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Lost Tales

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Der Beginn einer Reise

Ungefähr eine Woche später waren sämtliche Vorbereitungen für die bevorstehende Reise getroffen: Es waren ausreichend Pferde beschafft, genügend Vorräte besorgt, alle Krieger und Mägde und alle anderen Mitreisenden waren bereit, das Wetter war angenehm und schien auch so zu bleiben und es gab auf dem gesamten Weg keine feindlichen Aktivitäten, obwohl solche auf einer solchen Strecke sonst immer vorkamen. Also trat die Gruppe ihre Reise an. Alexas Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie -zum ersten Mal auf einem solch königlichen Ross reitend- inmitten der Gruppe und direkt neben Shannon durch das große Burgtor ritt. Schon unzählige Male war sie diesen Weg gegangen, doch diesmal schien es etwas besonderes zu sein. Sie wusste, dass sie ziemlich lange nicht mehr nach Hause zurückkehren würde. Ihre eine Hälfte frohlockte darüber, endlich die Welt zu sehen, die andere Hälfte hatte jetzt schon Heimweh und vermisste Pierre, obwohl sie ihn vor fünf Minuten verabschiedet hatte. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr. Es war seltsam...diese Stimmungsschwankungen waren nicht normal bei Alexa, vor allem nicht in diesem Maße. Das bereitete auch Shannon Sorgen. Alexa war für sie immer eine Art kleine Schwester gewesen. Sie hatte sie immer beschützt und wollte dies natürlich auch weiterhin tun. Deshalb bereitete ihr die Geschichte mit diesem fremden Krieger auch solches Kopfzerbrechen. Was wäre, wenn der Kerl Alexa etwas Böses antun wollte? Sie würde ihr bestimmt nicht helfen können. Und wenn er Alexa wirklich nur beschützen wollte? Dann wäre sie überflüssig und würde ihre Kleine nicht mehr beschützen können. Diese beiden Dinge waren die schlimmsten, die Shannon sich vorstellen konnte. Sie schüttelte schnell den Kopf und verwarf diese Gedanken wieder. Alexa würde immer ihre Kleine bleiben, was auch passieren würde!

Die Reisegruppe ritt die breite Straße vom Schloss hinunter zur Ost-West-Straße, die Finia im Westen und Orkania im Osten miteinander verband. Dort wandten sie sich nach Osten und machten sich auf die lange Reise. Es würde bestimmt 2 Wochen dauern, zu Pferd nach Orkania zu gelangen. Alexa fragte sich, warum Chiara eigentlich nach Orkania zog. Sie wusste nicht viel über diese Stadt, außer, dass Typhoon dort ruhte. Sie wandte sich an Shannon und fragte: "Du, Shannon, warum reisen wir eigentlich nach Orkania?" Shannon schaute sie erstaunt an. "Wie, das weißt du nicht? Ich dachte, du hast dich oft mit Orkania beschäftigt?" Alexa schüttelte den Kopf. "Ich habe mich mit Typhoon beschäftigt, aber nicht mit Orkania... du weißt, was los ist, oder?" Shannon erwiderte: "Alexa, du weißt doch, das Typhoon über die Götter der Liebe gebietet, oder?" Alexa nickte. "Und jede Frau, die Typhoons Segen für ihre Hochzeit will, muss ein Ritual im heiligen Tempel des Windes vollziehen! Und da Chiara und ihr Verlobter bald heiraten wollen, muss sie dieses Ritual vollziehen, ansonsten würde unser Königreich untergehen." Alexa blickte zu Boden. "Ach so..." Der Gedanke daran, dass Chiara heiratete, schnürte ihr die Kehle zusammen. Wie gerne hätte sie jemanden gehabt, der sie so sehr liebt, dass er sie heiraten wollte! Wie sehr wünschte sie sich jemanden, der ihre Einsamkeit versteht und in ihre Seele blicken konnte!
 

Gegen Abend änderte sich die Landschaft, durch die die Gruppe ritt. Das hügelige Grasland, das rund um das Schloss lag, wurde immer dichter bewachsen und sie ritten schließlich in einen dichten, düsteren Wald hinein. Der perfekte Ort für einen Hinterhalt, dachte Alexa unruhig. Und jetzt ging auch noch die Sonne unter! Nachts wollte sie sicher nicht in diesem Wald bleiben. Sie fürchtete sich. Wälder hatte sie noch nie sonderlich gemocht, sie fühlte sich dort einfach unwohl, obwohl sie nicht wusste, wieso. Sie hoffte nur, dass sich der Wald schnell wieder lichten würde. Unruhig ritt sie ein Stückchen nach vorne, zu Gero, der ebenfalls zur Begleitung der Prinzessin gehörte. "Gero?" Er drehte sich zu ihr um. "Ja?" "Sag mal...weißt du, wie lange wir noch in diesem Wald bleiben müssen?" Gero überlegte kurz. "Das ist ein verdammt großer Wald...ich denke, dass es noch so zwei, drei Tagesreisen sind! Wieso?" Er war wie ausgewechselt. Scheinbar hatte ihm die Begegnung mit dem Drachengardisten ziemlich zu denken gegeben. Alexa hatte in diesem Moment das Gefühl, dass sie Gero alles erzählen konnte. Vielleicht war es auch nur Einbildung, weil sie einfach mit jemandem reden wollte, aber das war ihr auch egal. Sie erwiderte: "Ach, weißt du, ich mag Wälder nicht besonders... ich fühle mich unwohl hier!" Gero nickte. "Weißt du denn auch, warum?" Sie schüttelte den Kopf. "Das ist es ja gerade... ich habe absolut keine Ahnung! Ich war noch nie in einem Wald, so lange ich denken kann...ich hatte immer Angst vor Wäldern..." Gero erwiderte: "Hey, du brauchst doch keine Angst zu haben! Schau doch mal, wie viele Ritter und Krieger hier sind! Und die werden dich alle beschützen, wenn irgendwas passiert! Außerdem, denk doch dran, was dir dieser Gardist gesagt hat: 'Doch seid versichert, wenn irgendwer oder irgend etwas danach trachtet, Euch zu bedrohen oder gar zu schaden, werde ich zur Stelle sein und Euch als Euer treu ergebener Diener davor bewahren!' Und ich bezweifle beim besten Willen nicht, dass er das wahr macht!" Alexa lächelte kurz, ihre Miene verfinsterte sich jedoch kurz darauf wieder. "Aber woher will er wissen, dass ich in Gefahr bin? Und vor allem, wie soll er schnell genug da sein?" Gero erwiderte: "Na hör mal, denkst du etwa, der Kerl ist das letzte Mal zufällig durchs Schlosstor gekommen? Und dann auch noch unbemerkt? Ich weiß nicht, wo er herkam, auf jeden Fall ist er wie aus dem Nichts aufgetaucht und dahin auch wieder verschwunden... also kann er das bestimmt wiederholen!" Sie hob den Kopf. "Stimmt... ich brauch also keine Angst zu haben, oder?" Gero lachte kurz auf. "Der Kerl würde allein alle Krieger des Schlosses niedermachen, wenn sie ihn gleichzeitig angreifen! Und wenn er noch zwei seiner Kameraden mitbringt, sind die drei so gut wie eine ganze Armee!" Alexa lächelte Gero an, bedankte sich bei ihm und ritt wieder zu Shannon zurück. Diese schaute sie verständnislos an. "Was war denn das eben? Du hast mit Gero geredet?" Alexa nickte. "Wenn er einem nicht nachstellt, ist er eigentlich ganz okay!" Shannon schüttelte den Kopf. "Ich glaub, jetzt drehst du völlig durch!" Alexa kicherte.
 

Es war schon spät am Abend, als die Vorhut des Trosses vorschlug, zu rasten. Sie hatten eine Lichtung etwas abseits der Straße entdeckt, die groß genug für die Gesellschaft wäre und die man von der Straße aus nur schlecht sehen konnte. Alexa mochte den Gedanken, die Straße zu verlassen und in den Wald zu reiten, überhaupt nicht, aber noch weniger mochte sie es, allein auf der Straße zu bleiben, im Dunkeln und auf dem Präsentierteller. Also folgte sie den anderen auf die Lichtung.

Es war wirklich der perfekte Ort für eine Rast hier. Scheinbar hatten hier vor ihnen schon des Öfteren Reisende übernachtet. Mehrere Bäume waren gefällt worden und zu langen Tischen und Bänken gemacht worden, die Baumstümpfe dienten dazu, diverse Dinge abzustellen, in der Mitte der Lichtung war ein Kreis aus Steinen gelegt worden, in dem man ein großes Lagerfeuer entzünden konnte. Im Mondlicht jedoch sah die Lichtung gespenstisch aus und Alexa lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Sie musste unbedingt ihre Angst vor Wäldern besiegen, beschloss sie. Sobald jedoch Feuer gemacht wurde, war es heimelig hier. Einige der Reisenden saßen auf den Bänken und aßen, andere wärmten sich am Feuer, wieder andere hatten sich etwas abseits zum Schlafen hingelegt. Alexa gehörte zu denjenigen, die am Feuer saßen. Sie starrte in die züngelnden Flammen und musste an Drachenfeuer denken. Ihre Gedanken schweiften ab und auf einmal sah sie etwas in den Flammen: ein Haus, das lichterloh brannte. Vor dem Haus stand ein kleines Mädchen und weinte bitterlich. 'Mama! Papa! Kommt da raus!', schrie sie immer wieder zwischen Schluchzern. Dann schweifte ihr Blick scheinbar von dem Haus ab und sie sah, dass überall um das Haus herum ein dichter, düsterer Wald war. Das Licht der Flammen warf gespenstische Schatten und malte schaurige Gesichter auf die Stämme der riesigen Bäume. Der Wind pfiff durch die Astlöcher und bewegte die Zweige so, dass sie aussahen, als ob es furchtbare Klauen wären, die nach der Kleinen greifen wollten. Sie stand auf der Straße direkt vor dem Haus, immer noch schluchzend und schreiend. Als Alexas Blick wieder auf sie fiel, sackte sie grade auf die Knie, den Kopf zwischen den Armen vergraben. Sie zitterte furchtbar und schrie immer wieder nach ihren Eltern. Alexa rannen einige Tränen die Wangen hinunter. Da spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter und wurde ruckartig aus ihrer Vision gerissen. Sie fuhr herum und blickte in Shannons Gesicht, auf dem das Licht der Flammen tanzte. "Alexa, alles okay?" Alexa nickte noch völlig abwesend, dann realisierte sie endlich, was sie da eben gesehen hatte: "Das...das war ich! Ich bin das kleine Mädchen gewesen!" Shannon legte den Kopf schief. "Was?" Alexa begann auf einmal zu zittern. "Meine...Eltern..." Jetzt begann sie zu schluchzen. Sie kauerte sich so eng es ihr möglich war zusammen. "Mein... Haus... überall Flammen... ein Wald..." Shannon legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter, doch da sprang sie auf. "Es muss hier irgendwo gewesen sein... es war an der Straße!" Dann rannte sie los. Sie rannte ziellos in den Wald hinein und in die völlig falsche Richtung. Shannon lief unterdessen schnell zu Gero und erklärte ihm, was passiert war. Sofort sprang er auf und folgte Alexa. Doch er fand sie nicht.
 

Das Mädchen rannte ziellos durch den Wald, immer weiter, ohne zu wissen, wo sie hinwollte. Irgendwann blieb sie plötzlich stehen, lehnte sich an eine Baum und fing an, laut zu schluchzen. Sie sackte langsam zusammen und kauerte an den Wurzeln des Baumes. Ihr Kleid war halb zerrissen, ihr Gesicht war zerkratzt, ihre Haare völlig durcheinander, die Tränen auf ihren Wangen mischten sich mit Schmutz und brannten, wenn sie in ihre Wunden gelangten. Doch das war ihr egal. Sie erinnerte sich jetzt an den Tod ihrer Eltern und warum sie solche Angst vor Wäldern hatte. Irgendwann hörte sie ein Knacksen in ihrer Nähe. Sie sprang auf, fiel jedoch sofort wieder zu Boden. Sie musste sich irgendwie den Knöchel verletzt haben. Jetzt saß sie auf dem Boden, rieb ihren Knöchel und blickte panisch um sich. Überall waren riesige, schwarze Gestalten, die ihre Arme und Klauen nach ihr ausstreckten, mit unsichtbaren, grausamen Fratzen, sie heulten mit dem Wind und tanzten einen geisterhaften Tanz um Alexa herum. Sie hockte nur da, zitterte am ganzen Körper, verschränkte die Arme über dem Kopf, wimmerte leise und flüsterte immer wieder: "Hilfe...helft mir doch... Mama, Papa, wo seid ihr?" Als sie wieder realisierte, dass ihr die Eltern nicht helfen konnten, weil sie tot waren, begann sie wieder, zu schluchzen. Dann rief sie andere Namen. "Gero, Shannon, Pierre, helft mir... warum kommt denn niemand...?" Dann erinnerte sie sich an die Worten des Drachengardisten. "Wieso kommst du jetzt nicht? Warum hilfst du mir nicht?", flüsterte sie, "Du hast doch versprochen, mich zu beschützen, wenn mich etwas bedroht!" Doch es geschah nichts, außer, dass es furchtbar kalt wurde und das Mädchen jetzt auch noch fror. Sie musste aufstehen und wieder zurückgehen. Doch sie konnte nicht. Also blieb sie zitternd -aus Kälte und Angst- auf dem Boden hocken und hoffte darauf, dass jemand kommen würde, um ihr zu helfen.

"Hey, schaut mal, Jungs, da vorne hockt ein Mädchen!" Alexa blickte auf. Sie wusste nicht, wie lange sie so gesessen war, auf jeden Fall kam gerade irgend jemand. Eine Gruppe junger Männer, wahrscheinlich Räuber, kam auf sie zu. Sie ritten auf kräftigen Pferden, die sicher sehr schnell waren und einiges an Gewicht tragen konnten. Durch die vielen Fackeln, die sie bei sich trugen, konnte mal alles recht gut überblicken und Alexas Angst verringerte sich ein wenig, da es nicht mehr so dunkel und still war. Einer der Männer stieg von seinem Pferd ab und kniete sich vor Alexa. "Hey, die is ja richtig hübsch! Sie sollte nur etwas mehr Körperpflege betreiben!" Die anderen brachen und fieses, hinterhältiges Gelächter aus. Ein weiterer Mann stieg von seinem Pferd ab. "Aber wie wärs... wir nehmen sie mit, richten sie her und amüsieren uns dann ein bisschen mit ihr?" Er fasste ihr Kinn mit einer Hand und hob es leicht, damit er ihr ins Gesicht schauen konnte. Sie flüsterte weinend: "Hilfe... bitte helft mir.." Er erwiderte mit einem dreckigen Grinsen: "Keine Sorge, Kleine, ich wird dir helfen...indem ich dich zu einer Frau mache..." Dann legte er seine Hand zwischen ihre Beine und schob langsam ihr Kleid nach oben. Plötzlich flog ein Dolch so knapp an ihm vorbei, dass er ihm eine Schnittwunde an der schmierigen, dreckigen Wange verursachte. Der Mann fiel vor Schreck zurück und ließ von Alexa ab. "Less, lass besser deine Pfoten von ihr!", ertönte eine ruhige, aber doch gebieterische Stimme hinter dem Mädchen. "Aber Dante, ich..." "Kein Wenn und Aber!", erwiderte der andere. Less zog sich grummelnd zurück, sagte jedoch nichts mehr. Er wusste sehr genau, dass man sich mit Dante besser nicht anlegen sollte. Der junge Mann trat vor Alexa, kniete sich vor sie und fragte sie. "Alles okay bei dir?" Sie schaute hoch und blickte direkt in zwei wunderschöne, dunkle Mandelaugen. Die Haut des jungen Mannes war leicht gebräunt, seine kurzen, schwarzen Haare waren zwar völlig durcheinander, sahen jedoch trotzdem gepflegt aus. Seine Kleider waren komplett schwarz, er trug eine schwarze Wildlederhose, ein schwarzes, ausgefranstes Hemd und darüber einen weit fallenden Umhang mit Kapuze. Bewaffnet war er mit einigen Wurfdolchen, von denen Less eben einen zu spüren bekommen hatte und einem Langschwert. Er sah zwar verdammt gut aus, hatte jedoch etwas an sich, was Alexa Angst machte. Sie flüsterte: "Bitte helft mir..." Er legte die Hand auf ihre Schulter und ein Schauer lief ihren Rücken hinunter. "Wobei sollen wir dir helfen, was hast du?" Sie erklärte ihrem gegenüber mit zitternder Stimme so gut wie möglich, was passiert war. Er schaute sie dabei ununterbrochen an, was sie irgendwie beängstigte, aber auch beruhigte. Sein Blick strahlte irgendwie eine gewisse Harmonie aus. "Du willst also zum Lagerplatz an der Straße? Zu der Lichtung?" Sie nickte schwach. "Dann bring ich dich da hin! Kannst du aufstehen?" Sie versuchte es, sackte jedoch sofort wieder zusammen. "Ich hab mir glaub ich den Knöchel verletzt..." Dante nahm sich eine Fackel, zog ihr Kleid ein kleines Stückchen nach oben und betrachtete den Knöchel. "Der ist bestimmt verstaucht... aber mit ein paar Kräutern kriegen wir das wieder hin...jetzt bring ich dich aber erst einmal zurück!" Er schob einen Arm unter ihre Knie, den anderen unter ihre Schultern und trug sie zu seinem Pferd. Er setzte sie in den Sattel, schwang sich dann hinter ihr hoch und ritt los. Alexa stellte fest, dass sie gar nicht so weit vom Lagerplatz entfernt gewesen war. Sie war scheinbar vorhin einen großen Kreis oder irgendein undefinierbares Zickzack gerannt. Kurz, bevor sie das Lager erreichten, bedeutete Dante seinen Begleitern -es waren sechs Stück- in der Nähe des Lagers auf ihn oder auf ein Zeichen, die Lichtung zu betreten, zu warten. Dann ritt er auf den Platz. Sofort kam Shannon dem Pferd entgegen gestürmt. "Alexa! Da bist du ja!" Dante stieg ab und hob Alexa dann auch vom Pferd. Shannon entriss ihm das Mädchen sofort. "Kleine, warum machst du denn so einen Mist? Ich wäre fast gestorben vor Sorgen!" Alexa war noch völlig paralysiert und klammerte sich einfach an Shannon fest, ohne irgend etwas zu sagen. Da kam Gero auf sie zu. "Alexa, alles in Ordnung?" Sie schaute ihn an und nickte leicht. Gero strich ihr kurz übers Haar. "Puh, da bin ich aber beruhigt!" Dann wandte er sich an Dante, der die ganze Zeit regungslos neben den beiden Mädchen gestanden hatte. "Ich danke euch, Herr... oh, dürfte ich vielleicht euren Namen erfahren?" der Angesprochene erwiderte: "Mein Name ist Dante." Gero lächelte milde. "Aha, Dante... und weiter?" Dante schaute ihn scharf an und allein dieser Blick genügte, um Gero einzuschüchtern und in seine Schranken zu weisen. "Dante ist mein einziger Name. Ich bin ein verstoßener und trage deshalb nur diesen Namen! Und ich weiß wohl, Ritter von Weihenfels, dass es sich nicht ziemt, sich einem Mann eures Standes nur mit dem Vornahmen vorzustellen, doch dies ist leider mein einziger Name! Oder haltet ihr es für nennenswert, dass ich der Anführer einer Gruppe von Vagabunden und Tagedieben bin?" Gero schüttelte völlig perplex den Kopf. Es herrschte ein kurzes Schweigen, dann trat Chiara hinzu. "Nun, Dante, ich danke Euch für die Rettung meiner Begleiterin! Wie kann ich euch dafür entlohnen?" Der junge Mann winkte ab. "Ich verlange keine Entlohnung, Mylady, ich habe nur einem hilflosen Mädchen beigestanden. Und ist dies nicht die Pflicht eines jeden Mannes, der etwas auf sich gibt?" Chiara lächelte. Scheinbar schien sie Gefallen an Dante zu finden, obwohl er auch ihr etwas Angst machte. "Doch sagt, was führt eine Gruppe wie diese zu solch einer Zeit in den Wald, Mylady?" Sie erwiderte: "Wir befinden uns auf einer Reise nach Orkania, in die Stadt Typhoons. Ich plane dort das Ritual der Jungfrau im heiligen Tempel des Windes zu vollziehen. Und was führt Euch und Eure Gefährten hierher?" Dante antworte: "Mit Verlaub, Mylady, wie schon erwähnt, sind wir Vagabunden, die dorthin gehen, wohin der Wind sie trägt. Aber wenn ihr wirklich nach Orkania wollt, wäre der Weg über die Oststraße ein gewaltiger Umweg!" Chiara schaut ihn fragend an. "Nun, Mylady, die Oststraße umgeht das große Gebirge in nördlicher Richtung, was einen Umweg von beinahe einer Woche bedeutet! Meinen Gefährten und mir ist jedoch ein gefahrloser Weg durch das Gebirge bekannt, auf dem man es innerhalb von zwei Tagen durchqueren kann!" Der Blick der Prinzessin hellte sich auf. "Würdet Ihr uns wohl begleiten und auf diesem Weg führen, Dante?" Diese Frage passte der Vorhut ganz und gar nicht. Der Führer der Gruppe trat an die Prinzessin heran. "Aber Majestät, Ihr wisst doch sehr genau, dass es unmöglich ist, das Gebirge zu durchqueren!" Sie erwiderte: "Achja, ist das so, Sven Tellamon? Habt Ihr diese Reise jemals gewagt?" Er schüttelte den Kopf. "Aber Majestät, schaut Euch den jungen Mann doch einmal an! Er sagt doch selbst, dass er ein Vagabund und Tagedieb und noch dazu ein Ausgestoßener sei! Das muss doch einen Grund haben, oder? Vielleicht will er uns in einen Hinterhalt führen?" Dante fiel ihm ins Wort: "Es ist wahr, Herr Tellamon, dass ich ein Ausgestoßener bin, allerdings wurde ich für ein Verbrechen ausgestoßen, das ich nicht begangen habe! Und ich sagte nicht, dass ich ein Vagabund und Tagedieb wäre, sondern, dass ich eine Gruppe solcher Leute anführe. Und das tue ich nicht, um zu rauben und zu morden, sondern um für Ordnung unter diesen Leuten zu sorgen! Ansonsten hättet ihr Lady Alexa wahrscheinlich nicht mehr wiedergesehen, sondern sie wäre zur Maitresse gemacht worden!" Sven war von diesen Worten zwar schwer beeindruckt, ließ sich aber nicht abbringen. "Pah! Für ein Verbrechen ausgestoßen, das er nicht begangen hat! Was soll das denn für ein Verbrechen sein, Herr Namenlos?" Dantes Augen funkelten kurz auf und enthüllten einen tödlichen Glanz, dann sprach er weiter: "Das Verbrechen hat meine Mutter begangen! Sie war eine Priesterin im heiligen Tempel des Windes, bis sie meinen Vater traf! Denn er war ein Dämon, also bin ich ein Halbdämon, ein Bastard, der aus der Gesellschaft ausgestoßen wurde!" Jetzt schluckte Sven. Die Augen aller Anwesenden weiteten sich. Ein Halbdämon! Das war es also, was ihnen solche Angst machte und sie doch anzog! Dante jedoch ignorierte die entsetzten Blicke, die jetzt auf ihm ruhten. Er wand sich Shannon zu, die ihn auch entsetzt anstarrte und meinte mit ruhiger Stimme: "Du solltest dich um sie kümmern! Sie hat ganz schön was abbekommen... ich werde mich in der Zwischenzeit auf de Suche nach Kräutern für ihren Fuß machen!" Mit diesen Worten verschwand er wieder im Wald, sein Pferd jedoch ließ er stehen. Shannon schob Alexa sanft, aber bestimmt ein Stück von sich weg und musterte sie von oben bis unten im Schein des großen Lagerfeuers. "Ach du meine Güte! Du bist ja total zerkratzt!" Sie bedeutete Gero, Wasser heiß zu machen, holte Verbandszeug und Waschlappen und ein neues Kleid für Alexa. Dann nahm sie das heiße Wasser entgegen und schickte Gero und alle anderen Männer weg. "Ich muss sie entkleiden, also weg mit euch!" Die Männer trollten sich alle auf ihren Befehl und das Mädchen begann, ihre Freundin zu waschen. Zuerst säuberte sie ihr Gesicht von Blut und Dreck, wusch die Wunden aus, dann entkleidete sie sie, säuberte die Kratzer an den Armen und am Körper sowie an den Beinen und zog ihr das saubere Kleid an. Dann kämmte sie Alexas Haar und richtete es wieder einigermaßen. Kurz darauf kam Dante mit einem Beutel voller Kräuter zurück. "Shannon? Ich brauche heißes Wasser und Verbandszeug, hast du das?" Shannon ärgerte sich zwar ein bisschen, dass dieser Kerl die Dreistigkeit besaß, sie mit dem Vornamen anzusprechen, aber immerhin hatte er Alexa zurückgebracht und dafür war sie ihm sehr dankbar. Sie deutete mit dem Kopf auf den Topf mit dem heißen Wasser und auf das Verbandszeug daneben und trat dann einige Schritte zurück. Dante kniete sich zu Alexa, hob ihren verletzten Knöchel leicht an und legte ihn auf sein Knie, dann warf er die Kräuter ins Wasser, ließ sie kurz ziehen, nahm sie wieder aus dem Wasser und wickelte sie um den Knöchel. Danach riss er ein Stück Stoff von seinem Hemd ab, tränkte es in dem Wasser, wickelte es noch zusätzlich um die Kräuter und griff dann zum Verbandszeug. Shannon war erstaunt über die Präzision und Routine, mit der er dies tat und auch Alexa war überrascht. Sie war die ganze Zeit schweigend dagesessen und hatte auf Dantes Hände gestarrt. Jetzt hob sie leicht den Kopf und sagte so leise, dass nur er es hören konnte: "Danke..." Er lächelte sie an und erwiderte: "Kein Problem, hab ich gern getan!" Alexa errötete leicht, doch dies konnte in dem rötlichen Glanz des Feuers zum Glück niemand sehen. Schließlich trat Chiara hinzu: "Also, Dante, würdet Ihr uns mit euren Begleitern auf dem Weg durch das große Gebirge führen?" Dante blickte zu ihr auf. "Natürlich, Mylady, mit dem größten Vergnügen!" Chiara blickte sich um. "Doch sagt, wo befinden sich Eure Freunde?" Dante gab ein kurzes Zeichen und sechs Männer traten aus den Schatten auf die beleuchtete Lichtung. Sie trugen alle graue, ausgewaschene Hemden und Hose und darüber einen schwarzen Umhang mit einer Kapuze, jeder war mit einem Kurzschwert und Wurfdolchen bewaffnet. Jeder der Männer führte ein Pferd am Zügel, das ähnlich kräftig wie Dantes war. Die meisten Anwesenden schluckten. Diese Typen waren die ganze Zeit da gewesen und hätten sie auf ein Kommando von Dante alle töten können! Alexa bemerkte, dass Geros Hand zu seinem Schwertgriff gewandert war. Sein Blick war starr auf Dante gerichtet. Das Mädchen zischte ihm zu: "Gero! Lass es!" Er wand sich zu ihr und schaute ihr direkt in die Augen. Ihr Blick sprach Bände und er beschloss, Dante in Frieden zu lassen und einem schlimmeren Konflikt aus dem Weg zu gehen. Dante bat um Ruhe und sprach laut und deutlich: "Also, Leute, passt auf: Wir werden morgen früh bei Tagesanbruch aufstehen und losgehen, denn wir müssen eine gewisse Stelle erreicht haben, bevor es dunkel wird, sonst wird es wirklich gefährlich! Es wird ein anstrengender Weg, legt euch deshalb am besten hin und schlaft euch aus!" Weitere Worte wurden nicht gesprochen. Alexa nahm ihren Platz neben Shannon ein und fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Dante jedoch blieb wach, denn er spürte, dass irgendwer da war, der hier nicht hin gehörte. Sein Dämonenblut machte ihn für solche Dinge besonders feinfühlig.

Der Grund für seine Unruhe befand sich unbemerkt nur wenige Meter vom Lagerplatz entfernt. Der Feuerschein war sogar noch auf seiner blassen Haut zu sehen und verlieh seinen goldenen Augen und seinen goldenen Haaren einen zauberhaften Glanz. Mit einem Lächeln auf den Lippen stellte er fest, dass es Alexa gut ging. Dann wandte er sich ab und verschwand mit wehendem Mantel in der Dunkelheit.



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