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Drei Ansichten

einer Klassenfahrt
von

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1a

Die schlimmste Art und Weise, wie eine Klassenfahrt wohl losgehen konnte, war mit dem Bus zu fahren. Wir saßen fast vier Stunden in der Hitze bevor wir einen Halt machten, um einmal frische Luft zu schnappen und etwas zu essen. Diese Pause war meiner Meinung nach allerdings viel zu kurz. Und schon ging die Fahrt weiter. Immer noch hatte der Busfahrer darauf verzichtet, die Klimaanlage einzuschalten, auch wenn sich die Hälfte meiner Klasse wirklich lauthals beklagte.

Unser Ziel erreichten wir in der Abenddämmerung und jeder, der ausstieg, streckte sich erst einmal und atmete die frische Luft ein. Unser Ziel war ein Camp, in dem unsere Klassengemeinschaft gestärkt werden sollte. Die Idee, mit einer komplett neu aufgestellten Schulklasse schon mal eine Klassenfahrt zu machen, schien mir nicht die beste zu sein. Andere setzten sich albernerweise in einen Kreis und erzählten unnötige Dinge über sich selbst und der Rest durfte dann heimlich über sie denken, was er wollte.

Ich war froh, dass mein bester Freund seit Kindheitstagen wieder in derselben Klasse war wie ich und hielt mich immer in seiner Nähe auf. So offen wie er, war ich nämlich nicht. Die meisten Menschen hatte ich wohl nebenbei kennengelernt, während Reiner sich mit ihnen unterhielt und mich im Laufe dieser Unterhaltung diesen Menschen vorstellte. Auch jetzt stand ich wieder neben Reiner und wartete darauf, dass entweder er oder einer der beiden Lehrer sagten, was wir jetzt tun sollten.

Nachdem alle Taschen und Koffer auf die Beteiligten verteilt wurden, kam einer unserer Lehrer mit einem Kasten in der Hand zu jedem Einzelnen von uns und ließ uns eine Nummer ziehen, die dann entscheiden würde, in welcher Hütte wir schlafen sollten. Zufall also. Reiner zog die 2, ich die 4. Sofort wurde mir unwohl. Ich würde mit mir völlig fremden Personen in einer Hütte schlafen müssen. Da es nur vier davon gab, mussten etwa sechs Menschen in einer Hütte übernachten. Das wären für mich fünf Fremde. Wie sollte ich das überleben?

Ich stand schon unmittelbar vorm Schweißausbruch und starrte besorgt meine Schuhe an, als Reiner mir auf die Schulter klopfte und einen Zettel mit der Zahl 4 empor hielt. „Ich habe getauscht. Wie könnte ich dich allein lassen?“, sagte er grinsend. Mir fiel ein gewaltiger Brocken vom Herzen. Zum Glück würde er wieder in meiner Nähe bleiben.

Wie erwartet standen in unserer Hütte drei Stockbetten. Unerwartet war, dass einer unserer Lehrer mit hineinkam und uns auf die Betten verteilte. Wie sollte dieses Jahr bloß weitergehen, wenn nicht einmal etwas so Banales von den Schülern entschieden werden konnte? Sowohl Reiner als auch ich sollten auf einem der oberen Betten schlafen.

„Darf ich Einwände erheben?“, fragte Reiner an den Lehrer gewandt. „Ich wiege bestimmt doppelt so viel wie der Kerl unter mir. Wenn das Bett zusammenbricht ist der arme Junge Matsch. Außerdem ist unser Riese Bertholdt hier ein Mensch, der nicht ruhig schläft. Wenn er bei einer seiner seltsamen Verrenkungsaktionen aus dem Hochbett fällt, könnte die Schule dafür zur Verantwortung gezogen werden. Oder täusche ich mich? Ich halte es für besser, wenn wir uns unser Bett selbst aussuchen.“ Die anderen nickten oder stimmten ihm anderweitig zu. Unser zu kurz geratener Lehrer antwortete mit bösem Blick: „Ist mir egal. Ich sollte euch auf die Betten verteilen, das habe ich gemacht. Ich kann euch zu nichts zwingen.“ Er verließ die Hütte und wir sprachen untereinander ab, wer welches Bett bekommen sollte. Am Ende waren alle mehr oder weniger zufrieden. Mehr oder weniger, da ich fast die gesamte Länge meines Bettes einnahm, wenn ich mich ausstreckte.

Beim Bettbeziehen fragte ich Reiner, der das untere Bett neben meinem bezog: „Was meintest du eigentlich mit Verrenkungsaktionen?“ „Ich habe dir doch schon häufig erzählt, dass du im Schlaf nicht ruhig bist, sondern man dich immer in den seltsamsten Positionen findet.“ „Aber das mache ich doch nicht immer noch?“ „Doch. Aber du störst ja niemanden dabei, also mach dir keine Gedanken darüber.“ „Wie fällt dir das überhaupt auf?“ „Als Kinder haben wir uns häufig ein Bett geteilt und dabei habe ich ab und zu eines von dir auf die Nase gekriegt im Schlaf. Oder du hast mich vom Bett geschoben oder lagst halb auf mir drauf. Mittlerweile bin ich schon so sehr daran gewöhnt, dass ich wach werde, wenn ich die kleinste Bewegung neben mir höre oder fühle. Du hast mich schon ewig nicht mehr erwischt.“ „Das wird daran liegen, dass wir seit Ewigkeiten nicht mehr in ein Bett hineinpassen.“ „Wir würden passen. Theoretisch zumindest. Auf jeden Fall kann es gut sein, dass du mich in dieser engen Hütte im Schlaf erwischst, wenn du den Arm ausstreckst. Die Betten stehen ja beinahe nebeneinander.“

Vom Bett über mir sagte plötzlich eine weibliche Stimme: „Oh ich hab' nichts dagegen, wenn ihr die Betten zusammenschiebt. Dann könnt ihr monströsen Turteltauben bequem kuscheln und habt quasi ein Doppelbett und ich kann zu Christa ins Bett. Solltet ihr dann irgendetwas machen, bei dem das ganze Bett sonst gewackelt hätte, dann müsst ihr das nur auf dieser Seite tun, denn mich werdet ihr damit nicht wecken. Schließlich liege ich dann nicht mehr hier. Aber tut mir einen Gefallen und seid leise dabei.“

Auf dem oberen Bett entgegnete die kleine Christa irgendetwas, was anschließend wieder von dem verrückten Mädchen über mir beantwortet wurde. So ging es eine Weile weiter, bis es an der Tür klopfte und ein Mitschüler mit Sommersprossen und einer auffällig freundlichen Stimme uns zum Essen holte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Cross_
2013-11-23T14:09:06+00:00 23.11.2013 15:09
Ich wünschte das wäre meine Klasse gewesen .___.


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