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Lost Tales

von

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Alexa

Es war eine wunderschöne, sternklare Nacht. Das Mädchen lag auf einer Wiese, auf der die verschiedensten, wohlduftenden Blumen blühten, und starrte in den Himmel. Sie liebte es, einfach nur die Sterne anzustarren und das Mondlicht zu genießen, die angenehme Kühle des Windes, wenn er ihr ums Gesicht wehte. Sie kam sich in solchen Momenten immer winzig klein vor, wenn sie den gewaltigen Himmel und die majestätischen Galaxien betrachtete. Und einsam. Ja, sie war einsam. Zwar zählte sie zu den beliebtesten Angestellten des Schlosses und hatte fast immer Gesellschaft, doch es war noch nie jemandem gelungen, in ihr Inneres vorzudringen, ihr die Einsamkeit zu nehmen. Sie war völlig in ihrer Einsamkeit und ihrem Schmerz versunken, als eine Sternschnuppe über ihr am Himmel entlangzog. Es war nicht die Erste, die sie sah, doch sie wünschte sich das gleiche wie jedes Mal: einen Menschen, der sie verstehen würde, bei dem sie sich geborgen fühlen könnte. Einen Menschen, der ihr die Einsamkeit nehmen konnte. Sie schloss die Augen. Eine Träne lief ihr über die Wange. So lag sie noch einige Zeit, bis schließlich eine vertraute Stimme an ihr Ohr drang. "Alexa! Alexa, komm schon! Du musst wieder zurückkommen!" Sie öffnete die Augen und stützte sich auf die Ellbogen. "Was? Schon? Ach Shannon, noch ein paar Minuten!" Shannon baute sich drohend vor ihr auf. Und das war eins der Dinge, die das rothaarige Mädchen am besten konnte. Ihre großen, braunen Augen funkelten Alexa wütend an, ihre widerspenstigen Haare standen in alle Richtungen ab und fielen ihr ins Gesicht, was ihre Wut noch stärker wirken ließ. Ihre stämmiger, kräftiger Körper ließ erkennen, dass in ihr eine große Kraft verborgen war, die sie auch einsetzte, wenn es nötig war. Alexa seufzte und stand auf. Ihr langes, blondes Haar hing jetzt voller Gras und Blüten, wie jedesmal, wenn sie auf der Wiese hinter dem Schloss gelegen war. Shannon verdrehte die Augen und fing dann wortlos an, die Halme aus ihrem Haar zu lösen. "Mann, Alexa, du hast so schöne Haare und vernachlässigst sie so..." Alexa winkte ab. "Ach, das ist schon in Ordnung... ich bin doch eh nur Dienstmädchen, da brauch ich keine Haare wie eine Königin..." Shannon wand sich ab und machte sich auf den Rückweg zum Schloss. "Deine Haare sind sowieso schöner als die der Königin!" Alexa rannte an ihr vorbei, rief ihr noch zu "Ach, erzähl keinen Mist!", und verschwand dann aus ihrem Blickfeld. Sie seufzte, schüttelte den Kopf und rannte dann auch los. Dieses Mädchen konnte man wirklich keine Sekunde aus den Augen lassen!
 

"ALEXA!!!" Die Stimme des Chefkochs Pierre riss Alexa aus einem tiefen, traumlosen Schlaf. Als sie die Augen öffnete, blickte sie in das runde Gesicht des Kochs mit dem Vollbart. Er hatte sich genauso vor ihr aufgebaut wie Shannon am Abend zuvor, Pierre war jedoch um einiges breiter als Shannon, etwas größer und beleibter, um nicht zu sagen runder. Dennoch war die Ähnlichkeit der beiden nicht zu verkennen und jeder hätte sicher sofort bemerkt, dass Pierre Shannons Vater war. Sie sprang auf, verhedderte sich dabei in der Bettdecke und fiel dem Koch direkt vor die Füße. Er seufzte. "Du ungeschicktes Ding! Pass doch besser auf! Und geh in Zukunft früher ins Bett, damit du morgens rauskommst!" Sie rappelte sich auf, rieb sich verschlafen die Augen und gähnte herzhaft. "Ich bin wach, ich bin wach...", murmelte sie schlaftrunken und schob Pierre nach draußen, damit sie sich anziehen konnte.

Einige Minuten später kam das Mädchen putzmunter in die Küche getrabt, wo sie auch sofort einen Berg von Aufgaben erteilt bekam. "Also, pass auf, Kleine:", begann Irdina, Alexas direkte Vorgesetzte, "Zuerst bringst du den Soldaten ihren Kaffee, dann fütterst du das Federvieh, spülst zusammen mit Shannon Geschirr, hilfst Pierre bei seiner Suppe und danach ziehst du dich um und begibst dich zu Prinzessin Chiara!" Als sie ihre letzte Aufgabe hörte, wurden ihre blauen Augen größer. "Zu Prinzessin Chiara?" Irdina nickte. "Die Prinzessin plant eine Reise und hat mich gebeten, ihr einige Mägde zu schicken, damit sie sich ihre Begleitung aussuchen kann." Alexa war völlig baff. Sie nickte nur noch einmal kurz und stürmte dann los, um ihr Tagwerk zu beginnen. Sie rannte in die Küche, schnappte das riesige Tablett mit dem Kaffee für die Soldaten, die das Gefängnis bewachen mussten, und machte sich auf den Weg quer über den Schlosshof zum Gefängnis.

Hätte sie gewusst, wer zu dieser Zeit Wache hatte, wäre sie sicher nicht mit solchem Elan in die Wachstube gestürmt. Gero von Weihenfels war ein hochnäsiger Schnösel, dessen Vater zufällig der Weinlieferant des Königs war. Daher durfte sein Sohn als Ritter am Hof dienen. Er hielt sich für unglaublich gutaussehend und schlechthin unwiderstehlich und hatte mehr als ein Auge auf Alexa geworfen. Er sah gut aus, das musste sie schon zugeben, aber mit seiner hochnäsigen Art konnte er ihr Herz niemals gewinnen. Dies wurde dem Mädchen wieder einmal bestätigt, als sie die Wachstube betrat. Sofort wurde sie überschwenglich und in selbstverliebten Ton begrüßt: "Alexa, o Schönste der Schönen, Holdeste der Holden, was führt dich zu solch unwürdigen Wesen wie uns Soldaten?" Sie stellte das Tablett ab und erwiderte knapp: "Kaffee." Gero fiel augenblicklich vor ihr auf die Knie, um ihr die Hand zu küssen. Alexa jedoch zog die Hand weg und fauchte: "Lasst das, Sir!" Er blickte zu ihr auf. "Wieso so schüchtern? Tief in deinem Innern begehrst du mich doch, das weiß ich!" Sie trat einen Schritt von ihm weg. "Sehr seltsam, Sir... ihr wisst Dinge über mich, die selbst meinem tiefsten Inneren verschlossen geblieben sind!" Er stand auf und ging auf sie zu. "Ich kann dir gerne zeigen, wie sehr du mich begehrst... du musst dich nur hingeben..." Er nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und wollte gerade versuchen, sie zu küssen, als plötzlich eine Stimme durch den Raum donnerte, die weder Alexa noch Gero kannten. "Finger weg von dem Mädchen!" Die Stimme war kräftig, majestätisch und Ehrfurcht einflößend und Gero hatte kein besonderes Interesse, mit der Person, die solch eine Stimme hatte, aneinander zu geraten. Also ließ er Alexa los und trat mehrere Meter von ihr zurück. Der Mann, zu dem die Stimme gehörte, trat jetzt in die Stube ein. Er war sogar einen Kopf größer als Gero und maß damit an die zwei Meter, hatte langes, goldblondes Haar, wunderschöne goldene Augen und sah übermenschlich gut aus, dennoch wirkte er fremdartig. Bekleidet war er mit einem edlen, silbernen Kettenhemd, einer Hose aus einem Material, dass weder Gero noch Alexa kannten, denn es sah aus wie Leder, war jedoch silbrig weiß, schweren Stiefeln aus dem selben Material und einem Waffenrock in edlem Azurblau. Der flatternde Mantel hatte die selbe Farbe. An seiner Seite hing eine wunderschön verzierte Schneide mit einem Langschwert, das offenbar von Elfen gefertigt war, auf seinem Rücken ein edler Langbogen. Auf dem Kettenhemd prangte ein Wappen, dass Alexa und Gero nur aus Erzählungen und Legenden kannten: Zwei eindrucksvolle Drachen, die gemeinsam die Erde in ihren Klauen hielten und ihre Hälse und Schwänze umeinander schlangen. Es war das Wappen der legendären Drachengarde, einer Elitetruppe, von der niemand wusste, wo sich ihr Hauptquartier befand, wie die Gardisten ausgewählt wurden, wie sie von ihrer Berufung erfuhren oder wie ihre Ausbildung verlief. Es war nur bekannt, dass die Drachengardisten die stärksten Krieger der bekannten Welt waren und es leicht mit einem starken Dämon aufnehmen konnten. Ihre wahre Kampfstärke war nicht zu ermessen, doch man wusste, dass sie in Nah- und Fernwaffen- sowie waffenlosem Kampf geschult waren, psionische Kräfte besaßen, schwarze und weiße Magie beherrschten und sogar mit einem Escudon, der wohl am schwersten zu führenden bekannten Waffe, leicht umgehen konnten. Dieses Escudon war mit einem Kampfstab zu vergleichen, an dessen Enden jedoch jeweils 2 versetze Klingen angebracht waren. Außerdem war es mit vielen kleineren Klingen besetzt, sodass man die Waffe nur an einigen, kleinen Stellen festhalten konnte, es war gut 2,50 Meter lang und wog enorm viel, mehr als 12 Pfund, was die Handhabung nochmals erschwerte. Für die Handhabung des Escudons benötigte es eine spezielle Ausbildung, die sich über mehrere Jahre erstreckte, und selbst Krieger, die diese Waffe seit 7 Jahren führten, beherrschten den Umgang mit ihr noch lange nicht perfekt. Er ging auf Alexa zu und blickte ihr für einen kurzen Moment direkt in die Augen. Dieser Augenblick kam ihr endlos lang vor und sie musste sich einen tiefen Seufzer verkneifen. Dann senkte er den Blick, ging auf die Knie und berührte mit seiner Stirn ihre Hand, was eine noch höhere Ehrerbietung darstellte als der Handkuss, der für Königinnen üblich war. "Mylady, ich bin höchst erleichtert, dass ich eintraf, bevor dieser Unwürdige Hand an Euch legte. HandDoch sagt... kam ich doch zu spät? Legte er schon Hand an Euch und beschmutzte Eure Reinheit und Unschuld?" Alexa schüttelte völlig verwirrt den Kopf. "Nein, die war das erste Mal, dass er etwas Derartiges versuchte... ihr habt es jedoch verhindert Sir... oh, verratet ihr mir Euren Namen?" Er stand wieder auf. "Meinen Namen wollt Ihr wissen? Vergebt, Mylady, doch diesen kann ich euch nicht nennen, denn ich bin nur ein unwürdiger Krieger. Doch seid versichert, wenn irgendwer oder irgend etwas danach trachtet, Euch zu bedrohen oder gar zu schaden, werde ich zur Stelle sein und Euch als Euer treu ergebener Diener davor bewahren!" Dann wand er sich Gero zu. "Aber ich hoffe, dass Ihr, Ritter Gero, mir dazu keinen Anlass mehr geben werdet, denn sollte sich ein solcher Vorfall nochmals ereignen, fürchte ich, dass eine Warnung nicht mehr genügen wird, um Euch in Eure Schranken zu verweisen!" Dann wand er sich wieder Alexa zu, verbeugte sich vor ihr und verschwand wieder. Die Beiden standen noch einige Zeit völlig baff und schweigend da, bis Gero das Schweigen brach: "Hey, ich wusste ja gar nicht, was für einen Beschützer du hast, Alexa... sei versichert, ich werde nie wieder Hand an dich legen... zumindest nicht gegen deinen Willen... solltest du es jedoch wollen, wäre das etwas anderes!" Alexa lächelte ihn triumphierend an, nahm dann ihr Tablett und verschwand wieder. War das eben wirklich passiert? Sie wusste nicht, ob sie sich königlich oder albern vorkommen sollte. Ein so mächtiger Krieger erwies ihr die größte Ehre, die, die selbst eine Königin nur selten erwiesen bekam. Diese Art der Ehrerbietung war für Hohepriesterinnen der höchsten Götter angebracht, aber nicht für ein einfaches Dienstmädchen! Mit diesen Gedanken machte sie sich auf den Weg zum Stall, um das Federvieh zu füttern, wie Irdina es ihr befohlen hatte.
 

"Irre... das ist irre... und du bist sicher, dass du dir das nicht eingebildet hast?" Alexa nickte heftig. "Ja, todsicher... ich hab mir das nicht eingebildet... kannst ja Gero fragen!" Shannon winkte ab. "Lieber nicht!" Dann spülte sie weiter Geschirr. Nachdem die beiden Mädchen einige Zeit geschwiegen hatten, blies Shannon Alexa etwas vom Spülschaum ins Gesicht. "Sag was, du Trantüte!" Alexa schaute sie verwirrt an. Sie war gerade völlig in Gedanken versunken gewesen. "Häh?" "Oder trockne wenigstens weiter ab!" Shannon deutete mit dem Kopf auf den Teller, den Alexa schon seit drei Minuten in der Hand hielt, ohne ihn zu bewegen. "Ups... 'tschuldige!" Shannon schüttelte den Kopf. "Du Träumerin... dich kann man echt nicht unbeaufsichtigt lassen..." Alexa legte den Teller beiseite. "Ach Shannon... wenn dir sowas passiert wäre, könntest du bestimmt auch nicht klar denken, oder? Du würdest dir bestimmt auch Gedanken darüber machen!" Shannon schnappte sich jetzt ebenfalls ein Handtuch und begann, beim Teller trocknen zu helfen, denn sie war mit dem Spülen fertig. "Ja, aber ich könnte trotzdem noch meine Aufgaben machen! Ich bin nämlich in der Lage, gleichzeitig Teller abzutrocknen und zu denken!" Da bemerkte Alexa erst, dass sie aufgehört hatte, abzutrocknen. "Mensch... ich bin so dämlich..." "Nein, so langsam!", erwiderte ihre Freundin, "Du solltest dich etwas sputen, sonst dreht dir Pierre den Hals um!" Das Mädchen realisierte erst, was die Andere meinte, als sie aus dem Fenster blickte und sah, dass es schon Mittag war. "Ach du meine Güte... der bringt mich um..." Sofort erhöhte sie ihr Tempo und trocknete schneller ab als je zuvor. Shannon pfiff leise zwischen den Zähnen durch. "Wow, du kannst ja richtig schnell sein... hätte ich nicht erwartet, Kleines..." Doch auch sie erhöhte ihr Tempo, sodass es nicht mehr lange dauerte, bis die Beiden ihre Abwascharbeit erledigt hatten und sich ihren weiteren Pflichten widmen konnten. Alexa hatte es unglaublich eilig, zu Pierre zu kommen und rief Shannon nur noch über die Schulter zu: "Wir sehen uns dann später beim Umziehen!" Sie hatte zwar nicht danach gefragt, aber trotzdem wusste sie, dass auch ihre Freundin zu den Mägden gehörte, die Irdina zu Prinzessin Chiara geschickt hatte. Sie arbeitete schon lange genug im Schloss, um zu wissen, dass Irdina sie und Shannon immer gemeinsam zu solchen Gelegenheiten schickte. Schnell lief sie durch mehrere Vorratskammern, um eine Ecke, hechtete drei Stufen hinauf und betrat die Küche, wo Pierre bereits begonnen hatte, seine Suppe allein zu kochen.

"Alexa, wieso kannst du nicht einmal im Leben pünktlich sein!?!", fauchte er. "Tut mir leid, Pierre, aber mir ist da was recht Ungewöhnliches passiert, das hat mich aufgehalten!" Sie stürmte zu ihrem Platz am Schneidebrett und machte sich daran, die Zutaten für Pierres ausgezeichnete Gemüsesuppe zu zerkleinern. Sie schnitt nacheinander Karotten, Sellerie, Kartoffeln, Zwiebeln, Schnittlauch und Petersilie in einer Geschwindigkeit, in der es nur wenige Mägde konnten. Nebenbei erzählte sie Pierre von ihrer Begegnung mit dem Drachengardisten. "Hm... jetzt verstehe ich, was du mit Ungewöhnlich gemeint hast... aber dieses 'recht' erscheint mir untertrieben..." Pierre sprach, ohne seinen Blick von dem Topf vor sich abzuwenden oder aufzuhören, den Kochlöffel gleichmäßig in der kochenden Flüssigkeit kreisen zu lassen. Der Koch war unablässig dabei, seine Suppe nach zu würzen, während Alexa die einzelnen Zutaten, die sie klein geschnitten hatte, hineingab. Sie sprachen wenig, da beide zu sehr in Gedanken versunken waren. Alexa dachte die ganze Zeit über den mysteriösen Gardisten nach, Pierre jedoch machte sich Sorgen um 'seine' Alexa. Denn auch, wenn er es nicht zugab, so war sie doch wie eine Tochter für ihn und er hatte sich geschworen, immer auf sie aufzupassen, seit er sie das erste Mal vor 14 Jahren gesehen hatte. Alexa war von einem Händler aufgegabelt worden, der sie weinend vor einem restlos niedergebrannten Haus gefunden und sich ihrer angenommen hatte. Dieser Händler war ein guter Freund von Pierre gewesen und hatte diesen gebeten, das Mädchen bei sich aufzunehmen, da er sich als Reisender unmöglich um ein Kind kümmern konnte. Pierre war sofort Feuer und Flamme gewesen, hatte die damals vierjährige Alexa bei sich aufgenommen und sie wie seine eigene Tochter Shannon, die 1 ½ Jahre älter war, aufgezogen. Es kam für ihn gar nicht in Frage, dass seine Kleine in irgendwelche zwielichtigen Angelegenheiten verwickelt oder möglicherweise sogar von einem hübschen Fremden verführt und schwanger würde! Pierre hatte bei solchen Dingen eine unglaubliche Fantasie, was teilweise auch verständlich war, wenn man so viel von der Welt wusste wie er.

Alexa seufzte. Es war kurz nach Mittag und an diesem Tag war schon soviel passiert, wie es normale Mädchen in einer Woche nicht erlebten... es war sehr ungewöhnlich. Zuerst dieser seltsame Krieger und dann sollte sie auch noch zu Prinzessin Chiara! Doch sie musste diese Sache einfach so hinnehmen, wie sie war. Der nächste Tag würde bestimmt wieder ganz normal werden. Es sei denn, Chiara würde Alexa in ihr Gefolge für die Reise aufnehmen, was in den Augen der Magd jedoch höchst unwahrscheinlich war.
 

Ungefähr eine Stunde später traf Alexa wieder auf Shannon, diesmal jedoch nicht in alten, lumpigen Kleidern mit zerzausten Haaren, sondern in den schönen, schwarzen Kleidern, die die Mädchen trugen, die direkt der Königsfamilie dienten. Die Haare hatten beide Mädchen sorgfältig gekämmt und hochgesteckt, um möglichst hübsch zu sein, wenn sie Chiara gegenüberstanden. Aufgeregt machten sie sich auf den Weg zu den Gemächern der Prinzessin, die beide das erste Mal sehen würden. "Mann, ich bin soooooo aufgeregt!" rief Alexa und trat von einem Bein aufs andere, während sie darauf wartete, zur Prinzessin gerufen zu werden. Shannon kicherte. "Jetzt sei doch nicht so nervös, Kleines! Was soll denn schon großartig passieren?" Alexa fuchtelte jetzt wild mit den Armen herum. "Was ist, wenn ich mich total blöd benehme und Chiara verärgere? Dann kann ich mich ja nie wieder irgendwo blicken lassen!" Shannon stöhnte auf. "Mann, beruhig dich wieder! Du wirst alles richtig machen, das versprech ich dir! Sei einfach so wie immer, dann wird dich Chiara mögen!" Alexa öffnete gerade den Mund für irgendwelche Widerworte, als die Tür zum Audienzzimmer der Prinzessin geöffnet wurde. "Ist hier eine Alexa anwesend?" Alexa hob unsicher die Hand. "Ja, das bin ich!" Der Soldat, der die Frage gestellt hatte, deutete mit der einen Hand auf die geöffnete Tür. "Bitte tritt ein, Ihre königliche Hoheit erwartet dich bereits!" Mit einem ziemlichen Kloß im Hals betrat Alexa den Raum. Chiara saß auf einem kleinen Thron auf einer kleinen Erhöhung am hinteren Ende des Raumes, zu der drei Stufen hinauf führten. Sie trug ein langes, weißes Kleid mit tiefem Ausschnitt, eine Halskette mit einem goldenen Stern als Anhänger und die für Prinzessinnen übliche Tiara der Sterne, ein Stirnreif, der mit sieben Sternen geschmückt war, die allesamt aus Diamant geschliffen waren. Ihre langen, dunklen Haare waren jedoch recht unglücklich, wenn auch wunderschön frisiert, denn sie brachten ihr rundes Gesicht nur noch mehr zur Geltung, ebenso wie das Kleid ihre untersetzte, rundliche Figur betonte. Im Gegensatz zu Shannon, die einfach nur einen kräftigen Körperbau hatte, war Chiara regelrecht fett, was bei den Verhältnissen am Hof auch kein Wunder war. Hervorragendes, kalorienreiches Essen und keine Betätigung an der frischen Luft, da nahm man leicht zu. "Lady Alexa, nehme ich an?", begann die Prinzessin. Alexa führte einen formschönen Knicks aus und erwiderte: "Bitte nennt mich nicht Lady, Majestät, ich bin nur ein einfaches Dienstmädchen!" Chiara lächelte. "Nun gut, Alexa... Irdina hat dir sicher schon mitgeteilt, weshalb du hier bist, oder?" Alexa erwiderte, ohne ihre Gegenüber dabei anzusehen: "Ja, das hat sie. Ihr plant eine Reise und batet sie, euch einige Mägde zu schicken, die Ihr in eure Gefolgschaft aufnehmen könntet." "Das ist richtig. Und gerade dich und deine Freundin Shannon hat sie mir wärmstens empfohlen, da ihr eure Aufgaben gewissenhaft verrichtet und es bestens versteht, für gute Laune in eurer Umgebung zu sorgen. Was meinst du, Alexa, entspricht das den Tatsachen?" Die Gefragte antwortete: "Nun, Majestät, wir versuchen stets, unsere Aufgaben so gut wie möglich zu verrichten, doch manchmal, das muss ich gestehen, ist es uns nicht möglich. Doch wenn wir beide irgend etwas gemeinsam tun dürfen, ist unsere Laune generell außergewöhnlich gut und es wird viel herumgealbert." Die Prinzessin nickte. "Das klingt plausibel." Sie verschwieg Alexa jedoch, dass sie die Erste war, die eingestanden hatte, dass sie ihre Aufgaben manchmal nicht so verrichtete, wie man es ihr befohlen hatte. Alle anderen Mädchen hatten darauf beharrt, immer alles so zu machen, wie es verlangt wurde, was natürlich nicht so war, wie Chiara wusste. Der Königstochter war sowieso klar gewesen, dass Alexa und Shannon in ihrem Gefolge sein würden, bevor sie die beiden gesehen hatte. Irdina hatte ihr gesagt, dass diese beiden Mädchen die einzigen wirklich verlässlichen wären.

Nach ungefähr 10 Minuten wurde Alexa schließlich von Chiara entlassen. Die Prinzessin wies sie an, in den Vorraum zurückzukehren und auf die Verlesung der Wahl der Prinzessin zu warten. Direkt nach ihr wurde auch Shannon zu Chiara gerufen. Alexa saß in dieser Zeit nervös an einem Tisch in der Mitte des Raumes und starrte auf ihre gefalteten Hände, die vor ihr auf der Tischplatte lagen. Sie kam sich furchtbar vor! Das Gefühl, dass sie sich furchtbar benommen hatte, ließ sie nicht los, auch wenn sie sich immer wieder Shannons Worte ins Gedächtnis rief: 'Du wirst alles richtig machen, das versprech ich dir! Sei einfach so wie immer, dann wird dich Chiara mögen!' Es war aussichtslos, sie war eine komplette Idiotin! Mit diesen Gedanken verschränkte sie die Arme auf der Tischplatte und ließ ihren Kopf darauf sinken.

Einige Zeit später kam Shannon in den Raum zurück. "Alexa?" Sie stand nun direkt neben dem Tisch. Alexa blieb einfach so sitzen, wie sie war. "Hm?" "Bereite dich schon mal darauf vor, eine verdammt lange Reise zu machen, ja?" Alexa hob nun langsam und träge den Kopf. "Was?" Shannon lächelte sie an. "Wir sind ausgewählt! Wir reisen mit Chiara!" Urplötzlich war das Mädchen wieder munter. Sie sprang auf und fiel Shannon um den Hals. "Wahnsinn! Ist das auch wahr?!?" Shannon nickte. "Ja, das ist es ganz bestimmt!" Alexa war außer sich vor Freude. Sie hüpfte und tanzte durch den ganzen Raum- und wusste nicht mal warum sie das tat. Ruckartig hielt sie an. "Shannon? Warum...warum freue ich mich eigentlich so?" Sie schaute zu ihrer Freundin und sah auf einmal unendlich traurig und gequält aus. "Was?" "Ich möchte wissen, warum ich mich so freue! Bisher hab ich mir doch nie gewünscht, das Schloss zu verlassen, eher im Gegenteil, oder?" Shannon zuckte mit den Schultern. "Is doch auch egal! Auf jeden Fall machen wir eine wunderschöne Reise! Ir reisen nämlich nach Orkania!" Alexas Augen weiteten sich. "Orkania? Die Heimat des legendären Winddrachen Typhoon?" Shannon nickte. "Dann können wir auch..." "...den Tempel Typhoons besuchen, den du schon so lange sehen wolltest!", beendete Shannon den Satz. Alexa war seit frühester Kindheit immer völlig fixiert auf Drachen gewesen. Sie hatte die Drachen nie gefürchtet, egal, was für Dinge man ihr erzählt hatte. Besonders die vier Elementardrachen Ifrit, Shiva, Typhoon und Fenrir hatte sie immer sehen wollen. Dies waren einige der mächtigsten Drachen auf der Welt, die die jeweiligen Drachen repräsentierten: der Feuerdrache Ifrit, der Wasserdrache Shiva, der Winddrache Typhoon und der Erddrache Fenrir. Weit über ihnen jedoch standen die legendären Kristalldrachen, von denen aber niemand offen sprach, denn sie waren ein Mysterium, für dessen Existenz es nicht mal Ansätze von Beweisen gab. Es hieß, das Typhoon einer der sanfteren und der zierlichste der Elementardrachen war. Der sanfteste und schönste war Shiva, der aufbrausendste und eindrucksvollste Ifrit und der ausgeglichenste und größte Fenrir. Die Elementardrachen hatten sich in den vier Himmelsrichtungen niedergelassen und Städte gegründet, in denen sie nun schliefen. Typhoos Stadt war Orkania, Shivas Atlantica, Ifrits Flammia und Fenrirs Finia. Und es waren gewaltige, schimmernde Städte, ganz im Zeichen des jeweiligen Drachen. In eine dieser Städte reisen zu können war wie ein Traum für die beiden Mädchen, besonders für Alexa. Sie war auf einmal voller Tatendrang und wäre am liebsten sofort losgestürzt.

Der Beginn einer Reise

Ungefähr eine Woche später waren sämtliche Vorbereitungen für die bevorstehende Reise getroffen: Es waren ausreichend Pferde beschafft, genügend Vorräte besorgt, alle Krieger und Mägde und alle anderen Mitreisenden waren bereit, das Wetter war angenehm und schien auch so zu bleiben und es gab auf dem gesamten Weg keine feindlichen Aktivitäten, obwohl solche auf einer solchen Strecke sonst immer vorkamen. Also trat die Gruppe ihre Reise an. Alexas Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie -zum ersten Mal auf einem solch königlichen Ross reitend- inmitten der Gruppe und direkt neben Shannon durch das große Burgtor ritt. Schon unzählige Male war sie diesen Weg gegangen, doch diesmal schien es etwas besonderes zu sein. Sie wusste, dass sie ziemlich lange nicht mehr nach Hause zurückkehren würde. Ihre eine Hälfte frohlockte darüber, endlich die Welt zu sehen, die andere Hälfte hatte jetzt schon Heimweh und vermisste Pierre, obwohl sie ihn vor fünf Minuten verabschiedet hatte. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr. Es war seltsam...diese Stimmungsschwankungen waren nicht normal bei Alexa, vor allem nicht in diesem Maße. Das bereitete auch Shannon Sorgen. Alexa war für sie immer eine Art kleine Schwester gewesen. Sie hatte sie immer beschützt und wollte dies natürlich auch weiterhin tun. Deshalb bereitete ihr die Geschichte mit diesem fremden Krieger auch solches Kopfzerbrechen. Was wäre, wenn der Kerl Alexa etwas Böses antun wollte? Sie würde ihr bestimmt nicht helfen können. Und wenn er Alexa wirklich nur beschützen wollte? Dann wäre sie überflüssig und würde ihre Kleine nicht mehr beschützen können. Diese beiden Dinge waren die schlimmsten, die Shannon sich vorstellen konnte. Sie schüttelte schnell den Kopf und verwarf diese Gedanken wieder. Alexa würde immer ihre Kleine bleiben, was auch passieren würde!

Die Reisegruppe ritt die breite Straße vom Schloss hinunter zur Ost-West-Straße, die Finia im Westen und Orkania im Osten miteinander verband. Dort wandten sie sich nach Osten und machten sich auf die lange Reise. Es würde bestimmt 2 Wochen dauern, zu Pferd nach Orkania zu gelangen. Alexa fragte sich, warum Chiara eigentlich nach Orkania zog. Sie wusste nicht viel über diese Stadt, außer, dass Typhoon dort ruhte. Sie wandte sich an Shannon und fragte: "Du, Shannon, warum reisen wir eigentlich nach Orkania?" Shannon schaute sie erstaunt an. "Wie, das weißt du nicht? Ich dachte, du hast dich oft mit Orkania beschäftigt?" Alexa schüttelte den Kopf. "Ich habe mich mit Typhoon beschäftigt, aber nicht mit Orkania... du weißt, was los ist, oder?" Shannon erwiderte: "Alexa, du weißt doch, das Typhoon über die Götter der Liebe gebietet, oder?" Alexa nickte. "Und jede Frau, die Typhoons Segen für ihre Hochzeit will, muss ein Ritual im heiligen Tempel des Windes vollziehen! Und da Chiara und ihr Verlobter bald heiraten wollen, muss sie dieses Ritual vollziehen, ansonsten würde unser Königreich untergehen." Alexa blickte zu Boden. "Ach so..." Der Gedanke daran, dass Chiara heiratete, schnürte ihr die Kehle zusammen. Wie gerne hätte sie jemanden gehabt, der sie so sehr liebt, dass er sie heiraten wollte! Wie sehr wünschte sie sich jemanden, der ihre Einsamkeit versteht und in ihre Seele blicken konnte!
 

Gegen Abend änderte sich die Landschaft, durch die die Gruppe ritt. Das hügelige Grasland, das rund um das Schloss lag, wurde immer dichter bewachsen und sie ritten schließlich in einen dichten, düsteren Wald hinein. Der perfekte Ort für einen Hinterhalt, dachte Alexa unruhig. Und jetzt ging auch noch die Sonne unter! Nachts wollte sie sicher nicht in diesem Wald bleiben. Sie fürchtete sich. Wälder hatte sie noch nie sonderlich gemocht, sie fühlte sich dort einfach unwohl, obwohl sie nicht wusste, wieso. Sie hoffte nur, dass sich der Wald schnell wieder lichten würde. Unruhig ritt sie ein Stückchen nach vorne, zu Gero, der ebenfalls zur Begleitung der Prinzessin gehörte. "Gero?" Er drehte sich zu ihr um. "Ja?" "Sag mal...weißt du, wie lange wir noch in diesem Wald bleiben müssen?" Gero überlegte kurz. "Das ist ein verdammt großer Wald...ich denke, dass es noch so zwei, drei Tagesreisen sind! Wieso?" Er war wie ausgewechselt. Scheinbar hatte ihm die Begegnung mit dem Drachengardisten ziemlich zu denken gegeben. Alexa hatte in diesem Moment das Gefühl, dass sie Gero alles erzählen konnte. Vielleicht war es auch nur Einbildung, weil sie einfach mit jemandem reden wollte, aber das war ihr auch egal. Sie erwiderte: "Ach, weißt du, ich mag Wälder nicht besonders... ich fühle mich unwohl hier!" Gero nickte. "Weißt du denn auch, warum?" Sie schüttelte den Kopf. "Das ist es ja gerade... ich habe absolut keine Ahnung! Ich war noch nie in einem Wald, so lange ich denken kann...ich hatte immer Angst vor Wäldern..." Gero erwiderte: "Hey, du brauchst doch keine Angst zu haben! Schau doch mal, wie viele Ritter und Krieger hier sind! Und die werden dich alle beschützen, wenn irgendwas passiert! Außerdem, denk doch dran, was dir dieser Gardist gesagt hat: 'Doch seid versichert, wenn irgendwer oder irgend etwas danach trachtet, Euch zu bedrohen oder gar zu schaden, werde ich zur Stelle sein und Euch als Euer treu ergebener Diener davor bewahren!' Und ich bezweifle beim besten Willen nicht, dass er das wahr macht!" Alexa lächelte kurz, ihre Miene verfinsterte sich jedoch kurz darauf wieder. "Aber woher will er wissen, dass ich in Gefahr bin? Und vor allem, wie soll er schnell genug da sein?" Gero erwiderte: "Na hör mal, denkst du etwa, der Kerl ist das letzte Mal zufällig durchs Schlosstor gekommen? Und dann auch noch unbemerkt? Ich weiß nicht, wo er herkam, auf jeden Fall ist er wie aus dem Nichts aufgetaucht und dahin auch wieder verschwunden... also kann er das bestimmt wiederholen!" Sie hob den Kopf. "Stimmt... ich brauch also keine Angst zu haben, oder?" Gero lachte kurz auf. "Der Kerl würde allein alle Krieger des Schlosses niedermachen, wenn sie ihn gleichzeitig angreifen! Und wenn er noch zwei seiner Kameraden mitbringt, sind die drei so gut wie eine ganze Armee!" Alexa lächelte Gero an, bedankte sich bei ihm und ritt wieder zu Shannon zurück. Diese schaute sie verständnislos an. "Was war denn das eben? Du hast mit Gero geredet?" Alexa nickte. "Wenn er einem nicht nachstellt, ist er eigentlich ganz okay!" Shannon schüttelte den Kopf. "Ich glaub, jetzt drehst du völlig durch!" Alexa kicherte.
 

Es war schon spät am Abend, als die Vorhut des Trosses vorschlug, zu rasten. Sie hatten eine Lichtung etwas abseits der Straße entdeckt, die groß genug für die Gesellschaft wäre und die man von der Straße aus nur schlecht sehen konnte. Alexa mochte den Gedanken, die Straße zu verlassen und in den Wald zu reiten, überhaupt nicht, aber noch weniger mochte sie es, allein auf der Straße zu bleiben, im Dunkeln und auf dem Präsentierteller. Also folgte sie den anderen auf die Lichtung.

Es war wirklich der perfekte Ort für eine Rast hier. Scheinbar hatten hier vor ihnen schon des Öfteren Reisende übernachtet. Mehrere Bäume waren gefällt worden und zu langen Tischen und Bänken gemacht worden, die Baumstümpfe dienten dazu, diverse Dinge abzustellen, in der Mitte der Lichtung war ein Kreis aus Steinen gelegt worden, in dem man ein großes Lagerfeuer entzünden konnte. Im Mondlicht jedoch sah die Lichtung gespenstisch aus und Alexa lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Sie musste unbedingt ihre Angst vor Wäldern besiegen, beschloss sie. Sobald jedoch Feuer gemacht wurde, war es heimelig hier. Einige der Reisenden saßen auf den Bänken und aßen, andere wärmten sich am Feuer, wieder andere hatten sich etwas abseits zum Schlafen hingelegt. Alexa gehörte zu denjenigen, die am Feuer saßen. Sie starrte in die züngelnden Flammen und musste an Drachenfeuer denken. Ihre Gedanken schweiften ab und auf einmal sah sie etwas in den Flammen: ein Haus, das lichterloh brannte. Vor dem Haus stand ein kleines Mädchen und weinte bitterlich. 'Mama! Papa! Kommt da raus!', schrie sie immer wieder zwischen Schluchzern. Dann schweifte ihr Blick scheinbar von dem Haus ab und sie sah, dass überall um das Haus herum ein dichter, düsterer Wald war. Das Licht der Flammen warf gespenstische Schatten und malte schaurige Gesichter auf die Stämme der riesigen Bäume. Der Wind pfiff durch die Astlöcher und bewegte die Zweige so, dass sie aussahen, als ob es furchtbare Klauen wären, die nach der Kleinen greifen wollten. Sie stand auf der Straße direkt vor dem Haus, immer noch schluchzend und schreiend. Als Alexas Blick wieder auf sie fiel, sackte sie grade auf die Knie, den Kopf zwischen den Armen vergraben. Sie zitterte furchtbar und schrie immer wieder nach ihren Eltern. Alexa rannen einige Tränen die Wangen hinunter. Da spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter und wurde ruckartig aus ihrer Vision gerissen. Sie fuhr herum und blickte in Shannons Gesicht, auf dem das Licht der Flammen tanzte. "Alexa, alles okay?" Alexa nickte noch völlig abwesend, dann realisierte sie endlich, was sie da eben gesehen hatte: "Das...das war ich! Ich bin das kleine Mädchen gewesen!" Shannon legte den Kopf schief. "Was?" Alexa begann auf einmal zu zittern. "Meine...Eltern..." Jetzt begann sie zu schluchzen. Sie kauerte sich so eng es ihr möglich war zusammen. "Mein... Haus... überall Flammen... ein Wald..." Shannon legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter, doch da sprang sie auf. "Es muss hier irgendwo gewesen sein... es war an der Straße!" Dann rannte sie los. Sie rannte ziellos in den Wald hinein und in die völlig falsche Richtung. Shannon lief unterdessen schnell zu Gero und erklärte ihm, was passiert war. Sofort sprang er auf und folgte Alexa. Doch er fand sie nicht.
 

Das Mädchen rannte ziellos durch den Wald, immer weiter, ohne zu wissen, wo sie hinwollte. Irgendwann blieb sie plötzlich stehen, lehnte sich an eine Baum und fing an, laut zu schluchzen. Sie sackte langsam zusammen und kauerte an den Wurzeln des Baumes. Ihr Kleid war halb zerrissen, ihr Gesicht war zerkratzt, ihre Haare völlig durcheinander, die Tränen auf ihren Wangen mischten sich mit Schmutz und brannten, wenn sie in ihre Wunden gelangten. Doch das war ihr egal. Sie erinnerte sich jetzt an den Tod ihrer Eltern und warum sie solche Angst vor Wäldern hatte. Irgendwann hörte sie ein Knacksen in ihrer Nähe. Sie sprang auf, fiel jedoch sofort wieder zu Boden. Sie musste sich irgendwie den Knöchel verletzt haben. Jetzt saß sie auf dem Boden, rieb ihren Knöchel und blickte panisch um sich. Überall waren riesige, schwarze Gestalten, die ihre Arme und Klauen nach ihr ausstreckten, mit unsichtbaren, grausamen Fratzen, sie heulten mit dem Wind und tanzten einen geisterhaften Tanz um Alexa herum. Sie hockte nur da, zitterte am ganzen Körper, verschränkte die Arme über dem Kopf, wimmerte leise und flüsterte immer wieder: "Hilfe...helft mir doch... Mama, Papa, wo seid ihr?" Als sie wieder realisierte, dass ihr die Eltern nicht helfen konnten, weil sie tot waren, begann sie wieder, zu schluchzen. Dann rief sie andere Namen. "Gero, Shannon, Pierre, helft mir... warum kommt denn niemand...?" Dann erinnerte sie sich an die Worten des Drachengardisten. "Wieso kommst du jetzt nicht? Warum hilfst du mir nicht?", flüsterte sie, "Du hast doch versprochen, mich zu beschützen, wenn mich etwas bedroht!" Doch es geschah nichts, außer, dass es furchtbar kalt wurde und das Mädchen jetzt auch noch fror. Sie musste aufstehen und wieder zurückgehen. Doch sie konnte nicht. Also blieb sie zitternd -aus Kälte und Angst- auf dem Boden hocken und hoffte darauf, dass jemand kommen würde, um ihr zu helfen.

"Hey, schaut mal, Jungs, da vorne hockt ein Mädchen!" Alexa blickte auf. Sie wusste nicht, wie lange sie so gesessen war, auf jeden Fall kam gerade irgend jemand. Eine Gruppe junger Männer, wahrscheinlich Räuber, kam auf sie zu. Sie ritten auf kräftigen Pferden, die sicher sehr schnell waren und einiges an Gewicht tragen konnten. Durch die vielen Fackeln, die sie bei sich trugen, konnte mal alles recht gut überblicken und Alexas Angst verringerte sich ein wenig, da es nicht mehr so dunkel und still war. Einer der Männer stieg von seinem Pferd ab und kniete sich vor Alexa. "Hey, die is ja richtig hübsch! Sie sollte nur etwas mehr Körperpflege betreiben!" Die anderen brachen und fieses, hinterhältiges Gelächter aus. Ein weiterer Mann stieg von seinem Pferd ab. "Aber wie wärs... wir nehmen sie mit, richten sie her und amüsieren uns dann ein bisschen mit ihr?" Er fasste ihr Kinn mit einer Hand und hob es leicht, damit er ihr ins Gesicht schauen konnte. Sie flüsterte weinend: "Hilfe... bitte helft mir.." Er erwiderte mit einem dreckigen Grinsen: "Keine Sorge, Kleine, ich wird dir helfen...indem ich dich zu einer Frau mache..." Dann legte er seine Hand zwischen ihre Beine und schob langsam ihr Kleid nach oben. Plötzlich flog ein Dolch so knapp an ihm vorbei, dass er ihm eine Schnittwunde an der schmierigen, dreckigen Wange verursachte. Der Mann fiel vor Schreck zurück und ließ von Alexa ab. "Less, lass besser deine Pfoten von ihr!", ertönte eine ruhige, aber doch gebieterische Stimme hinter dem Mädchen. "Aber Dante, ich..." "Kein Wenn und Aber!", erwiderte der andere. Less zog sich grummelnd zurück, sagte jedoch nichts mehr. Er wusste sehr genau, dass man sich mit Dante besser nicht anlegen sollte. Der junge Mann trat vor Alexa, kniete sich vor sie und fragte sie. "Alles okay bei dir?" Sie schaute hoch und blickte direkt in zwei wunderschöne, dunkle Mandelaugen. Die Haut des jungen Mannes war leicht gebräunt, seine kurzen, schwarzen Haare waren zwar völlig durcheinander, sahen jedoch trotzdem gepflegt aus. Seine Kleider waren komplett schwarz, er trug eine schwarze Wildlederhose, ein schwarzes, ausgefranstes Hemd und darüber einen weit fallenden Umhang mit Kapuze. Bewaffnet war er mit einigen Wurfdolchen, von denen Less eben einen zu spüren bekommen hatte und einem Langschwert. Er sah zwar verdammt gut aus, hatte jedoch etwas an sich, was Alexa Angst machte. Sie flüsterte: "Bitte helft mir..." Er legte die Hand auf ihre Schulter und ein Schauer lief ihren Rücken hinunter. "Wobei sollen wir dir helfen, was hast du?" Sie erklärte ihrem gegenüber mit zitternder Stimme so gut wie möglich, was passiert war. Er schaute sie dabei ununterbrochen an, was sie irgendwie beängstigte, aber auch beruhigte. Sein Blick strahlte irgendwie eine gewisse Harmonie aus. "Du willst also zum Lagerplatz an der Straße? Zu der Lichtung?" Sie nickte schwach. "Dann bring ich dich da hin! Kannst du aufstehen?" Sie versuchte es, sackte jedoch sofort wieder zusammen. "Ich hab mir glaub ich den Knöchel verletzt..." Dante nahm sich eine Fackel, zog ihr Kleid ein kleines Stückchen nach oben und betrachtete den Knöchel. "Der ist bestimmt verstaucht... aber mit ein paar Kräutern kriegen wir das wieder hin...jetzt bring ich dich aber erst einmal zurück!" Er schob einen Arm unter ihre Knie, den anderen unter ihre Schultern und trug sie zu seinem Pferd. Er setzte sie in den Sattel, schwang sich dann hinter ihr hoch und ritt los. Alexa stellte fest, dass sie gar nicht so weit vom Lagerplatz entfernt gewesen war. Sie war scheinbar vorhin einen großen Kreis oder irgendein undefinierbares Zickzack gerannt. Kurz, bevor sie das Lager erreichten, bedeutete Dante seinen Begleitern -es waren sechs Stück- in der Nähe des Lagers auf ihn oder auf ein Zeichen, die Lichtung zu betreten, zu warten. Dann ritt er auf den Platz. Sofort kam Shannon dem Pferd entgegen gestürmt. "Alexa! Da bist du ja!" Dante stieg ab und hob Alexa dann auch vom Pferd. Shannon entriss ihm das Mädchen sofort. "Kleine, warum machst du denn so einen Mist? Ich wäre fast gestorben vor Sorgen!" Alexa war noch völlig paralysiert und klammerte sich einfach an Shannon fest, ohne irgend etwas zu sagen. Da kam Gero auf sie zu. "Alexa, alles in Ordnung?" Sie schaute ihn an und nickte leicht. Gero strich ihr kurz übers Haar. "Puh, da bin ich aber beruhigt!" Dann wandte er sich an Dante, der die ganze Zeit regungslos neben den beiden Mädchen gestanden hatte. "Ich danke euch, Herr... oh, dürfte ich vielleicht euren Namen erfahren?" der Angesprochene erwiderte: "Mein Name ist Dante." Gero lächelte milde. "Aha, Dante... und weiter?" Dante schaute ihn scharf an und allein dieser Blick genügte, um Gero einzuschüchtern und in seine Schranken zu weisen. "Dante ist mein einziger Name. Ich bin ein verstoßener und trage deshalb nur diesen Namen! Und ich weiß wohl, Ritter von Weihenfels, dass es sich nicht ziemt, sich einem Mann eures Standes nur mit dem Vornahmen vorzustellen, doch dies ist leider mein einziger Name! Oder haltet ihr es für nennenswert, dass ich der Anführer einer Gruppe von Vagabunden und Tagedieben bin?" Gero schüttelte völlig perplex den Kopf. Es herrschte ein kurzes Schweigen, dann trat Chiara hinzu. "Nun, Dante, ich danke Euch für die Rettung meiner Begleiterin! Wie kann ich euch dafür entlohnen?" Der junge Mann winkte ab. "Ich verlange keine Entlohnung, Mylady, ich habe nur einem hilflosen Mädchen beigestanden. Und ist dies nicht die Pflicht eines jeden Mannes, der etwas auf sich gibt?" Chiara lächelte. Scheinbar schien sie Gefallen an Dante zu finden, obwohl er auch ihr etwas Angst machte. "Doch sagt, was führt eine Gruppe wie diese zu solch einer Zeit in den Wald, Mylady?" Sie erwiderte: "Wir befinden uns auf einer Reise nach Orkania, in die Stadt Typhoons. Ich plane dort das Ritual der Jungfrau im heiligen Tempel des Windes zu vollziehen. Und was führt Euch und Eure Gefährten hierher?" Dante antworte: "Mit Verlaub, Mylady, wie schon erwähnt, sind wir Vagabunden, die dorthin gehen, wohin der Wind sie trägt. Aber wenn ihr wirklich nach Orkania wollt, wäre der Weg über die Oststraße ein gewaltiger Umweg!" Chiara schaut ihn fragend an. "Nun, Mylady, die Oststraße umgeht das große Gebirge in nördlicher Richtung, was einen Umweg von beinahe einer Woche bedeutet! Meinen Gefährten und mir ist jedoch ein gefahrloser Weg durch das Gebirge bekannt, auf dem man es innerhalb von zwei Tagen durchqueren kann!" Der Blick der Prinzessin hellte sich auf. "Würdet Ihr uns wohl begleiten und auf diesem Weg führen, Dante?" Diese Frage passte der Vorhut ganz und gar nicht. Der Führer der Gruppe trat an die Prinzessin heran. "Aber Majestät, Ihr wisst doch sehr genau, dass es unmöglich ist, das Gebirge zu durchqueren!" Sie erwiderte: "Achja, ist das so, Sven Tellamon? Habt Ihr diese Reise jemals gewagt?" Er schüttelte den Kopf. "Aber Majestät, schaut Euch den jungen Mann doch einmal an! Er sagt doch selbst, dass er ein Vagabund und Tagedieb und noch dazu ein Ausgestoßener sei! Das muss doch einen Grund haben, oder? Vielleicht will er uns in einen Hinterhalt führen?" Dante fiel ihm ins Wort: "Es ist wahr, Herr Tellamon, dass ich ein Ausgestoßener bin, allerdings wurde ich für ein Verbrechen ausgestoßen, das ich nicht begangen habe! Und ich sagte nicht, dass ich ein Vagabund und Tagedieb wäre, sondern, dass ich eine Gruppe solcher Leute anführe. Und das tue ich nicht, um zu rauben und zu morden, sondern um für Ordnung unter diesen Leuten zu sorgen! Ansonsten hättet ihr Lady Alexa wahrscheinlich nicht mehr wiedergesehen, sondern sie wäre zur Maitresse gemacht worden!" Sven war von diesen Worten zwar schwer beeindruckt, ließ sich aber nicht abbringen. "Pah! Für ein Verbrechen ausgestoßen, das er nicht begangen hat! Was soll das denn für ein Verbrechen sein, Herr Namenlos?" Dantes Augen funkelten kurz auf und enthüllten einen tödlichen Glanz, dann sprach er weiter: "Das Verbrechen hat meine Mutter begangen! Sie war eine Priesterin im heiligen Tempel des Windes, bis sie meinen Vater traf! Denn er war ein Dämon, also bin ich ein Halbdämon, ein Bastard, der aus der Gesellschaft ausgestoßen wurde!" Jetzt schluckte Sven. Die Augen aller Anwesenden weiteten sich. Ein Halbdämon! Das war es also, was ihnen solche Angst machte und sie doch anzog! Dante jedoch ignorierte die entsetzten Blicke, die jetzt auf ihm ruhten. Er wand sich Shannon zu, die ihn auch entsetzt anstarrte und meinte mit ruhiger Stimme: "Du solltest dich um sie kümmern! Sie hat ganz schön was abbekommen... ich werde mich in der Zwischenzeit auf de Suche nach Kräutern für ihren Fuß machen!" Mit diesen Worten verschwand er wieder im Wald, sein Pferd jedoch ließ er stehen. Shannon schob Alexa sanft, aber bestimmt ein Stück von sich weg und musterte sie von oben bis unten im Schein des großen Lagerfeuers. "Ach du meine Güte! Du bist ja total zerkratzt!" Sie bedeutete Gero, Wasser heiß zu machen, holte Verbandszeug und Waschlappen und ein neues Kleid für Alexa. Dann nahm sie das heiße Wasser entgegen und schickte Gero und alle anderen Männer weg. "Ich muss sie entkleiden, also weg mit euch!" Die Männer trollten sich alle auf ihren Befehl und das Mädchen begann, ihre Freundin zu waschen. Zuerst säuberte sie ihr Gesicht von Blut und Dreck, wusch die Wunden aus, dann entkleidete sie sie, säuberte die Kratzer an den Armen und am Körper sowie an den Beinen und zog ihr das saubere Kleid an. Dann kämmte sie Alexas Haar und richtete es wieder einigermaßen. Kurz darauf kam Dante mit einem Beutel voller Kräuter zurück. "Shannon? Ich brauche heißes Wasser und Verbandszeug, hast du das?" Shannon ärgerte sich zwar ein bisschen, dass dieser Kerl die Dreistigkeit besaß, sie mit dem Vornamen anzusprechen, aber immerhin hatte er Alexa zurückgebracht und dafür war sie ihm sehr dankbar. Sie deutete mit dem Kopf auf den Topf mit dem heißen Wasser und auf das Verbandszeug daneben und trat dann einige Schritte zurück. Dante kniete sich zu Alexa, hob ihren verletzten Knöchel leicht an und legte ihn auf sein Knie, dann warf er die Kräuter ins Wasser, ließ sie kurz ziehen, nahm sie wieder aus dem Wasser und wickelte sie um den Knöchel. Danach riss er ein Stück Stoff von seinem Hemd ab, tränkte es in dem Wasser, wickelte es noch zusätzlich um die Kräuter und griff dann zum Verbandszeug. Shannon war erstaunt über die Präzision und Routine, mit der er dies tat und auch Alexa war überrascht. Sie war die ganze Zeit schweigend dagesessen und hatte auf Dantes Hände gestarrt. Jetzt hob sie leicht den Kopf und sagte so leise, dass nur er es hören konnte: "Danke..." Er lächelte sie an und erwiderte: "Kein Problem, hab ich gern getan!" Alexa errötete leicht, doch dies konnte in dem rötlichen Glanz des Feuers zum Glück niemand sehen. Schließlich trat Chiara hinzu: "Also, Dante, würdet Ihr uns mit euren Begleitern auf dem Weg durch das große Gebirge führen?" Dante blickte zu ihr auf. "Natürlich, Mylady, mit dem größten Vergnügen!" Chiara blickte sich um. "Doch sagt, wo befinden sich Eure Freunde?" Dante gab ein kurzes Zeichen und sechs Männer traten aus den Schatten auf die beleuchtete Lichtung. Sie trugen alle graue, ausgewaschene Hemden und Hose und darüber einen schwarzen Umhang mit einer Kapuze, jeder war mit einem Kurzschwert und Wurfdolchen bewaffnet. Jeder der Männer führte ein Pferd am Zügel, das ähnlich kräftig wie Dantes war. Die meisten Anwesenden schluckten. Diese Typen waren die ganze Zeit da gewesen und hätten sie auf ein Kommando von Dante alle töten können! Alexa bemerkte, dass Geros Hand zu seinem Schwertgriff gewandert war. Sein Blick war starr auf Dante gerichtet. Das Mädchen zischte ihm zu: "Gero! Lass es!" Er wand sich zu ihr und schaute ihr direkt in die Augen. Ihr Blick sprach Bände und er beschloss, Dante in Frieden zu lassen und einem schlimmeren Konflikt aus dem Weg zu gehen. Dante bat um Ruhe und sprach laut und deutlich: "Also, Leute, passt auf: Wir werden morgen früh bei Tagesanbruch aufstehen und losgehen, denn wir müssen eine gewisse Stelle erreicht haben, bevor es dunkel wird, sonst wird es wirklich gefährlich! Es wird ein anstrengender Weg, legt euch deshalb am besten hin und schlaft euch aus!" Weitere Worte wurden nicht gesprochen. Alexa nahm ihren Platz neben Shannon ein und fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Dante jedoch blieb wach, denn er spürte, dass irgendwer da war, der hier nicht hin gehörte. Sein Dämonenblut machte ihn für solche Dinge besonders feinfühlig.

Der Grund für seine Unruhe befand sich unbemerkt nur wenige Meter vom Lagerplatz entfernt. Der Feuerschein war sogar noch auf seiner blassen Haut zu sehen und verlieh seinen goldenen Augen und seinen goldenen Haaren einen zauberhaften Glanz. Mit einem Lächeln auf den Lippen stellte er fest, dass es Alexa gut ging. Dann wandte er sich ab und verschwand mit wehendem Mantel in der Dunkelheit.

Dante

Obwohl Dante der Letzte gewesen war, der sich schlafen gelegt hatte, war er der Erste, der am nächsten Morgen wach war und die Anderen weckte. In Windeseile hatte er alles organisiert, vom Abbau des Lagers bis zum Frühstück. Doch obwohl genug Leute da waren, packte er mit an, wo immer er konnte. Alexa konnte mit ihrem verletzten Knöchel leider nicht helfen -besser gesagt, sie durfte es nicht- und beobachtete ihn die ganze Zeit. Sie fragte sich, was wohl in so einem jungen Mann vorgehen musste. Jemand, der von den Menschen sein Leben lang herum geschubst wurde, für etwas, wofür er nicht im entferntesten Etwas konnte und der trotzdem noch nett und hilfsbereit war. Er musste einen unglaublich starken Willen haben. Ob das am Dämonenblut lag? Sie schüttelte den Kopf. Es war doch egal, er war so, und sie akzeptierte es. Mit einem Lächeln auf den Lippen dachte sie an das, was geschehen war, nachdem er sie geweckt hatte...

"Hey, Alexa, aufwachen! Zeit um aufzustehen!" Sie schlug die Augen auf und blickte direkt in Dantes Gesicht. "Hm?" "Aufstehen!" Sie stemmte ihren Oberkörper mit den Armen nach oben und schaute sich um. Alle anderen waren schon wach und mit irgend etwas beschäftigt. "Oh je! Warum hast du mich nicht früher geweckt?" Sie wollte aufspringen, doch er drückte sie zurück. "Nichts da! Du machst schön langsam, du musst deinen Knöchel schonen! Dann bist du in zwei, drei Tagen wieder fit!" "Aber ich muss doch auch irgendwas erledigen, ich kann doch nicht so einfach..." Dante unterbrach sie mitten im Satz. "Doch, kannst du! Ich hab mich um alles gekümmert! Am besten setzt du dich da drüben hin...", mit einer Handbewegung deutete er auf einen der Baumstümpfe, "...und schaust uns zu!" Ohne irgendwelche Widerworte stand das Mädchen mit seiner Hilfe auf und ging zu dem Baumstumpf. Dort setzte sie sich und beobachtete den Jungen die ganze Zeit.

Dante liebte es, sich in Arbeit zu stürzen. Wenn er das tat, hatte er keine Zeit dafür, über irgendwelche Dinge nachzudenken, sei es die Ungerechtigkeit der Welt, sein Leben oder seine Mutter. Seine Mutter... das war die Person, die er auf der ganzen Welt am meisten liebte und am meisten hasste. Warum konnte er sich selbst kaum erklären, auch wenn Alle, die seine Geschichte kannten, meinten, dass sie es wüssten. Alles hatte natürlich an dem Tag begonnen, an dem er geboren wurde. Wegen seines Dämonenbluts konnte er sich sogar an diesen Tag erinnern. Direkt, nachdem seine Mutter ihn geboren hatte und die entsetzte Hebamme ihn ihr in die Arme gelegt hatte, kehrte sich alle Welt von ihm ab. Die Geburtshelferinnen tuschelten hinter vorgehaltenen Händen und zeigten mit den Fingern auf ihn. Seine Mutter hatte zwar immer versucht, ihn zu schützen, doch das war nicht möglich. Sobald sie wieder kräftig genug war, wurde sie gnadenlos aus dem Tempel geworfen und landete mit ihrem neugeborenen Sohn auf der Straße. Die ersten vier Lebensjahre waren die härtesten für das Kind. Immer wieder musste seine Mutter ihren Körper verkaufen, um die beiden zu ernähren, sie bettelte, wühlte in Mülltonnen und flehte jeden um Essensreste an. Sie selbst war bald völlig unterernährt, damit ihr Kind nicht sterben musste. Doch nach vier Jahren änderte sich diese Situation. Dante war für sein Alter ungewöhnlich groß und kräftig, doch niemand wusste um sein Geheimnis. Da wurden er und seine Mutter während einer großen Parade zu Ehren Typhoons von der Hohepriesterin des heiligen Windtempels entdeckt und sie schrie in die Menge: "Da sind sie! Diese Frau ist eine Hure und der Junge der Sohn eines Dämons! Steinigt sie beide, verjagt sie, auf dass sie diese heilige Stadt nie mehr betreten mögen, die Hure und den Bastard!" Durch diese Worte änderte sich sein ganzes Leben. Er wurde mit seiner Mutter aus der Stadt heraus geprügelt, doch er tötete dabei einige Kinder. Sie rannten hinter ihm her und schrien: "Da rennt er, der Halbdämon, der Bastard, der Hurensohn!" Und dann gingen sie auf Dantes Mutter los. Sie bewarfen sie mit Steinen, kratzen und bissen sie und kreischten: "Dämonenschlampe, Hure!" Da geschah es zum ersten Mal. In Dante trat der Dämon hervor. Seine dunklen Mandelaugen fingen an, rot zu Glühen, sein Gesicht verzerrte sich zu einer beängstigenden Fratze und seine Stimme wurde zu einem Donnergrollen, wie es nur bei einem Dämon möglich war. Als er sprach, erschien er unermesslich groß und von einer schwarzen Aura umgeben, an seinen Schultern zeichneten sich de Konturen gewaltiger, lederner Flügel ab. Er brüllte: "Fasst sie nicht an, ihr elenden, unwürdigen Menschen!" Dann holte er zum Schlag aus und streifte die Kinder. Durch die Kraft des Dämons, die jetzt in ihm lag, wurden ihre Körper aufgerissen. Sie waren sofort tot. Alle Leute wichen sofort entsetzt zurück und die Mütter weinten um ihre Kinder. Dante jedoch war außer sich, er war jetzt ein Dämon und er brüllte weiter: "Wer es wagt, meine Mama noch einmal anzufassen, der endet genau so! Verschwindet! Lasst uns in Ruhe!" Dann griff er nach seiner Mutter, breitete seine schemenhaften Flügel zu voller Größe aus und flog davon. Kurz hinter den Toren der Stadt landete er und fiel völlig erschöpft um. Seine Mutter, die überall Platz- und Kratzwunden hatte, nahm ihn auf die Arme und trug ihn den ganzen Tag über, bis sie die ersten Ausläufer des Gebirges erreichte. Dort wachte ihr Sohn endlich auf. "Mama...was ist passiert?" Überglücklich darüber, dass der Dämon in ihm jetzt wieder schlief, warf sie sich dem Jungen um den Hals. "Mein Sohn, es tut mir alles so furchtbar leid... es ist meine Schuld... ich hätte dich nie gebären dürfen, dich armes, gepeinigtes Geschöpf!" Er wunderte sich zwar über diese Aussage, doch er ging nicht näher darauf ein. Er dachte, dass sie dies sicher nur in ihrer Verwirrung gesagt hatte, denn sie war verwirrt. Wenn er sie anschaute, fühlte er einen tiefen Schmerz. Bei seiner Geburt war seine Mutter die schönste Frau gewesen, die es in dem Tempel gegeben hatte, mit dickem, rabenschwarzem Haar, fast schwarzen Mandelaugen, einem wunderschönen Körper und einer unerreichten Grazie. Ihre Stimme war wie eine plätschernde Quelle gewesen, glockenhell und freudig. Doch mittlerweile war sie gebeugt, vernarbt, ihr schönes Gesicht zerschlagen und gemartert, ihre Stimme vergrämt und ihre Haare grau und verfilzt. Wie sie sich in diesen vier Jahren verändert hatte, war schrecklich, und er gab sich irgendwie die Schuld dafür. Wäre er nicht geboren worden, wäre sie immer noch die wunderschöne Priesterin von einst. Doch er bemühte sich, diesen Gedanken möglichst schnell wieder zu verwerfen.

Nach einigen Tagen erreichte das ungleiche Paar schließlich das Gebirge. Es war zwar mitten in der Nacht, doch Dantes Mutter bestand darauf, noch in dieser Nacht weiterzuziehen. Sie rechnete damit, dass irgendwelche Soldaten sie und ihren Sohn finden würden und das wäre ihrer beider Tod gewesen. Er war so müde, dass er fast im Stehen einschlief, doch um seiner Mutter einen Gefallen zu tun, schleppte er sich weiter und mit jede Schritt wurde er müder. Doch sie ließ ihn nicht ruhen. Immer wieder murmelte sie: "Es tut mir Leid, Dante, aber wir können noch nicht rasten. Wir müssen tiefer ins Gebirge, am besten laufen wir die ganze Nacht hindurch!" Doch der Junge nahm das nur noch halb wahr. Er bemühte sich, so gut es ging, durchzuhalten, obwohl ihm das Bild vor seinen Augen schon verschwamm und er nicht einmal mehr die Hand vor Augen erkennen konnte. Er stolperte immer wieder, fing sich wieder ab, manchmal fiel er auch, doch er stand sofort wieder auf und folgte seiner Mutter. Doch als er nach ungefähr zwei Stunden wieder fiel, schaffte er es nicht mehr, aufzustehen. Er rief seiner Mutter zu: "Mama, ich kann nicht mehr... es tut mir so Leid, aber es geht nicht mehr!" Dann fing er an zu weinen. Seine Mutter, die auch völlig übermüdet war, kam zu ihm fuhr ihm mit der Hand durchs Haar und sagte leise: "Mein tapferer kleiner Dante... lass uns hier rasten, ja?" Sie nahm den Sohn in die Arme und trug ihn von dem Pfad, dem sie folgten, unter einen überhängenden Felsvorsprung. Dort lehnte sie sich an, legte den Jungen zwischen ihre Beine und nahm ihn unter ihren Mantel. Dann flüsterte sie ihm ins Ohr: "Gute Nacht, mein Kleiner..." Doch der Junge schlief schon und hörte sie nicht mehr...
 

Als das Frühstück beendet war, saßen alle Reisenden auf und ritten los. Dante half Alexa natürlich auf ihr Pferd, sie bedankte sich mit einem Herz erweichenden Lächeln und Gero hätte den Halbdämon am liebsten auf der Stelle erschlagen. Auch, wenn er aufgehört hatte, Alexa auf seine unverschämte Art nachzustellen, dachte er nicht im Traum daran, sie Dante zu überlassen. Und für ihn deuteten alle Zeichen darauf hin, dass sich zwischen den beiden eine zarte Romanze anbahnte. Also setzte er auf der Reise alles daran, die beiden voneinander fernzuhalten. Dies tat er meistens, indem er Alexa irgend etwas über Drachen erzählte. Er kannte ihre Begeisterung für diese anmutigen Geschöpfe nur zu gut und spielte es als Vorteil aus, dass er auf Weihenfels in seiner Jugend einiges über sie gelernt hatte. Er kannte viele Legenden von mächtigen Drachen und erzählte sie dem Mädchen lang und breit, mit unglaublichen Ausschmückungen, damit sie sich auch alles bildlich vorstellen konnte. Und damit sie sich von Dante fernhielt. Seine Rechnung ging tatsächlich auf. Das Mädchen hing an seinen Lippen und blickte nicht ein einziges Mal zu Dante hinüber. Diesen jedoch störte das ganz und gar nicht. Er hatte kein Interesse an Alexa, egal was die anderen sagten, er wollte ihr nur helfen, weil sie verletzt war. Es war sowieso eine total bescheuerte Idee von wem auch immer, dass er sich innerhalb von nicht mal einem Tag in dieses Mädchen verliebt hatte. Sie war sowieso kindisch. Angst vor Wäldern... und dann diese Begeisterung für Drachen, das war doch wirklich absurd! Drachen waren auch nichts besseres als Pferde, abgesehen von einigen legendären Drachen, doch diese schliefen entweder einen tiefen Schlaf irgendwo, wo man sie nicht fand oder sie waren tot. Und genauso war es bei Dämonen. Sie waren nicht viel anders als Menschen, nur versteckten sie ihre Bosheit nicht, sondern trugen sie offen...
 

Der kleine Junge schleppte sich immer weiter im Gebirge. Es war Hochsommer und unerträglich heiß und das Kind hatte Mühe mit seiner Mutter schritt zu halten, doch Dante gab alles, um sie nicht zu enttäuschen. In den letzten Tagen hatte er immer wieder einen nachdenklichen Ausdruck auf dem Gesicht der Frau gesehen und sich gefragt, was sie wohl gerade dachte. Doch er war nie dahinter gekommen und ihm fehlte der Mut, sie zu fragen. Er hielt es im Moment für das beste, möglichst brav zu sein und es seiner Mutter möglichst leicht zu machen. Nachdem er sich wieder einen halben Tag über die Felsen geschleppt hatte, immer der erbarmungslosen Sonne ausgesetzt, schlug seine Mutter eine kurze Rast vor. Dankbar für diesen Vorschlag, suchte der Junge Schutz unter einem vertrockneten Baum, der aus unerklärlichen Gründen mitten in dieser Felswüste stand. Er sank in den kleinen Schatten und wunderte sich nicht, dass seine Mutter plötzlich wegging. Er schlief vor Erschöpfung ein...

Als er wieder erwachte, kniete seine Mutter vor ihm, mit Tränen im Gesicht und einem gewaltigen Stein in der Hand, mit dem sie ihm wohl den Schädel zertrümmern wollte. Sie sagte: "Es tut mir Leid, Dante... aber für dich ist es besser, tot als lebendig zu sein!" Dann holte sie weit aus und ließ den Stein nach unten krachen. Der Kleine hatte sich jedoch weg gerollt und stand nun neben ihr, die Augen angstgeweitet. "Mama, was machst du da?" Sie hob den Stein wieder hoch und schluchzte: "Verzeih mir, aber ich will dir dieses Leid ersparen!" Dann versuchte sie wieder, nach ihm zu schlagen, doch der flinke Dante sprang auf einen etwas höher gelegenen Felsen. "Mama, hör damit auf!" Die Frau hörte gar nicht auf den Jungen und versuchte wieder, ihn zu erschlagen. Diesmal schlug sie knapp am Kopf des Kleinen vorbei und zertrümmerte einige faustgroße Steine, die neben seinem Kopf lagen. Erschrocken fuhr sie zurück und kauerte sich weinend an den Baum. Dante kam zu ihr und sagte: "Mama, wenn du mich nicht mehr haben willst, dann gehe ich einfach weg!" Entsetzt blickte sie auf. "Aber Dante, das wäre dein Tod!" Er lächelte bitter und erwiderte: "Das wäre es auch, wenn ich bei dir bleibe, oder?" Die Frau richtete sich ein Stückchen auf, nahm ihren Sohn in den Arm, flüsterte: "Es tut mir Leid, mein Kleiner, es tut mir so Leid..." Dann gab sie ihm einen von den zwei Wasserschläuchen, die sie mit sich führte, packte ihm ein kleines Bündel mit einem kleinen Bisschen Brot und sagte: "Wir werden uns hier trennen... wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja irgendwann einmal wieder! Falls nicht... Lebewohl, mein Kleiner! Möge dein mächtiger Vater ein Auge auf dich haben!" Dante wand sich ab und machte sich auf den Weg zum Wald, den er von hier aus schon tief unter sich sehen konnte. Er rannte auf die nächste Biegung zu, drehte sich nochmal um, winkte seiner Mutter lachend zu und verschwand dann aus ihrem Blickfeld. Kaum war er außer Sicht, fing er jedoch an zu weinen. Seiner Mutter ging es nicht besser. Kaum war er weg, brach sie weinend auf den Steinen zusammen und bewegte sich für längere Zeit nicht mehr.

Dante schlug sich die nächsten neun Jahre tapfer alleine durch, lernte Schnitzen, Jagen, Fischen und viele andere Dinge, bis er schließlich auf Less traf. Less war ein Vagabund, der sieben Jahre älter war als Dante, aber diesem trotzdem unterlegen war. Dies fand er heraus, als er den mittlerweile 13jährigen einmal im Wald angriff, um den Hirsch, den dieser soeben erlegt hatte, zu stehlen. Innerhalb von Sekunden lag Less auf dem Rücken und Dante saß auf seinem Brustkorb und hielt ihm das Messer an die Kehle. "Wieso willst du mein Fleisch mit Gewalt stehlen, wenn du mich auch um ein Stück beten kannst, Fremder?" Less schaute den Jungen verständnislos an. "Dieser Hirsch ist für mich allein viel zu groß! Bevor ich ihn essen könnte, wäre das Fleisch schlecht, also warum sollte ich nicht mit jemandem, der Hunger hat, teilen?" In diesem Moment hatte Less gewusst, dass der Kleine ein gutes Herz hatte. Und seit diesem Tag waren die beiden zusammen gereist, hatten immer wieder neue Leute getroffen, Freunde und Feinde gewonnen, viel über die Welt gelernt, viele Länder kennengelernt und waren trotzdem immer zusammen geblieben. Als Dante 18 war, also fünf Jahre nach seiner ersten Begegnung mit Less, traf er schließlich seine Mutter wieder. Er und Less waren mal wieder allein unterwegs und betraten eine kleine Gaststätte, nachdem sie von einem Mädchen, das sie gegen einige Rüpel verteidigt hatten, ein paar Münzen bekommen hatten. Gleich nachdem er eingetreten war, fiel Dantes Blick auf eine der Kellnerinnen. Ihre langen, schwarzen Haare waren von grauen Strähnen durchzogen, ihr hübsches Gesicht zeigte, das sie für ihr Alter- sie musste Ende 30 sein- schon vieles durchgemacht hatte und viel von der Welt wusste. Auch Less musste nicht lange überlegen, um wen es sich bei der Frau handelte. Er erkannte die Mandelaugen seines Freundes. Die Frau hielt kurz inne, blickte dann zu den beiden Männern auf, mit einem Lächeln auf den Lippen und sagte: "Willkommen in unserem bescheidenen Haus. Was kann ich für die Herren tun?" Doch dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Das Lächeln änderte sich in einen Ausdruck des Erstaunens, beinahe des Entsetzens. "Hallo, Mutter." "Dante?!?" Er nickte. "Ja. Ich bin es." Ein kurzes Schweigen. Dann rannte sie auf ihn zu, um ihm um den Hals zu fallen, doch ihr Sohn hält sie zurück. "Unglaublich! Lass dich mal ansehen! Mann, siehst du gut aus! Du erinnerst mich wirklich stark an deinen Vater!" Das hätte sie nicht sagen sollen. Dante brauste sofort auf. "Vergleich mich nicht mit meinem Vater! Das ist wirklich das Letzte, was ich will! Ein Vergleich mit dem Vater!" Sie schwieg betreten. "Verzeih, aber ich konnte mich einfach nicht zügeln..." Dante fühlte, wie ein Hass in ihm aufloderte, der sich gegen diese Frau richtete. Ihm blieb nichts anderes übrig, als seinen Zorn heraus zu schreien, ansonsten wäre der Dämon wahrscheinlich erwacht und hätte ein Massaker verursacht. "Nein, ich verzeihe nicht! Zuerst willst du mich umbringen, dann sehe ich dich 14 Jahre nicht und dann tust du so, als wäre nie etwas passiert! Und dann vergleichst du mich auch noch mit meinem Vater!" Sie schaute ihn beschwörend an. "Dante, nicht so laut, die Leute..." "...sollen es ruhig wissen!" Dann schrie er so laut, dass es auch jeder im Haus hören konnte: "Hey Leute, wisst ihr wer ich bin?!? Ich bin der Sohn dieser Frau! Und ich bin ein Bastard! Denn mein Vater ist ein Dämon! Und sie ein Dämonenschlampe, eine Hure! Habt ihr gehört? Steinigt uns, uns beide, und jagt uns fort! Tötet uns am besten gleich!" Da kassierte er eine schallende Ohrfeige. Seine Mutter starrte ihn mit vor Zorn glühenden Augen an und zischte bedrohlich: "Geh mir aus den Augen, du unnützer Bastard! Du hast mir immer nur Unglück gebracht und ich habe dich trotzdem geliebt... jetzt ist es genug... verschwinde, ich will dich nie wieder sehen!" Zuerst war er überrascht, dann drehte er um und rannte wieder aus dem Gasthaus heraus. Less folgte ihm auf den Fuß, doch ihm gelang es nicht, den zornigen Halbdämon zum Stehen zu bringen, bis dieser all seine Wut losgeworden war. Dies war das letzte Mal gewesen, dass Dante seine Mutter traf.
 

"Hey, Dante, schläfst du mit offenen Augen?" Es war Less' wohlbekannte Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. "Hm? Ach, ich hab nur eben über meine Vergangenheit nachgedacht..." Less' Miene verfinsterte sich. "Du weißt doch, dass du das nicht machen sollst!" Er schlug ihm auf die Schulter. "Denk lieber an die schönen Dinge des Lebens!" Dann fügte er mit einem Zwinkern hinzu: "Alexa zum Beispiel!" Dante wand sich ab. "Was soll ich denn mit der? Sie ist doch noch ein Kind!" Less rief aus: "Na hör mal, das Mädchen ist 18, da ist man kein Kind mehr! Und selbst wenn sie noch eins wäre... aus jedem kleinen Mädchen wird einmal eine Frau, und Alexa ist nun wirklich ein Prachtexemplar!" Dante grinste. "Dann schnapp du sie dir doch! Aber bitte mit ehrlichen Methoden, nicht durch Vergewaltigung!" Der Andere rieb sich verlegen den Hinterkopf. "Schon gut, schon gut... ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist, auf jeden Fall war es nichts Gutes... aber sie ist sowieso zu jung für mich! Ich bin 14 Jahre älter als die Kleine!" Dante meinte nur noch knapp: "Und ich bin sieben Jahre älter." Dann beendete er das Gespräch, indem er ein Stück weg ritt. Alexa bekam davon überhaupt nichts mit, denn sie hing immer noch an Geros Lippen, der ihr gerade die Geschichte der vier Elementardrachen erzählte. Doch sie unterbrach ihn aufgrund einer spontanen Eingebung. "Gero, was weißt du über Kristalldrachen, Juwelendrachen und Metalldrachen?" Er schaute sie verwundert an. "Was soll ich über die bitte wissen? Alexa, du weißt doch, das sind längst verschwundene Legenden... ich bezweifle, dass diese Wesen jemals existiert haben!" Alexa wand sich ab. "Ich bin fest davon überzeugt, dass sie existierten und es auch immer noch haben... ganz sicher!" Gero seufzte. "Ach Kleine, du wirst dir deine Illusionen nie nehmen lassen, oder?" Sie schüttelte den Kopf. "Zumindest nicht, solange es die Drachengarde gibt!" Dann ritt sie ein Stück von Gero weg und unterhielt sich weiter mit Shannon.

Die Reisenden ritten ohne Pause bis in den späten Nachmittag hinein. Alexa gewöhnte sich allmählich an den Wald, der mittlerweile weniger dicht und düster war und recht viel Licht durchdringen ließ. Sie unterhielt sich die ganze zeit mit Shannon und beobachtete das Schattenspiel auf ihrem Gesicht. Die blattförmigen Schatten ließen Shannons Gesicht oft anders wirken, das gefiel Alexa. Je näher die Gruppe dem großen Gebirge kam, desto mehr lichtete sich der Wald. Dieser Vorgang vollzog sich zwar langsam, aber Alexa war über jeden Sonnenstrahl mehr, den sie genießen konnte, glücklich. Es war wirklich ein wunderschöner Frühsommertag und Alexa wäre jetzt liebend gerne auf der Wiese hinter dem Schloss gelegen, aber der Gedanke daran, dass sie nach Orkania ritt und vielleicht ein Bildnis von Typhoon sehen könnte, trieb ihr diesen Wunsch aus und ließ sie freudig nach vorne blicken. Sie rechnete sich im Kopf aus, welcher Weg noch vor ihnen liegen würde. Morgen oder übermorgen würde das Gebirge erreicht sein... um es zu durchqueren, rechnete sie nochmals drei Tage ein und dann würde es höchstens drei Tage bis Orkania dauern... also dürfe sie die Stadt in spätestens fünf Tagen sehen können! Es war das erste Mal, dass sie eine der vier heiligen Städte sah und damit ging für sie ein Traum in Erfüllung. Für Dante sah die Sache jedoch anders aus. Er wollte auf keinen Fall Orkania betreten, koste es, was es wolle. Und wenn Chiara vor ihm auf die Knie fallen würde und ihm ihr Königreich versprechen, nichts würde ihn dazu bringen, diese verfluchte Stadt nochmals zu betreten! Wahrscheinlich würde er die Gruppe nur über das Gebirge führen und dann wieder seinen eigenen Weg gehen... abrupt hielt Dante an. Er schaute nach dem Stand der Sonne. "Hm... Less? Meinst du, wir schaffen es noch rechtzeitig? Oder machen wir lieber hier Pause?" Less erwiderte: "Bei Tageslicht noch durch die Schlucht kommen? Nie und nimmer! Wir könnten höchstens irgendwo in der Mitte des Weges rasten, aber das ist weniger angenehm, und das weißt du auch, Dante!" Der andere nickte. Dann wendete er sein Pferd und sagte: "Wir haben doch länger gebraucht, als ich dachte. Um zum Gebirge zu kommen, müssen wir das verlorene Tal durchqueren... dort leben allerdings Orks, Trolle und ähnliche Wesen, also durchqueren wir es bei Tag!" Chiara rief ihm zu: "Und was heißt das jetzt?" Er erwiderte: "Das bedeutet, dass wir erst morgen weiter reiten können! Das kostet uns zwar einen halben Tag, aber jetzt in die Schlucht zu reiten wäre Selbstmord!" Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden. Keiner kannte die Gegend hier gut genug, um dies beurteilen zu können, die Gruppe hatte nur des öfteren vom verlorenen Tal gehört. Alexas Augen hatten bei der Nennung dieses Ortes kurz aufgeleuchtet, denn es hieß, dass hier vor ewigen Zeiten eine Brutstätte der Drachen war. Bis heute sollten noch Drachen dort leben oder dorthin kommen, um ihre Eier zu legen und ihre Jungen die ersten Jahre ihres Lebens aufzuziehen. Nachdem das Lager aufgeschlagen war, ging Alexa kurz zu Dante und fragte ihn, wo denn das Tal sei. Er antwortete: "Das sind vielleicht fünf Minuten zu Fuß, den Hügel da hinauf, dann kannst du es sehen! Wieso?" Doch auf diese Frage antwortete sie gar nicht mehr und machte sich humpelnd auf den Weg, den kleinen Hügel hinauf. Was sie dann sah, ließ ihr den Atem stocken. Sie blickte auf ein wunderschönes Tal hinab, das vom Sonnenlicht rot und golden gefärbt war. Die Vorsprünge an den zerklüfteten Felswänden warfen dunkelblaue Schatten auf den roten Untergrund. Unten im Tal war ein ruhiger See, der von der Sonne golden und orange gefärbt war und wunderschön glitzerte. In seiner Mitte ragte ein großer, im Sonnenlicht hellroter Felsen empor, aus dem See floß ein Fluss in den selben goldenen Tönen nach Süden, seine Ufer waren von Bäumen bewachsen, die aussahen, als befänden sie sich im goldenen Monat des Herbstes, obwohl es erst Frühsommer war. Einige Vögel zogen ihre Bahnen weit unter Alexa. Das Mädchen hielt den Atem an. So etwas schönes hatte sie noch nie gesehen! Sie bemerkte Dante, der jetzt neben ihr stand, als er sagte: "Wunderschön, oder?" Das Mädchen nickte leicht. "Aber nachts ist dieses Tal ein Ort des Terrors... dann sind hier überall Orks und Trolle, die sich gegenseitig bekämpfen. Jeder, der nachts in dieses Tal geht und nicht mindestens eine Armee dabei hat, begeht glatten Selbstmord!" Alexa schaute auf. "Aber ich habe doch etwas, was besser ist als jede Armee!" Das Licht der untergehenden Sonne ließ ihr Haar noch goldener aussehen als sonst und Dante war sich sicher, dass er, hätte er eine ihrer Haarsträhnen verkauft, mehr Geld bekommen würde als für einen Berg Gold. Er legte den Kopf schief. "Und was soll das sein?" Alexa lächelte: "Na, einen Drachengardisten!" Dante konnte nicht anders, als loszuprusten. "Einen Drachengardisten?" Sie war zwar schön, aber sie war noch ein Kind, soviel stand für den Halbdämon fest. Ein Drachengardist! "Lach nicht!", fauchte Alexa gereizt, "Sonst wirst du dein blaues Wunder erleben!" Dante hob beschwichtigend die Hände. "Schon gut, schon gut... ich glaubs dir! Aber jetzt komm mit zurück, sonst hat dein Gardist bald alle Hände voll zu tun!" Natürlich glaubte er ihr nicht. Denn Dante wusste, was die Drachengardisten waren. Seine Mutter war eine Priesterin eines der höchsten Drachen gewesen. Sie wusste, was die Drachengarde war und sie hatte dieses Wissen ihrem Sohn mitgeteilt. Alexa warf noch einen letzten Weg aufs Tal. Wie gerne hätte sie hier einen Drachen gesehen! Mit einem Seufzer wand sie sich ab und folgte Dante zurück zum Lagerplatz.

Das verlorene Tal

Am nächsten Morgen sprang Alexa geradezu von ihrem Lager auf. Ihr Fuß schien wieder völlig in Ordnung zu sein. Als erstes rannte sie eine Runde durchs Lager, dann zu Dante, um sich bei ihm zu bedanken. Sie war völlig aus dem Häuschen. Heute würde sie ins verlorene Tal reiten! Sie fühlte sich wie ein kleines Kind, kurz bevor es seine Geburtstagsgeschenke bekam. Das Mädchen konnte nicht glauben, dass sie heute durch dieses wunderbare Tal reiten sollte, das ihr gestern so unwirklich vorgekommen war. Sie konnte es kaum erwarten, dass das Lager abgeschlagen wurde und aß ihr Frühstück nicht, sondern schlang es in sich hinein. Alle beobachteten sie dabei mit einem Lächeln auf den Lippen, sogar Dante. Er konnte einfach nicht anders, als in ihr ein unreifes Kind zu sehen, das vielleicht den Körper einer Frau hatte, aber noch lange keine war.

Da Alexa alle so ohnegleichen zum Aufbruch drängte, dauerte es nicht lange, bis das komplette Lager abgeschlagen war. So schnell hätte sicher keiner von Chiaras Befehlen die Ritter dazu gebracht, alles abzubauen. Alexa war schon immer 'ihre Kleine' gewesen und sie war allen mit ihrer Art ans Herz gewachsen. Von der Einsamkeit in ihrem Herz wusste jedoch niemand etwas, nicht einmal Shannon, denn sie verbarg sie gut. Die Prinzessin selbst hatte sich mittlerweile auch in Alexa 'verliebt' und war froh, dass sie auf Irdinas Rat gehört hatte, Alexa und Shannon in ihre Gruppe aufzunehmen. Sie hatte noch nie jemanden getroffen, der so niedlich und liebenswert war. Mit einem Seitenblick auf Dante dachte sie, dass es bei ihm sicher auch so war. Sie dachte, dass Alexa bei ihm sicherlich gut aufgehoben wäre. Ein gutaussehender, kräftiger junger Mann mit viel Verantwortungsbewusstsein, der sie sicher auch beschützen würde. Hätte Chiara ihr Herz nicht schon einem anderen geschenkt, hätte sie sich sicherlich in den Halbdämon verliebt. Ihm entging ihr Blick natürlich nicht, und auch das Lächeln, von dem er begleitet wurde nicht. Dante wandte sich ihr zu und sagte: "Mylady, Ihr seht so glücklich aus. An was dachtet Ihr gerade?" Chiara erwiderte, wieder völlig bei der Sache: "Ach, ich dachte gerade über die kleine Alexa nach... wie niedlich sie ist..." Dante schmunzelte: "Ja, niedlich ist sie wirklich, aber in meinen Augen ist sie nur ein Kind im Körper einer Frau!" Die Prinzessin wand ihren Blick wieder zu Alexa. "Aber ich glaube, dass es gerade das ist, was sie so liebenswert macht. Alexa wird bestimmt einmal sehr glücklich werden, mit einem Mann, der sie aufrichtig liebt und beschützt..." Dante schaute auch zu dem Mädchen, das gerade mit Shannon herumalberte. "Ja, das wird sie sicher... aber dieser Mann werde ich nicht sein, falls Ihr darauf anspielt, Mylady!" Chiara fühlte sich jetzt albern und vor den Kopf gestoßen. "Und wieso nicht, Dante?" Er antwortete: "Ganz einfach: Alexa ist in meinen Augen ein Kind, das ich vielleicht beschützen und belehren kann, aber lieben werde ich sie nicht." Mit einem Lächeln sagte Chiara: "Das hat Gero auch einst gesagt!" Dante schaute sie verständnislos an, denn er kannte Geros Gefühle für Alexa nicht. Für Chiara war das Gespräch damit beendet und sie ging zu Alexa und Shannon. "Alexa, Shannon! Ihr solltet euch langsam zu den Pferden begeben, wir wollen aufbrechen!" Alexa knickste. "Sehr wohl, Majestät!" Dann rannte sie zu ihrem Pferd und sprang fast auf das Tier.

Die erste Rast des Tages legte die Gruppe unten im Tal ein, direkt am Ufer des schönen Sees. Der Weg dorthin war völlig ereignislos verlaufen: es war ein sonniger Tag, die Vögel zogen ihre Bahnen, der Weg ins Tal war zwar lang und kurvig, aber nicht schwierig und alle waren vom Tal so begeistert, dass niemand sprach und nur das gelegentliche Schnauben der Pferde und das Geklapper ihrer Hufe zu hören war. Alexa war völlig fasziniert, denn sie stellte jetzt fest, dass die Bäume hier nicht nur im Licht der untergehenden Sonne golden gewirkt hatten, sondern dass sie es wirklich waren! Auch die Felsen waren nicht grau, sondern hatten einen goldenen Schimmer. Hier, dachte Alexa, hier könnte ein goldener Drache leben, das wäre ein wunderbarer Ort für ihn! Und als sie zu dem Fels auf dem See blickte, war ihr einen kurzen Moment so, als throne auf ihm ein wunderschöner Drache, mit anliegenden Flügeln, und schaue sie direkt an, mit seinen schönen, blaugrün schimmernden Augen. Dann war der Drache wieder verschwunden und Alexa enttäuscht. Das war sie auch später noch, als sie stumm am Seeufer saß und zu dem großen Felsen starrte. Da war kein Drache... Gero bemerkte ihren traurigen Blick und setzte sich zu ihr. "Hey Kleine, was ist los?" Alexa schaute ihn mit traurigen Augen an und erwiderte: "Ach, ich hab vorhin ganz kurz einen goldenen Drachen auf dem Felsen da sitzen sehen... aber da ist keiner... leider!" Gero klopfte ihr auf die Schulter. "Hey, soll ich dir noch eine Legende von einem Drachen erzählen?" Alexa schüttelte den Kopf. "Du hast mir doch schon längst alle erzählt, die du kennst, Gero!" Er fasste sich verlegen an den Kopf und lachte kurz auf. "Dir entgeht auch gar nichts!" Da hörten die beiden Less' Stimme direkt hinter sich. "Aber ich kenne noch eine Legende, die du bestimmt noch nicht kennst, Alexa!" Sie drehte sich zu ihm um. "Hm?" Er erwiderte: "Na, die Legende von den verlorenen Drachen des Tals!" Jetzt sprang sie auf. "Erzähl, die kenne ich noch nicht!" Less setzte sich gemütlich ans Ufer und blickte hinüber zu dem Felsen. "Diese Legende handelt von einer Zeit, in der die Juwelendrachen und die Metallicdrachen noch auf dieser Welt wandelten. Dieses Tal wurde damals das 'goldene Tal' genannt. Wenn du es heute siehst, kannst du dies vielleicht noch nachvollziehen, aber du kannst dir nicht vorstellen, wie es einmal ausgesehen haben muss. Sämtliche Felswände waren mit Goldadern durchzogen, die überall durchschienen und alles glitzern ließen. Das Wasser dieses Sees war in dieser Zeit unglaublich heiß, so heiß, dass es eigentlich hätte verdampfen müssen, doch es verdampfte nicht, sondern mischte sich mit dem flüssigen Gold und seine normale Farbe war die, die es heute annimmt, wenn die untergehende Sonne ihr Licht darauf wirft." Alexa schaute über die klare, blaugrüne Oberfläche des Wassers und stellte sich das ganze in den Farben des Sonnenuntergangs gestern vor. Wunderschön, einfach wunderschön! "Die Bäume waren damals komplett golden, nicht nur ihre Blätter hatten diese Farbe, und es gab keine Wiesen, sondern nur goldenes Steppengras und Sand. Und aus der Mitte des Felsens dort drüben...", er zeigte mit dem Finger auf den Felsen in der Mitte des Sees, "...sprudelte eine goldenen Quelle, die von ihm herab in den See floß. Hier sollen die Golddrachen entstanden sein, geformt durch ein Wunder, das sich niemand erklären kann. Ihre Haut war so massiv wie die Felsen und sah auch genauso aus, golden schimmernd, als würden Goldadern hindurch fließen, aber sie war so weich wie das Steppengras. Ihre Krallen waren golden und gemasert wie du Baumstämme und auch so groß wie ein Baumstamm. Ihre gewaltigen Schwingen reichten, wenn sie ausgebreitet waren, von einer Seite des Tales bis zur nächsten und sie fühlten sich an wie Wüstensand. Ihre Zähne glichen ihren Krallen, und ihre Augen waren genauso golden und schimmernd wie das Wasser, genauso facettenreich und genauso beeindruckend. Sie lebten hier zu hunderten, nisteten und legten viele Eier, aus denen viele kleine Drachenbabys schlüpften. Doch es herrschte keine Ordnung in ihrer Gemeinschaft und sie warteten alle auf einen Führer. Bis eines Tages Anóren geboren wurde. Er war wunderbar. Auch er war golden, doch er war noch goldener als die anderen Drachen und seine Augen hatten die Farbe, die der See heute angenommen hat. Alle anderen Drachen verehrten ihn und er wurde zu dem Führer, auf den sie so lange gewartet hatten, denn Anoren war nicht nur schöner, sondern auch intelligenter als alle anderen Wesen in diesem Tal. Sein Schlafplatz war dieser Felsen, aus dem die Quelle sprudelte, und es war eine große Ehre, denn die Drachen sagten, dass dieser Fels heilig war und dass ihr Leben aus der Quelle sprudelte. Als Anoren sich das erste Mal auf diesem Felsen niederließ, quoll noch mehr von der goldenen Flüssigkeit aus ihr hervor und alle Drachen waren sich einig: Sie hatten denjenigen gefunden, der sie zu Ordnung und Glück führen würde. Das tat er auch. Anórens Herrschaft war friedlich und dauerte mehrere Jahrtausende an. Doch dann zog der Krieg über die Lande..." Alexa legte den Kopf schief. "Krieg? Was für ein Krieg?" Less fuhr fort: "Der Krieg der Götterdrachen... Kron, der schwarze Chaosdrache, kämpfte gegen Kain, den weißen Ordnungsdrachen. Anóren wusste, dass die beiden auch über das goldene Tal herfallen würden, denn er war weise, und er befahl seinen Untertanen, sich in Schlaf zu begeben. Dann betete er dafür, dass sie unentdeckt bleiben würden, und siehe- die goldene Quelle versiegte und alle anderen goldenen Adern zogen sich tiefer in die Erde zurück. Die Drachen wurden mit ihnen hinunter gezogen, der Fluss nahm die Farbe von Anórens Augen an und kühlte ab und das goldene Gras färbte sich grün. Der Sand wurde zu brauner Erde und die Baumstämme wurden auch braun. Und als letztes fiel Anóren, der dies alles zufrieden beobachtet hatte, in tiefen Schlaf und sank tief hinab in das innere der Erde, wo er lange Zeit mit seinen Gefährten ruhte. Nachdem der Krieg der Götterdrachen endlich vorbei war, erwachte Anóren schließlich wieder. Er stieg hinauf zur Oberfläche und betete erneut, dass das Leben wieder in sein Tal zurückkehren würde, doch es geschah nichts. So oft er auch betete, die goldene Quelle blieb verschwunden und das Tal wollte nicht mehr golden werden. In unsagbarem Schmerz verfluchte Anóren die Götterdrachen und verließ das Tal, das für ihn verloren war. Doch er gab die Hoffnung nie auf und es heißt, dass er immer wieder unbemerkt hierher zurückkehrt und dafür betet, dass seine Artgenossen wieder erwachen. Er hofft, dass aus dem 'verlorenen Tal' irgendwann wieder sein 'goldenes Tal' werden könnte und wieder Drachen hier wandeln werden. Und wann immer irgend jemand versucht, hier in den Boden zu graben und zum Beispiel Gold zu suchen, trifft ihn der furchtbare Zorn Anorens und er wird entweder blind, verrückt oder stirbt. Deshalb haben es die Wesen, die hier leben, nicht gewagt, die unterirdischen Behausungen, in denen sie normalerweise leben, zu graben und haben sich Höhlen in den Fels geschlagen." Alexa schwieg einige Zeit. Dann sagte sie: "Eine wunderbare Geschichte... einfach wunderbar!" Gero nickte zustimmend. Doch er konnte sich das Lachen nicht verkneifen, als das Mädchen triumphierend einwarf: "Siehst du, Gero, die Golddrachen sind gar nicht verschwunden, sie schlafen nur tief unter der Erde!" "Ach Alexa!", prustete er, "Das ist doch nur eine Legende! Du glaubst doch nicht, dass das wirklich passiert ist, oder?" Sie sprang auf. "Natürlich glaube ich es! Ich bin fest davon überzeugt, dass es die Drachen hier gibt!" Sie kniete sich auf den Boden, legte die Hände auf die Erde, schloss die Augen und fügte leise hinzu: "Ich habe fast das Gefühl, dass ich sie spüren kann, wenn ich mich darauf konzentriere!" Jetzt musste auch Less lachen. "Du bist sowas von süß, Alexa! Die Drachen unter der Erde spüren! Das muss ich Dante erzählen!" Mit diesen Worten sprang er auf und rannte zu Dante. Alexa schaute ihm nach und beobachtete ihn, als er Dante unter wildem Gestikulieren von der Unterhaltung berichtete. Dante schaute erst mit einem seltsamen Blick zu Alexa und fing dann ebenfalls an zu lachen. Dieses Kind!, dachte er, Wer auch immer mir einreden will, dass sie kein Kind mehr ist, den kann ich nur auslachen! Drachen unter der Erde spüren! Aber am meisten amüsierte ihn, dass sie das wohl völlig ernst und ohne geringste Anzeichen eines Scherzes gesagt hatte. Jetzt musste er an Chiaras Worte denken.... 'Alexa wird bestimmt einmal sehr glücklich werden, mit einem Mann, der sie aufrichtig liebt und beschützt...' Dieser Mann würde wahrscheinlich taub sein oder einfach nur hirnlos, denn welcher normale Mann würde sich in so ein Kind verlieben können? Hätte Dante gewusst, wie es in Alexas Innerem aussah, hätte er bestimmt anders darüber gedacht. Hätte er gewusst, dass sie mit ihrem verhalten nur ihre Einsamkeit und Traurigkeit verstecken wollte, hätte er Chiara bestimmt zugestimmt und wäre wahrscheinlich derjenige gewesen, der dem Mädchen am meisten helfen wollte.

Der weitere Weg durch das Tal war wirklich wunderschön. Die Gruppe ritt einige Zeit am Ufer des ruhigen, breites Flusses entlang und kam schließlich in den goldenen Wald. Sie ritten das blaugrüne Wasser entlang zu einer Furt, wo sie übersetzen konnten und dann weiter einen Waldweg entlang, der voller herbstlichem Laub lag. Alexa hatte die ganze Zeit Less' Geschichte im Hinterkopf und sprach die ganze Zeit über nicht. Sie betete im Stillen für Anóren, dafür, dass er bald Erfolg haben würde und seine Gefährten erwachen würden, wieder Leben in dieses Tal einkehren würde und dass der Schmerz dieses majestätischen Wesens gelindert würde. Sie erinnerte sich an ihre kurze Vision auf dem Weg ins Tal hinein und auf einmal fiel ihr ein, dass dieser Drache mit seinen schönen, blaugrün schimmernden Augen unendlich traurig ausgesehen hatte. Das war bestimmt Anóren gewesen! Bei diesem Gedanken schlug ihr Herz etwas schneller. Ihr Wunsch, endlich einmal einen echten Drachen zu sehen, wurde immer größer und der Gedanke, dass sie vielleicht nie einen sehen würde, immer unerträglicher.

Mittlerweile hatten sie den Wald wieder verlassen und ritten über grüne Wiesen auf die steile Felswand zu, die sie wieder hinauf mussten. An einem kleinen Bach in der Nähe der Felswand hielt Dante kurz an und rief so laut, dass alle es hören konnten: "Normalerweise würde ich hier jetzt keine Rast einlegen, aber der Aufstieg wird beschwerlicher werden als der Weg in die Schlucht hinunter, zum einen, weil der Weg einfach schwieriger ist, und zum anderen, weil diese Seite des Tals ununterbrochen der Sonne ausgesetzt ist und es sehr heiß werden wird. Aber ich möchte spätestens bis Sonnenuntergang oben angekommen sein, deshalb wird die Pause nicht länger als eine Viertelstunde dauern können! Also, lasst eure Pferde grasen, gebt ihnen Wasser und füllt nochmal eure Wasserschläuche, ihr werdet viel Wasser brauchen!" Auf Dantes Anweisungen hin verstreute sich die Gruppe auf der Wiese und an dem Bach. Dante war wirklich der geborene Anführer, eine Tatsache, die besonders Sven Tellamon überhaupt nicht gefiel. Bis vor zwei Tagen war er der Führer der Gruppe gewesen und die Person, auf deren Wort Prinzessin Chiara am meisten vertraute und jetzt hatte dieser unmögliche Halbdämon seinen Platz eingenommen und er hatte nichts mehr zu sagen. Oh, wie sehr er Dante hasste! Er wünschte ihm die Pest und alle anderen Krankheiten an den Hals, träumte von einem Meuchelmörder, der ihn töten würde und freute sich auf den Tag, an dem Dante und seine Männer wieder eigene Wege gehen würden und weit weg waren. Dann wäre er wieder der erste Mann im Feld und alle würden seinem Rat folgen...

Der Aufstieg war, wie Dante gesagt hatte, viel schwerer als der Abstieg. Der Weg war schmaler und verzweigter, so dass kaum zwei Pferde nebeneinander gehen konnten, wo auf dem Hinweg gut vier Reiter Platz gehabt hatten. Außerdem war es heiß. Allen rannen Schweißperlen über die Stirn, die Pferde waren bald nass geschwitzt und erschöpft. So kam die Gruppe nur langsam voran. Dante wurde langsam unruhig. Die Sonne würde bald untergehen und es war nur knapp die Hälfte des Weges geschafft. Sie mussten den Weg nach oben aber auf jeden Fall bis Einbruch der Dunkelheit geschafft haben, sonst wären sie verloren... Less bemerkte die Unruhe seines Freundes. Er kannte den Halbdämon schon lange genug, um zu wissen, wann ihn etwas beunruhigte. "Hey, Dante, was is denn los?" Der Angesprochene erwiderte: "Wir müssen schnell genug aus diesem verfluchten Tal herauskommen, sonst sieht's übel für uns aus... und schau doch mal, die Sonne geht allmählich unter..." Less nickte. "Verstehe... aber meinst du, die Viecher da unten bemerken uns, wenn wir hier oben sind?" Dante antwortete: "Natürlich bemerken sie uns! Hör mal, wir sind eine Eskorte mit über 40 Pferden, was denkst du, wie das Hufgeklapper von den Felswänden zurück hallt?" "Ja, stimmt... aber wir können nicht schneller reiten, das halten die Pferde nicht aus... aber da oben wird der Weg breiter, dort können wieder vier Leute nebeneinander reiten, von dort aus wird's bestimmt leichter!" Dante nickte. "Ja, du hast recht... wird schon schief gehen!"

Alexa blickte die ganze Zeit verträumt auf das Tal hinab. Obwohl es unglaublich heiß war, fühlte sie sich unglaublich wohl. Solche Temperaturen musste es hier wohl gehabt haben, als der See noch golden war und heiß genug, dass das Gold darin flüssig blieb und sich gleichmäßig verteilte. So heiß musste es gewesen sein, als hier noch Drachen gelebt hatten... Shannon, die neben ihr ritt, sagte irgendwann: "Hey, Alexa, von was träumst du denn schon wieder?" Das Mädchen drehte sich zu ihrer Freundin. "Hm?" "Wovon träumst du denn schon wieder? Du bist ja völlig abwesend!" Alexa seufzte. "Less hat mir vorhin die Geschichte von den Drachen in diesem Tal erzählt... die Geschichte von Anóren, dem König der Golddrachen... und ich sag dir, die ist wunderschön! Ich wünschte, ich könnte ihn sehen..." Shannon streckte die Hand zu ihr und wuschelte ihr kurz durch die Haare. "Dich wird nie jemand von deinen Drachen los kriegen, oder?" Die Gefragte schüttelte den Kopf. "Nicht so lange, bis ich einen gesehen habe!" Shannon lächelte. "Du bist so süß! Ich beglückwünsche den Mann, der dich später bekommt! Aber wehe, du stellst ihn mir nicht vor!" Doch Alexa war mit ihren Gedanken schon wieder andernorts. Sie blickte auf das Tal hinab, das langsam wieder die Farben annahm, in denen sie es am vorigen Abend gesehen hatte und plötzlich fielen ihr die Augen des Drachengardisten ein... diese schönen, goldenen Augen...

Es war, wie Less vorhergesagt hatte. Bald nach seinem Gespräch mit Dante wurde der Weg breiter und flacher, er nahm jedoch mehr Biegungen und kletterte insgesamt schneller zum Wald hinauf als vorher. Dante atmete auf. Jetzt würden sie schneller vorankommen und wären wahrscheinlich bald oben. Und dafür war es auch dringend Zeit. In spätestens einer Stunde würde es stockfinster sein und unten im Tal würden die Orks ausschwärmen, auf der Suche nach Nahrung und Opfern. Er wollte nicht einmal daran denken, was passieren würde, wenn sie dieses grausamen Wesen zum Opfer fallen würden. Seine Unruhe legte sich langsam wieder und er entspannte sich. Dann schaute er ins Tal hinab und dachte, wie Alexa, über Anóren nach, denn er hatte ihn schon einmal gesehen, und dieses Bild ließ ihn einfach nicht mehr los. Anóren, der auf dem Felsen in der Mitte des Sees sah, mit ausgebreiteten Schwingen, den Kopf zum Himmel streckte und einen gewaltiges Brüllen von sich gab, das das ganze Tal erzittern ließ.

Bei Einbruch der Dunkelheit hatten die Reisenden endlich das Tal verlassen. Sie waren müde, denn es war ein anstrengender Tag gewesen. Dante führte sie zu einer Waldlichtung, die der ersten, auf der sie gerastet hatten, stark ähnelte und rief laut genug, dass es alle hören konnten: "Wir werden hier rasten. Den Großteil des Waldes haben wir jetzt hinter uns gelassen und ich denke, dass wir morgen gegen Mittag das Gebirge erreichen, wenn wir früh genug aufbrechen. Das heißt, dass wir in drei oder vier Tagen das Gebirge überquert haben können, und dann ist es nur noch ein zweistündiger Ritt nach Orkania... also, ruht euch aus und tankt Kraft, das Gebirge wird sehr anstrengend werden!" Noch drei oder vier Tage nach Orkania... Alexas Herz machte einen Sprung. Bald würde sie in Typhoons Stadt sein! Aber da war noch ein anderes Gefühl, das sich mit dieser Freude vermischte... es war eine Art Trauer, ein Verlangen, wieder zum verlorenen Tal zurückzukehren. Sie fasste den Plan, noch einen letzten Blick auf das Tal zu werfen, auch wenn es bei Nacht sicher nicht so eindrucksvoll war wie bei Tag. Leise und unbemerkt schlich sie sich vom Lager weg und nicht einmal Dante bemerkte ihr Fehlen.

Sie legte sich auf den Boden und schaute vorsichtig über den steilen Rand des Tales hinab. Es war ein herrliches Bild. Der See und der Fluss glitzerten silbern im Mondlicht und die leicht goldenen Felsen waren tiefblau. Die Bäume warfen lange, schwarze Schatten am tiefsten Punkt des Tales und das Gras, das einen sehr dunklen blaugrünen Farbton angenommen hatte, wiegte sich in einer leichten Brise, die seltsamerweise nur im Tal zu wehen schien. Das einzige, was dieses idyllische Bild störte, waren die unzähligen schwarzen Punkte, mal kleiner, mal größer, die überall herum rannten: Orks, Oger und Trolle. Die Schreie in ihrer kehligen, misstönenden Sprache drangen bis zu dem Mädchen nach oben, sie hörte Geklirre von Waffen. Während sie dies noch beobachtete, bemerkte sie einen schwachen Lichtschein hinter sich. Ihr Herz schlug bis zum Hals, als sie sich langsam umdrehte und es machte wieder einen freudigen Sprung, als sie sah, von wem der Lichtschein kam. Da stand er, der Drachengardist, sein goldenes Haar wallte über seine Schultern, seine goldenen Augen schauten sie war an und er lächelte. Zu Alexas Erstaunen hatte er keine Fackel oder sonstiges dabei, sondern es schien, als würde das Licht von ihm ausgehen, als wäre er von einer leuchtenden Aura umgeben. Sie setzte sich auch. "Ha...hallo...", stammelte sie verlegen. Dies war wahrlich der erste Mann, den sie als schön bezeichnete... er war so schön, dass ihr fast das Herz stehenblieb. Bei ihrer ersten Begegnung war ihr gar nicht aufgefallen, wie ebenmäßig sein Gesicht war... er kniete sich vor sie ergriff ihre Hand und berührte sie mit seiner Stirn. "Seid gegrüßt, Mylady!" Alexa schoss die Röte ins Gesicht. "Ähm...was führt euch hierher, Sir?" Er schaute auf und die Augen der beiden trafen sich. "Ich habe versprochen, euch zu beschützen, vor allem, was euch schaden könnte. Und mir scheint, dass eure Neugierde im Moment tödlich für euch sein könnte, verzeiht mir meine unverschämte Art." Das Mädchen lächelte ihn an und sagte: "Ich danke euch, Sir. Doch sagt, warum habt ihr..." Er schnitt ihr das Wort ab. "Vergebt mir, Mylady, doch es war dringend nötig, dass Ihr auf Dante trefft, deshalb kam ich nicht, um euch aus eurer misslichen Lage zu befreien. Ich hoffe, Ihr könnt mir dies verzeihen?" Alexa überlegte kurz. "Nur, wenn Ihr mir euren Namen nennt, Sir!" Er lächelte sie an und sie schmolz fast dahin. "Ein sehr geschickter Schachzug! Ihr seid wahrlich sehr intelligent... nun, mein Name ist Rufus, einen weiteren Namen habe ich nicht, und ich bin ein Mitglied der Drachengarde, wie ihr sicher schon erkannt habt. Mehr kann ich euch zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht offenbaren." Rufus... das war ein seltsamer Name, aber er passte sehr gut zu diesem jungen Mann. "Nun denn, Sir Rufus, Eure Tat sei vergeben!" Wie gut, dass ich die höfische Sprache halbwegs beherrsche..., dachte sie. Rufus wand sich kurz ab, schaute in Richtung des Sees in der Schlucht und sagte dann: "Nun solltet ihr aber zu Eurem Lager zurückkehren, Mylady!" Sie nickte leicht und wollte gerade aufstehen, als er ihre Hand ergriff und auf die Beine zog, ohne seine Arm wirklich zu bewegen oder auch nur annähernd Kraft zu investieren. Bei seiner Berührung erschauerte sie. Was für eine Kraft musste in diesen Armen stecken, wenn er sie einfach so ohne weiteres auf die Beine holen konnte? Rufus brachte Alexa bis kurz vor das Lager, verabschiedete sich dann von ihr und verschwand in der Dunkelheit. Sie schaute ihm noch einige Zeit hinterher, dann ging sie leise zum Lager zurück, legte sich an ihren Platz und war gerade dabei, einzuschlafen, als sie Dantes Stimme neben sich hörte. "Was war das denn? Wieso haust du einfach so ab?" Oh nein, muss das jetzt sein?, dachte sie, doch sie antwortete freundlich: "Ich wollte noch einen letzten kurzen Blick aufs Tal werfen... weil ich werd dort wahrscheinlich nicht mehr so schnell hin kommen und morgen kann ich auch nicht gucken gehen!" Dante fauchte jetzt mehr, als dass er sprach. "Du kannst trotzdem Bescheid sagen! Ich bin nämlich nicht besonders scharf darauf, irgendwann morgen früh deine Leiche einzusammeln! Nimm das nächste Mal jemanden mit oder sag mir wo du bist, klar?" Mit diesen Worten verschwand er wieder. Alexa schaute ihm wütend hinterher, dann drehte sie sich um und schlief ein.

Shannon

Am nächsten Morgen war ausnahmsweise Shannon die erste, die wach war. Sie hatte einen völlig konfusen Traum gehabt, von Alexa, Dante, Gero, Less und einem seltsamen Krieger. Beim näheren überlegen kam sie zu dem Schluss, dass dies der Drachengardist sein musste... ja, zweifellos, denn dieser Krieger hatte kein Gesicht gehabt, sondern sie hatte nur seine Ausrüstung gesehen, denn die hatte Alexa mehr als genau beschrieben. Im ihrem Traum hatte Dante versucht, Alexa umzubringen. Gero war dazwischen gegangen und schwer verletzt worden, dann tauchte dieser seltsame Krieger auf, schwang sein Escudon und plötzlich standen er und Alexa auf der kleinen Wiese hinter dem Schloss. Dante war spurlos verschwunden, die beiden sahen sich einfach nur an. Dann fing das Schloss plötzlich Feuer, alles brannte lichterloh, und aus diesen Flammen kam ein schwarzer Drache geschritten. Noch bevor Alexa und der Krieger reagieren konnten, verwandelte sich der Drache in einen dunkelhäutigen Mann mit roten Augen und einer pechschwarzen, dämonisch geformten Rüstung, zog einen gewaltigen, schwarzen Krummsäbel und rannte auf den Gardisten zu. Er holte mit seinem Säbel aus, schlug nach dem Krieger und schrie dabei, völlig außer sich: "Tod allen Drachen und ihren Freunden!" Doch sein Schlag wurde mühelos von dem Krieger in weiß pariert. Nach einem kurzen Gemenge rannte der Mann in schwarz wie im Berserkerrausch auf Alexa zu und zog seine Säbel einmal quer über ihren Bauch. Das Mädchen brach blutend zusammen, und gleich danach startete der Gardist einen weiteren Angriff mit den Worten: "Tod allen Drachentötern und ihren Verbündeten!" Dann schlug er dem Anderen den Kopf ab. Schwarzes Blut klebte an seiner Klinge und begann zu dampfen, doch es kümmerte ihn nicht. Er kniete sich zu Alexa, berührte mit der Handfläche ihre Wunde, murmelte irgend etwas in einer Sprache, von der Shannon nicht einmal eine Vorstellung hatte, welche es sein könnte, und innerhalb von Sekunden war die Wunde des Mädchens verschwunden. Sie richtete den Oberkörper auf, warf sich in die Arme des Kriegers und ließ sich dann von ihm verführen... hier endete der Traum. Was träumst du bloß für einen Schwachsinn?, machte sich Shannon über sich selbst lustig. Alexa würde so etwas nie tun, das weißt du...du kennst sie lang genug! Ja, lang genug kannte Shannon ihre Freundin wahrhaftig...

"Papa, mir ist soooooo langweilig!", quengelte die Kleine. Pierre seufzte. "Ach Shannon... Papa kann jetzt nicht mit dir spielen!" Er überlegte kurz. "Frag doch mal Silva, ob sie mit dir spielt!" Shannon verzog das Gesicht. "Ich will mal mit wem anderen spielen als immer nur mit Silva!" Ihr Vater schüttelte den Kopf. "Tut mir leid, meine Süße, aber heute musst du noch einmal mit Silva spielen! Ich kümmere mich darum, dass du einen neuen Freund bekommst, mit dem du spielen kannst, in Ordnung?" Shannon nickte zufrieden und trollte sich grinsend. Sie suchte Silva, ihre beste Freundin. Silva war ein halbes Jahr älter als Shannon, also gerade sechs geworden, und hatte fast nie etwas zu tun, also spielte sie mit Shannon in der Umgebung des Schlosses. Die beide hatten schon so viele 'Abenteuer' erlebt... sie waren Räuber gewesen, Prinzessinnen, wilde Tiere, kühne Ritter... doch langsam wurde es Shannon langweilig, immer nur mit der selben Person zu spielen. Sie wünschte sich einen neuen Spielkamerad! Silva wusste davon natürlich nichts. Sie war fest überzeugt davon, dass Shannon sie vergötterte und sie ihr sogar wichtiger war als Pierre. Als sie ihre Freundin kommen sah, rief sie ihr entgegen: "Hallo Shannon! Ich hab mir wieder ein ganz tolles Spiel für uns ausgedacht!" Shannons Herz machte einen Sprung. Silvas Ideen waren immer gut, das musste sie zugeben. "Au fein! Was spielen wir heute? Und wohin gehen wir?" Das ältere Mädchen lächelte. "Überraschung! Komm einfach mit!" Dann sprang sie auf und rannte weg. Shannon hatte immer Mühe, ihr zu folgen, denn Silva war viel größer als ihre Freundin und hatte daher auch längere Beine. Und sie war schnell. Sie rannte aus dem Schlosstor hinaus, die Straße hinunter, auf die Wiese hinter dem Schloss und weiter zum nicht weit entfernten Fluss. Es war der selbe Fluss, der auch durch das verlorene Tal floss, aber die Mädchen wussten nichts von der Existenz dieses Tales und es interessierte sie überhaupt nicht, woher der Fluss kam und wohin sein Weg führte. Was sie interessierte war, dass er da war. Und Silva interessierte im Moment die steilste Stelle des Ufers, einer recht steil abfallenden Felswand, voller riesiger Brocken. Sie ging direkt zu dieser Stelle. "Schau, Shannon, hier spielen wir!" Shannon sah der Sache mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. "Aber Silva... mein Papa sagt immer, dass..." Silva erwiderte forsch: "Du immer mit deinem Papa! Ist doch egal, was er sagt, hier kann doch nichts passieren!" Shannon war anderer Meinung. Pierre hatte ihr immer gesagt: 'Shannon, wenn du unten am Fluss spielst, meide die Stelle, an der die Felsbrocken sind... auch, wenn es stabil aussieht, diese Stelle ist viel brüchiger, als man denkt und es kann schnell etwas passieren!' Das Mädchen hatte schon immer viel auf das Wort ihres Vaters gegeben. Ihre Mutter hatte sie nie kennengelernt, die war ums Leben gekommen, als ihre Tochter ein halbes Jahr alt war. Shannon wusste nicht, wie sie gestorben war, aber wenn sie es gewusst hätte, wäre ihre Angst wahrscheinlich noch gewachsen: Ihre Eltern hatten damals ein Picknick gemacht, an eben dieser Stelle, an der sie jetzt stand. Ihre Mutter hatte die kleine Shannon an Pierre gegeben, war auf einen der Felsen geklettert und hatte angefangen zu tanzen. 'Schau, Pierre, ich bin eine Fee! Nein, eine Elfe! So leicht wie eine Feder und so frei wie ein Vogel!' Pierre hatte schmunzelnd hinzugefügt: 'Und schön wie der Morgen, Geliebte! Du überstrahlst den Mond bei Nacht!' Sie hatte gelacht, war von einem Felsen zum nächsten gesprungen, leicht wie eine Feder und immer tanzend. Dann war es passiert. Ein Stein unter ihr hatte sich gelöst und eine kleine Lawine ausgelöst. Elena -so hatte Shannons Mutter geheißen- war gestürzt, hart auf den Boden aufgeschlagen und hatte sich ihr Bein gebrochen. Es war von einem Stein, der von oben herabfiel, zertrümmert worden. Pierre wollte ihr helfen, doch gerade, als er aufsprang, löste sich weiter oben ein Fels von der Größe eines Pferdes und fiel direkt auf Elena. Er zerschmetterte alle Knochen in ihrem Körper und hinterließ einen todunglücklichen Witwer mit einem sechs Monate alten Baby. Pierre hatte es nie vergessen und er trug immer dieses schreckliche Bild mit sich herum, wie seine geliebte Frau von diesem Felsen erschlagen wurde, er hörte das furchtbare Geräusch der brechenden Knochen, er sah den blutigen Arm unter dem Felsen herausschauen und das Blut in den Fluss hinab rinnen. Irgendwann würde er Shannon vom grausamen Tod ihrer Mutter erzählen, doch noch war sie zu jung, um dies zu verstehen.

Nun war es Silva, die auf den Felsen tanzte. Shannon bat sie mehrmals, damit aufzuhören, doch sie erwiderte immer nur lachend: "Wieso denn? Es passiert doch nichts! Ich bin heute eine Elfe, schön wie der Morgen und leicht wie eine Feder!" Silva verkaufte dies als ihre eigenen Worte, aber Shannon wusste genau, dass das die Worte waren, mit denen ihr Vater immer von seiner toten Frau sprach: 'Elena war eine Hochelfe gewesen, Shannon, wahrscheinlich die letzte, doch sie war unerkannt... trotzdem, sie war leicht wie eine Feder und schön wie der Morgen... ich wünschte, ich hätte ihre Schönheit festhalten können...' Sie wurde zornig, als Silva so dreist diese Worte kopierte. Böse rief sie: "Sprich nicht von dir, als wärest du Elena die Elfe! Du bist nicht schön wie der Morgen und auch nicht leicht wie eine Feder! Du bist ein Mensch, genau wie ich!" Silva unterbrach ihren Tanz. "Elena die Elfe? Die Elfe?? Willst du mich zum Lachen bringen? Elena war schön wie eine Elfe, aber wenn sie eine gewesen wäre, hätte sie eine schöne Tochter zur Welt gebracht und nicht dich!" Dann lachte sie gehässig. Shannon wünschte ihr den Tod an den Hals, nahm einen kleinen Stein, der neben ihr lag und warf ihn Silva genau an den Kopf. "Ich hasse dich, du widerliches Biest!", fauchte sie zornig. Silva rieb sich erschrocken den Kopf, dann griff sie ebenfalls nach einem Stein und warf ihn nach Shannon. Er war mindestens dreimal so groß wie der, den das jüngere Mädchen geworfen hatte, doch Shannon konnte zum Glück ausweichen. Silva jedoch hatte den falschen Stein gewählt. Ein Fels nach dem anderen sprang das Ufer hinunter und traf sie. Zuerst prasselten Tausende kleine Kiesel auf sie hinab und schlugen ihr blaue Flecke und kleine Platzwunden, dann kamen die großen Brocken ins Rollen. Den ersten beiden vermochte sie noch auszuweichen, dann jedoch löste sich der Fels, auf dem sie stand, und sie stürzte wie vor fünf Jahren Elena. Und auch sie wurde von einem gewaltigen Felsen erschlagen. Shannon stand zuerst wie paralysiert da, als sie das furchtbare Krachen hörte, starrte auf den einzelnen Arm, der noch unter dem Felsen hervorragte, beobachtete das Blut, das in den Fluss hinunter floss. Dann rannte sie zu Silva, ergriff den Arm, der frei lag und versuchte, ihre Freundin unter dem Felsen herauszuziehen. Es war vergeblich. Sie schluchzte: "Silva, es tut mir leid! Das wollte ich nicht! Komm schon, tu den dummen Stein weg und steh auf!" Doch Silva bewegte sich nicht. Kurz entschlossen rannte sie davon, sprang das Ufer hinauf, fegte über die Wiesen und rannte ins Schloss. Als sie dort ankam, verdreckt und mit Silvas Blut befleckt, schrie sie panisch und weinend: "Silva ist gestürzt! Sie hat sich weh getan!" Einer der Soldaten, die gerade Wache schieben 'durften', kam lächelnd zu ihr, kniete sich vor sie und fragte: "Was ist denn los, Kleine? Was hat sich Silva denn getan?" Shannon erzählte unter Schluchzen, dass Silva gestürzt war und das Ufer ins Rollen gekommen und dass sie nun unter einem großen Stein eingeklemmt war und sich nicht bewegte und nicht antwortete. Die Miene des Mannes verfinsterte sich sofort. "Silva... das ist doch..." Er drehte sich zu dem anderen Soldaten, der das Tor bewachen musste und rief ihm zu: "Hey, Roy, ist Silva nicht deine kleine Schwester?" Dieser nickte. "Wieso, was ist mit ihr?" Da erst entdeckte er Shannon. Sofort sprang er von der Bank auf, auf der er es sich gerade bequem gemacht hatte und rief entsetzt: "Oh Gott, Shannon, was ist mit Silva?" Der zweite Soldat schilderte ihm kurz, was er aus Shannons verwirrten Worten hatte heraus hören können. Roy überlegte nicht lange. "Trommel ein paar Leute zusammen, wir müssen ihr helfen!" Dann rannte er los. Shannon lief zur Küche, zu ihrem Vater und rief ihn auch zur Hilfe. Pierre war immer hilfsbereit und rannte sofort los.

Nur wenige Minuten später waren mehr als zwanzig Leute am Flussufer versammelt. Sie machten sich gerade daran, den Stein beiseite zu schaffen. Pierre wollte helfen, doch dann schaute er sich die Szenerie an, drehte sich um und flüsterte: "Oh mein Gott...Elena!" Shannon schaute ihn an. Dann sagte sie, immer noch unter Tränen und schluchzen: "Sie hat gesagt, sie wäre leicht wie eine Feder und schön wie der Morgen und eine Elfe... dann hab ich gesagt, dass sie nicht Elena die Elfe ist und so etwas nicht sagen soll und sie meinte dann, dass Elena keine Elfe gewesen sein kann, weil sie keine schöne Tochter hatte!" Sie setzte kurz ab, schluchzte und sagte dann: "Und dann ist es passiert..." Roy trat zu den beiden. Er blickte zu Boden und sagte dann traurig: "Sie ist tot. Ihr wurden von dem Felsen alle Knochen zerschmettert... genau wie damals bei..." Pierre unterbrach ihn: "Wenn das stimmt, was meine Tochter sagt, dann hat Silva sich über Elena lustig gemacht und ihre Tochter beleidigt... scheinbar hat sie Elenas Geist verärgert und wurde dafür bestraft... es tut mir leid, Roy!" Roy erwiderte: "Nein, Pierre, das braucht es nicht... es hatte niemand wissen können. Und wenn sie sich wirklich über Elena lustig gemacht hat, geschieht es ihr Recht. Sie wusste genau, wie wunderbar deine Frau war und wie grausam ihr Tod war." Shannon schaute zu ihrem Vater auf, zog an seiner Schürze und fragte dann leise: "Ist Mama etwa das Gleiche passiert?" Pierre nickte. "Ja, meine Kleine... deine Mutter ist genauso gestorben wie Silva... es war genau das gleiche Bild, damals..." Dann seufzte er. "Sie hat mir immer gesagt, dass sich dich vor allem schützen wird, bis du jemanden findest, der dich besser beschützen kann. Sie war eine sehr starke Frau, weißt du... mutig, mit einem starken Willen und immer bereit, sich für einen geliebten Menschen zu opfern. Und scheinbar hat Elena die Elfe heute ihre erste blutige Tat begangen, um einen geliebten Menschen zu schützen..." Shannon blickte wieder zu Boden. Sie sprach nicht mehr, auch wenn ihr viele Sorgen auf der Seele brannten. Sie wusste, dass sie jetzt nie wieder mit Silva spielen könnte, und sie konnte sich auch nicht für den Steinwurf entschuldigen. Jetzt war sie ganz allein und hatte niemanden mehr...

Einige Wochen nach diesem einschneidenden Ereignis verließ Silvas Familie das Schloss. Shannon hörte nie wieder etwas von ihnen. Da sie von nun an allein war, konnte sie viel nachdenken. Sie machte sich Vorwürfe und dachte, sie wäre schuld an diesem Unglück. Wenn sie den Stein nicht geworfen hätte, hätte Silva den Anderen auch nicht geworfen und es wäre nichts passiert. Dann würde sie immer noch mit der Sechsjährigen spielen! Als sie im Schlosshof saß und wieder einmal so etwas dachte, fuhr ein Wagen durch das Tor in den Hof. Es war der Wagen eines fahrenden Händlers, voll mit nutzlosem Ramsch, nützlichen Gebrauchsgegenständen und Luxusgütern, die sich fast nur Adlige leisten konnten. Auf dem Kutschbock saß ein großer Mann mit einem sehr seltsamen, gefiederten Hut, der ein guter Freund ihres Vaters war, was die Kleine jedoch nicht wusste. Neben ihm saß ein kleines Mädchen, das unglaublich verstört aussah. Als das Mädchen auf dem Kutschbock Shannon entdeckte, sprang sie hinab und rannte zu ihr. Sie stellte sich vor sie und fragte: "Warum siehst du so traurig aus?" Shannon schaute sie an, antwortete aber nicht. Die Kleine fuhr unbeirrt fort: "Ich bin Alexa, und du? Wollen wir Freunde sein?" Das Wort 'Freunde' klang wie Musik in Shannons Ohren. Sie schaute auf, lächelte und erwiderte: "Ich bin Shannon! Und ich wäre gerne mit dir befreundet!" Als Pierre auf den Hof kam, um Shannon zu sagen, dass Alexa ab heute bei ihnen wohnen würde, traute er seinen Augen nicht... die beiden rannten über den Hof, lachten, spielten miteinander, und keiner von beiden war mehr einsam oder traurig. An diesem Tag begann für die beiden die wichtigste Freundschaft ihres Lebens.
 

"Shannon? Hallo? Lebst du noch?" Alexa wedelte mit der Hand vor dem Gesicht ihrer Freundin herum. "Ähm, ja... was hast du gerade gefragt?" Alexa seufzte. "Ich wollte wissen, was du zu der Geschichte von gestern Abend sagst!" Shannon war jetzt wieder voll bei der Sache. "Meinst du die Begegnung mit diesem...ähm...wie hieß er noch gleich...Rofas?" "Rufus.", korrigierte Alexa. "Achja, genau, Rufus... also, die Begegnung mit Rufus oder Dantes komisches Verhalten?" "Beides.", erwiderte die Andere halb abwesend. Shannon bemerkte dieses unverkennbare Glitzern in Alexas Augen, dieses Glitzern, das bei jedem Mädchen zutage trat, wenn... "Sag mal, Süße, bist du in diesen Rufus verknallt? Oder in Dante?" Alexa schüttelte schnell den Kopf. "Nein! Aber du solltest ihn mal sehen... dieses Gesicht... diese Augen... ich sage dir, sowas hab ich noch nicht gesehen! Er hat goldene Augen, die sehen aus wie der See im verlorenen Tal bei Sonnenuntergang!" Shannon grinste und sagte: "Hört sich gut an... wenn du ihn das nächste Mal triffst, sag ihm, er soll sich mir vorstellen!" Alexa kicherte. "Ich stell mir gerade dein Gesicht vor, wenn Rufus vor dir steht..." Shannon hakte jetzt nach, Sie war neugierig geworden. "Sieht er denn genauso gut aus wie Dante?" Alexa winkte ab. "Vergiss Dante, Schätzchen! Rufus sieht viel besser aus, VIEL besser! Du kannst einen Ork neben einen Hochelf stellen und hast den selben Effekt! Und er hat so eine glitzernde Aura... so ein Leuchten, das ihn nachts umgibt... und überhaupt, er strahlt Wärme und Geborgenheit aus. Wenn er in der Nähe ist, fühlst du dich einfach sicher! Dante macht einem ja eher Angst..." Ihre Freundin nickte leicht. "Stimmt, jedes Mal, wenn Dante mit einem spricht, jagen einem die Schauer über den Rücken... das liegt an seinem Dämonenblut, oder?" "Wahrscheinlich..." Damit war das Gespräch für die beiden beendet. Es war seltsam. Normalerweise redeten sie stundenlang miteinander, aber auf dieser Reise sprachen sie sehr selten. Jede verlor sich in ihren eigenen Gedanken und sorgte sich um ihre eigenen Angelegenheiten. Sehr ungewöhnlich für die beiden. Dies war in all den Jahren ihrer Freundschaft eigentlich nie vorgekommen...
 

"Shannon!" Alexa kam angerannt und viel fast über ihr viel zu großes Kleid. "Schau mal, was Pierre mir geschenkt hat!" Heute war Alexas zwölfter Geburtstag und Pierre hatte ihr ein schönes, weißes Kleid geschenkt, das die Attrappe eines großen Diamant auf der Brust hatte und von diesem Stein auch weitgehend zusammengehalten wurde. Über die Schultern zogen sich noch jeweils drei dünne Träger, die ebenfalls an diesem Stein befestigt waren. Das Kleid an sich war gerafft und umspielte mit seinen vielen Falten Alexas schlanken Körper, der jedoch noch keinerlei Anzeichen von weiblichen Rundungen erkennen ließ. Das Kleid war ihr sowieso viel zu groß, aber sie freute sich riesig über dieses Geschenk. "Wow, das sieht ja toll aus!", rief Shannon begeistert. Sie wusste genau, dass dieses Kleid Alexa erst richtig passen würde, wenn sie noch einige Jahre älter geworden war, doch sie fand es jetzt schon sehr schön. Ihre Freundin stellte sich vor sie, drehte sich einige Male schwungvoll und präsentierte sich dann von allen Seiten. "Ich sehe doch fast aus, wie eine Königin!" Shannon erwiderte lächelnd: "Nein, Alexa, du siehst aus wie eine Elfe! Oder eine Hohepriesterin!" Das Volk der Elfen hatte bis vor 500 Jahren auf Amlug -dies war der Name der Welt, in der auch Shannon und Alexa lebten- gelebt, dann waren sie spurlos verschwunden. Niemand wusste, wohin sie gegangen waren und ob sie je wieder zurückkehren würden, doch die Schönheit der Elfen war über die Jahre hinweg ein Mythos geworden. Und die Hohepriesterinnen waren die am meisten geehrten Frauen Amlugs. In ihnen wurden direkte Sendboten der Götter gesehen, und besonders hoch verehrt wurden diejenigen, die den Drachengöttern geweiht waren: Die Hohepriesterinnen Ifrits, Shivas, Typhoons, Fenrirs und Kains. Sie wurden in wunderschöne Kleider gehüllt und fast so verehrt wie die Menschengötter. Doch eine einzige Priesterin wurde gefürchtet: die Hohepriesterin des schwarzen Chaosdrachen Kron, dem bösesten Drachen, der existierte. Alle schwarzen Drachen stammten von Kron ab und dies waren die Drachen, die andere Drachenarten töteten, um ihren Herrn zum mächtigsten Wesen Amlugs zu machen. Dies war einer der gründe, warum ein Großteil der Bevölkerung Amlugs froh war, dass alle Drachen verschwunden waren und sie fürchteten Krons Erwachen, denn er hasste die Menschheit und würde sie sicher vernichten. Seine Hohepriesterin Airin war eine mächtige Hexe und praktizierte die schwärzeste Magie. Ihre Macht war verheerend und wenn Kron erwachen würde, sie hätte die Menschheit durch die Kraft, die sie dadurch erhielt, ausgelöscht. Alexa erschauerte bei diesem Gedanken. "Ach hör auf, du erinnerst mich wieder an Airin... ich habe Gerüchte gehört, dass sie ein Ritual plant, um Kron wiederzuerwecken! Furchtbare Vorstellung, oder?" Shannon legte sich auf einen Heuberg. "Ach, und wo soll das sein? Ich meine...Airin wird doch wohl in keiner Stadt oder in keinem Königreich Zuflucht finden für ihre schwarzen Riten?" Alexa schüttelte den Kopf. "Es heißt, sie lebt jetzt in den schwarzen Bergen und beherrscht die Orks und Trolle dort durch eine Terrorherrschaft. Sie hat ihre Häuptlinge getötet und sich die Köpfe über ihren Thron gehängt und jetzt herrscht sie dort und plant Böses..." Jetzt war es Shannon, die erschauerte. "Grausam... hoffentlich ist das wirklich nur ein Gerücht, ansonsten sieht übel aus für uns..." Alexa nickte. "Ja, hoffentlich..."
 

Es war bereits später Nachmittag, als die Gruppe endlich rastete. Viele hatten auf Rast gedrängt: Ihre Pferde waren erschöpft, sie waren hungrig und durstig und wollten sich im Schatten irgendeines Baumes ausruhen, während die Tiere ebenfalls Nahrung aufnahmen. Nur widerwillig gab Dante nach. Er war es gewöhnt, nach dem Frühstück erst am Abend wieder zu essen, denn er war an das Leben im Wald gewöhnt. Doch er rief sich immer wieder ins Gedächtnis, dass er es hier mit einer Gesandtschaft des königlichen Hofes zu tun hatte und diese sicherlich nicht so abgehärtet war wie er. Er und seine Männer saßen wie immer etwas abseits der Gruppe, aßen ein wenig, tranken etwas und unterhielten sich über den Weg, der noch vor ihnen lag und noch viele andere Dinge, die allerdings keiner der Reisenden einordnen konnte.
 

Shannon seufzte. Irgendwie war diese Reise tödlich langweilig... die Reisenden hatten schon fast das Gebirge erreicht und diese Reise war komplett ereignislos verlaufen! Shannon hatte sich schon die tollsten Abenteuer ausgemalt und war entsprechend enttäuscht, dass nichts Aufregendes geschah. Sicherlich war es gut, schnell voranzukommen, aber wäre nicht wenigstens ein winzig kleiner Überfall möglich gewesen? Shannon wollte Action, und das so schnell wie möglich! Noch während sie sich in diesem Gedankengang befand, lichtete sich der Wald urplötzlich und die Gruppe befand sich auf freier Flur: Das Gebirge war erreicht. Dante hielt wie immer an und rief: "Hier werden wir die Nacht verbringen! Der Weg übers Gebirge ist bei Dunkelheit zu gefährlich!" Weitere Worte sprach er nicht, sondern er setzte sich abseits der Gruppe auf einen der Felsbrocken, die hier aus dem Boden ragten, die letzten Ausläufer des Gebirges. Mit gesenktem Kopf dachte er wieder an seine Vergangenheit...

"Dante? Alles okay?" Dante schaute auf, direkt in Less' besorgtes Gesicht. "J...ja... mir geht's gut..." Less packte ihn am Kinn und zog sein Gesicht wieder nach oben, als er gerade den Kopf senken wollte. "Das glaube ich dir nicht! Was ist los?" Dante seufzte. "Weißt du, dieser Ort hier... das ruft Erinnerungen wach..." Less nickte. "Ich versteh schon... weißt du was? Leg dich am besten hin und schlaf ne Runde, ich übernehme deine Wache!" Dante wollte gerade widersprechen, als Less noch einwarf: "Du hast die letzten paar Tage kaum geschlafen und immer aufgepasst... jetzt bin ich mal dran! Ich kann sowieso nicht schlafen, warum soll ich da nicht die Wache übernehmen?" Dante war einverstanden. Er nickte leicht lächelnd, bedankte sich bei Less und legte sich dann zum Schlafen hin. Binnen von Sekunden war er eingeschlafen und versank in einem tiefen Traum...

Das große Gebirge

"Dante...Dante... hörst du mich...?" Er drehte sich in die Richtung, aus der die Stimme zu kommen schien. "Wer... wer bist du?" Er sah einen leichten Lichtschein, der die undurchdringliche Finsternis leicht erhellte. "Dante, hör mir zu..." Das Licht kam immer weiter auf ihn zu geschwebt und wurde immer heller, bis es schließlich so gewaltig leuchtete, dass der Junge geblendet wurde. Als sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah er, wovon das Licht ausgegangen war. Inmitten des Lichtes stand eine schöne Frau in einem langen, weißen Kleid. Auf ihrer Brust prangte ein blendender, reiner Diamant, gefasst in eine zierliche, goldenen Brosche. Ihre Haut war hell, hatte aber noch einen schönen, rosigen Teint, ihr Haar war lang und silbern, als hätte sie das Alter von 60 Jahren schon weit überschritten. Das ungewöhnlichste an ihr waren jedoch ihre Augen. Sie waren komplett violett und starrten ihn ausdruckslos an. Auch schien diese Frau keine Pupillen zu haben. "Ich bin Melina, die Hohepriesterin Kains. Dante, ich habe eine Aufgabe für dich!" Dante stockte der Atem. Er hatte schon oft von Melina gehört, der blinden Hohepriesterin Kains, des Götterdrachen... die höchste Richterin auf Amlug, deren Urteil über allem Stand, das weiße Gegenstück zu Airin... wie alt mochte sie wohl sein? "Kain befahl mir." Dante blickte erst verunsichert zu Boden, dann hob er den Blick wieder. "Was für eine Aufgabe könnte es geben, die ich für Kain verrichten könnte?" Melina hob den Arm, ihre Augen glimmten kurz auf. Dann sagte sie mit seltsam verzerrter Stimme: "Beschütze Alexa, denn sie ist das Tor zur Einen Macht, sie ist die, die überleben muss, damit Amlug überlebt!" Dante schaute Melina verwirrt an. "Was?" Melina senkte den Blick. "Ich kann dir nicht erklären, was es bedeutet... dies waren die Worte Kains, die er mir eingab und mir befahl, sie dir zu sagen." Sie schaute Dante wieder in die Augen. "Mein Auftrag ist erfüllt. Was ich jetzt tue, ist eigenmächtiges Handeln, aber... Dante, bring Alexa zu mir! Bring sie zum weißen Palast auf dem höchsten Gipfel dieser Welt!" "Der höchste Gipfel dieser Welt?" "Nimrais!" Dante verstand nicht. "Nimrais?" Melina wandte sich ab. "Ich muss wieder gehen. Geh nach Orkania, Dante! Suche Typhoon auf! Er wird dir sagen, was zu tun ist!" Dann ging sie wieder und Dante blieb allein in völliger Dunkelheit zurück.

Er wachte auf. Was für ein seltsamer Traum... der junge Mann stützte sich mit den Händen am Boden ab und drückte seinen Oberkörper nach oben, als er etwas unter seiner rechten Hand bemerkte. Das war kein Stein, auf keinen Fall... er ergriff den Gegenstand. Was ist das denn?, dachte er, doch noch während diesem Gedanken erkannte er das Siegel Kains. In seinem Kopf hörte er Melinas seltsam verzogene Stimme widerhallen. 'Beschütze Alexa, denn sie ist das Tor zur Einen Macht, sie ist die, die überleben muss, damit Amlug überlebt!' Was hatte das zu bedeuten? Was sollte das sein, die 'Eine Macht'? Er kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. "Dante, du bist wach? Mann, siehst irgendwie übel aus..." Less beugte sich besorgt über seinen langjährigen Freund. Dante lächelte ihn an. "Keine Sorge, Less, mir geht's gut... ich hatte eben nur eine Eingebung von Melina, der Hohepriesterin Kains und hab von ihr den Auftrag bekommen, Alexa zu beschützen... aber ansonsten gibt's nichts Besonderes..." In seiner Stimme lag soviel Ironie, dass Less losprustete. "Du hast WAS? Willst du mich verarschen oder was?" Dantes Miene wurde wieder ernst und er schüttelte den Kopf. "Nein, will ich nicht!" Dann warf er Less das Siegel Kains vor die Füße. Dieser konnte nur noch hervorbringen: "Irre..." Dante stand auf und ging zum etwas abseits gelegenen Lager, wo sich die Leute langsam erhoben und auf die Weiterreise vorbereiteten.

Weniger als eine Stunde später war alles für die Weiterreise fertig. Dante schwang sich auf sein Pferd und sagte: "Wir werden nicht mehr lange auf unseren Pferden reiten können... über die schmalen Pfade müssen wir sie führen! Und zieht euch warm ein, auf den höchsten Pfaden wird es verdammt kalt werden!" Der Anstieg begann. Nach etwa einer Stunde war es unmöglich, weiter zu reiten und die Tiere mussten am Zügel geführt werden, eins nach den anderen. Besonders für Chiara war der Aufstieg schwer, da sie hohe Schuhe trug und immer wieder mit den Knöcheln abknickte. Wo zuerst noch grüne Wiesen gelegen hatten, war bald nur noch eine zerklüftete Felslandschaft, auf der vereinzelt Pflänzchen, Büsche oder verkrüppelte Bäume wuchsen. Ein kleiner Bergbach zog sich neben dem Pfad entlang, doch bald wurde er schmaler und verschwand in einem Stein, vermutlich seiner Quelle. Und jetzt schlug auch noch das Wetter um. Der blaue Himmel verfinsterte sich, dunkle Wolken verdeckten die Sonne. Und dann begann es zu regnen. Es wurde immer heftiger und heftiger, bis es so schien, als würde man unter einem Wasserfall laufen. Das erschwerte den Aufstieg für Mensch und Tier enorm, denn jetzt wurden die leicht sandigen und felsigen Wege matschig und glitschig. Immer wieder rutschten die Pferde oder ihre Pferde aus und konnten sich nur knapp vor einem Sturz retten. Denn dieser hätte verheerende Folgen haben können. Rechts des Pfades klaffen immer öfter tiefe Abgründe und Felsenschluchten. Der Weg schien wirklich am südlichsten Ende dieses majestätischen Gebirges zu verlaufen. Alexa hatte immer mehr Mühe, dem Pfad zu folgen, sie strauchelte immer mehr. Bald blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als sich mit einer Hand an der Felswand zu ihrer linken abzustützen und nur sehr langsam voran zu kraxeln. Dante beobachtete sie aufgrund seiner neuen Aufgabe die ganze Zeit aufmerksam. Natürlich bemerkte er auch, was für enorme Probleme sie hatte. Doch jetzt konnte er nichts tun, denn er war ganz vorne und sie recht weit hinten. Und jetzt einfach zu ihr gehen, das war unmöglich. Er blickte zum Himmel und betete im Stillen, dass sie bald das Felsplateau erreichen würden, auf dem er zu rasten gedachte. Doch bis dorthin waren es noch über zwei Stunden Weg.

Das Mädchen quälte sich immer weiter nach vorne. Sie wurde immer langsamer und bleib mit den fünf Leuten, die noch hinter ihr waren, immer weiter hinter der Gruppe zurück. Am liebsten wäre sie auf der Stelle zusammengebrochen und auf dem Weg liegen geblieben. Warum nur fühlte sie sich so schwach? Und jetzt begann auch noch ihr Knöchel, wieder zu schmerzen... sie fröstelte. Der Regen klatschte erbarmungslos und eiskalt auf ihr Gesicht und ihre Arme, so schien es ihr zumindest. Es tat ihr regelrecht weh, wenn die Tropfen auf ihrer Haut landeten. Und jetzt wurde ihr auch noch schwindelig... sie strauchelte wieder und krallte sich im letzten Moment an der Mähne ihres Pferdes fest. Plötzlich hörte sie leise Stimmen. Sie wisperten in einer grausamen Sprache, die sie nicht verstand. Doch sie verstand die Worte 'Kron' und 'Airin'. Das mussten Namen sein... Kron war der schwarze Chaosdrache, doch wer war bloß Airin? Es war auch egal. Der Name ließ sie erschauern. Sie stolperte wieder und fiel fast, als sie etwas am Arm packte. Sie schaute hoch und blickte in Geros Gesicht. "Alexa, alles in Ordnung?" Doch sie war nicht mehr in der Lage zu antworten. Ihr wurde schwarz vor Augen und die grausamen Stimmen immer lauter. Wie riesige wellen brach das Getöse der Stimmen über sie herein. "Rufus...", flüsterte sie, "Rufus, hilf mir..." Als sie den Namen Rufus sprach, ging ein schriller Schrei des Entsetzens durch all die Stimmen und bereitete ihr rasende Kopfschmerzen. Sie blickte auf und konnte Geros Gesicht sehen. "Gero... Hilfe... sag ihnen, sie sollen still sein..." Ihr stiegen Tränen in die Augen. Sie sackte wieder zusammen... "Verdammt...", murmelte Gero, dann schrie er aus vollem Leibe: "Dante! Komm her, schnell! Alexa braucht Hilfe!"

Dante fror in seiner Bewegung ein. Alexa brauchte Hilfe? Er warf Less den Zügel seines Pferdes hin und rannte an der Gruppe vorbei in die Richtung, aus der er gekommen war. Die Szene, die er sah, jagte ihm Angst ein: Gero hielt Alexa in den Armen, die völlig zusammengesackt war. Sie war noch blasser als sonst und zitterte am ganzen Körper. "Alexa!", rief er entsetzt, "Was ist denn mit dir?" Er riss sie aus Geros Armen und schlug ihr leicht auf die Wangen. Das Mädchen öffnete leicht die Augen und flüsterte heiser: "Bitte... sie sollen still sein..." Dann kniff sie die Augen zusammen und drückte die Arme gegen ihren Kopf. "Rufus... Rufus... Hilf mir..." Dante wusste nicht, wie ihm geschah, als er plötzlich in einem gewaltigen Leuchten stand. Er sah nichts mehr, außer grellem, weißen Leuchten...

"Mylady... ich bin hier..." Sie schaute auf. Sofort waren alle ihre Schmerzen verflogen und die Stimmen in ihrem Kopf verstummten. "Rufus..." Er erschien ihr jetzt noch schöner als bei ihrer letzten Begegnung. Ihr Atem stockte und ihr Herz schlug so schnell, dass es drohte, zu zerspringen. Rufus legte ihr kurz die Handfläche auf die Stirn, schloss die Augen und verschwand dann wieder. Das Mädchen erwachte in Dantes Armen. "Verdammt, was war denn das für ein Licht?", wand sich dieser an Gero. Gero zuckte mit den Schultern. Da öffnete Alexa die Augen. "Alexa! Geht's dir gut?" Gero machte sich sichtlich Sorgen um das Mädchen. Sie nickte. "Mein Kreislauf hat wohl nicht mehr mitgemacht... tut mir leid, wenn ich euch Sorgen gemacht hab..." Dante schaute sie wütend an. "Das nächste mal sag mir bitte vorher, wenn du eine Kollaps hast, ja?" Sie lächelte. "Klar!" Von Rufus sagte sie bewusst kein Wort, da ihr die beiden Männer wahrscheinlich nicht geglaubt hätten.

Nach diesem Zwischenfall ging die Reise wieder recht gut weiter. Alexa humpelte zwar wieder etwas wegen ihres Knöchels und ging recht langsam, doch sie stand aufrecht. Der Regen tat ihr nicht mehr weh und auch die Stimmen in ihrem Kopf waren verschwunden. Sie dankte Rufus in Gedanken immer und immer wieder. Doch Dante war beunruhigt. Kreislaufkollaps? Das glaubte er ihr nicht so recht... Und dieses seltsame Licht, nachdem es ihr wieder besser ging, das war doch wohl keine Einbildung gewesen? Nein, unmöglich, Gero hatte es ja auch gesehen! Da waren definitiv irgendwelche Mächte am Werk, die Dante nicht verstand und wahrscheinlich auch gar nicht verstehen wollte. Widerwillig lief er weiter voran, während Alexa weit hinten zurücklag und jederzeit wieder kollabieren könnte...

Nach einer weiteren Stunde war das Plateau endlich erreicht. Dante atmete endlich wieder auf. Und Alexa streckte sich der Länge nach auf einem Felsen aus und genoss den Regen auf ihrer Haut. Er schien ihr jetzt nicht mehr so kalt wie zuvor, sondern angenehm und erfrischend. "Alexa?", hörte sie Dantes Stimme neben sich, "Ist mit deinem Fuß alles in Ordnung?" Sie blickte auf. "Ja, danke... und... entschuldige, dass ich wieder alles so dermaßen aufgehalten habe..." Als sie in Dantes Augen blickte, bekam sie ein schlechtes Gewissen. Und andererseits wunderte sie sich, dass er so besorgt um sie war. "Dante, was ist eigentlich los mit dir? Warum machst du dir plötzlich solche Sorgen um mich?" Er wand sofort den Blick ab und erwiderte hektisch: "Ach, nur so! Hat keinen bestimmten Grund!" Alexa stieß ihm mit der Faust in die Seite. "Bist du etwa in mich verknallt?" Er wand sich nun wieder zu ihr, grinste sie an und antwortete: "Das hättest du wohl gern, Süße!" Sie blickte nachdenklich nach oben. "Hm...naja...bin mir nicht sicher! Ich wüsste noch jemanden, bei dem es mir lieber wäre, wenn er sich in mich verknallen würde!" Sie dachte wieder an Rufus und wurde sofort rot. Dante lachte auf. "Aha, da ist wohl jemand verliebt bis über beide Ohren! Wer ist denn der Unglückliche?" Alexa erwiderte, halb in Trance: "Du kennst ihn sowieso nicht..." Dante knuffte sie in die Seite. "Is ja auch nicht so wichtig! Weißt du was? Ich trag dich das nächste Wegstück, ja?" Sie schaute ihn fragend an, worauf er mit dem Kopf auf ihren Fuß deutete. "Mit DEM Knöchel schaffst du das nicht, ganz ausgeschlossen!" Sie nickte. "Gut, danke." "Nichts zu danken! Und jetzt iss mal was, Kleine, sonst fällst du mir noch vom Fleisch! Und das kann ich nicht gebrauchen!" Er ging wieder zurück zu seinen Freunden. Sie war ja irgendwie süß... Er ertappte sich, wie er dachte, dass sie wirklich wunderschön wäre. Dante, hör auf, sowas zu denken! Sie ist noch ein Kind, denk dran! Er seufzte. Verdammt nochmal, sie war ein Kind... aber ein sehr hübsches Kind... Gero beobachtete ihn skeptisch. Er hatte das Gespräch der beiden zufällig mitbekommen und der Gedanke daran, dass Dante Alexa tragen würde, passte ihm gar nicht. Also ging er zu ihm und schlug höflich vor: "Dante, ich habe eben zufällig gehört, dass du Alexa das nächste Wegstück tragen willst... aber ist das für dich als Anführer nicht zu stressig? Wie wäre es, wenn ich sie trage?" Dante, der sich gerade gesetzt hatte, blickte zu Gero auf und grinste breit. "Soso, zufällig hast du unser Gespräch mitbekommen? Nein Gero, danke, aber Alexa wiegt so gut wie nichts... es ist kein Problem für mich, sie zu tragen! Und du hast auch keinen Grund, eifersüchtig zu sein! Sie ist vielleicht ganz niedlich und ich passe meinem Auftrag gemäß auf sie auf, aber sie ist und bleibt in meinen Augen ein Kind!" Zähneknirschend und ohne ein weiteres Wort kehrte Gero wieder zur Ritterschaft zurück. Dieser Kerl konnte einem mit seiner Art wirklich den letzten Nerv rauben! Sven Tellamon entdeckte zufällig Geros düsteren Blick und gesellte sich zu ihm. "Ihr mögt den Kerl nicht besonders, habe ich Recht, Ritter von Weihenfels?" Gero nickte und setzte sich resigniert auf einen größeren Stein. Sven nahm neben ihm Platz. "Was haltet Ihr davon mit mir gemeinsam dafür zu sorgen, dass er unsere Gruppe verlassen muss?" Gero blitzte Sven wütend an. Er hatte ihn noch nie besonders gut leiden können, dieses Tellamon... "Aha, das ist mal wieder bezeichnend für Euch, Sven Tellamon! Ein hinterlistiger, feiger Plan um Dante auszuspielen! Setzt Eure Pläne allein durch, das ist nicht meine Kragenweite!" Mit diesen Worten stand er auf und ging zu Shannon. Gero mochte Dante zwar nicht, aber er wusste, dass der Halbdämon ein besserer Führer war als Sven und dass er die Gruppe gut führte. Und seine Ehrenhaftigkeit bezweifelte er auch keine Sekunde lang. Er setzte sich zu Shannon und unterhielt sich ein wenig mit ihr.

Bald darauf hieß es sich wieder auf de Weiterreise zu machen. Dante nahm Alexa huckepack und drückte ihr den Zügel seines Pferdes in die Hand. Alexa lenkte ihren Blick kurz durch die Menge und meinte, in Geros und Chiaras Augen ein kurzes, eifersüchtiges Aufblitzen zu sehen. Doch den Gedanken daran, dass Chiara vielleicht in Dante verliebt war, verwarf sie schnell wieder. Chiara ging schließlich nach Orkania, um sich auf ihre Ehe vorzubereiten und nicht um sich mit irgendeinem Kerl, den sie mitten im Wald getroffen hatte, einzulassen! Ruckartig setzte sich Dante plötzlich in Bewegung. Das Mädchen auf seinem Rücken erschrak etwas. "Sag mal... bin ich dir wirklich nicht zu schwer?", fragte sie nach ungefähr 15 Minuten. Der Halbdämon schüttelte den Kopf. "Ach was, du wiegst doch so gut wie nichts! Mach dir mal darum keine Sorgen, wenn du zu schwer wirst, lass ich dich einfach fallen!" Alexa schlug ihm auf die Schulter. "Das lässt du gefälligst bleiben!" Dante begann zu lachen. Er lachte herzlich und laut und nach kurzer Zeit lachte das Mädchen einfach mit. Als diese Lachattacke vorbei war, legte sie den Kopf auf seine Schulter und schloss die Augen. Er schaute sie aus dem Augenwinkel an und fragte: "Müde?" Sie erwiderte: "Erschöpft von vorhin... macht es dir was aus, wenn ich ein wenig schlafe?" Er schüttelte den Kopf. "So lange du nicht trittst und schlägst und dich halbwegs ruhig verhältst, kannst du tun und lassen, was du willst!" Alexa kuschelte sich noch enger an ihn. "Danke..." Dann schlief sie ein und blieb ruhig auf seinem Rücken liegen. Dante kümmerte sich nicht weiter um sie und führte die Gruppe unbeirrt und in gleicher Geschwindigkeit wie vorher weiter und gegen Abend war die Schneegrenze des Gebirges erreicht. "Dante, müssen wir wirklich über den Hochpass?", fragte Less ihn unruhig. Der Gefragte nickte. "Mit den Pferden schon! Oder willst du die Tiere etwa hier lassen?" Less schüttelte den Kopf. "Aber du weißt, was sich da oben des öfteren herumtreibt!" Dantes Miene verfinsterte sich ein wenig. "Mit den paar Orks werde ich ja sogar alleine fertig! Und wir haben 25 ausgebildete Krieger dabei, da dürfte das kein Problem geben!" Doch Dante musste zugeben, dass er sich auch ein kleines Bisschen sorgte. Alleine mit zehn Orks fertig zu werden war etwas anderes als noch jemanden gegen diese Orks verteidigen zu müssen! Aber es gab jetzt keinen anderen Weg mehr als den Hochpass und er konnte Chiara ja schlecht sagen, dass sie doch um das Gebirge herum wandern müsse, weil er sich Sorgen um Alexa machte. Also setzte er den Weg trotz aller Einwände seiner Freunde fort. Der Pfad kletterte steil und kerzengerade das Gebirge hinauf und bald war die ganze Landschaft verschneit. Die dunklen Wolken verhangen immer noch den Himmel, doch im Moment schneite es nicht, genauso wenig wie es weiter talwärts regnete. Doch der junge Mann blickte skeptisch in die Höhe. Er hatte eine böse Vorahnung. Das sah ganz nach einem üblen Schneegestöber aus, wenn nicht sogar ein Schneesturm aufziehen würde... wo sollte er denn in diesem Fall Unterschlupf finden? Als er in seinem Gedächtnis kramte, fiel ihm eine große Höhle ein, in der genug Platz für die Karawane und ihre Pferde wäre. Einziger haken: Diese Höhle wurde jedes Mal, wenn er hier war, von neuen Orks bewohnt und musste immer wieder von diesen gereinigt werden. Er überlegte kurz und rief dann Gero zu sich. "Gero, was denkt Ihr... sollen wir eine von Orks bewohnte Höhle säubern und dort übernachten oder unser Lager im Freien aufschlagen?" Gero schaute genauso skeptisch zum Himmel wie Dante vorher. "Das Wetter sieht übel aus... wie viele Orks befinden sich vermutlich in dieser Höhle?" Dante zuckte die Schultern. "Das kann ich nicht genau sagen... aber die Höhle bietet genug Platz für gut 100 von ihnen!" Geros entsetzter Blick sprach Bände. "Aber wenn ich dort war, waren immer nur höchstens zwanzig Stück dort!", fügte der Führer schnell hinzu, um Gero zu beruhigen. Dieser setzte einen entschlossenen Blick auf und sagte: "Also gut... lass uns ein paar Orks niedermetzeln gehen!" Dante nickte und ging etwas schneller, mit entschlosseneren Schritten voran.

Es stellte sich bald heraus, was für eine gute Entscheidung es gewesen war, den Weg zur Höhle einzuschlagen. Ungefähr zehn Minuten, bevor die Gruppe zur Höhle kam, setzte ein beinahe unheimliches Schneegestöber ein. Die Sichtweite betrug nur noch wenige Meter und es war unmöglich, noch weit zu gehen. Kurz bevor die Höhle erreicht war, weckte Dante Alexa, die immer noch auf seinem Rücken schlief, deutete ihr, auf sein Pferd aufzupassen und zog dann sein Schwert aus der Scheide. Alexa lief bei dem Geräusch ein Schauer den Rücken herunter... Dante stellte sich direkt vor den Eingang der Höhle, gab seinen Männern Zeichen, sich im Halbkreis um den Eingang aufzustellen, wies die Ritter an, ihre Schwerter zu ergreifen und rief dann, so laut er konnte: "Hey, ihr dreckigen Mistdinger da drin! Hat euch schon mal jemand gesagt, wie unglaublich hässlich ihr Orks im Vergleich zu Ogern seid?" Das war für die Orks eine unheimliche Beleidigung. Zwischen Orks und Ogern herrschte seit langer Zeit eine unglaubliche Feindschaft, doch niemand wusste mehr so recht, warum überhaupt. Auf jeden Fall behauptete jedes der beiden entstellten Völker, schöner zu sein als das andere. Direkt nachdem Dante diese Sätze heraus geschrien hatte, begann in der Höhle ein Gröhlen und Rumoren ohnegleichen. Waffen wurden gezogen, Stühle und Tische umgestoßen und nach weniger als drei Minuten stürmten ungefähr dreißig voll bewaffnete und gerüstete Orks heraus. Dem ersten schlug Dante den Kopf ab, der zweite wurde von Less in Taillenhöhe geteilt. Innerhalb von zehn Minuten war der Kampf vorbei. Das Ergebnis waren dreißig tote Orks im Schnee und eine Schnittwunde an Dantes Wange. Wieder einmal hatte Dante bewiesen bekommen, dass Orks zwar kräftig und brutal waren, es aber in keiner Hinsicht mit geübten Kriegern aufnehmen konnten. Er gab ein Handzeichen, dass alle sich in die Höhle begeben sollten und ging voran. Drinnen klopfte er zuerst einmal den Schnee von seiner Kleidung und setzte sich dann an das Lagerfeuer, das noch in der Mitte der Höhle brannte. Alexa war beeindruckt. Sie befand sich jetzt in einer großen Höhle, in der überall notdürftig gezimmerte Stühle und Tische standen: Das Werk der Orks. Außerdem befanden sich einige Vorräte und etliche Schätze hier. In der Mitte der Höhle brannte ein großes Lagerfeuer, an dem Dante sich gerade wärmte und es war sogar Heu gelagert. Hier war offensichtlich jemand am Werk gewesen, der Tiere mit auf die Reise genommen hatte! Aber Orks und Tiere? Wahrscheinlich war hier eine arme Reisegruppe von den Grünhäuten überrascht und niedergemetzelt worden... Alexa lief ein Schauer den Rücken hinunter. Was, wenn ihre Gruppe ebenfalls angegriffen würde...? Und da hatte sie wieder Rufus vor Augen, wie er vor ihr kniete und sagte: 'Wenn irgendwer oder irgend etwas danach trachtet, Euch zu bedrohen oder gar zu schaden, werde ich zur Stelle sein und Euch als Euer treu ergebener Diener davor bewahren!' Sie errötete leicht. Wieder einmal fragte sie sich, warum Rufus ausgerechnet ihr half.... warum eigentlich nicht Chiara? Die war wenigstens noch wichtig... noch während dieses Gedankenganges setzte in ihrem Kopf wieder dieses beängstigende Gemurmel ein... doch diesmal konnte sie Worte in einer Sprache heraus hören, die sie an die Sprache des Südens erinnerte: 'Rosa Nera Sussurrante Piange Sangue D'Innocenza! Dall'Abisso Lei Ritorna Per Urlare La Sentenza! Kron! Airin! Necros, Dagma, Atra, Krona! Kron! Airin! Fuoco, Pianto, Sangue, Cancro! Morte Nera Dentro Me! Sacra Lotta Dura Cruda Di Ideali Senza Eta'! Quando Corpus Morietur Fac Ut Animae Donetur! Kron! Airin!' Das Mädchen schluckte und wollte zum Feuer zurückgehen, doch sie schwankte und kippte bald nach vorne. Dante schaffte es noch knapp, sie aufzufangen. Alexa krümmte sich vor Schmerz, der ihren ganzen Körper durchzuckte. "Alexa, was ist los mit dir?", fragte Dante besorgt. Sie antwortete ihm, indem sie die Worte wiederholte, die sie hörte: "Rosa Nera Sussurrante Piange Sangue D'Innocenza! Dall'Abisso Lei Ritorna Per Urlare La Sentenza! Kron! Airin! Necros, Dagma, Atra, Krona! Kron! Airin! Fuoco, Pianto, Sangue, Cancro! Morte Nera Dentro Me! Sacra Lotta Dura Cruda Di Ideali Senza Eta'! Quando Corpus Morietur Fac Ut Animae Donetur! Kron! Airin!" Dante erkannte diese Wörter. Und es war nicht die Sprache des Südens, sondern die verfluchte Sprache des Chaos, in der Kron angebetet wurde. Und dies war eindeutig eine Huldigung Krons und seiner Hohepriesterin Airin. Er nahm das Siegel Kains, das er in einem kleinen Beutel an seinem Waffengurt trug, heraus und legte es in Alexas Hände. Dann betete er im Stillen zu Kain, dass er ihr beistehen solle. Und siehe da, innerhalb weniger Minuten entspannte sich Alexas schmerzverzerrtes Gesicht und sie öffnete wieder die Augen. Dante strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Alexa, was ist denn los mit dir? Warum machst du mir solche Sorgen?" Sie richtete ihren Oberkörper auf. "Ich weiß es doch nicht, Dante...ich weiß es doch nicht..." Seltsamerweise hatte sich die ganze Zeit keiner außer Dante dafür interessiert, was mit Alexa passiert war Plötzlich stürmten alle auf sie ein. "Oh Gott, Kleine, bist du in Ordnung?" Geduldig beantwortete sie alle Fragen. Dante wurde plötzlich unglaublich müde. Er schaffte es gerade noch, sich auf den Boden zu setzen, als er auch schon tief einschlief...

Er befand sich wieder in völliger Dunkelheit und wieder konnte er ein Licht sehen. Melina kam wieder auf ihn zu und sagte: "Dante, es gibt schlechte Nachrichten... die Gegenseite weiß nun auch, dass Alexa das Tor zur Einen Macht ist und versucht, dieses Tor zu zerstören! Sie versuchen, in ihren Geist einzudringen und ihren Verstand kollabieren zu lassen... gib ihr das..." Sie öffnete die Hand und streckte Dante ein dünnes, goldenes Halskettchen mit einem lupenreinen Diamant als Anhänger entgegen. "Es wird ihren Geist vor den Angriffen Airins schützen... doch ich bin sicher, dass sie bald ihre bösen Truppen ausschicken wird, um Alexa zu schaden. Du musst sie beschützen!" Dann war sie wieder verschwunden und der junge Mann erwachte. Er richtete sich auf und öffnete seine zur Faust geballten rechte Hand. Da war tatsächlich dieses dünne Kettchen mit dem Diamant... was war hier bloß los? Dante fand das alles mehr als verwirrend... aber ihm blieb nicht viel übrig, als sich zu fügen, denn er glaubte an die Macht der Drachen und wollte sie nicht gegen sich aufbringen. Also ging er zu Alexa, fasste sie leicht am Arm und machte ihr durch eine Kopfbewegung verständlich, dass sie ihm folgen solle. Das Mädchen tat dies, ohne sich großartig zu wundern. In einer abgelegenen Ecke der Höhle öffnete Dante schließlich seine Faust und streckte ihr die Kette mit dem Anhänger entgegen. "Das ist für dich..." Sie schaute zuerst auf den Diamant, dann in Dantes Augen. "Wo um alles in der Welt hast du das her, Dante?" Er wand den Blick ab und erwiderte: "Würdest du mir sowieso nicht glauben... nimm schon!" Alexa erwiderte: "Wenn du wüsstest, wieviel ich glaube! Jetzt erzähl schon!" Dante erzählte ihr jetzt die Geschichte, angefangen bei seinem ersten Traum in der Nacht zuvor. Alexa nickte nachdenklich und fragte: "Und dieser Diamant kann mich vor Airins Attacken beschützen?" Dante nickte. "So hat es Melina gesagt, ja." Das Mädchen streckte die Hand aus, nahm die Kette und hängte sie sich um den Hals. "Ich danke dir, Dante!" Sie lächelte ihn bezaubernd an. Er lächelte zurück und antwortete: "Gern geschehen, Kleine!" Irgendwie war er jetzt erleichtert. Auch, wenn er Alexa nicht vor geistigen Attacken beschützen konnte, mit den Untergebenen von Airin konnte er sich allemal messen. "Dante?" "Hm?" "Du siehst so glücklich aus... gibs doch zu, du liebst mich!" Er verpasste dem Mädchen eine leichte Kopfnuss. "Das bleibt dein Traum!" Alexa erwiderte kichernd: "Wohl eher mein Alptraum!" Er drehte sich um, ging wieder zum Feuer und rief ihr über die Schulter zu: "Das merk ich mir, darauf kannst du Gift nehmen!" Nach einiger Zeit ging auch Alexa wieder zum Feuer und setzte sich zu Shannon. Dieser fiel natürlich als erstes die Halskette auf. "Irre! Wo hast du das Ding her?" Alexa warf einen kurzen, unbemerkten Seitenblick auf Dante, dann erwiderte sie: "Hab ich gefunden..." "Wo?" Alexa deutete mit dem Finger in die Ecke. In der sie vorher mit Dante gestanden hatte. "Aber da ist nichts mehr... nur noch so Megaklunker..." Shannon seufzte. "Du hast immer ein unverschämtes Glück mit sowas!" Alexa gähnte. "Mann, ich bin schon wieder müde..." Shannon erwiderte trocken: "Dann schlaf doch einfach!" Daraufhin musste Alexa kichern. "Weißt du was, Shannon?" "Hm?" "Du bist die Beste!" "Danke, ich weiß, und jetzt leg dich hin!" Shannon stand auf, zog Alexa auf die Beine und schob sie zu einem der wenigen noch freien Nachtlager. Alexa ließ sich auf das Lager fallen und schlief ebenso schnell ein, wie sie es schon am Nachmittag getan hatte. Gero, der neben Shannon gesessen hatte, schüttelte den Kopf. "Mann, die schläft ja so viel wie ein Faultier heute! Irgendwas stimmt nicht mit ihr..." Shannon zuckte die Schultern. "Ist doch auch egal... so lange sie keine tödliche Krankheit hat..." Gero schaute unruhig zu dem Mädchen hinüber: "Mir gefällt das aber nicht..." Shannon seufzte. "Mann, Gero, Alexa ist kein Kind mehr, sondern eine Frau! Und Frauen haben sowas bekanntlich öfters! Vielleicht hat sie ne Migräne oder so..." Mit dieser Antwort gab sich Gero zufrieden, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, was eine Migräne sein sollte... wahrscheinlich irgendeine seltsame Laune der Natur, die nur bei Frauen auftauchte! Da es für ihn jetzt nichts mehr zu tun gab, beschloss er, sich auch schlafen zu legen. Der nächste Tag würde anstrengend werden...

Als Gero und Alexa eingeschlafen waren, ging Shannon zu Dante. "Hey, kann ich mich kurz zu dir setzen?" Dante, der die ganze Zeit in die züngelnden Flammen gestarrt hatte, blickte auf und nickte leicht. "Klar, machs dir bequem... was kann ich für dich tun?" Shannon kam ohne Umschweife auf das Thema zu sprechen, das sie diskutieren wollte. "Was fühlst du für Alexa?" Dante stellte sich dumm. "Wie meinst du das, was ich für sie fühle?" Shannon schaute ihn grimmig an. "Du weißt genau, was ich meine!" Der junge Mann seufzte. "Ich weiß es selber nicht... hey, Shannon, ich kenne sie erst seit vier Tagen! Da entstehen noch nicht so gravierende Gefühle!" Shannon ließ nicht locker. "Aber du kümmerst dich übermäßig um sie und lässt sogar Chiara links liegen!" Er antwortete ohne eine Regung: "Das hat andere Gründe, ganz andere Gründe... und sie kennt diese Gründe auch! Also muss ich sie dir nicht sagen!" Sie bohrte noch einige Zeit weiter, doch Dante ging nicht darauf ein. Für ihn war das Gespräch beendet. Also gab Shannon irgendwann auf und legte sich auch hin. Ihr letzter Gedanke an diesem Abend war, dass Dante erstaunlich wenig Schlaf brauchte...

Gero

Gero wurde früh am nächsten Morgen geweckt. Dante bestand darauf, dass er als kräftiger junger Mann dabei helfen sollte, die Höhle nach allem Möglichen zu durchsuchen und Dinge, die brauchbar für die Gruppe sein könnten, zu sammeln und zu den Pferden zu bringen. Widerwillig kam er dieser Aufforderung nach. Er schlenderte langsam in eine Ecke der Höhle und fing an, das Regal zu durchsuchen, das hier an der Wand stand. Er fand einige verdorbene Lebensmittel, ein demoliertes Kochgeschirr, zersprungene Teller und verbogenes Besteck. Nichts Brauchbares also. Der nächste Schrank war zwar mit interessanteren Gütern gefüllt, brachte im Endeffekt allerdings auch keine Ausbeute: In ihm befanden sich einige große Juwelen, ein schön gearbeiteter Langbogen und ein schwarzer Krummsäbel. Doch an der Wand dieses Regals lehnte etwas, was besonders für Gero interessant war: Ein kunstvoll gearbeitetes Langschwert mit geflammter Klinge und Mit Edelsteinen besetztem Heft. Vorsichtig nahm er die Waffe in die Hand und führte einige Probeschläge in die Luft aus. Das Schwert war gut ausbalanciert, gut geschmiedet und lag gut in der Hand... nahezu perfekt! Er beschloss, dieses Schwert mitzunehmen und anstatt des Langschwertes zu tragen, das er im Schloss bekommen hatte. In seiner Kindheit auf Weihenfels hatte er sowieso mit einer geflammten Klinge gekämpft, diese beherrschte er einfach besser. Ja, damals auf Weihenfels...
 

"Und eins, zwei, drei, vier! Sehr gut! Eins, zwei, drei, vier! Das machst du klasse! Eins, zwei, drei, vier! Und nochmal! Eins, zwei, drei, vier!" Bjorns Stimme hallte von den Mauern wider, die den Hof von Burg Weihenfels umgaben. Er war der Lehrer des Sprößlings des Burgherren. Bjorn van Engholm war ein weitgereister Ritter aus dem hohen Norden Amlugs und ein Meister im Umgang mit dem geflammten Langschwert. Richard von Weihenfels, mit dem er gut befreundet war, hatte ihn gebeten, dessen Sohn Gero das kämpfen mit eben dieser Waffe beizubringen. Und hier war er, auf Weihenfels, um dem Jungen das kämpfen beizubringen. Und er musste sagen: Der junge Gero war ein Naturtalent! "In Ordnung, Gero, machen wir eine Pause!" Gero ließ das Schwert sinken. "Aber wieso denn, Bjorn? Ich bin noch in Hochform! Ich könnte noch Stunden weiter machen!" Bjorn lachte auf. "Das hätte ich mir denken können! Aber ich kann leider nicht mehr stundenlang weitermachen, mein Junge, sonst bekomme ich morgen früh keinen Ton mehr heraus!" Er fasste sich kurz an den Hals und röchelte künstlich. "Ach so, ich verstehe..." Gero war sichtlich enttäuscht. Bjorn klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. "Aber dafür zeige ich dir morgen neue Schritte, ja?" Das Gesicht des Jungen hellte sich auf und ein Glitzern trat in seine Augen. "Au ja, das wäre toll!" Der Lehrer lächelte seinen Schüler an und wuschelte ihm durch die blonden Haare. "Und wenn du die neuen Schritte so gut kannst wie die, die wir eben geübt haben, dann kämpfen wir beiden mal!" Gero war mehr als begeistert. "Wirklich?" Der Andere nickte. "Toll!" Der Junge machte einen Luftsprung vor Freude und rannte einmal quer über den ganzen Hof. Bjorn beobachtete ihn lächelnd. "Gero?" Der Angesprochene kam zu ihm zurückgelaufen. "Ja?" "Wie ist das eigentlich? Willst du später einmal Ritter werden?" Gero nickte heftig. "Ja! Unbedingt! Ich will ein Ritter werden wie du und dem König dienen!" Bjorn lächelte ihn wieder an. "Das schaffst du bestimmt! Du bist wahrlich ein Naturtalent im Schwertkampf!" Bevor Gero darauf antworten konnte, rief seine Mutter Linna aus einem Fenster in den Hof hinunter: "Gero! Komm schnell herauf, es gibt Abendessen!" Gero rief zurück: "Ja, Mutter! Einen Augenblick!" Dann wand er sich wieder zu Bjorn. "Ist es wirklich schon so spät?" Bjorn nickte. "Schau doch, der Himmel ist schon ganz orange!" Mit einem Seufzen verabschiedete sich Gero von seinem Lehrer und rannte dann in Richtung des Tores, das zu den Gemächern der Burgherren führte. Dort angekommen, drehte er sich nochmals um und rief Bjorn zu: "Bis morgen, Bjorn! Ich bin zur üblichen Zeit im Hof!" Bjorn hob zum Abschied die Hand, und als Gero im Gebäude verschwunden war, machte er sich auf den Weg zu dem Gebäude, in dem die Gäste untergebracht wurden.
 

Gero lief zu den Sätteln, suchte seinen, zog sein Schwert aus der Scheide, die an einer Satteltasche befestigt war und ließ die geflammte Klinge hinein gleiten. Gut, es passte, er musste also keine neue Scheide suchen... sein Schwert stellte er dort ab, wo vorher das Geflammte gestanden hatte, dann ging er zurück zum Feuer. Er warf jedoch noch einen Blick auf den schwarzen Krummsäbel. Eine seltsame Waffe... wer sowas wohl benutzte? Am Feuer sagte er zu Dante: "Dort hinten ist nichts besonderes, außer einem Langbogen und einem Krummsäbel, aber das braucht keiner von uns, oder?" Dante schüttelte den Kopf und befestigte dann ein Langschwert samt Scheide, das er scheinbar gefunden hatte, an seinem Waffengurt und warf sein altes Schwert achtlos in eine Ecke der Höhle. Dann gab er den Befehl, die Anderen zu wecken und machte sich daran, einige der notdürftigen Stühle zu Kleinholz zu verarbeiten, um das Feuer anzufachen. Gero suchte sofort Shannon und Alexa und weckte die beiden Mädchen. "Aufstehen, ihr Schlafmützen!", rief er und rüttelte an den beiden. Shannon linste ihn zuerst aus einem halb geöffneten Auge an, dann erhob sie sich widerwillig. Alexa sprang sofort auf und war putzmunter. Das war also der Zweck dieses Dauerschlafs, überlegte Gero.

Bald waren Alle geweckt und munter beim Frühstücken. Alexa schien es wieder gut zu gehen, denn sie schaufelte Unmengen von Essen in sich hinein. Gero beobachtete sie mit geweiteten Augen. Erstaunlich, dachte er, dass in dieses Mädchen so viel Essen rein passt! Und er war nicht der einzige, der so dachte, denn viele der Anwesenden musterten Alexa mit erstaunten Blicken. Doch sie kümmerte das herzlich wenig. Sie war froh, etwas essen zu können.

Als dann auch Alexa ihr Frühstück beendet hatte, wurden die Pferde gesattelt und man machte sich auf den Weg. Dante bestand diesmal darauf, dass Alexa in seiner Nähe und somit an der Spitze des Zugs blieb. Das Mädchen war damit einverstanden, Gero hingegen war das nicht. "Dante, wieso soll sie denn unbedingt bei dir bleiben?", rief er herausfordernd, "Denkst du etwa, du kannst besser auf sie aufpassen als wir?" Der Halbdämon erwiderte trocken: "So ähnlich, Gero... weißt du, Alexa und ich haben uns gestern verlobt und deshalb hätte ich sie gern in meiner Nähe!" Als er das hörte, blieb Gero der Mund offenstehen. "Wa...was? Alexa!?!" Das Mädchen verstand, worauf Dante hinauswollte, und beschloss, das Spiel mitzuspielen. "Das ist die Wahrheit, Gero! Er hat mich gestern gefragt, ob ich seine Frau werden will, und ich hab 'Ja' gesagt!" Sie ging zu Dante, legte die Arme um seinen Hals und küsste ihn auf die Wange. "Aber...aber... du kennst ihn doch erst vier Tage!" Sie zuckte mit den Schultern. "Liebe auf den ersten Blick!" Dante strich ihr zärtlich übers Haar, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, die Gero nicht sehen konnte, und flüsterte ihr ins Ohr: "Hey, danke, dass du mitspielst!" Sie erwiderte leise: "So etwas mach ich immer gern!" Dann war es Zeit zum Aufbruch. Mit den Zügeln in der Hand verließen die Reisenden die Höhle, und kämpften sich mühsam einen Weg durch die Schneewehen. Es musste gestern Nacht noch schlimm geschneit haben, denn der Schnee war mindestens einen halben Meter höher als bei ihrer Ankunft an der Höhle. Alexa ging immer neben oder hinter Dante, war also nie mehr als drei Meter von ihm entfernt. Den Halbdämon beruhigte dies ungemein, Gero jedoch wurde davon alles andere als beruhigt. Es war furchtbar, einfach furchtbar...
 

Der kleine Gero wartete zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Treffpunkt, nämlich im Burghof. Nach einigen Minuten trat Bjorn zu ihm. "Bjorn van Engholm meldet sich zur Stelle!" Gero sprang sofort auf und griff nach seinem Schwert. "Los, fangen wir an!" Bjorn lächelte, zog dann sein Schwert aus der Scheide. "Okay, dann pass mal auf... ich zeig dir jetzt die komplette Kombination, die du können sollst..." Bjorn zeigte alle Schritte, die Gero bisher konnte -insgesamt 22- und hängt noch acht weitere dahinter. "Wie du siehst, ist es eine Kombination mit dreißig Schritten. Die musst du alle beherrschen, klar?" Gero nickte. "Also, ich zeig dir nochmal die acht, die wir heute machen wollen..." Er begann, Gero die Schritte zu zeigen. "Schau genau hin...eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht!" Er ging wieder zu Gero zurück. Gut aufgepasst?" Der Junge nickte. "Dann versuch gleich mal, sie mitzulaufen, aber langsam! Eins... zwei... drei... vier... achte auf die Beinarbeit.. fünf... sechs... sieben...acht...!" Er stellte sein Schwert kurz neben sich ab und stütze seinen Ellbogen darauf. "Sehr schön! Du bist wirklich ein Naturtalent!" Gero war jedes Mal stolz, wenn sein Lehrer so etwas zu ihm sagte. "Wenn du eifrig übst, können wir morgen schon die komplette Kombination probieren!" Der Junge freute sich riesig. "Okay, ich gebe mein Bestes, damit wir schnell die ganze Kombination machen können!" Bjorn lächelte ihn an. "Hey, du bist ja schon fast ein Papagei! Also, probieren wir es nochmal! Eins... zwei... drei...vier... fünf... sechs... sieben... acht...!" Bjorn wunderte sich jedes Mal aufs Neue. Der Junge hatte diese acht Schritte jetzt zweimal gesehen und einmal selbst gelaufen... und beim zweitem Mal, dass er sie lief, beherrschte er sie! "Unglaublich... einfach unglaublich... hey, jetzt versuchen wir das ganze Mal schneller!" Bjorn klatschte einmal in die Hände. "Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht!" Doch hierbei verhedderte sich Gero. "Entschuldige, Bjorn... ich hab einen Fehler gemacht..." Bjorn winkte ab. "Macht nichts! Gleich nochmal! Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht! Und nochmal! Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht!" Hierbei kam der Junge in Schwitzen. Es waren acht sehr schnelle Schritte, die auch noch in seltsamer Reihenfolge ausgeführt werden mussten. Doch nach ungefähr zwei Stunden hatte der Junge das Prinzip verstanden und machte nur noch kleine Fehler bei der Beinarbeit. Schweißperlen rannen ihm über die Stirn, doch er wollte einfach nicht aufhören. Da wurde die Zugbrücke heruntergelassen und eine Stimme schallte aus dem Wachturm über den Hof. "Der Burgherr kehrt zurück! Richard von Weihenfels kehrt zurück!" Sofort ließ Gero seine Waffe fallen. "Vater kommt wieder?" Richard von Weihenfels war drei Wochen weg gewesen. Er hatte eine Weinlieferung ins Schloss des Königs gebracht und war noch auf einem großen Fest gewesen. Prinzessin Chiaras zehnter Geburtstag war gefeiert worden, und der König hatte ihn eingeladen, doch am Fest teilzunehmen. Diese Bitte hatte er unmöglich ablehnen können, doch jetzt war er wieder daheim. Es freute ihn, die großen Weinberge wiederzusehen, die seine Burg auf allen Seiten umgaben. Und kaum fuhr er mit seinem Wagen über die Zugbrücke durch das Tor, kam ihm schon sein neunjähriger Sohn entgegen gerannt. "Vater! Du bist wieder da!", rief er mit strahlendem Gesicht. Richard von Weihenfels sprang vom Kutschbock und fing seinen Sohn auf, der ihm in die Arme sprang. Dann hob er ihn hoch in die Luft. "Ja, mein Junge, ich bin wieder da und ich bringe dir ganz besondere Nachrichten!" Gero legte den Kopf schief, als er wieder abgesetzt wurde. "Was für Nachrichten?" Sein Vater machte eine ausladende Handbewegung. "Der König sucht einen Knappen und fragte mich, ob mein Sohn das werden könnte!" Gero machte einen Luftsprung vor Freude! "Ich werde Knappe am Hof des Königs! Das muss ich Bjorn sagen!" Er drehte sich um, um zu seinem Lehrer zu rennen, doch dieser stand schon hinter ihm. "Ich habe es schon gehört, Kleiner! Und es freut mich für dich! Dann werden wir wohl noch mehr trainieren, damit du einen guten Eindruck machst!" Richard nahm seinen Sohn und setzte ihn sich auf die Schulter. "Aber jetzt feiern wir erst einmal! Los, Bjorn, du feierst mit uns!" Dann lief er in Richtung des Haupthauses. Unterwegs rief er einer Magd zu: "Sag dem Koch, er soll sich ins Zeug legen, wir feiern heute Abend! Und alle sind eingeladen, auch das Gesinde!" Die Magd nickte aufgeregt und rannte dann zum Gesindehaus. Gero wurde von seinem Vater ins Haus getragen und erzählte seiner Mutter sofort von der Aufgabe, die er übernehmen sollte. Am Abend dieses Tages wurde ein rauschendes Fest gefeiert, das bis in die frühen Morgenstunden andauerte.
 

Trotz der hohen Schneewehen kam die Gruppe schneller voran, als Dante gedachte hatte. Einmal müssten sie noch übernachten, dann wäre Orkania erreicht. Und dann? Er hatte sich geschworen, nie wieder in diese Stadt zu gehen und er war sich sicher, dass die Leute ihn erkennen würden, ihn, den Bastard, der einst ihre Kinder tötete. Doch sein Versprechen und seine Aufgabe waren zu gewichtig, um dies zu beachten. Aber... würde man ihn überhaupt in die Stadt einlassen? Er seufzte. Es war wirklich ein hartes Schicksal, das ihn ereilte... doch da ging ihm ein Licht auf. Man musste ihn in die Stadt einlassen! Er war jetzt ein Diener Kains und trug sein Siegel, und die Diener Kains hatten überall Zutritt, egal welcher Rasse sie angehörten. Immer wieder dachte er darüber nach, was Melinas, nein, Kains Worte zu bedeuten hatten... 'Beschütze Alexa, denn sie ist das Tor zur Einen Macht, sie ist die, die überleben muss, damit Amlug überlebt!' Die 'Eine Macht'... was mochte dahinter stecken? Vielleicht würde er die Antwort noch erhalten... ja, vielleicht würde ihm Melina selbst die Antwort geben! Sie hatte gesagt, er solle zu ihr kommen, zu ihr auf den Gipfel des Nimrais! "Dante?", hörte er Alexas Stimme neben sich, "Alles okay? Du siehst so niedergeschlagen aus..." Er hob seinen Blick und schaute ihr in die Augen. Leicht lächelnd sagte er: "Ja, alles okay... hab nur über etwas nachgedacht..." Mit dieser Antwort war das Mädchen zwar nicht ganz zufrieden, doch sie sagte nichts mehr. Wortlos ging sie neben Dante her, bis er irgendwann sagte: "Hey, Alexa, was willst du eigentlich machen, wenn du in Orkania bist? Ich meine... du musst doch einige Tage dort bleiben!" Sie schaute mit leerem Blick nach vorne, dann antwortete sie: "Ach, ich weiß noch nicht so recht... ich werde mir die Stadt anschauen, und ich hoffe, dass ich Einlass in den Tempel Typhoons gewährt bekomme! Und du? Was hast du vor?" Jetzt schaute sie ihn an. Er erwiderte: "Bei dir bleiben! Und auch in den Tempel Typhoons gehen. Ich habe eine Frage an den Hohepriester... nein, an Typhoon selbst, aber ob er mir antworten wird, ist fraglich..." Sie erwiderte: "Du bekommst auf jeden Fall Einlass!" Dann berührte sie mit einem Finger den kleinen Lederbeutel, der an seinem Waffengurt hing. "Immerhin bist du ein Gesandter des Kain!" Der Halbdämon nickte leicht. "Was meinst du, Alexa, lässt Chiara es zu, dass du nicht mit ihr zurückkehrst, sondern mit mir gehst?" Sie schaute ihn fragend an. "Wie ist denn das jetzt gemeint?" "So, wie ich es gesagt habe! Ich habe vor, dich mitzunehmen, und mein Weg führt nicht zum Schloss von Chiaras Vater zurück!" Alexa zuckte die Schultern. "Wenn du gute Argumente hast, lässt sie es bestimmt zu... aber ich weiß nicht, wie das mit Shannon und Gero aussieht!" "Die können mitkommen! Besonders bei Gero ist mir das sehr recht... er ist ein guter Schwertkämpfer und kann mir sicher dabei helfen, dich zu beschützen! Und Shannon brauchen wir als Anstandsdame!" Er zwinkerte ihr zu und sie kicherte. In diesem Moment kam die Gruppe um eine Biegung und blickte jetzt genau Richtung Osten. Von hier aus konnte man Orkania sehen. Alexa stieß ein kurzes "Wow!" aus, dann genoss den herrlichen Anblick. Weit unten war Wüstenland, doch mitten in dieser beigen Landschaft saß ein blaues Juwel, das im Sonnenlicht schimmerte. Es war von einem Wall aus Wolken umgeben und hatte keine Stadtmauer, doch es war wunderschön. In seiner Mitte stand ein kristallblauer Turm in Form eines Obelisken, der weit über alle anderen Häuser hinausragte. "Unglaublicher Anblick, oder?", fragte Dante mit einem leicht bitteren Unterton in der Stimme. Alexa brachte keinen Ton heraus, sie nickte nur. "Na, dann warte erst einmal ab, bis du in der Stadt bist!" Sie drehte sich zu ihm. "Du warst schon dort?" Er nickte. "Ich habe dort gelebt, bis ich und meine Mutter verbannt wurden... du weißt doch, das Dämonenblut..." Alexa nickte. "Erzähl mir, wie ist Orkania so?" Dante kam ein bisschen ins Schwärmen. "Oh, die Stadt ist wunderschön! Alle Wände sind blütenweiß, und die Dächer marineblau! Überall stehen wunderschöne Säulen und Statuen und kleine Tempel Typhoons. Und diese blaue Säule da...", er deutete mit dem Finger auf den Turm, "... das ist das Zentrum der Stadt. Sie ist komplett aus magischen Gestein gefertigt und beschützt die Stadt vor allem Bösen. Rund um diese Säule ist der heilige Tempel des Windes gebaut, und es heißt dass Typhoon tief unter der Säule schläft. Es gibt einen Weg hinunter, so heißt es, doch den kennt fast niemand. Angeblich können die Auserwählten Typhoons in die Säule schreiten und gelangen von dort aus hinunter. Ich sage dir, dieser Tempel ist ein unglaublicher Anblick..." Sie nickte. Das glaube ich gern... doch was ist das für eine Wolkenwand?" Dante überlegte kurz, dann antwortete er: "Ich bin mir nicht mehr ganz sicher... weißt du, es ist lange her, seit ich diese Legende gehört habe... aber wenn ich mich recht erinnere, ist das der magische Wall Typhoons, der bei einem Angriff alle Geschosse aufhält und stärker ist als jede noch so dicke Mauer. Und das besondere ist: Obwohl er Geschosse von außen abfängt, können die Pfeile, die von der Stadt aus abgeschossen werden, ihn leicht durchdringen, er verstärkt sie sogar noch!" Alexa nickte. "So, aber jetzt hören wir auf, zu quatschen, dann kommen wir schneller voran!", drängte sie und schlug einen schnelleren Schritt an.
 

"Hey, Gero!", rief Bjorn, "Ich weiß, es ist toll, dass du Knappe wirst, aber konzentriere dich trotzdem ein bisschen aufs Training, in Ordnung?" Gero wurde aus seinen Gedanken gerissen. "Oh, entschuldige..." Er hatte sich in Gedanken gerade ausgemalt, wie er in einigen Jahren zum Ritter geschlagen werden würde. Eine tolle Vorstellung! Bjorn seufzte. "Mann, Junge, du musst in zwei Tagen weg, und wir haben immer noch nicht gekämpft! Wir sollten und beeilen!" Gero nickte. "Also, nochmal die Schritte, ohne Kommando! Los!" Gero lief jetzt alle dreißig Schritte konzentriert und fehlerfrei. Bjorn nickte zufrieden. "So, und jetzt...", er sprang auf und zog sein Schwert, "... zeigst du mir, wie gut du in einem Kampf abschneiden würdest!" Dann griff er Gero an. Dieser war zuerst verwirrt, dann reagierte er jedoch gut, verteidigte sich, so gut er konnte, doch am Ende stolperte er, wurde von Bjorn entwaffnet und bekam dessen Schwert an die Kehle gehalten. "Nicht schlecht, zumindest fürs erste Mal!", lobte sein Lehrer. Gero erwiderte: "Aber so gut wie du bin ich noch lange nicht! Ich muss noch viel lernen!" Bjorn reichte ihm die Hand und zog ihn auf die Beine. "Na hör mal, du bist erst neun! Da brauchst du noch nicht so gut sein wie ich mit zwanzig!" Gero nickte. Das konnte sogar er einsehen. "Ach übrigens, ich werde dich übermorgen ins Schloss begleiten! Da muss ich sowieso wieder hin, also geh ich gleich mit dir!" Gero jauchzte auf. "Toll!" "So, und jetzt geh Schlafen, Kleiner! Ich hab morgen noch was besonderes mit dir vor und erwarte dich um Punkt neun Uhr hier!" Gero nickte. Er war ganz aufgeregt, als er ins Haus ging. Was wollte Bjorn wohl am nächsten Tag machen? Gero aß eilig zu Abend und versuchte, so schnell wie möglich ins Bett zu kommen, damit es schnell der nächste Tag sein würde.

Um Punkt neun Uhr des nächsten Morgens stand der junge Adlige auf dem Hof. Bjorn war jedoch nicht zu sehen. Er kam zehn Minuten später als verabredet heran gehastet und sagte zu Gero: "So, mein Junge, heute ist der letzte Tag, an dem wir hier sind... also trainieren wir draußen!" Gero wurde neugierig. "Draußen? Wie denn das?" Bjorn erwiderte: "Nun, oftmals gibt es nicht nur den reinen Schwertkampf zwischen zwei Kontrahenten, sondern auch eine Jagd, zum Beispiel wenn einer der beiden unterlegen ist. Das wollen wir heute machen, und ich sage dir... auf den Weinbergen geht das fantastisch!" Gero nickte. "Okay, gehen wir!" Er konnte es kaum erwarten... dieser Tag war derjenige, den er von seiner gesamten Ausbildung am besten in Erinnerung behielt. So viel Spaß hatte er beim Training vorher noch nie gehabt, und als er spät am Abend mit Bjorn heimkehrte, war er todmüde, aber glücklich. Er würde diese Nacht sicher gut schlafen und am nächsten Morgen ausgeruht seine Reise antreten.

Der Abschied am nächsten Morgen war tränenreicher, als irgend jemand erwartet hätte. Geros Mutter weinte die ganze zeit und wollte ihren Sohn gar nicht mehr loslassen, als er sie zum Abschied umarmt hatte. Ihr Ehemann musste sie sogar von dem Jungen wegziehen. "Mein Gott, Linna, er kommt doch in beste Hände! Und du kannst ihn ja besuchen! Beruhige dich doch, bei Kain!" Linna ließ sich mit diesen Argumenten halbwegs vertrösten. Sie gab ihrem Sohn folgenden rat mit auf den Weg: "Hör mir gut zu, mein Junge... die Welt da draußen ist voller zauberhafter Wesen. Es gibt wunderschöne Zauberinnen, aber auch bösartige Hexen. Die Hexen sind meistens noch viel schöner! Wenn du eine Frau triffst, die mehr als nur schön ist, misstraue ihr! Denn niemand kann dir sagen, welche Farbe ihr Herz hat..." Dies sagte sie, da sie sich selbst auch mit Magie beschäftigte. Und sie kannte viele große Zauberinnen, doch auch ebenso viele niederträchtige Hexenmeisterinnen.

Nach weniger als einer Woche erreichten Gero und seine Gefolgschaft schließlich das Schloss. Die Reise war völlig ereignislos verlaufen, obwohl Gero gehofft hatte, wenigstens ein kleines Abenteuer unterwegs zu erleben. Doch es war nichts geschehen. Gero wurde in die Obhut des Ritters Elnor von Lichtenfels gegeben worden, und war fortan dessen Knappe. Natürlich erfüllte er alle Aufgaben, die ihm gestellt wurden, mit Bravour. So wurde aus Gero von Weihenfels mit achtzehn Jahren der Ritter von Weihenfels, und mit seinem Ansehen stieg auch sein Interesse an Alexa, der drei Jahre jüngeren Adoptivtochter des Chefkochs Pierre.
 

"Was? Wir müssen schon rasten? Aber Dante, schau doch mal, es ist doch noch ganz hell!", versuchte Alexa, ihren Beschützer zur Weiterreise zu drängen. "Alexa, du weißt genau, dass es in zehn Minuten stockfinster sein wird... außerdem ist der nächste mögliche Rastplatz Orkania, und du glaubst doch nicht wirklich, dass wir mitten in der Nacht nach Orkania gelassen werden, oder?" Alexa zog ein Gesicht wie ein kleines Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hatte. "Aber Dante... es dauert doch noch soooooooo lange, bis wir da sind..." Dante lächelte sie an. "Morgen um die selbe Zeit werden wir da sein, versprochen!" Alexa war damit jedoch ganz und gar nicht zufrieden. "Aber ich will die Stadt nochmal sehen!" Die Gruppe befand sich momentan in einer Senke, von der aus man Orkania nicht sehen konnte. Dante fasste Alexa sanft am Handgelenk und sagte leise: "Komm mit, ich zeig dir was!" Das Mädchen folgte ihm mit einem verwirrten Blick. Der Halbdämon führte sie über einen gut getarnten Pfad an eine Felswand, die nur aus aufgetürmten Brocken bestand. Hier kletterten die beiden nach oben. "So, und jetzt...", sagte Dante und hielt Alexa die Augen zu, "... müssen wir noch kurz warten, dann wirst du was unglaubliches Schönes sehen! Komm mit!" Er nahm ihre Hand und führte sie vorsichtig auf einen kleinen Felsvorsprung. Als er die Hand von ihrem Gesicht nahm, traute das Mädchen ihren Augen nicht. Wie wunderschön! Mittlerweile war es stockfinster -wie es Dante vorhergesehen hatte- und die ganze Landschaft schimmerte leicht im Licht des fast vollen Mondes. Die Wolken am Himmel warfen beeindruckende Schatten auf die Wüstenlandschaft. Doch dies alles kümmerte Alexa nicht. Was sie interessierte, war Orkania. Die blaue Säule in der Stadtmitte schimmerte im Licht des Mondes, sie gab jedoch auch noch ein eigenes, blaues Glitzern ab. Die blauen Dächer glitzerten ebenfalls, der Wolkenwall um die Stadt wurde von diesem blauen Glanz durchflutet und ließ fahle Schatten auf die silbrige Wüstenlandschaft rundherum fallen. Ein leuchtendes weiß wurde in den Himmel geworfen: Die Lichter der Stadt. Dieses weiße Licht mischte sich auf zauberhafte Weise mit dem blauen Glanz. Alexa stockte der Atem. Solch ein Schauspiel hatte sie noch nie gesehen! Dante schaute immer wieder mit einem leichten Lächeln auf Alexas verzaubertes Gesicht, was diese jedoch nicht mehr wahrnahm. Doch da wurde die Stille durch einen Ruf zerrissen, die Magie war verflogen. Es war Less' Stimme, die rief: "Dante! Komm sofort da runter, wir brauchen dich hier unten für das Lager!" Dante seufzte. "Ich werd mal gehen... willst du noch hierbleiben?" Die Angesprochene nickte geistesabwesend. "Okay, schrei, wenn irgend etwas passiert!" Wieder ein Nicken, dann verschwand Dante. Alexa setzte sich jetzt an den Rand des Abhangs, vor dem sie stand, und schaute weiter auf die Stadt. Da hatte sie wieder das Gefühl, ein sanftes Licht hinter sich wahrzunehmen. Doch gerade, als sie sich umdrehen wollte, gab ihr jemand einen Stoß und sie kippte vornüber, den Abhang hinunter. Oder sie wäre den Abhang hinuntergekippt, hätte sie nicht jemand an der Taille festgehalten. Er zog sie wieder zurück und flüsterte ihr sanft ins Ohr: "Ihr seid sehr unachtsam, Mylady... was wäre, wenn jemand vorgehabt hätte, Euch hier hinunter zu stoßen?" Ihr wurde gleichzeitig heiß und kalt und ihr Herz schlug zum Zerreißen schnell. "Rufus!", sagte sie leise. "Ja, genau der...", kam die Antwort hinter ihr. Rufus stand im Kniestand hinter ihr und hatte einen Arm immer noch um ihre Taille geschlungen. Ihr Kopf lag an seiner Brust, sein Gesicht war ganz nah an ihrem. Sein goldenes Haar fiel über seine Schultern und kitzelte ihren Nacken. Das Mädchen bekam eine Gänsehaut. "Rufus... wer bist du eigentlich? Wo kommst du immer so schnell her?" Rufus erwiderte: "Nun, Mylady, diese Frage ist sehr leicht zu beantworten. Ich bin ich, und ich komme daher, wo ich immer bin..." Alexa war recht erstaunt. Er hatte ihr eine wahre Antwort gegeben, aber nichts über sich verraten. "Rufus... Was weißt du über die 'Eine Macht'?" Er erwiderte: "Ich weiß vieles über die 'Eine Macht', doch es ist nicht gestattet, darüber zu sprechen. Ich bin ein einfacher Krieger. Und über die 'Eine Macht' dürfen nur geweihte Personen sprechen. Außerdem kann niemand sagen, ob das, was ich weiß, wahr ist. Niemand kann sagen, ob das, was er über die 'Eine Macht' weiß, wahr ist. Denn nicht einmal Kain und Kron können die 'Eine Macht' definieren und die 'Wahrheit' über sie preisgeben." Alexa nickte. Eine erstaunliche Antwort. "Doch nun, Mylady, geht zurück zu Eurem Lager. Euer Beschützer wartet bereits..." Das Mädchen stand auf und wandte sich zum Gehen. Doch bevor sie die Felsen wieder hinunter kletterte, drehte sie sich nochmal zu ihm und rief: "Rufus? Meinen wahren Beschützer... den sehe ich in dir!" Er verbeugte sich tief vor ihr, dann verschwand sie. Und kaum war Alexa verschwunden, stand Rufus auf, ging auf einen Felsen zu, machte eine blitzschnelle Bewegung und zog einen Ork am Kragen aus der Dunkelheit hervor. "Sagt eurer Herrin, dass sie sich von Alexa fernhalten soll... und richtet ihr aus, dass Rufus gekommen ist, um über das 'Tor zur Einen Macht' zu wachen!" Dann ließ er den Ork wieder fallen. Sofort rannte dieser verängstigt davon, gefolgt von fünf anderen, die im Dunkeln gehockt hatten. Rufus blickte noch ein letztes Mal in Richtung des Lagers, sah, dass Alexa sicher angekommen war, und verschwand dann. Dante blickte, nachdem Alexa zurück war, misstrauisch zu dem Felsen hinauf. Da war wieder dieses Gefühl, dass er auch in der ersten Nacht gehabt hatte, in der er mit der Gruppe zusammen war... "Dante? Was ist denn los?" "Hm? Ach, nichts... nur so ein...Gefühl..."



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von: abgemeldet
2004-04-15T20:15:41+00:00 15.04.2004 22:15
Hm, echt gute Story.
Kann ich mich nur wundern, warum es bisher nur so wenig Kommis gab.
Na, hoffe Du hast noch nicht aufgegeben. ^^
Bitte weiter. *G*
Von:  Pinselohr
2004-03-15T12:22:49+00:00 15.03.2004 13:22
Whoa, die story ist bisher ja ganz schön geil ^^ dein schreibstil und die handlung gefallen mir wirklich außerordentlich gut. Aber bitte denk daran, auch mal ein paar mehr absätze zu machen und zahlen immer auszuschreiben ^^
Alexa und der drachengardist sind mir bisher am sympathischsten, aber auch shannon und gero. Deine figuren können einem schon nach so kurzer zeit ans herz wachsen ^^°
Ich geh dann mal weiterlesen - obwohl, wenn ich mir das letzte update angucke, scheinst du ja nicht sehr viel mehr hochzuladen. Schade eigentlich ^^°
Von: abgemeldet
2003-08-07T14:33:51+00:00 07.08.2003 16:33
Aaaaaaaaaaaalles Verrückte hier! Die erkennen nicht mal ne absolut grundgütig rattenscharf genial hammerhart klasse Story wie die hier, wenn sie sie in die Nase beißen würde! WIESO hat diese geile Geschi noch keine Kommentare?! Kann ja wohl net wahr sein!
Auf jeden Fall gefällt mir die Geschichte total, sie ist spannend und gut formuliert geschrieben, und da bleibt mir nur noch eins zu sagen: SCHREIB WEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEITEEEEEEEEEEEEER!!! *sich auf die Ausrufezeichentaste setz* Weiter!!!!!!!!! ^.^


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