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Die Entscheidung

Mass Effect 1 - Virmire
von

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Virmire - Harte Entscheidung

Meine Kopfschmerzen haben in den letzten Tagen wieder zugenommen. Laut Doktor Chakwas kein Grund zur Sorge. Trotzdem hat sie mir ein Mittel gegeben, dass sich mit meinen Implantaten nicht so stark beißt. Unschlüssig drehe ich das Fläschchen in der Hand hin und her, betrachte die Pillen darin eher abwesend. Ich bin mir sicher, dass es diesmal keine Kopfschmerzen ausgelöst von meinen Implantaten sind. Doktor Chakwas weiß das auch, aber was sollte sie schon anderes tun.
 

Noch einmal drehe ich das Fläschchen in meiner Hand. Ich umschließe es fest mit meiner Faust und wenn wir nicht gerade im All schweben würden, dann hätte ich jetzt das Fenster aufgerissen und es hinaus in die große Schwärze geworfen. So bleibt mir nichts anderes übrig als es heftig in meiner Hosentasche zu versenken. Ich seufze unhörbar auf, lehne meinen Kopf an die kühle Wand und schließe die Augen.
 

Sie steht vor mir in ihrem Anzug, das Gesicht abgezehrt, die Augen stolz glänzend, ihren Blick auf den Commander gerichtet. Ich höre ihre Stimme wie sie Joker anfunkt, schnell, aber gefasst. In vielen Bereichen erschien sie mir unerschütterlich und doch… auf ihre Art und Weise war sie zärtlich und weich. Ich weiß nicht wie oder warum, doch in der ersten Zeit hier auf der Normandy verbrachte sie viel Zeit mit mir, half mir bei Reparaturarbeiten und schwieg sich gemeinsam mit mir aus. Vielleicht weil ich auf Eden Prime mit dabei war und sie Trost in menschlicher Nähe suchte. Wer weiß.
 

Die Citadel. Ich erinnere mich an diesen lebhaften, wunderschönen, hektischen Ort. Sie neckt den Commander, lädt ihn zum Tanz ein. Die beiden lachen und in mir ist dieses beißende Gefühl. Zum allerersten Mal spüre ich es und ich weiß es nicht zu deuten. Woher es so plötzlich gekommen ist kann ich auch heute nicht sagen und es erstaunt mich jedes Mal erneut, wenn ich daran denke. Ich hatte keinen Grund um auf sie neidisch zu sein. Wir waren Kameraden, vielleicht auch so etwas wie Freunde. Sie stand mir nahe. Immerhin haben wir seit Eden Prime einander den Rücken gedeckt. Auch wenn sie manchmal ein echter Großkotz sein konnte. Ich vermisse sie.
 

„Oh Mann, Ashley“, seufze ich, fahre mir mit der Hand über die schmerzende Stirn.
 

„Kopfschmerzen, Kaidan?“
 

Ich rucke erschrocken hoch, schaue in seine dunklen Augen, die mit einem wachsamen Blick auf mir ruhen. Er hält zwei Gläser in der Hand, in der anderen eine Flasche die verdächtig nach Whiskey aussieht.
 

„Ein wenig, Commander“, antworte ich ihm auf seine Frage, richte mich auf und nehme ihm eines der Gläser ab, als er sie mir entgegenstreckt.
 

„Konnten Sie nicht schlafen?“, fragt er, während er mir Whiskey einschüttet.
 

„Sie offensichtlich auch nicht, Commander“, entgegne ich, verfolge seine ruhigen Bewegungen, bemerke ein leichtes Zittern seiner Hände. Er stellt die Flasche auf dem Boden ab, lehnt sich neben mich an die Wand und gemeinsam stoßen wir an. Der Whiskey ist scharf und brennt mir in der Kehle. Meine Kopfschmerzen werden weniger und ich kippe den Rest Alkohol in einem Zug hinunter.
 

Als ich zum Commander rüber sehe, starrt er abwesend in sein Glas. Ich weiß woran er denkt. Und ich weiß was in seinem Kopf vorgeht. Vermutlich weiß ich es besser als jeder andere auf diesem Schiff.
 

„Es war nicht Ihre Schuld, Commander. Auch nicht bei Jenkins.“
 

„Danke, Kaidan“, sagt Shepard leise, sieht jedoch weiterhin in sein Glas, stürzt dieses dann in einem langen Zug hinunter. Er schüttelt sich bei dem scharfen Geschmack und verzieht das Gesicht. Ich muss bei diesem Anblick ungewollt lachen und als Shepard mich schmunzelnd ansieht, hebe ich lediglich die Schultern und wende mich von ihm ab.
 

„Meiner Meinung nach haben Sie alles richtig gemacht, Commander. Sie haben die richtigen Entscheidungen getroffen.“
 

„Auch als ich Ashley deinetwegen sterben ließ?“, fragt Shepard rau. Ich halte für einen Moment die Luft an und wage es nicht, ihm jetzt in die Augen zu sehen. In mir dreht sich alles und ich habe für einen schrecklichen Augenblick das Gefühl den Boden unter den Füßen verloren zu haben. Ruckartig klammere ich mich an der Whiskeyflasche fest. So als ob sie mir tatsächlichen Halt geben würde.
 

„Es tut mir leid, Kaidan“, ertönt seine tiefe Stimme hinter mir. Er klingt müde und abgekämpft. „Das hätte ich nicht sagen dürfen. Nicht so.“
 

„Schon in Ordnung, Commander. Ich nehm’s nicht so schwer“, sage ich leichthin, schenke mir nach und drehe mich mit der Flasche in der Hand zu ihm um. „Noch ein Glas?“
 

„Her damit“, befiehlt er etwas grob. Ich mache mir nichts draus. Diese Zeit ist für keinen von uns leicht. Für ihn am allerwenigsten und ich mache ihm keinen Vorwurf. Wer der Retter der Galaxie sein muss hat meiner Meinung nach ein Recht darauf irgendwann einmal auch die Fassung zu verlieren. Und Shepard hat die seine ziemlich lange bewahrt. Ich erinnere mich noch wie er mir damals auf Eden Prime noch Mut zugesprochen hat um die Mission nach Jenkins' Tod noch zu Ende zu bringen. Ohne ihn hätte ich das Szenario damals wohl nicht durchgestanden.
 

„Es tut mir wirklich leid, Kaidan“, unterbricht Shepard meine Gedanken.
 

„Ich sagte doch, alles okay“, sage ich zu ihm. Sein Blick ruht in meinem und mit einem Mal läuft mir ein seltsamer Schauer den Rücken hinunter. Etwas spiegelt sich in seinen Augen wieder, dass ich so noch nie zuvor bei ihm gesehen habe. Ist es Wut? Oder Bedauern?
 

„Ich wollte es sagen“, spricht er nun, lässt mich mit seinem Blick nicht los. „Aber nicht so. Das ist dir gegenüber nicht gerecht. Und Ash gegenüber schon gar nicht. Verdammt.“
 

Er ist aufgebracht und eher beiläufig bemerke ich das Klirren des Glases, als es an der gegenüberliegenden Wand zerschellt. Shepard fährt sich mit beiden Händen durchs Gesicht, stöhnt leise und wirkt mit einem Mal so klein und schwach. Ohne noch einmal darüber nachzudenken lege ich ihm eine Hand auf die Schulter, drücke die versteiften Muskeln. Er sieht zu mir auf, strafft sich und für einen kurzen Moment legt er seine Hand auf meine, ehe er sich von der Wand abstößt und ein wenig Distanz zwischen uns bringt.
 

„Wir verdanken es Ash, dass wir das Desaster auf Virmire überlebt haben“, sage ich zu ihm.
 

„Ja“, ist seine einzige Antwort darauf und er starrt dabei aus den Fenstern, hinein in diese unendliche Weite.

„Und ich verdanke mein Überleben ganz alleine dir.“
 

Shepard sieht mich schmerzerfüllt an, hebt die Hand und lässt sie doch unschlüssig wieder sinken. Erneut wendet er seinen Blick nach draußen.
 

„Es war meine Entscheidung. Und ich konnte nur einen von euch retten. Ash wusste das.“
 

Ich schlucke schwer und schließe die Augen, als ich die weit entfernten Schüsse höre. Überall ist Rauch in der Luft, und Shepard steht vor mir, die Miene verbissen, als Ash ihn anfunkt und ihm sagt, dass sie von den Geth festgenagelt wurde. Sein Blick ist auf mich gerichtet und insgeheim fragt er mich um meine Meinung, meinen Rat. Und ich lasse ihn gehen, schicke ihn los um Ashley zu helfen, denn ich bin mir sicher, dass ich den nuklearen Sprengsatz rechtzeitig scharf machen kann.
 

Während Shepard auf dem Weg zu Ashleys Rettung ist, hämmere ich wie wild auf der Armatur der Bombe herum. Ich fühle den Druck, höre jeden Schuss unendlich laut in meinem Kopf und die Schmerzen nehmen weiter zu. Doch diese Aufgabe war mehr als nur wichtig. Sie war unsere einzige Chance Saren aufzuhalten und lebendig von diesem Platen zu kommen. Das Schiff hinter mir kam so schnell und leise wie unerwartet. Die Geth stürmen auf mich und die kleine Truppe zu und wir setzten ihnen alles entgegen was wir hatten. Doch es ist nicht genug und ich funke Shepard an, rufe ihn zur Hilfe.
 

Ash schaltet sich ein, beschwört Shepard zurück zu kehren um die Bombe zu verteidigen. In der Leitung ist es still und ich kann beinahe spüren wie verbissen er gerade nach einem Ausweg sucht. Nach einer Lösung, die uns beide rettet. Ich flehe ihn an Ash zu retten und endlich zum Turm zu gehen. Als seine Stimme dann ertönt bin ich fast erleichtert und mir sicher, dass dies mein Ende sein wird. Auf Virmire, diesem verlassenen, dennoch wunderschönen Planeten. Die Bombe ist scharf, die Geth stürmen auf uns zu und der Commander wird sich für Ashley entscheiden. Eine Entscheidung, die ich niemals angezweifelt habe.
 

„Kaidan, funken Sie Joker an und sagen Sie ihm, dass er uns bei der Bombe treffen soll.“
 

Es ist wie ein elektrischer Schock als ich diese Worte höre und ich will widersprechen, doch es ist Ash, die mir sagt, dass dies die richtige Entscheidung ist. Sie ist nicht wütend, nicht traurig. Ash denkt nur an die Mission und sie weiß, dass sie in Ausübung ihrer Pflicht sterben wird. Vielleicht ist das immer ihr größter Wunsch gewesen. Ich kann es nicht sagen. Auch jetzt nicht.
 

Shepard, Wrex und Tali stürzen kurz darauf an unsere Seite und in dem heftigen Gefecht das entbrennt bemerke ich es nicht einmal, dass Shepard mit einem Mal an meiner Seite kniet. Ich blute aus mehreren leichten Wunden, mein Bein ist verletzt und ich kann nicht aufstehen, mich nicht groß rühren und Shepard ist da, verbissen und stumm, beinahe jeder Schuss ein Treffer. Als Saren auftaucht zögert Shepard keine Sekunde und eröffnet augenblicklich das Feuer auf ihn.
 

Ich höre die Worte kaum, die Saren und Shepard austauschen. Sie versuchen wohl einander zu überzeugen und vom Weg abzubringen, doch sie bleiben beide standhaft und der Kampf scheint kurz darauf verloren zu sein, als Saren den Commander überwältigen kann. Es sind Joker und die Normandy, die mit ihrem Eintreffen das Ruder noch einmal herumreißen können und während Wrex und Tali den Rückzug unserer kleinen Einheit gegen die verbliebenen Geth decken, ist es Shepard, der mich stützt, mich auffängt, als ich stürze und mich eigenhändig ins Schiff hineinträgt.
 

Mühsam schüttle ich die Erinnerung ab, die noch so frisch in meinem Gedächtnis brennt. Der echte Shepard steht vor mir, mustert mich eingehend und streckt für einen kurzen Moment die Hand nach mir aus. Doch er zieht sie wieder zurück, wendet sich von mir ab und seufzt hörbar.
 

„Egal wie sehr ich versuche mich davon zu überzeugen, dass es wichtig war, die Bombe zu schützen, Saren zu bekämpfen und dieses verdammte Labor in die Luft zu jagen… es gelingt mir einfach nicht, den wahren Grund für meine Entscheidung auszusperren. Jetzt noch weniger als vorher.“
 

„Commander?“, frage ich verwirrt nach, erschrecke, als Shepard sich ruckartig zu mir umdreht und einen Schritt auf mich zugeht.
 

„Ashley war eine hervorragende Soldatin und ein guter Kamerad. Ihr Verlust wird mich schmerzen, ganz gleich was geschieht und ich werde diese Schuldgefühle meinen Lebtag nicht los, und doch… es war deinetwegen, Kaidan.“
 

Er legt seine Hand auf meine Schulter, kommt näher an mich heran. Ich kann seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren, kann seinen herben Duft riechen. Mit einem Mal ist mir schwindelig und ich bin mir dieses Mal nicht sicher, ob es wirklich nur von den Kopfschmerzen kommt.
 

„Ich hätte dich nicht sterben lassen können. Nicht auf Virmire und auch auf keinem anderen Planeten“, flüstert er eindringlich, legt seine Hand in meinen Nacken und zieht mich an seine Brust. Überrascht halte ich die Luft an. Das hier ist ebenso überraschend wie neu und ich kann diese Situation nicht verarbeiten. Alles verschwimmt in dem Rauschen meines Blutes und dem kräftigen, unrhythmischen Schlagen seines Herzens.
 

„Ich brauche dich, Kaidan.“
 

Seine Worte sind ehrlich. Das merke ich alleine daran wie er sich an mir festhält. Sein ganzer Körper bebt und sein Atem geht schwer. Ich lege ihm vorsichtig eine Hand auf den Rücken, streiche diesen kurz auf und ab, ehe ich mich besinne und wieder Distanz zwischen uns bringe. Seine Hand berührt dabei meine Wange, die augenblicklich heiß wird, so als ob ich mich an ihm verbrannt hätte.
 

„Ich bin hier, Shepard“, antworte ich ihm leise, aber bestimmt. „Und ich geh so schnell nicht weg.“

Sein Lächeln ist schwach, aber gefühlvoll und in seinen Augen ist ein Glanz, der mir unbekannt ist. Er umfasst meine Schultern mit beiden Händen, drückt mich fest an sich.
 

„Das hoffe ich doch“, raunt er mir zu, dann lässt er mich los, hebt die Whiskeyflasche vom Boden auf und geht zur Tür. Auf der Schwelle dreht er sich noch einmal herum und mustert mich mit einem entschlossenen Blick.
 

„Es war meine Entscheidung. Auf Virmire. Und ich habe mich für dich entschieden, Kaidan. Nicht nur, weil die Bombe unsere einzige Chance auf Hoffnung war oder du mir… wichtig bist. Ich habe so entschieden weil ich glaube, dass auch Ashley lieber dich lebend gesehen hätte, als sich selbst. Diese Mission war ihr wichtig und sie kannte das volle Risiko. Im Grunde war es irgendwie auch ihre Entscheidung.“
 

„Ich weiß was du meinst“, antworte ich ihm, proste ihm mit dem letzten Rest Whiskey in meinem Glas zu und trinke ihn aus. Als ich das Glas von den Lippen nehme ist Shepard verschwunden. Bitterkeit steigt in mir auf, ebenso wie Wut und Hoffnungslosigkeit. Letztendlich hat niemand wirklich entschieden wer leben oder sterben sollte. Am Ende sind wir sowieso alle tot, ganz egal was jetzt war. Saren hat uns und die gesamte Galaxie dem Untergang geweiht. Mit einem lauten Klirren zerschellt auch mein Glas an der Wand und mit ihm meine schwachen Gedanken. Wenn Ashley mich jetzt so sehen könnte, sie wäre keineswegs erbaut über meinen Anblick.
 

„Das war nicht umsonst, Ash“, sage ich in den leeren Raum hinein. „Dafür sorge ich.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Kathey
2013-10-07T07:23:02+00:00 07.10.2013 09:23
Oh mein Gott. Right in the feels T__________________________T
Eine sehr gute Geschickte, ich habe Virmire SO unglaublich gehasst... Und ich fand es auch schade, dass diese Entscheidung nicht "ausführlicher" behandelt wurde. Mir gefällt wirklich, wie vorsichtig du Shepard agieren lässt, dass er zwar ein paar vorsichtige Andeutungen macht, aber ansonsten auch sehr zurückhaltend ist und nichts Eindeutiges passiert, das die Kluft zwischen den beiden überbrücken kann.
Naaah, auf jeden Fall hab ich richtig mitgelitten bei deiner Geschichte ;__; Ich liebe die beiden und ich liebe das Pairing und besser hätte man die leider nicht vorhandene Romanze nicht umschreiben können.
Fehler habe ich so weit auch keine gesehen, ein paar fehlende Kommata, aber nichts Schlimmes.
Vielleicht liest man ja noch einmal so eine schöne Geschichte von dir? :3
Mich würde es freuen!


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