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Ich lebe...

Lyrikmassaker
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Nun denn, ich wäre mal gespannt auf eure Meinung.
Lg, Sternenschwester Komplett anzeigen

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Ich lebe...

Ich lebe…
 

Mitten im Kalten Krieg – Alaska
 

Ich stehe auf der eisigen Landefläche und sehe mit gemischten Gefühlen der Landung des klapprigen Flugzeugs entgegen, welches diesen Namen streng genommen gar nicht mehr verdient.

Warum fliegst du überhaupt noch so eine Antiquität?

Ich weiß selber, aus sicherer Quelle, dass du auf viel bessere Maschinen zurückgreifen könntest, selbst für solche Flüge, für die ein anderer mit seiner Freiheit bezahlen würde.

Doch du nicht, auch wenn ich glaube, dass keiner deiner jetzigen Vorgesetzten weiß, dass du dich mit mir auf ehemaligem russischen Territorium triffst.

Sorry, ich habe völlig vergessen dass du dich jetzt Sowjetunion nennen lässt.

Pech für dich, denn als du mir dieses Niemandsland verkauft hast, warst du noch russisch.

Die Maschine rauscht nur so über den vereisten Asphalt und ich bekomme es schon mit der Angst zu tun das sie jeden Augenblick über die Sicherheitszone hinaus flitzt.

Und glaub jetzt ja nicht, ich würde mir Sorgen um dich machen. Aber es würde unsere gemeinsame Lage nur noch mehr verkomplizieren, wenn du auf nun amerikanischem Boden verunglückst.

Oder sagen wir es so: Weniger dein Wohlergehen bereitet mir Bauchschmerzen, wenn ich dieser Quasibruchlandung zusehe, sondern mehr die Gesundheit und das Leben deines sowjetischen Piloten.

Ein toter sowjetischer Bürger ist das letzte, was ich zusätzlich zu meinen aktuellen Problemen brauche. Dabei sind politische Komplikationen mit dir nicht der einzige Grund für meine schlaflosen Nächte, auch wenn ich das eher allegorisch meine.

Man würde es kaum glauben, aber auch wir haben persönliche Probleme.

Herakles, der große Philosoph, hat mir einmal in einem Augenblick, indem er nicht am Schlafen war, vorphilosophiert, dass wir als Personifizierungen nicht umhin konnten, uns menschliche Charakterzüge zu eigen zu machen, um nicht an unserer Existenz zu verzweifeln.

Dazu gehört aber auch, dass man hasst, liebt, verzweifelt ist, Freude verspürt und so weiter. Die ganze menschliche Emotionspalette also. Und eben dieser menschliche Zug an uns, lässt uns eben auch all jene Situationen durchleiden, mit denen man Bände an Theaterstücken, Romanen und Drehbüchern füllen könnte.

Doch ich schweife ab.
 

Das Höllengerät ist endlich nur einen Meter vorm Ende der Landebahn zum Stillstand gekommen.

Ich seufze auf, auch wenn ich mir noch nicht ganz sicher bin, ob aus Erleichterung oder Gereiztheit.

Du steigst aus, und ich wundere mich schon warum die Türe der kleinen Kabine überhaupt noch an ihren Scharnieren hängt.

Ich hätte, wenn ich solche Geräusche von meinem Gefährt gehört hätte, mich schon längst von diesem Schrotthaufen getrennt.

Doch kaum hast du mit deinen sowjetischen (russischen, Punkt!) Füßen die dünne Eisschicht betreten, wende ich meine volle Aufmerksamkeit dir zu.

Du erhaschst meinen Blick und grinst dein unheimliches Lächeln, bei dem vor allem der arme Raivis immer gleich Reiß aus nimmt.

Dafür, dass du gerade einem weiteren schmerzhaften Tod entgangen bist, hast du ziemlich gute Laune, selbst wenn ich weiß, dass dies nur Teil einer Fassade ist.

Man lernt schnell, ein guter Schauspieler zu sein, wenn man so viel wie du erlebt hat. Neben dir komme ich mir immer, wenn ich daran denke, wie das junge Geernhorn vor, das ich ja in meinem Innern bin.
 

Lächelnd komme ich dir entgegen, und so wie ich weiß, dass hinter deiner gespielten, kindlichen Naivität mehr steckt, so bin ich mir sicher, dass du auch mein Grinsen schon längst durchschaut hast.

Du trägst ausnahmsweise nicht diesen hässlichen, beigen Mantel, sondern den schöneren schwarzen aus weichem Leder, mit den filigranen und dezenten Stickereien, einst von deiner jüngeren Schwester in ihrem Liebeswahn geschneidert.

Ich weiß nicht wie ich das interpretieren soll, oder ob du mir mit dieser Kleidungwahl überhaupt etwas mitteilen willst.

Auf deinem Kopf thront die für dein Land, so typische schwarze Fellmütze und schützt deine Ohren vor dem eisigen Wind, welcher die meinigen schon längst in Eiszapfen verwandelt hat.

Auch wenn ich es nie in deiner Anwesenheit aussprechen werde -na gut, wenn du nicht mehr aufnahmefähig bist- beeindruckt mich dein Erscheinungsbild und weckt Gefühle in mir, die mir zwar nicht neu sind, aber erstens in meiner Position absolut unpassend sind und mir zweitens seit längerem Gewissenskonflikte bereiten.
 

„Braginskis.“, rufe ich dir zu und schüttle dir kurz die Hand, als du in voller Größe mir stehst.

Dabei hätten wir uns ebenso gut als Begrüßung unsere Pistolen an den Kopf halten können.

„Genosse Jones.“, antwortest du mir, in einem ironischen Ton, der schon fast zum Himmel schreit.

Ich verliere nur kurz die Beherrschung über meine Mundwinkel und zeige dir in diesem Augenblick auf die ehrlichste Art, was ich von solchen Benennungen halte.

Du hingegen hältst deine Miene bis zum Schluss unbefleckt von Fehlern.
 

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Nur eine Stunde später sitzen wir in meinem Wohnzimmer, und haben einen herrlichen Blick auf das verschneite Tal unter uns.

Dieses Haus ist das einzige, in welches ich dich die letzten Jahrzehnte gelassen habe, steht es doch auf den Grundmauern deiner alten Residenz, als dieses Land noch zu dir gehörte. Ich habe nie wirklich herausgefunden, ob du mich für die Dreistigkeit, dein Refugium auf dem neuen Kontinent dem Boden gleichzumachen und eine modernere Hütte darauf zu bauen, verurteilst hast. Wenn ja, so hast du es in der Vergangenheit nie zur Sprache kommen lassen.
 

Ich bin wieder aufgestanden und schaue aus dem riesigen Fenster, welches beinahe die ganze Ostseite dieses Stockwerks einnimmt. Ich spüre deinen Blick auf mir ruhen und das stresst mich zusätzlich. Du wirst lachen, ich bevorzuge seit einiger Zeit die Treffen, die in Anwesenheit anderer stattfinden, ob nun mit Nationen oder Marionetten unserer Staatsapparate.
 

Warum?

Die Antwort bist du.

Ich habe Angst, wenn wir uns alleine treffen.

Und glaub jetzt ja nicht diese Angst bezöge sich auf deine Persönlichkeit, ob nun als Land oder als Ivan Braginskis.

Ich habe Angst vor dem was sich zwischen uns abspielen könnte…
 

„Genosse, ich glaube nicht das ich mich hunderte Kilometer weit bewegt habe, nur um mich von dir anschweigen zu lassen.“, schnarrst du in deinem schweren Akzent, für den ich schon seit jeher eine unheimliche Faszination empfunden habe.

„Natürlich nicht… Braginskis“, antworte ich, mache jedoch keine Anstalten, mehr zu sagen oder mich von dem beeindruckenden Panoramablick abzuwenden. Ich höre, wie du nach einigen Minuten des Schweigens ungeduldig die Eiswürfel in deinem Whiskyglas aneinander schlagen lässt.
 

Ein leichtes Lächeln legt sich auf meine Lippen.

Doch du stehst nicht auf und gesellst dich zu mir ans Fenster. Du bleibst einfach weiterhin gemütlich auf dem Sofa hinter mir sitzen. Beide Arme hängen an beiden Seiten an der Lehne runter und überhaupt machst du auf mich einen Eindruck, als würdest du dich hier zu Hause fühlen. Vielleicht ist es nur Schein oder es hängt mit der Tatsache zusammen, dass dieses Grundstück einst eines deiner Refugien war.

Den schweren Mantel, wie auch die Mütze hast du gleich im Vorzimmer neben meine Bomberjacke gehängt, so, als wäre es für dich etwas alltägliches, über die Schwelle dieses Hauses zu schreiten.

Dein Schal jedoch, liegt trotzt angenehmer Raumtemperatur weiterhin um deinen Hals, was dich kräftiger erscheinen lässt als du bist.
 

„Jones, komm doch zurück und schenk uns nach. Beim Trinken löst sich eher die Zuge als beim Schweigen.“
 

Ich lasse meinen Blick zu dem goldbraunen Rest Alkohol in meinem Glas schweifen und schwenke sie durch das sanfte Bewegen der Finger leicht hin und her. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich es beinahe vollständig geleert habe. Mit einem Seufzen komme ich deiner Bitte insoweit nach, dass ich mich wieder zu dir auf die Bank geselle, doch den Wunsch nach mehr Alkohol erfülle ich dir nicht. Du musterst mich mit diesen herrlich violetten Augen.
 

Abermals wird mir bewusst, wie sehr ich nun als Individuum handle und nicht als Repräsentant einer ganzen Nation. Würde ich in dieser Funktion meine Gefühle offenlegen, so würde ich erstens an deiner Gurgel hängen, um zu versuchen, dich mit deinem Schal zu erwürgen, und zweitens von meinem Verlangen nach dir mehr als angeekelt sein.

Natürlich sind das nicht die einzigen Gedanken, welche mich als Ganzes bewegen. Dazu ist der Gefühlspool einer ganzen Nation einfach zu komplex und zu vielschichtig. Aber gewisse Grundzüge dominieren immer.

Du bleibst nun einmal als Vertreter eines Systems, das unter meinen Kindern größtenteils als anerkanntes Feindbild akzeptiert ist, mein Rivale und Erzfeind auf politischer Ebene.

Würdest du es dann als ironisch, zynisch oder paradox bezeichnen das ich mich dann ausgerechnet in dich verliebt habe?

Zudem du zu allem Überfluss auch noch ein Mann bist.

Also fassen wir einmal zusammen:

Du bist ein Kommunist, Russe und Angehöriger des männlichen Geschlechetes.

Das Schicksal muss mich wirklich hassen.
 

„Was ist dein Problem, Jones?“
 

Deine Schmiergelstimme reißt mich aus meinem Gedankensalat.
 

Mein Problem…
 

Ich unterdrücke ein heiseres Auflachen.

Dass du die Qual bist…

Ich lasse meinen Oberkörper ein wenig tiefer hängen, sodass ich dir nicht in die Augen schauen muss.

Iggy hatte vielleicht Recht behalten:

ich war schon immer ein verdammter Masochist.

Du legst mir einen Arm um die Schulter.

Ein Zucken durchfährt mich, welches du selbst durch den Stoff meines Hemdes spüren musst.

Doch du übergehst es und merkst nicht wie die Bombe in mir tickt.

Vorsichtig stelle ich mein Glas auf dem Boden ab, bevor ich deines behutsam aus deinen Fingern fische und ebenfalls in Sicherheit bringe.

Du schaust mich leicht überrascht an und diesmal halte ich dem Blick stand, den deine violetten Augen mir zuwerfen.

„Mein Problem, Braginskis… ist, dass du mich entführt hast…“

Du Terrorist, vollende ich den Satz in meinen Gedanken und erschrecke gleichzeitig über meine Ehrlichkeit.

Doch noch mehr fürchtete ich mich in diesem Moment vor deiner Reaktion.

Nur mühsam, gezwungen, hebe ich den Kopf und suche zögerlich den Blick deiner violetten Augen.

Das Lächeln, welches du nun auf den rauen Lippen, trägst beruhigt mich nicht im Geringsten.

Es löst eher das Gegenteil in mir aus und ich spüre, wie eine selten gekannte Panik mich überfällt.

Dieser Augenblick gehört zu den Momenten, in denen ich mir wünsche, ich könnte wo anders sein, bloß nicht hier in meinen Haus, in meinen Wohnzimmer, auf meiner Couch, neben dir.

Bestimmt und mit einer Sicherheit, auf die ich neidisch bin, rückst du mir näher und streichst mir über den Arm, der dir am nächsten ist.

Angespannt versuche ich, die Distanz zwischen uns zu erhöhen, doch soweit komme ich nicht. Schneller als mir lieb ist, drückst du mich gegen die Lehne meiner eigenen Garnitur und mit Schrecken stelle ich fest, dass - sollte etwas passieren- die Chance auf Hilfe von außen verschwinden gering ist.
 

Ich habe kein Personal, nur einen Verwalter, der sich ums Haus kümmert, wenn ich abwesend bin, doch eben diesen habe ich heute in den Urlaub geschickt. Nun verfluche ich mich wegen dieser Laschheit und nenne mich einen Narren.
 

Dein Gewicht über meiner Brust übt einen unangenehmen Druck auf jede meiner einzelnen Rippen aus. Ich spüre zwar noch immer die Furcht tief in mir, doch anstatt mir in diesem Moment die Kraft zu geben, mich aus der misslichen Lage zu befreien, lässt sie jeglichen Muskel in meinen Körper gefrieren.

Du scheinst zu spüren, dass ich mich nicht in der Lage befinde, dir weiter körperlichen Wiederstand zu leisten. Dennoch hältst du meine zwei Arme über Kreuz in deinem beinahe schraubstockartigen Griff fest.

Du traust der Situation nicht, das wird mir seltsamerweise immer mehr bewusst und ich frage mich, inwieweit dein zu Schau gestelltes Selbstbewusstsein authentisch ist.

Vieleicht überwindest du aber auch einfach dein Unvermögen, mit der Situation richtig umzugehen, indem du einfach zum Angriff übergehst.

Wer weiß das schon außer dir.

Ich jeden falls weiß es nicht und selbst jetzt, da sich dein Gesicht dem meinigen nähert, kann ich dein Mienenspiel nicht durchschauen.

Wenn ich gedacht habe du würdest mir deine Zunge in den Rachen schieben, dann habe ich mich getäuscht. Die Lippen gleiten vorbei und ich kann deinen Atem an meinem Ohr spüren.

„Das sind die ehrlichsten Worte gewesen die ich von dir in letzter Zeit zu hören bekommen habe, kleines Amerika.“

Der sanfte Lufthauch, der nun meinen Nacken streift, lässt mich seltsamerweise auch Schauer an ganz anderen Stellen spüren und unbewusst komme ich zu einer Entscheidung.

Sanft drücke ich dich weg, du lässt es geschehen, siehst mich einfach weiterhin mit deinen großen, violetten Augen an.

Du rührst dich auch dann nicht, als ich meine Hände hebe, welche du netterweise davor losgelassen hast und auf deine Wangen lege.

Seltsam, ich habe immer gedacht, dass deine Haut viel weicher ist, aber unter meinen Fingerkuppen spüre ich feine Stoppeln und tippe drauf, dass du dich erst vor ein paar Tagen rasiert hast.

Du reagierst auch nicht, als ich vorsichtig dein Gesicht zu meinem heran ziehe, bis sich meine Stirn an deine lehnt. Dadurch, dass ich nun über meine Brille hinweg schaue, nehme ich die feinen Detail deines Gesichts nur noch verschwommen wahr, aber das Funkeln in deinen violetten Augen entgeht mir nicht.

Ich fühle mich seltsam so als würde jemand anderer meine Handlungen übernehmen.

Keiner von uns sagt etwas, oder rührt sich auch nur. Nur mit dem rechten Daumen fahre ich dir die Wange entlang.

In Filmen geht das alles viel schneller von statten, raunt mir eine kleine, imaginäre Stimme ins Ohr.

Plötzlich fasse ich einen weiteren Entschluss und berühre mit meinen Lippen die deinen, wobei ich automatisch die Augen schließe. Kaum habe ich keine visuellen Sinneseindrücke mehr, werden meine andren Sinne schärfer. Ich spüre, wie du dich im ersten Moment versteifst und bin seltsamer Weise darüber amüsiert.

Nach allem, was sich zwischen uns aufgebaut hat hättest du es doch kommen sehen müssen, oder nicht?

Ich meine auch zu spüren, wie du dich abwenden möchtest, doch ich lasse dich nicht los und verlange mehr, halte dein Gesicht weiterhin fest zwischen meinen Fingern und streiche erst zögerlich, dann immer verlangender mit meiner Zungenspitze gegen deine noch immer fest zusammen gekniffenen Lippen.

Allmählich wirst du wieder weicher und lässt dich Stück für Stück auf das Spiel ein, drückst mich sogar wieder zurück auf die Lehne, während du langsam von deinem Platz auf der Couch auf mich gleitest.

Nach einiger Zeit scheinst auch du deine innere Barriere überwunden zu haben und dich nicht mehr zu fragen inwieweit du dir das hier erlauben kannst, noch ob du die jetzt gefällte Entscheidung überhaupt später bereuen wirst.

Du schmeckst bittersüss, weißt du das überhaupt, du verdammter Kommunist?

Vorsichtig nehme ich die Hände von deinem Gesicht, wobei ich im ersten Moment fürchte, du würdest alles beenden nun, da wo ich den Druck aufgebeben habe.

Doch dann spüre ich wie deine Hände beginnen über meine Arme und Schultern zu streichen. Es erregt mich und macht mir zugleich Angst, zudem du immer mehr beginnst Überhand zu gewinnen.

Ich spiele erst mit dem Gedanken, dir, wie es seit Jahrzehnten zwischen uns üblich ist, Konkurrenz zu machen, aber zu mehr als zu einer Möglichkeit reift diese Idee nicht weiter aus, da du immer bestimmender wirst und wie zuvor es geschickt verstehst meinen Weiderstand, im Keim zu ersticken.

Du saugst mich aus wie ein Vampir und beraubst mich jeglichen Drangs, mich weiter gegen dich zu wehren, obwohl mir sehr wohl bewusst ist, dass ich es war, der den Sturm hervorgeschworen hat.

Ein wenig außer Atem und vor allem wund auf den Lippen unterbreche ich den Kuss, aus dem mehr geworden ist, als ich mir überhaupt erhofft habe.

Du knurrst leise und schaust verwundert auf.

Ich bin wie völlig verhext.

Ein mir selten bekanntes Glücksgefühl macht sich in meiner Brust breit, wobei ich endlich einmal den Augenblick genießen kann und nicht ständig überlege, wie ich wohl morgen darüber denken werde.

Dabei ist diese Frage völlig irrelevant. Ich komm sowieso einfach nicht mehr los von dir.

Selbst wenn ich lange gebraucht habe, es mir einzugestehen, aber ich liebe dich und begehre dich auf nicht ganz kirchenkonforme Weise. Da ist es mir egal, was du bist, oder was du darstellst, da es für mich in diesem Kontext einfach keine Rolle spielt. Auf jeden Fall in diesem Moment.

Mit noch ungläubigem Blick, als würdest du erst allmählich begreifen, was sich soeben zwischen uns abgespielt hat, vergräbst du dein Antlitz in meine Schulter.

Dabei rutschst du mit deinem Körper soweit an mir runter, bis du vor mir kniest, deine Arme um meine Hüfte geschlungen hast und dein Gesicht an meinen Bauch schmiegst.

Ich lächele selig, und wundere mich, wie schnell wir doch die Rollen getauscht haben. Erst war ich unsicher gewesen und du hattest mir das Gefühl gegeben, sehr wohl zu wissen, was du tastest. Doch nun kommst du mir vor wie ein verlorenes Kind.

Sanft fahre ich dir mit einer Hand durch die aschblonden Haare, während ich dir mit der anderen unter deinem Schal, der dank unserer intensiven Knutscherei ein wenig verrutscht ist, fahre und deinen breiten Nacken kraule.

Mein Blick wandert von deiner Gestalt zu der verschneiten Landschaft draußen und weder du noch ich verderben uns diesen Moment, indem wir ein weiteres Wort verlieren.
 

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Ich lebe

Wir sind beide so verschieden und doch könnten wir ohne einander im Moment nicht auskommen. Ich gebe dir das Gegengewicht, welches du suchst. Du gibst mir einen Gegenpol, an dem ich mich orientieren kann. Dabei scheren wir uns wenig um die Konsequenzen, die andern durch welche unser Auseinanderreißen der Welt in zwei Teilen zu spüren bekommen.

Weil du mein Atem bist
 

Bin müde

Du bist meine Sicherheit im Leben, wenigstens in diesen Tagen. Wenn auf der Welt etwas passiert, kann ich mir sicher sein, dass du den gegenübergestellten Platz von mir einnehmen wirst. Es ist beruhigend zu wissen, dass hinter dem Übel, welches man bekämpfen möchte, ein nur allzu bekanntes Gesicht steckt. Du garantierst, dass ich mich nicht umstellen muss und weiterhin an Altbekanntem festhalten kann.

Wenn du das Kissen bist
 

Bin durstig

Ich giere nach Macht, ich gebe es zu. Ebenso wie ich vor dir auf die Knie fallen kann. Dort, wo du versuchst, Fuß zu fassen, kannst du damit rechnen, dass ich dir folgen werde, um dich nur kurze Zeit später zu übertrumpfen. Vielleicht liegt eine unserer Stärken darin, immer zu versuchen, dem anderen eine Nasenlänge voraus zu sein. Aber unter einem anderen Blickwinkel betrachtet, ist dies auch eine unserer größten Schwächen, da wir in diesem Wettkampf uns selbst zerfleischen.

Wenn du mein Wasser bist
 

Du bist für mich mein 2. Ich

Bei dir habe ich immer das Gefühl, dass ich, sollte ich mich in einem Spiegel betrachteten, dich auf der anderen Seite sehen würde. Ebenso wie ich dein Schatten bin, wenn du dich auf dem Parkett der Weltpolitik bewegst. Du bist ich, auf deine Weise, so wie ich du bin auf meine Weise…

Ich lebe
 

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Du warst schon wieder da und bist dann doch in der Dunkelheit der Nacht einfach gegangen.

Ich kann nicht einmal sagen „Abgehauen“.

Du hast dir keine große Mühe gemacht, leise und auf Samtpfoten das Zimmer zu verlassen.

Ich glaube sogar mich erinnern zu können, dass ich aus meinem tiefen Schlaf in einen Dämmerzustand geglitten bin und mit halbdunklem Verstand deinen Aufbruch bemerkt habe. Doch leider kann ich - wie nach einem Traum, aus dem man eben aufwacht ist - am Ende nicht mehr sagen, was genau vorgefallen ist.

Vielleicht habe ich deinen Kuss auf die Stirn nur geträumt, vielleicht aber auch nicht.
 

Ich bin dann lange nach dir aufgestanden, wobei ich nicht verschweigen muss, dass ich bei den ersten Schritten einige Probleme hatte, aufrecht stehen zu bleiben.

Manchmal wünschte ich, du könntest den Hass, der uns beide ebenso verbindet wie die Liebe, außerhalb meines Bettes lassen. Nicht dass es im entsprechenden Moment nicht geil macht, grob unterworfen zu werden, aber das Erwachen danach ist bitter oder besser gesagt:

Äußerst schmerzhaft.
 

Du bist für mich das Gift, welches mich langsam aber sicher als Amerika zerfrisst.

Der Hass und das Misstrauen, das nicht nur unsere diplomatischen Beziehungen zersetzt, sondern wie eine giftige Wolke Stück für Stück auch den restlichen Erdball überzieht, ist es, welches uns unsagbar schadet.

Doch egal wie sehr ich mich auch bemühe, das Gegengift wirkt ebenfalls gegen mich und richtet mich mehr zugrunde als mein Verlangen nach dir es könnte, wenn auch diesmal als Alfred Jones.

Du siehst:

Es ist eine Zwickmühle, aus der ich wenige Chancen sehe zu entkommen.

Ich beneide in diesen Augenblicken die einfachen Leute, welche dann die ganzen Angelegenheiten einfach abschließen können, ohne große Wellen zu schlagen. Ihr Handeln in zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflusst nur ihren kleinen Kosmos, doch das große Ganze, nimmt selten auch nur Notiz davon.
 

Müde und angeschlagen tapse ich in das Vorzimmer, wo noch immer die Leichen der Flaschen herum liegen, die wir einen Abend zuvor gelehrt haben.

Ich muss jedoch darauf bestehen zu erwähnen, dass wir am Ende beide noch Besitzer unseres eigenen Verstandes waren.

Zum einen ist es schwer, dich besoffen zu kriegen, zum anderen hast du schnell rausgefunden, dass mit mir einfach nicht anzufangen ist, wenn ich nur noch im Rausch spreche und handle.

Ganz davon zu schweigen, dass es den Spaß im Bett minimiert.
 

Dabei habe ich zunehmend das Gefühl, dass du das Geld bist, welches mir einfach in die Hand gedrückt wird. Wie einem korrupten Politiker oder Beamten, den man mit schnödem Mammon für eine Weile zufriedenstellen kann. Oder einem Drogensüchtigen, damit er weiterhin durchdem Müll, welches er schnüffelt oder spritzt, die Wirklichkeit vergisst.

Dabei geb ich dich aus, denn ich weiß, dass es sich nicht lohnt, weiter an dir zu hängen.

Es ist ein Risiko, welches nicht wert genug ist riskiert zu werden.
 

Während ich mein Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit unabsichtlich mit dem Fuß umstoße und sich mein Teppich mit der Spirituose vollsaugt, wird mir erst bewusst dass du ebenfalls wie der Rausch bist und ich immer wieder mehr Alkohol will, es regelrecht heraus fordere, verlange…
 

So wie das Geld korrupt macht, verleitet der Rausch zu Abhängigkeit und wieder fühle ich mich wie das kleine Insekt, welches sich im großen Netz der Spinne verfangen hat.

Dabei hat diese Spinne dein Gesicht und die gleiche perverse Freude mit ihrem Opfer zu spielen, bevor es zur Mahlzeit übergeht, um dann die Reste einfach weg zu hauen.
 

Bin ich das, Ivan?

Nicht als Amerika, denn das müsste selbst dir klar sein.

Aber als Alfred Jones?

Nur ein kleines Insekt, das du unter deinen schweren Stiefeln einfach zertreten kannst?

Dessen Herz und dessen Gefühle du einfach in der Kälte stehen lassen kannst, immer in dem Bewusstsein, dass ich dir persönlich schon viel zu sehr verfallen bin, als dass ich mich einfach loslösen könnte?
 

Du bist die Welt, vor der ich mich instinktiv fürchte.

Wo ich genau weiß, dass mir die Spielregeln unbekannt sind.
 

Seltsam, seit Wochen hälst du mich in dieser imaginären Welt gefangen, von der ich genauestens weiß, dass ich in ihr nichts zu suchen habe und die streng genommen der Realität nicht standhalten dürfte. Doch herausgefunden habe ich bisher wenig, da die Schatten das Licht gefangen hallten, um die Wahrheit zu verschleiern.
 

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Das Zwielicht beherrscht noch den Himmel und nur allmählich setzt sich das morgendliche Blau durch.

Ich steh`hier allein, und betrachte rauchend die Landschaft aus dem Fenster im Wohnzimmer.

Der Schnee ist schon einmal geschmolzen, seit dem wir diesen Tanz um das goldene Kalb begonnen haben.

Doch was einst beinahe unschuldig und höchst tapsig begonnen hat, entwickelt sich immer mehr zu einem Spießrutenlauf für meine Seele.

Du schläfst noch immer in meinem Bett, ein Stockwerk über mir.

Abermals blase ich den Rauch aus meinen Lungen und bin mir wohl bewusst, dass ich eben eine meiner strengsten Hausregel auf das Schlimmste verletze.

Aber lieber trete ich mein selbst auferlegtes Rauchverbot innerhalb dieser vier Wände mit Füßen, als dass ich weiterhin meine Nerven so angespannt lasse.
 

In meinen Geist herrscht ein gedankenleerer Horizont, und dennoch werde ich von Bildern und Überlegungen innerlich überflutet, sodass meine Gedanken einfach nicht zu Ruhe kommen wollen.

Es tat einfach weh.

Je öfter ich dir sage, dass ich dich liebe, umso öfter versinkst du in Schweigen oder versuchst, mich durch andere Aufmerksamkeiten, wie einen Kuss oder eine Streicheleinheit davon abzulenken.

Dabei merke ich doch, dass du mich ebenso begehrst wie ich dich und ich spüre deine besitzergreifenden Gesten, wenn du glaubst, ich schlafe tief und fest. In diesen Augenblicken bist du so ehrlich zu mir, wie zu keinem Zeitpunkt, wenn du mich für wach hältst.
 

Du bist verliebt, Ivan!

Wie schön für dich, aber warum sagst du`s nie?

Es gibt auch Zeichen, die einer verbalen Erklärung nicht bedürfen.

Verdammt noch mal! Komm endlich und lebe, weil ich dein Atem bin.

Gib mir nur einmal den Beweis, dass du mich ebenso dringend brauchst wie ich dich und nicht immer ich es bin, der zum Süchtigen verkommen ist.

Sei müde, einmal müde, wenn ich es nicht bin.

Such einmal Trost bei mir, wenn ich dein Kissen bin, auf dem du dich zurückgezogen von der Welt ausruhen kannst.

Sei mal durstig, und verlange nach mir wenn ich dein Wasser bin.
 

Ich bin für dich dein 2. Ich. Wir sind die zwei Seiten der gleichen Münze. Akzeptier es doch endlich.
 

Ich habe es akzeptiert und diese Erkenntnis macht mir Angst.

Mein Körper zittert, ob nun wegen der Kälte, die das Zimmer beherrscht oder wegen der verschiedenen Einsichten, die ich durch meine Grübelei erlangt habe, kann ich nicht genau sagen.

Völlig meinen Gedanken erlegen, merke ich nicht, dass du hinter mich getreten bist und nun die kräftige Arme um meinen schlotternden Leib legst.

Du schweigst und legst deinen breiten Schädel auf meine Schultern, wobei ich aus dem Augenwinkel sehen kann wie du versonnen die weiß-graue Landschaft betrachtest.

Wie kommt es, dass du, als Land aus dem Norden, so warm bist, frage ich mich kraftlos, während deine Hitze Stück für Stück auf mich übergeht und mein Zittern langsam absterben lässt.

„Ist was, Jones?“, flüsterst du mir kaum verständlich zu, da dein verdammter Akzent jedes Wort hinunter in die Tiefe zieht.

Innerlich lache ich auf, doch ich verspüre einfach nicht die Kraft dich mit meinen Gedanken zu konfrontieren und die seltsame Leere, welche sich paradoxerweise nicht ungut anfühlt, zu verscheuchen.
 

Ich lebe, Ivan…“, höre ich mich nuscheln und sehe eben gerade noch, wie du erstaunt deine hellen Augenbrauen hebst. Doch ich lasse keine Antwort oder Frage von deiner Seite zu.

„Dabei bin ich so müde und ich bin durstig…

Durch die steigende Anspannung in deinem Körper, spüre ich, dass dich meine Aussagen verwirren und verunsichern, doch ich achte nicht darauf, sondern geben mich der Illusion der Geborgenheit hin, die dein Griff um mich, verspricht.
 

Du bist für mich mein 2. Ich , doch ich weiß einfach nicht wie lange ich noch die Kraft habe dieses Spiegelbild alleine zu tragen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Betagelesen von cork-tip Komplett anzeigen

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