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Virus M4 - [Loki]

von

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Brennenburg

Ich bin etwas besonderes, besser als alle anderen. Dafür gemacht über ihnen zu stehen und auf sie herabzuspucken. Ich bin geboren um zu herrschen und zu befehlen, zu richten und zu strafen. Ich bin ein König, ein Kaiser, ein Gott! Und ich höre nicht auf bis ich an der Spitze stehe!
 

"Ausgezeichnet Henry, absolut perfekt!" Henry nahm die Finger vom Klavier und nickte nur, er war nicht überrascht das zu hören. Immerhin hatte er schon seit fast zwei Stunden dieses Stück geübt, da war etwas anderes als "Perfekt" inakzeptabel. Henry sah seinen Hauslehrer an, welcher fassungslos den Kopf schüttelte. "Du machst wahnsinnig schnelle Fortschritte Henry. Mit nur 14 Jahren bist du bereits weiter als die meisten Musiker mit dem doppelten Alter und der doppelten Erfahrung! Wenn du so weiter machst hast du in ein paar Jahren sogar mich übertroffen." Henry blickte ihn durchdringend an. In ein paar Jahren? Henry war ihm bereits überlegen. Dieser Mann war höchstens Mittelmaß, ein Musiker der Kindern die Grundlagen des Klaviers beibrachte. Er war langweilig. So wie alle Menschen hier in der Villa Brennenburg. Die Villa steht in Deutschland, genauer gesagt in der Nähe der Stadt Quetlinburg. Die Brennenburgs sind ein altes, stolzes Geschlecht denen im Zeitalter der Demokratie jedoch nichts übrig bleibt als auf ihren Titel zu pochen und auf ihren Luxus zu zeigen. Sie versuchen festzuhalten was schon längst weg ist. Der Adel hat seinen Einfluss verloren, wahrscheinlich für immer. Henry ist als einziger Sohn seiner Eltern der rechtmäßige Erbe des Hauses Brennenburg und als solcher wurde er stets gegenüber seiner drei Schwestern bevorzugt. Er hat noch nie eine Schule besucht, jeglicher Unterricht geschieht mit Privatlehrern im Haus. Nicht nur alle Schulfächer werden ihm beigebracht, er lernt ebenso reiten, schießen, musizieren, Manieren und noch einiges mehr. Es wird vorausgesetzt das er ein perfekter Erbe wird der in jeglichen Disziplinen makellos ist. Henry erfüllt diese Voraussetzungen vollkommen, er ist in allen Disziplinen und Fächern ausgezeichnet, meistert jede Aufgabe in kurzer Zeit. Je älter er wird und je mehr Aufgaben er meistert, je öfter er gelobt wird desto mehr begreift er wie gut er ist, wie überlegen er allen anderen ist. Doch diese Überlegenheit hatte einen hohen Preis. Denn Henry langweilte sich. Es gab niemanden in der Villa der ihm ähnlich war, niemanden an dem er sich messen konnte. Niemand der den gleichen Hunger nach mehr hatte. Mehr Wissen, mehr Gedanken, mehr Fähigkeiten. Henry lebte um zu lernen, er verzehrte sich danach besser und immer besser zu werden um allen überlegen zu sein. Er hatte niemanden der das verstand, mit dem er sich austauschen konnte, mit dem er auf Augenhöhe reden konnte. Henry war umringt von Menschen, doch er war einsam. Und Langeweile trägt zuweilen seltsame Früchte.
 

Für heute war Henrys Unterricht beendet, es war Zeit für das Abendessen. Er fragte sich ob seine Eltern je selbst gekocht hatten, das Personal übernahm fast alle Aufgaben im riesigen Haus. Die Brennenburgs waren nicht gerade arm, der Flur durch den Henry ging war reich geschmückt mit vielen teuren Gemälden. Henry mochte die meisten nicht, sie hatten keine Aussage. Sicher, sie spiegelten Reichtum wieder, waren von großen Namen angefertigt worden. Doch Henry fehlte die Botschaft, etwas was der Künstler sagen wollte, zu jedem der das Bild genau genug betrachtete. Henrys teure Schuhe machten klackende Geräusche auf dem Marmorboden welche durch den langen Flur hallten. Er trug stets edle Kleidung, wie es sich für den Erben gehörte. Henry hatte nichts dagegen, er mochte diese Kleidung, sie unterschied ihn von anderen Kindern. Zeigte das er etwas besseres, ihnen überlegen war. Dann öffnete Henry eine Tür und bog in einen weiteren Gang ein welcher ihn schließlich zum Esszimmer führte. Ein köstlicher Duft strömte aus den Küchen und Henry sah das er genau pünktlich kam, wie immer. Das Esszimmer war ein runder Raum mit mehreren Türen zu den Küchen und Wandteppichen an den Wänden, welche die ruhmreiche Geschichte des Hauses Brennenburg zeigten. Sie zeigten die großen Fürsten, gnädige und mächtige Männer. Sie zeigten die großartigen Künste, die Ländereien, die Schlachten die vor langer Zeit vom Hause Brennenburg geschlagen wurden. Was sie nicht zeigten waren die vielen kleinen Verbrechen, die Bestechungen, Verrat, Intrigen und Folter. All die Dinge die nötig waren um mächtig zu werden und zu bleiben. Henry wusste natürlich davon, als Erbe der Brennenburgs wurde er auch in der Kunst des Gesprächs unterrichtet. Das Haus Brennenburg war ein untergehender Stern und Henrys Vater würde wohl alles tun um die trügerische Macht die sie noch hatten aufrecht zu erhalten. Sie hatten zwar keine politische Macht mehr doch sie waren immer noch angesehen und natürlich reich. Und Geld, so wurde Henry beigebracht, ist Macht. Geld schafft Status, Status schafft Ansehen, Ansehen schafft Macht. Und natürlich war Geld auch wunderbar geeignet um Leute zu bestechen. Im abgelegenen Harz, abseits der großen Städte, war die Bevölkerung anders, haben andere Vorstellungen.
 

Gegessen wurde größtenteils schweigend, nur die sanfte Melodie eines Streicherquartetts war zu hören. Der Tisch war lang, bot Platz für mehr als dreimal so viele Menschen wie nun daran saßen, und bestand aus edlem Eichenholz. Am Kopf des Tisches thronte das Familienoberhaupt, Siegfried von Brennenburg, Henrys Vater. Ein Bild von einem Mann, groß, autoritär und mit einem grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht. Der ewige Kampf um den Stand der Familie hatte ihn verbittert, er klammerte an Traditionen als wären sie sein ganz persönliches Rettungsboot. Nach Henrys Meinung war dieses Verhalten viel zu altmodisch, zu steif. Wer sich nicht wandelte ging unter und so wunderbar die alten Sitten und Traditionen doch waren, so waren sie nicht mehr zeitgemäß. Siegfried focht einen Kampf den er bereits verloren hatte, doch er war zu stolz sich das einzugestehen. Auf einer Seite des Tisches, direkt neben Siegfried, saß seine Frau Hilde von Brennenburg, Henrys Mutter. Neben ihr saßen Henrys drei Schwestern, Henriette, Patrizia und Margarethe. Henry mochte sie nicht, nur Henriette war in Ordnung. Als älteste der drei Hühner war sie reifer und klüger als die beiden Dummchen. Sie wurden zwar auch von Privatlehrern unterrichtet, doch von ihnen wurden nicht solche Leistungen wie von Henry erwartet. Alles was man von ihnen erwartete war das sie schön lächeln und lieblich duften. Und mehr taten sie auch nicht. Auch wenn es normal war das auch Frauen arbeiten und Leistung erbringen so würden sie wohl niemals arbeiten, einfach weil sie nicht mussten. Die Familie war reich, sie hatten bereits zum Zeitpunkt ihrer Geburt ihr Leben lang ausgesorgt. Henry war sich nicht sicher woher das ganze Geld kam das Siegfried verdiente, doch vermutlich würde ihm auch das irgendwann gezeigt werden. Er war schließlich der Erbe, das nächste Familienoberhaupt. Und als solcher saß er gegenüber von seiner Mutter, neben Siegfried.
 

So saßen sie also da, aßen schweigend. Henry wurde nicht nach seinen Fortschritten im Unterricht gefragt, denn diese Dinge wurden Siegfried von Henrys Lehrern persönlich mitgeteilt. Vermutlich hatte er die Berichte von heute bereits erhalten und erfahren was für großartige Leistungen sein Sohn heute geleistet hat. Wie jeden Tag. Doch heute hatte Henry selbst ein Anliegen welches er vorbringen wollte. "Vater" sagte Henry und legte sein Besteck ordentlich am Tellerrand ab. "Vater, ich möchte einen neuen Klavierlehrer. Ich habe das Gefühl das mich mein derzeitiger Lehrer nicht mehr genügend fördern kann." Ein Lehrer musste dem Schüler um Längen überlegen sein um ihn zu fördern, das war ein Grundprinzip des Lehrens. Doch Henrys momentaner Lehrer war nicht mehr geeignet für diese Aufgabe. Siegfried blickte seinen Sohn forschend an und überlegte. "Nein. Sei nicht so hochmütig, Henry! Ich entscheide wann du einen neuen Lehrer bekommst, nicht du. Das ist mein letztes Wort." sagte Siegfried dann in befehlsgewohnter Stimme. Henry schluckte und starrte seinen Teller an, er hatte Mühe seine Wut unter Kontrolle zu behalten. Was sollte das? Was war das denn bitte für eine Begründung? Henry versuchte normal zu wirken als er sein Besteck wieder nahm, doch seine Hand zitterte leicht. Glaubte der alte Sack etwa das er immer noch das kleine Kind war welches einfach jede Begründung schluckte? Er war langsam wirklich alt genug selbst Entscheidungen treffen zu können. Warte nur! Das wird Henry nicht auf sich sitzen lassen.
 

Henry saß oben in seinem Zimmer und ließ seinen Blick über seine Ländereien schweifen. Sein Zimmer lag im Dachgeschoss der Villa, das Fenster bot einen wundervollen Blick über die Gärten und Wälder bis zum See bot. All diese Ländereien waren bereits seit vielen Jahren im Besitz der Brennenburgs, und irgendwann würden sie allein ihm gehören. Wie Henry sich schon darauf freute. Er würde all das übernehmen und nach seinen Vorstellungen umgestalten. Schluss mit festgefahrenen Traditionen, heutzutage war Perfektion gefragt. Das war es was Henrys Leben bestimmte. Perfektion, alles für die Perfektion. Alles musste verbessert werden, gestärkt, gestählt. Henry wollte dies alles umformen, er wollte immer stärker und besser werden. Er würde niemals stoppen, niemals. Jeder Junge in seinem Alter hatte Träume.
 

Es dämmerte bereits als Henry das Bellen hörte. Er las gerade in seinem Lieblingsbuch, dem Nibelungenlied. Henry liebte die nordische Mythologie, er fand sie viel faszinierender und besser als den spannendsten Roman. Die Geschichten von Helden und Göttern zogen ihn immer wieder in ihren Bann. Henry las viel, manchmal bis spät in die Nacht hinein. Die Geschichten halfen ein wenig gegen seine Langeweile, er hatte keine Freunde mit denen er sich treffen konnte. Das passierte wenn man nie eine Schule besucht hatte, man hat keine Möglichkeit andere Menschen seines Alters kennenzulernen. Aber wenn man die Hühner betrachtete fragte sich Henry ob er überhaupt andere seines Alters kennenlernen wollte. Henry sah vom Buch auf und blickte aus dem Fenster, das war doch der Köter seiner Schwester Patrizia! Henry hasste das Vieh, es war unglaublich laut dafür das es so klein war und bellte fast ununterbrochen. Henry konnte sich einfach nicht erklären was seine Schwester an diesem Ding so mochte, sie liebte es wirklich abgöttisch. Henry schaute aus dem Fenster um zu sehen was dort geschah. Patrizia verlies fröhlich hüpfend die Villa, ihre Töle lief an einer Leine neben ihr her. Patrizia war 11 Jahre alt und stets gut gelaunt, ein Charakterzug den Henry nicht mochte. So fröhlich konnte nur sein wer zufrieden war, wer zufrieden war hatte keinen Ehrgeiz, wer keinen Ehrgeiz hatte war uninteressant. Sie ging wahrscheinlich baden wie sie es oft und gern tat. Der See lud geradezu dazu ein darin zu baden, das Wasser war stets herrlich klar und da der See auch zum Privatbesitz der Brennenburgs gehörte war es dort stets ruhig und leer. Henry hatte schlechte Laune, sein Vater hatte ihn vor der ganzen Familie bloßgestellt. Und dieses verdammte Biest hörte einfach nicht auf zu bellen! Am liebsten würde Henry ihn umbringen! Moment....warum eigentlich nicht? Ein dreckiges Grinsen erschien auf Henrys Gesicht. Das sollte doch machbar sein.
 

Leise schlich Henry durch die Gärten auf die Bäume zu, die Armbrust aus den alten Lagerräumen fest im Griff. Sie war noch in gutem Zustand, die Diener hielten das ganze alte Zeug sauber und funktionsfähig, doch als Henry sie geklaut hatte war niemand dort gewesen. Henrys Plan war einfach: Patrizias Köter erschießen während sie badet, ungesehen wieder zum Schloss gehen und die Armbrust ins Zimmer des Klavierlehrers legen. Auch wenn das nicht sehr glaubhaft wäre und Henry weitaus verdächtiger war als der Lehrer so würde Siegfried dennoch den Lehrer bestrafen. Schließlich war Henry der Erbe und es würde kein gutes Licht auf die Familie werfen wenn er beschuldigt werden würde. Also würde dem Familienoberhaupt nichts anderes übrig bleiben als den Lehrer rauszuwerfen. So schlug Henry zwei Fliegen mit einer Klappe, eine Tatsache die Henry sehr gefiel.
 

Im schummrigen Licht der blauen Stunde stand Patrizia nackt im seichten Wassers des Sees und planschte. Henry betrachtete sie und stellte fest das sie bereits begonnen hatte aufzublühen. Sie war eine junge Schönheit, blond und zierlich bewegte sie sich trotz ihrer kindlichen Art anmutig. Die Brennenburgs hatten scheinbar wundervolle Gene, Henry war schließlich auch wunderbar gelungen. Der Köter war an einem Baum angebunden und schnupperte am Gras, ausnahmsweise bellte er nicht. Henry wollte keine Zeit verlieren und lud die Armbrust, legte an und schloss ein Auge. Lustig, dachte er noch, der Hund steht direkt vor ihr. Aus diesem Winkel sah es fast so aus als würde sie auf einem Riesenhund sitzen, mit nur einem Auge ließ das dreidimensionale Sehen stark nach. Also atmete er tief ein, hielt die Luft an und schoß. Im Unterricht traf er immer, er war ein genialer Schütze.
 

Doch diesmal verfehlte er.
 

Sie schrie nicht einmal als der Bolzen sich in ihren zarten Körper bohrte. Überrascht hob die ihre zierlichen Hände an ihre Brust, ertastete dort den Bolzen und gab ein gurgelndes Geräusch von sich. Dann taumelte sie, fiel ins Wasser und verschwand. Henry sah seine Schwester nie wieder. Stumpf starrte er auf die Stelle an der bis eben noch seine Schwester stand und horchte in sich. Was fühlte er? Er war...überrascht. Mehr nicht. Er war nicht traurig oder schockiert, er hatte keine Angst oder Reue. Damals stellte Henry fest das ihm andere Menschen egal waren. Er hatte kein Mitgefühl oder ähnliche Charakterschwächen, er war stark. Er durfte tun und lassen was er will. An diesem Abend am See ist ihm etwas klar geworden, er hatte sich selbst erkannt und konnte sich endlich klar sehen. Für diese Erkenntnis musste seine Schwester sterben. Und verdammt noch mal, das war es ihm wert.
 

Henry lächelte, dann lachte er laut und schallend. Er bereute nichts! Er vermisste sie nicht! Sie war ihm nicht wichtig! Niemand war ihm wichtig! Er war hier die Hauptperson, der einzige um den es hier geht! Zum ersten mal seit Jahren war seine Langeweile gebrochen!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2014-03-03T14:24:44+00:00 03.03.2014 15:24
~ Kommentarfieber ~

Hallo, schönen guten Tag,
da bin ich, die Neugierige, und schaue mir mal den nächsten M4 Charakter an.
Geiler Einstieg. Das passt irgendwie zum Namen und hat vermutlich auch etwas damit zu tun. Ich spekuliere nur vor mich hin.

Und Langeweile trägt zuweilen seltsame Früchte.
Uh, also gerade bin ich schwer angetan von deinem Schreibstil. Der Absatz ist sehr gelungen. Mir als Leser wird die Umgebung des Charakters nähergebracht, wird gezeigt, wie er sich fühlt und warum dem so ist. Viele nützliche Informationen, um den weiteren Verlauf des Kapitels besser nachvollziehen zu können, sind gleich zu Anfang gegeben. Gefällt mir sehr.

Glaubte der alte Sack etwa das er immer noch das kleine Kind war welches einfach jede Begründung schluckte?
Hin und wieder hast du einen kleinen dass/das-Fehler eingebaut, oder dir fehlen Kommas. "Glaubte der alte Sack etwa, dass er immer noch das kleine Kind war, welches jede Begründung schluckte?" Dies ist nur ein Beispielsatz. Ansonsten ist deine Orthographie sehr gut und auch gegen Ausdruck und Stil kann ich nichts sagen.

Und dann noch bei der wörtlichen Rede:
"Vater" sagte Henry und legte sein Besteck ordentlich am Tellerrand ab.
"Vater", sagte Herny [...]"
Das ist mein letztes Wort." sagte Siegfried dann in befehlsgewohnter Stimme. Der Punkt in der wörtlichen Rede gehört dort nicht hin und dann fehlt wieder das Komma. "[...] Das ist mein letztes Wort", sagte Siegfried [...]"

Die Stelle, an der Henry über die Ländereien blickt, erinnert mich an die Szene "Weißt du was, Onkel Scar? Ich werd' mal König vom geweihten Land." "Ui, toll." XD

Doch diesmal verfehlte er.
Eine weitere, sehr gelungene Stelle.
Also ich möchte Henry nicht unbedingt über den Weg laufen. Er hat anscheinend dieses Gen, durch das man nicht-empathisch sein kann. Gruselig.
Mir hat das Kapitel sehr gut gefallen. Sehr, sehr gut! Technisch weiter nichts zu klagen. Die paar Feinheiten, die ich schon genannt habe, sind kein großes Ding.
Dein Charakter ist deutlich und nachvollziehbar dargestellt. Und auch ihn möchte ich unbedingt erleben, wenn der Virus... das Virus (?) ausgebrochen ist. Silver hat mich schon eingeladen, das RPG zu lesen, weil mir der Lesestoff ausgeht. :)

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet

Von: abgemeldet
2014-02-22T17:24:24+00:00 22.02.2014 18:24
Moinsen Pain,

da ist er also, der langerwartete Loki-OS. Wie üblich weise ich darauf hin, dass ich aus dem FF-Bereich stamme, dementsprechend weit pingeliger bin als manch anderer. Denk also bitte immer daran, dass ich hier nicht diabolisch lachend, mit einer Katze auf dem Sessel sitze und dich ärgern will. Mir fällt eben nur fiel auf und ich hoffe halt immer, dass am Ende jeder bestrebt ist sich zu verbessern, egal wie klein die Kleinigkeit ist, auf die ich hinweise.

Jut, fangen wir an. Wie üblich beginne ich mit dem sprachlichen bzw. grammatischen Teil und der äußeren Struktur. Hier gleich ein Lob von meiner Seite für die Absätze. Viele arbeiten nicht sonderlich viel damit bzw. verzichten auf Leerzeilen. Das macht es am PC/Laptop aber teilweise unglaublich schwer es zu lesen. Von daher danke, wenn ich dir auch sagen muss, dass mir die Länge der einzelnen Absätze zu wenig variiert. Natürlich sollst du nicht auf biegen und brechen irgendwo einen Absatz machen, wo er schlicht und ergreifend keinen Sinn macht, aber es wirft einfach ein anderes Bild, weil einfach nicht jede Szene bzw. jeder Gedanke die gleiche Länge haben kann. Außerdem gibst du so dem einen oder anderen wirklich tollen Satz, die Möglichkeit, dass er genau die Aufmerksamkeit bekommt, die er tatsächlich verdient.
Ein Beispiel für mich wäre der folgende:

>> Und Geld, so wurde Henry beigebracht, ist Macht. Geld schafft Status, Status schafft Ansehen, Ansehen schafft Macht.

Zwei absolut tolle Sätze und ich liebe die Steigerung darin, die am Ende in einem geschlossen Kreis endet. Wundervoll, Pain, absolut wundervoll. Ich muss an dieser Stelle mal erwähnen, dass ich ein kleiner Satzfetischist bin. Eine der Sachen, die mich wohl am meisten am Schreiben reizen und faszinieren. Egal.
Diese Sätze hätte ich eben allein stehen lassen. Oben und unten drunter ne Leerzeile und BÄM es haut dich einfach nur weg. So geht er in dem Textkoloss unter, was nur bedauerlich ist. Obwohl mir fast noch ein Nachsatz fehlt, wenn ich ehrlich bin. Du beginnst mit Macht, du endest mit Macht, da hätte ich schon noch sowas wie: „Ein in sich geschlossener Kreis.“ Oder so etwas erwartet. Anders ist es, wenn am Anfang das Wort Macht nicht auftaucht, dann ist es eine stetige Steigerung, die keines Nachsatzes bedarf. Spätestens jetzt erkennst du wahrscheinlich klar den Korinthenkacker in mir.

Weiter im Text. Ein leidiges Thema, ich weiß es: die Kommasetzung. Sie fehlt hier einfach sehr häufig. Punkt. Nicht dass es das Lesen wirklich erschwert, denn nichts ist schlimmer als ein falsch gesetztes Komma, aber es irritiert und zieht sich wirklich merklich durch den gesamten Text, was ihn halt in der Gesamtheit schlechter macht, als er eigentlich ist. Hier würde ich dir empfehlen, dir jemanden zu suchen, der zumindest die gröbsten Schnitzer rausnimmt. Ich biete mich da gerne an. Lese den Text gerne nochmal und schicke dir eine korrigierte Variante – einfach weil es wirklich schade drum wäre, wenn es am Ende eben daran so ein bisschen scheitert.

Ansonsten habe ich auch in deinem Text etwas gefunden, was mir irgendwie relativ häufig begegnet und was für mich völlig unverständlich ist: Du springst in der Zeitform. Gerade ist man noch in der Vergangenheit und auf einmal wird aus einem „war“ ein „ist“ und das ist nur ärgerlich, Pain, wirklich, du hast keine Ahnung, wie sehr mich das nervt. Noch dazu ist es auch grammatisch falsch. Hier musst du wirklich dringend nochmal drüber lesen bzw. es jemand anderen für dich korrigieren lassen, wenn es dir selbst nicht auffällt.

Das wäre es sprachlich dann auch fast schon von mir. Deine Satzlängen variieren, das gefällt mir sehr gut und ist immer was Feines. Du hast wirklich ein paar tolle Sätze drin, die mich richtig haben grinsen lassen, wenn ich mir auch bei der einen oder anderen Formulierung nicht sicher bin, ob du sie absichtlich gemacht hast oder nicht, für das Lesevergnügen macht es am Ende wohl kaum einen Unterschied. Damit du eine Ahnung hast, was ich grob meine, kommt hier mal ein Beispiel:

>> Henry saß oben in seinem Zimmer und ließ seinen Blick über seine Ländereien schweifen.

Da habe ich einfach nur gegrinst, weil es ja nicht seine Ländereien sind, sondern die seiner Familie. Ist es absichtlich so geschrieben, ist es toll, einfach weil es Lokis Charakter selbst in solchen Kleinigkeiten schön darstellt. Ist es ein Versehen, nun, dann hat es auf jeden Fall mich zum Lächeln gebracht.

Allgemein finde ich, dass du dich sehr bemüht hast, den personellen Erzähler unglaublich Loki-gefärbt darzustellen. Die Ausdrucksweise, die du an den Tag legst, passt zu ihm und hat mir gefallen. Sehr schön, Pain.

Eine andere Sache die mir aufgefallen ist und das auch schon in deinen Posts, ist, dass du zu selten mit Synonymen arbeitest. Zu oft lese ich „Henry“ bzw. „das Hause Brennenburg“. Hier solltest du wirklich versuchen etwas Abwechslung reinzubringen. Es ist gar nicht schlimm, wenn du hier und da mal ein „er“ schreibst. Ich weiß, dass das ein wenig schwierig ist, wenn gerade zwei Leute mit demselben Geschlecht in der Szene sind. Häufig hat man dann die Angst, dass der Leser nicht weiß, wer mit „er“ oder „seinem“ gemeint ist – eine teilweise unnötige Angst. Das meiste erklärt sich aus dem Kontext und wenn man doch versuchen will, es zu vermeiden, dann rate ich abermals zu Synonymen, statt dauerhaft des Namens.

Frag dich einfach: Was ist Loki und worin liegt der Unterschied zur anderen Figur? Nehmen wir als Beispiel die Szene zwischen dem Klavierlehrer und Loki. Henry ist: Der Junge, der Teenager, der Heranwachsende, der Schüler, der Adlige, der Jüngere, der Sohn Siegfrieds, der Erbe. Dem Klavierlehrer hättest du nur einen Namen geben müssen, dann hättest du auch da mehr als immer der Lehrer schreiben können, denn er ist demnach: Der Ältere, der Erwachsene, der Mann, der Lehrer, der Klavierlehrer, der Angestellte usw. Sieh bitte davon ab, die Figuren durch ihre Haarfarben zu unterscheiden, also: Da sagte der Grünhaarigen zum Schwarzhaarigen „Sieh mal da hinten die Blonde.“ Ist einfach eine Unart aus dem FF-Bereich, liest man in dieser Intensität in keinem Buch. Punkt. Auch beim Hause Brennenburg musst du ein bisschen mehr drauf achten. Hier würde es ebenfalls nur „seines Hauses“ oder „das Adelsgeschlecht“ tun.

Das ist alles nicht so wild und ich erwähne es eben nur in der Ausführlichkeit, weil dein Text in den Grundzügen gut ist und das Potenzial hat, ein wirklich gutes Kapitel zu sein. Würde ich es für schlecht halten bzw. empfinden, würde ich dir wegen diesen Kleinigkeiten nicht in den Ohren liegen. Aber du beweist hier Talent und du weißt auch, dass ich die Figur Loki besonders mag, als sieh es mir einfach ein bisschen nach, wenn ich hier und da echt kleinlich bin. Es liegt mir einfach in den Genen.

Eine Kleinigkeit habe ich noch und dann können wir das Thema äußere Form, Sprache und Grammatik wirklich abschließen. Und zwar geht es mir um die ersten Sätze. Ein wundervoller Einstieg, wie ich finde. Ich habe erst wirklich gedacht, du ziehst die Ich-Perspektive durch, hätte mich null gestört. Die meisten meiner Geschichten sind in der Ich-Perspektive geschrieben. Sie ist ein bisschen kniffliger teilweise als der personelle Erzähler, aber richtig umgesetzt unglaublich spannend und interessant zu lesen. Du hast dich dagegen entschieden, was völlig in Ordnung geht, dann würde ich dir nur raten, diese anfänglichen Sätze kursiv zu formatieren, damit sie sich abheben, weil sie sich vom Erzählerstil vom Rest der Geschichte eben abheben.

Jut, soviel dazu. Kommen wir nun zu anderen Kleinigkeiten, die mir ins Auge gefallen sind und ein bisschen das Gefühl von Unlogik bei mir zurück gelassen haben. Ich gehe davon aus, dass sie niemandem wirklich auffallen, weil sie schlicht nicht ins Gewicht fallen. Aber Loki verlangt von sich nicht weniger als Perfektion und mir geht es da leider auch so, sorry Pain.

Es ist Lokis Name Henry, der mich verwirrt. Sowohl seine Eltern, als auch seine Schwestern haben extrem deutsche Namen. Unter der Prämisse des Adels und dem Festhalten des Vaters an Traditionen natürlich durchaus verständlich. Wie gesagt, mir ein bisschen zu deutsch, passt aber in die Geschichte, von daher keine Kritik. Aber Henry, der einzige Erbe des Hauses Bernnenburg bekommt einen englischen Namen? Wieso? Wieso nicht Heinrich? Würde doch viel mehr Sinn machen. Ich könnte es verstehen, wenn der Name verenglischt wird, sobald er in die Staaten zieht, aber hier sind sie noch in Deutschland und es ergibt überhaupt keinen Sinn für mich.

Noch dazu muss ich sagen, hätte ich damit gerechnet, dass sein Vater den gleichen Namen trägt oder ihn als Zweitnamen hat oder so. Hier hätte ich mir einfach noch eine kleine Namenserklärung gewünscht. Dass Loki nach seine Großvater oder dem Bruder seines Vaters, wenn vorhanden, benannt wurde. Grade in solchen Adelsschichten ist das einfach sehr häufig der Fall und es hätte halt auch für Loki selbst noch einmal eine Thematik sein können. Gehen wir davon aus, er ist nach seinem Großvater benannt: Ist er stolz darauf? Mochte er diesen Mann? Und wenn er ihn nicht mochte, will er trotzdem so werden wie er, weil er eventuell Dinge für die Familie getan hat, zu denen sein eigener Vater nicht in der Lage war?
Du siehst worauf ich hinaus will. Vielleicht hast du es ja bereits für die nächsten Kapitel geplant und ich greife hier nur sinnlos vor, aber es wäre eben eine weitere Möglichkeit, nicht nur über die Familie und die Beziehungen untereinander eine Aussage zu treffen, sondern auch über Lokis Charakter ohne das man gleich den Vorschlaghammer auspackt und sagt: Das sind übrigens Lokis Eigenschaften.

Die zweite Sache, die für mich nicht ganz schlüssig ist, ist das Ende. Warum, um Gottes Willen, sollte er den Hund mit einer Armbrust erschießen? Ich meine, Loki weiß ja selbst, dass sein Plan nicht richtig aufgehen kann. Und ich muss auch sagen, Mord ist immer so ein Ding für sich. Dass am Ende die Schwester stirbt, war ja nicht der Plan, also deiner schon, aber eben nicht Lokis. Wenn er also selbst mit vierzehn schon so gefühlskalt ist, dass ihm ein Leben, auch das eines Tieres, nichts bedeutet, muss ich doch sagen, stellt er sich ziemlich dumm an. Etwas, was mit dem Rest der Geschichte nicht wirklich übereinstimmt.

Mir ist schon klar, dass es die Armbrust sein musste, damit du am Ende den Twist mit der Schwester hast. Mir scheint es nur zu künstlich herbei geführt, das ist alles. Denn wenn ich Loki gewesen wäre, ich hätte einfach das Futter vergiftet. Das wäre deutlich schwerer auf ihn zurückzuführen gewesen und wenn er den Klavierlehrer unbedingt mit hätte in die Pfanne hauen wollen, hätte er das Gift eben auch im Zimmer verstecken können. Wie gesagt, dann hätte die Schwester nicht sterben können, aber ob er unbedingt zum Schwestermörder werden muss, damit der Leser und auch Loki selbst erkennt, wer er ist, wage ich zu bezweifeln.
Bist nicht der erste, der jemanden in einem OS zu M4 umbringt und bei dir ist es ja wirklich ein Versehen und keine Absicht, aber für mich liest man durch die Armbrust zu stark raus, dass es hier künstlich vom Autor herbeigeführt wurde. Hätte man geschickter lösen können, denke ich.

Schauen wir mal, was ich noch so alles auf meiner Liste habe, ach ja, Loki kann alles. Das war etwas, was mich wirklich irritiert hat, als ich begonnen habe zu lesen. Einfach weil ich die Figur anders interpretiere. Dass er einiges kann, vielleicht sogar vieles, könnte ich mir noch vorstellen, aber dass er in so vielen Sachen auch noch überragend ist, ist für meinen Geschmack to much. Mir fehlt hier der Realismus und das Menschliche. Er kann sicherlich in vielem gut sein, grade wenn er die richtigen Gene hat und vieles bedingt einander, aber er kann nicht in allem überragend sein, dass macht die Figur einfach unglaubwürdig. Gib ihm da einfach mehr Schwächen als seine Gefühlskälte und seine Arroganz.

Ansonsten war ich sehr, sehr positiv beeindruckt von dem Kniff mit der Langeweile.

>> Doch diese Überlegenheit hatte einen hohen Preis. Denn Henry langweilte sich.

Das fand ich scheiß genial. Nicht nur das es auch wieder zwei Sätze sind, die mir gefallen, sie geben dem Charakter selbst mehr Tiefe. Zeigen das jede Medaille zwei Seiten hat. Es wird von ihm verlangt, er macht es auch, ist sehr diszipliniert und bezahlt am Ende noch drauf. Sehr gut. Plus dass es auch wieder seine „Unmenschlichkeit“, wenn ich es jetzt mal so nennen darf, ein wenig erklärt. Wirklich sehr, sehr gut, Pain. Großes Kino.

Ansonsten bleibt mir nicht mehr viel zu sagen. Es sind sprachlich einige Kleinigkeiten zu bemängeln, die sich aber mit etwas Übung ausbügeln lassen. Die Figur triffst du sehr gut und zeigst dem Virus M4-Leser auch ein paar neue Seiten an Loki, die man so noch nicht kannte und den „heutigen“ Loki ein bisschen erklären. Du übertreibst in meinen Augen ein wenig mit der Perfektion, da sie mir zu unrealistisch scheint. Ansonsten zeichnest du ein sehr klares und schönes Bild der Familie, ihrer Einstellung zum Adel und zum Fußvolk, welche Sicht sie auf sich selbst haben und wie sie den drohenden Untergang des Adelsgeschlechtes teilweise verhindern konnten. Du hast viele schöne Sätze drin und gerade Lokis Arroganz, auch schon in so frühen Jahren, machst du greifbar und nachvollziehbar.

Alles in allem ein guter OS und ich freue mich auf eine Fortsetzung.

Hau ordentlich rein, lieber Pain
LG Töffie


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