Als ich den Wald betrete, ist es schon dunkel. Der Mond taucht alles in ein eisiges Licht und es riecht nach Holz und nasser Erde. Ich atme tief ein und genieße den kühlen Wind in meinem Gesicht. Nur hier im Wald kann ich so frei sein. Nur hier bin ich erlöst von den hasserfüllten Blicken der Dorfbewohner. Ich lächele leicht. Nicht das aufgesetzte Grinsen, das ich den anderen zeige. Nur ein kleines Lächeln für mich alleine.
Meine Füße bewegen sich fast lautlos über den Waldboden und die Tannennadeln kitzeln an meinen nackten Füßen. Auf einer Lichtung bleibe ich schließlich stehen. Vor mir steht eine riesige Eiche, streckt ihre Äste wie Fühler in den Nachthimmel.
Ich ziehe mich an einem der dicken Äste hoch. Die Rinde ist rau und feucht unter meinen Händen. Mit schnellen, geübten Bewegungen ziehe ich mich weiter nach oben, bis ich durch die Blätter die Sterne schimmern sehe. Ich lehne mich mit dem Rücken an den Stamm und schließe für einen Moment die Augen.
„Naruto?!“ Die Stimme erschreckt mich so sehr, dass ich beinahe vom Baum falle. Mit der rechten Hand klammere ich mich an einen Ast. Ich höre noch wie etwas knackt, dann liege ich plötzlich auf der kalten Erde. „Urgh!“, stöhne ich und wende mich der Stimme zu. Vor mir steht Sasuke Uchiha. Grinsend.
„Schon mal etwas von Gleichgewicht gehört, Naruto?“ Bastard. Er streckt mir die Hand hin, doch ich schlage sie weg und stehe alleine auf. „Was machst du hier?“, fauche ich. Er funkelt mich an. „Ich wollte trainieren, baka. Ich wusste nicht das du hier bist.“
Ich klopfe den Dreck von meiner Hose und mustere ihn einen Moment lang. „Wir können zusammen trainieren“, sage ich schließlich. Er hebt eine Augenbraue. "Warum sollte ich mit dir trainieren wollen Idiot?" fragt er und dreht sich um. Ich beiße die Zähne zusammen und unterdrücke den Impuls ihn zu schlagen. SO schnell gebe ich nicht auf. Hier im Wald bin ich stark. Und vielleicht kann ich ihn hier endlich besiegen. Diese Chance lasse ich mir nicht entgehen „ Gib es zu. Du hast bloß Angst, dass du bist schwächer als ich", sage ich höhnisch und er dreht sich auf der Stelle wieder um. Ich sehe das Funkeln in seinen Augen und weiß, dass er die Herausforderung annimmt. „Pf. Träum weiter.“Ich grinse. „Okay. Ein Kampf. Nur taijutsu,- also kein Sharingan Uchiha. Kunais sind erlaubt.“ Er nickt grimmig und ich spüre Adrenalin durch meinen Körper rasen. Ich liebe dieses Gefühl. Zwei Kunais fliegen auch mich zu. Ich springe blitzschnell zurück und rolle mich auf der Seite ab.
Der Waldboden ist mir vertraut und ich finde mich selbst in der Dunkelheit mühelos zurecht. Ich blocke einen weiteren Angriff, dann renne ich auf Sasuke zu, hebe die Faust und treffe eine seiner Nieren. Der Schlag lähmt ihn für eine Sekunde und ich verpasse ihm einen Kinnhaken. In mir spüre ich wie Kyubi sich regt und mir Kraft gibt.
Sasuke stöhnt und reibt sich das Blut vom Kinn. Dann lächelt er. „Nicht schlecht Naruto", gibt er zu und insgeheim freue ich mich über das Lob. Plötzlich ist er verschwunden und ich blicke mich suchend um. Als ich mich umdrehe ist es schon zu spät. Ich werde nach vorne geschleudert und mein Kopf knallt gegen einen Stein. Als die Blitze vor meinen Augen verschwinden sitzt Sasuke über mir und sieht spöttisch auf mich herab. „Aber nicht gut genug.“
Ich knurre und versuche mich aus seinem Griff zu befreien, doch es hat keinen Sinn. Nach ein paar Versuchen höre ich auf und starre ihn stattdessen an. Auch er wirkt im Wald anders, immer noch mürrisch aber nicht mehr so verspannt. Der höhnische Ausdruck ist aus seinem Gesicht verschwunden und er beobachtet mich aus pechschwarzen Augen. Plötzlich beugt Sasuke sich zu mir herunter und meine Augen weiten sich. Ich spüre seinen Atem in meinem Gesicht. Und dann drückt er seine Lippen auf meine.
Seine Hand findet meinen Nacken und er zieht mich näher an sich ran. Einen Moment lang bin ich wie erstarrt. Dann verstehe ich was passiert und meine Faust trifft seine Wange. „Ahhh!“ Er weicht zurück und ich befreie mich aus seinem Griff. „Was zur Hölle war das?“ frage ich verwirrt. Mein Kopf dreht sich. Er starrt mich an genauso erschrocken wie ich. „Es tut mir leid Naruto, ich…“ Er stockt.
„Sasuke?“ Plötzlich dreht er sich um und rennt. Einen Moment sitze ich einfach dort und warte, dass etwas passiert. Erst als er zwischen den Bäumen verschwindet komme ich wieder zu mir. „Sasuke!“ Aber es ist schon weg. Ich grabe meine Hände in die feuchte Erde und drücke die Stirn auf den Boden. „Verdammt.“ Meine Lippen prickeln immer noch von seinem Kuss. Ich fahre mit der Zunge darüber um festzustellen, ob sie auch noch so schmecken wie er. Dann fällt mir ein, dass das bescheuert ist und ich höre schnell auf. Trotzdem will die röte nicht von meinen Wangen verschwinden. Dieser Kuss war anders als unserer erster. Fast sanft.
Ich schüttele den Gedanken ab.
Als ich aufstehe fühle ich mich leer. Ich höre ein Rascheln und fahre herum. Für einen Augenblick denke ich, dass Sasuke zurück ist, doch stattdessen bemerke ich einen rotbraunen Fuchs im Gestrüpp der mich aus klugen Augen anstarrt. Ich frage mich wie lange er dort schon steht. Sein Fell glänzt im Mondlicht, als er mit Samtpfoten auf mich zu schleicht.
„Verschwinde.“, murmele ich leise. „Ich hab schon einen Fuchs der jeden meiner Schritte beobachtet.“ Er starrt mich weiter an. „Es war nicht meine Schuld, okay? Er… Sasuke hat mich einfach geküsst. Was hätte ich denn machen sollen?“ Der Fuchs niest und schlendert langsam an mir vorbei.
Ich seufze und schüttele den Kopf. Dann renne ich los. Ich muss ihn finden. „Sasuke!“ Meine Stimme klingt noch lauter, hier in der eisigen Stille des Waldes doch ich bekomme keine Antwort. „Sasuke warte!“ „Hör auf zu schreien, Idiot.“ Ich fahre herum und da steht er hinter mir. Seine Wange ist geschwollen, dort wo ich ihn getroffen habe und ich spüre ein Stechen im Bauch. Ich schlucke. "Warum?" frage ich langsam. "Warum hast du-?" Meine Stimme bricht ab. Sein Blick wird kalt. "Was glaubst du warum ich es getan habe Idiot?", faucht er. Meine Gedanken rasen und ich wünschte ich hätte nicht gefragt. Ich beobachte Sasuke. Seine Augen glitzern im eisigen Mondlicht und an seiner Wange klebt Blut. Ich fühle mich schrecklich. Warum habe ich ihn geschlagen? „Hör zu,- es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen.“ murmele ich. Er schnaubt verächtlich. „Vergiss es Idiot. Du hast deinen Standpunkt sehr klar gemacht.“ Der Schmerz in seiner Stimme ist kaum hörbar. Ich glaube nicht, dass jemand anders ihn bemerkt hätte. Aber ich kenne Sasuke und ich sehe, dass er verletzt ist.
Wenn ich bei Sasuke bin weiß ich nie was ich tue. Ich weiß nicht, wieso ich ihn geschlagen habe. Ich weiß nicht warum ich ihm hinterhergelaufen bin. Und ich weiß ganz bestimmt nicht warum ich jetzt zu ihm renne und ihn küsse, nur damit die Traurigkeit aus seinen Augen verschwindet. Aber ich muss es einfach tun. Früher dachte ich, ich würde Sasuke hassen. Aber selst damals in dieser Zeit konnte ich nie den Blick von ihm abwenden. Vielleicht habe ich mich mit ihm verbunden gefühlt, weil er genauso alleine war wie ich. Vielleicht habe ich seine Anerkennung gesucht, weil er mich zwar wie die anderen Idiot genannt hat aber niemals Monster.
Wenn ich bei Sasuke bin denke ich nicht nach.
Ich weiß nicht warum ich zulasse, dass er mich auf den Waldboden drückt und seine Hände um meine Hüfte schlingt. Ich weiß nur, dass ich möchte, dass es ihm gutgeht. Und ich weiß, dass es sich richtig anfühlt.
Er löst sich von mir und schaut mir tief in die Augen. „Naruto.“ Seine Stimme lässt mich erschaudern. „Ja?“ hauche ich. „Wenn du das irgendjemandem erzählst werde ich dich persönlich umbringen.“
Ich blinzele verwirrt und dann lache ich schallend und höre erst auf als mir die Luft ausgeht und ich anfange zu husten. Und da fängt sogar Sasuke ein bisschen an zu lächeln.
Und dann schlingt er die Arme um mich und küsst mich wieder und dieses Mal lasse ich es zu.
Am nächsten Morgen beim Training mit Kakashi nennt er mich Idiot und ich ihn Bastard und wir zanken, als wäre nichts gewesen. Doch nachts im Wald treffen wir uns wieder. Und dort müssen wir uns nicht verstellen. Im Wald gehöre ich ihm und er mir und diese Stunden kann uns niemand nehmen.