Chapter 5
Als er an dem Sonntagmorgen seine Augen aufschlug, wusste Natsu zunächst nicht, wo er sich gerade aufhielt. In seinem Kopf fand dem Anschein nach eine Party statt, denn ihm war ganz schummrig zu Mute und sein Kopf dröhnte. Das passte ihm gar nicht. Er richtete sich auf und sah sich um. Verschlafen rieb er sich über die Augen. Wo war er eigentlich? Er brauchte einen Moment. Er war in Lucys Wohnzimmer. Das wusste er nun, da er sich umgesehen hatte. Das Zuhause seiner besten Freundin erkannte er selbstverständlich. Das war also geklärt. Aber wie war er hierhergekommen? Er konnte sich daran gerade nicht erinnern. Also versuchte er, sich an die Geschehnisse des vorherigen Abends zu entsinnen.
Lisanna hatte mit ihm Schluss gemacht. Daran konnte er sich nur allzu gut erinnern, was ihn leicht verärgerte. Er wollte daran nicht mehr denken müssen, es vor Augen haben, die Worte in seinem Kopf wie ein Echo zu vernehmen. Es bereitete ihm Schmerzen, die er vermeiden wollte um jeden Preis. Das hatte er am vorherigen Abend wohl auch getan. Er hatte Gray mit in die Kneipe geschleppt und dort wohl etwas zu viel getrunken. Was er dort noch getrieben hatte, wusste er nicht. Was danach vorgefallen war, wollte ihm auch nicht mehr einfallen. So wie es aussah hatte er Lucy einen Besuch abgestattet. War er hierher gelaufen? Nun weit entfernt lag es ja nicht. Oder hatte sie ihn vielleicht sogar abgeholt? Ob er sie fragen sollte? So oder so wusste sie mit Sicherheit mehr als er.
Erneut schaute Natsu sich um. Er konnte sie nicht in diesem Raum ausmachen. Vorsichtig und sich brummend an den Kopf fassend stand er vom Sofa auf. Sie hatte ihn mit Kissen und Decke versorgt, also war sie ihm wohl nicht böse gewesen aufgrund seines Besuches, der sicherlich spät ausgefallen war. Zunächst tapste er in die Küche, denn es könnte ja sein, dass sie vielleicht Frühstück machte oder etwas stehen gelassen hatte, denn er hatte nichts gegen einen Happen einzuwenden. Doch in der Küche hatte sie sich an diesem Morgen nicht aufgehalten, da alles unberührt wirkte. Das hieß wohl, dass sie noch am Schlafen war, etwas las oder am Duschen war. Also würde er nun ihr Zimmer ansteuern, ob sie wollte oder nicht. Sie ließ ihm ja auch keine andere Wahl. Dort kam er auch an. Die Tür stand offen. Wenn das nicht einmal eine Einladung war hereinzukommen! Somit trat er ohne ein schlechtes Gewissen ein.
Lucy war schnell auszumachen. Sie lag in ihre Decke gekuschelt in ihrem Bett. Er konnte bereits aus dieser Entfernung ausmachen, dass sie noch tief und fest schlief. Das war wohl nicht gerade zu seinem Vorteil, denn so konnte er sie nicht wecken. Sollte er es wagen, würde sie ihre morgendliche schlechte Laune an ihm auslassen und ihm einen kräftigen Schlag verpassen. Seine beste Freundin konnte manchmal ein ebenso großes Monster wie Erza sein. Das wollte er nicht riskieren, konnte er bei dem Zustand seines Kopfes gerade auch nicht gebrauchen. Natsu ließ sich vorsichtig auf dem Bett nieder und schielte zu ihr. Sie hatte, ihrem Gesicht zu urteilen, einen eher unruhigen Schlaf. Verwundert zog er seine Augenbrauen zusammen. Sie hatte selten Albträume. Das wusste er, da er ja öfters bei ihr übernachtete. Etwas konnte somit nicht stimmen. Er rückte also näher ran. Der Kopf der Blondine bewegte sich langsam hin und her.
„Nicht…“, hauchte sie leise. Er befürchtete bereits, dass sie wach war, aber es stellte sich heraus, dass sie noch am Schlafen war. Dass sie im Schlaf sprach, war ein weiteres Indiz dafür, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Aber was war es, was ihr diesen Traum bescherte? Natsu seufzte leise, als ihr Atem sich um einen Takt zu beschleunigen schien. Er würde sie wohl wecken müssen und ihre schlechte Laune über sich ergehen lassen müssen. Er konnte nicht mehr lange zu sehen, wie sie von ihren Träumen geplagt wurde. Gerade streckte er seine Hand aus, um sie an ihren Schultern wach zu rütteln, doch sie gab erneut ein Wort von sich und es war sein Name, der ihn inne halten ließ in seinen Bewegungen. Er meinte sich verhört zu haben. Er und ein Albtraum? Das ergab doch keinen Sinn!
„Natsu…wir dürfen nicht…“, sprach sie weiter. Der Rosahaarige konnte sich zunächst keinen Reim aus den Worten der Blondine machen. Was sollte es auch heißen? Was durften sie nicht machen? Sie sollte sich gefälligst klarer ausdrücken! Er starrte in ihr Gesicht, als würde es ihm irgendwelche weiteren Antworten geben können, die er hören wollte. Jedoch trat dieser Fall nicht ein. Er würde sie also wecken müssen. Seine Hand legte er also auf ihrer Schulter ab. Für eine Weile ließ er sie dort verweilen, um ihre Reaktion abzuwarten. Es geschah nichts, sie träumte eindeutig weiter. Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es war spät genug, dass er sie wecken konnte, auch wenn es ein Sonntag war. Er begann also zu rütteln, so sanft wie es ihm möglich war.
Schließlich war ein braunes Augenpaar auf ihn gerichtet. Sie verengte ihre Augen, ehe ihre Gesichtszüge sich wieder entspannten und sie anfing zu lächeln. Das verwirrte ihn ehrlich gesagt. Aus welchem Grund lächelte sie ihn denn jetzt bitte an? War sie etwa noch in ihrer Traumwelt?
„Natsu“, kam es verschlafen von ihr und sie holte ihre Arme hervor, um diese nach ihm zu strecken, „komm her.“ Mit einem Mal waren ihre Arme um seinen Nacken geschlungen und er an ihre Brust gedrückt. Viel zu nah war das, denn er konnte keinen Atemzug machen. Wollte sie ihm die Luft abschnüren, da er zu ihr ins Bett gestiegen war? Wollte sie nun für all die Male endlich Rache ausüben? Aber er war doch noch viel zu jung, um zu sterben! Wenn sie ihn bloß nicht so nah an sich pressen würde, würde er wahrscheinlich das Gefühl ihrer weichen Brüste genießen können. Doch seine Situation war ernst. Ihm konnte jenen Moment der Sauerstoff ausgehen! Er begann an zu strampeln und versuchte ihren Namen von sich zu geben, doch wurden seine Versuche im Keim praktisch erstickt. Irgendwann gelang es ihm tatsächlich, ihre Arme zu lockern und er schnappte nach Luft. Er hob seinen Kopf an und starrte in das Gesicht seiner besten Freundin, die die Farbe einer überreifen Tomate angenommen hatte und ihn entgeistert anstarrte.
Hastig zog sie ihre Arme zu sich. Sie wirkte so, als wüsste sie nicht, was in sie gefahren. Das ergab für den Rosahaarigen Sinn, denn er wusste auch nicht, warum Lucy auf einmal so etwas machen sollte. Sie hatte wohl noch eindeutig geträumt. Also hatte sie doch keinen Alptraum gehabt?
„N-natsu! W-was machst du denn hier?“
„Das wollte ich dich fragen…ich weiß es nämlich nicht…“
„Du Idiot! Was machst du in meinem Bett?“
„Ich wollte dich nur wecken, weil du scheinbar schlecht geträumt hast.“
Darauf entgegnete sie ihm nichts. Die Blondine starrte ihn lediglich an, als würde sie überlegen, ob sie seiner Antwort trauen sollte. Während dessen verweilten sie in ihren Positionen. Letzten Endes klang es einleuchtend, denn sie hatte tatsächlich mehr oder weniger schlecht geträumt. Also konnte sie ihm wohl in jener Hinsicht glauben. Sie seufzte.
„Wie wäre es, wenn ich Frühstück mache und dir dann auch alles erzähle?“
Der Rosahaarige grinste sofort. Die Idee gefiel ihm auf Anhieb.
„Aber klar doch!“
Also begaben sie sich in die Küche. Sie hatte sich natürlich vorher etwas Anderes angezogen, denn in ihrem Nachthemd konnte sie auf gar keinen Fall herumlaufen. In der Küche machte sie für ihn und für sich Omelett und briet etwas Speck, da sie wusste, dass ihr bester Freund gerne so etwas zu sich nahm. Hunger hatte er mit Sicherheit. Da würde das Omelett alleine nicht hinhalten können. Denn er hatte stets einen großen Appetit. Es war zu bewundern, wie er seine Figur halten konnte trotz diesen vielen Massen an Essen, die er gerne zu sich nahm.
Sobald sie fertig war, servierte sie das Frühstück und setzte sich zu ihm an den Tisch. Als sie ihr Omelett verspeist hatte und nun an ihrem Tee nippte, erzählte sie ihm von den Geschehnissen dieser Nacht. Jedoch ließ sie die Tatsache weg, dass sie vermutet hatte, dass er sie hatte küssen wollen, ehe er auf ihr eingeschlafen war. Nach ihrer Erzählung wirkte er kurz nachdenklich.
„Es tut mir Leid, Natsu. Es ist meine Schuld, dass es zwischen euch so gelaufen ist…“, entschuldigte sie sich und unterbrach die Ruhe. Wäre das zwischen ihnen nicht passiert, wäre alles vollkommen in Ordnung. Wie sollte sie nun damit leben können, dass sie die Beziehung ihres besten Freundes zerstört hatte? Das hatte sie doch nicht erreichen wollen!
Er blinzelte irritiert und lächelte, jedoch wirkte es eher traurig. „Es ist nicht deine Schuld, Lucy. Sie hatte wohl doch recht und unsere Beziehung hat ins Nichts geführt…“
Denn während Lucy Frühstück zubereitet hatte, hatte er sich versucht, sich an das Gespräch zwischen ihm und Lisanna genauestens zu erinnern. Nach einigem Überlegen hatte er feststellen müssen, dass sie Recht gehabt hatte. In letzter Zweit hatten sie immer weniger Zeit miteinander verbracht, ihre Gespräche waren immer oberflächlicher geworden und auch ihr sogenanntes Schlafzimmerleben hatte nachgelassen. Ihm war das Verlangen einfach vergangen. Hieß das etwa, dass er sie gar nicht mehr liebte? Dieser Gedanke hatte ihn wirklich verwirrt. Natürlich hatten die Worte seiner Exfreundin wehgetan. Er müsste lügen, wenn er behaupten würde, dass mit ihm alles in Ordnung war, denn dem war definitiv nicht so. Das Ende dieser Beziehung hatte ihm das Herz gebrochen.
„Nein, es ist meine Schuld, ich hätte es dir sagen müssen, Natsu“, entgegnete sie schließlich und wirkte schon fast schuldbewusst, was er sich nicht erklären konnte. Wieso sollte sie denn ein schlechtes Gewissen haben? Was hätte sie ihm sagen sollen? War es wirklich etwas Wichtiges gewesen?
„Was hättest du mir sagen sollen, Luce?“, hakte er nach, als sie weiterhin still schwieg. Was konnte es auch sein, was vielleicht alles anders enden lassen hätte?
„Weißt du, wie ich mit Loke damals zusammen gekommen bin, Natsu?“, fing sie also an und starte in seine Richtung. Er schüttelte als Antwort seinen Kopf. Natürlich wusste er es nicht. Das würde sie nun aber wohl ändern müssen. Viel zu lange hatte sie diese Gefühle mit sich geschliffen. Sie mussten raus. Wahrscheinlich würde sie es im Nachhinein bereuen. Jedoch war es besser, wenn sie nun Klartext reden würde, denn sicherlich würde die Wahrheit ohnehin ans Licht kommen. Schlimmer konnte es ja eigentlich auch nicht werden.
„Es begann damit, dass du und Lisanna zusammenkamt. Natürlich habe ich mich für euch gefreut. Jeder hat sehen können, wie sehr ihr ineinander verliebt gewesen wart. Aber zugleich bin ich auch einsamer geworden, da ich wusste, dass du dich von mir entfernen würdest. Das trat auch ein.“ Sie verhakte ihre Hände miteinander. Es verwunderte sie schon, dass er sie nicht unterbrach. Selten war er so gehörig, was das bloße Zuhören betraf.
„Dann kam Loke auf mich zu, er gestand mir seine Liebe. Er versprach mir, dass er es ernst mit mir meinte. Das glaubte ich ihm natürlich nicht. Schließlich flirtete er mit nahezu jedem weiblichen Wesen. Jedoch beschloss ich ihm, ihm eine Chance zu geben, da ich nicht so herzlos sein wollte, die er auch nutzte. Wir gingen auf Verabredungen und ich fühlte mich durch ihn wieder besser. Es war auch wieder einfacher, mit dir zu reden, da ich mich wieder selbständiger fühlte und nicht allzu sehr von dir abhängig. Und nach einem Monat stimmte ich auch zu, seine Freundin zu werden.“ Sie lächelte bei der Erinnerung. Er hatte sich so viel Mühe gegeben. Nie hätte sie ihm so etwas zugetraut. „Ich verliebte mich in der Zeit immer mehr in ihn und vergaß, dass dies nur eine Illusion war, denn ich war in Wahrheit nie über meine erste große Liebe hinweggekommen.“
„Wieso erzählst du mir das, Lucy? Was hat das mit mir zu tun?“, fragte Natsu irritiert. Er verstand den Zusammenhang nicht. Da war Loke halt ein toller Kerl gewesen und hatte letzten Endes wohl doch nicht, seine Finger von anderen Mädchen lassen können. Das wusste er schon. Und was war dieses Gerede von ihrer ersten großen Liebe? Wer sollte das überhaupt sein? Wieso hörte er davon zum ersten Mal? Hatte sie ihm nicht sonst von ihren Schwärmereien stets erzählt? Er war doch ihr bester Freund!
„Du bist ein Idiot, Natsu. Ich bin mit Loke nur zusammen gekommen, um über diese eine Person hinweg zu kommen. Und als es dann zwischen Loke und mir vorbei war, ist es mir erst klar geworden. Außerdem liebe ich diese Person immer noch. Ich kann ihn einfach nicht vergessen. Da kann ich tun und lassen, was ich will. Es klappt nicht.“ Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen. Der Anblick war fast schon herzzerreißend. Nur, war sein Herz bereits gebrochen.
„Wer soll das sein?“
„Diese Person wärst wohl du, Natsu.“
Aus seinem Gesicht schwand die Verwirrung. Stattdessen wirkte er schon fast ausdruckslos, als wüsste er nicht, wie er nun reagieren sollte. Das stimmte wahrscheinlich auch. Immerhin hatte seine beste Freundin ihm gerade offenbart, dass sie ihn liebte und das schon seit mindestens zwei Jahren. Was sollte er den davon halten? Es überraschte ihn. Nie hätte er das erwartet. Man hatte immer wieder Witze über die beiden gerissen, dass sie sich wie ein altes Ehepaar verhielten, aber das hatte aufgehört, als er mit Lisanna zusammengekommen war. Was ihn noch mehr verwunderte, war die Tatsache, dass es ihm nie aufgefallen war. Jetzt ergaben für ihn jedoch auch ihre Worte einen Sinn.
„Würdest du mich lieben, Natsu?“
„Ich wollte nur, dass du Bescheid weist, Natsu. Es tut mir wirklich leid, dass ich es nicht für mich behalten konnte, aber ich kann einfach nicht mehr.“ Mit diesen Worten stand sie auf und begann abzuräumen. Sie stellte das Geschirr in die Spülmaschine und räumte jeglichen Schmutz weg vom Kochen. Es verunsicherte sie, dass Natsu weder etwas sagte noch etwas tat. Sie seufzte leise. Sie bereute ihre Entscheidung bereits jetzt. Warum hatte sie nicht einfach ihren Mund halten können? Dann würde jetzt nicht diese unangenehme Stille herrschen. Sie war fertig, Jedoch traute sie sich nicht, sich umzudrehen, denn dann würde sie sein Gesicht sehen. Sie hatte Angst, dass er sie endgültig von sich stoßen würde. Wie sollte sie das nur überstehen? Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Das durfte doch nicht wahr sein! Sie konnte nicht anfangen zu weinen! Sie musste stark bleiben! Jedoch wollte ihr Körper scheinbar nicht auf sie hören, denn die Tränen rollten über ihr Gesicht. Hastig versuchte sie, diese weg zu wischen.
„Immer noch…Du fühlst immer noch so?“, durchbrach Natsu die Stille, worauf sie in ihren Bewegungen inne hielt und schwach nickte, was er nur gerade so ausmachen konnte. Deshalb stand er auch auf und stellte sich hinter sie. „Lucy?“
Seine Stimme aus dieser plötzlichen Nähe hörend ließ sie zusammenzucken. Langsam drehte sie sich zu ihm um und schluckte schwer. Sie blickte in seine Augen, die eine Antwort zu erwarten schienen. Sie hatte keine andere Wahl, sie musste es noch einmal klar und deutlich aussprechen. Schlimmer konnte es ja sowieso nicht mehr werden. Das redete sie sich zu mindestens ein.
„Ich liebe dich, Natsu“, teilte sie ihm ein weiteres Mal mit, nur dieses Mal richtete sie es direkt an ihn.
Ihre Hände fuhren ein weiteres Mal über ihr Gesicht, um noch eventuelle Spuren ihrer Tränen zu beseitigen. Sie senkte ihren Blick. Sie wusste nicht, wohin sie schauen sollte, sie konnte eigentlich überall hinsehen - nur eben nicht zu ihm. Es machte sie nervös, dass er nichts entgegnete. Überhaupt war er ihr viel zu nah. Seine Füße waren vielleicht zwei Fußlängen von ihr entfernt. Das konnte sie mit ihren zum Boden gerichtetem Blick ziemlich gut ausmachen. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe rum. Wieso antwortete er ihr nicht oder ging wenigstens? Vielleicht sollte sie zuerst gehen?
Gerade wollte sie sich zu Seite bewegen und anschließend an ihm vorbei gehen, doch hinderte der Rosahaarige die Blondine daran. Indem er seine Hände jeweils neben ihr auf der Küchentheke abstützte und sie somit „einsperrte“. Fast schon empört blickte sie nun doch auf. Was erlaubte er sich denn bitte schön? Ihr war ja bewusst, dass er nicht gerade der Hellste war, aber selbst er musste doch verstehen, dass sie es nicht mehr länger aushalten konnte und einfach nur noch weg wollte! Er konnte sie ruhig alleine lassen!
„Natsu! Was fällt dir ein! Lass mich verdammt noch einmal gehen!“, fauchte sie und machte sich an seinen Händen zu schaffen. Tatsächlich zog er seine Hände weg, was sie fast schon erleichtert aufseufzen ließ, doch da hatte sie sich zu früh gefreut. Denn seine Hände hatte er nicht zu sich gezogen. Stattdessen stricht er mit einem Mal über ihre Wange. Seine Augen wirkten schon fast liebevoll auf sie, was sie vollkommen schwach werden ließ. Auch wenn sie es wollen würde, konnte sie sich nicht mehr fort bewegen. Die ganze Wut hatte sich ins Nichts aufgelöst. Seine dunklen Augen hielten sie fest. Ihre Wangen färbten sich in ein zartes Rosa durch seine Berührungen. Seine andere Hand wanderte an ihren Hinterkopf. Ehe sie sich versah, übte er sanfte Gewalt aus, um ihre Lippen miteinander zu vereinen. Ihre Augen weiteten sich. Damit hatte sie nicht gerechnet. Wie den auch? Ihre Lider flatterten zu und sie gab sich dem Kuss hin. Ihre Arme legten sich wie von selbst um seinen Nacken und zogen ihn noch näher zu sich. In ihrem Bauch schienen mit einem Mal, Schmetterlinge zu toben und überhaupt wurde sie von solch einer Wärme durchzogen, die sie erst gar nicht hinterfragen ließ, warum er überhaupt beschlossen hatte, sie zu küssen. Es kribbelte wie verrückt. Sie stöhnte leise auf, als er sich mit seiner Zunge Zutritt in ihre Mundhöhle verschaffte, welchen sie ihm wahrscheinlich ohnehin gewährt hätte. Ihre Zunge kam der seinen entgegen und wurde in eine Art Kampf verwickelt, wobei sie sich dominieren ließ, da es ihr darum nicht ging, etwas zu gewinnen, was bei ihm bekanntlich anders aussah. Sie wollte nur dieses Gefühl weiterhin genießen können, welches in ihr aufstieg. Ihre Hände wanderten in sein Haar und sie meinte, ihm dabei einen Laut zu entlocken. Ihr wurde bewusst, wie sehr sie Natsu wollte. Das konnte nicht gesund sein.
Schließlich fiel ihr auch auf, dass sie den Sauerstoff wohl doch nötiger hatte, weswegen sie sich atemlos von ihm löste und sich ein Keuchen nicht verkneifen konnte. Ihr Herz raste wie verrückt. Sie hatte sich noch nie bei einem Kuss so gefühlt. Nie hatte Loke ihr so einen Kuss geben können, selbst wenn sie miteinander schliefen. Diese Leidenschaft hatte sie zum ersten Mal so intensiv spüren können. Lucy wusste, dass nur Natsu ihr dieses Gefühl geben konnte. Nur er war dazu in der Lage, sie so zu küssen, dass ihr so warm wurde, sie so anzusehen, sodass ihre Gedanken und Zweifel sich in Luft auflösten, sie so zu berühren, dass es kribbelte und sie sich ihm hingeben würde. Völlig egal, was er selbst dabei fühlte.
Aus dem Grund wehrte sie sich auch nicht, als er sie anhob und zurück in ihr Schlafzimmer brachte und sie dort anschließend auf ihrem Bett ablegte. Er gesellte sich zu ihr, war jedoch über ihr. Seine Hand fuhr die Konturen ihres Gesichtes nach und legte sie schließlich an ihre Wange, an welche sie sich mit geschlossenen Auge und einem Lächeln auf den Lippen anschmiegte. Eigentlich war es ihr nicht egal, dass er ihr keine Antwort auf ihr Geständnis gegeben hatte, aber sie wollte sich damit nicht beschäftigen. Warum sollte sie sich durch etwas die Laune verderben lassen, wenn er ihr verhalf, sich wieder so geliebt zu fühlen, auch wenn er es wahrscheinlich nicht tat? Seine Berührungen fühlten sich wie Feuer auf ihrer Haut an. Seine Lippen, die er erneut auf die ihren legte, schienen sich in ihr Gesicht zu brennen durch ihre Vermittlung von Leidenschaft. Ihr Herz machte einen Hüpfer vor Aufregung. Sie konnte sich nichts vormachen. Ihren Verstand ließ sie abtauchen, sie wollte auf diesen nicht hören. Lieber hörte sie ihr auf ihr Herz. Diese Gefühle, die er in ihr auslöste verfrachteten sie einfach auf Wolke Sieben.
All das hieß sie willkommen und dachte nicht einmal daran, es bereuen zu wollen. Auch wenn ihr klar war, dass sie dabei waren, einen weiteren Fehler zu begehen. Nur diesmal ohne den dazu gehörigen Alkohol.