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Lost Tales

von

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Dante

Obwohl Dante der Letzte gewesen war, der sich schlafen gelegt hatte, war er der Erste, der am nächsten Morgen wach war und die Anderen weckte. In Windeseile hatte er alles organisiert, vom Abbau des Lagers bis zum Frühstück. Doch obwohl genug Leute da waren, packte er mit an, wo immer er konnte. Alexa konnte mit ihrem verletzten Knöchel leider nicht helfen -besser gesagt, sie durfte es nicht- und beobachtete ihn die ganze Zeit. Sie fragte sich, was wohl in so einem jungen Mann vorgehen musste. Jemand, der von den Menschen sein Leben lang herum geschubst wurde, für etwas, wofür er nicht im entferntesten Etwas konnte und der trotzdem noch nett und hilfsbereit war. Er musste einen unglaublich starken Willen haben. Ob das am Dämonenblut lag? Sie schüttelte den Kopf. Es war doch egal, er war so, und sie akzeptierte es. Mit einem Lächeln auf den Lippen dachte sie an das, was geschehen war, nachdem er sie geweckt hatte...

"Hey, Alexa, aufwachen! Zeit um aufzustehen!" Sie schlug die Augen auf und blickte direkt in Dantes Gesicht. "Hm?" "Aufstehen!" Sie stemmte ihren Oberkörper mit den Armen nach oben und schaute sich um. Alle anderen waren schon wach und mit irgend etwas beschäftigt. "Oh je! Warum hast du mich nicht früher geweckt?" Sie wollte aufspringen, doch er drückte sie zurück. "Nichts da! Du machst schön langsam, du musst deinen Knöchel schonen! Dann bist du in zwei, drei Tagen wieder fit!" "Aber ich muss doch auch irgendwas erledigen, ich kann doch nicht so einfach..." Dante unterbrach sie mitten im Satz. "Doch, kannst du! Ich hab mich um alles gekümmert! Am besten setzt du dich da drüben hin...", mit einer Handbewegung deutete er auf einen der Baumstümpfe, "...und schaust uns zu!" Ohne irgendwelche Widerworte stand das Mädchen mit seiner Hilfe auf und ging zu dem Baumstumpf. Dort setzte sie sich und beobachtete den Jungen die ganze Zeit.

Dante liebte es, sich in Arbeit zu stürzen. Wenn er das tat, hatte er keine Zeit dafür, über irgendwelche Dinge nachzudenken, sei es die Ungerechtigkeit der Welt, sein Leben oder seine Mutter. Seine Mutter... das war die Person, die er auf der ganzen Welt am meisten liebte und am meisten hasste. Warum konnte er sich selbst kaum erklären, auch wenn Alle, die seine Geschichte kannten, meinten, dass sie es wüssten. Alles hatte natürlich an dem Tag begonnen, an dem er geboren wurde. Wegen seines Dämonenbluts konnte er sich sogar an diesen Tag erinnern. Direkt, nachdem seine Mutter ihn geboren hatte und die entsetzte Hebamme ihn ihr in die Arme gelegt hatte, kehrte sich alle Welt von ihm ab. Die Geburtshelferinnen tuschelten hinter vorgehaltenen Händen und zeigten mit den Fingern auf ihn. Seine Mutter hatte zwar immer versucht, ihn zu schützen, doch das war nicht möglich. Sobald sie wieder kräftig genug war, wurde sie gnadenlos aus dem Tempel geworfen und landete mit ihrem neugeborenen Sohn auf der Straße. Die ersten vier Lebensjahre waren die härtesten für das Kind. Immer wieder musste seine Mutter ihren Körper verkaufen, um die beiden zu ernähren, sie bettelte, wühlte in Mülltonnen und flehte jeden um Essensreste an. Sie selbst war bald völlig unterernährt, damit ihr Kind nicht sterben musste. Doch nach vier Jahren änderte sich diese Situation. Dante war für sein Alter ungewöhnlich groß und kräftig, doch niemand wusste um sein Geheimnis. Da wurden er und seine Mutter während einer großen Parade zu Ehren Typhoons von der Hohepriesterin des heiligen Windtempels entdeckt und sie schrie in die Menge: "Da sind sie! Diese Frau ist eine Hure und der Junge der Sohn eines Dämons! Steinigt sie beide, verjagt sie, auf dass sie diese heilige Stadt nie mehr betreten mögen, die Hure und den Bastard!" Durch diese Worte änderte sich sein ganzes Leben. Er wurde mit seiner Mutter aus der Stadt heraus geprügelt, doch er tötete dabei einige Kinder. Sie rannten hinter ihm her und schrien: "Da rennt er, der Halbdämon, der Bastard, der Hurensohn!" Und dann gingen sie auf Dantes Mutter los. Sie bewarfen sie mit Steinen, kratzen und bissen sie und kreischten: "Dämonenschlampe, Hure!" Da geschah es zum ersten Mal. In Dante trat der Dämon hervor. Seine dunklen Mandelaugen fingen an, rot zu Glühen, sein Gesicht verzerrte sich zu einer beängstigenden Fratze und seine Stimme wurde zu einem Donnergrollen, wie es nur bei einem Dämon möglich war. Als er sprach, erschien er unermesslich groß und von einer schwarzen Aura umgeben, an seinen Schultern zeichneten sich de Konturen gewaltiger, lederner Flügel ab. Er brüllte: "Fasst sie nicht an, ihr elenden, unwürdigen Menschen!" Dann holte er zum Schlag aus und streifte die Kinder. Durch die Kraft des Dämons, die jetzt in ihm lag, wurden ihre Körper aufgerissen. Sie waren sofort tot. Alle Leute wichen sofort entsetzt zurück und die Mütter weinten um ihre Kinder. Dante jedoch war außer sich, er war jetzt ein Dämon und er brüllte weiter: "Wer es wagt, meine Mama noch einmal anzufassen, der endet genau so! Verschwindet! Lasst uns in Ruhe!" Dann griff er nach seiner Mutter, breitete seine schemenhaften Flügel zu voller Größe aus und flog davon. Kurz hinter den Toren der Stadt landete er und fiel völlig erschöpft um. Seine Mutter, die überall Platz- und Kratzwunden hatte, nahm ihn auf die Arme und trug ihn den ganzen Tag über, bis sie die ersten Ausläufer des Gebirges erreichte. Dort wachte ihr Sohn endlich auf. "Mama...was ist passiert?" Überglücklich darüber, dass der Dämon in ihm jetzt wieder schlief, warf sie sich dem Jungen um den Hals. "Mein Sohn, es tut mir alles so furchtbar leid... es ist meine Schuld... ich hätte dich nie gebären dürfen, dich armes, gepeinigtes Geschöpf!" Er wunderte sich zwar über diese Aussage, doch er ging nicht näher darauf ein. Er dachte, dass sie dies sicher nur in ihrer Verwirrung gesagt hatte, denn sie war verwirrt. Wenn er sie anschaute, fühlte er einen tiefen Schmerz. Bei seiner Geburt war seine Mutter die schönste Frau gewesen, die es in dem Tempel gegeben hatte, mit dickem, rabenschwarzem Haar, fast schwarzen Mandelaugen, einem wunderschönen Körper und einer unerreichten Grazie. Ihre Stimme war wie eine plätschernde Quelle gewesen, glockenhell und freudig. Doch mittlerweile war sie gebeugt, vernarbt, ihr schönes Gesicht zerschlagen und gemartert, ihre Stimme vergrämt und ihre Haare grau und verfilzt. Wie sie sich in diesen vier Jahren verändert hatte, war schrecklich, und er gab sich irgendwie die Schuld dafür. Wäre er nicht geboren worden, wäre sie immer noch die wunderschöne Priesterin von einst. Doch er bemühte sich, diesen Gedanken möglichst schnell wieder zu verwerfen.

Nach einigen Tagen erreichte das ungleiche Paar schließlich das Gebirge. Es war zwar mitten in der Nacht, doch Dantes Mutter bestand darauf, noch in dieser Nacht weiterzuziehen. Sie rechnete damit, dass irgendwelche Soldaten sie und ihren Sohn finden würden und das wäre ihrer beider Tod gewesen. Er war so müde, dass er fast im Stehen einschlief, doch um seiner Mutter einen Gefallen zu tun, schleppte er sich weiter und mit jede Schritt wurde er müder. Doch sie ließ ihn nicht ruhen. Immer wieder murmelte sie: "Es tut mir Leid, Dante, aber wir können noch nicht rasten. Wir müssen tiefer ins Gebirge, am besten laufen wir die ganze Nacht hindurch!" Doch der Junge nahm das nur noch halb wahr. Er bemühte sich, so gut es ging, durchzuhalten, obwohl ihm das Bild vor seinen Augen schon verschwamm und er nicht einmal mehr die Hand vor Augen erkennen konnte. Er stolperte immer wieder, fing sich wieder ab, manchmal fiel er auch, doch er stand sofort wieder auf und folgte seiner Mutter. Doch als er nach ungefähr zwei Stunden wieder fiel, schaffte er es nicht mehr, aufzustehen. Er rief seiner Mutter zu: "Mama, ich kann nicht mehr... es tut mir so Leid, aber es geht nicht mehr!" Dann fing er an zu weinen. Seine Mutter, die auch völlig übermüdet war, kam zu ihm fuhr ihm mit der Hand durchs Haar und sagte leise: "Mein tapferer kleiner Dante... lass uns hier rasten, ja?" Sie nahm den Sohn in die Arme und trug ihn von dem Pfad, dem sie folgten, unter einen überhängenden Felsvorsprung. Dort lehnte sie sich an, legte den Jungen zwischen ihre Beine und nahm ihn unter ihren Mantel. Dann flüsterte sie ihm ins Ohr: "Gute Nacht, mein Kleiner..." Doch der Junge schlief schon und hörte sie nicht mehr...
 

Als das Frühstück beendet war, saßen alle Reisenden auf und ritten los. Dante half Alexa natürlich auf ihr Pferd, sie bedankte sich mit einem Herz erweichenden Lächeln und Gero hätte den Halbdämon am liebsten auf der Stelle erschlagen. Auch, wenn er aufgehört hatte, Alexa auf seine unverschämte Art nachzustellen, dachte er nicht im Traum daran, sie Dante zu überlassen. Und für ihn deuteten alle Zeichen darauf hin, dass sich zwischen den beiden eine zarte Romanze anbahnte. Also setzte er auf der Reise alles daran, die beiden voneinander fernzuhalten. Dies tat er meistens, indem er Alexa irgend etwas über Drachen erzählte. Er kannte ihre Begeisterung für diese anmutigen Geschöpfe nur zu gut und spielte es als Vorteil aus, dass er auf Weihenfels in seiner Jugend einiges über sie gelernt hatte. Er kannte viele Legenden von mächtigen Drachen und erzählte sie dem Mädchen lang und breit, mit unglaublichen Ausschmückungen, damit sie sich auch alles bildlich vorstellen konnte. Und damit sie sich von Dante fernhielt. Seine Rechnung ging tatsächlich auf. Das Mädchen hing an seinen Lippen und blickte nicht ein einziges Mal zu Dante hinüber. Diesen jedoch störte das ganz und gar nicht. Er hatte kein Interesse an Alexa, egal was die anderen sagten, er wollte ihr nur helfen, weil sie verletzt war. Es war sowieso eine total bescheuerte Idee von wem auch immer, dass er sich innerhalb von nicht mal einem Tag in dieses Mädchen verliebt hatte. Sie war sowieso kindisch. Angst vor Wäldern... und dann diese Begeisterung für Drachen, das war doch wirklich absurd! Drachen waren auch nichts besseres als Pferde, abgesehen von einigen legendären Drachen, doch diese schliefen entweder einen tiefen Schlaf irgendwo, wo man sie nicht fand oder sie waren tot. Und genauso war es bei Dämonen. Sie waren nicht viel anders als Menschen, nur versteckten sie ihre Bosheit nicht, sondern trugen sie offen...
 

Der kleine Junge schleppte sich immer weiter im Gebirge. Es war Hochsommer und unerträglich heiß und das Kind hatte Mühe mit seiner Mutter schritt zu halten, doch Dante gab alles, um sie nicht zu enttäuschen. In den letzten Tagen hatte er immer wieder einen nachdenklichen Ausdruck auf dem Gesicht der Frau gesehen und sich gefragt, was sie wohl gerade dachte. Doch er war nie dahinter gekommen und ihm fehlte der Mut, sie zu fragen. Er hielt es im Moment für das beste, möglichst brav zu sein und es seiner Mutter möglichst leicht zu machen. Nachdem er sich wieder einen halben Tag über die Felsen geschleppt hatte, immer der erbarmungslosen Sonne ausgesetzt, schlug seine Mutter eine kurze Rast vor. Dankbar für diesen Vorschlag, suchte der Junge Schutz unter einem vertrockneten Baum, der aus unerklärlichen Gründen mitten in dieser Felswüste stand. Er sank in den kleinen Schatten und wunderte sich nicht, dass seine Mutter plötzlich wegging. Er schlief vor Erschöpfung ein...

Als er wieder erwachte, kniete seine Mutter vor ihm, mit Tränen im Gesicht und einem gewaltigen Stein in der Hand, mit dem sie ihm wohl den Schädel zertrümmern wollte. Sie sagte: "Es tut mir Leid, Dante... aber für dich ist es besser, tot als lebendig zu sein!" Dann holte sie weit aus und ließ den Stein nach unten krachen. Der Kleine hatte sich jedoch weg gerollt und stand nun neben ihr, die Augen angstgeweitet. "Mama, was machst du da?" Sie hob den Stein wieder hoch und schluchzte: "Verzeih mir, aber ich will dir dieses Leid ersparen!" Dann versuchte sie wieder, nach ihm zu schlagen, doch der flinke Dante sprang auf einen etwas höher gelegenen Felsen. "Mama, hör damit auf!" Die Frau hörte gar nicht auf den Jungen und versuchte wieder, ihn zu erschlagen. Diesmal schlug sie knapp am Kopf des Kleinen vorbei und zertrümmerte einige faustgroße Steine, die neben seinem Kopf lagen. Erschrocken fuhr sie zurück und kauerte sich weinend an den Baum. Dante kam zu ihr und sagte: "Mama, wenn du mich nicht mehr haben willst, dann gehe ich einfach weg!" Entsetzt blickte sie auf. "Aber Dante, das wäre dein Tod!" Er lächelte bitter und erwiderte: "Das wäre es auch, wenn ich bei dir bleibe, oder?" Die Frau richtete sich ein Stückchen auf, nahm ihren Sohn in den Arm, flüsterte: "Es tut mir Leid, mein Kleiner, es tut mir so Leid..." Dann gab sie ihm einen von den zwei Wasserschläuchen, die sie mit sich führte, packte ihm ein kleines Bündel mit einem kleinen Bisschen Brot und sagte: "Wir werden uns hier trennen... wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja irgendwann einmal wieder! Falls nicht... Lebewohl, mein Kleiner! Möge dein mächtiger Vater ein Auge auf dich haben!" Dante wand sich ab und machte sich auf den Weg zum Wald, den er von hier aus schon tief unter sich sehen konnte. Er rannte auf die nächste Biegung zu, drehte sich nochmal um, winkte seiner Mutter lachend zu und verschwand dann aus ihrem Blickfeld. Kaum war er außer Sicht, fing er jedoch an zu weinen. Seiner Mutter ging es nicht besser. Kaum war er weg, brach sie weinend auf den Steinen zusammen und bewegte sich für längere Zeit nicht mehr.

Dante schlug sich die nächsten neun Jahre tapfer alleine durch, lernte Schnitzen, Jagen, Fischen und viele andere Dinge, bis er schließlich auf Less traf. Less war ein Vagabund, der sieben Jahre älter war als Dante, aber diesem trotzdem unterlegen war. Dies fand er heraus, als er den mittlerweile 13jährigen einmal im Wald angriff, um den Hirsch, den dieser soeben erlegt hatte, zu stehlen. Innerhalb von Sekunden lag Less auf dem Rücken und Dante saß auf seinem Brustkorb und hielt ihm das Messer an die Kehle. "Wieso willst du mein Fleisch mit Gewalt stehlen, wenn du mich auch um ein Stück beten kannst, Fremder?" Less schaute den Jungen verständnislos an. "Dieser Hirsch ist für mich allein viel zu groß! Bevor ich ihn essen könnte, wäre das Fleisch schlecht, also warum sollte ich nicht mit jemandem, der Hunger hat, teilen?" In diesem Moment hatte Less gewusst, dass der Kleine ein gutes Herz hatte. Und seit diesem Tag waren die beiden zusammen gereist, hatten immer wieder neue Leute getroffen, Freunde und Feinde gewonnen, viel über die Welt gelernt, viele Länder kennengelernt und waren trotzdem immer zusammen geblieben. Als Dante 18 war, also fünf Jahre nach seiner ersten Begegnung mit Less, traf er schließlich seine Mutter wieder. Er und Less waren mal wieder allein unterwegs und betraten eine kleine Gaststätte, nachdem sie von einem Mädchen, das sie gegen einige Rüpel verteidigt hatten, ein paar Münzen bekommen hatten. Gleich nachdem er eingetreten war, fiel Dantes Blick auf eine der Kellnerinnen. Ihre langen, schwarzen Haare waren von grauen Strähnen durchzogen, ihr hübsches Gesicht zeigte, das sie für ihr Alter- sie musste Ende 30 sein- schon vieles durchgemacht hatte und viel von der Welt wusste. Auch Less musste nicht lange überlegen, um wen es sich bei der Frau handelte. Er erkannte die Mandelaugen seines Freundes. Die Frau hielt kurz inne, blickte dann zu den beiden Männern auf, mit einem Lächeln auf den Lippen und sagte: "Willkommen in unserem bescheidenen Haus. Was kann ich für die Herren tun?" Doch dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Das Lächeln änderte sich in einen Ausdruck des Erstaunens, beinahe des Entsetzens. "Hallo, Mutter." "Dante?!?" Er nickte. "Ja. Ich bin es." Ein kurzes Schweigen. Dann rannte sie auf ihn zu, um ihm um den Hals zu fallen, doch ihr Sohn hält sie zurück. "Unglaublich! Lass dich mal ansehen! Mann, siehst du gut aus! Du erinnerst mich wirklich stark an deinen Vater!" Das hätte sie nicht sagen sollen. Dante brauste sofort auf. "Vergleich mich nicht mit meinem Vater! Das ist wirklich das Letzte, was ich will! Ein Vergleich mit dem Vater!" Sie schwieg betreten. "Verzeih, aber ich konnte mich einfach nicht zügeln..." Dante fühlte, wie ein Hass in ihm aufloderte, der sich gegen diese Frau richtete. Ihm blieb nichts anderes übrig, als seinen Zorn heraus zu schreien, ansonsten wäre der Dämon wahrscheinlich erwacht und hätte ein Massaker verursacht. "Nein, ich verzeihe nicht! Zuerst willst du mich umbringen, dann sehe ich dich 14 Jahre nicht und dann tust du so, als wäre nie etwas passiert! Und dann vergleichst du mich auch noch mit meinem Vater!" Sie schaute ihn beschwörend an. "Dante, nicht so laut, die Leute..." "...sollen es ruhig wissen!" Dann schrie er so laut, dass es auch jeder im Haus hören konnte: "Hey Leute, wisst ihr wer ich bin?!? Ich bin der Sohn dieser Frau! Und ich bin ein Bastard! Denn mein Vater ist ein Dämon! Und sie ein Dämonenschlampe, eine Hure! Habt ihr gehört? Steinigt uns, uns beide, und jagt uns fort! Tötet uns am besten gleich!" Da kassierte er eine schallende Ohrfeige. Seine Mutter starrte ihn mit vor Zorn glühenden Augen an und zischte bedrohlich: "Geh mir aus den Augen, du unnützer Bastard! Du hast mir immer nur Unglück gebracht und ich habe dich trotzdem geliebt... jetzt ist es genug... verschwinde, ich will dich nie wieder sehen!" Zuerst war er überrascht, dann drehte er um und rannte wieder aus dem Gasthaus heraus. Less folgte ihm auf den Fuß, doch ihm gelang es nicht, den zornigen Halbdämon zum Stehen zu bringen, bis dieser all seine Wut losgeworden war. Dies war das letzte Mal gewesen, dass Dante seine Mutter traf.
 

"Hey, Dante, schläfst du mit offenen Augen?" Es war Less' wohlbekannte Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. "Hm? Ach, ich hab nur eben über meine Vergangenheit nachgedacht..." Less' Miene verfinsterte sich. "Du weißt doch, dass du das nicht machen sollst!" Er schlug ihm auf die Schulter. "Denk lieber an die schönen Dinge des Lebens!" Dann fügte er mit einem Zwinkern hinzu: "Alexa zum Beispiel!" Dante wand sich ab. "Was soll ich denn mit der? Sie ist doch noch ein Kind!" Less rief aus: "Na hör mal, das Mädchen ist 18, da ist man kein Kind mehr! Und selbst wenn sie noch eins wäre... aus jedem kleinen Mädchen wird einmal eine Frau, und Alexa ist nun wirklich ein Prachtexemplar!" Dante grinste. "Dann schnapp du sie dir doch! Aber bitte mit ehrlichen Methoden, nicht durch Vergewaltigung!" Der Andere rieb sich verlegen den Hinterkopf. "Schon gut, schon gut... ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist, auf jeden Fall war es nichts Gutes... aber sie ist sowieso zu jung für mich! Ich bin 14 Jahre älter als die Kleine!" Dante meinte nur noch knapp: "Und ich bin sieben Jahre älter." Dann beendete er das Gespräch, indem er ein Stück weg ritt. Alexa bekam davon überhaupt nichts mit, denn sie hing immer noch an Geros Lippen, der ihr gerade die Geschichte der vier Elementardrachen erzählte. Doch sie unterbrach ihn aufgrund einer spontanen Eingebung. "Gero, was weißt du über Kristalldrachen, Juwelendrachen und Metalldrachen?" Er schaute sie verwundert an. "Was soll ich über die bitte wissen? Alexa, du weißt doch, das sind längst verschwundene Legenden... ich bezweifle, dass diese Wesen jemals existiert haben!" Alexa wand sich ab. "Ich bin fest davon überzeugt, dass sie existierten und es auch immer noch haben... ganz sicher!" Gero seufzte. "Ach Kleine, du wirst dir deine Illusionen nie nehmen lassen, oder?" Sie schüttelte den Kopf. "Zumindest nicht, solange es die Drachengarde gibt!" Dann ritt sie ein Stück von Gero weg und unterhielt sich weiter mit Shannon.

Die Reisenden ritten ohne Pause bis in den späten Nachmittag hinein. Alexa gewöhnte sich allmählich an den Wald, der mittlerweile weniger dicht und düster war und recht viel Licht durchdringen ließ. Sie unterhielt sich die ganze zeit mit Shannon und beobachtete das Schattenspiel auf ihrem Gesicht. Die blattförmigen Schatten ließen Shannons Gesicht oft anders wirken, das gefiel Alexa. Je näher die Gruppe dem großen Gebirge kam, desto mehr lichtete sich der Wald. Dieser Vorgang vollzog sich zwar langsam, aber Alexa war über jeden Sonnenstrahl mehr, den sie genießen konnte, glücklich. Es war wirklich ein wunderschöner Frühsommertag und Alexa wäre jetzt liebend gerne auf der Wiese hinter dem Schloss gelegen, aber der Gedanke daran, dass sie nach Orkania ritt und vielleicht ein Bildnis von Typhoon sehen könnte, trieb ihr diesen Wunsch aus und ließ sie freudig nach vorne blicken. Sie rechnete sich im Kopf aus, welcher Weg noch vor ihnen liegen würde. Morgen oder übermorgen würde das Gebirge erreicht sein... um es zu durchqueren, rechnete sie nochmals drei Tage ein und dann würde es höchstens drei Tage bis Orkania dauern... also dürfe sie die Stadt in spätestens fünf Tagen sehen können! Es war das erste Mal, dass sie eine der vier heiligen Städte sah und damit ging für sie ein Traum in Erfüllung. Für Dante sah die Sache jedoch anders aus. Er wollte auf keinen Fall Orkania betreten, koste es, was es wolle. Und wenn Chiara vor ihm auf die Knie fallen würde und ihm ihr Königreich versprechen, nichts würde ihn dazu bringen, diese verfluchte Stadt nochmals zu betreten! Wahrscheinlich würde er die Gruppe nur über das Gebirge führen und dann wieder seinen eigenen Weg gehen... abrupt hielt Dante an. Er schaute nach dem Stand der Sonne. "Hm... Less? Meinst du, wir schaffen es noch rechtzeitig? Oder machen wir lieber hier Pause?" Less erwiderte: "Bei Tageslicht noch durch die Schlucht kommen? Nie und nimmer! Wir könnten höchstens irgendwo in der Mitte des Weges rasten, aber das ist weniger angenehm, und das weißt du auch, Dante!" Der andere nickte. Dann wendete er sein Pferd und sagte: "Wir haben doch länger gebraucht, als ich dachte. Um zum Gebirge zu kommen, müssen wir das verlorene Tal durchqueren... dort leben allerdings Orks, Trolle und ähnliche Wesen, also durchqueren wir es bei Tag!" Chiara rief ihm zu: "Und was heißt das jetzt?" Er erwiderte: "Das bedeutet, dass wir erst morgen weiter reiten können! Das kostet uns zwar einen halben Tag, aber jetzt in die Schlucht zu reiten wäre Selbstmord!" Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden. Keiner kannte die Gegend hier gut genug, um dies beurteilen zu können, die Gruppe hatte nur des öfteren vom verlorenen Tal gehört. Alexas Augen hatten bei der Nennung dieses Ortes kurz aufgeleuchtet, denn es hieß, dass hier vor ewigen Zeiten eine Brutstätte der Drachen war. Bis heute sollten noch Drachen dort leben oder dorthin kommen, um ihre Eier zu legen und ihre Jungen die ersten Jahre ihres Lebens aufzuziehen. Nachdem das Lager aufgeschlagen war, ging Alexa kurz zu Dante und fragte ihn, wo denn das Tal sei. Er antwortete: "Das sind vielleicht fünf Minuten zu Fuß, den Hügel da hinauf, dann kannst du es sehen! Wieso?" Doch auf diese Frage antwortete sie gar nicht mehr und machte sich humpelnd auf den Weg, den kleinen Hügel hinauf. Was sie dann sah, ließ ihr den Atem stocken. Sie blickte auf ein wunderschönes Tal hinab, das vom Sonnenlicht rot und golden gefärbt war. Die Vorsprünge an den zerklüfteten Felswänden warfen dunkelblaue Schatten auf den roten Untergrund. Unten im Tal war ein ruhiger See, der von der Sonne golden und orange gefärbt war und wunderschön glitzerte. In seiner Mitte ragte ein großer, im Sonnenlicht hellroter Felsen empor, aus dem See floß ein Fluss in den selben goldenen Tönen nach Süden, seine Ufer waren von Bäumen bewachsen, die aussahen, als befänden sie sich im goldenen Monat des Herbstes, obwohl es erst Frühsommer war. Einige Vögel zogen ihre Bahnen weit unter Alexa. Das Mädchen hielt den Atem an. So etwas schönes hatte sie noch nie gesehen! Sie bemerkte Dante, der jetzt neben ihr stand, als er sagte: "Wunderschön, oder?" Das Mädchen nickte leicht. "Aber nachts ist dieses Tal ein Ort des Terrors... dann sind hier überall Orks und Trolle, die sich gegenseitig bekämpfen. Jeder, der nachts in dieses Tal geht und nicht mindestens eine Armee dabei hat, begeht glatten Selbstmord!" Alexa schaute auf. "Aber ich habe doch etwas, was besser ist als jede Armee!" Das Licht der untergehenden Sonne ließ ihr Haar noch goldener aussehen als sonst und Dante war sich sicher, dass er, hätte er eine ihrer Haarsträhnen verkauft, mehr Geld bekommen würde als für einen Berg Gold. Er legte den Kopf schief. "Und was soll das sein?" Alexa lächelte: "Na, einen Drachengardisten!" Dante konnte nicht anders, als loszuprusten. "Einen Drachengardisten?" Sie war zwar schön, aber sie war noch ein Kind, soviel stand für den Halbdämon fest. Ein Drachengardist! "Lach nicht!", fauchte Alexa gereizt, "Sonst wirst du dein blaues Wunder erleben!" Dante hob beschwichtigend die Hände. "Schon gut, schon gut... ich glaubs dir! Aber jetzt komm mit zurück, sonst hat dein Gardist bald alle Hände voll zu tun!" Natürlich glaubte er ihr nicht. Denn Dante wusste, was die Drachengardisten waren. Seine Mutter war eine Priesterin eines der höchsten Drachen gewesen. Sie wusste, was die Drachengarde war und sie hatte dieses Wissen ihrem Sohn mitgeteilt. Alexa warf noch einen letzten Weg aufs Tal. Wie gerne hätte sie hier einen Drachen gesehen! Mit einem Seufzer wand sie sich ab und folgte Dante zurück zum Lagerplatz.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Pinselohr
2004-03-15T12:22:49+00:00 15.03.2004 13:22
Whoa, die story ist bisher ja ganz schön geil ^^ dein schreibstil und die handlung gefallen mir wirklich außerordentlich gut. Aber bitte denk daran, auch mal ein paar mehr absätze zu machen und zahlen immer auszuschreiben ^^
Alexa und der drachengardist sind mir bisher am sympathischsten, aber auch shannon und gero. Deine figuren können einem schon nach so kurzer zeit ans herz wachsen ^^°
Ich geh dann mal weiterlesen - obwohl, wenn ich mir das letzte update angucke, scheinst du ja nicht sehr viel mehr hochzuladen. Schade eigentlich ^^°


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