die Jahre hatte er für den Bioterrorismus gekämpft, hatte mit Viren und Parasiten herum gespielt und versucht, die Welt zu vernichten, nein, sie neu zu erschaffen, wie er sich selber eingeredet hatte.

Wie dumm er doch gewesen war.

Und nun stand er hier, und es würde der letzte Ort sein, an dem er jemals stehen würde.

Aber vermutlich hatte er es gar nicht anders verdient.

Er musste nun eben für diese Dummheit bezahlen.

Aber zu verlieren hatte er ja eh nichts mehr.

Das Einzige, was ihm jemals wirklich etwas bedeutet hatte, sein Sohn Jake, war ihm so schnell wieder genommen worden.

Er war ganz allein…
 

Seufzend blickte Wesker auf die Waffe in seiner Hand, hob sie an und drückte sie sich gegen die Schläfe, ehe er sie entsicherte.

Er hätte trotz allem weiterleben können, ja. Inmitten der Infizierten, umringt von BOWs. Sie hätten ihn nicht angegriffen. Er hätte in ‚Frieden' mit ihnen zusammen leben können, vermutlich bis in alle Ewigkeit. Oder er hätte die Anderen doch begleiten können, um dem zu entkommen. Aber wozu?

Nein, Albert Wesker hatte wirklich genug von der Welt, endgültig.

Er wollte einfach nicht mehr.

Er hatte mit dem Leben abgeschlossen.

Dennoch wollte er der Regierung nicht die Genugtuung lassen, ihn umzubringen. Das sollte niemandem vergönnt sein, denn niemandem war es bisher gelungen.
 

Kurz ließ er den Blick noch einmal über die Trümmer und Flammen schweifen, die die Raketen und anderen Geschosse der Regierungshubschrauber und Kampfjets verursachten, dann schloss er die Augen, atmete tief durch und drückte ab.

Der Knall des Schusses, der sein Leben auslöschte, hallte durch die gesamte menschenleere Stadt, ohne von irgendjemandem gehört zu werden.

So viele Jahre hatte Chris sich die Zähne an diesem Mann ausgebissen.

Und letztendlich war es eigentlich so leicht gewesen.

Ein einzelner Schuss, richtig gezielt, hatte ausgereicht, um Weskers Wahrnehmung für immer auszulöschen.

Die Waffe fiel ihm aus seiner erschlaffenden Hand, und der Körper des Blonden sackte leblos in sich zusammen.

Kurz leuchteten die leicht geöffneten Augen noch einmal rötlich auf, dann verschwand der Schimmer, und die Iris nahm wieder eine bläuliche Farbe an, so wie sie gewesen war, bevor Wesker sich das erste Mal infiziert hatte.

Dann erlosch auch der letzte Glanz in den Augen des Blonden, sein Körper erschlaffte gänzlich und wurde nun nach und nach von den sich ausbreitenden Flammen verzehrt, ebenso wie der Körper seines Sohnes, der noch immer in Weskers Haus auf dem Bett lag. Das war zumindest das, was der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain zu diesem Zeitpunkt annahm...

Es ist vorbei

„Weißt du… ich hatte ja mit vielem gerechnet. Aber nicht damit, dass mein Supergirl mich einfach als tot abstempelt und zurück lässt.“

Diese Stimme, Sherry konnte es nicht glauben, das war unmöglich.

Abrupt blieb sie stehen, traute sich im ersten Moment nicht, sich umzudrehen, aus Angst, das könne einfach nur ihre Einbildung sein.

Selbst als sich die Anderen schon umgewandt hatten, als sie ihre ungläubigen Gesichter sah, blieb sie selber noch immer mit dem Rücken zu dem jungen Söldner stehen, der ihnen nachgeeilt war.

Blass, etwas ausgemergelt und wackelig auf den Beinen, aber er war am Leben, so unvorstellbar das auch war, und auf seinen Lippen lag ein leicht freches Grinsen.

In Sherrys Armen war er gestorben, selbst Wesker war es durch nichts gelungen, ihn zu retten. Zumindest hatte dieser das gedacht.

Verspätet hatten die Versuche des Blonden Wirkung gezeigt und dem toten Körper das Leben zurück gebracht.

Und der Blonde würde das niemals erfahren, er hatte sein Leben aufgegeben, in dem Glauben, dass sein Sohn ihm genommen worden war.
 

Nun endlich drehte sich auch die junge Agentin um, langsam, fast etwas widerwillig.

Ihre Augen wanderten zu Jake, Tränen schimmerten in ihren, und Sherry zitterte am ganzen Körper.

„Du… du verdammter… Du verdammter Idiot!“, schrie sie ihn an, stürmte auf ihn zu und schlug mit den Fäusten gegen seine Brust, ehe sie bei seinem leichten Keuchen zusammenzuckte und augenblicklich inne hielt.

„Tut mir leid…“, murmelte Jake, und er legte sanft die Arme um die junge Frau, drückte sie an sich und ließ sie weinen, so lange, bis ihre Tränen versiegt waren, bis sie nur noch kraftlos schluchzend in seinem Griff hing.

Immer wieder strich er dabei über Sherrys Rücken, redete leise auf sie ein und versuchte, sie zu beruhigen. Doch das war leichter gesagt als getan.
 

Sherry hatte Jake verloren geglaubt.

Er war tot gewesen, er war vor ihren Augen, in ihren Armen, gestorben.

Wesker hatte ihn mitgenommen, er hatte ihr gestanden, dass er versucht hatte, Jake zu retten, dass es ihm aber nicht gelungen war.

Hatte er gelogen?

Nein, das glaubte die Blonde nicht.

Wesker war immer ein Lügner gewesen, ein Verräter, ja, natürlich.

Aber wenn es um seinen Sohn ging, war es etwas Anderes. Sie hatte deutlich gesehen, wie wichtig dieser ihm war.

Und als Jake gestorben war, hatte Wesker sterben wollen, hatte er in seinem Leben mit einem Mal keinen Sinn mehr gesehen.

Jakes Auftauchen und sein Tod hatten dem ehemaligen S.T.A.R.S.-Captain die Augen geöffnet.

Er war trotz allem ein Mensch gewesen, er hatte Liebe empfinden können, selbst nach allem, was er in seinem Leben getan hatte. Und kaum war ihm das bewusst geworden, war ihm genau das, was er geliebt hatte, wieder genommen worden.
 

„Sherry… seid ihr… seid ihr meinem Vater noch einmal begegnet?“, wollte der junge Söldner nun wissen. Und langsam löste er sich von der Blonden, sah ihr direkt in die Augen.

Sie waren rot vom Weinen, aber nun lag auch noch ein anderer Ausdruck in ihnen. Eine Art Schmerz, der jedoch nicht daher stammte, dass sie ihn verloren geglaubt hatte.

„Sherry…?“, hakte der Jüngere nach, und er runzelte leicht die Stirn, ehe er ein wenig den Kopf schief legte.

„Ich… Jill und ich sind… ihm begegnet“, murmelte sie nach einem kurzen Moment des Schweigens, dann seufzte sie leise und griff nach Jakes Händen.

„Nachdem der Klon dich… dich getötet hatte, haben wir Wesker… deinen Körper überlassen. Er war so… so traurig“, fuhr sie fort, und wieder kamen Sherry Tränen.

Nicht, weil Wesker ihr leid tat, auch, wenn es durchaus so war, sondern, weil sie Jake nun mitteilen musste, dass er zwar am Leben war, sein Vater jedoch vermutlich nicht mehr.
 

„Ja, ich… ich weiß, dass ich bei ihm war. Ich bin in seinem Keller aufgewacht. Und… na ja, wie es aussah, hatte er mich auch schon aufgegeben“, murmelte Jake nachdenklich, ohne dass auch nur der geringste Vorwurf in seiner Stimme lag.

Er selber hatte ja gedacht, diese Verletzung niemals überleben zu können, doch anscheinend hatte er, wie Chris zuvor, Glück im Umglück gehabt. Und er spürte, dass sein Körper nun ein weiteres Virus beherbergte. Eines, das ihm ebenso wenig etwas anhaben konnte wie das C-Virus, das er sich in Edonia selber injiziert hatte.

Sicherlich verdankte er diese kleine Virus-Probe seinem Vater, und sicherlich hatte diese ihn letztendlich auch gerettet.

Und vermutlich…
 

„Er ist tot, Jake. Zumindest kurz davor…“

Diese Worte rissen Jake aus seinen Gedanken, und seine Augen weiteten sich kurz, ehe er den Blick Chris zuwandte, der die Worte ausgesprochen hatte. Ernst aber sanft, als täte ihm das wirklich leid.

Und als der Söldner in die Augen des Älteren blickte, erkannte er, dass er sich nicht geirrt hatte. Es tat Chris leid, das war ihm deutlich anzusehen.

Und wieder einmal schämte sich Jake dafür, dass er diesen Mann angegriffen, dass er ihn fast getötet hatte.

Und auch dafür, dass er einfach weg gelaufen war.

Doch keiner der Anwesenden sprach ihn darauf an, keiner machte ihm Vorwürfe.

Stattdessen schienen sie alle seinen Tod betrauert zu haben.

Er baute Mist, und die Anderen betrauerten ihn auch noch.

Das hatte er nicht verdient, wie er selber fand. Er war doch selbst schuld gewesen, auch, wenn er gegangen war, um zu helfen.

Dennoch war er natürlich dankbar, und er wusste, dass es momentan vermutlich Wichtigeres gab, als ihm irgendwelche Vorwürfe zu machen. Vielleicht kam das ja später noch.
 

„Verstehe…“, murmelte er dann nur, als Sherry Chris abgelöst, und ihre Erklärung beendet hatte, und sein Blick wanderte zurück zu der halb zerstörten Stadt, die er eben verlassen hatte, in allerletzter Sekunde, wie ihm nun klar wurde.

Jake selber hatte ja nichts von der geplanten Zerstörung gewusst, und so war es reiner Zufall gewesen, dass ihn irgendein Gefühl dazu bewegt hatte, die Stadt zu verlassen.

Um ihn herum waren einfach zu viele Infizierte gewesen, mit denen er es niemals hätte aufnehmen können.

Und da von seinem Vater und den Anderen jegliche Spur gefehlt hatte, hatte er sich dazu entschieden, zu verschwinden.

Anfangs war der junge Söldner unsicher gewesen, weil er die anderen nicht hatte im Stich lassen wollen.

Doch als die ersten Explosionen ertönt waren, war ihm klar geworden, dass diese längst nicht mehr da waren, dass irgendetwas ganz gewaltig nicht stimmte.

Und die Entscheidung war gut gewesen, sie hatte ihm das Leben gerettet.

Aber nun war sein Vater…
 

Jake fluchte leise und ballte die Hände zu Fäusten.

Das konnte einfach nicht wahr sein.

Das letzte Mal, dass er seinen Vater gesehen hatte, war er so unglaublich wütend auf diesen gewesen, weil er Sherry verletzt hatte.

Jake war sicher gewesen, dass es bei ihrer nächsten Begegnung einen Kampf geben würde. Und nun das.

Nun hatte Wesker sich um ihn gekümmert, hatte in seiner Verzweiflung und Trauer alles versucht, sein Leben zu retten.

Und als er gedacht hatte, versagt zu haben, als ihm klar geworden war, dass er alles verloren hatte, was ihm je etwas bedeutet hatte…

Da hatte der Kerl ernsthaft entschieden, sein Leben zu beenden.
 

Jake wusste nicht, was er davon halten sollte, er wusste nicht, was er denken sollte.

Einerseits fand er es irgendwie erbärmlich, hatte er mehr von Wesker erwartet.

Auf der anderen Seite wollten ihm fast die Tränen in die Augen steigen, wenn er daran dachte, dass sein Vater wegen ihm so geworden war, dass er, Jake, ihm gezeigt hatte, dass er doch noch ein Mensch sein konnte und kein Monster sein musste.

Es schmerzte ihn sehr, zu wissen, dass sein Vater nun vermutlich tot zwischen all den Trümmern lag, nicht wissend, dass er seinen Sohn doch hatte retten können.

Doch irgendwie wollte der Söldner das auch noch nicht so wirklich glauben, immerhin handelte es sich hier um Albert Wesker.

Und ein Albert Wesker starb nicht so leicht. Das wussten sie alle.

Er hatte immerhin den Vulkan und die Raketenwerfer überlebt. Wie sollte er da bei so ein paar kleinen Explosionen sterben?

Und selbst, wenn er versuchte, Selbstmord zu begehen… ging das überhaupt vernünftig?
 

„Jake, wir… wir sollten weiter. Kommst du?“, fragte Sherry nach einer Weile, und sie griff sanft nach den Händen des Jüngeren.

Sie sah ihm seinen Schmerz und seine Unsicherheit an, erkannte in seinem Blick, dass der Söldner nun am liebsten einfach zurück gerannt wäre, um Wesker zu suchen, in der Hoffnung, dass dieser doch noch lebte.

Aber das war einfach zu riskant.

Wenn der Blonde wirklich überlebte, wenn ihn auch all das nicht umbrachte, dann würden sie ihn früher oder später wieder sehen, das war klar.

Doch nun mussten sie verschwinden, so viele Meilen wie möglich zwischen sich und die Stadt bringen.

Noch waren sie nicht weit genug weg, um wirklich in Sicherheit zu sein.

Noch konnten die Geschosse der Regierung sie ebenfalls treffen.

Und ganz abgesehen davon mussten sie nach möglichen BOWs Ausschau halten, die es vielleicht geschafft hatten, aus der Stadt zu entkommen.
 

Der Söldner wandte den Blick von dieser ab und seiner Freundin wieder zu.

Kurz zögerte er, dann aber nickte er leicht und atmete tief durch.

Sherry hatte ihn gerade wieder, da konnte er nicht so egoistisch wieder davon laufen.

Außerdem verdankte er seinem Vater das Leben. Er konnte es nun nicht einfach weg werfen, nur, weil er hoffte, diesen vielleicht noch lebend vor zu finden.

Er konnte später noch einmal her kommen, und das würde er auch tun.

Vielleicht fand er seinen Vater, lebend oder tot, vielleicht auch nicht.

Aber er musste einfach sicher gehen, da konnte Jake nicht anders.
 

„Ja, gehen wir“, meinte er dann nickend, drückte Sherrys Hände kurz sanft und ließ sie dann wieder los, um sich umzudrehen und der Stadt den Rücken kehren.

Immer wieder hörten sie Explosionen und Geräusche, die offenbar von den sterbenden Kreaturen und Infizierten stammten.

Bisher waren ihnen hier auf dem Weg noch keine begegnet, und so war es sehr wahrscheinlich, dass sie Glück gehabt hatten, und dass keine BOW die Stadt verlassen hatte.

Aufatmen wollte die kleine Gruppe dennoch nicht, und sie hätten es vermutlich nicht einmal dann gekonnt, wenn sie ganz sicher gewesen wären, dass von dem Virus keine Gefahr mehr ausging.

Denn nach wie vor hatten sie versagt, nach wie vor hatten sie nichts erreicht.

Die Stadt lag in Schutt und Asche, die Infizierten starben vor sich hin, und die Menschheit war gerettet. Wieder einmal.

Aber wie lange würde das dieses Mal anhalten? Wie lange war die Menschheit dieses Mal in Sicherheit?
 

Es war offensichtlich, dass es sich bei dem Virus, das der Simmons-Klon da frei gesetzt hatte, um das C-Virus gehandelt hatte. Und Wesker hatte natürlich wieder einmal mit dem T-Virus herum gespielt, das wussten sie von Ada.

Dennoch brachte sie das nicht weiter.

Ein Labor hatte Sherry finden und unschädlich machen können, doch es war sehr wahrscheinlich, dass es mehr als nur dieses eine Labor gab.

Und da sich solche fast immer unterirdisch befanden, bestand die Möglichkeit, dass sie trotz der Vernichtung der Stadt erhalten blieben. Und mit ihnen vielleicht weitere Virusproben und BOWs.

Die Regierung hatte gehandelt, ohne nachzudenken.

Das einzige Ziel war es gewesen, die BOWs so schnell wie möglich zu vernichten und zu verhindern, dass sie die Stadt verließen.

Weiter schien die Planung nicht gegangen zu sein.

Es hatte wohl auch niemanden gekümmert, dass sich vielleicht noch Überlebende in den Häusern versteckt hielten.

Und wenn doch, war es den Leuten der Regierung egal gewesen.

Sie lernten nie dazu, machten immer wieder die gleichen Fehler.
 


 

Niedergeschlagen ging die kleine Gruppe weiter, und nach einigen Meilen hatten sie die nächste Stadt erreicht.

In der Ferne konnten sie noch die Flammen ausmachen, und man hörte die Geräusche der Helikopter bis hier, einige konnte man sogar noch sehen

Sie blieben nach einer Weile stehen, wandten sich um und blickten eine Weile lang schweigend in Richtung der zerstörten Stadt, ehe Jake zu einem kleinen Hotel deutete und vorschlug, sich dort erst einmal zurück zu ziehen.

Niemand hatte nun noch Lust, nach Hause zu gehen, sie waren alle viel zu müde.

Und irgendwie wollte gerade auch keiner von ihnen wirklich alleine sein.

Also stimmten sich zu und betraten das Hotel.

Sofort eilte Jill zur Rezeption und fragte erst einmal nach einem Arzt, der sich um Chris und Piers kümmern sollte, ehe sie um vier Zimmer bat.

Tatsächlich hatten sie Glück, und es waren noch vier Zimmer frei, die ihnen sofort zugeteilt wurden.
 

Wenige Minuten später hatte Jill mit Chris eines der Zimmer bezogen, hatte den Älteren gleich wieder aus diesem gezerrt, bei Piers geklopft und diesen ebenfalls aus dem Zimmer gezerrt, ehe sie mit den beiden Soldaten zum Hotelarzt gegangen war.

Sherry hatte Jake dazu überreden können, eine Runde zu schlafen, nachdem er es schon verweigert hatte, sich selber auch kurz untersuchen zu lassen.

In dem vierten Zimmer hatte es sich Claire gemütlich gemacht, und ihr Blick wanderte immer wieder zum Fenster.

Leon hatte das Hotel verlassen, da er Ada nicht mehr hatte erreichen können, und nun wollte er nach ihr suchen.

Er hatte jedoch versprochen, sich der anderen Stadt erst einmal nicht zu nähern. Aber irgendwo musste die Asiatin ja sein.

Er machte sich nun einmal Sorgen um sie und hoffte sehr, dass sie es noch rechtzeitig aus der Stadt geschafft hatte.
 


 

Beim Frühstück am nächsten Morgen war die Stimmung noch immer ziemlich bedrückt.

Leon hatte Ada erreicht, und diese hatte ihm versichert, dass alles in Ordnung war, sodass der Special Agent wohl mit der Fröhlichste am Tisch war, auch, wenn man ihm das in keiner Weise ansah.

Geschlafen hatten sie zwar alle, doch keiner von ihnen sonderlich gut.

Immer wieder waren sie aufgewacht, und mehr als einmal hatten sie sich zufällig unten vor der Tür getroffen, um zur anderen Stadt zurück zu sehen.

Erst am frühen Morgen hatte man von dem Feuer nichts mehr sehen können, und noch jetzt hing eine dickte schwarze Rauchwolke über den Trümmern.

So gut das Frühstück in dem Hotel auch war, schmecken wollte es gerade irgendwie keinem.

Zu sehr lastete noch die Niederlage auf ihnen, die eigentlich nicht einmal eine wirkliche Niederlage war.

Aber ein Sieg war es auch nicht, ganz im Gegenteil. Es war nur ein Aufschub, eine kleine Pause, bis der nächste Ausbruch kam. Und er würde kommen, das stand außer Frage. Er kam immer.
 

„Ich werde mich dann gleich auf den Weg machen. Ich muss einfach nachsehen. Ich muss wissen, ob er wirklich tot ist. Und ich will schauen, ob sich nicht doch noch irgendetwas da herum treibt. Ich passe auf. Versprochen“, fügte Jake noch schnell hinzu, als Sherry den Mund aufmachen wollte.

Er hatte sie gebeten, hier zu bleiben, mit den Anderen.

Und er hatte versprochen, schnell wieder zurück zu sein und keine weiteren Dummheiten zu begehen.

Keine Kämpfe gegen größere BOWs oder größere Gruppen an Infizierten. Wenn etwas war, würde er sofort anrufen.

Aber der Söldner wollte, er musste, einfach alleine gehen.

Er brauchte etwas Zeit für sich.

Wenn sein Vater tot war, dann wollte er wenigstens in Ruhe Abschied nehmen können.

Und zu gestehen, dass er das wollte, oder es dann gar vor den Anderen zu zeigen, das war ihm dann doch noch ein wenig peinlich, auch vor Sherry.

Diese nickte nun nur, senkte den Blick und wandte sich wieder ihrem Essen zu, das sie nun einfach irgendwie runter würgte, es musste ja sein. Sie mussten wieder zu Kräften kommen. Und die Anderen taten es der jungen Frau gleich.
 

Nach dem Frühstück gingen sie alle wieder in ihre Zimmer, um den fehlenden Schlaf nachzuholen, und Sherry, die sich in ihrem Zimmer nun etwas alleine fühlte, hatte sich kurzerhand zu Piers gesellt und es sich auf dessen Sofa im Zimmer gemütlich gemacht. Immerhin hatte er ein Doppelzimmer für sich alleine. Da war für die zierliche Agentin ja auch noch ein wenig Platz.

Jake hingegen hatte sich gleich nach dem Frühstück verabschiedet, ohne noch einmal nach oben ins Zimmer gegangen zu sein.

Nun war er auf dem Weg in die Stadt zurück, und jeder Schritt fiel ihm immer schwerer und schwerer.

Er wusste nicht, was ihn erwarten würde, aber er war sicher, dass es nichts Gutes war.

Auch, wenn er bisher geglaubt hatte, dass Wesker sicherlich noch lebte, war ihm nun eines klar geworden.

Wenn Albert Wesker sterben konnte, dann fand er auch einen Weg. Und dann gab es keine Möglichkeit, ihn doch noch lebend vorzufinden.

Und diese Erkenntnis trieb Jake nun doch endlich leichte Tränen in die Augen.

Hoffnung

Von der Stadt war kaum noch etwas übrig.

Alles lag in Trümmern, hier und da schwelten noch kleine Feuer, und nach wie vor lag der dichte schwarze Rauch über dem, was von den Gebäuden noch übrig war.

Müde rappelte der blonde Mann sich auf, griff sich an den Kopf und stieß einen leisen Fluch aus.

Niemand schaffte es, ihn zu töten, nicht einmal er selber. Das war wirklich erbärmlich. Und für einen Moment konnte Wesker einfach nicht anders, als laut los zu lachen.

Es war befreiend, und es lenkte ab. Doch der Schmerz holte den ehemaligen S.T.A.R.S.-Captain recht schnell in die Realität zurück.

Die Schussverletzung in seinem Kopf war fast gänzlich geheilt, das Gleiche galt für die Brandwunden, die das Feuer seinem eigentlich toten Körper zugefügt hatte, nachdem er zusammengebrochen war. Die Schmerzen spürte er jedoch noch immer mehr als deutlich.

Aber selbst diese Flammen, obwohl er, seit er infiziert war, so anfällig gegen diese gewesen war, hatten ihn nicht endgültig auslöschen können. Er war noch immer da. Das Virus hatte noch immer die Kraft gehabt, seinen Körper zu regenerieren.
 

Und nun stand er hier, lebendig, alleine.

Und er wusste tatsächlich nicht, was er tun sollte.

Er hatte Jake verloren, er hatte alles verloren, was noch an Proben vom T-Virus übrig gewesen war, oder von irgendwelchen anderen Viren und Parasiten.

Diese letzten Proben hatten sich in seinem Haus befunden, und im Gegensatz zu dem Blonden selber, war dieses den Flammen gänzlich zum Opfer gefallen.

Weskers Blick fiel bei dem Gedanken auf seine Waffe, die neben ihm auf dem Boden lag, doch er schüttelte den Gedanken gleich wieder ab.

Es hatte zuvor nicht geklappt, es würde auch jetzt nicht klappen. Erst recht nicht, da nun kaum noch etwas von dem Feuer übrig war, von dem sich erhofft hatte, dass es ihn endgültig würde auslöschen können.
 

Seufzend und kopfschüttelnd hob Wesker die Waffe dennoch auf, steckte sie weg und wandte sich um, um die Stadt zu verlassen, als er wie erstarrt in der Bewegung innehielt.

Der Rauch hatte sich etwas gelichtet, und nun sah man wieder mehr als nur die Hand vor Augen. Zumindest Wesker, dessen Augen durch das Virus geschärft worden waren.

„Jake…?“, murmelte er, schüttelte den Kopf und wich etwas zurück.

Das konnte nicht sein. Hatte das Virus etwa doch Wirkung gezeigt? War es stärker gewesen als die Antikörper? Würde er seinen Sohn nun…?

Doch schnell wurde Wesker klar, dass Jake kein Zombie war, sondern ein Mensch. Ein lebender, mehr oder weniger gesunder Mensch.
 

Und dieser lebende und gesunde Mensch war ebenso überrascht wie Wesker selber.

Auch er hatte nach alledem nicht mehr damit gerechnet, seinen Vater noch lebend vorzufinden. Den ganzen Weg über hatte er krampfhaft versucht, sich irgendwie mit dem Gedanken abzufinden, nur noch seine verkohlte Leiche zu finden, wenn überhaupt.

Geweint hatte er, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben.

Und nun stand er hier, inmitten der Trümmer. Und vor ihm stand kein geringerer als Albert Wesker, sein Vater.

Er sah mitgenommen aus, noch blasser als sonst, und die Sonnenbrille lag irgendwo zerstört auf dem Boden, sodass Jake die Müdigkeit in den infizierten Augen deutlich erkannte. Aber er war am Leben, genau wie er selber.
 

Ohne ein Wort zu sagen, ging der junge Söldner nun auf Wesker zu, betrachtete ihn nachdenklich und ergriff dann seinen Arm.

„Wir sollten verschwinden…, Vater… Die Anderen und ich haben ein nettes Hotel in der Nachbarstadt gefunden. Da kannst du dich von einem Arzt behandeln lassen und neue Klamotten kaufen. Deine sehen irgendwie… leicht mitgenommen aus…“, murmelte er, grinste leicht und zerrte den Blonden sanft aber bestimmt mit sich.

Und dieser machte auch keine Anstalten, sich zu wehren, sondern ließ sich tatsächlich bereitwillig mit ziehen, und auf seinen Lippen lag sogar ein ganz leichtes Lächeln.
 

Vielleicht hatte das Schicksal es ja doch gut mit ihm gemeint, als es ihn auch dieses Mal vor dem Tod bewahrt hatte.

Vielleicht wurde ihm somit eine zweite Chance gegeben.

Wenn er auch niemals einer der Guten, ein Held sein würde, so konnte er nun vielleicht zumindest versuchen, ein guter Vater zu sein. Das war besser als nichts.

Und so hatte sein Leben vielleicht doch wieder einen Sinn.

Einen grotesken, einen, an den Wesker niemals zuvor gedacht hätte, aber immerhin einen Sinn.

Und das war mehr, als sein Leben bisher gehabt hatte.

Nun war er frei. Frei von Spencer und dem, was ihm vorgelebt worden war.

Frei von Umbrella, von Tricell, von jeglichen Virusproben, die ihn vielleicht doch noch verleiten konnten. Er hatte nichts mehr.

Und so konnte er in aller Ruhe ein neues Leben beginnen.

Ein neues Leben, gemeinsam mit seinem Sohn…



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Kommentare zu dieser Fanfic (88)
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Von:  Anbu
2014-09-08T18:39:18+00:00 08.09.2014 20:39
Gut geschrieben. Ich habe richtig mitgefiebert.^^
Antwort von:  Lady_Red-Herb
08.09.2014 20:58
Vielen lieben Dank! *.*
Von: abgemeldet
2014-09-01T21:10:02+00:00 01.09.2014 23:10
OMG. Mein inneres Fangril dreht grade durch.
Coole FF.^^
Antwort von:  Lady_Red-Herb
02.09.2014 10:19
Freut mich, dass sie dir gefaellt.
Vielen Dank! :)
Von:  Leaf-Phantomhive
2014-07-30T12:13:56+00:00 30.07.2014 14:13
Ahhhh happy Famely. Wesker und sterben gönn die beiden auch nicht.
Antwort von:  Lady_Red-Herb
30.07.2014 14:15
Ich kann doch meinen liebsten Wesker nicht einfach so sterben lassen. :P
Nenene, das wäre jedem klar gewesen, der mich kennt. xD
Er ist und bleibt mein absoluter Favorit. ^-^

Und ja, Happy Family.
Aber wer weiß, wie lange das bei den Beiden gut geht xD
Antwort von:  Leaf-Phantomhive
30.07.2014 14:18
Ich kann mir die beiden aber nicht als 0815 vorzeige Familie vorstellen. Eher so als Chaos Truppe. ich freu mich auf jedenfall auf mehr
Vor allem auf ein bisschen mehr Piers Bitte^^
Antwort von:  Lady_Red-Herb
30.07.2014 14:22
Ne, das auf keinen Fall.
Chaos ist da definitiv vorprogrammiert xD

Nya~
Piers gibt es in meiner neuen Fanfic zu genüge.
Aber die wird nicht jedermanns Sache sein. xD
Antwort von:  Leaf-Phantomhive
30.07.2014 14:26
Juhu ich freu mich^^
Von:  Leaf-Phantomhive
2014-07-30T12:09:54+00:00 30.07.2014 14:09
Yaeah Jake is back.
Ich wusste es das er wieder kommt.

Antwort von:  Lady_Red-Herb
30.07.2014 14:10
Ich kann doch Jake nicht einfach tot lassen. ^^''
Ich meine, ich hab es versucht, auch mit Chris damals.
Aber es ging einfach nicht. ;.;
Antwort von:  Leaf-Phantomhive
30.07.2014 14:16
Ich hoffe ja das zwischen Jake und Cherry bald mal was läuft. die beiden passen einfach zusammen.
Antwort von:  Lady_Red-Herb
30.07.2014 15:36
Boh ja, Jake und Sherry passen auper zusammen
Bei mir haben sie es ja geschafft, zusammen zu kommen xD
Von:  Leaf-Phantomhive
2014-07-07T22:13:44+00:00 08.07.2014 00:13
Oh mein Gott Pippi in die Augen.
Wesker TOT und das in einem Satz das geht doch nicht und vor allem der Cliffhänger im letzten Satz das kann noch nicht das ende sein. Ich fing an Wesker zu mögen ich meine okay zu ende hin hat sich sein Charakter doch ganz schön geändert er war einer der guten. Naja mehr oder weniger. So ne art Antiheld.

Ich freu nicht wie sonst was auf das nächste Kapi. ^^
Antwort von:  Lady_Red-Herb
08.07.2014 06:33
Ey, besser so, als von Raketenwerfern pulversisiert. XD
Und ich mochte Wesker shon immer, ist und bleibt mein Lieblingscharakter. ^^
Nya~
Musste sein xD

Poeh, schreib ich eben nicht weiter >_>
Antwort von:  Leaf-Phantomhive
08.07.2014 22:31
NEEEEIINN^^ ich muss doch wissen wies weiter geht!!
Antwort von:  Lady_Red-Herb
08.07.2014 23:45
Ja, keine Sorge. XD
Wie gesagt, angefangen habe ich schon.
Aber der Stress ueberwiegt momentan leider. ._.
Antwort von:  Leaf-Phantomhive
09.07.2014 00:13
Nadann freu ich mich schon auf das nächste. Aber mach dir keinen Stress.
Antwort von:  Lady_Red-Herb
21.07.2014 14:24
Ah, es tut mir leid, dass ich das nächste Kappy noch nicht fertig habe. ;.; Ich bin momentan so im Stress, und alles geht drunter und drüber x.x
Ich versuche, das hier diese Woche alles fertig zu bekommen. ._.
Antwort von:  Leaf-Phantomhive
21.07.2014 21:10
Hey nicht stressen^^ Ich bin ja auch im stress und auch wenig zeit
Von:  Leaf-Phantomhive
2014-07-07T22:07:16+00:00 08.07.2014 00:07
Ahh sorry das ich erst jazzt was schreibe ich war aber immer fleißig am lesen.
nur leider zu faul zum Kommentieren.
Aber jetzt und ich muss sagen Wow was für ne krasse Wendung der Geschichte ich dachte mir jetzt so Okay Der klon is futsch ende gut alles gut aber ne denkste.
Ich bin schon echt gespannt auf das nächste Kapi.

Bis dahin Man liest sich^^
Antwort von:  Lady_Red-Herb
08.07.2014 09:54
Kein Thema, kein Thema. XD
Ich komme ja momentan auch nicht zu so viel.
ich muss zugeben, dass ich das naechste Kapitel noch nicht einmal wirklich angefangen habe, bis auf einen Absatz. XD

So oder so, danke fuer deine lieben Kommentare immer. :)
Von:  Leaf-Phantomhive
2014-06-13T23:53:33+00:00 14.06.2014 01:53
Okay bin offiziell überwältigt.
Ganz ehrlich ich weiß garnicht genau was ich hier schreiben soll außen schreib bitte bald weiter^^
Antwort von:  Lady_Red-Herb
14.06.2014 17:32
Okay...
Das nehm ich dann mal als Kompliment. XD
Komme gerade erst aus dem Urlaub zurueck. Mal schauen, ob ich heute oder morgen zu was komme. ^^
Antwort von:  Leaf-Phantomhive
14.06.2014 17:58
Nadann kann ich mich ja freuen. Hoffe ja du hattest ne schön Urlaub.
Antwort von:  Lady_Red-Herb
14.06.2014 18:04
Tu das, tu das.
Ich werd mir Muehe geben. XD

zu warm, viel zu warm. Aber sonst schoen, ja. :)
Von:  Xaeder
2014-05-13T19:27:49+00:00 13.05.2014 21:27
Nicht direkt danach gesucht und dennoch etwas lesenswertes gefunden.

Sehr schön. :)
LG Tine
Antwort von:  Lady_Red-Herb
13.05.2014 21:28
Aw~
Freut mich, dass es dir bisher zu gefallen scheint. ^-^
Von:  Leaf-Phantomhive
2014-05-12T21:52:18+00:00 12.05.2014 23:52
Ahh der arme Jake.
"Ich kümmer mich darum" die berühmten letzen Worte. Aber Wesker so naja ... Väterlich und Wesker in einem Satz is doch schon ein bisschen gewöhnungs Bedürftig.
Ich finds aber cool ich hoffe doch das Wesker irgendeinen Weg findet um Jake zu retten das wäre cool.
Aber das er de Seite wechselt wird wohl nie passieren.
Sherry kommt auch endlich aus sich raus und is voll auf dem Rache Trip das kann noch richtig interessant werden ich freu mich auf jedenfall auf das nächste Kapitel.
Antwort von:  Lady_Red-Herb
12.05.2014 23:55
Ja. ;.;
Naja, im Grunde ist auch Wesker nur ein Mensch ^^''
Aber nein, wirklich gut werden wird er vermutlich niemals.
Vielleicht findet er einen Weg, vielleicht auch nicht.
Wir werden es sehen~
Und ja, ich dacht mir, das wurde langsam mal Zeit hier. XD
Ah, an dem sitze ich schon dran.
Mal sehen, wie viel meine Zeit her gibt, und wie weit ich bis morgen komme. :)
Antwort von:  Leaf-Phantomhive
13.05.2014 00:06
Nadann wünsche ich dir noch viel spaß und ich hoffe mal das du weit kommen wirst.
Antwort von:  Lady_Red-Herb
13.05.2014 09:02
Danke. Hoff ich auch ^^
Von:  Leaf-Phantomhive
2014-05-10T23:01:28+00:00 11.05.2014 01:01
Jetzt wirds richtig spannend ich muss echt sagen wow ich mag das Kapi.
Dann bin ich mal gespannt wies weiter geht.^^
Antwort von:  Lady_Red-Herb
11.05.2014 06:10
Danke. :)
Ich mag es nicht. XD *schnief*
Komm nur momentan eher langsam voran. Sry dafuer. ._.
Antwort von:  Leaf-Phantomhive
11.05.2014 23:35
Kenn ich schreibblockaden sind ätzend.
Antwort von:  Lady_Red-Herb
11.05.2014 23:36
Das hat mit Schreibblockade reichlich wenig zu tun. >.>
Eher damit, dass ich schlicht und ergreifend keine Zeit habe., x.x
Aber nächstes Kapitel wartet schon auf Freischaltung.
Antwort von:  Leaf-Phantomhive
11.05.2014 23:50
Ah ja die Zeit kenn ich zu genüge leider is das auch mein größtes Problem.
Nur wenn man dann mal die Zeit hat fällt ein nix ein obwohl man so geile Ideen im Kopf hat.^^
Das is mein Problem
Antwort von:  Lady_Red-Herb
12.05.2014 07:28
Ja, Manchmal ist das wirklich schlimm.
Aber an sich habe ich da Glueck, zumindest bei dieser FF, xD


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