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Stille Nacht

Lasst uns gemeinsam singen
von

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Lasst uns singen (2)

"Ja, sind Sie denn verrückt geworden?", rief Ludwig laut, als er sah, was der Soldat da gerade im Begriff war zu tun:

Er war drauf und dran, unbewaffnet den Graben über die Sturmleiter zu verlassen.

"Keine Sorge, Herr Deutschland. Ich denke nicht, dass mir etwas geschehen wird. Es wurde doch den ganzen Tag nicht geschossen."

Mit diesen Worten war der Mann auch schon über den Grabenrand verschwunden.

Ludwig biss die Zähne zusammen.
 

Mit festem Ziel, aber vorsichtigen Schrittes lief Francis auf den gegenüberliegenden Graben zu. Mon dieu, was hatte ihn da eigentlich geritten? Sie hatten alle gesungen, Weihnachtsbäumchen und Kerzen aufgestellt, mehr aber auch nicht. Und jetzt stolperte er hier durch das Niemandsland auf seinen ennemi zu. Un miracle, dass er nicht längst mit einer Kugel im Kopf oder abgerissenen Beinen in einem der unzähligen Granattrichter lag.

Doch mit jedem Schritt, den Francis näher an den anderen Graben näher kam, verflogen seine Zweifel immer mehr. Er war sich immer sicherer, dass Allemagne nicht auf ihn schießen würde, es war ein Gefühl, eine Intuition, ein vager Gedanke, mehr nicht.

Auf einmal sah er, wie sich beim deutschen Graben etwas bewegte. Überrascht und unsicher blieb der Franzose kurz stehen und kniff die Augen zusammen. Er erkannte eine einzelne Gestalt, die sich aus dem Boden erhob und dann anfing, langsam in seine Richtung zu laufen. War es Allemagne selbst, oder nicht? Er konnte in dem Dunkel der Nacht auf diese Entfernung nur wenig mehr als Schemen wahrnehmen.

Es gab nur einen Weg, sich zu versichern. Francis lief wieder weiter vorwärts.
 

"Hey, you've gone mad, haven't you?", fragte Arthur mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen "alleine auf das Niemandsland heraufzusteigen? What are you planning?"

"You'll see, England, Sir, es wird nichts passieren, da bin ich mir sicher", antwortete der Soldat, ohne sich umzudrehen und stieg die Leiter zielsicher weiter hinauf.

Damn it, nur weil dieser verrückte France und einer von Germany's Männern raus gingen, hieß das nicht, dass seine eigenen Leute auch den Graben verlasen mussten.

Aber um den Mann zurückzuhalten war es bereits too late, er war bereits verschwunden.

Mit zusammengepressten Lippen schaute Arthur wieder durch das Scherenfernrohr, um zu sehen, was weiterhin geschah.
 

Ludwig erwartete jeden Moment einen lauten Knall gefolgt von einem lauten Schrei, wie es jeder hier kannte.

Nichts geschah.

Verwundert runzelte er die Stirn. Das war ja kaum zu glauben, dass England oder Frankreich noch nicht dass Feuer eröffnet hatten. Andererseits konnte das natürlich auch eine Finte sein, um ihn herauf zu locken. Ludwig schaute sich um, dann entdeckte er an der Grabenwand vor ihm, direkt neben einem Weihnachtsbäumchen, ein Scherenfernrohr. Er schob sich an seinen Männern vorbei und beugte sich vor die Linse.

Weil er erst nichts sah, schwenkte Ludwig den Blick nach links. Auch hier sah er nichts. Nervös schwenkte er nach rechts. Wieder war außer Schnee, Erde, Granattrichtern und Stacheldraht nichts zu sehen.

Als er weiter das Niemandsland absuchte, entdeckte er endlich seinen Soldaten. Aber er war nicht alleine.

Ein weiterer Soldat, der Uniform nach wahrscheinlich einer von Englands Männern, näherte sich von der anderen Seite des Niemandslandes her.

Ludwig beobachtete, wie die beiden langsam und vorsichtig auf einander zugingen.

Da bemerkte er eine weitere Bewegung, die von rechts kam. Beim genaueren Hinsehen erkannte Ludwig, dass sich dort noch jemand näherte. Der Richtung nach zu schätzen wahrscheinlich ein Franzose.
 

Arthur runzelte ungläubig die Stirn, während er mit zitternden Hände das Scherenfernrohr umfasste. This had to be a dream, oder? So etwas konnte doch unmöglich geschehen. Die drei Soldaten standen da doch jetzt nicht einfach mitten zwischen den Granattrichtern friedlich beieinander!

Da geriet alles um ihn herum in Bewegung. Überrascht schaute der Engländer sich um. Alle seine Männer begannen, sich um die Sturmleitern zu drängen um aus dem Graben heraus zu klettern.

"Wait, was habt ihr alle vor? It's impossible! Das ist...", rief er stockend, doch niemand hörte ihm mehr zu. "Hey, England, worauf wartest du noch?", hörte Arthur dann eine ihm wohlbekannte Stimme von oben herab fragen. Er schaute auf und sah Allister, der bereits oben am Grabenrand stand. "Na los, come on", forderte der Schotte ihn auf, kniete sich hin und reichte Arthur die Hand herunter.
 

Francis blinzelte mehrmals überrascht, als er die vielen menschlichen Gestalten sah, die sich aus den Gräben allemands erhoben und auf sie zu gingen. Aus Interesse drehte er sich um und sog überrascht die kalte Nachtluft ein. Auch aus Angleterres und seinem Graben flossen langsam immer mehr Menschen auf das Niemandsland.
 

Ludwig ging auf die drei Soldaten zu, die dort mitten im Niemandsland standen. Um ihn herum liefen zahlreiche seiner Männer. Sicherlich war der Graben inzwischen vollkommen unbesetzt.

Er fühlte sich nach wie vor nicht ganz wohl bei der Sache. Nicht, dass er länger glaubte, dass das Ganze eine Falle war. Inzwischen war auch ihm bewusst, dass nur alle Weihnachten friedvoll miteinander verbringen wollten. Vielmehr war es das Ungewohnte an der ganzen Sache, dass in ihm Irritation wie auch freudige Anspannung auslöste. Ein Jahr lang hatte man sich nun redlichste Mühe gegeben, sich gegenseitig tot zu schießen und jetzt wollte man sich mitten auf dem Schlachtfeld die Hände schütteln.

Leichter Schneefall setzte ein. Ludwig richtete seinen Blick fest nach vorne. Atemwölkchen umwabberten seinen Mund.

Die weißen Schneeflocken tanzten im Dunkel der klaren Winternacht im hellen Schein des Mondes umher, während die Männer, dicht eingepackt in ihre Mäntel, über die nackte Erde aufeinander zu gingen.

Ludwig tat einen großen Schritt über die Leiche eines der zahllosen Gefallenen, die noch herumlagen, hinweg. Ob es einer seiner Soldaten oder Englands oder Frankreichs war, hatte er nicht erkennen können. Der Mann hatte auf dem Bauch gelegen, bereits halb im Dreck versunken und nun auch noch von einer dünnen Schneeschicht bedeckt.

Jetzt hatte er die drei Ersten, die ihre Gräben verlassen hatten, erreicht. Nun erkannte er auch den Franzosen. Es war niemand anderes als Frankreich selbst. Trotz des Drecks und Schnees in Gesicht und blonden Haaren erkannt Ludwig ihn sofort. Sie schauten sich schweigend an.

Auch England entdeckte Ludwig. Auch er war mit seinen Männern mitgegangen und blieb nun ihm gegenüber schweigend stehen.
 

Dann schritten sie langsam aufeinander zu und breiteten ihre Arme aus.

"Kameraden!", rief Ludwig.

"Comrades!", rief Arthur.

"Camarades!", rief Francis.

Sie schüttelten einander abwechselnd die Hände. Francis grinste breit und auch Ludwigs und Arthurs Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln.
 

Da standen sie nun schon scheinbar ewig zusammen, die Soldaten, die eigentlich verfeindet sein sollten, und redeten und lachten miteinander, als ob man beste Freunde wäre. Eifrig wurde getauscht um begehrte Objekte zu erhalten. Ein Deutscher tauschte seine Pickelhaube gegen eine Schachtel englischer Zigaretten ein. Ein Franzose sein Képi für einen deutschen Koppel.

"Well, es tut mir ja terrible Leid, aber das kam jetzt alles so surprising, that I couldn't get you any presents", sagte Arthur zu Ludwig und Francis. Die drei hatten sich Stühle bringen lassen und saßen beisammen und unterhielten sich, während sie ihre Männer beobachteten. "N'est pas un problème, Angleterre", erwiderte Francis grinsend "ich habe auch nichts und hätte dir oder Allemagne sowieso nichts geschenkt!" "Das hätte ich von einem froggie like you auch nicht anders erwartet", frotzelte Arthur. Ludwig öffnete erst seinen Mund, als ob er etwas sagen wollte, ließ es dann aber doch. Francis hatte es trotzdem bemerkt. "Qu'est-ce que c'est ?", fragte der blonde Franzose den Deutschen neugierig. Daraufhin sagte Ludwig dann doch: "Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, ob das etwas Angemessenes ist, aber ich habe vielleicht doch etwas für euch."

Damit erhob sich Ludwig von seinem Stuhl, wandte sich um und winkte einen Leutnant heran. "Sie und zwei weitere Männer gehen jetzt zur Verpflegungsstelle. Holen Sie dort auf meinen Befehl zwei der großen Fässer mit der weißen Beschriftung und bringen Sie sie hierher. Und zwar so schnell wie möglich, abtreten!", erklärte er dem Mann. Der Leutnant salutierte zu einem kurzen "Jawohl, Herr Deutschland!", bedeutete zwei weiteren Soldaten mitzukommen und ging.
 

Ludwig setzte sich wieder auf seinen hölzernen Stuhl. "Was genau shall be brought?", fragte Arthur sofort, während er sich zu ihm herüber beugte "Warte es ab, England", antwortete der Deutsche nur.

Ohne eine zufriedenstellende Antwort erhalten zu haben, setzte sich Arthur, irgendetwas Unverständliches brummelnd, wieder gerade auf. Schweigen breitete sich zwischen den dreien aus.

Auf einmal sprang Francis auf und rief laut in alle Richtungen mit weit ausgebreiteten Armen: "Hé, hier herrscht ja noch gar keine Festtagsstimmung! Allons, musique, musique!"

Die Soldaten, die um die drei herumstanden, wandten sich ihnen erst etwas überrascht zu, doch dann ertönten überall Rufe, dass man doch die Instrumente bringen solle.

Allister war der Erste der anfing zu spielen. Bei dem durchdringenden Klang seines schottischen Dudelsacks zuckten Ludwig und Francis kurz zusammen. Gleichzeitig zuckten Arthurs Mundwinkel nach oben.

Ein deutscher Soldat fing an, Akkordeon zu spielen, gleich darauf folgte ein Franzose mit seiner Trompete.

Es war keine festlich-feierliche Melodie, die gespielt wurde, sondern eine festlich-fröhliche, wie zu einem Volkstanz. Und tatsächlich sahen Ludwig, Arthur und Francis erstaunt, wie sich einige Soldaten mit den Ellenbogen einhakten und anfingen tanzend im Kreis zu hüpfen.

"Magnifique, magnifique!", rief Francis lachend, während er mit den Händen zum Takt klatschte.

Auch Ludwig und Arthur fielen mit ein. Schließlich standen sie sogar von ihren Stühlen auf.
 

"Verzeihung, Herr Deutschland, melde gehorsamst, wir haben dass Fass gebracht!", wurden die drei plötzlich unterbrochen.

Als sie sich umdrehten erkannten sie den Leutnant, den Ludwig vorhin weggeschickt hatte. Wie befohlen, hatten er und zwei weitere deutsche Soldaten zwei große Fässer herangerollt. Auf ein Handzeichen Ludwigs hin richteten sie sie wieder auf.

"Es ist zwar nichts besonderes", begann Ludwig zögerlich und legte seine rechte Hand auf eines der Fässer "aber so schnell ist mir nichts anderes eingefallen, was ich euch zu diesem festlichen Anlass überreichen könnte. Das hier bestes deutsches Bier aus meinem persönlichen Vorrat."

Francis und Arthur schauten die Fässer erst überrascht an, dann fingen beide an zu grinsen und brachen in lautes Lachen aus.

"Für eine spontane Idee vraiment belle", sagte Francis. Und Arthur ergänzte: "Wonderful, wie von dir zu erwarten, Germany." Sie orderten einige ihrer Männer, ihr jeweiliges Fass zu ihnen herüber zu rollen.

"Ich fürchte nur", meinte Francis weiterhin und zuckte mit den Schultern, "dass ich leider wirklich kein passendes Geschenk für euch habe." Doch dann fiel ihm doch etwas ein. Er wandte sich um, winkte einen seiner Männer zu sich und gab ihm leise Anweisungen. Als der Mann ging, drehte er sich wieder zu Arthur und Ludwig um. "What are you scheming ?" fragte Arthur neugierig. "Un peu de patience", erwiderte Francis nur "warum überlegst du dir selbst eigentlich nicht auch etwas?"

"Heavens, das musst du mir nicht dreimal sagen!", rief der Brite daraufhin laut aus und beorderte nun ebenfalls einen seiner Männer, etwas zu holen.
 

Ludwig, Francis und Arthur blieben stehen und warteten unter dem dunklen Sternenhimmel.

Der französische Soldat war als erstes wieder zurück. In den Händen hatte er eine kleine Holzkiste, die er Francis reichte. Dieser wandte sich zu Ludwig und Arthur, die sich bereits gespannt ein wenig vorgebeugt hatten. Als Francis dann den Holzdeckel abnahm, kamen darunter dunkelgrüne, sorgfältig in Stroh gebettete, Weinflaschen zum Vorschein. Francis nahm vorsichtig mit beiden Händen eine davon heraus und gab sie Arthur, eine zweite überreichte er Ludwig.

"Das ist bester vin de Bordeaux, auch aus meinem persönlichen Vorrat. Nicht so billiger Fusel, wie ihn die einfachen Mannschaften trinken", erläuterte er den beiden.

Ludwig strich seicht mit seinem behandschuhten Daumen über das Etikett. Arthur hatte seine Flasche zum Betrachten hochgehoben.

In diesem Moment erschien auch wieder Arthurs Mann, der zwei große, runde Blechdosen bei sich trug.

Arthur ließ die französische Weinflasche wieder sinken und schritt auf ihn zu. Er nahm die beiden Dose entgegen und hielt jeweils eine Ludwig und Francis hin.

Sie nahmen sie entgegen und öffneten neugierig den Deckel. Es kam eine braune, feste Masse zum Vorschein. Francis verzog das Gesicht. "Hast du mal wieder selbst gekocht, Angleterre? Und jetzt versuchst du uns das Zeug als Weihnachtsgeschenk anzudrehen?", fragte er leicht ungehalten.

"Warte mal einen Moment, ich glaube, ich weiß, was das ist". Murmelte Ludwig, zog sich einen Handschuh aus, steckte den Zeigefinger hinein und probierte den Inhalt der Dose. "Gar nicht mal so schlecht. Das ist doch dieser Weihnachtspudding, richtig?", fragte er Arthur.

"Very good", bestätigte dieser "das ist in der Tat mein famous plumpudding."

Auch Francis probierte nun vorsichtig Arthurs Plumpudding. "C'est vrai, gar nicht übel. Zumindest für die cuisine d'Angleterre", meinte er. Besagter war dem Franzosen zwar einen stechenden Blick zu, beließ es aber dabei.

"Also dann, Prost!", sagte Ludwig
 

Gilbert legte den Telefonhörer auf. Das sollte wohl ein schlechter Scherz sein. Das durfte einfach nicht wahr sein. Erst recht, sein Bruder Deutschland. Der Preuße stand sofort vom Tisch auf, schnappte sich im Vorbeigehen seinen Mantel. Er musste sich unbedingt selbst ein Bild machen. Nicht schon schlimm genug, dass laut der Verbindungsstelle kaum jemand auf seinem Posten zu sein schien, diese Aussage über engere Kontakte, ja, Verbrüderung mit dem Feind, waren unglaublich. "Fahrer, bringen sie mich auf der Stelle zur Front!", rief Gilbert, kaum dass er aus der Tür des Hauptquartiers getreten war.



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