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Ich sehe was, was Du nicht siehst

von

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Acht

Und hier kommt endlich Nummer Acht, bei dem ich jedes Mal wieder über die Dynamik zwischen Tonda und Renate lachen muss^^. Ach ja - und einige von Euch können sich darüber freuen, dass sie ins Schwarze getroffen haben ;)! Amüsiert Euch gut und entschuldigt den Cliffhanger von letzter Woche XP
 

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Der Stoß und der Schreck waren so stark, dass mein Kopf nach hinten flog. Automatisch führten wir beide eine Hand an den Mund.
 

„Oh Gott!“, keuchte Jasper durch seine Finger, „Daswollteichnicht, tutmirleid!“

„Schon gut,“ brummte ich und fuhr mit der Zunge prüfend über meine Schneidezähne, meine Knochen schepperten immer noch, „Nix passiert. Schon gut.“

„Oh Gott!“, wimmerte er erneut, „Ich bin so ein Esel, tut mir leid.“
 

Ich schüttelte den Kopf und nahm die Hand weg, um ihn zu beruhigen, da verlor er die Nerven. Er stieß ein unverständliches Quieken aus, drehte sich um und floh die Treppe hinunter. Mit offenem Mund starrte und lauschte ich seinen eiligen Schritten nach. Als die Haustür unten zufiel, hallte es bis zu mir nach oben.
 

Mindestens zehn Sekunden lang stand ich noch vollkommen perplex im Türrahmen rum, bis ich genug Gehirnzellen beisammen hatte, um zurück in die Küche zu gehen.
 

„Ich fass es nicht…,“ hauchte ich, „Cleo? Ich glaube, er hat versucht mich zu küssen.“
 

Ich raufte mir die Haare. Ich schimpfte in mich hinein. Ich konnte es nicht glauben. Da wollte mich der süßeste Mensch der Welt küssen und was tat ich? Wutentbrannt verfluchte ich mich und meine strunzdumme Angewohnheit, mit offenem Mund durch die Gegend zu laufen. Was zur Hölle war los mit mir? Wieso konnte ich nicht den Mund schließen, wie jeder andere vernünftige Mensch auch? Wieso musste ich ständig den Mund aufsperren wie ein Vogelbaby? Was war an meinen Zähnen so toll, dass ich sie jedem zeigen musste? Verdammte Axt! Wieso hatte ich nicht die Lippen geschlossen?!
 

„Scheiße!“, zischte ich – und weil das nicht zu genügen schien, „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“
 

„Nun reicht’s aber.“
 

Die Stimme erklang hinter mir und ich verjagte mich so sehr, dass ich fast umgekippt wäre. Wie ein Kreisel wirbelte ich auf dem Absatz herum.
 

Es war Renate.
 

Sie hatte die Arme in die Hüften gestützt und beobachtete mich mit einem Ausdruck der gereizten Ungeduld. Ihr Anblick war zu viel für mich.
 

„OH GOTT, WAS TUST DU HIER?!“, brüllte ich los und aus den Augenwinkeln sah ich, wie Cleo mit aufgestelltem Rückenhaar und dickem Schwanz ins Schlafzimmer schoss, „Das kann einfach nicht dein Ernst sein! Er war noch bis eben hier!“
 

Mein Körper wollte brüllen. Jede einzelne meiner Zellen wollte brüllen. Dummerweise fiel mir nicht ein, was ich noch brüllen könnte. Diese Pause nutzte Renate aus, um mich noch zorniger zu machen. Sie räusperte sich.
 

„Junger Mann. Ich erwarte, dass du dir einen anderen Ton angewöhnst, wenn du mit mir sprichst. Verstanden? Bevor du dich nicht beruhigt hast, werden wir diese Unterhaltung nicht fortführen.“

AAARRRGGGHHH!“, grollte ich dinosauriermäßig und trat mit aller Kraft nach dem Einzigen, das sich in unmittelbarer Nähe von mir aufhielt: Renate.
 

Nein. Es brachte nichts, nach Geistern treten.
 

Mein Fuß flog durch sie hindurch wie durch eine Wolke und weil mein Tritt durch nichts gebremst wurde, renkte ich mir nicht nur fast das Bein aus, sondern verlor auch noch das Gleichgewicht und krachte mit meinen ganzen vierundachtzig Kilogramm rücklings auf den Parkettboden. Die Wohnung dröhnte.
 

Dann trat Stille ein. Ich rang nach Atem.
 

Renate tauchte über mir auf und beäugte mich missbilligend.

„Ich hoffe, das wird dir eine Lehre sein.“

Ich wollte weinen. Alles tat mir weh. Ich wollte, dass Cleo zu mir kam und mich tröstete, doch vermutlich hielt sie mich jetzt für einen gefährlichen Berserker. Winselnd drehte ich mich auf die Seite.

„Ich hasse mein Leben…,“ wimmerte ich.

Renate schnalzte mit der Zunge.

„Red keinen Unsinn, junger Mann.“
 

Ich hatte keine Kraft, mit ihr zu diskutieren. Stöhnend rappelte ich mich in eine sitzende Position. Wir musterten einander dumpf.
 

„Renate,“ sagte ich matt, als mich ihr stures Schweigen zu nerven begann, „Was machst du jetzt hier? Wieso bist du nicht gekommen, als Jasper noch da war?“

„Ich wollte mit dir allein sprechen,“ antwortete sie spitz.

Verständnislos schüttelte ich den Kopf.

„Warum denn? Es geht doch bei der ganzen Sache um ihn und nicht um mich. Ich bin nur dein Sprachrohr.“
 

Sie schnaubte und wandte den Blick ab. Nun verstand ich gar nichts mehr. Und es machte mich wahnsinnig, dass sie sich alles aus der Nase ziehen ließ, dass sie zu stolz oder zu stur oder zu was auch immer war, um mir einfach zu sagen, was ihr verdammtes Problem war. Ich wollte ihr das alles an den Kopf werfen, ich hatte schon den Mund geöffnet. Und dann wurde mir klar, dass sie vielleicht einfach nur hilflos war, dass sie nur deshalb nichts sagte, weil sie nicht wusste, was.
 

„Sag mir, was dich bedrückt,“ versuchte ich es also, „Ich kann dir nur helfen, wenn du ehrlich zu mir bist. Und ich verspreche dir, dass ich nicht wieder brüllen werde.“

Sie seufzte leise.

„Es ist…,“ murmelte sie und verstummte wieder.

Ich wartete.

„Ich akzeptiere, dass er…dass er schwul ist.“

Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch.

„Ehrlich? Das…das ist gut. Das ist hervorragend.“
 

„Aber ich…,“

Erneut brach sie ab. Sie schüttelte den Kopf.

„Er… Er hat…,“ sie holte Luft, „Er hat auf meinen Tod gewartet. Bis er es gesagt hat.“
 

Aha. Hier lag also der Hund begraben. Ich verstand.
 

„Das hat dich verletzt,“ antwortete ich sanft.

Sie nickte.

„Er hat auf meinen Tod gewartet,“ sagte sie abermals, nun wieder energischer, „Er war zu feige, um sich mit mir auseinander zu setzen.“

„Er hatte seine Gründe,“ nahm ich meinen Jasper automatisch in Schutz, „Er hatte Angst vor deiner Reaktion. Nach all euren, äh, Meinungsverschiedenheiten befürchtete er wahrscheinlich das Ende eurer…Vertrautheit. Er wollte immer nur, dass du stolz auf ihn bist.“

„Ich habe nie gesagt, dass ich nicht stolz auf ihn bin!“
 

Renates Augen glühten mich an, doch ich zuckte nicht zurück. Endlich erkannte ich die Verletzlichkeit in dieser kleinen, alten, selbstbewussten Frau. Vor meinen Augen war sie menschlicher geworden. Ich wartete ab. Sie begann, vor mir hin und her zu gehen.
 

„Ich habe alle seine Entscheidungen akzeptiert. Auch diejenigen, die ich nicht nachvollziehen konnte. Ich wollte immer, dass er er selbst ist. Ich habe ihm nur so viel Kontra gegeben, damit er sich seiner Sache sicher ist und den richtigen Weg geht.“

„Mhm…,“ machte ich behutsam, „Das…hat vielleicht nicht immer so gut funktioniert.“

Sie blieb stehen und sah mich an.

„Ich weiß. Doch ich…ich bin sehr stolz auf ihn. Und ich will natürlich, dass er glücklich ist.“

Ich lächelte.

„Das solltest du ihm sagen. Nicht mir.“

„Das werde ich.“

„Gut.“
 

Wir beobachteten einander.
 

„Hast du deshalb seine Wohnung verwüstet?“, wagte ich einen Schuss ins Blaue, „Und ihn so in Angst versetzt? Wolltest du ihn dafür bestrafen, dass er mit seinem Outing gewartet hat, bis du…nicht mehr am Leben warst?“

Sie schnaubte und verdrehte die Augen. Sofort fand ich sie wieder überheblich.

„Natürlich nicht, du Dummkopf. Das hatte einen anderen Grund.“

„Und welchen?“, grollte ich genervt, „Gefiel dir seine Einrichtung nicht?“

„Mach dich nicht lächerlich!“, schnappte sie, räusperte sich erneut und fuhr dann fort, „Ich habe euch heute beobachtet.“
 

Auf diese Offenbarung wusste ich erst einmal nichts zu erwidern. Ich schwankte zwischen Entrüstung, Unverständnis und Neugier.
 

„Ach was…,“ brummte ich vorerst und ging hastig den vergangenen Vormittag durch, auf der Suche nach Peinlichkeiten oder gar Obszönitäten – ich fand glücklicherweise nichts und bedankte mich beim Himmel, dass sie nicht in der Lage war, meine Gedanken zu lesen.

Trotzdem. Was fiel der Frau ein?

„Und warum, bitte schön?“, erkundigte ich mich bissig, „Und wieso hast du dich nicht gezeigt? Hast du vielleicht–,“

Lautstark unterbrach sie mich.

„Er hat über dich gesprochen!“
 

Ich stockte. Mein Herz setzte einen Schlag aus und beschleunigte dann seinen Rhythmus. Mit einem Mal war ich wieder ganz aufgeregt.
 

„W…,“ machte ich, „J… Ja?“

„Das weißt du. Er hat es dir gesagt.“

Ich lachte verlegen und auch in meinen Ohren klang das dämlich.

„Ach… Stimmt ja. U… Und?“

Diesmal brachte sie mich mit ihrem Blick wieder zum Zucken, in meinen Ohren rauschte das Blut und mein Magen drehte und drehte und drehte sich.
 

„Gestern Abend hat er mir die Sache mit seiner…seiner Homosexualität noch einmal ruhig und sachlich erklärt,“ berichtete sie mir mit dramatischer Mimik, „Und anschließend…hat er über dich geredet.“

Sie ließ ihre Stimme verheißungsvoll verklingen und atemlos wartete ich auf mehr.

„Er…erzählte mir…Dinge.“

Meine Fresse, diese Spannung hielt ich nicht aus.

„Was für Dinge?!“

„Das ist nicht weiter wichtig.“

„Aber hallo! Und ob das wichtig ist! Für mich ist es–,“
 

Sie wischte meine Worte beiseite als wären es Fliegen. Ich war fassungslos.
 

„Du bist nicht besonders helle, junger Mann. Aber du bist ein guter Mensch.“

„Vielen Dank,“ grollte ich, „Wie schmeichelhaft.“

„Und deshalb…habe ich gestern Nacht beschlossen…etwas zu unternehmen. Denn ich wusste, wenn es mir gelänge, ihn mit einer für ihn unerklärlichen Demonstration von Übernatürlichkeit richtig zu erschrecken, würde er seine Schüchternheit besiegen und den einzigen Menschen um Hilfe rufen, der ihm Glauben schenken würde: dich.“
 

Stille breitete sich aus, die Sekunden zogen sich in die Länge. Sprachlos starrte ich sie an. Ich war vielleicht nicht die hellste Kerze am Leuchter, doch dumm war ich auch nicht. In meinem Kopf setzten sich die Puzzleteile zusammen.
 

„Soll das… Soll das heißen, du wolltest uns verkuppeln?!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Momachita
2013-10-21T06:56:14+00:00 21.10.2013 08:56
Süß. Einfach nur süß, diese alte Dame :)
Von:  gila-lala
2013-10-01T11:05:31+00:00 01.10.2013 13:05
konstruktiver kommentar: :D :D :D :D :D :D :D
Von:  Deedochan
2013-10-01T08:32:47+00:00 01.10.2013 10:32
hihi, die Kuppelrenate :P und btw: Das mit den Zähnen finde ich immer noch peinlich ( wahrscheinlich, weil mir das mit meinem Freund auch einmal passiert ist (vor ewigen Zeiten) und mir das damals richtig peinlich war, obwohl es nicht ganz SO PEINLICH war wie bei den beiden Süßen hier :P (ich hoffe, ich habe jetzt oft genug das Wort "peinlich" geschrieben, um meinen Standpunkt zu verdeutlichen XD))
bis bald!
Danke für das Kapitel
Bussale
Deedo
Von: abgemeldet
2013-09-30T10:04:43+00:00 30.09.2013 12:04
Na Renate du alte Kupplerin ;) Sie is eben doch ne gute Omi und schubst ihren Enkel in die richtige Richtung.


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