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Wechselbalg

Farfarello x Schuldig
von

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Frontseite der Klinge

Das Innerste geäußert und aufs Äußerste verinnerlicht.

Ein Wechselbalg, die Welt getauscht und nun werden wir sehen.

(Asp)
 

Wechselbalg
 

Das Leben eines Menschen passt in einen Plastiksack.

Je nach Person und Ereignis war dieser Beutel unterschiedlich groß. Wollte beispielsweise ein Kind sein eigenes Chaos nicht beseitigen, waren dessen Eltern schnell geneigt, alle Spielsachen und damit die kindliche Unschuld in einen Müllsack zu werfen. Dagegen schaffte es ein Junkie, Glückseligkeit und Lebensgefühl wie flockigen Pulverschnee in einer fingerbreiten Tüte aufzubewahren. Erst recht am Ende eines Daseins gelang es ohne Mühe, die menschlichen Überreste in einen Leichensack zu stecken. Wurde der Tod absichtsvoll herbeigeführt, konnte es passieren, dass der verantwortliche Mörder sich wiederum eines Müllsacks bediente, um die zersägten Einzelteile zu verbergen.

Als Farfarello aus der Psychiatrie entlassen wurde, passte seine gesamte Existenz in einen verschließbaren Plastikbeutel von fünfzehn Zentimetern Breite und dreißig Zentimetern Länge. Darin befanden sich zur Überbrückung der nächsten Tage verschiedene Medikamente, auf die er eingestellt war. Nur das Messer, das sie ihm bei seiner Einweisung abgenommen hatten, gaben sie ihm nicht zurück.

Wahrscheinlich war Farfarello der erste Patient, den man aus der Anstalt gehen ließ, ohne ihn vorher von der Zwangsjacke zu befreien. Dieses Kleidungsstück ließ ihn etwas umständlich in den nachtschwarzen Bentley mit den getönten Scheiben einsteigen, zu dem Brad Crawford ihm hilfsbereit und ohne Worte die Autotür öffnete. Im Innenraum roch es nach Zigaretten und Leder.

„Du bist nun frei“, erklärte Crawford souverän, in entspannter Haltung unter den Falten seines Nadelstreifenanzugs, die Hände auf dem Lenkrad und den Blick geradeaus. An den Rändern der Frontscheibe starben die letzten Eisblumen. „Bis zu deinem ersten Auftrag werden wir dich im Keller einquartieren.“

Freiheit, so meinte Farfarello in jenem Moment zu verstehen, bedeutete offenbar, von einem Gefängnis zum anderen zu wechseln. In Zukunft sollte er also dafür sorgen, weitere Menschenleben kompakt genug für einen Leichensack zu gestalten.

Nach einigen Sekunden des Schweigens fügte Crawford hinzu, als hätte er vergessen, das zu erwähnen:

„Willkommen bei Schwarz.“
 

Der Raum im Keller war groß, leer und auf gleiche Weise vergittert wie Farfarellos vormaliges Gefängnis. Durch die Streben warf das Neonlicht gekreuzigte Schatten auf den Zellenboden. Hinter den Schatten lehnte sich Farfarello an die kahle Wand, um nicht in Berührung zu kommen mit Gottes Zeichen und dem Folterwerkzeug seiner geheiligten wie entweihten Kinder.

„Du hast es Schuldig zu verdanken, dass wir dich bei uns aufnehmen“, meinte Crawford und begleitete seine Aussage mit einer zur Seite weisenden Geste. Neben dem großgewachsenen Amerikaner, der in seinem legeren Anzug unbestreitbar seriös auftrat, wirkte der Mann mit den grünen Haaren und der unkonventionellen Kleidung beinahe unpassend. Jener Fremde lächelte das neue Teammitglied von Schwarz breit an.

„Ciontach?“, fragte Farfarello monoton. Es war das erste Wort, das er seinen Partnern gegenüber formulierte. Schuldig lächelte hierauf und antwortete:

„Ja, das bin ich.“
 

Brad Crawford stellte die Menschen in seinem Umfeld meist vor vollendete Tatsachen und ließ ihnen nur so viele Informationen zukommen, wie er selbst für notwendig erachtete. Dementsprechend hatte er Schuldig erst kurz vor seiner Abfahrt mitgeteilt, welche Rolle er in Zukunft zu spielen hatte. Niemand kam sonderlich einfach an den soziopathischen Iren heran, der seit seiner Überführung kein Wort mehr gesprochen hatte. Auch wenn Schuldig ebenso wenig wie die meisten anderen Leute im krankhaften Wirrwarr von Farfarellos Gedanken ein vollständiges Verstehen erlangen konnte, würden seine Fähigkeiten dennoch zur Vermittlung ausreichen. Brad Crawford, das Orakel der Organisation, war sich sicher, Schwarz würde mit Farfarello um einen humanen Faktor der Inhumanität erweitert werden.

Indessen hatte Schuldig nicht vor, gegen seine neue Verantwortung zu protestieren.
 

Es vergingen einige Tage, in denen sich das Personal im Gebäude um den Neuzugang kümmerte. Einer der Mitarbeiter musste in einem unvorsichtigen Augenblick sein Leben lassen, als er dem typisch irischen Rotschopf mit dem narbenübersäten und gleichfalls von einer Augenklappe durchschnittenen Gesicht zum Essen die Riemen der Zwangsjacke löste. In den wenigen Sekunden des Schreckens brach Farfarello dem Ahnungslosen das Genick. Takatori kam für die Entsorgung des Leichnams und für die Reinigung der Fußböden auf, die der Getötete mit seinen körperlichen Hinterlassenschaften beschmutzte. Danach steigerte sich die Angst des Personals um ein Vielfaches und die Dosis von Farfarellos Medikamenten wurde im entsprechenden Maß erhöht. Darüber hinaus verhielt sich dieser allerdings den überwiegenden Teil der Zeit ruhig, sogar relativ ungefährlich.

Weder Crawford noch Schuldig verschwendeten einen Gedanken daran, wann der Vierte im Bunde von Schwarz seine Initiation erhalten sollte. Nagi Naoe bekam davon lediglich am Rande etwas mit. Er hatte sich für derlei Nebensächlichkeiten noch nie interessiert.

Schließlich sah Farfarello den grünhaarigen Mann mit dem unverschämten Grinsen wieder. Er tauchte in seinen Räumlichkeiten auf, ohne eine Spur von Furcht zu zeigen. Unbeschwert betrat Schuldig die Gefängniszelle, warf Farfarello ein paar Messer vor die Füße und nötigte ihn dazu, die Zwangsjacke auszuziehen. Dieser wehrte sich reflexartig. Dann jedoch langte Farfarello in einer Mischung aus Faszination und Pflichtbewusstsein nach einem der Messer. Es hatte ein ausgewogenes Gewicht, lag schwer und gut in seiner Hand. Direkt über dem Griffschutz war auf dem Ansatz der Klinge das Wort Frost eingraviert. Farfarello mochte die milchigen Lichtreflexe, die sanft ineinander übergingen, wenn er das Messer bewegte.

Der stetig grinsende Schuldig sagte etwas aus weiter Ferne, bedeutungsvoll oder nebensächlich. Was auch immer er mitteilte, die Fetzen der verbalen Kommunikation lagen auf Farfarellos Nervenbahnen wie Wackersteine am Wegesrand. Schuldig fragte ihn, ob er lachen würde, dabei hatte Farfarello keine Miene verzogen. Stattdessen merkte er, dass er den Deutschen verstehen konnte, obwohl sich seine Ohren vor jedem unheiligen Wort verschlossen. Eine Saite in seinem Kopf, durch Telepathie in Schwingung versetzt, schien Farfarello zu verraten, was Schwarz von seinem neuen Zuwachs erwartete.

„Träume und Hoffnung“, meinte Schuldig finster lächelnd, „so etwas gibt es nicht in dieser Welt. Die Dunkelheit braucht kein Licht, denn sie ist der reinste Stoff von allem. Der Stoff, aus dem die Träume sind, die einzig wahren Albträume. Was jetzt ist, ist Wahrheit. Wer das nicht versteht, sollte diese Welt besser verlassen.“

„Wahrheit“, griff Farfarello das Gehörte auf und hielt es so unnachgiebig fest wie das Messer in seiner Hand.

„Wenn du bereit bist“, räumte Schuldig ein, „können wir solchen, die sich nicht belehren lassen, gern gemeinsam einen Ausweg aus dieser Welt zeigen. Was meinst du?“

Zwar antwortete Farfarello nicht, doch waren seine von Dunkelheit und unreinem Licht durchfluteten Gedanken Antwort genug. Gebannt starrte er auf die helle Lichtlinie der Schneide, um ihre verheißungsvolle Schärfe abzuschätzen.

„Hast du irgendeinen Wunsch?“, fragte ihn Schuldig nach einer Weile. Fast hätte Farfarello vergessen, dass er nicht allein war. „Sollte dir Schwarz die Wahl lassen, ob du für uns arbeiten willst oder nicht, wofür würdest du dich dann entscheiden?“

„Einen Wunsch“, wiederholte Farfarello das Wort gleichgültig. „Ich habe keinen Wunsch. Ich habe einen Auftrag.“
 

Ein Schwarm von Schmetterlingen stieg hinauf in die Luft, als die Klingenspitze wie ein Reißverschluss den Brustkorb öffnete. Es waren rote Schmetterlinge. Sie flatterten in Intervallen aus der Wunde empor. Gebannt verfolgte Farfarello das Schlagen ihrer feuchten und staubigen Flügel. Rasch senkten sich ihre hübschen Körper, sammelten sich um den geöffneten Leib und taumelten zwischen den Blumenranken umher, die aus den Rippen sprossen.

Berauscht stach Farfarello weitere Male in das leblose Fleisch hinein und beobachtete, wie immer neue Blumen glucksend dem Torso entwuchsen, Rosen und Tulpen, schimmernd rot und mit wiegenden Köpfen. Gottes Werk konnte so viel Schönheit hervorbringen.

„Das reicht.“ Jemand schüttelte ihn. „Hör endlich auf.“

Schuldig zog ihn auf die Beine und rüttelte erneut an den schmalen Schultern seines Kollegen, um ihn in die Realität zurückzuholen. Farfarello schaute den Deutschen emotionslos an, dann wieder hinab. Er betrachtete seine blutverschmierten Hände sowie das besudelte Messer, welches er krampfhaft mit seinen schmutzigen Fingern umschloss. Er suchte auf der Erde nach der zu lobpreisenden Blumenwiese und den leuchtenden Schmetterlingen. Doch alles, was er fand, war die Hässlichkeit von Gottes Schöpfung.
 

Nach diesem ersten Auftrag erhielt Farfarello den Codenamen Berserker. Er tötete nicht eiskalt wie ein Killer, sondern wütete wie ein Monstrum.

Im Folgenden sollte er die Zelle im Keller verlassen und bezog, gleichfalls im Untergeschoss, ein enges Zimmer ohne Fenster, ausgestattet mit einer knackenden Klimaanlage. Alles in diesem Raum war beruhigend weiß, die Wände, der Schrank, das Bett und der Nachttisch. Seine ebenso weiße Zwangsjacke durfte Farfarello zudem behalten. Ein weiterer Faktor, der sein Gemüt besänftigte, bestand aus dem robusten Sicherheitsschloss an seiner Tür. Farfarello brauchte keine Stimme, als er Schuldig stumm darum bat, seine Unterkunft stets abzuschließen und den Schlüssel sicher zu verwahren. Manchmal, mitten in der Nacht, spürte der Telepath, wie Farfarellos Gedanken panisch nach ihm griffen.

„Druid an doras! Le do thoil!“

„Sie ist verschlossen“, schickte ihm Schuldig müde zurück. „Keine Sorge. Niemand außer mir wird sie öffnen. Schlaf weiter.“

Ab und zu besuchte Schuldig den Iren aus Langeweile. Er brachte ihm Essen oder fehlende Medikamente. Hernach nahm er das Geschirr, Besteck und jedes Wasserglas wieder mit sich fort, sobald er Farfarello verließ, damit dieser keines jener zerbrechlichen Objekte zertrümmern oder benutzen konnte, um sich daran selbst zu verletzen. Mit der Zeit häuften sich auf dem kleinen Tisch neben dem Bett sowohl Mullbinden als auch die zahlreichen Verpackungen von Tabletten. Der Berg an leeren Blistern wurde von Tag zu Tag höher. Irgendwann fragte Schuldig, zu den Medikamenten nickend:

„Helfen die denn?“

Farfarello ließ sich zur Seite auf das Bett fallen und blickte Schuldig starr aus seinen aufgerissenen Augen an, ohne ein einziges Mal zu blinzeln. Das leise Dröhnen der Klimaanlage verebbte beim automatischen Umschalten und verdichtete zusätzlich die Stille im Raum. Schuldig reagierte auf das Schweigen mit einem Schmunzeln und wandte sich letztlich zur Tür. Bevor er ging, sagte er:

„Schon klar. Du weißt ja nicht, wie es anders wäre.“
 

Klackernd huschten die zierlichen Finger des Jungen über die Tastatur. Nagi schaute nur flüchtig auf, als Schuldig die Zentrale betrat, in der das Team üblicherweise die Durchführung ihrer jeweils nächsten Aufträge vorbereitete.

„Jemand sollte mal den Müll entsorgen“, meinte Schuldig, während er sich lässig die Hände in die Taschen schob und seine beiden Teamkollegen abwechselnd musterte. Keiner von ihnen schien ihm Beachtung zu schenken. Auch Crawford bedachte ihn nun lediglich mit einem kurzen Blick durch seine randlose Brille.

„Ich rede von Farfarello“, ergänzte Schuldig.

„Er ist doch eben erst zu uns gestoßen“, entgegnete Nagi, auf bissige Weise desinteressiert, wobei seine tippenden Finger nicht zum Stillstand kamen. „Wieso sollten wir ihn gleich wieder entsorgen?“

„Sehr witzig, Wunderkind. Ich meine sein Zimmer. Niemand scheint dort aufzuräumen oder sauber zu machen.“

„Ist die Frage ernst gemeint, Schuldig?“ Crawford hob unmissverständlich eine Augenbraue. „Müsstest nicht gerade du mitbekommen haben, welche Angst unser Reinigungspersonal davor hat, überhaupt in seine Nähe zu kommen? Nicht ohne Grund, wie du weißt. Ich kann mich nicht ständig nach neuen Mitarbeitern umsehen.“

„Kürzlich habe ich mich dazu überreden lassen“, murmelte Nagi missmutig, die feinen Gesichtszüge vom Monitor erhellt, „als er da unten diese Sauerei veranstaltet hat. Ich werde bestimmt kein zweites Mal wischend auf dem Boden herumkriechen.“

„Ach?“ In gespieltem Erstaunen legte Schuldig eine Hand vor seinen geöffneten Mund. „Ich dachte, du könntest wie beim Zauberlehrling einfach irgendwelche Besen verhexen, die für dich die Arbeit erledigen, Wunderkind.“

Nagi quittierte den Sarkasmus seines Kollegen lediglich mit einem giftigen Blick.

„Was ist eigentlich mit Farfarello los?“, wollte Schuldig nun wissen. „Verletzungen machen ihm nichts aus. Er scheint sie nicht einmal zu spüren.“

„Eine pathologische Form von Analgesie?“, schlug Nagi vor, übellaunig und nur halb zuhörend.

„Nein“, wies Crawford entschieden ab, „es ist nichts angeboren Neurologisches, sondern vielmehr psychisch bedingt, womöglich psychosomatisch.“

Schulterzuckend kratzte sich Schuldig am Hinterkopf.

„Jedenfalls türmt sich auf seinem Tisch schon ein Gebirge auf, sozusagen ein Blistermountain.“ Unvermittelt lachte Schuldig über seinen eigenen Scherz. Hierfür erntete er von dem Jüngeren ein Augenrollen, vom Älteren ein Kopfschütteln. Crawford konnte an der Aussage nichts Amüsantes entdecken und Nagi war es schlichtweg egal.
 

Erneut tummelte sich die Schar der roten Schmetterlinge im süßen Rosenduft, der wie Nebel in der Luft lag.

„Gib ihm ein Messer”, hatte jemand verlangt und Farfarello war mit seiner Waffe in den Krieg gezogen. Dornenrosen flossen über die weite Ebene. Einst war dem alten Geschlecht eine ähnliche Rose entsprungen. Aus der Wurzel gebar der unbefleckte Mutterschoß den Sohn des allmächtigen Herrn. Weiter rankten sich die roten Blumen über den Erdboden, bis Farfarello mit dem Messer in seiner vom Lebenssaft rutschigen Hand erkannte, wie sich das ermordete Opfer zu seinen Füßen in etwas zurückverwandelte, das es ursprünglich war: ein Mensch. Sofort verströmte der schwere Geruch nicht nur eine berauschende Süße, sondern zugleich die metallische Note von Blut.

„Gabh mo leithscéal“, sagte Farfarello leise. „Ich habe Gottes Werk vernichtet. Nein, ich habe Gottes Werk verrichtet.“

„Wozu entschuldigst du dich dann?“, fragte Schuldig, der neben ihn getreten war, mit seinem immerwährenden Lächeln.

„Das kann ich nicht. Das kann niemand.“ Ein bitterer, abweisender und misstrauischer Ausdruck zeichnete Farfarellos Gesicht. „Niemand kann sich selbst von der Schuld freisprechen. Man muss darum ersuchen. Ich entschuldige mich nicht. Ich bitte um Vergebung.“

Kehrseite der Klinge

Der Tod ist ein Geschäft, das sich immer lohnt.

Wenn man jemanden per Auftrag tötete, war es geradezu der Gipfel des Hohns, seine Taten vor sich selbst oder anderen zu rechtfertigen. Ein Zeichen von Schwäche und schlechtem Gewissen, wenn man sich gut zuredete, jene Opfer hätten ihren Tod verdient und die Welt sei ohne sie ein besserer Ort. Nach Schuldigs Meinung hatte jeder den Tod verdient. Oder zumindest keiner mehr oder weniger als ein anderer. Mord war Mord, nichts weiter, und kein Mord konnte die Welt irgendwie besser machen.

Hatte man sich den Tod zum Geschäft gemacht, bestand der einzig ehrbare Lohn dafür aus einer ordentlichen Summe auf einem Gehaltsscheck.

Daneben konnte man außerdem noch ein bisschen Spaß haben. Manchmal brauchte Schuldig diesen Nervenkitzel und die Macht der eigenen Überlegenheit. Doch die Tage, in denen Schwarz die Früchte ihrer Arbeit genießen konnten, waren ihm gleichfalls recht.

Bei Farfarello war das anders. Zuerst scheute er sich stets davor, die Zwangsjacke abgenommen zu bekommen. Selten wollte er auf sie verzichten. Sobald er sie nicht auf seiner Haut fühlte, ersetzte er ihren weißen, festen Stoff meist durch etwas, das er genauso liebte und brauchte: die Klinge eines Messers.
 

Das schwache Fleisch musste gezüchtigt werden. Es fand sein Refugium in jeder einzelnen Blutbahn, die sanft über die blassen Ebenen der Haut floss.

„Warum hast du ihm das Messer nicht abgenommen?“ Schuldig machte einen genervten Eindruck, als er Nagi anklagend taxierte und Farfarello das Mordinstrument entriss, mit dem sich dieser eine klaffende Wunde am Oberarm zugefügt hatte. Der Ire musterte verwundert seine leere Hand, als könne er nicht begreifen, weshalb das Gewicht darin plötzlich verschwunden war.

„Bin ich sein Kindermädchen?“, warf Nagi überheblich zurück, wandte sich ab und verließ trotzig den Raum, ließ Schuldig mit Farfarello allein. Der Deutsche schickte ihm eine abwertende, von jenem nicht bemerkte Geste hinterher, anstatt seiner latenten Frustration durch telepathische Beleidigungen Luft zu machen. Wenn er sich mit dem jungen Hacker ein mentales Gefecht lieferte, würde er an diesem Abend vermutlich nicht mehr zur Ruhe kommen.

Er drehte sich zu Farfarello herum, der es irgendwie bewerkstelligte, ihn gleichzeitig böse und teilnahmslos anzustarren. Schuldig verzog seinen Mund zum gewohnten Grinsen.

„Wenn ich mir deine Neigungen so anschaue, dann ist Schwarz womöglich dein Schicksal“, stellte er in übertriebener Unbefangenheit seine Vermutung in den Raum. „Wo sonst könntest du existieren?“

Auf die Worte nicht achtend fixierte Farfarello das Messer in Schuldigs Hand, eines der Lieblingsstücke aus seiner Sammlung. Lediglich die schmale Linie am geschärften Rand war metallisch hell, dagegen war der Rest der Klinge angeraut und vollkommen schwarz, der Griffschutz leicht gebogen.

„Solche wie wir“, fuhr Schuldig fort, wobei er den Blick des Anderen genau registrierte, „können nicht normal in der Gesellschaft leben. Doch diese Welt braucht uns, um sich selbst am Leben zu erhalten.“

Während Schuldig zum Schrank ging, ihn aufschloss und einen Verbandskasten herausnahm, setzte sich Farfarello auf das Bett und richtete seine Aufmerksamkeit schweigend auf eine Ecke seines Zimmers, wo sich Wand und Boden im rechten Winkel trafen.

„Damit etwas Neues entstehen kann, muss etwas Altes zerstört werden.“ Schuldig legte das Messer auf die Bettdecke und ließ sich sorgsam zwischen dem Instrument und Farfarello nieder. „Wir vernichten und zerstören für den Fortbestand der Wirklichkeit.“

Er wollte soeben den Arm des Iren ergreifen, um ihn zu verarzten, als dieser sich ihm entzog. Dennoch sprach Farfarello kein Wort. Er dachte keinen Gedanken. Sein Gesicht blieb ausdruckslos.

„Was ist denn?“

Stirnrunzelnd suchte Schuldig nach einer Reaktion in der Mimik oder Gestik des anderen Attentäters. Irgendeine Reaktion, die ihm zur Antwort auf seine Frage gereichte. Die einzig wahrnehmbare Regung blieb allerdings ein leichtes, kaum sichtbares Zittern. Vertieft in diese ungewohnte Beobachtung erschrak Schuldig ein wenig, als Farfarello nach einer Weile doch noch die Lippen bewegte.

„Was du Schicksal nennst“, sprach er monoton und ohne eine Miene zu verziehen, „damit meinst du eigentlich...“

Das allerletzte Wort wollte er mit etwas begleiten, das unbeholfen an seinem Mundwinkel zerrte. Schuldig wusste nicht, was es war. Vielleicht ein Lächeln.

„Glück“, sprach Farfarello schließlich jenes allerletzte Wort aus, das sich leer und inhaltlos im Raum verlor, als habe es keinerlei Bedeutung.
 

„Werden ihn die Verletzungen behindern?“, fragte Brad Crawford kühl, den Blick desinteressiert auf die vor ihm liegenden Akten geheftet.

„Bisher ist es nicht weiter gefährlich und Schmerzen verspürt Farfarello ohnehin nicht“, antwortete Schuldig vage. „Vermutlich also nicht.“

„Mit Vermutungen können wir in unserem Geschäft nichts anfangen.“ Eine steile Falte grub sich in Crawfords Stirn, als er seine Brille absetzte, sich die Nasenwurzel massierte und Schuldig daraufhin mit den Augen durchdrang.

„Mehr als das kann ich nicht liefern“, verteidigte sich dieser bissig. „Wer ist denn dafür zuständig, unsere Zukunft abzusichern?“

Den peitschenden Laut, mit dem Crawfords flache Hand auf die Tischplatte knallte, registrierte Schuldig schneller als die eigentliche Bewegung. Ein untypisches Verhalten. Brad Crawford war normalerweise ein Mann, der stets die Ruhe bewahrte. Nun stand er mit aufgestemmten Armen vor seinem lederbespannten Bürostuhl und beugte sich über den massiven Schreibtisch hinweg nach vorn. Selten verströmte er eine derart schneidende Aura wie bei seinen folgenden Sätzen.

„Solange Farfarello uns keine Schwierigkeiten bereitet, kann er meinetwegen so viele unbeteiligte Personen abmetzeln, wie er will. Könnte ich sicher sein, dass es sich in Grenzen hält, dürfte er sich von mir aus auch selbst aufschneiden. Es wäre dennoch von Vorteil, wenn er sich nicht irgendwann sämtliche Extremitäten abtrennt. Und was deine Bemerkung anbelangt“, betonte Crawford pointiert jedes einzelne Wort, während er dazwischen eine aggressive Pause machte. „Derzeit gibt es zu viele Optionen für eine unfehlbare Berechnung. Du, Schuldig, bist unsere Absicherung, weil nur du Farfarellos Gedanken lesen kannst. Aber du wirst uns nicht helfen, indem du dich nur um seine äußere Befindlichkeit kümmerst. Geh tiefer! Unter die Oberfläche.“

„Wie soll ich das anstellen?“ Schuldig merkte, wie sein Kiefer zu schmerzen begann, je stärker seine zusammengebissenen Backenzähne übereinander schabten. Er hasste Autoritäten. Und er hasste es, ohne seine Kenntnis eine Verantwortung aufgebürdet zu bekommen, um die er nie gebeten hatte.

„Es gibt verschiedene Wege“, sagte Brad Crawford sachlich und setzte sich wieder. Plötzlich war sie zurück, seine allumfassende Beherrschung. „Du weißt, was ich meine.“

Schuldigs Miene und Tonfall verdunkelten sich. Ja, er wusste, was gemeint war, weil ihm die fremden Gedanken den nötigen Einblick gewährten.

„Warum sollte ich das tun?“

„Wofür wirst du denn bezahlt, Schuldig? Bestimmt nicht für deine weiße Weste. Du kannst ihn verstehen und kontrollieren.“

„Er kann nicht kontrolliert werden!“

„Doch, kann er.“ Crawford sprach gelassen, mit einer Stimme wie Sandpapier. „Sonst hätte ich ihn nicht in unser Team aufgenommen. Wenn du meine Befehle befolgst, wird immer alles unter Kontrolle sein. Verstanden?“

Der Telepath schwieg. Gleichzeitig öffnete und verschloss er seinen Geist, er suchte und floh vor den mentalen Schwingungen, die im Luftstrom flossen wie magnetische Wellen. Für Brad Crawford war Kontrolle der Fels in der Brandung. Für Außenstehende manifestierte sich darin eine Furcht vor den unentdeckten Bruchstellen im Stein.

„Verstanden, Schuldig?“

„Das war ja wohl mehr als deutlich“, antwortete Schuldig endlich. Ein bitteres Grinsen flog über sein Gesicht. Er wandte sich zum Gehen. Trocken gab ihm Crawford noch mit auf den Weg:

„Be cruel to be kind.“
 

Schuldig fühlte sich dreckig. Obwohl Crawford ihn nicht nah genug an sich herangelassen hatte, um den Grund dafür zu erfahren, war ihm jenes unterschwellige Gefühl sofort aufgefallen. Ein gefährliches Etwas, das sich ihr Anführer normalerweise nie erlaubte. Es war keine Emotion, die man wirklich als schlecht bezeichnen konnte, nicht wie Verzweiflung oder Tobsucht. Was Schuldig ungewollt erspürte, war die Kehrseite von Zufriedenheit. Und er kannte dieses kalte Unwohlsein, das wie ein Schweißfilm aus Angst die Haut bedeckte. Eine unbestimmte, ziellose Angst, die er für seinen Geschmack viel zu oft aus den unzähligen Köpfen all der sorgenschweren Menschen da draußen filterte, die sich auf den Pfaden ihres Lebens verirrten.

Crawford hatte Unrecht. Selbst wenn Schuldig Farfarellos Gedanken las, konnte er ihn weder verstehen noch kontrollieren. In dessen Kopf war keine Stimme der Vernunft zu hören, sondern das Schweigen des Wahnsinns. Dennoch wusste Schuldig, dass ihn diese Stille gleichermaßen belastete wie beruhigte.

Allein das blutrote Haar des Iren spiegelte die Farbe dessen wider, was unsichtbar an seinen Händen klebte.
 

„Wie viele von den scheiß Dingern hast du diesmal eingeworfen?”

Farfarello bewegte sich nur langsam, drehte sich auf dem kargen Bett zu Schuldig herum und starrte ihn böse an. Seine fensterlose Zelle war grell erleuchtet, kein Tageslicht erkennbar und trotzdem war es nach elf Uhr. Abends.

„Ich war müde“, sagte Farfarello.

„Wenn du müde bist, dann brauchst du die nicht.“ Schuldig deutete auf die Tablettendosen und Packungen neben dem Bett. Einige davon waren von der Spitze des Berges herunter gerutscht und verteilten sich um die Tischbeine. Sofern man davon sprechen konnte, handelte es sich zwar um verschreibungspflichtige Medikamente und Schuldig achtete darauf, seinem Teammitglied nie genügend davon auszuhändigen, als dass er sich damit hätte umbringen können, aber Farfarello neigte dazu, zumindest eine Kategorie seiner Tabletten nicht immer vorschriftsgemäß einzunehmen. Ein Arzneimittel aus der Gruppe der Butyrophenone, so hatte Schuldig es in der Packungsbeilage gelesen. Was auch immer das heißen mochte. Verlangte Farfarello wirklich nach Schlaf? Konnte es sein, dass seine Nerven unruhiger waren, als es den Anschein erweckte? Schwermütig atmete Schuldig ein.

„Was brauchst du denn?“, wollte er in Erfahrung bringen.

„Brauchen?“ Sofort fügte Farfarello seiner Frage eine weitere hinzu: „Einen Freund?“

Diese fragende Antwort oder antwortende Frage ließ Schuldig unmittelbar auflachen. Er wusste nicht, warum er lachte, und nicht, warum er traurig war.

„Einen Freund also.“ Erneut holte er tief Luft. „Bin ich denn dein Freund, wenn ich dir dein selbstverletzendes Verhalten gestatte oder wenn ich dich davon abhalte?“

„Freunde können einen verletzen. Das habe ich gehört.“ Bis eben noch drückte Farfarello das schützende Bündel aus Stoff, Riemen und Schnallen an seinen Körper, das ihn seit Stunden nicht fesselte. Jetzt ließ er es los und offenbarte die verkrusteten Schnitte an seinen Armen. Das Weiß der Zwangsjacke wies stellenweise braune Flecken auf, verunreinigt vom getrockneten Blut.

„Ja“, sagte Schuldig tonlos und hatte halb vergessen, worauf er gerade antwortete, „weil sie einem wichtig sind.“

„Das verstehe ich nicht. Aber Freunde verletzen.“ Farfarello streckte die Hand nach dem besudelten Messer aus, das auf dem Boden lag. „Kannst du mein Freund sein? Kannst du mich verletzen?“

„Ich weiß nicht.“

„Versuch es.“ Farfarello hielt ihm das Messer entgegen. „Wenn du mein Freund bist, dann verletze mich.“

Entgeistert blickte Schuldig ihn an. Er schwankte und war unsicher, ob er im Anflug von verzweifelter Belustigung „fantastisch“ oder „nein“ sagen sollte. Letztlich vermischte er es zu einem in seinen eigenen Ohren lächerlich klingenden: „Fein.“
 

„Ich wusste, dass du das tun würdest.“

„Du wusstest es!?“

Die Kontrolle, von der Crawford gesprochen hatte, vollzog sich nicht durch eine vollständige Unterdrückung von Farfarellos Neigungen, sondern durch Kompensation. Während der Aufträge ließ Schwarz ihn wüten, dazwischen ließ man ihn warten und falls der Druck zu groß wurde, half Schuldig ihm, sich seinen Autoaggressionen geregelt hinzugeben. Am Ende war das Prinzip jedoch einfacher als die Umsetzung.

„Farfarello kann oder will seine Kraft nicht richtig einschätzen“, erklärte Crawford unbeeindruckt. „Indem du das übernimmst, verhindern wir, dass er es übertreibt.“

„Wir? So wie ich das sehe, bin ich der Einzige, der hier einen Kontrollverlust verhindert.“

„Alle Seiten sind zufrieden. Fall erledigt.“

„Du hältst mich wohl für sadistisch genug, damit ich das nicht nur freiwillig, sondern voller Vergnügen tue?“, zischte Schuldig respektlos.

„Tust du das sonst nicht auch? Wo ist das Problem?“

Ein schmutziges Grinsen vermischte sich mit der Wut auf Schuldigs Gesicht.

„Das Problem ist vielleicht“, entgegnete er, „dass ich es sonst zu einem Abschluss bringe.“
 

„Tiefer“, sagte Farfarello ohne Emotion und ohne Schmerz. Er sagte es jedes Mal, wenn Schuldig neben ihm saß und der Forderung nach mehr Gewalt nur bedingt folgte, ein Messer in der ruhigen Hand, mit dem er über die bereits vernarbte Haut fuhr. Geregeltes Verletzen. Verletzen ohne zu töten.

Das Prinzip dieser Kontrolle, dachte Schuldig wie so oft, war einfacher als die Wirklichkeit. Deshalb verlor er sich in diesen stillschweigenden Momenten, in all den lautlosen Gedanken, die ihn umhüllten wie Balsam. Er schaltete alles aus, schaltete den Verstand ab.

Schuldig wusste, wie man jemanden tötete. Er wusste, wie man tödliche Verwundungen zufügte. Die Lebensgefahr zu umgehen war hingegen etwas, das er nicht gewohnt war, nicht beherrschte und das ihm mit der Zeit eine unangenehme Taubheit bescherte, als würde er nicht einer anderen Person, sondern sich selbst immer und immer wieder ins eigene Fleisch schneiden.

Jedes Mal, nach einigen Tagen und Wochen des Wartens, des Nichtstuns, des fehlenden Tötens, verzichtete Farfarello auf den Schutz seiner Zwangsjacke und fragte gleichmütig:

„Wollen wir spielen?“

Danach beobachtete Schuldig mit leeren Augen und Übelkeit in der Kehle, wie Farfarello eine Nadel in den offenen Schnitt bohrte, in den helleren, länglich geformten Fettzellen herumstocherte, die wie winzige Luftpolster aussahen und in sich zusammenfielen, sobald er sie aufstach. Leicht angeekelt wandte Schuldig den Blick ab.

Er brauchte dringend Abstand.
 

„Tiefer!“, rief sie erregt und bäumte sich ihm entgegen.

Schuldig war nur ein Riss in der Wand des menschlichen Geistes, eine Fuge, ein winziger Spalt in der Barriere. Das genügte, um ihn hineingleiten zu lassen und ein Stück Sanftheit und Wärme zu erhaschen. Mit den Sensoren seiner Psyche plünderte er, was er im fremden Inneren fand, bis sein Hunger gestillt war. Er gewann Abstand zur Realität, indem er sich in der Gesellschaft von gesunden, zärtlichen und unbeschwerten Seelen aufhielt, in einer Zwischenwelt, abseits der Aufträge und der Suche nach Fakten.

Es waren einige Tage vergangen, seit Crawford ihnen einen kurzen Urlaub gestattete, solange er allein wegen irgendwelcher Geschäfte ins Ausland reiste. Nagi würde sich während dieser Zeit wahrscheinlich seinen Studien widmen oder sich in die Datenbank des Pentagon hacken, nur so zum Spaß, um sich zu beweisen, dass er es konnte. Und Farfarello würde wie immer schlafen oder in einer Ecke seiner Zelle sitzen und ins Nichts starren.

Schuldig strich ein letztes Mal über den schlanken, erschöpften Leib seiner Gespielin, bevor er sich erhob und seine Glieder streckte, die Blockaden löste, körperlich wie mental.

Er war nun bereit, den Rückweg anzutreten.

Klingenspitze

Rot auf weißem Grund zogen sich die Kratzer Schicht um Schicht durch den Putz. Überall Blut, wie im Schlachthaus, dachte Schuldig, während er sich im Zimmer umschaute. Auf den ersten Blick sah es aus, als wäre der feuerfarbige Lebenssaft über jeden Zentimeter der Wand geschmiert worden. Wunden gleich gruben sich die Linien in ein Material, das eigentlich nicht hätte bluten dürfen. Mitten im Raum, in Farfarellos Zelle, blieb Schuldig stehen und versuchte die Vorstellung zu verdrängen, dass im Mauerwerk des Hauses ein Gezweig aus Adern pulsierte.

Doch der Eindruck täuschte. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass sich aus dem scheinbar sinnlosen Gestrüpp ein Muster herauskristallisierte und dass es kein Blut, sondern Farbe war. Es waren Zeichen. An die Wand gemalte Schriftzeichen verschiedener Sprachen, teils in riesigen Lettern, teils klein und eng geschrieben und kaum leserlich. Tarrtháil! Spiel mit mir! 助けて! Please, help me! 助けてください! Fóir orm! Hilf mir! Bis in die hintersten Winkel der glatten Fläche strömten die Buchstaben wie verwundete Soldaten über ein schneebedecktes Schlachtfeld.

„Was soll das?“, hauchte Schuldig verwirrt. Neben ihm schüttelte Nagi nur ratlos den Kopf, während Farfarello an der dem Eingang gegenüberliegenden Wand lehnte, umgeben vom Spinnennetz seines eigenen Bataillons. „Woher...?“

Schuldig wurde schwindlig von den endlosen Buchstaben und unbekannten Worten an der Zellenwand. Unwillkürlich erinnerte es ihn an die Strichliste eines Verbrechers, der die Tage seiner Gefangenschaft oder die Vielzahl seiner Opfer aneinander reihte.

Er überdachte seine Frage, stellte sie nicht, veränderte und formulierte sie schließlich neu:

„Woher hat er den Stift?“

„Von mir“, antwortete Nagi tonlos. „Während du weg warst, sollte er sich damit rote Linien auf den Arm malen. An Stelle der realen Verwundungen.“

Ungläubig starrte Schuldig den jungen Telekineten an. Dann brach er in schallendes Gelächter aus.

„So ein Schwachsinn“, presste er lachend hervor. Er fühlte sich, als würden Stirn und Schläfenbein durch die heimkehrenden Schmerzen bald zerbersten.

„Ich habe gelesen, das soll helfen“, entgegnete Nagi beleidigt. „Echte Schnitte bereiten ihm ohnehin nicht mehr Schmerzen als aufgemalte. Hätte also funktionieren können. Besser, als ihm ein Messer zu geben.“

„Was hat er da am Kopf?“

„Seinen Schädel gegen die Bettkante gerammt, schätze ich.“ Nagi zuckte mit den Schultern. Er hatte Schuldig gezeigt, was er ihm zeigen wollte. Damit war seine Pflicht erfüllt. „Ich verschwinde“, sagte er noch knapp, bevor er durch die Tür hinaustrat.

Kurzentschlossen schritt Schuldig zu Farfarello hinüber und setzte sich neben ihn auf den Boden, im Rücken das Zeichenmeer, über sich den Himmel einer unbeschrifteten Decke. Farfarello malte ein paar Kreuze auf den Erdengrund des verlorenen Paradieses und fragte:

„Wo warst du?“

„Bei einem Rendezvous mit einer extravaganten Lady. Wir waren in einem Café, ich habe ihr einen Eisbecher spendiert und dann...“

„Hast du den Leib des Herrn geschändet?“ Obwohl Schuldig hinter seinem unwissenden Gesichtsausdruck längst verstand, wovon die Rede war, fügte Farfarello fragend hinzu: „Hattet ihr Sex? Du riechst danach.“

„Das ist Escada.“

„Ist Sex ein Skill für dich?“

„Skill?“ Schuldig legte seufzend den Kopf in den Nacken. „Haben sie dir das in der Klinik beigebracht? Gehört dazu auch der Unsinn mit dem Malen von roten Linien?“

„Die wollen mit einem reden. Die wollen, dass man erzählt.“ Der Stift entglitt seinen Fingern, als Farfarello den Telepathen unsanft am Oberarm packte. „Hilft dir das? Fühlst du dich danach besser? Ist das wie Spielen? Lass uns das ausprobieren.“

Schuldig lachte wieder. Er lachte in letzter Zeit oft. Die Kehle brannte ihm schon davon.

„Du bist ein Kerl.“

Mit ausdrucksloser Miene wartete Farfarello darauf, dass Schuldig seiner Aussage etwas Erklärendes hinzufügte. Nachdem nichts dergleichen folgte, fragte er:

„Ist das ein Problem?“ Im Gegensatz zum Inhalt seiner Worte sagte er das, als könnte man damit Probleme lösen. Schuldig wusste, dass seine Hände kalt sein würden, wenn er tat, was Farfarello von ihm verlangte.

„Nein, kein Problem.“ Zweifelnd fuhr er sich über seine pochenden Schläfen, streifte die grobe Umklammerung an seinem Arm jedoch nicht ab. Ihn auf diese Weise zu verletzen wäre immerhin einfacher. „Wieso willst du das? Es passt nicht zu dir.“

„Es passt nicht zu mir“, äffte Farfarello den Satz nach, ohne daraus eine Frage zu machen. Er löste seinen Griff, kratzte stattdessen am Schorfrand eines Schnittes herum, bekam die Spitze zwischen seinen Fingernägeln zu fassen und zog daran. Die braune Verkrustung schälte sich der Länge nach aus dem Wundbett, hinterließ eine rosafarbene Schneise, in der sich langsam klare mit roter Flüssigkeit mischte. Schuldig rümpfte die Nase. Wahrscheinlich würde Farfarello ihn gleich wieder nach einer Pinzette fragen, dabei wollte sich Schuldig gar nicht vorstellen, was sein selbstzerstörerischer Assassinenbruder damit anstellte. Den Anblick einiger Abartigkeiten gewohnt empfand Schuldig normalerweise weder Angst noch Schrecken noch Ekel. Trotzdem gab es zweifellos Gelegenheiten, die ihm Übelkeit bescherten. Impressionabel verursacht, sicherlich, aber nicht durch etwas, das er sehen konnte. Lebensüberdruss. Gleichgültigkeit. Gefühllosigkeit. Leere.

Vorsichtig betastete Schuldig mit seinen Nerven die Vibrationen der Luft, wie ein Blinder mit den Fingerkuppen über die punktuellen Erhebungen seiner Bücher strich, bis er etwas entdeckte, womit er bei Farfarello nicht gerechnet hatte.

„Schon verstanden“, sagte Schuldig schmunzelnd. „Rühr mich an und du bist tot.“

„Irgendetwas“, sprach Farfarello, als hörte er sich selbst nicht reden, gebannt fixiert auf seine Verletzung. „Egal was. Ich will nur irgendetwas fühlen. Der Wechselbalg verdient, was ihn entweiht.“

„Glaubst du überhaupt an deinen Gott, Farfarello?“

„Dia“, raunte daraufhin Berserker, der Mörder in ihm, langsam, „tá sé marbh. Maraiodh é.“

„Wenn er tot ist, warum machst du dir dann solche Gedanken um ihn?“
 

Farfarello war der erste Mensch, den Schuldig besser verstand, wenn er sprach, als wenn er dachte, und er hörte dessen desinteressiert erscheinende Festellung.

„Du hast nicht geantwortet, ob dir das helfen würde.“

An der Wand entlang glitt Schuldig mit den Fingern über die Linien der roten Zeichen. Tagein, tagaus war die Suche nach einer Antwort ein Tauchgang im tiefen Wasser, wohltuend auf der brennenden Haut und dennoch erstickend im Zentrum des Brustkorbs, unter dem Gewicht der sein Herz umfangenden Lungenflügel. Er schaute Farfarello nicht ins Gesicht, aus welchem man ohnehin nichts lesen konnte, außer der Wahnsinn blitzte darin auf.

„Manchmal“, begann Schuldig, „habe ich meine Fähigkeiten nicht vollständig unter Kontrolle. In angeschlagener Verfassung. Dann höre ich überall Stimmen, aus jeder Richtung, Gedanken und Gefühle, Gezeter und Sorgen, wie das Summen in einem Bienenstock. Das kann einen echt wahnsinnig machen. Oder paranoid. Ich muss dann einfach abschalten.“ Sein Finger folgte der Schlangenlinie des neunzehnten Buchstabens. „Bei dir ist das anders.“

„Kein Bienenstock?“

Eine Frage ohne Antwort.

„Gedanken können lindernd sein“, erklärte Schuldig. „Manche Nachtfalter schenken mir Ruhe. Zumindest die professionellen unter den Nachtschwärmern, wenn du verstehst, was ich meine.“ Er drehte sich um und begleitete seine Anspielung mit einem vielsagenden Seitenblick, den Farfarello ungerührt erwiderte. Anstatt darauf einzugehen, fragte Farfarello:

„Was siehst du?“

„Bei dir? Abgesehen vom Chaos?“ Schuldig lachte, ein wenig zu hysterisch, bis der belustigte Ausdruck auf seinen schmalen Lippen wieder bitter wurde. Bei seiner Entgegnung klang seine Stimme ernst. „Was ich sehe, ist Schwärze und Licht, weite grüne Wiesen, alte Friedhöfe und verwitterte Gemäuer, und ich höre Kirchenglocken, ganz dumpf in der Ferne, sogar das Rauschen von Meereswellen, die gegen hohe Klippen branden. Anfangs dachte ich, in deinen Gedanken würde ich keine Gefühle finden können, aber da gibt es doch etwas, wenn auch nur schwach und kaum merklich. Trauer und ein wenig Verachtung. Das Einzige, das ich nicht finden kann...“ Eine kurze Pause machend runzelte Schuldig, fast entschuldigend, die Stirn. „...ist Schmerz. Es kommt mir vor, als könnte mich deine Gedankenwelt nie verletzen.“

„Weil ich nicht dein Freund bin?“

Aufmerksam studierte Schuldig die teils skurrile Mimik des Iren. Nach rechts und nach links verzog Farfarello indes seine Mundwinkel.

„Hahaha“, sagte er dann. Er lachte nicht. Er sagte es tatsächlich.

„Was soll das denn sein?“

„Ein Lachen“, erwiderte Farfarello trocken. „Das habe ich von dir gelernt.“

Schuldig seufzte.

„Dann bin ich wohl ein schlechter Lehrer.“
 

Einen Berserker zu bändigen war stets ein schwieriges Unterfangen. Benötigte man Zerstörungskraft, war es Gold wert, eine Person an seiner Seite zu wissen, die ohne alles auskam. Jemanden ohne Furcht, ohne Skrupel, ohne Reue, ohne Schmerz und ohne den Willen nach Selbstschutz. Ein letzter Funken Unsicherheit blieb lediglich aus einem Grund: weil niemand wusste, ob sich in Farfarello trotzdem ein paar Überbleibsel menschlicher Schwachheit verbargen.

Angetrieben von sadistischer Faszination focht er einsam seinen heiligen Krieg aus. Sobald er keine anderen Menschen attackieren konnte, griff er das an, was ihm am nächsten lag, in der Regel also seinen eigenen Körper. Empfindungslosigkeit, Selbsthass oder Kasteiung, niemand konnte wirklich verstehen, wieso Farfarello es tat.

Auf Dauer wurde seine Unberechenbarkeit gleichsam zu einem Wagnis, zum Hindernis. Doch Unberechenbarkeit war fehlende Kontrolle und Schuldig wusste, dass Kontrollverlust in Crawfords Wortschatz quasi nicht existierte, deshalb konnte diese Einschätzung bezüglich Farfarello unmöglich zutreffen. Damit alles reibungslos funktionierte, musste sich Schwarz bloß an die Vorgaben von Crawford halten.

In seinem Kopf repetierte Schuldig diesen Grundsatz ununterbrochen, auch in jenem Moment während der nächsten Einsatzbesprechung, als er das kleine Gerät und den auf Nagis Handfläche gebetteten Ohrstecker ablehnte.

„Brauche ich nicht.“

„Was ist, wenn du uns nicht findest? Es wäre nicht das erste Mal.“

Die gleiche Diskussion wie in zahlreichen Fällen zuvor. Einlenkend nahm Schuldig den Sender und die Fernkommunikation an. Nagi wurde der Lageplan überantwortet, bevor er später zu ihm stoßen und ihm mit seinen telekinetischen Fähigkeiten helfen sollte. Crawford hingegen würde an anderer Stelle operieren. Bis zu diesem Punkt schien alles normal zu sein, dann jedoch fiel der entscheidende Satz:

„Bei diesem Auftrag bleibt Berserker hier.“

„Das geht nicht“, stieß Schuldig schneller hervor, als er seine Worte überdenken konnte. „Er rastet aus, wenn er nicht bald jemanden umbringen kann.“

„Du tust, was ich sage“, befahl Crawford lakonisch.

Kontrolle konnte nur erhalten werden, wenn sie sich an seine Vorgaben hielten. Schuldig durfte sich nicht widersetzen. Er durfte sich auf keinen Fall widersetzen.
 

„Mastermind, irregulärer Störfaktor in deiner Nähe.“ Rauschen überdeckte am anderen Ende der Übertragung Nagis nachdenkliches Schweigen. Er hatte etwas auf dem Schirm, das keinen Sinn ergab. „Sag mir nicht, du hast...“

„Bleib locker, Prodigy.“

„Verdammt!“ Der unerwartet emotionale Ausruf des Teenagers amüsierte Schuldig. „Du kannst dich nicht einfach den Befehlen widersetzen. Oracle wird dir den Hals umdrehen. Ich werde bestimmt nicht für dich lügen.“

„Das habe ich auch nicht erwartet, Wunderkind.“

Um alles unter Kontrolle zu halten, durfte sich niemand Crawford widersetzen. Alles unter Kontrolle. Schuldig konnte es nicht mehr hören. Vielleicht war er selbst das eigentliche Risiko in dieser Geschichte, nicht Farfarello, der jetzt kichernd und mordend neben ihm rannte.
 

Als Crawford sich bei ihm meldete, war seine Stimme kaum zu verstehen.

„Ab...! ...ch!“

Ungeduldig tippte Schuldig gegen das winzige Gerät in seinem Ohr. Irgendeine Störung verhinderte die Kommunikation. Genauso wenig fanden seine Sensoren einen mentalen Weg zu den anderen Attentätern seines Teams.

„Halt... fern... Berserker... die Geisel...“

Was zum Teufel war los? Warum konnten sie einander nicht erreichen? Crawford musste eine mögliche Zukunft gesehen haben, die ihren Plan gefährdete. Vielleicht würde Farfarello der Geisel in seinem Blutrausch etwas antun. Oder er würde selbst tödlich verletzt werden.

Welches Unglück sie auch ereilte, Schuldig trug die Verantwortung, es nicht passieren zu lassen.
 

Rot auf weißem Grund spritzte der Schmetterlingsschwarm auseinander. Schicht um Schicht brachen sie im Intervall aus der Haut hervor, von der Spitze des Messers an, rechts und links an den Klingenseiten vorbei. Neue Blumen reckten ihre Hälse empor und ringelten sich um das elfenbeinfarbene Gebälk des Torsos.

Einer durfte nicht getötet werden. Einer von ihnen, den sie Geisel nannten, musste verschont werden. Flüchtig grinste Berserker das Opfer seiner Milde an. Jenen würde er nicht vom Leben und der Strafe Gottes im Diesseits befreien. Er würde ihm das Verbot der Selbsttötung keinesfalls nichtig machen. Jener würde sich erst nach langen Qualen vor dem Jüngsten Gericht für seine endlosen Sünden rechtfertigen müssen. Vergeblich, denn der Herr kannte kein Erbarmen.

Krachend pflügte Farfarellos Messer durch die schutzlose Hülle seines Gegners. Mit der anderen Hand schob er jenen, der nicht getötet werden durfte, beiseite. Ein Schwall flatternder Geschöpfe entwich dem Leib und flog mit dessen Lebensfunken gen Himmel.

Als Berserker das menschenähnliche Wesen fallen sah, bemerkte er erst sehr spät im Augenwinkel, wie jener, der nicht getötet werden durfte, jener, den sie Geisel nannten, eine Waffe zückte. Willkommen in der Falle, raunte Berserker ungehört zu sich selbst, wich aus und sprintete los, bevor die Falle zuschnappen konnte.
 

„Abbruch, Mastermind! Hörst du mich? Abbruch!“

Wie sehr Crawford das Mikrofon auch traktierte, es half nichts.

„Ich wiederhole, halte dich von Berserker fern! Die Geisel können wir später noch holen.“

Nagis Berichterstattung wenige Minuten zuvor bestätigte ihm, dass er einen Fehler begangen hatte. Um ein Geschick aufzuhalten, das ihnen zum Verhängnis werden konnte, beeinflusste er stets den gefährlichsten Faktor in der Gleichung. Sein Hauptaugenmerk galt Farfarello, doch unterdessen war die eigentliche Bedrohung von Schuldig ausgegangen.
 

Ähnlich einer Medaille besaß jede Messerklinge zwei Seiten.

Wo lag die Front? Und welche war die Kehrseite?

Die Spitze des geschärften Instruments bohrte sich unaufhaltsam tiefer in die Bauchdecke desjenigen, der nicht getötet werden durfte, und der sie im Bruchteil einer Sekunde verraten hatte. Berserker drehte das Messer in der Wunde und Farfarello blickte hinauf in die Augen von Schuldig.

„Ciontach?“ Ungläubiges Erstaunen spiegelte sich auf beiden Gesichtern wider. „Cad é mar atá tú?“

„Schon in Ordnung. Ist nicht so schlimm“, antwortete Schuldig. Er hörte ein stetes Tropfen. Sein Hosenbund wurde warm und feucht, als das Blut sich in den Stoff hineinfraß, sich langsam über seine Schenkel und seinen Schritt ausbreitete. Merkwürdigerweise fühlte sich Schuldig davon peinlich berührt, als sei es seine eigene Schuld. Weil er ein wenig schwach auf den Beinen war, sank er zu Boden.

„Ich habe dich verletzt.“ Farfarello versuchte zu lächeln. Es verkam zu einem kläglichen Grinsen. „Ich habe dich verletzt. Also bin ich doch dein Freund.“

Die schimmernden Schmetterlinge nagten an seinen Fingern.

„Weinst du etwa, Jay?“

„Níl a fhios agam. Ich kann nicht.“

„Und wenn du es könntest“, fragte Schuldig, „würdest du es jetzt tun?“

Erneut ahmte Farfarello ein Lachen nach und drückte zwischen den roten Blumenranken seine schmetterlingsbenetzten Hände auf Schuldigs Brustkorb. Er hielt ihn so lange fest, bis das Blut versiegte. Bis das Blut versiegte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (13)

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Von: abgemeldet
2014-02-10T09:46:22+00:00 10.02.2014 10:46
Auch in diesem Kapitel ein Lob für die bildliche Sprache. Man kann sehen, was die Protagonisten sehen ohne sich selbst auch nur ein Fünkchen dafür anstrengen zu müssen.

<<Schuldig lachte wieder. Er lachte in letzter Zeit oft. Die Kehle brannte ihm schon davon.>>
Mir kommt das in Anbetracht dessen, was alles so passiert ist, wie ein Notimpuls vor. Manchmal bleiben nur zwei Möglichkeiten: Lachen oder Weinen. Schuldig ist nicht der Typ, der Selbstmitleidig in Tränen schwimmt, also lacht er. Sich Luft machen, Platz schaffen, nicht ersticken. Lachen.

<<„Gedanken können lindernd sein“, erklärte Schuldig. „Manche Nachtfalter schenken mir Ruhe. Zumindest die professionellen unter den Nachtschwärmern, wenn du verstehst, was ich meine.“>>
Ich verstehe darunter Prostituierte. Ich nehme nun mal an, dass das auch gemeint ist. Dann verstehe ich auch durchaus, dass er ihre Gesellschaft sucht. Sex ist ihr Geschäft und wenn wir nun davon ausgehen, dass er jene wählt, die nicht zu diesem Job genötigt werden und deshalb tiefunglücklich sind, werden ihre Gedanken recht friedlich und banal sein. Vielleicht sogar auf den Sex bezogen, sollte Schuldig ein großes Talent sein, aber ansonsten wohl Dinge wie: Ich muss noch einkaufen gehen, ich war schon lange nicht mehr mit XY weg, etc. Bei einem Leben, wie Schuldig es führt, mit einem Schützling, wie Farfarello, muss so etwas Balsam sein.

Mimik, Gestik, Ausdrucksweise von Farfarello sind schlichtweg genial beschrieben. Was du im zweiten Kapitel dazu begonnen hast führst du hier ganz wunderbar fort! Allein schon sein Lachen, das er nachahmt, sich eben nur abgeschaut hat, weil er keine Gefühle damit verbinden kann.

Ich muss gestehen … am Ende kam ich nicht mehr ganz mit ;_;
Der, der nicht getötet werden darf, ist die Geisel … Farfarello weiß das und bei mir kommt an, dass er sich auch daran hält, bis die Geisel eine Waffe auf ihn richtet. Nun dachte ich erst, Schuldig hätte sich dazwischen gestellt, um Farfarello zu schützen und dadurch was abbekommen und Farfarello schnibbelt jetzt an der Geisel herum, ehe er sich an Schuldig richtet, aber Farfarello scheint es gewesen zu sein, der Schuldig verletzt hat, oder? Aber warum? Und wann? Mir kommt es irgendwie so vor, als würden zwei Sätze fehlen, die alles am Faden halten … Vielleicht bin ich zu verpeilt und übersehe irgendwas?

Das Ende selbst fand ich sehr schön. Es passte so herrlich, die Charaktere blieben sich treu und das es so endet wirkt auf mich völlig passend. Also ein schönes Ende ohne Happy End. Ein solches hätte hier auch gestört, würde so gar nicht zur Stimmung der gesamten FF passen.
Antwort von:  halfJack
08.03.2014 13:35
Stimmt, es ist ein Verzweiflungslachen, ein "Notimpuls". Fast schon eine dissoziative Reaktion, die Schuldig da zeigt, aber das kennen wir ja von vielen Menschen. Manchmal beginnen wir vor Lachen zu weinen oder wir lachen, wo wir eigentlich weinen möchten. Solch ein Lachen finde ich immer am schrecklichsten.

Wie vorher schon angemerkt, handelt es sich bei den "professionellen unter den Nachtschwärmern" wirklich um Prostituierte. Vielleicht hat Schuldig das nur so gesagt, obwohl er in Wirklichkeit eine Frau auf konventionelle Weise kennen gelernt hat. Ich könnte mir vorstellen, dass er damit keine großen Schwierigkeiten hat, andererseits könnte er genauso gut keine Geduld aufbringen, in irgendeiner Bar jemanden anzusprechen, Smalltalk zu betreiben und sich anzustrengen, damit er bekommt, was er eigentlich will. Ich will mich da nicht festlegen, doch Schuldig könnte auch einfach nur keinen Nerv für solche Umwege und lieber eine Professionelle bezahlt haben.

Ich habe vorher bereits von jenem zerschnittenen Stück Stoff erzählt, aus dem die Handlung besonders im letzten Kapitel besteht, wo Gefühls- und Gedankenwelt der beiden Hauptfiguren aufeinandertreffen. Ich dachte mir schon, dass es zu Verwirrung führen könnte, aber auch hier waren meine ersten Überlegungen unzufriedenstellend, weshalb ich mich schließlich für diesen verwirrenden Weg entschied. Farfarello (und auch Schuldig zu gewissen Teilen) weiß nicht genau, was hier passiert, weil er sich in einer blindwütigen Phase befindet. Sie haben den Auftrag, jemanden als Geisel zu nehmen - das ist jener, der nicht getötet werden darf. Obwohl Schuldig das Farfarello eingetrichtert hat, gibt es noch eine zweite Person, die nicht getötet werden darf, an die Schuldig selbst allerdings nicht denkt: er selbst. Schuldig vermutet - und das ist etwas, dass er unterschwellig ohnehin schon geahnt, aber gleichzeitig auch unbewusst erhofft hat - dass seine Entscheidung, Farfarello mitzunehmen, unglücklich enden wird. Er weiß, dass Crawford etwas gesehen hat, aber er will ihm einerseits beweisen, dass es auch anders sein kann, schließlich wäre das zugleich eine Hilfe für den in letzter Zeit sehr unruhig und schwer kontrollierbar gewordenen Farfarello, andererseits ist es eine versteckte Rache an Crawford. Schuldig widersetzt sich, weil er die vorigen Befehle schon nicht prickelnd fand. Crawford meint immer, er habe alles unter Kontrolle, aber das kann nicht immer gelingen, zumindest nicht vollständig. Und diesmal hat er in doppelter Hinsicht zu wenig auf Schuldig geachtet, von dem er annahm, er sei kein Problem. Crawford hat ihm mit Farfarello mehr aufgehalst, als er auf Dauer verkraften kann oder will, und er hat nicht darauf geachtet, dass Farfarello gerade wegen Schuldig zu einem gefährlichen Faktor werden könnte. Schuldig denkt, Farfarello würde der Geisel etwas antun oder selbst verletzt werden. Vielleicht vermutet er auch eine Falle hinter der Geisel. Farfarello wiederum glaubt in einem Moment, die Geisel würde sie verraten und ihn angreifen. Das tut sie vielleicht auch. Wie gesagt, da möchte ich mich nicht festlegen, weil die gesamte Situation auf Farfarello so konfus wirkt, dass er selbst nicht genau weiß, was geschieht. In diese Lage wollte ich den Leser hineinversetzen. Es könnte also sein, dass Farfarello fälschlicherweise die Geisel angreift und Schuldig ihn daran zu hindern versucht, wobei er selbst getroffen wird. Oder Farfarello steht von Beginn an Schuldig gegenüber, sieht in ihm für einen Moment allerdings einen Gegner.
Es gibt noch einige weitere Deutungsmöglichkeiten. Nein, du bist nicht verpeilt. Tut mir leid, wenn das zu unangenehmen Verwirrungen geführt hat, aber ich möchte hierzu nichts Genaueres schildern, weil ich glaube, dass man dann die Perspektive von Farfarello verliert, von einem Augenblick zum nächsten nicht mehr zu wissen, was geschehen ist und was real ist.

Ich danke dir jedenfalls für jeden deiner sehr ausführlichen Kommentare und natürlich überhaupt fürs Lesen! :)
Antwort von: abgemeldet
08.03.2014 14:50
<< Ich will mich da nicht festlegen, doch Schuldig könnte auch einfach nur keinen Nerv für solche Umwege und lieber eine Professionelle bezahlt haben.>>
So stell ich ihn mir auch vor. Also, dass er durchaus könnte, ihm aber meist (oder immer) die Geduld dafür fehlt. Wenn er schließlich nur Sex will, ist das Ganze drum herum einfach nervig und dafür zu zahlen ein einfacher Weg, der direkt zum Ziel führt.

<< Farfarello (und auch Schuldig zu gewissen Teilen) weiß nicht genau, was hier passiert, weil er sich in einer blindwütigen Phase befindet. […] Es gibt noch einige weitere Deutungsmöglichkeiten. […] … aber ich möchte hierzu nichts Genaueres schildern, weil ich glaube, dass man dann die Perspektive von Farfarello verliert, von einem Augenblick zum nächsten nicht mehr zu wissen, was geschehen ist und was real ist.>>
Wenn das so beabsichtigt war, dann ist es absolut gelungen! Und außerdem mit deiner Erklärung schlüssig und nachvollziehbar, sodass es mich zufriedenstellt. Allerdings, und daher ja auch mein Kommentar, kam das bei mir rein durchs Lesen nicht gleich an. Die Lücken, von denen du an anderer Stelle gesprochen hast, waren stets so platziert, dass ich nichts vermisst habe. In dieser Endkampf-Szene allerdings kam sie so plötzlich und zerstückelnd, dass ich sie nicht begreifen konnte. Nun da ich weiß wieso/weshalb/wozu passt sie hervorragend und dennoch fehlt so etwas wie der "Fluss" der sonst in allen drei Teilen vorhanden war. Ich hoffe, ich kann rüberbringen, wie ich das meine. Die besagte Situation war damit sozusagen ein Bruch, der mich etwas rausgerissen hat, was verständlich ist, wenn es rüberbringen soll, das es den Protagonisten gerade ebenso ergeht. Also war ich mittendrin, aber so unbewusst, dass ich es nicht begreifen konnte ;)

<<Ich danke dir jedenfalls für jeden deiner sehr ausführlichen Kommentare und natürlich überhaupt fürs Lesen! :)>>
Und ich dir fürs Schreiben … Moment, das hatten wir schon – so ähnlich zumindest ;) Da mir die komplette FF gefallen hat, war es aber auch nicht schwer zu jedem Kapitel was zu sagen und wie bereits einmal erwähnt: Wie du Farfarello triffst, ist so gnadenlos genial – es hat sehr viel Spaß gemacht, dass zu verfolgen!
Von:  Blaetterklingen
2014-01-29T22:32:19+00:00 29.01.2014 23:32
Ahh, endlich kommt etwas Leder in die masochistische Beziehung der beiden, wenn auch nur durch einen Bürostuhl. Ich finde es übrigens amüsant, das viele Leute ausschließlich von Sadomasochsitischen Beziehungen sprechen, bei denen ein Part leid gibt, der andere Leid begehrt. Es gibt genug Beispiele, das alle Seiten darunter leiden. Ist das hier auch der Fall? Vielleicht. Farfarello ist der einzige der Leiden will und Schuldig leidet unter dem Leid, das er zwangsweise austeilen muss. Andererseits will niemand Farfarello heilen. Ob das jetzt möglich ist oder nicht, ist dahin gestellt. Sein Wert als Tötungsmaschine muss nicht in seiner Geisteskrankheit liegen, aber - und dass ist das wichtigere - sie wird dadurch nicht beeinflusst. Im grunde genommen ist es natürlich Mangalogik (Bzw. Popkulturlogik, Hollywoodfilme sind da oft nicht anders) dass sie einen geisteskranken für sich arbeiten lassen. Das bringt tatsächlich mehr Probleme als nutzen mit sich. Aber die Figuren sind nicht durchgängig psychologisch logisch. Das macht auch ein Stück weit den Reiz Der Fiktion aus. Extreme, die sich nur im Rahmen von Extremen bewegen. Das ist sogar entspannend, zumindest entspannender als einen deutschen Film zu folgen und zu sehen wie sich die zwanzig Phasen der Melancholie langsam voneinander schälen und immer weitere Fassetten ergeben. völlig zum Kotzen. Die Mangacharaktere sind in vielen (nicht allen) Fällen ziemlich einfach gestrickt. Situationsmaschinen, die sich immer nach einem bestimmten Muster verhalten. Das hat zwei Vorteile: man muss nichts in sie hineindenken. Man kann es aber und ihre Leerstellen auffüllen. Darum funktionieren - denke ich - Fanfiktions auch so gut. Sie nehmen etwas auf, was nicht gesagt und gedacht wird, ohne dabei der eigentlichen Geschichte im Weg zu stehen. Halb fertige Häuser werden zuende gebaut, wenn man so will.
Was mich etwas stört, ist, dass ihr Verhältnis wieder stark an andere Fiktionen von dir und Still2live erinnert(Vor allem durch die Tabletten, das Ritzen und den Umgang damit /miteinander). Natürlich ist daran nichts schlechtes, aber es ist ein Grund, warum ich nicht so stark auf diese Beziehung eingehe. Das tat ich schon an anderer Stelle. Ich erkenne schlicht und ergreifend das gleiche Prinzip wieder. Es muss nicht das gleiche Prinzip sein. Das leben lebt von minimalen Abweichungen, aber für mich weicht es nicht stark genug ab. Mein erster Eindruck, dass es wie eine andere andere Düsternis ist, kann ich aber getrost zurücknehmen. Es ist sehr davon verschieden.
Was mir sehr gefallen ist, ist der Parallelismus der beiden letzten Absätze. Harsch formuliert fickt Schuldig in beiden Absätzen. Erst befriedigt er die Lust auf Verletzungen, was ihm ekel bereitet, dann befriedigt er die Lust auf Gelüster, was den Ekel abbaut. Lustig finde ich, dass zweiteres für Farfarello wohl eher ekel aufbauen würde ^^ also gemäß des falles, das es für ihn je zu so einer Situation kommen würde. Schuldig wirkt dabei so unglaublich passiv. Er scheint einfach nur zu tun, was man ihn sagt. Er befolgt befehle und leidet darunter, weil er Autoritäten nicht mag. Von ihnen lossagen kann er sich aber auch nicht. Er verletzt seinen Schutzbeauftragten und leidet darunter, weil er mit der Situation nicht umgehen kann. Zu emotional und gleichzeitig nicht intensiv genug. Anstatt ihn zu töten oder sich aus der Situation zurückzuziehen bleibt er aber passiv. Ein passiver Täter. Ironischerweise kanalisiert er die ganzen destruktiven Energien in einen "Schöpfungsakt", der fast schon wie ein Witz wirkt. In der Art wie: was tut ein Massenmörder in seiner Freizeit? Er züchtet Blumen. (Höhö Blumen = Geschlechtsorgane*Hust*)Ich glaube es sind solche "ungereimtheiten" durch die eine Figur tiefe erhält. Tiefe entsteht, wenn es an der Oberfläche zu widersprüchen kommt. Oder so. Ich bin gespannt auf das nächste Kapitel, erwarte aber das schlimmste: körperlichkeiten *schüttelt sich vor grauen*



Antwort von:  halfJack
07.02.2014 13:48
Verdammt. Weil du mit Grauen auf Körperlichkeiten ansprachst, muss ich jetzt auf jeden Fall irgendeinen Weg finden, etwas in der Richtung einzubauen. Ich möchte ja nicht deine Erwartungen enttäuschen. :D
Antwort von:  Blaetterklingen
07.02.2014 19:33
Hmm, ich glaube ich bin gerade massiv von mir selbst enttäuscht, weil ich es nicht geschafft habe, dir einwandfrei klar zu machen, dass ich ohnehin enttäuscht sein werden, egal was du schreibst. Aber das ist wohl meine Schuld. Ich schaffe es einfach nicht mich anderen Menschen begreiflich zu machen : /
Antwort von:  halfJack
08.02.2014 13:14
Danke, das beruhigt mich ungemein. Deine Worte sind wie Balsam.
Antwort von:  Blaetterklingen
08.02.2014 13:18
So bin ich: Beruhigend und einbalsamierend.
Von: abgemeldet
2014-01-29T10:38:00+00:00 29.01.2014 11:38
Im Vergleich zur Frontseite liest sich dieses Kapitel langsamer ohne etwas von der berückenden Stimmung zu verlieren. Das Gefühl hatte ich gestern schon, als ich es das erste Mal las, und habe es nach wie vor, nachdem ich das erste Kapitel nochmal gelesen und das Zweite danach angeschlossen habe. Das erste Kapitel war sehr dynamisch, was wohl an den vielen Ereignissen dort liegt. Dem aufeinandertreffen und den Komplikationen der ersten Zeit. Den Eindrücken, die sich so neu anfühlen und für die Beteiligten ja auch eben das sind.
Kapitel zwei hat da einen anderen, langsameren Fluss. Nun lernt Schuldig Farfarello auf einer Ebene kennen, die tief und gleichsam verstörend ist. Der Vergleich von Schuldigs oberflächlichem Vergnügen und Farfarellos Haltlosigkeit, die er zu kompensieren versucht, gefiel mir sehr gut. Damit wird Schuldigs störrisches Verhalten, als er von Crawford auf Farfarello „angesetzt“ wird, umso plausibler. Zu nah, zu tief, zu viel und überhaupt – er will das nicht, das geht zu weit. Das er sich fügt verständlich. Crawfords Autorität ist etwas, der man fast beliebig begegnen kann, auch mit Abneigung, aber sie fügen sich alle. So läuft es nun mal, weil es nur so funktioniert.

Der Monolog von Schuldig, dem Farfarello am Ende doch noch etwas hinzuzufügen hat, gefiel mir sehr gut. Bei der Beschreibung, wie Farfarello lächelt, oder zumindest etwas tut, was dem für Schuldig nahe kommt, und das Wort „Glück“ hinzufügt, bekam ich eine Gänsehaut. Psycho ist das erste Wort, das mir dazu einfällt. Klingt banal und abwertend, was ich nicht so meine, aber ja. Psychopath. Das muss ich hier so stehen lassen.

Die Unbeholfenheit, die Farfarello zutage legt, weil ihm das gebräuchliche menschliche Miteinander einfach schon lange nicht mehr geläufig ist, hat zuerst mein Mitleid geweckt. Als ich dann aber las, in welche Richtung sich das für Schuldig entwickelt, tat mir Schuldig mehr leid. Farfarello kann man nicht mehr helfen oder heilen. Man kann/muss auf ihn aufpassen und seine Möglichkeiten begrenzen um den anderen damit zu helfen. Dass das nun aber an Schuldig hängt ... armer Kerl ^^‘
Deine bildlichen Beschreibungen sind doch zuweilen etwas heftig. Ich persönlich hatte damit meine Schwierigkeiten, aber ich bin auch sensibel, was das angeht. Bildliche Beschreibung eben. Ich sehe dann Bilder, und die sind, was das angeht, nun mal nicht schön – sollen sie ja auch nicht sein, spiegeln sie doch wieder, wie Farfarellos Wahnsinn sich körperlich äußern kann.

Die Art und Weise, wie Schuldig seine Auszeit verbringt, war irgendwie entzückend. Ein völliges Kontrastprogramm. Unbeschwert und Unbedeutend und doch so wichtig für ihn, da es ihm hilft. Eine Selbsttherapie, die er wohl des Öfteren schon praktiziert hat. Zumindest scheint es eine bewährte Routine. Dennoch wirkt es wie eine Parallele zu Farfarello. Ihre Art, sich zu befriedigen. Verschiedene Ventile zwar, aber eine Art Zwang, dem sie früher oder später nachgeben müssen.

Das Schuldig von Farfarello gleichsam verstört wie fasziniert ist, kommt bei mir an. Farfarello ist nicht wie die anderen. Er lässt sich für Schuldig nicht so leicht klassifizieren und abstempeln. Eine Verbindung, die er nicht genießen kann da sie ihn überfordert und ihm mehr abverlangt, als er sonst zu ertragen bereit ist.

Bin gespannt, wie es weiter geht. Die beiden (zumindest für mich) schwierigsten Wörter der WB-Vorlage hast du nun ja noch vor dir ^^ Aber bisher hast du die anderen Wörter so geschickt eingebaut, das sie absolut im Fluss waren!
Antwort von:  halfJack
08.03.2014 13:03
Ursprünglich hatte ich vor, die Geschichte in diese zwei Seiten der Klinge einzuordnen, die Frontseite und die Kehrseite. Wie beide am Ende wirken, wusste ich selbst nicht so genau, aber es ist gut, dass das erste Kapitel bei dir offenbar dynamisch ankam, im Gegensatz zum zweiten. Das ging sicherlich nicht allen Lesern so, denn in einem anderen Kommentar wurde angemerkt, die Story sei im ersten Kapitel langatmig und es würde nichts passieren. Abgesehen davon, wie die Geschichte im ersten und zweiten Teil atmosphärisch wirkt, war mein Grundgedanke, den ersten Teil so distanziert wie möglich zu halten und mich auf das Seelenleben von Farfarello zu konzentrieren. An anderer Stelle habe ich dahingehend von einem erwünschten Abstand gesprochen, den der Leser zu den Figuren aufbauen soll. Im Wechsel mit den fast schon Wahnvorstellungen, in denen Farfarello seine eigenen Gewalttaten buchstäblich "blumig" vor Augen geführt werden, wollte ich die Distanz zwischen ihm und den anderen Menschen darstellen. Das zweite Kapitel hingegen sollte emotionaler, menschlicher sein und den Leser direkt ansprechen. Zumindest hoffte ich, man könne sich in Schuldigs Situation hineinversetzen, weil er ohnehin eine Figur ist, mit der man sich gut identifizieren kann, was meines Erachtens bei Farfarello nicht der Fall ist, weil seine gesamte Gedankenwelt abstrus und irrwegig ist. Das ist der von mir eigentlich gedachte, konstruierte Kontrast dieser beiden Kapitel. Abgesehen davon, dass es textlich länger geworden ist, als ich das vorher plante, habe ich dann erkannt, dass ich noch einen dritten Blickwinkel brauche, der beide Protagonisten zusammen einfängt, bevor ich alles zu einem Abschluss bringe.

Ich muss gestehen, dass ich mich diesmal mit den bildlichen Beschreibungen von Gewalt extra zurückgehalten habe. Damit stoße ich relativ oft an, obwohl ich es bisher meines Erachtens noch nicht übertrieben habe. Diese Beschreibungen, die hier häufig durch Sinnbilder von Blumen und Schmetterlingen vollzogen werden, kommen mir ganz spontan beim Schreiben und gehören für mich einfach dazu. Ich schreibe das nicht, weil ich damit Ekel heraufbeschwören will, zumindest entspricht das nicht meiner Intention. Manchmal ist es vielleicht einfach nur eine gewisse... Faszination.

Die direkte Gegenüberstellung von Farfarellos Forderung ("Tiefer") und jener der Frau war natürlich beabsichtigt, sogar ein wenig amüsant gemeint, weil damit auf absurde Weise zwei völlig unterschiedliche Dinge gemeint sind, die dennoch irgendwo zusammenhängen. Beides ist eine Form von Schmerz, von Befriedigung, von Beruhigung. Schuldig wird sich hierbei Personen aussuchen, die angenehme Gedanken haben, ob Nutte oder nicht, spielt keine Rolle, möglicherweise hat er diesmal dafür gar nicht bezahlt, man weiß es nicht. Es ist auch nur ein Ausschnitt aus seinem "Abschalten". Ähnlich besteht die Fanfiction aus Ausschnitten und Mitschnitten, deren Lücken man unterschiedlich füllen kann. Ich wollte keine Erklärungen und Verbindungen an jeder Stelle bieten, weil die Szenen, wieder als Hinweis auf die Klinge, zerschnitten sind. Wie ein Stück zerfetzten Stoffes, darum sind manche dieser Eindrücke auch so kurz.
Von: Futuhiro
2013-12-14T19:33:47+00:00 14.12.2013 20:33
Hm, du beziehst dich offenbar auf Weiß Side B, oder? Ich kenne Schuldig rothaarig und Farf weißhaarig.
Und dann war Schuldig in deiner Geschichte widersprüchlicherweise einmal Amerikaner und ein anderes mal plötzlich Deutscher. (Ich war der Meinung, er sei Deutscher gewesen.)

Ich finde die Story bisher ein wenig langatmig, es passiert so lange nichts. Aber sie ist toll geschrieben, vom Stil her. Den "negativen" Sachen von Blaetterklingen kann ich mich allerdings nicht anschließen.
Was ist falsch daran, jemanden mit seiner Haarfarbe oder dem Alter zu betiteln? Immer den Namen zu verwenden, ist doch auch langweilig und zeugt im Grunde von einem schlechtem Ausdrucksvermögen. Und die angeblichen inhaltlichen Wiederholungen binnen mehrerer Sätze finde ich extrem weit hergeholt. Für mich lies es sich flüssig lesen.
Antwort von:  Blaetterklingen
15.12.2013 12:43
Vor allem das mit der Haarfarbe ist ein herunter brechen auf ein unwichtiges Detail. Es ist nicht was den Charakter ausmacht... in seinem Charakter. Es ist eine "Unsitte" des Fanfictionbereich. In keinem gedruckten Buch findet so etwas Verwendung (ehrlich gesagt wird es sogar ziemlich belächelt, das hat nicht mal was mit meiner subjektiven Meinung zu tun). Ich und ein paar Freunde haben mal direkt darauf geachtet in einigen Büchern. Durch den Stil wird es normalerweise umgangen, dass das Subjekt zu oft betitelt werden muss, dadurch fallen Synonyme meistens sowieso weg, weil es reicht den Namen zu nennen. Oder es wird auf ein aussagekräftiges Detail reduziert. Der Zwerg, der Elf, der Psychophat. Allerdings machen diese Titelierungen in den meisten Fällen einen Verweis auf den Charakter und sind nicht so unwichtig wie die Haarfarbe.
Antwort von: Futuhiro
15.12.2013 13:06
Hmmmm ... kann schon sein. Ich persönlich (!) empfinde es als Geschmackssache. Mich stört es nicht, wenn solche Umschreibungen wie <der Ältere> verwendet werden. Ich finde, es hilft dabei, sich ein besseres Bild von der Figur an sich zu machen, wenn man immer mal wieder eine - wenn auch unwesentliche - Eigenschaft desjenigen ungejubelt bekommt. Aber wie gesagt, nur meine persönliche Meinung. :)

Danke für die Rückantwort und zur-Diskussion-Stellung des Themas. Das hilft sehr, den Horizont zu erweitern. In Büchern hab ich noch nie auf sowas geachtet, gebe ich zu.
Antwort von:  Blaetterklingen
15.12.2013 15:30
Kein Ding^^ ich bin auch ganz froh über solche Diskusionen, weil die Weisheit haben wir alle nicht mit Löffeln gefressen. Sogar ich nicht *-* *lach*
Ich kenne es so, das meistens Haarfarbe und Alter erklärend genannt werden, um ein Gesammtbild zu erhalten. Wenn zur Betitelung dann als "der Alte" oder "der Junge", aber wie gesagt, das mit den Haaren ist bedeutend auffälliger.
Was die vermeidliche Inhaltliche Wiederholung angeht, so ist es vor allem beim zweiten eine unlogische Fügung. Erst wird gesagt die Menge "ab" schenkt "c" keine Beachtung und im nächsten Satz wird gesagt das "b" "c" zwar lediglich mit einem flüchtigen Blick beachtet, aber immer noch beachtet, oder bin ich jetzt total daneben?
Antwort von:  halfJack
16.12.2013 16:44
Wow, Leute, was ist los mit euch? Da ist man mal ein Weilchen nicht da... *lach*
Irgendwie ruft diese Fanfiction durchwachsene Reaktionen hervor, jedenfalls scheint sie keiner wirklich gut zu finden. ^^° Ich hätte nicht gedacht, dass man das alles so zwiespältig empfindet. Aber der Reihe nach:

@ Futuhiro
Ich beziehe mich nicht auf Weiß Side B, sondern auf den ersten Manga von Kyoko Tsuchiya und Takehito Koyasu, der noch vor dem Anime erschien. Den Anime mochte ich nie besonders, habe ihn allerdings das letzte Mal vor Jahren geschaut und kann mich daher kaum mehr daran erinnern. Im ersten Manga hat Schuldig grüne und Farfarello, wie es meines Erachtens für einen Iren nicht ungewöhnlich ist, rote Haare. Bei Side B weiß ich es nicht mehr, aber ich mochte diese Fortsetzung ohnehin nicht besonders. (Übrigens ist die Szene, in der Schuldig in Farfarellos Kellerzelle erscheint, um ihn zum ersten Auftrag abzuholen, direkt an das Ende des ersten Mangas angelehnt. Auch der Dialog ist sehr ähnlich.) Ich werde das noch einmal explizit im Disclaimer benennen, damit man anhand dieser Unterschiede im Aussehen nicht in Verwirrung gerät.
Nun zur Herkunft: Schuldig ist Deutscher, keine Frage. Im Text ist nur ein einziges Mal von einem Amerikaner die Rede, nämlich im zweiten Absatz. Da geht es aber nicht um Schuldig, sondern um Brad Crawford. Der stammt nämlich aus Amerika.

Allgemein zur Haarfarbe: falls ich mich nicht irre, dann ist von einem substantivierten "Rothaarigen" oder "Grünhaarigen" im gesamten Text nirgends die Rede. Das versuche ich mittlerweile sowieso zu umgehen, obwohl ich solche Synonyme in Fanfictions trotzdem nicht tragisch finde, solange man es nicht exzessiv verwendet. Von einem "grünhaarigen Mann" schreibe ich beispielsweise, weil Schuldig für Farfarello zu Beginn noch relativ unbekannt und ohne Persönlichkeit ist und er Schuldig somit auf das reduziert, was er von ihm am Auffälligsten wahrnimmt. Kontrastierende Farben gehören für mich zu Weiß Kreuz einfach dazu, darum bestehe ich zudem darauf, sie bei der ursprünglichen Mangavariante zu belassen. In selbst erdachten Welten ist mir das Aussehen der Figuren meist egal, darum gehe ich darauf in Originalen nicht ein. Bei Geschichten nach bestimmten Vorlagen ist das anders. Da hat man sofort eine gewisse Vorstellung im Kopf. In Fantasygeschichten findet man es nichtsdestotrotz ebenfalls häufiger, etwa bei Harry Potter, da kann man sich vor der Nennung von Haar- und Augenfarben kaum retten, um mal ein Gegenbeispiel zu nennen, wo es eben doch so ist. In meiner Geschichte spielt gerade Rot eine wichtige Rolle. Sogar im Titel habe ich überlegt, ob ich das Rot wieder aufgreife (z.B.: "Rosenrot"), habe mich dann jedoch dagegen entschieden, weil es mir zu abgedroschen erschien. Zum Rest wurde bereits alles gesagt.

@ Blaetterklingen
Zwar nehme ich nicht exzessiv und voller Begeisterung an jedem Wettbewerb teil, aber es kommt dennoch vor. "Die Pfoten sandaliert" ist zu einem Märchenwettbewerb entstanden, bei dem eine Adaption von "Aschenputtel", "Allerleirauh" oder "Der gestiefelte Kater" gefordert war, die ich daraufhin gleich alle drei miteinander vermischt habe. "Vorsatz" oder "Der erste Tag [EVA]" sind ebenfalls aus Wettbewerben entstanden. Mir ist eigentlich ziemlich egal, was der Dauergast dazu zu sagen hat. *g* Und ob ich gewinne, ist mir entgegen deiner Erwartung genauso schnurz. Was ich stattdessen vielmehr hoffe, ist, dass noch weitere Einsendungen kommen, bisher ist mein Beitrag nämlich leider der Einzige. Karotaler sind ganz nett, aber mit Gelt und TOFUs kann ich nichts anfangen. Ich bin nur zufällig darauf gestoßen, fand es interessant, mir fiel schnell etwas ein und über Farfarello schreibe ich ja generell super gern. Das wirklich Tolle an Wettbewerben ist also die Inspiration. *_* Zu sagen, ich hätte es dafür geschrieben, aber ich reiche es nicht ein, ätsch, ist auch irgendwie blöd...
Du klangst missgestimmt oder bilde ich mir das nur ein? Jungchen, warum tust du dir Texte von mir, über denen Fanfiction und Shounen-Ai steht, überhaupt noch an? Das passt doch gar nicht in dein Beuteschema. óó
Dass die Fanfiction fanfictionmäßig wie eine Fanfiction klingt, könnte eventuell daran liegen, dass es eine Fanfiction ist. Das ist nur eine Vermutung, dennoch könnte da durchaus ein Zusammenhang bestehen.
Mal abgesehen von der Haarfarbengeschichte frage ich mich, warum du auf Bagatellen und nicht auf den Text eingehst. Das kenne ich gar nicht von dir. :( Versteh mich nicht falsch, es ist gut, auch auf Nebensächlichkeiten hingewiesen zu werden, selbst wenn es sich dabei nur um persönliches Empfinden handelt, aber... wo sind deine Interpretationen? Das hat mich schon bei der Random-Sache erstaunt, obwohl das offenbar, ähnlich wie hier, doch nicht so eindeutig war, wie ich dachte. Ist das ein germanistischer Interpretationsburnout? Ich verstehe schon, dass du bei Fanfictions für zwischendurch nicht ewig analysieren willst, fand es nur ein bisschen schade.
Zur Erklärung: Die vier Mitglieder von Schwarz versuche ich stellenweise in eine gegenteilige Konstellation zueinander zu setzen und ihre Position daraufhin zu wechseln. Die beiden Beispiele, die dir unangenehm auffielen, gehören ebenfalls zu diesen Wechselpassagen. Mit Farfarello und Nagi funktioniert das leider nicht so gut, außer vielleicht Nagis Intelligenz gegen Farfarellos Geistesstörung. Bei Crawford und Schuldig funktioniert das besser oder bei Crawford und Nagi. Daher in einem Satz die Betitelung mit Jüngerer und Älterer und der umgekehrten Erklärung danach, die entfernt an lateinische Texte angelehnt ist, in denen man mit "dieser" und "jener" das näher und das weiter entfernte Subjekt des vorigen Satzes aufgreift. Deine Vermutung stimmt, dass ich diese Herangehensweise gewählt habe, um zuerst Außen-, dann Innenansicht zu liefern. Was du daran unangenehm fandest, kann ich leider nicht nachvollziehen. Dein zweites herausgegriffenes Beispiel ist in derselben Zusammensetzung entstanden. Da steht aber nichts davon, dass Crawford Schuldig sonderlich "beachtet", sondern dass er ihn mit einem Blick "bedachte". (Genauer lesen hilft.) Wenn man jemanden anschaut, heißt das nicht, dass man ihn beachtet, denn durch eine fehlende Reaktion kann man ihn auf diese Weise erst recht missachten. "Auch Crawford bedachte etc." bezieht sich ein paar Zeilen höher auf jenen Blick, den Schuldig von Nagi beim Eintreten erntet, also ebenfalls ein Wechselspiel aus ähnlichen Momenten mit anderen Personen.
Zum weiteren Konzept sage ich jetzt besser nichts, da lagt ihr alle drei mit einigen Aussagen richtig. Wäre blöd, vor dem zweiten Kapitel mit Erklärungen zu beeinflussen. :)
Antwort von: Futuhiro
16.12.2013 20:18
Wouw, jetzt artet dieser Kommi in ein Forum aus. ^^ (Finde ich gut, ich mag objektiven Austausch!)

@Blaetterklingen:
Ich fand die Sache, ob ein Blick nun schon "Beachtung" ist oder nicht, derwegen etwas übertrieben. Wenn ich jemanden kurz am Rande zur Kenntnis nehme, habe ich mich ja noch lange nicht damit befasst, was er sagt oder tut. - Aber gut, das hat halfJack schon ausreichend erörtert. Ich will das nicht nochmal nachquatschen. Für meinen Geschmack war es völlig okay, was Wiederholungen angeht. Wenn man Texte gar zu sehr auf´s Wesentliche reduziert, ohne irgendwelche überflüssigen/lebendigen Details, dann wird ein nüchterner Gesetzestext draus. Geschichten leben ja von bildhaften und umspülenden Beschreibungen.

@halfJack:
Ist doch toll, wenn Meinungen diskutiert werden (ohne, daß es in gegenseitige Beleidigungen ausartet! Niveuvolles Hin und Her mit fremden Nutzern hat man hier auf Animexx leider selten.)

Gut, den Original-Manga von Weiß Kreuz kenne ich nicht. Ich weis nur, daß Schuldig in Weiß Side B auch (wieder?) grüne Haara hatte.
War bei dem "Amerikaner" von Crawford die Rede? Ôo ... Muss ich nochmal genau lesen. Mir kam es vor, als sei da Schuldig gemeint gewesen. Wenn nicht, dann war´s mein Fehler, sorry. ^^
Antwort von:  halfJack
17.12.2013 12:56
@ Futuhiro
Mit der Suchfunktion von Word geht es ganz schnell: "Neben dem großgewachsenen Amerikaner, der in seinem legeren Anzug unbestreitbar seriös auftrat, wirkte der Mann mit den grünen Haaren und der unkonventionellen Kleidung beinahe unpassend." An erster Stelle ist Crawford gemeint, an zweiter Schuldig. Jetzt frage ich mich allerdings, ob man "großgewachsen" nicht auseinander schreiben müsste... ich glaube, es geht beides.

Und keine Sorge, der Herr Bla. und ich, wir motzen uns immer so niveauvoll an. :D
Von:  Blaetterklingen
2013-12-13T22:00:59+00:00 13.12.2013 23:00
Eine Geschichte für einen Wettbewerb und ohne Adult o.o wer sind sie und was haben sie mit dem Innbetreiber getan? Wenn da nicht mal ein Dauergast einige Worte drüber verlieren wird!
Also erst mal,so floskelhaft sich das auch anhört, ich hoffe das du gewinnst. Zum einen bist du eh frustrierend gut, was das Schreibhandwerk angeht und zum anderen weiß ich wie frustrierend es ist, für einen Wettbewerb etwas zu schreiben und dann nicht zu gewinnen. Mich würde aber interessieren, was du eigentlich bezweckst. Warum nimmst du überhaupt teil?

Am Anfang, da gebe ich dearaizawa recht, wirken die Charaktere sehr weit entfernt. Der Schreibstil wirkt sehr distanziert und nacherzählend. Aber ich denke,dass das gewollt ist, vor allem da man den Charakteren immer ein Schrittehen näher kommt. Erst sieht man das äußere, aber mehr und mehr wird das innere veräußert. Das deine Bilder wunderschön sind und deine Wortwitze sehr überzeugend sind, weißt du ja selber. Vor allem in der Sache mit dem Müll: "„Ich rede von Farfarello“, ergänzte Schuldig."
: D Herrlich.
Kommen wir also zum negativen:

Ist das gewollt Fanfictionmäßig, das du die Leute per Haarfarbe betitelst oder mit Jüngerer/Älterer? Oder ist die Geschichte bereits etwas älter und wurde von dir jetzt für den Wettbewerb recycelt. Teilweise atmet die Geschichte labyrintisches Rebsteinniveau und dann sind da Stilblüten, die ich nicht mit Sinn bestücken kann, wie etwa:

"Unvermittelt lachte Schuldig über seinen eigenen Scherz. Hierfür erntete er von dem Jüngeren ein Augenrollen, vom Älteren ein Kopfschütteln. Crawford konnte an der Aussage nichts Amüsantes entdecken und Nagi war es schlichtweg egal."

Was soll denn der dritte Satz? Warum gehst du noch einmal auf die gleiche Situation ein und führst diesmal die Innensicht vor. Es wirkt ziemlich holprig, vor allen weil der angeklagte Satz nicht wirklich irgendetwas wesentliches zu der Situation beiträgt oder nähe vermitteln würde. Zumindest meines Eindrucks nach.

"Keiner von ihnen schien ihm Beachtung zu schenken. Auch Crawford bedachte ihn lediglich mit einem kurzen Blick durch seine randlose Brille."

Hier auch noch mal. Du sagst das niemand ihn Beachtung schenkt und dann sagst du das Crawford ihn durchaus kurz Beachtung schenkte O.o

Von: abgemeldet
2013-12-13T10:01:52+00:00 13.12.2013 11:01
Dies hier überfordert mich etwas, weil es sich so perfekt liest.

Klingt vielleicht merkwürdig, aber anders kann ich es nicht beschreiben. Dein Schreibstil ist flüssig und intelligent. Nichts vorhersehbar und doch absolut passend. Man spaziert so dahin, bleibt nirgends hängen und freut sich schlichtweg über die äußerst lebhaften Umschreibungen. Kann es sehen und fühlen. Die Charaktere bekommen bei dir mehr Gestalt, als bei den meisten anderen FFs, die ich bisher so gelesen habe. Als wäre man dort und würde ihnen zusehen.

Allerdings kann man sie nicht greifen. Ich weiß nicht, warum, weil alles dafür sprechen würde, aber sie bleiben trotz der Nähe zuweilen seltsam distanziert.
Vielleicht liegt das auch nur an mir. Farfarello ist so gut getroffen, dass ich ihn zwar fasziniert beobachte, ihm aber nicht wirklich zu nah kommen will, weil ich mit seinem Zustand nicht umgehen kann.

Bleibt der Fakt, dass ich beeindruckt bin und es noch etwas nacharbeiten lassen muss. Es trifft mich irgendwo dort, wo es nicht schön ist. Eine Atmosphäre, die sich schleichend aufdrängt und die man schnell wieder loswerden möchte. Zu nah, sozusagen.

Bin gespannt auf den nächsten Teil.


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