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Mars

von

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Polstation

Nach drei quälend langen Tagen durfte Sina endlich wieder Waren transportieren. Die lange Wartezeit war weniger ihren Verletzungen geschuldet, als viel mehr dem Hoverboard. An dem Gerät war mehr defekt gewesen, als auf den ersten Blick zu erahnen.

Wenigstens war ihr die Lieferung nicht streitig gemacht worden, da von den wenigen anderen großen Hoverboards derzeit keines in dieser Region abkömmlich war.

Das war Sina auch nur zu recht, denn sie hatte sich einiges wegen ihrer verbockten Zustellung anhören müssen und das war nicht nur ihr Chef der ihr sprichwörtlich wohl am liebsten Feuer unter dem Hintern gemacht hatte, sondern auch der Abgesandte der Obrigkeit in dieser Siedlung hatte sie zu einem Gespräch gebeten und ihr noch einmal nahe gelegt, dass sie ihre Aufgabe in der Kolonie auch ernst nehmen sollte.

Sina wusste nicht, wie oft sie in den letzten Tagen gehört hatte, dass solch ein Projekt wie dieses hier nur funktionieren konnte, wenn jeder seine Aufgabe Ordnungsgemäß und mit größter Sorgfalt verrichtete und wenn das nicht schon allein nervig genug gewesen wäre, kamen dazu noch diese total verwirrenden Träume, die sie seit dem Vorfall hatte.

Der Arzt, der sie daraufhin untersuchte meinte nur, dass es wohl eine Art ihres Geistes wäre, die Geschehnisse zu verarbeiten und dass sich dies schon wieder einpendeln würde. Sie solle sich nach der Lieferung mal ein paar Tage Auszeit gönnen und versuchen den Kopf klar zu bekommen. Dann würde sich das auch wieder geben.

Aber im ersten Moment war sie einfach nur froh, als sie endlich auf ihr Hoverboard steigen konnte und die nötigen Checks vornahm, ehe sie die Schutzbrille und die Maske wieder zurechtrückte und dann Energie auf die Schubdüsen gab um abzuheben. Endlich kam sie fort von hier. Da draußen konnte ihr keiner mehr Anweisungen geben oder Vorwürfe machen, da war sie dann, wenigstens für ein paar Stunden, ihr eigener Chef.

Während das Board langsam an Höhe gewann schloss sie kurz die Augen und atmete tief durch. Doch noch bevor sie losfliegen konnte, ertönte wieder eine Stimme von unten.

„Hallo? Fliegst du zur Polstation?“

Sina blickte herunter und sah ein junges Mädchen das heftig mit den Armen winkte. Die Kleine blickte sie hoffnungsvoll an.

„Ja das tu ich“, beantwortete sie ihr die Frage.

„Ich hab zwar kein Geld, aber könntest du meinem Vater das hier mitnehmen?“ Das Mädchen hielt einen Speicherchip nach oben. „Ich kann auch anders bezahlen.“ Plötzlich waren in der anderen Hand zwei Rationsriegel.

Unwillkürlich musste Sina leicht lächeln und drosselte die Energiezufuhr, so dass das Board wieder tiefer sank.

Das junge Mädchen ging hinter einigen Kisten in Deckung, da einiges an Staub aufgewirbelt wurde, bis das Gerät wieder auf dem Boden ruhte.

„Woran erkenne ich deinen Vater?“, fragte Sina, nachdem sie wieder herunter gestiegen war und sich das Mädchen wieder zurück traute.

Etwas verunsichert, aber immer noch mit Hoffnung näherte sie sich Sina und zeigte ihr wieder den Chip, an dessen einem Ende ein kleiner Vogel aus blauem Stein an einer kurzen Kette baumelte. Wahrscheinlich ein Mitbringsel von der Erde, denn hier gab es so etwas sonst nicht.

„Mein Vater hat mir das zum Geburtstag geschenkt. Der Vorarbeiter kennt es auch. Kannst du es mitnehmen? Er wird es schon wiedererkennen und sich zu erkennen geben. Bitte.“ Mit großen Augen sah sie Sina weiterhin an.

Gespielt seufzend streckte sie die Hand aus. Wenn der Vorarbeiter den Vogel schon kannte, dann lag die Vermutung nahe, dass dieser Chip nicht zum ersten Mal zur Polstation wanderte. „Ich werde sehen, was ich machen kann, aber versprechen kann ich dir nichts.“

„Danke“, rief das Mädchen entzückt aus und umarmte Sina stürmisch.

Kurz darauf stieg die Kurierin erneut auf und verließ die Siedlung endgültig.
 

Der Himmel war nicht ganz so staubig und man konnte mehr von der Sonne sehen. Für Marsverhältnisse ein schöner Tag. Optimales Flugwetter. Weit und breit war kein Sandsturm oder Sandteufel zu sehen. Eine der seltenen Möglichkeiten mal so richtig Gas geben zu können. Immerhin hatte Sina auch noch so etwas wie einen Ruf zu verlieren, auch wenn dieser schon arg gelitten hatte.
 

Der weite Blick hielt sich fast die Hälfte ihres Fluges, doch dann begann sich der Staub langsam zu verdichten und Sina bekam allmählich Sorgen, wie lange sie noch riskieren konnte ihre Reise mit maximaler Geschwindigkeit fortzusetzen. Selbst jetzt ließ sie das Hoverboard schon langsam absinken.

Es war bekannt, das um die Polregionen nicht immer das beste Wetter herrschte, das war eigentlich schon so seitdem sie mit den Baumaßnahmen begonnen hatten. Einmal meinte ein Arbeiter, wohl mehr scherzhaft, dass der Planet wahrscheinlich etwas gegen diese Art von Eingriff hatte und sich so zur Wehr setzen wollte. Die Forscher schoben die Wetterveränderung lieber auf das verstärkte Feld

Immerhin war die Aufgabe der Arbeiter an den Polen dafür zu sorgen, dass Magnetfeld des Planeten zu verstärken um schädliche Weltraumstrahlung zu minimieren. Dass der Planet durch die beiden riesigen Pylonen, die dazu an den magnetischen Polen aufgestellt worden waren, aussah, als hätte man einen Zahnstocher hindurch gejagt, war ein unschönes, aber nicht zu vermeidendes Nebenprodukt.

Wieder reduzierte sie die Geschwindigkeit, als der Wind immer stärkere Böen mit sich brachte und Sina musste näher zum Boden um nicht mehr so angreifbar zu sein. Außerdem fiel es ihr durch den aufgewirbelten Sand immer schwerer, Äußerlichkeiten wahr zu nehmen und das letzte, was sie jetzt brauchen konnte war, das sie an der Station vorbei flog.

Nach einer kurzen Kontaktaufnahme, mit einer sehr schlechten Verbindung, versprach man ihr, alle Lampen einzuschalten, damit sie sich orientieren könne. Eine Geste, die auch bitter nötig war, denn das Ganze wuchs sich immer mehr zu einem Sandsturm aus und wenn sie nicht bald etwas ausmachen konnte, wäre sie wohl gezwungen zu landen und abzuwarten, biss das gröbste vorbei war. Durch die Feldstärke nutzten ihre Sensoren ihr hier oben so ziemlich überhaupt nichts. Das war ein Blindflug, wie er im Buche stand. Auf genau das verspürte Sina aber absolut keine Lust mehr. Die ganze Sache dauerte ihr schon viel zu lange und wurde immer gefährlicher.

Umso erleichtert war sie einige hellere Flecken zwischen all dem herumfliegenden Dreck ausmachen konnte und direkt darauf zu hielt.
 

Erst wenige Schritte vor Erreichen der kantigen Bauten konnte sie deren Umrisse ausmachen.

Erleichtert atmete Sina auf, als sie das Board zwischen einige der Hallen steuern konnte. Dort rieselte der Sand mehr herab, als das er peitschte.

Jemand, der die Kennzeichnung des Vorfeldarbeiters trug kam auf sie zu. Das Gesicht der Person war durch die Schutzkleidung und Maske kaum auszumachen, als sie sich vorbeugte und ein ziemlich genervtes: „Na endlich“, zu ihr brüllte, damit sie es überhaupt hören konnte.

Sina zuckte nur mit den Schultern und zeigte dem Mann ein kleines Strichcodehologramm, was er schnell einscannte.

„Hat halt etwas gedauert, die Ersatzteile zu besorgen“, entgegnete sie bitter. Doch ihr Gegenüber ging schon gar nicht mehr darauf ein, sondern schritt zu einem großen Tor, das sich langsam zischend öffnete. Eine vorgeschobene Schleuse also.

Stöhnend zog die Botin die Schutzbrille und den Helm näher zur Maske, bevor sie ihr Gefährt vorsichtig in das Innere der Schleuse navigierte.

Im letzten Moment schaffte sie es das Board abzusenken und in den dafür vorgesehenen Halterungen zu verankern, bevor sich die großen Rotoren unterhalb des Bodens in Bewegung setzten. Jetzt kam der Teil, den Sina so gar nicht ab konnte.

Auch sie hatte sich angegurtet und noch einmal überprüft, das ihre Kleidung fest am Körper saß und ihre Ohren geschützt waren, bevor der zweite Sturm des Tages über sie herein brach. Nur das dieser künstlich erzeugt und durchaus gewollt war.

Diese Sicherheitsmaßnahme war nötig um zu verhindern, dass der feine Marsstaub in das Innere der Anlagen dringen konnte und dort wichtiges Gerät beschädigte. Aber es war nicht sehr angenehm.

Schon nach wenigen Sekunden begann sie zu frösteln, denn der Wind war schneidend kalt, als er durch alles fuhr, das sich in dem Raum befand.

Hier oben hielt man nicht viel vom vorwärmen der Gebläseluft, da die dazu nötige Energie anderweitig gebracht wurde. Das war halt ein anderer Schlag von Menschen, die an diesem Ort arbeiteten.

Gerade als Sina meinte, es nicht länger aushalten zu können, wurden die Rotorblätter langsamer und der Luftstrom flachte ab. Vorsichtig richtete sie ihre Sachen wieder und sorgte so dafür, das auch die letzten Körner aus ihrer Kleidung fielen. Viel war es nicht mehr.

Die junge Botin fröstelte immer noch, als sich endlich das Hintertor öffnete und jetzt etwas wärmere Luft in den Raum einströmte.

Doch leiser wurde es jetzt nicht wirklich. Stattdessen produzierten die Maschinen hier drinnen und der Sturm der draußen an die Wände prasselte, einen dermaßen großen Lärm, dass fast ausnahmslos alle hier mit Gehörschutz herum liefen und sich über Halsfunk verständigten.

Deshalb fiel es auch zuerst nicht auf, das Sina die Schleuse am passieren war und sie konnte das Board ohne Probleme befreien und wieder starten, wobei sie sich diesmal ganz auf die Instrumente verlassen musste, da sie die Antriebseinheit nicht mehr hören konnte.

Erst, als jemand ihr Hoverboard zur Kenntnis nahm wurde sie endlich in Empfang genommen, wobei dieser kühler ausfiel, als sie erwartet hatte.

Man wies sie an das Board in den hinteren Teil der Halle zu navigieren, wo andere Arbeiter zusammen kamen um augenblicklich mit der Entladung zu beginnen.

„Hey, halt. Ich brauche noch die Unterschrift des Vorarbeiters“, rief Sina den Männern entgegen und einer deutete kurz in die Richtung der Büroräume, während sie sich jedoch bei ihrem Tun nicht dazu bemüßigt fühlten, inne zu halten, sondern weiter entluden.

Schnaubend, als sie merkte, dass weiterer Protest wohl nichts bringen würde, ergriff Sina die Holoeinheit in der die Lieferung in vollem Umfang vermerkt war und machte sich auf den Weg zu den angezeigten Büroräumen.
 

Aus dem Augenwinkel sah sie eine Reflektion auf einer der älteren Kisten. Dort lag, auf einem Stück Stoff eine runde, perfekt geschliffene Kugel. Kleine Lufteinschlüsse zogen sich fast durch das gesamte Innere. Das komische war, dass sich niemand darin zu spiegeln schien, denn obwohl die Kugel aus Kristall zu bestehen schien gab es keinerlei Lichtreflektion und dann schien es ihr, als haben sich für einen kurzen Moment einige der Luftblasen bewegt.

Verwirrt ging sie auf dieses Ding zu, das an solch einem Ort absolut nicht hingehörte, doch noch bevor sie diese erreichen konnte, tippte Sina jemand auf die Schulter.

„Hallo, wo wollen sie denn hin?“, stellte ein Arbeiter die Frage, als die junge Botin sich etwas vorbeugte

„Ich?“, sie fuhr hoch und drehte den Kopf zu dem Anderen. „Nirgendwohin ich wollte nur gerade diese...“ Sinas Worte blieben ihr sprichwörtlich im Halse stecken, denn als sie den Kopf zurück drehte waren da nur noch Kisten. Weder die Kugel, noch das Stück Stoff, auf dem sie gelegen hatte waren länger präsent.

„Alles in Ordnung?“, fragte der Arbeiter erneut. Diesmal schwang eine Spur von Sorge mit. Doch Sina schüttelte hastig den Kopf. „Tut mir leid. Ich muss mich verguckt haben. Ich dachte, ich hätte da was gesehen, das da nicht hingehört. War ein langer Flug.“ Sie streckte sich, wie zum Zeichen und gähnte ausgiebig so als wolle sie die Zweifel ihres Gesprächspartners dadurch zerstreuen, bevor sie wieder den Weg zu den Büros einschlug.

Noch länger, als es ihr lieb war, spürte sie die Blicke des Arbeiters in ihrem Rücken und war froh, als sie den Bürobereich betreten konnte.

Erfreulicherweise war es hier ruhiger, so das sie wenigstens die Maske und auch den Helm abnehmen konnte.

Sina fuhr sich durch das Gesicht und seufzte leise. Das wurde immer unangenehmer. Irgendwie hatte diese Lieferung es echt in sich und sie war froh, wenn der Übergabeschein endlich unterzeichnet und sie auf dem Rückweg war, auch wenn der Sturm sicherlich dafür sorgen würde, dass noch etwas Zeit bis zur Abreise verging.

Als sie ihre Jacke ebenfalls ablegen wollte, fiel der kleine Chip mit dem blauen Vogel heraus und für einen kurzen Moment huschte ein Lächeln über das Gesicht der Botin, der dann doch einer gewissen Ratlosigkeit wich.

Schnell war die Jacke um die Hüften gebunden und der Chip so in die Brusttasche ihres Hemdes gesteckt, dass der Vogel weiter heraushing. Zum einen diente das ihrer Sicherheit, dass sie nicht noch am Ende vergaß den Chip abzugeben und vielleicht erkannte hier ja jemand den Vogel sogar wieder und konnte den Vater der Kleinen verständigen, dass Sina den Chip ihm persönlich übergeben konnte. Nur ungern machte sie den Weg über den Vorarbeiter. Persönliche Übergaben waren nun mal sicherer und sie wusste, dass es auch den Richtigen erreichte.



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