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☾ Mikadzuki

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie geht es nun also weiter, mit unseren Freunden, nachdem Kagome gerade drei Monate zurück ist? Seht selbst... Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Freitag der 13., Führerscheinprüfung bestanden und zur Feier des Tages gibt's ein neues Kapitel ;) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Lustig, lustig, tralalalala, bald ist Nik'laus Abend da...
Und was ist im Stiefel? Mandarinen, Walnüsse, Schokolade - und ein neues Kapitel für euch! ;) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein frohes Fest euch Allen!!!
Ich hoffe, mein kleines "Geschenk" gefällt^^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Zum neuen Jahr ein neues Kapitel^^
Ich hoffe, keiner von euch hat zwischen den Jahren an Leib, Leben oder Trommelfell Schaden davongetragen? Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Herzlichen Dank an Mine140690 für den lieben Kommi - und dir, Avialle, natürlich sowieso! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Vielen, lieben Dank an Cyera und Parsaroth für ihre lieben Kommis - und Avialle für ihre Treue^^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Osternest gefunden, Leute^^
Ich hoffe, der Inhalt gefällt... ;) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ojemine, da hab' ich euch lange warten lassen, hm?
Ich hoffe, ich habe euch nicht völlig vergrault. Als kleine Entschädigung gibt es heute ein Kapitel und das nächste Woche dann wieder regulär. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ach du je, da ist mir das Kapitel letzte Woche doch durch die Lappen gegangen. Nun, dann gibts als Entschädigung diese Woche zwei Stück - besonders schöne, wie ich hoffe^^

Vielen, vielen Dank für den HUNDERTSTEN Kommentar übrigens an Sesshy500 - und natürlich der lieben Avialle für ihre Treue und die damit verbundene Motivation! Komplett anzeigen

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Alltag?

„Ich kann es gar nicht oft genug sagen, InuYasha, wie froh ich bin, wieder hier zu sein. Diese drei Jahre waren eine Qual!“ Kagome lächelte leicht, als sie spürte, dass der Arm um ihre Schultern sie fester an den Hanyou an ihrer Seite zog.

„Frag mich mal. Du hattest deine Familie“, gab er zurück.

„InuYasha!“, tadelte sie leise, allerdings ohne das früher so häufige Kommando folgen zu lassen. Inzwischen waren sie beide zu erwachsen dafür, darin waren sie stumm übereingekommen. „Du hattest Sango. Und Miroku, Shippô und Kaede. Und die Kleinen“, fuhr sie dann fort und rutschte auf dem Ast, der ihnen beiden als Sitzplatz diente ein wenig nach links, um sich seitlich an den rauen Stamm zu lehnen. „Weißt du, InuYasha? Ja, ich hatte meine Familie. Und sie haben sich sehr bemüht. Aber manchmal hatte ich trotzdem das Gefühl, er hier sei mein einziger Freund“, murmelte sie leise und fuhr mit den Fingerspitzen über die schartige Borke.

InuYasha war ihrer Bewegung gefolgt und sah sie nun aus golden schimmernden Augen an. „Goshinboku. Ja, ich kann es mir vorstellen. Er ist ja auch das einzige, was in deiner Zeit noch übrig ist“, gab er leise zurück, und seine Stimme klang sanfter und verständnisvoller als sie es bis vor wenigen Jahren jemals gewesen war.

„Und der Brunnen. – Aber… sag nicht mehr ‚meine Zeit‘. Ich bin vermutlich endgültig gegangen. Und jetzt gehöre ich hier her. Zu dir“ Sie schmiegte sich etwas an ihn.
 

„Ich weiß schon, warum ich dich so mag“, gab er leise von sich, worauf sie ihn aus dem Augenwinkel musterte. Noch immer hatte sie sich nicht so ganz daran gewöhnt, dass er so etwas offen sagte. Und da er im selben Moment den Kopf drehte, trafen sich ihre Blicke. Kagome lächelte erneut, spürte, wie er seinen Arm von ihren Schultern nahm und die Hand an ihre Wange legte, vorsichtig darauf bedacht, ihr nicht mit den Klauen weh zu tun.

Dann trafen sich ihre Lippen. – Und der junge Kitsune, der eben auf der Suche nach ihnen, unter dem Baum aufgetaucht war, drehte sich direkt wieder um.
 


 

Derweil herrschte deutlich weiter im Westen Aufregung. Die gesamte Schlossbelegschaft des Inu no Taishô, des Hundefürsten, war auf den Beinen. Sie alle spürten, dass das Yôki ihres Herrn, wenn auch nur zu einem kleinen Teil, offen gelegt war. Und da er es normalerweise komplett unterdrückte, versetzte seine offenbare Aufregung alle in Alarmbereitschaft.
 

Nur eine behielt wie immer die Ruhe, Masa, die gute Seele des Schlosses, aber die saß momentan im Arbeitszimmer des Herrn und stand nicht für Fragen zur Verfügung. Das einzige, dessen sich alle Diener, Wachen und Krieger sicher waren, war die Tatsache, dass der Bote, der heute Morgen um Audienz gebeten hatte, an all dem Wirbel Schuld war. Dabei war ihr Herr sonst so gar nicht aus der Ruhe zu bringen, darin glich er seinem Vorgänger und Vater. Aber außer den wenigen, die den Herrn schon in seiner Kindheit gekannt hatten, wusste darüber hinaus niemand wirklich etwas über ihn. Weder die Tiefen seines Charakters, noch seine wahre Stärke waren ihnen bekannt.
 

Besagter Herr saß derweil hinter seinem Schreibpult und musterte seine Beraterin mit undefinierbarem Blick.

„Taishô, Ihr wisst, was das bedeutet. Sämtliche Fürstenfamilien werden hier auflaufen. Es muss alles perfekt laufen, denn sicherlich wissen sie, wie kurz Ihr erst wieder permanent hier seid und werden austesten wollen, ob Ihr eure Leute im Griff habt“, gab sie zu bedenken, während sie vor ihm kniete, den Blick etwas gesenkt, die Hände im Schoß gefaltet, wie es sich gehörte. Sie mochte eine geachtete Beraterin auch schon unter dem vormaligen Herrn gewesen sein, deswegen hatte sie noch lange keine Narrenfreiheit. Und, im Gegensatz zu vielen anderen, wusste sie, dass der neue Taishô seinen Namen nicht von ungefähr hatte. Sesshômaru – der, der perfekt tötet. Und so war es, daran hatte sich sicherlich nichts geändert.

Trotzdem wagte sie nun den Blick kurz zu heben, als keine Reaktion kam.

Tatsächlich verlegte der Herr sich mal wieder darauf, kein Wort zu viel zu sagen. Aber eines hatte sie in den drei Jahren gelernt, die vergangen waren, seit er endgültig hierher, auf den Fürstensitz des Inu-Clans zurückgekehrt war: Wenn er nichts sagte, hieß das noch lange nicht, dass er nicht längst alles geplant hatte. Und so wartete sie einfach ab.
 

„Ich will die Verantwortlichen aller Bereiche hier sehen. Und hole ja diejenigen her, die noch über die Abläufe unter meinem verehrten Herrn und Vater Bescheid wissen“, befahl er schließlich tatsächlich und kaum einen Wimpernschlag später erhob Masa sich. Das hatte sie sich schon fast gedacht. „Sehr wohl, Taishô“, antwortete sie und schritt zur Schiebetür um dort den Diener weiterzuschicken. Dafür, selbst das Laufmädchen zu spielen, war sie sich dann doch zu schade und da sagte nicht einmal Sesshômaru etwas dagegen.

Sie hatte sogar den leichten Verdacht, dass er sie immer noch achtete, auch wenn er meist mit ihr umsprang, wie mit jeder dahergelaufenen Zofe.

Sie kehrte wieder zurück, kniete sich erneut nieder.
 

„Taishô, darf ich mir eine Frage erlauben?“, begann sie vorsichtig. Wieder keine Antwort, aber das war eine Zustimmung, dessen war sie sich im Klaren. „Ihr wisst selbst, dass, wenn alle hundert Jahre sämtliche Fürsten zusammenkommen, sie es auch nutzen, untereinander ihre Fürstinnen und Erben bekannt zu machen. Ihr seid noch recht jung, aber trotzdem wird die Frage nach Eurer Gefährtin aufkommen. Sagt, gibt es da etwas zu wissen?“

„Nein“, kam die knappe Antwort zurück.

Hätte sich dies einer Youkai geziemt, Masa hätte den Kopf geschüttelt. Nun, immerhin hatte er sich überhaupt zu einer Erwiderung herabgelassen. Und sie wusste, nur weil sie schon unter seinem Vater gedient hatte und er ihr obendrein zuvor die Frage erlaubt hatte, befand sie sich jetzt nicht in allen vier Ecken des Raumes zugleich.

„Und was werdet Ihr über Euren Erben sagen? Da ich denke, dass Ihr ihn kaum hier haben wollt…“, fügte sie vorsichtig hinzu.

„Ich gab die Erlaubnis für eine Frage, Masa“, sprach Sesshômaru bloß und sie schwieg sofort.

Sie wusste, dass sie sich bei solchen Themen immer auf dünnem Eis bewegte.
 

Der Inu-Yôkai dagegen machte sich insgeheim so seine Gedanken über ihre Worte. Natürlich war es weithin bekannt, dass er nur noch einen Blutsverwandten hatte, der damit nach dem Recht auch sein Erbe war, bis er einen Sohn bekommen würde, bloß der Betroffene würde es vermutlich nicht wissen, dieses dämliche Halbblut. Obwohl er zugeben musste, dass InuYasha sich entwickelt hatte und durchaus ein passabler, wenn auch technisch rettungslos unbegabter Kämpfer geworden war. Aber das hätte er niemals so ausgesprochen.
 

Stattdessen konzentrierte er sich nun auf die eintretenden Yôkai, die auf sein Gesuch zu der Versammlung erschienen waren, offensichtlich aufgeregt. Schließlich wussten sie noch nicht, worum es sich handelte.

Nun, sie würden gleich erfahren, welche Nachricht der Bote heute Morgen gebracht hatte:

Das alljahrhundertliche Treffen der Dämonenfürsten sollte nach der Reihenfolge diesmal in seinem Schloss stattfinden. Wussten sämtliche Götter, das war wirklich keine Nachricht, die Sesshômaru erfreute. Aber er sorgte sich nicht deswegen. Yôkai haderten nicht mit Dingen, die nicht zu ändern waren.

Hauptsache war jetzt, alles so zu koordinieren, dass beim nächsten Vollmond nicht ein Fehler unterlief.
 


 

Im Norden des Landes war es dahingegen weit ruhiger. Das könnte daran liegen, dass zu dieser Tageszeit die meisten Dämonen mit den tierischen Wolfsrudeln draußen auf der Jagd waren und außer ein paar Wächtern eigentlich nur die Fürstenfamilie in den Höhlen verblieben war.

Und gerade hier in den obersten Etagen der Wolfshierarchie war sowieso alles durcheinander. Manchmal konnte man gar den Eindruck bekommen, hier habe die Fürstin – oder besser, die Rudelchefin – das Sagen. Denn oftmals ging sie als Siegerin aus einer Diskussion hervor.

Zumindest in letzter Zeit.
 

Das mochte aber auch daran liegen, dass ihr momentan jeder Wunsch von den Augen abgelesen wurde. Wo Ayame sich das sonst scharf verbeten hätte, viel zu viel Abenteuerlust und Wildheit schlummerten in ihrem Charakter, so genoss sie es jetzt.

Denn in wenigen Wochen sollte sie das Kind des Herrn der Wölfe zur Welt bringen und natürlich hoffte das ganze Rudel auf einen Erben.
 

Gerade in diesem Moment aber ging es bei dem ranghöchsten Paar um ein ganz anderes Thema. Denn natürlich wusste auch ‚Fürst‘ Kôga, dass in etwas weniger als einem Mond das Treffen der Dämonenfürsten war und dass dieser Termin für ihn sehr ungünstig lag.

Aber was sollte er schon machen.

So einfach wie Ayame das in ihrem Dickkopf – der im Übrigen, in den letzten Wochen noch deutlich stärker geworden war – feststellte, ging das nicht. Er konnte nicht einfach wegbleiben.

Im besten Falle noch würde man ihn und sein Rudel dann als schwach abstempeln, unter Umständen zu schwach um über die kompletten, nördlichen Ländereien zu gebieten, wie sie es taten.

Im schlimmsten Falle würde man ein Fernbleiben als Kriegserklärung seinerseits interpretieren. Und in beiden Fällen mindestens die Bären und die Schlangen auf dem Hals zu haben, war nicht gerade sein Wunschtraum.

Deswegen bestand er darauf, dass er gehen würde, wenn es ihm auch nicht behagte.

Überhaupt hatte er der hohen Politik noch nie viel abgewinnen können, nicht umsonst war er früher viel durch die Gegend gestreunt, nur begleitet von den inzwischen einzigen Überlebenden seines damaligen Rudels, Ginta und Hakkaku, die er zu seinen engsten Freunden zählte, so schreckhaft und seltsam die beiden manchmal sein mochten. Aber jetzt, als Fürst, war diese ihm so liebe Ungebundenheit nicht mehr gegeben.
 

Ach was, er sollte nicht weiter auf Unabänderlichem herumreiten, jetzt war es wichtig, Ayame zu überzeugen. Denn zwingen wollte er sie nicht. Auch wenn er das Versprechen seinerseits, dass zu ihrem Wiedersehen geführt hatte, lange nicht ernst genommen hatte und auch viele Monde mehr auf Kagome achtgegeben hatte, als auf Ayame, er mochte seine Gefährtin sehr und er wollte sie nicht unterbuttern.

Auf der anderen Seite: Wo blieb das entscheidende Argument, sie zu besänftigen?

Ihm fiel wirklich nichts mehr ein. Sie war schon immer wortgewandter gewesen als er.
 


 

Vor einer Höhle, nicht weit der westlichen Fürstentümer, landete derweil eine große Katze, die sich nicht nur durch ihre Flugfähigkeit, sondern auch durch die zwei Schweife und die brennenden Läufe als Dämonin zeigte.

Ihr Reiter, ein vielleicht sechzehnjähriger Junge in der hautengen Kleidung der Dämonenjäger, deren Dorf seinerzeit nicht weit von hier gelegen hatte, stieg von ihrem Rücken.

Sofort verschwand die bisher säbelzahntigergroße Katze in einem Flammenwirbel um gleich darauf als immer noch zweischwänzige, aber nun eindeutig kleinere Katze wieder aufzutauchen. Mit einem geschickten Sprung landete sie auf der Schulter des jungen Taijiya und so betraten beide die Höhle.

Sie spürten den Bannkreis, der hier noch immer wirkte, aber er wies sie nicht ab. Denn sie wussten um das Geheimnis dieser Höhle. So folgten sie dem Gang, bis sie in dem eigentlichen Gewölbe landeten, in deren Mitte noch immer die versteinerte Skulptur eines riesigen Dämons mit einer menschlichen Kriegerin in den Fängen verharrte. In der Brust der Kriegerin prangte ein kreisrundes, faustgroßes Loch, durch das ein Lichtstrahl blitzte. Für immer würde diese Skulptur ein Mahnmal sein, auch wenn das Dorf der Dämonenjäger nicht mehr existierte und die Welle an Leid, die das hier verewigte Geschehen über ganz Japan gebracht hatte, endlich beendet war.

Energisch blinzelte der junge Taijiya eine Träne weg, lächelte leicht, als er das tröstende Miauen der Katze vernahm.
 

Deren Blick lag allerdings fest auf dem Bildnis der Kriegerin vor ihr. Nur Kirara selbst wusste, dass sie persönlich bei diesem Kampf dabei gewesen war, aber im Gegensatz zu ihrer Herrin überlebt hatte. Seit dem hatte sie den Dämonenjägern zur Seite gestanden, die das Andenken an ihre Herrin Midoriko wahrten, und das tat sie auch jetzt noch.

Denn der Junge, auf dessen Schulter sie saß, war einer der letzten zwei Taijiya der Gegend. Nur weit im Süden sollte es noch welche geben, die allerdings aus anderen Motiven jagten. Darüber wollte Kirara gar nicht nachdenken. Stattdessen blickte sie nun auf ihren menschlichen Begleiter hinab. Er hatte viel durchgemacht, gerade aufgrund Midorikos Erbe. Doch ihm war noch eine Chance gegeben worden und Kirara hatte sich schon längst geschworen, dass sie alles ihr Mögliche dafür geben würde, ihm dabei zu helfen, diese Chance zu nutzen.

Sie sprang von der Schulter des Jungen und näherte sich dem Monument.
 

Doch dann erstarrte sie und ihr Blick fiel zurück zu dem Taijiya.

Wie viel wussten die Menschen eigentlich über das Gleichgewicht der magischen Artefakte?

Nur wenige Menschen waren je darin eingeweiht worden. Midoriko war eine davon gewesen, aber gab es sonst noch welche und lebten sie noch?
 

Zwei der magischen Artefakte waren in den letzten fünf Jahren vernichtet worden, ein reines und ein zwiespältiges. Blieben vier reine, zwei zwiespältige – und fünf böse. Das war eindeutig keine gute Bilanz.

Kirara fauchte ungehalten, ein Laut den sie in ihrer kleinen Gestalt sonst gar nicht benutzte. Aber jetzt passte es gerade. Wenn sie jetzt nicht auf diese Idee gekommen wäre, dann wäre dieses gefährdete Gleichgewicht wahrhaft eine Bedrohung.

Sie musste sich dringend schlau machen – und Hilfe holen. Sie und die anderen Nekomata dieser Gebiete konnten sich den Menschen doch leider nicht richtig verständlich machen.

Blieb die Fürstenfamilie der Katzen – und die hatten bekannterweise in breiter Mehrheit nichts für Menschen übrig, egal ob man die herrschende Fraktion der Panther oder einen anderen Unterclan zu Rate zog.

Und blieben… die Traumdeuter. Ein aufgeregtes Glitzern trat in Kiraras Augen. Baku nannten die Menschen diese Wesen, einige fürchteten, andere segneten sie. Und jetzt waren sie ihre einzige Chance, mehr in Erfahrung zu bringen.
 

Um die Nekomata stieg wieder der Flammenwirbel auf, kaum stand sie wieder in groß da, stupste sie den jungen Taijiya auffordernd an. Sie würde ihn bei seiner Schwester abliefern und dann auf die Suche nach einem Baku machen. Kohaku würde eine Weile auf sie verzichten müssen.

Hätte eine Nekomata das gekonnt, Kirara hätte geseufzt.

Was musste auch ausgerechnet sie so viel Erfahrung und Wissen besitzen. Aber es half nichts und hier zeigte sich ihr dämonischer Charakter: Sie nahm die Tatsachen hin.

Und doch wusste sie: Was auch immer ihre Nachforschungen ergeben würden, es könnten wieder stürmische Zeiten auf sie zu kommen.
 

Denn Gleichgewichte waren schon immer ein heikles Thema gewesen.

Vorboten

Es war schönes Wetter in dieser Nacht.

Nachdem es fast bis in die Dämmerung hinein heftig geregnet hatte, war es jetzt trocken und sternenklar.

Nur in der Luft hing noch ein wenig Feuchtigkeit und einige der Zierkirschen im Garten des großen Schlosses trugen noch silbern glitzernde Verzierungen aus Regentropfen, aber der Vollmond verteilte sein magisch anmutendes, elfenbeinfarbenes Licht ungehindert auf Mauern und Dächern.

Es war ein großes Anwesen, erbaut aus rötlich-weißem Gestein, dass so in einen überirdisch wirkenden Mantel gehüllt wurde.

Ruhig lag es in all diesem Glanz, keine Gestalt regte sich auf dem Schlosshof, bloß im Inneren des Hauptgebäudes herrschte Aufruhr.
 

Nur eine einzelne Gestalt stand draußen, inmitten den Schatten des Tores leuchtete sie fast von selbst. Lange, silbrigweiß glänzende Haare, bernsteinfarbene Augen, weißer Kimono – der Fürst dieses Schlosses. Aber trotz der Haarfarbe wirkte er nicht alt, im Gegenteil, er schien gerade erst die Schwelle zum Erwachsenenalter überschritten zu haben. Erst auf den zweiten Blick fielen die magentafarbenen Streifen an den Wangen, der blaue Sichelmond auf der Stirn, die klauenartigen Fingernägel auf und enthüllten, was er wirklich war: Ein Yôkai. Ein Geschöpf, das so viel mächtiger war, als es ein Mensch je sein könnte. Das erklärte auch die stoische Ruhe, mit der die einsame Gestalt dort stand, nicht einen Muskel regte. Er brauchte nichts zu fürchten. Und Wächter hätten außerdem dem Brauch widersprochen.

Denn heute war auch für ihn ein besonderer Tag – oder besser, eine besondere Nacht. Denn heute, seit hundert Jahren zum ersten Mal, trafen sich die Fürsten der stärksten Dämonenvölker um ihre Politik aufeinander abzustimmen.

Egal welche Fehden gerade herrschten, während des Treffens herrschte Frieden – das konnte in ein paar Tagen, auf dem Heimweg schon wieder ganz anders aussehen, aber das war ein anderes Thema und hatte den jungen Fürsten nicht zu interessieren. Momentan lag er mit keinem anderen Dämonenclan im Klinsch.

Und außerdem hatte er nicht vor, sich irgendwem zu beugen.

Seit drei Jahren hatte er seine wirkliche Macht nicht mehr gebraucht und es war ruhig geworden, rund um die westlichen Länder.

Momentan hatte er nicht vor, daran etwas zu ändern.
 

In diesem Moment, zum ersten Mal seit Stunden, rührte sich die weißgekleidete Gestalt, trat ein paar Schritte vom Schlosstor weg. Er hatte das erste, sich nähernde Yôki gespürt und es wurde Zeit, dem nächsten Schritt des Brauches Genüge zu tun.

So schloss er jetzt kurz die Augen, bis auf einmal scheinbar aus dem Nichts heftiger Wind um ihn aufstieg. Erst wirbelten nur seine Haare etwas hoch, dann hüllte ihn der selbst erzeugte Wind komplett ein, als sich seine Gestalt zu verändern begann. Nur ein paar Herzschläge später stand die zuvor beinahe menschlich anmutende Gestalt als mehrmeterlanger Hund da. Noch immer hatte er die strahlend silberweiße Farbe und auch das Sichelmondzeichen war noch vorhanden, doch die Augen leuchtenden nun blutrot und trotz geschlossenen Maules schimmerte es an den Lefzen giftgrün.
 

Kaum stand er so da, lösten sich Gestalten aus dem Nachthimmel, kamen vor ihm auf den Boden auf. Riesige Schwingen wirbelten Staub und Blätter auf, als sie beim Zusammenfalten kurz auf der Erde aufkamen, dann waren die Neuankömmlinge gut zu erkennen.

Unverkennbar, dass sie mit den Vögeln, den Greifvögeln verwandt waren, aber bei den riesenhaften Gestalten hätte niemand auf den ersten Blick erkannt, dass sie der Familie der Falken zugehörig waren, deren tierische Verwandte doch eher klein und schmal gebaut waren.

Die vier Obersten der Hayabusa-Familie, der momentan Herrschenden im Clan der Vögel. Fürst Shou, seine Gemahlin Cho, sein Sohn und Erbe Masaru und dessen Verlobte Suzu, letztere beiden deutlich erkennbar noch nicht ganz ausgewachsen.

Der weiße Hund musterte sie kurz, dann neigte er mehr grüßend als höflich den Kopf, eine Geste, die von den beiden männlichen Gästen genau imitiert wurde. Die beiden Falkendämoninnen dagegen verneigten sich deutlicher, sich durchaus bewusst, dass sie zu größerer Höflichkeit verpflichtet waren, wollten sie keine schmerzhafte Strafe herausfordern. Bei Sittenverletzung auf so einer großen Veranstaltung waren Dämonen nicht gerade zimperlich.

Dann erst traten die vier ein paar Schritte zurück, Sturmwind stieg auf, der die Umgebung noch mehr verwüstete, als sie sich alle gleichzeitig in ihre menschenähnlichen Formen zurückverwandelten und an dem weißen Dämonenhund vorbei Richtung Schlosstor marschierten, wo ein Diener sich ihrer annahm.
 

Der Schlossherr jedoch verharrte erneut regungslos, wartend auf die anderen Fürsten und ihre Begleitung. In der Ferne spürte er bereits das Yôki der nächsten Gäste und konnte deutlich die Witterung des Kuma-Clans, der Bären, ausmachen.

Aber er wusste, es konnte durchaus bis zum Morgengrauen dauern, bis alle hier eingetroffen wären.
 


 

Viel weiter im Osten prüfte derweil ein ganz anderer Yôkai die Luft. Das gelblich-cremefarbene Fell war im Dunkel der Nacht fahlgrau geworden und die Baumkronen über ihr hielten das Mondlicht von ihr ab.

Endlich bekam die Gestalt jene Witterung in die Nase, die sie gesucht hatte und triumphierend zuckten die beiden dicken Schwänze, sodass die flammenden Spitzen kurz die Umgebung erhellten.

Die Nekomata hatte gefunden, was sie suchte und dementsprechend setzte sie sich jetzt in Bewegung, sprintete durch den tiefdunklen Wald.
 


 

Sesshoumaru sollte mit seiner Einschätzung Recht behalten.

Tatsächlich stiegen bereits die ersten Sonnenstrahlen über den fernen Hügeln auf, lösten das Mondlicht ab und hüllten das Schlossgelände stattdessen in einen Lichtmantel aus Purpur, als der Hundedämon das Yôki spürte, dass er zuletzt noch erwartete.

Die Dämonin, die sich nun am Horizont zeigte, war sich durchaus bewusst, dass sie hier immer noch ein gewisses Hausrecht besaß und daher auf sich warten lassen konnte.

Und sie unterschied einiges deutlich von allen anderen bisher Angekommenen: Auch sie war eine Hundedämonin, auch sie zeichnete sich durch weißes Fell aus, auch sie trug den blauen Sichelmond auf der Stirn. Und in ihrer Hundegestalt war sie zwar zierlicher als der hiesige Fürst, aber reichte durchaus an seine Größe heran, was verriet, dass sie eine fast ebenbürtige Stärke besaß.
 

Nur knapp neigte sie den Kopf, dann verwandelten sich beide Yôkai zurück, der junge Fürst bot der weiblichen Yôkai pflichtbewusst den Arm zum Geleit. Die weißhaarige Dämonin, die ein weißes Fell wie einen Mantelkragen um beide Schultern trug, zeigte deutlich, dass sie sich ihren Ranges bewusst war, als sie ihre zierliche Hand hudvoll auf dem Unterarm des Schlossherrn platzierte.

„Ihr habt Euch Zeit gelassen, Haha-ue“, bemerkte er ruhig, erhielt aber keine Antwort.

Und die junge, dämonische Dienerin, die am Schlosstor wartete, um die Fürstinmutter zu ihren Gastgemächern zu geleiten, wie es ihre Kollegen schon mit allen anderen adeligen Gästen gemacht hatten, entschied für sich, dass sie nun wusste, woher der Fürst seine Schweigsamkeit hatte.
 


 

Im Osten hatte die cremefarbene Nekomata inzwischen den Ort gefunden, den sie suchte. Inmitten der zerklüfteten Hänge eines einsamen Berges zeigte sich ein Felsspalt, aus dem die gefragte Witterung strömte.

Kirara grummelte zufrieden und verlangsamte ihre Schritte um zu unterstreichen, dass sie in friedlicher Absicht kam.

Bakus kämpften zwar nicht gern, aber sie wussten sich durchaus zu verteidigen, wenn sie glaubten, es würde ein Anschlag auf ihr Leben stattfinden.

Langsam betrat sie den Höhlengang, der trotz der inzwischen aufgegangenen Sonne selbst im vorderen Teil vollkommen dunkel war. Nur das Feuer, das sich an Kiraras Schwanzspitzen und Pfoten schmiegte, zauberte ein wenig Licht an die roten Felswände. Schier endlos zog der Gang in den Berg hinein und würde Kirara hier drin nicht die Magie fühlen, sie hätte geglaubt, eigentlich längst auf der anderen Seite des Berges wieder herausgekommen sein zu müssen. So aber trottete sie tapfer weiter, ließ zu, dass die Schutzmagie sie nach ihrer Absicht abtastete.

Bakus kämpften wirklich nicht gern.
 

Endlich veränderte sich etwas, plötzlich flammten dünne Lichtfäden in den Rissen der Höhlenwand auf, dann wich der Gang auseinander, bildete ein niedriges, aber großes Gewölbe, dessen rotes Gestein nun hell leuchtete.

Und dort stand es: Das Baku, der hier lebte.

Diese Wesen lebten nie lange mit Ihresgleichen zusammen, unkooperativ waren sie deswegen noch lange nicht. So hatte Kirara es wenigstens gehört, denn es war Jahrhunderte her, dass sie das letzte Mal einem Baku gegenübergestanden hatte.

Leicht neigte sie nun den Kopf, musterte aus dem Augenwinkel das Tier. Vom Körper her sah es ihr ähnlich, fast wie ein Löwe, allerdings mit zu dunkel geratenem Fell. Doch sein Kopf war der eines Elefanten. Kluge Augen schauten sie an, dann erwiderte ihr Gegenüber die grüßende Geste, setzte sich nieder.

Nun war es an Kirara, es ihm gleichzutun, sie schloss halb die Augen und konzentrierte sich auf ihr Anliegen: Mehr darüber in Erfahrung zu bringen, wie viel die Menschen noch über das Gleichgewicht und die Wichtigkeit der magischen Artefakte wussten.

Kurz geschah gar nichts, dann kamen Bilder in ihren Kopf auf, zeigten die Artefakte, sechs davon klar. Drei der Reinen und drei der Bösen, soviel erkannte Kirara schnell. Die anderen Bilder waren unscharf.

»Legenden?«, fragte Kirara in Gedanken zurück. Das Baku nickte. Ja, so war das. Die restlichen Artefakte – und ausgerechnet auch die beiden übrig gebliebenen Zwiespältigen – waren nur durch Sagen und Geschichten überliefert, keiner wusste etwas Genaueres. Sie fauchte leise auf, ihre Säbelzähne blitzten im magischen Licht.

Dann konzentrierte sie sich auf ihre nächste Frage: » Wo und in wessen Hand befinden sich das Hōō Hōseki und die Haru Tsume?« Die beiden zwiespältigen Dinge waren im Moment das wichtigste. Das wusste auch das Baku, aber es verdrehte leicht die Augen, ehe es doch Antwort gab.

Hōō Hōseki, das Phönixjuwel, war noch immer da, wo es hingehörte, bei den letzten drei FeuerYôkai, den Nachkommen der ausgestorbenen PhönixYôkai.

Die Haru Tsume, die Federkralle, dagegen, war schon seit einigen Jahrzehnten verschollen. Diesmal fauchte Kirara lauter. Diese Nachricht war gar nicht gut. Sie schüttelte leicht den Kopf, als ihr Brüllen echoartig zu ihr zurückkam.

Dann jedoch spitzte sie die Ohren.

Da war nicht nur ihr Wutlaut, da hallte noch mehr durch das Gewölbe.

Und das war gar nicht gut.

War ihr Gastgeber etwa zu abgelenkt gewesen, den Eingang weiter zu schützen?

Das bezweifelte sie nun doch.

Und trotzdem, das fremde Brüllen, Fauchen und Keifen kam immer näher und es hörte sich gar nicht gut an.

Kirara war zu kampferfahren, um nicht herumzuwirbeln – und damit gerade noch dem Angriff eines wurmartigen Oni zu entwischen. Was bitte hatte der hier zu suchen? Schnell sprang sie erneut zur Seite um dem nächsten Angriff zu entgehen, dann ging sie selbst in die Offensive, schlug ihre Säbelzähne in den langen Leib und riss ohne zu Zögern ein Stück heraus. Sie hatte gespürt, wie sehr das ohnehin niedrige Yôki ihres Gegners flackerte und instinktiv begriffen, dass der nicht ganz bei Sinnen war. Sie musste ihn töten, sonst wäre es aus.

Außerdem hörte sie das schmerzerfüllte Jaulen des Baku und konnte sich denken, dass der mehr Probleme hatte, sich zu wehren. Direkter Kampf war nichts für seine Gattung, sie verteidigten sich eher mit Magie und auf Distanz. Erneut grub Kirara ihre Zähne in den übergroßen Wurm und riss mit einer schnellen Bewegung den Kopf ab. Sofort war Ruhe, der tote Dämonenkörper fiel zu Boden.

Die Nekomata atmete auf, wandte sich dann um.

Hier in der niedrigen Höhle würde sie kaum eingreifen können, nicht helfen können.

Doch das Bild, was sich ihr bot, erschütterte sie viel mehr.

Das Baku lag am Boden, wehrte sich nur noch schwach mit den Krallen, nicht mehr in der Lage, Magie gezielt einzusetzen. Sein brauner Körper war blutüberströmt.
 

Da erreichte Kirara plötzlich ein Bild. Sofort lenkte sie ihren Blick in die Ecke der Höhle, die es gezeigt hatte, erkannte den dortigen Spalt.

Da sie kaum glaubte, das Baku hätte es ihr als Versteck geraten, erkannte sie, dass irgendetwas dort wichtig war.

Sie nickte deutlich, spürte die Erleichterung ihres bisherigen Gastgebers, als der seine Kraft sammelte und all seine Magie gegen den triumphierenden Gegner warf. Der wurde zurückgeschleudert, landete an der Felswand und rutschte mit zertrümmerten Knochen daran herunter – tot. Kurz nur musterte Kirara das Baku, das seine letzte Kraft gegeben hatte, nur um irgendetwas zu schützen, dann wandte sie sich dem gezeigten Felsspalt zu.

Sie fürchtete zu wissen, um was es sich handelte, schon als die Lichtfäden an den Wänden erloschen, sie wieder in der Dunkelheit stand. Zielstrebig machte sie sich auf den Weg, schlängelte sich in den engen Spalt und ließ ihre Augen durch die kleinere Höhle dahinter gleiten.
 

Und sie erkannte das Nest in der Ecke, zu klein für ein ausgewachsenes Baku.

Wie zur Bestätigung tauchte eine kleinere Gestalt daraus auf, vielleicht etwas größer, als ihre eigene, kleine Gestalt. Ein Jungtier. Na prima. Baku-Kinder waren extrem selten und sie wusste jetzt, dass ihr Gastgeber sich für sein Junges geopfert hatte. Und mit ihrem Nicken hatte sie versprochen, sich des Kleinen anzunehmen.

Na hoffentlich würde das nicht für zu viel Aufruhr sorgen, hoffentlich hatte Kaede ihr Dorf darüber aufgeklärt, dass die Bakus nicht bösartig waren. Um Kohaku, Sango und die ganze Bande machte sie sich weniger Sorgen, die würden nicht erschrecken.

Vorsichtig kam die Nekomata einen Schritt auf das Jungtier zu, stieß einen weichen Laut aus, beruhigend und grüßend zugleich. Sie begrüßte es sehr, dass Bakus schon als Halbwüchsige den geistigen Horizont eines erwachsenen Tieres hatten und das Kleine sich daher reichlich wenig verschreckt zeigte. Es konnte spüren, dass Kirara nichts Böses wollte.
 

So kam es näher, blickte zu ihr auf. Sie wusste, dass es las, was geschehen war. Vom Tod seines Elterntieres, dem Versagen der Schutzmagie. Kurz senkte es den Kopf, seine Trauer war deutlich zu spüren, ging in schier sichtbaren, schwarzen Wellen von ihm aus. D

ann richtete es sich wieder auf. Ein Bild wurde Kirara entgegengeschickt, von ihnen beiden.

Sie nickte. Ja, sie würde das Kleine mitnehmen.

Auf das Risiko hin, ein Riesenchaos zu verursachen.

Aber sie hatte es versprochen.
 


 

Vielleicht eine menschliche Tagesreise entfernt, saß eine bunt gemischte Gruppe aus Menschen, einem Halbdämonen und einem halbwüchsigen Dämon am Ufer eines kleinen Sees, der von Schilfgestrüpp beinahe vollständig zugewuchert war.

Nur an dieser Stelle konnte man die im Sonnenlicht glitzernde Wasserfläche erkennen. Und das war für die drei Kinder in der Truppe eine willkommene Sensation. Was für seltsame Muster die Lichtstrahlen auf die leicht krause Seeoberfläche zauberten!
 

Die mehr oder weniger Erwachsenen saßen dagegen ruhig auf dem Wiesenstück am Ufer und unterhielten sich, während sie aus dem Augenwinkel auf die Kleinkinder aufpassten.
 

„Aneue?“, unterbrach der vielleicht Fünfzehnjährige in einfacher, graulila Kleidung schließlich das eigentliche Gespräch und sah zu der jungen Frau im rosa und rotviolett gemusterten Kimono.

„Was ist los, Kohaku?“, wollte sie wissen, wandte ihm den Kopf zu, strich sich die schwarzbraunen Haare hinter die Ohren.

„Hast du eine Ahnung, wieso Kirara das getan hat? Ich meine, sie war es schließlich, die mich hier abgeliefert hat. Ich weiß wirklich nicht, was sie so alleine vorhat“, wollte der Junge von seiner Schwester wissen.

Sango blickte nachdenklich zum See hinüber. „Ich kenne sie zwar ein paar Jahre länger, als du, aber ich kann es dir auch nicht erklären, Kohaku. Fest steht, dass es etwas Wichtiges sein muss, sonst hätte sie dich mitgenommen. Du weißt, was für eine treue Seele sie ist“

Der Junge nickte. „Ja, ich weiß. Aber verstehen tue ich es trotzdem nicht“, gab er zurück, woraufhin Sango ihm bloß eine Hand auf die Schulter legte. „Das musst du auch nicht. Kirara ist uralt. Was wissen wir schon, welche Verpflichtungen sie außer uns noch hat“, beruhigte sie ihn mit weicher Stimme.

„Auch wieder wahr“, lenkte er ein. Damit war das Gespräch beendet und die anderen wandten sich wieder ihren Themen zu.
 

Kohaku dagegen blickte auf den See und dachte über die vergangenen Jahre nach. Es war viel geschehen, seit derjenige eliminiert worden war, der ihn, Kohaku, zum Mörder seiner eigenen Familie gemacht hatte.

Inzwischen konnte er einigermaßen damit umgehen, dass er, kontrolliert durch dieses Mistvieh von Halbdämon namens Naraku, erst seinen Vater und die besten Krieger der Dämonenjäger umgebracht und später oft genug seine Schwester und deren Freunde angegriffen hatte. Dabei war er früher immer der Zurückhaltende gewesen, der nie wirklich gern gekämpft hatte. Und vor seinem ersten Einsatz, dem, der so vielen das Leben kosten würde, hatte er richtig Angst gehabt, schon ohne zu wissen, was geschehen würde.

Und inzwischen lebte er sein drittes Leben, eine Chance, die wohl noch niemandem gegeben worden war. Zuerst erweckt durch einen Splitter des inzwischen zerstörten Juwels der vier Seelen, dann wiederbelebt durch die Seele Kikyôs. Er hatte gelernt zu kämpfen und Kirara hatte ihm seit dem treu zur Seite gestanden, wie sie es zuvor bei seiner Schwester, ihrem Vater und Großvater und wer wusste schon, wem noch, getan hatte. Ja, sie war eine treue Seele und er wusste, dass sie zurückkehren würde. Bald.
 

Bloß wusste er nicht, dass sie nicht allein sein würde.
 

„Kohaku!“ Eine fröhliche Stimme riss den Jungen aus seinen Gedanken. Er erkannte die schwarzhaarige Gestalt im dunkelblau, weiß und magentafarben gemusterten Kimono, die sich vor ihm hingekauert hatte, sofort. „Was ist denn, Rin?“, fragte er nach. Er mochte das junge Mädchen, dass noch drei Jahre jünger war, als er selbst, aber deren Charakter so viel gefestigter war, unbefangen und stets fröhlich, weltoffen und verspielt. Auch sie war einmal beinahe sein Opfer gewesen, als er noch unter Narakus Bann gestanden hatte, aber das war Vergangenheit und sie hatte es ihm noch nie übel genommen, noch nicht einmal, als sie noch nicht gewusst hatte, dass er diesen Angriff nicht aus freien Stücken getätigt hatte.

„Ich habe Kaede-obaa-san versprochen, am Waldrand nachzuschauen, ob es schon die ersten Rosskastanien gibt. Kommst du mit?“, antwortete das Mädchen eben und sprang schon wieder auf. Still sitzen konnte sie nur selten und wenn er ehrlich war, wusste er nur eine Person, auf die sie vorbehaltlos hörte. Ihren Ziehvater Sesshômaru.

Aber das war ein anderes Thema und gehörte nicht ins hier und jetzt.

„Meinetwegen“, gab er zurück und erhob sich ebenfalls. Er trug weder seinen Kampfanzug, noch hatte er seine stärkste Waffe mit sich zum See genommen, aber vermutlich wollte Rin ihn auch weniger als Leibwächter, als vielmehr als Wegbegleiter mitnehmen.

Über mögliche Gefahren dachte sie generell selten nach. Und hier in relativer Nähe Musashis waren kaum Oni anzutreffen, zu genau wussten die niederen Dämonen, wie lebensgefährlich die Nähe von InuYasha, Kagome, Sango und Miroku für sie war.
 

So machten die beiden sich auf den Weg Richtung Waldrand. Die anderen sahen ihnen nur kurz nach, sich bewusst, dass gerade Kohaku sehr gut auf sich selbst aufpassen konnte.

Trotzdem witterte InuYasha einmal prüfend, dann spannte er sich an, die Hand wanderte instinktiv zum Griff seines Schwertes.

„Was ist? Ist es gefährlich, wo die beiden hingehen?“, wollte Kagome von der Seite wissen und richtete sich auf, nachdem sie zuvor entspannt im Gras gelegen hatte.

InuYasha zuckte mit den kleinen, weißen Hundeohren auf seinem Kopf. „Nein. Aber ich kann Blut wittern. Im Osten. Dämonenblut“

Yume

Zwar hatten in den letzten drei Jahren die einzigen Kämpfe aus dem Verjagen einiger Oni bestanden, die eigentlich nicht beachtenswert waren, aber InuYasha und seine Freunde waren bei weitem zu kampferfahren, um nicht bei seiner Warnung auf alles gefasst zu sein. Miroku hatte die Hand fest um seinen Shakujō geschlossen, den Blick in dieselbe Richtung gerichtet, wie InuYasha.

Sango und Kagome hatten sich erhoben, knieten nun bei den Kindern um sie gegebenenfalls abzuschirmen. Und der halbwüchsige Fuchs stand ebenfalls angespannt da.

Bloß Kohaku und Rin waren bereits außer Hörweite von InuYashas Bemerkung gewesen. Aber die beunruhigende Witterung kam auch nicht vom Waldrand, sondern eben von Osten.
 

Im nächsten Moment schossen vier echsenähnliche Oni aus dem hohen Gras, solche des Levels, dass sich aus dieser Gegend normalerweise fernhielt. Und diese hier waren vor allem noch stümperhafter, als sonst. Sie stürmten einfach drauf los, schauten nicht einmal – wie sonst – wer das schwächste Glied der Gruppe war. Die Kinder samt Kagome und Sango wurden außer Acht gelassen, bloß weil Miroku und InuYasha genau in Laufrichtung der Oni standen.

Der Hanyou schnaufte genervt. „Keh!“, murmelte er und ließ Tessaigas Griff los. Da lohnte es sich ja nicht einmal, sein Schwert zu ziehen. Er bog eine Hand zur Klaue und trat einen Schritt vor um nicht aus Versehen einen seiner Freunde zu erwischen. „Sankontessô!“ Die rasche Bewegung des Klauenangriffs riss drei der Oni mühelos in Fetzen.

Der vierte holte sich den tödlichen Bannzettel praktisch selbst bei Miroku ab und war dementsprechend auch schnell erledigt.

Die beiden jungen Männer, Hanyou und Mensch, sahen sich kopfschüttelnd an, als der Halbdämon plötzlich herumwirbelte. „Da ist ja…“, rief er, verstummte aber, als er die Szene erblickte.
 

Ein fünfter Oni derselben Gattung war von der anderen Seite aufgekreuzt, offenbar deutlich schlauer als seine Kumpane, hatte er sich auf die Kinder stürzen wollen. InuYasha konnte noch erkennen, dass Kagome gerade wieder die Hände auseinandernahm, die sie wohl für einen Verteidigungsschlag gekreuzt hatte und blickte erstaunt auf die Gestalt, die mitten auf dem Angreifer draufstand und ihm gerade mit einer raschen Kopfbewegung das Genick brach. Kirara!

Die Säbelzahnkatze sah auf, musterte die erstaunte Gruppe, dann die wenigen Überreste der anderen vier Oni. Sie drehte sich um, begrüßte mit einem leisen Raunzen Sango und drängelte sich dann zwischen den beiden jungen Frauen durch, sodass die Dämonenjägerin beinahe das Gleichgewicht verlor. „He, Kirara!“, protestierte sie leise, machte einen Schritt zur Seite und drehte sich halb um.

Kirara beobachtete die drei Kinder – und das seltsame Wesen, das zwischen den Kleinen saß. Überrascht riss Sango die Augen auf, rührte sich aber nicht.

Auch Miroku und InuYasha, die inzwischen herangekommen waren, sahen überrascht aus, ebenso Kagome die das seltsame Ding musterte. Es hätte ja ausgesehen wie ein Löwenjunges, wäre da nicht der Elefantenkopf gewesen.

Auch das Wesen starrte zurück, sah dann zu Kirara.

Die grollte kurz auf, schüttelte den Kopf und blickte sich zwischen den Menschen um. »Keine Gefahr! Das sind Freunde!«, gab sie dabei stumm die Antwort auf das verunsicherte Verhalten des jungen Baku, denn niemand anderes war das Wesen ja.

Gerade als sie angekommen war, war dieser dumme Oni auf die Gruppe losgegangen und Kirara hatte nur ihren neuen Schützling von ihrem Rücken zwischen die Kinder gestoßen und hatte den Oni erledigt. Es war schon wieder so einer mit flackerndem Yôki gewesen, allerdings wohl noch einigermaßen klar im Kopf, denn ihrem ersten Angriff war das Vieh noch ausgewichen, ehe sie es hatte erledigen können.

Jetzt galt es, ihren Freunden irgendwie klar zu machen, was der kleine Baku hier machte. „Da sag nochmal einer, ich hätte schon alles gesehen, was hier kreucht und fleucht“, murmelte Kagome gerade in sich hinein und wischte damit zu mindestens Kiraras Überlegung aus, ob überhaupt jemand erkannte, um was für ein Wesen es sich hier handelte.
 

Die Gruppe sah derweil zu Kagome, kannten sie Bemerkungen solcherart doch bereits. Offenbar wusste die junge Miko mal wieder mehr, als sie, weil in der Zeit, aus der sie kam, einiges zumindest mythologisch überliefert war, was sie alle noch nie gesehen hatten. „Das ist ein Baku. Glaube ich wenigstens. Auf einer uralten Zeichnung sahen diese Tiere auch aus wie Löwen mit Elefantenkopf“, gab Kagome auch bereitwillig zur Antwort, kniete sich nieder um das Tierchen näher zu betrachten.

Sein Verhalten hatte gezeigt, dass Kirara es offenbar mitgebracht hatte und dementsprechend würde es wohl vorerst auch hier bleiben.

Das hatte auch der junge Baku kapiert, besah sich jetzt die im Gras kniende, junge Frau genauer. Sie sah tatsächlich nicht aus, als wolle sie ihm etwas. Und auch wenn es noch nicht alt genug war, solch prüfende Schutzmagie zu weben, wie sein Elterntier es gekonnt hatte, es konnte durchaus die Reinheit fühlen, die von Kagome ausging. Langsam kam es zwei Schritte näher, setzte sich hin und fixierte sie.

Bilder gerieten in Kagomes Kopf, von denen sie erst nicht wusste, woher sie kamen, aber nach kurzem Zusammenzucken, versuchte sie zu erahnen, was das sollte. Da war auch ein Baku zu sehen, größer als ihr Gegenüber, es lag auf der Seite, voller Blut und offenbar tot. Dann ein Bild von Kirara und dem kleinen Baku in der Luft. Der Kleine war auf Kirara geritten, wie es sonst Kohaku tat und früher Sango getan hatte. Kagome nickte leicht, zum Zeichen, dass sie verstand. „Es ist Waise“, murmelte sie – für ihre Freunde aus heiterem Himmel. Überrascht richteten sich alle Blicke auf sie.

Die Schwarzhaarige sah auf. „Mir scheint, es spricht mit Bildern und Gedanken. Es ist Waise. Und Kirara hat es offenbar aufgenommen“, sagte sie ausführlicher und erhob sich. „Woher weißt du das?“, wollte InuYasha wissen, wie üblich war sein Mundwerk schneller, als alles andere. So ganz konnte er eben auch nicht aus seiner Haut heraus, egal wie erwachsen er geworden war, in den drei Jahren der Trennung und den knapp drei Monden seit Kagomes Rückkehr. So lächelte sie nur nachsichtig und sparte sich eine Antwort.

Inzwischen hatte sich auch Sango hingekniet, wollte den jungen Baku begrüßen, doch dann musste sie schon eine ihrer Töchter davon abhalten, dem neusten Gruppenmitglied im Pelz zu ziepen und es damit vielleicht doch noch zu verschrecken. Die Kinder hatten ganz offenbar null Berührungsängste. Das konnten turbulente Zeiten werden.
 


 

„Nun komm, Suzu! Masaru und der Herr warten sicher schon. Es wäre unhöflich, zu spät zum Bankett zu erscheinen“ Die Stimme der Falkenfürstin klang tadelnd, aber sie wusste genau, was in der Verlobten ihres Sohnes vorging.

Suzu stammte aus einem eher abgelegenen Zweig des Fürstentums und war bis vor wenigen Wochen kaum mit dem Leben bei Hofe in Kontakt gekommen. Dementsprechend unsicher war sie, vor allem auf so einem großen Empfang. Aber trotzdem mussten sie sich beeilen. Sonst würde es massiven Ärger geben. Shou hasste es, als letzter auf einem Bankett zu erscheinen, dass wusste sie von den wenigen Malen, die er sie mitgenommen hatte.

Endlich kam die jüngere Dämonin mit dem schwarzgrünen Federhaaren heran, der Saum ihres dunklen Kimono schleifte leicht hinter ihr her. Im Gegensatz zu Cho trug sie nicht noch zusätzlich eine Schleppe aus bunten Federn, das wäre ihr erst erlaubt, wäre sie mit Masaru verheiratet. Aber auch so wirkte sie sittsam, ohne dass ihre Reize verdeckt wurden. Genau so, wie es sich für eine zukünftige Prinzessin gehörte.

Zufrieden wandte Cho sich ab und verließ gefolgt von der jüngeren Dämonin den Raum. Die Dienerin, die auf Befehl zuvor vor der Tür gewartet hatte, erhob sich schnell und führte sie Richtung Versammlungssaal.

Auf dem Weg gesellten sich drei der Pantherdämonen zu ihnen, die drei Schwestern wirkten selbstsicher und durch nichts zu erschüttern. Nun gut, sie alle hatten schon mindestens eines dieser Treffen erlebt und sie alle wussten von dem… inoffiziellen Friedensschluss zwischen ihnen und dem Inu-Clan. Die üblichen, zwölflagigen Kimonos von Fürstinnen unterschieden sich farblich kaum von ihrer alltäglichen Kleidung, waren aber reich verziert. So kamen sie vor dem großen Portal an.

Falkenfürst Shou stand dort bereits, seinen Sohn wie immer den höfischen Schritt hinter sich, Kopf gesenkt, demütig. Shou führte eisernes Regiment über seinen einzigen Sohn, denn Masaru war stark und früher recht rebellisch gewesen. Die weiblichen Mitglieder der Familie gesellten sich dazu, dann betraten die vier den großen Saal, ließen die Pantherschwestern zurück, die noch auf ihren Bruder zu warten schienen.
 

Der Raum, in dem das Bankett stattfinden sollte, war zurückhaltend, aber edel geschmückt worden, durch die kristallenen Fenster streute das Licht der Morgendämmerung in allen erdenklichen Gelb- und Orangetönen quer durch den Saal.

Nicht weit vom Portal stand Sesshômaru, neben ihm seine Mutter. Er trug einen weißen Kimono, dessen Musterung sich allerdings in keinster Weise von der üblichen Haori-Hakama-Kombination unterschied. Bakusaiga und Tensaiga steckten in dem blaugelben Obi, nach der Begrüßung würde er sie ablegen, momentan dienten sie als Waffen des Schlossherrn noch zur Machtdemonstration.

Dies war sowieso noch einmal eine der Situationen auf so einem Treffen, die Sesshômaru am Meisten verabscheute, freilich ohne davon etwas erkennen zu lassen. Da zu stehen, wie bestellt und nicht abgeholt, nur um als Schlossherr der Höflichkeit Genüge zu tun und jede Fürstenfamilie zu begrüßen. Zum Glück waren die eben eintretenden Falken die Vorletzten. Dann fehlten nur noch die Panther. Und die erwarteten hoffentlich kein weiteres Geplänkel, immerhin hatte man sich vor knapp vier Jahren zuletzt gesehen und dass war für Dämonen nun wirklich nicht lange. Kurz neigte er den Kopf vor dem Fürsten der Falken, wie er es zuvor, am Haupttor, bereits in seiner Hundeform gemacht hatte. Shou tat es ihm gleich, die drei FalkenYôkai in seinem Schlepptau verneigten sich tiefer, die Hände höflich vor der Brust gefaltet. Dann zogen sie Richtung Festtafel um ihre Plätze einzunehmen.
 

Endlich bequemten sich auch die Panther dazu, Shuuran voran, im dunkelgrünen Kimono mit braunem Saum und Ärmeln, da hinter die drei Schwestern in einer Reihe. Sesshômaru musste sich zwingen, die Höflichkeiten zu erwidern, als er Tôrans Blick auffing. Er hätte es eigentlich ahnen müssen. Nicht einmal die heftigsten Kriegszeiten hatten sie bisher an solchen Anbiederungen gehindert und jetzt, nachdem er ihre Geschwister unbeabsichtigterweise wiederbelebt hatte, nachdem deren Seelen von einem ehemaligen Panthergeneral absorbiert worden waren, würde Tôran schon mal gar nicht nachgeben.

Aber er verzog keine Miene, sondern erwiderte höflich unterkühlt ihre Begrüßung, eher er sich, kaum dass die vier Panther vorbei waren, halb zu seiner Mutter umdrehte. Da er keine Gefährtin hatte, nahm sie momentan deren Platz ein, hatte stets an seiner Seite zu sein – und er musste sie mit allem höfischen Respekt behandeln, der ihr zustand.

Mutter hin oder her, normalerweise waren die beiden Hundedämonen sich gar nicht grün, egal ob sie Rin vor ein paar Jahren wiederbelebt hatte, oder nicht.

Wie gewohnt verzog er aber keine Miene, als er seiner Mutter erneut den Arm bot um sie zu ihrem Platz zu geleiten. Dabei ließ er den Blick kurz durch den Raum gleiten. Seine Diener taten alle ihre Pflicht, gut so.

Seine Augen erfassten den Vertreter der WolfsYôkai und er musste daran denken, dass er bei der Begrüßung doch etwas überrascht gewesen war, ausgerechnet Kôga gegenüberzustehen. Zwar hatte er bereits damit gerechnet, dass der alte Yōrōzoku nicht selbst hier auftauchen würde, sondern vielmehr einen Vertreter schicken würde, aber an das Wölfchen, dass lange ebenfalls hinter Naraku her gewesen war, wenn auch aus anderen Gründen, als er selbst, hatte er nicht gedacht. Zwar hatte er dank InuYasha und dessen Truppe unumkehrbar ein paar Bruchstücke der Diskussion um Kôga und diese Ayame, die seines Wissens nach die Enkelin und einzige Blutsverwandte des alten Yōrōzoku war, mitbekommen, aber… nun gut. Diese Überlegungen liefen immer auf dasselbe hinaus. Er sollte später wirklich mal ein paar Worte mit dem jungen Wolf reden, so wenig der ihm eigentlich gefiel. Wenn Yōrōzoku tatsächlich auf die Idee gekommen war, den da als seinen Nachfolger einzusetzen, sollten die Fronten geklärt werden, ehe es zu Unklarheiten kam.

Damit beendete Sesshômaru das Thema in Gedanken und blieb neben dem Platz seiner Mutter stehen, damit sie sich setzen konnte, was sie auch sogleich tat. Chiyo war zu erfahren im Verhalten bei Hofe um auch nur zu zögern, weil es sie gestört hätte, dass ihr Sohn in Gedanken war. So kniete sie sich nun an die Tafel, ordnete das weiße Fell über ihren Schultern und wartete, ob er auch den Rest so unterkühlt, aber auf den Punkt richtig abwickeln würde.

Er hatte derweil noch gewartet, bis sie saß. Erst dann ging er weiter, zu seinem eigenen Platz. Endlich konnte der einigermaßen annehmliche Teil des Banketts beginnen.
 


 

In den zerklüfteten Bergen der östlichen Gebiete kniete derweil eine junge Yôkai vor derjenigen, die sie ausbilden sollte. Amaya war eine Löwendämonin, mit ihren knapp 660 Jahren hatte sie kaum das Erwachsenenalter erreicht und ihre Ausbildung war noch lange nicht abgeschlossen. Dank ihres enormen, magischen Potentials, bekam sie zusätzlich zum normalen Lernpegel noch die Lehre einer Schamanin und das nun seit beinahe 90 Jahren.

Und so kam sie jeden Tag kurz vor Sonnenaufgang die Berge hinauf, bis in das abgelegene Höhlensystem, dass ihre Mentorin bewohnte. Langsam erreichte sie einen Wissenstand, der ihr erlaubte, in den Erzählungen ihrer Lehrerin mitzukommen, ohne ständig nach Ausdrücken oder Hintergründen fragen zu müssen, wie es am Anfang gewesen war. Und sie wusste, Tamoko war nicht nur sehr alt und erfahren, die Torayôkai zählte bereits weit über 7000 Jahre, und sie war nicht nur die oberste Schamanin aller katzenartigen Yôkai, nein, sie war auch Hüterin von einem der uralten, magischen Artefakte. Amaya wusste es, da sie es täglich sah.

Wer es nicht wusste und wer nicht gelernt hatte, Magieformen zu erspüren, die heute schon kaum mehr eingesetzt wurden, der würde das Niji Nuno wohl für ein einfaches Schultertuch halten, dass die alte Tigerdämonin über ihrem dunklen Kimono trug. Amaya wusste es besser, aber seit ein paar Tagen wagte sie es kaum mehr anzublicken. Denn erst da hatte Tamoko ihr eröffnet, dass schon kurz nach der Geburt der jungen Löwendämonin festgestanden hatte, dass sie so große Magie besaß, dass sie eines Tages Tamokos Nachfolgerin werden würde.

In jeglicher Hinsicht.

Auch als Hüterin des Niji Nuno.

Und genau davor fürchtete Amaya sich schrecklich. Zwar war das Regenbogentuch eines der reinen Artefakte, es könnte höchstens seinen Dienst verweigern, wenn sie es nicht beherrschen konnte, aber trotzdem hatte sich da eine unglaubliche Bürde vor ihr aufgetan.

Verständnisvolle, gelbe Raubtieraugen lagen während dieser Überlegung auf Amaya.

Tamoko verstand ihre Schülerin, durchschaute sie. Vor weit über viereinhalbtausend Jahren war es ihr ebenso ergangen. Damals, als sie die Aufgabe übernommen hatte, über dieses Artefakt zu wachen. Sie hatte sich auch so überfordert und verunsichert gefühlt, dass wusste die Torayôkai noch so genau, als sei das gestern gewesen. Aber sie war heute derselben Ansicht, wie es ihr Sensei damals gewesen war: Amaya konnte und durfte ihre Lehre nicht vernachlässigen, nur weil sie Angst vor etwas hatte, was – hoffentlich – noch in sehr weiter Ferne lag. Denn bis zu ihrem Lebensende würde Tamoko das Niji Nuno bewachen.

Und bis dahin war es Amayas Aufgabe zu lernen und nicht, Angst zu haben.

Yôkai hatten keine Angst. Und wenn doch, wie in so einer Situation durchaus verständlich, dann zeigten sie es nicht.

Leicht schüttelte die alte Dämonin den Kopf. Die Macht einer Schamanin hatte Amaya allemal.

Aber im Charakter kam sie zu sehr nach ihrer Schwester. Die hatte auch erst spät gelernt, sich zu beherrschen.

„Nimm dich zusammen!“, befahl Tamoko daher und obwohl ihre Stimme leise war, zuckte Amaya kurz zusammen, so tief war sie in Gedanken gewesen und sah dann auf. Ihre gelbgrünen Augen sahen fragend zu ihrer Mentorin auf. Die Tora-Yôkai nickte nur hinüber zu der Schriftrolle, die Amaya auswendig lernen sollte und erhob sich dann, um weiter hinten in der Höhle ihren eigenen Arbeiten nachzugehen. Amaya wusste, was zu tun war. Wenn sie einen klaren Kopf hatte, war sie eine gelehrsame und tugendhafte Schülerin.

Aber woher sie bloß diese Gefühlsbetontheit hatte? Ihre Eltern waren doch beide nicht so.

Tamoko beschloss, dass sie mal ein ernstes Wort mit Amayas Schwester reden musste. Wer wusste schon, was für Flöhe Natsu ihrer jüngeren Schwester da wieder ins Ohr gesetzt hatte.
 


 

Mit etwas schief gelegtem Kopf sah der junge Baku auf dem festgestampften Lehmboden der Hütte und blickte die alte Frau vor seiner Nase an, die seltsamerweise nur ein Auge besaß. Da wo das andere hätte sein müssen, war schwarzer Stoff oder so etwas Ähnliches. Dass das eine Augenklappe war, konnte der Kleine nicht wissen war er doch bisher kaum aus seiner Höhle heraus gekommen und profitierte nur vom Wissen seines Elterntieres, dass in gelegentlichen Lehrstunden an ihn weiter gegeben worden war.

Auch untereinander kommunizierten Bakus mit ihrer Bild- und Gedankensprache und Vorstellen fremder Dinge war dadurch weit einfacher, aber für das Jungtier gab es noch sehr viel zu entdecken.

Im Moment hatte es aber andere Sorgen. Die einäugige Alte schien ja eher interessiert – für die Umstehenden verständlich, schließlich hatte auch Kaede noch nie leibhaftig einem Baku gegenübergestanden – aber von vor der Hütte und aus der Umgebung drang Skepsis und auch ein bisschen Furcht herein, die der junge Baku deutlich spüren konnte. Und das gefiel ihm nicht. Hatten diese ganzen Menschen diese Gefühle etwa wegen ihm? Von Fern hatte es diese Ausprägung jedenfalls nicht wahrnehmen können.
 

„Sag mal, alte Hexe…“, ließ sich da InuYasha vernehmen, der es sich nicht abgewöhnen konnte, die alte Miko so respektlos anzureden, egal was für eine gute Freundin sie ihm und seiner Gruppe mit den Jahren geworden war. „… wieso haben die da draußen eigentlich Angst vor diesem Baku? Ich meine, vor mir oder Shippô haben sies ja schließlich auch nicht“

Kaede wandte sich von dem Jungtier ab und sah zu dem Hanyou hinauf. „Nicht mehr“, verbesserte sie, ehe sie auf die eigentliche Frage einging. „Zwar sagen die Legenden, dass ein Baku sich von dunklen Energien ernährt. Keine Angst, ich meine kein Yôki, sondern eher Seuchen, Krankheiten, Albträume; aber es gibt auch Leute, die behaupten, Bakus fräßen alle Träume, oder gar die träumenden Kinder gleich mit“ Sie blickte wieder zu ihm. „Soweit ich hörte, sind Baku geschlechtslos. Trotzdem solltet ihr ihm einen Namen geben. Vielleicht hilft das denen da draußen auch, den Kleinen zu akzeptieren. Ich glaube nämlich kaum, dass diese Schauergeschichten vom Kinderfressen stimmen“
 

„Das ist allerdings eher unwahrscheinlich, Kaede-sama“, mischte Miroku sich, auf die letzte Bemerkung der Miko hin, ein und betonte dabei demonstrativ die höfliche Anrede, während er aus dem Augenwinkel den Hanyou im Auge behielt um einem eventuellen Rempler ausweichen zu können.

Doch InuYasha rührte sich nicht.

Davon nun doch etwas überrascht blickte Miroku endgültig seitwärts und folgte dem Blick seines Freundes. Dann schmunzelte er.

InuYashas Augen ruhten mit einem fast fasziniert zu nennenden Ausdruck auf Kagome, die mit geschlossenen Augen direkt neben dem jungen Baku saß. Ihre konzentrierte Miene verriet, dass der Kleine sich vermutlich mal wieder sie ausgesucht hatte, um mit ihr zu ‚reden‘.

Auch Miroku musterte die Szene kurz, blieb aber still daneben stehen. Die Zeiten, in denen ein solch entrücktes Gesicht ihn angezogen hätte, waren vorbei. Erstens überhaupt und zweitens sowieso schon mal bei Kagome, die er nun wirklich schon lange genug kannte und als gute Freundin achtete.

Erst als er Kagomes Stimme hörte, wurde er wieder aufmerksam.

„Yume“, wisperte sie. „Wenn ich es richtig verstehe, dann hat es bereits einen Namen. Yume. Traum“

Gespräche

Wie schon den ganzen Morgen über ließ Sesshômaru den Blick schweifen.

Die meisten Gäste hatte es nur kurz an der Tafel gehalten, inzwischen standen viele von ihnen in kleinen Gruppen herum. Die meisten Anwesenden waren DaiYôkai wie er, kaum einer brauchte etwas zu essen und auch die anderen hielten sich meist zurück, um nicht schwächer zu wirken. Bloß Daichi, der kaum vierhundertjährige Erbe des Kumaclans und die beiden jüngsten der Kitsunes aßen, aber den Kindern hielt das niemand vor. Sie waren noch nicht in der Lage, alle körperlichen Kräfte durch ihr Yôki zu erhalten.
 

Schließlich erhob er sich selbst und kam auf den Ookamiyôkai zu, der ein wenig abseits allein stand und sich nicht wirklich wohl zu fühlen schien, in seiner Haut.

Kein Wunder, nach allem wie er den kennengelernt hatte, war Kouga nicht gerade dafür bekannt, höfischen Schliff zu beherrschen. Und auch der hellgraue Kimono, der sich so sehr von der üblichen Tracht der Wolfsdämonen unterschied, wirkte bei ihm vollkommen fehlplatziert. Immerhin dachte er daran, den Blick kurz zu senken, als Sesshômaru näher kam.

„Du bist allein erschienen“, bemerkte Sesshômaru und blieb vor dem Jüngeren stehen.

Kouga nickte. „So ist es, Inu no Taishô“, bestätigte er, wobei er sich den höflichen Titel sichtlich abringen musste.

„Als Vertreter Yōrōzokus“, konstatierte der HundeYôkai.

„Als sein Nachfolger. Yōrōzoku-sama starb vor einigen Jahren“, berichtige Kouga, während er den Blick nun wieder hob. Auch wenn er kein Daiyôkai sein mochte, er war politisch gesehen der Herr des Nordens, wie Sesshômaru der Herr des Westens war. Theoretisch politisch war er ihm gleichgestellt.

„Dann ist die Bluterbin deine Gefährtin“ Erneut klangen Sesshômarus Worte eher nach einer Feststellung, als nach der Frage, die sie waren.

„Ich kam als Gefährte Ayames“, bestätigte Kouga auch nur.

„Aber du hast sie nichts mitgebracht. Warum?“ Selbst dieser junge Wolf musste doch wissen, dass zum Jahrhundertreffen die Gefährtinnen wenn vorhanden mitzukommen hatten.

Der Wolfsdämon wusste das durchaus, aber er musste sich ohnehin zusammennehmen, sich von der üblich unterkühlten Art des Hundefürsten nicht provozieren zu lassen. „Sie soll in diesen Tagen den Erben der Ookami zur Welt bringen. Die Reise hätte sie nicht mehr bewältigen können“, erklärte er mühsam höflich.

Sesshômaru musste für sich zugeben, dass dies in etwa der einzige Grund war, den er akzeptierte. Je früher ein Fürst einen Erben hatte, den er ausbilden konnte, desto besser und so etwas brachte man nicht mutwillig in Gefahr.

Nach alldem, was er aber von der Geschichte rund um Kouga und das Menschenweib seines Halbbruders mitbekommen hatte, hatte er allerdings nicht mit dieser Begründung gerechnet. Nun gut, so war es nun mal.

„So wirst du daran interessiert sein, den bisherigen Nichtangriffspakt beizubehalten“, fuhr der Weißhaarige fort.

Kouga nickte nur. Er wusste nur wenig über die momentane Situation der Pakte und Verträge, Ayame hatte ihm zwar alles erzählt, was sie wusste, aber viel war das nicht. Und Yōrōzoku selbst war nicht mehr dazu gekommen.

„So werden zum Sommer wieder ein halbes Dutzend WolfsYôkai hierher entsendet, um ihre Ausbildung zu vervollkommnen?“ Sesshômaru hätte jetzt sonst etwas behaupten können, er hatte durchaus mitbekommen, dass Kouga nicht viel Ahnung von der politischen Lage hatte, aber ihm stand nicht der Sinn nach Spielchen. Also hielt er sich an die Tatsachen, die seinerzeit noch zwischen seinem verehrten Herrn und Vater und Yōrōzoku beschlossen wurden. Hier am Schloss wurden viele junge Yôkai ausgebildet, sechs Wölfe mehr oder weniger fielen da nicht sonderlich auf.

„So sei es“, gab Kouga zurück, in der Hoffnung, dies seien die richtigen Bedingungen. Er zählte auf den Stolz des Hundefürsten und das der ihn nicht veralbern würde.

Sesshômaru nickte derweil beifällig. Die Sache war damit für ihn abgeschlossen. Von den Wölfen hatte er nichts zu befürchten. Er wandte sich ab und gesellte sich notgedrungen wieder zu seiner Mutter. Bis zur Mittagsstunde, wenn sich die Fürsten zu der eigentlichen Besprechung zurückziehen würden, musste er wieder in ihrer Nähe bleiben, noch war sie die Fürstin.

Und da er keinen anderen Antrieb sah, sich demnächst eine Gefährtin zu nehmen, würde sie wohl auch noch eine Weile auf diesem Posten verbleiben.
 


 

InuYasha und seine Gruppe hatten sich derweil ein wenig Ruhe gegönnt. Die Kinder schliefen, Shippô, der ja nur auf Besuch gewesen war, hatte sich verabschiedet und der kleine Baku döste an Kirara gekuschelt, in einer Ecke.

„Scheint, als ob Kohaku und Kirara uns eine Weile erhalten bleiben. Mit Yume werden sie schwerlich in den Kampf ziehen können“, bemerkte Kagome leise und blickte sich zwischen den anderen um. Der Name für den Kleinen war allgemein akzeptiert worden.

Sango nickte ruhig. „Vermutlich. Und Yume scheint sie als Ersatzmutter erwählt zu haben“, fügte sie hinzu.

„Wo ist Kohaku eigentlich?“, wollte Miroku da wissen.

„Immer noch mit Rin unterwegs. Ich glaube, sie wollten Kaede an den Kräuterfeldern abpassen, um ihr zu sagen, dass sie keine Rosskastanien gefunden haben. Sieht so aus, als habe er noch gar nicht mitbekommen, dass Kirara wieder da ist“, antwortete Sango und musterte die Nekomata, die so viele Jahre ihre Begleiterin gewesen war.

„Aber Rin ist und bleibt auch ein Wirbelwind, oder?“, wechselte Kagome da das Thema.

„Sie gehorcht bloß Sesshômaru. Ich glaube, wenn er sie in ein paar Monaten vor die Entscheidung stellt, wird sie sowieso wieder mit ihm gehen“, meldete InuYasha sich zu Wort.

„Da könntest du Recht haben. Sie müsste jetzt etwa 12 sein, oder? Verändert hat sich ihr Wesen jedenfalls kaum“

„Keh. Bloß noch wissbegieriger ist sie geworden“

„InuYasha! – Obwohl, ja, verständlich ist das schon. Ich glaube, sie will aus ihrem Leben so viel machen, wie es irgend geht, schließlich bekommt sie besonders vor Augen geführt, dass sie eine sehr viel kürzere Lebenszeit hat, als jeder Dämon, geschweige denn als Sesshômaru“

„Ob Sesshômaru-sama oder irgendein anderer Dämon ist egal. Altern tun sie alle gleich“, ließ sich da eine neue Stimme vernehmen und eine winzige Gestalt kam auf InuYasha zugesprungen. Allerdings wurde sie bereits abgefangen, ehe sie die Wange des Hanyou auch nur erreichen konnte.

„Das ist nicht gerecht, InuYasha-sama! Nur einer kleines Tröpfchen…“, zeterte der Neuankömmling und hüpfte auf der Hand des Halbdämons auf und ab.

„Nichts da, Myouga. Sag lieber, was du damit meintest“, wiegelte InuYasha ab.

Der Flohgeist seufzte. „Naja, Yôkai altern alle gleich. Egal ob es sich dabei um normale Yôkai, oder Daiyôkai, wie Euren Halbbruder handelt. Höchstens die Entwicklung des Yôkipegels und der Zugriff darauf sind unterschiedlich“

Nun wirkte Kagome doch interessiert. „Wo wir gerade dabei sind, Myouga… sag mal, wie altert eigentlich ein Hanyou? Weißt du das auch?“, fragte sie nach.

Der Flohgeist schielte zu ihr, dann zu InuYasha und aus irgendeinem Grunde brach ihm wie so oft der Schweiß aus. „N-najaaa, ei-eigentlich schon. Aber…“, stammelte er.

„Keh! Was, aber, Myouga?“, mischte sich InuYasha ein.

Der kleine Wicht schluckte schwer. „A-also, eigentlich altert er im Kindesalter ebenso wie ein Mensch. Und danach müsste es wie bei einem Yôkai sein, aber nur wenige Erreichen dieses Alter. Aber was InuYasha-sama betrifft…“, er brach wieder ab, zögerte weiter zu sprechen, tat es aber, als er den Blick des Halbdämons auffing. „Nun ja, wenn das zutreffen würde, müsstet Ihr vom Erscheinungsbild her an die siebzehn sein. Soweit haut es hin. Aber als Eure Mutter starb, wart ihr rein rechnerisch elf Jahre alt. Euer Körper aber wirkte wie höchstens fünf. Die Rechnung kann also nicht stimmen“

Erleichtert atmete Myouga auf, als InuYasha sich für einen kleinen Moment damit zufrieden gab. „Warum dem so ist, weiß ich aber nicht…“, schob er noch nach und wünschte sich im nächsten Moment, es nicht getan zu haben. Denn damit hatte er die Spekulation eröffnet.

„Vielleicht liegt es an InuYashas Vater…“, überlegte Miroku, der ebenso wie Sango der Diskussion bisher nur schweigend beigewohnt hatte.

„Keh! Was bitte sollte mein Vater damit zu tun haben?“, winkte InuYasha ab, doch im Gegensatz zu ihm schien Myouga ernsthaft über diesen Einwand nachzudenken. „Nicht doch, InuYasha-sama. Das könnte tatsächlich sein. Vielleicht gibt es hier einen Unterschied zwischen Yôkai und Daiyôkai. Soweit ich hörte ist die Regel nur wenig untermauert worden und vor Oyakata-sama war da, glaube ich, nie ein Daiyôkai, der ein halbdämonisches Kind hatte“

Während Miroku geschmeichelt schien, dass seine Theorie Beachtung fand, tat InuYasha mehr oder minder erfolgreich so, als würde das Thema ihn nicht jucken. Wie immer wenn die Sprache auch nur annähernd auf seinen Vater kam, schottete er sich davon ab, das merkte auch Kagome, die direkt neben ihm saß. So fragte sie auch nicht weiter nach, sondern ließ das Thema ruhen. Vielleicht würde sich andermal eine günstigere Gelegenheit ergeben, weitere Wissenslücken zu schließen.

Und Myouga schien einem Abschluss der Sache auch nicht wirklich abgeneigt zu sein, wobei irgendwie unter den Tisch gefallen zu sein schien, wieso er hier aufgekreuzt war. Nun, früher oder später würde er sicherlich wieder darauf kommen, momentan war er erst mal froh, diese Szenerie überstanden zu haben.

Damit hüpfte er von InuYashas Hand, hinüber zu Kirara – und entdeckte deren neuen Schützling.

„Gami! Wer ist denn das?“, wollte er überrascht wissen.

Natürlich erkannte er einen Baku, wenn er einen sah, aber ein Mitglied dieser Art hätte selbst er hier nicht erwartet. Dabei sollte er angesichts dieser Chaostruppe doch auf alles gefasst sein.

„Es heißt Yume. Offenbar ist es Waise, Kirara brachte es heute Morgen mit“, gab Kagome bereitwillig Auskunft.

Ich werde zu alt für diese Bande!, stellte Myouga für sich fest und kratzte sich am Kopf. „Ich hoffe ihr wisst, worauf ihr euch da eingelassen habt. Das Baku wird schwerer zu hüten sein, als… naja, egal“, er brach ab, als er merkte, dass er sich beinahe eines für ihn wenig schmeichelhaften Sprichwortes bedient hätte und musterte von Kiraras Kopf herunter des friedlich schlummernde Jungtier.

„Was, egal?“, erkundigte Sango sich von der Seite.

Ausnahmsweise wirkte Myouga wenig erschreckt, sondern eher resignierend. „Nun, ihr könnt froh sein, InuYasha-samas Spürnase in Reichweite zu haben. Sonst wüsstet ihr alle paar Nächte nicht, wo Yume ist. Jetzt wo es nicht mehr von einem Elterntier versorgt wird, wird es selbst auf die Suche nach fressbaren Krankheiten und Albträumen gehen. Diesen Jungtieren muss noch nichts angeboten werden, sie nehmen sich selbst, was sie brauchen“

Sango zog eine Augenbraue hoch. „Na, das kann ja witzig werden“, bemerkte sie, als in der Nachbarhütte ihr Sohn zu quengeln begann. Sie erhob sich.

„Noch ein Kleinkind mehr“, bemerkte Miroku bloß und folgte ihr.

Kagome schmunzelte bloß, während sie den Kopf auf InuYashas Schulter bettete. Sie hatte so das Gefühl, dass Yume nur der Anfang war.
 


 

Sesshômaru stieß ein leises Knurren aus, das die angeregte Diskussion sofort verstummen ließ.

Als Schlossherr hatte er eine gewisse Oberhoheit über die inzwischen seit einigen Stunden im Nebenzimmer des Bankettsaals versammelten Fürsten. Und so langsam wurde ihm diese Streiterei zu bunt. Man konnte auch argumentieren, ohne sich beinahe zu zerfetzen.

Der einzige, der das wirklich zu verstehen schien, war Gin, der erfahrene Fürst der Kitsune und – überraschenderweise – Kouga. Aber der schien sowieso im Moment eher darauf bedacht zu sein, dieses Treffen so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Ob das nun an seinem fehlenden, höfischen Geschick oder an seinem erwarteten Erben lag, wusste Sesshômaru nicht zu bewerten, aber es ließ ihn auch weitestgehend kalt. Eher schon freute ihn insgeheim der anerkennende Blick des Fuchsfürsten, denn der war ein guter Freund seines Vaters gewesen, und als solchen achtete Sesshômaru ihn.

„Also, nochmal von vorne. Wir sind uns darin einig, dass diese Übergriffe aufhören müssen, aber offenbar trifft Fürst Shous Vorschlag nicht auf sehr viel Zustimmung. Können wir nun noch einmal in Ruhe diskutieren, wieso dem so ist?“

Kaum jemand außerhalb dieser Runde hatte Sesshômaru wohl je so viel am Stück reden hören, aber hier war er der Diskussionsführer und so blieb ihm nichts anderes übrig, als ab und an den Stand der Gespräche zusammen zu fassen. Und er ließ sich nicht anmerken, dass ihn die ganze Szenerie annervte. Das war kein Fürstentreffen mehr, das war eine Krisensitzung.

Fast alle Fürsten hatten angesprochen, dass sich die Angriffe völlig minderbemittelter Dämonen in letzter Zeit häuften. Alle waren sie genervt davon und schließlich war die Runde auf eine Grundsatzdiskussion abgerutscht. Denn nicht immer fielen diese Dämonen durch Angriffe auf, oftmals wurden sie auch in ganzen Horden im halbtoten Deliriumszustand aufgefunden. Meist waren sie Stunden später kollektiv tot.

Im eher kleinen Fürstentum der Eidechsen und dem Teilgebiet der Adler im Fürstentum Fürst Shous waren die Oni sogar inzwischen so dezimiert worden, dass die Menschen immer übermütiger wurden, es bildeten sich immer neue Dörfer, es überlebten viel mehr Menschenkinder. Kein Wunder irgendwo, dass Shou schließlich auf die Idee gekommen war, dass die hochrangigen Dämonen sich langsam mal Gedanken machen sollten, wie sie auf diese Ausbreitung reagieren wollten, wenn sie nicht irgendwann allein durch die Masse der Menschen schmählich zurückgedrängt werden wollten.

Der Falkenfürst schien seiner Zeit etwas voraus, aber, ohne das er das erwähnt hätte, konnte Sesshômaru dessen Befürchtungen durchaus nachvollziehen. Hätte er es erwähnt, wäre aber die Frage aufgekommen, woher er das hatte und soweit herabsetzen wollte er sich dann doch nicht.

Denn schließlich stammten solche Andeutungen wenn überhaupt dann von InuYashas Miko oder InuYasha selbst.
 

Die anderen Fürsten hatten inzwischen auf Sesshômarus Zusammenfassung reagiert. „Als ob die Menschen jemals in der Lage wären, uns zurückzudrängen!“, beharrte Yuudai, der Fürst der Schlangen, auf seinem bisherigen Standpunkt.

„Natürlich vermögen sie das, wenn ihre Menge weiter so sehr ansteigt. Sie werden unserem Leben kaum gefährlich werden, aber wollen wir wirklich über Gebiete herrschen, die von den Menschen regelrecht überrollt werden?“, mischte sich Gin mit ruhiger Stimme ein und seine dunkeltürkisen Augen fixierten den Hebi-Yôkai gelassen.

Zögernd schüttelte der etwas jüngere Fürst den Kopf.

„Seht Ihr, Yuudai-san“, erwiderte der Kitsune nur. „Shou-san, wie genau stellt Ihr euch eine Reaktion denn vor?“, fragte er dann, ehe er kurz zu Sesshômaru sah. Der Hundefürst hatte die Oberhoheit über die Diskussion, wenn er anders vorgehen wollte… aber der Weißhaarige nickte fast unmerklich, erteilte dem Fuchsfürsten die Erlaubnis, die Diskussion zu lenken.

Gin hatte mehr Erfahrung darin, die anderen Fürsten so gegeneinander auszuspielen, dass am Ende nur brauchbare Argumente übrig blieben. Dieses Geschick fehlte ihm bisher noch, das hatte Sesshômaru in den letzten Stunden gut feststellen können.

„Ich bin der Meinung, man sollte einem Zurückdrängen einfach zuvorkommen. Noch gibt es genügend Gebiete, die von Menschen vollkommen unbewohnt sind, gerade die Inseln im Ozean im Nordosten. Man könnte sie aus der Wahrnehmung der Menschen nehmen und hätte seine Ruhe“, erklärte der Falkenfürst inzwischen seinen Standpunkt, froh, endlich zu Wort zu kommen.

„Eigentlich ist das keine schlechte Idee. Aber wie soll das zu schaffen sein?“, mischte sich nun Tôran ein, die als einziges, weibliches Wesen mit in der Runde saß, da die Hierarchie unter den Nékoyôkai anders gestaffelt war.

„Stimmt. Keine der Inseln wäre groß genug, alle Fürstentümer wieder aufleben zu lassen. Und nähme man mehrere Inseln, wäre keiner in der Lage, einen durchgehenden, sicheren Bannkreis zu spannen“, bestätigte ihr Bruder, der direkt neben ihr saß.

„Das könnte ein Problem werden“, stimmte Kouga zu, der sich bisher weitestgehend aus dem Gespräch rausgehalten hatte.

„Nicht unbedingt“, ließ sich Sesshômaru da vernehmen. Alle richteten ihre Aufmerksamkeit auf ihn. „Ihr vergesst, dass wir weit mehr Zeit haben, uns eine Lösung auszudenken, als es scheint. Menschen haben eine sehr kurze Lebensspanne und ihre Vermehrung wird niemals in den nächsten paar Jahrzehnten ein kritisches Maß erreichen. Früher oder später wird sich eine Lösung auftun“

So einen Optimismus war man von Sesshômaru kaum gewöhnt, aber es blieb auch unausgesprochen, dass ihm im Gegensatz zu den anderen etwas aufgefallen war. Erstens hatte Tôran etwas zu euphorisch mitgemischt und außerdem war ihm der Blickwechsel zwischen der Nékofürstin und ihrem Bruder aufgefallen. Irgendetwas wussten die beiden, was sie niemandem mitteilen wollten. Er sollte sie beim abendlichen Abschlussball im Auge behalten. Vielleicht war da mehr herauszufinden.

Gin und Shou hatten ihm inzwischen zugestimmt und da sie beide die Erfahrensten in der Fürstenversammlung waren, hatte der Rest sich dem vorerst angeschlossen.

Sesshômaru war zufrieden damit, allerdings doch etwas erstaunt über den Vorschlag, den Fürst Gin daraufhin in die Runde warf. „Wie wäre es, wenn einer von uns besonderes Augenmerk auf diese Problematik legt um eventuell mehr herauszufinden? Du vielleicht, Shou-san?“

Der FalkenYôkai lehnte vehement ab. „Ich habe im Moment eindeutig genug Probleme damit, diese dummen Papageien unter Kontrolle zu bekommen“ Diese Angelegenheit war seit Jahrhunderten ein Problem des Vogelclans und somit kein Schwächebeweis, sonst hätte Shou das niemals so offen ausgesprochen. Aber die PapageienYôkai schlossen sich den übrigen, vogelverwandten Fürstenfamilien eben nur sehr sporadisch an und so kam es immer wieder zu Reibereien.

„Nun gut. Dann… Sesshômaru?“

Im ersten Moment war der HundeYôkai etwas überrascht, dann wandte er dem Kitsune nur den Blick zu, ohne etwas zu sagen. Seine Art der Zustimmung. Er hatte ja sowieso vor, sich etwas näher mit dem Thema auseinander zu setzen.
 


 

Bei InuYasha und seinen Freunden hatte sich inzwischen nicht wirklich viel an der ruhigen Stimmung geändert. Nur das der junge Baku inzwischen erwacht war und Kirara versuchte, trotz der Widrigkeiten, die zum Tod des Elterntieres geführt hatten, ihr eigentliches Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Yume spielte also mit eher mäßigem Erfolg den Dolmetscher zwischen der Nekomata und ihren langjährigen Freunden.

Inzwischen war klar geworden, dass Kagome am besten zu deuten vermochte, was der junge Baku ihr mitteilte und so übernahm sie einen Großteil des ‚Gespräches’, aber InuYashas Einwürfe machten es ihr recht schwer, sich zu konzentrieren. In seiner üblich sturen Art wollte der Hanyou nämlich nicht einsehen, wozu das ganze Theater gut war.

Miroku, der an der gegenüberliegenden Wand saß und auf ein Stück Papier aufschrieb, was Kagome ihm diktierte, schüttelte nur ein ums andere Mal den Kopf, mischte sich aber nicht ein.

Im Vergleich zu den früher oft so hitzigen Streitgesprächen zwischen Kagome und dem Halbdämon, war die momentane Szene regelrecht erholsam. Und er musste sein Tintenfass nicht im Auge behalten, denn die Erschütterung einer Sitzattacke würde ausbleiben, dessen war er sich sicher. Seit Kagome wieder da war, war das Wörtchen ‚Osuwari‘ nie mehr gefallen, obwohl es sogar noch funktioniert hätte, denn noch trug InuYasha die Bannkette. Vermutlich aus gewisser, sentimentaler Anwandlung, was er natürlich abgestritten hätte, hätte man gewagt, ihm das ins Gesicht zu sagen.

Rasch unterbrach Miroku seine Gedanken, wechselte den vollgeschrieben Bogen gegen einen leeren aus und wartete darauf, dass Kagome wieder etwas verlauten ließ.

Ihnen allen war es ein wenig suspekt, mit wie viel Vehemenz Kirara zu Beginn der Aktion darauf beharrt hatte, soweit sie sich ihnen verständlich machen konnte, aber wenn er sich so überlegte, was Kagome da schon alles herausgedeutet hatte, verstand er langsam.

Offenbar wollte Kirara dafür sorgen, dass Dinge, die nur sie wusste, weiterverbreitet wurden. Und Yume dazu mitzubringen, war vermutlich der beste Einfall gewesen, den sie hatte haben können, auch wenn die Tatsache, dass der kleine Kerl noch ein Junges war, vermutlich weniger geplant gewesen war.

Da Kagome im Moment nachzudenken schien, ließ Miroku die bisherigen Notizen Revue passieren.

Zuerst hatte Kirara vom Shikon no tama angefangen, von seinen zwei Seiten, die je nach Träger so oder so überhandnahmen.

Dann war da ein Zeichen gewesen, dass Kagome ‚Yin und Yang‘ genannt hatte und das laut ihr eher in die chinesische Philosophie gehörte, aber die Botschaft war klar gewesen: es ging wohl um ein bestimmtes Gleichgewicht.

Und dann hatte eine Art Aufzählung begonnen.

Zuerst hatte Yume ein Bild übermittelt, dass beinahe das Shikon hätte darstellen können, wäre das gezeigte Juwel nicht Glutfarben gewesen und hätte darin nicht eine Flamme pulsiert. Kagome hatte vor sich hingemurmelt, dass dann wieder das Gleichgewichtszeichen da gewesen wäre, wobei immer eine Hälfte davon abwechselnd verblasste und wieder erschien. So ähnlich hatte Yume zuvor auch versucht deutlich zu machen, dass das Shikon zwei Seiten besaß. Also tat es dieses rote Juwel wohl auch. Daraufhin hatte Yume wohl erst das Bild eines Phönix und dann das eines farblosen Juwels gezeigt. Immer wieder, diese beiden Bilder. Kagome hatte daraus geschlossen, dass dies wohl die Bezeichnung für das rote Juwel war.

Phönix und Juwel, Hôô Hôseki.

Kaum hatte Kagome das eher fragend ausgesprochen, piepste Kirara, die in ihrer kleinen Form neben Yume saß, zustimmend. So hatte Miroku das aufgeschrieben.

Und schon war es weitergegangen.

Diesmal hatte Yumes Sendung aus dem Bildnis eines schwarzen Steines bestanden, ähnlich einem Feuerstein zum Keil geformt. Aber wo dessen Kanten glatt geglänzt hätten, schienen diese hier fast aus Federflaum zu bestehen. Auf den zweiten Blick war aufgefallen, dass sich die Form des Steins zur Spitze hin etwas nach unten krümmte, beinahe wie bei einer Klaue. Dann wieder das Yin-Yang-Zeichen, wieder mit den abwechselnd verschwindenden Hälften. Nun wechselten sich, aus Kagomes gemurmelten Kommentaren ersichtlich, wieder zwei Bilder ab. Das eine war eine Feder, das hatte sie schnell erkannt, aber das zweite wirkte wie Kiraras Pfote, allerdings mit kampfbereit weit ausgefahrenen Krallen.

Yume legte ein wenig den Kopf schief, als es merkte, dass die junge Miko auch nach Minuten noch nicht verstand.

Also änderte der junge Baku das Bild etwas ab. Wieder zeigte es die Pfote, doch diesmal verschwand gleich darauf die Tatze selbst und nur die Krallen blieben zurück. Und endlich verstand Kagome.

Feder und Kralle. Haru Tsume.

Kirara piepste aufgeregt.
 

Tatsächlich hätte die Nekomata wohl aus tiefstem Herzen geseufzt, wenn sie zu dieser Lautäußerung fähig gewesen wäre. Ihr Plan schien aufzugehen, die Menschen begannen zu kapieren.

Ein Glück dass ihre Bande so ziemlich für alles offen war.

Denn wenn sie sich das Gespräch mit Yumes Elterntier nochmal durch den Kopf gehen ließ, wurde ihr nach und nach immer klarer, dass es sicherlich nicht beim Austausch von ein bisschen Wissen bleiben würde.

Die gegenwärtige Situation verlangte Taten.

Und damit meinte sie nicht nur die teils vergessenen oder verschollenen Artefakte.

Bilanz

Vom Balkon seines Arbeitszimmers herab, sah Sesshômaru zu, wie die letzten Fürstenfamilien abreisten.

Einige waren schon gestern Abend nach dem Ball aufgebrochen, andere hatten noch die Nacht im Schloss verbracht.

Zum Glück hatten sowohl seine Mutter, als auch die Nékos zu ersterer Gruppe gehört. Er hätte beide, Chiyo und Tôran, wohl schwerlich noch länger ertragen. Seine Mutter sowieso schon mal nicht und Tôran nicht, weil sie gestern Abend mal wieder zu Höchstform aufgelaufen war. Immer wieder hatte ihr Blick auf ihm gelegen, als wolle sie ihn durchbohren, dabei hatte sie eigentlich nur seine Aufmerksamkeit erringen wollen.

Sesshômaru hatte ihr den Gefallen natürlich nicht getan.

In seinem Schloss herrschte Hunderrecht und so hatte er frei zu entscheiden, wen er zum Tanz aufforderte und wen eben nicht. Da hatte Tôran nicht mitzureden, wie es in ihrem Schloss vielleicht der Fall gewesen wäre.

Aber irgendwann war es ihm zu dämlich geworden und er hatte gute Miene zum bösen Spiel gemacht und sich sogar abgerungen, seine Mutter einmal auf die Tanzfläche zu führen. Tôrans dolchartiger Blick war die Sache wertgewesen.

Auch wenn er sich das nicht anmerken ließ, ab und an gefielen ihm solche Spielchen doch, vor allem wenn er damit jemandem etwas auswischen konnte, der ihn schon seit Jahrhunderten nervte. Aber danach war die türkishaarige Pantherdämonin so angesäuert gewesen, dass er über ihre Abreise mehr als froh gewesen war.

Ihr Bruder Shuuran konnte ja, wenn er wollte, ein recht angenehmer Zeitgenosse sein und selbst die kindliche Shunran und die vorlaute Karan waren auszuhalten, aber Tôran strapazierte seine Nerven manchmal doch ganz schön.

Und zu seinem Leidwesen hatte er trotzdem nichts weiter herausbekommen, die Gespräche der vier Geschwister untereinander waren nicht um die Themen der Fürstensitzung gegangen.

Der junge Fürst drehte sich um und kehrte an seinen Arbeitsplatz zurück. Wurde Zeit, dass der Alltag wieder Einzug hielt. Kaum zu glauben, dass die letzten drei Jahre nicht ausgereicht hatten, all den Papierkram zu erledigen, der während seiner Abwesenheit aufgelaufen war.

Einen Moment richtete sich sein Blick auf Tensaiga und Bakusaiga, die etwas abseits in ihren Ständern an der Wand ruhten.

Eines stand für ihn jetzt schon fest: Sobald die Verwaltung erstmal wieder auf dem neusten Stand war, würde er sich mal wieder für ein paar Monde absetzen.

Mit diesmal genau geklärten Verhältnissen würde Masa die Abläufe im Schloss regeln können. Sie war nicht umsonst schon unter seinem Vater Beraterin im Schloss gewesen, obwohl sie gerade einmal knapp tausend Jahre älter war, als Sesshômaru selbst.
 


 

Derweil hatte Kôga, der am vergangenen Abend als einer der ersten das Fürstentreffen wieder verlassen hatte, beinahe wieder die Höhlen der Nordwölfe erreicht. Auch wenn er nun schon seit Jahren keine Juwelensplitter mehr besaß, so war er noch immer recht schnell, zumal mit seiner Fähigkeit, die Luft um sich herum so zu verwirbeln, dass er beinahe selbst als Wirbelsturm davonraste.

Wenn er schon kein DaiYôkai war, dem die Möglichkeit der Reise in Energieform offen gestanden hätte, so konnte er wenigstens damit Zeit schinden. Und darum war er froh.

Er wollte endlich zurück zu Ayame. Das Fürstentreffen war wirklich äußerst ungünstig gefallen.

Inzwischen hatte er den steilen Bergpfad erreicht, der direkt zum Höhleneingang hinauf führte. Er verlangsamte seine Geschwindigkeit so, dass er wieder genau zu sehen war, prüfte beim Aufstieg fast automatisch die Situation.

Die Wachen, darunter momentan auch Ginta, hatten sich relativ nah an den Höhlen zusammengerottet. Das bedeutet entweder Gefahr, oder schlicht, dass dort etwas Interessantes war.

Er steuerte auf seinen alten Freund zu.

„Was ist passiert?“, wollte er wissen.

„Ayame, sie…“, setzte der WolfsYôkai an, konnte aber schon gar nicht mehr ausreden, da war Kôga schon wieder losgestürmt, hatte die Höhlen erreicht. Auch dort hatten sich, ungewöhnlich für diese Tageszeit, viele seiner Untergebenen versammelt, es wurde getuschelt und die Witterung von Spannung und Erwartung lag in der Luft. Und nur ein Wort konnte Kôga immer wieder genau aus den leisen Gesprächen heraushören. Umare. Geburt.

Er wandte sich direkt in Richtung von Ayames Schlafhöhle. Tatsächlich kam ihm von dort noch der leichte Geruch von Blut entgegen. Und die Witterung der Heilerin. Eben jene trat ihm nun in den Weg.

Er sah sie nur vielsagend an.

„Kôga-sama, es ist alles gut gegangen. Die Fürstin kam etwa vor einer Stunde nieder. Aber sie ist noch erschöpft. Dennoch… ich glaube Eure Wölfe warten darauf, dass ihr bekannt gebt, ob es einen Erben gibt, oder nicht“ So langsam Kôga auch manchmal im Denken sein mochte, er konnte aus der Formulierung der Heilerin genau entnehmen, dass er tatsächlich einen Sohn bekommen hatte. Und ihm, wie auch Ayame schien es gut zu gehen, sonst hätte die Heilerin etwas erwähnt. Sein Herz schlug ein wenig schneller. Ein Glück. Er nickte der Heilerin kurz zu, dann trat er an ihr vorbei.

Er fand Ayame halb sitzend, halb liegend auf ihrem Lager vor, die Augen nur auf das Bündel in ihren Armen gerichtet. Sie hatte Kôgas Ankunft mit Sicherheit bemerkt, aber es schien ihr momentan wichtigeres zu geben. Und der schwarzhaarige Wolfsyôkai nahm das hin. Als er sich neben seiner Gefährtin auf ein Knie niederließ, wandte sie ihm endlich den Blick zu. Ein müder, aber unendlich glücklicher Schimmer lag in ihren tiefgrünen Augen, als sie sich etwas drehte, um ihm einen Blick auf seinen Sohn zu gewähren.

Wie es Tradition war, war der neugeborene Wolfsyôkai in ein Fell gehüllt worden, dass den gleichen Farbton wie die Tôshinform seiner Mutter hatte, und schlief nun seelenruhig. Er hatte die dunklen, roten Haare seiner Mutter geerbt, außerdem war bei seinen spärlichen Haaren das Familienzeichen von Ayames Verwandtschaft zu erkennen, dass sich in Form zweiter blattgrüner Wellenlinien direkt unter dem Haaransatz erstreckte. Erstaunlich, dass er es auch in Menschenform zeigte, Ayame, aber auch Yôrôzukos Tochter, hatten es nur in ihrer wahren Form gehabt.

„Er hat deine blauen Augen“, murmelte Ayame leise und ihre Stimme verriet, dass sie noch erschöpfter sein musste, als es von außen schien. Kôga legte ihr leicht den Arm um die Schultern.

„Und er verschafft den Wolfsyôkai endlich wieder einen direkten Bluterben“, fügte er sanft hinzu. Yôrôzuko hatte ja nur eine Tochter, Ayames Mutter, gehabt, die ebenso wie ihr Gefährte umgekommen war, als Ayame nach menschlichen Maßstäben vielleicht zwei oder drei gewesen war. Danach war Ayame von ihrem Großvater als Erbin erzogen worden, aber es war von Anfang an klar gewesen, dass der eigentliche Erbe Ayames zukünftiger Ehemann sein würde und damit kein wirklicher Bluterbe.

Über die Jahre waren immer wieder skeptische Stimmen laut geworden, die jetzt hoffentlich verstummen würden. Denn jetzt hatten die Wölfe wieder einen reinen Bluterben.

Dementsprechend wählte Kôga auch den Namen für seinen Sohn. „Er soll Kiyoshi heißen“

Ayame nickte flüchtig, während ihr Blick schon wieder auf ihrem Sohn ruhte. Sie konnte die Augen ganz offensichtlich kaum noch offen halten.

„Ruh dich jetzt aus“, fügte Kôga also hinzu und zog seinen Arm zurück, damit die rothaarige Wolfsdämonin sich hinlegen konnte. „Kiyoshi“, formten ihre Lippen noch tonlos, dann war sie bereits weggedämmert. Eine Yôkai hatte mehr Körperbeherrschung und größere Ausdauer als eine Menschenfrau, aber auch für sie war eine Geburt kein Spaziergang.

Kôga lächelte leicht, ehe er sich abwandte um das Rudel zu informieren.
 


 

Von dem freudigen Ereignis ahnten Kagome und ihre Freunde im Moment rein gar nichts. Aber sie hatten erstens momentan andere Sorgen und zweitens in den letzten Jahren nur sehr selten Kontakt zu Kôga gehabt, Kagome hatte ihn noch gar nicht wiedergesehen, seit ihrer Rückkehr. Wenn sie ehrlich war, hatte sie nicht einmal an ihn gedacht.

Aber im Augenblick konzentrierten sich ihre Gedanken auch eher auf die inzwischen vier Bögen voller Notizen.

Miroku hatte ja netterweise alles fein säuberlich mitgeschrieben, aber das Warum dieser Mitteilungen war den Freunden noch nicht klar.

Yume schlief inzwischen wieder, erneut an die Flanke der verwandelten Kirara gekuschelt, von beiden war keine große Hilfe zu erwarten.

Da schon eher von Myouga, aber auch der grübelte von Kagomes Schulter herab bisher erfolglos.

Sango, die sich inzwischen ebenfalls dazugesellt hatte, versuchte ihrerseits aus den Notizen schlau zu werden.

Schließlich fiel ihr etwas auf. „Dieses Zeichen vom Festland, Kagome, jede Hälfte taucht hier fünf Mal auf, habe ich Recht?“

Die junge Miko zählte noch einmal durch. „Du hast Recht, Sango. Fünfmal Yin und fünfmal Yang. Und dreimal das abwechselnde Zeichen“

„Wenn du also sagst, dass Yin für Schatten steht und Yang für hell und rein, dann könnte das doch auch bedeuten, dass die Dinge, die Yume dir gezeigt hat, jeweils gut oder böse sind, oder?“, fragte Sango weiter.

„Und das abwechselnde für ein zweiseitiges Verhältnis steht, so wie es beim Shikon no tama war“, warf Miroku ein.

Mag sein, aber was soll das?“, wollte InuYasha wissen.

„Wenn ich das mal wüsste. Dennoch, ich glaube, so langsam komme ich dahinter, wieso Kirara das ganze Theater veranstaltet“, gab Kagome zurück.

Sango sah sie an. „Worauf willst du hinaus?“

„Naja, eigentlich ist es recht einfach. Nehmen wir mal an, diese Dinge sind nicht nur einfach so böse oder rein oder meinetwegen auch zwiespältig, sondern sie haben eine tiefere Bedeutung. Schließlich gehört auch das Shikon no tama dazu. Und offenbar war auch der Bannkreis am Berg Hakurei das Produkt eines solchen Relikts. Diese beiden sind nun aber zerstört. Bleiben zwei der wankelmütigen und außerdem ein böses mehr als reine existieren“

Sie verstummte, da Myouga begann auf und ab zu hüpfen. „Ich glaube, ich verstehe, was Ihr meint, Kagome-sama. Wir haben gesehen, was passiert, wenn einfach nur ein zwiespältiges Ding in falsche Hände gerät. Täte das nun aber noch eines, würden die dunklen, bösartigen Artefakte endgültig überwiegen“ Er hüpfte inzwischen wie ein Flummi auf und ab, schien sich gar nicht mehr beruhigen zu wollen.

„Genau das wollte ich sagen, Myouga-jiji“, bestätigte Kagome, während InuYasha sich darauf verlegte, den beinahe hysterischen Flohgeist argwöhnisch zu beäugen.

Sango sah derweil zu der dösenden Kirara hinüber. „Dann meinst du, Kirara wusste das alles und fürchtet nun um ein Zusammenbrechen dieses Gleichgewichts? Ist sie vielleicht nicht sicher, ob diese beiden wankelmütigen Teile in Sicherheit sind?“

„Das ist die einzige Möglichkeit, Sango-chan. Etwas anderes fällt mir dazu wirklich nicht ein. Dir etwa, Myouga-jiji?“

Entgegen jeglicher Erfahrung bekam sie keine Antwort. Der kleine Flohdämon schien ihre Nachfrage nicht einmal wahrgenommen zu haben. „Myouga-jiji! – InuYasha, anstatt mir Löcher in die Schulter zu starren, könntest du ihn auch mal aufwecken. Ich bin schließlich kein Trampolin!“, sagte die Schwarzhaarige dann eindringlich. Der Hanyou zuckte nur kurz mit den Ohren – und fing den Flohgeist etwas unsanft aus der Luft.

Myouga war es gewöhnt, manchmal aus heiterem Himmel fast zerdrückt zu werden, aber er stöhnte trotzdem auf, als InuYasha die Hand öffnete und ihn in etwas plattgedrückter Form Kagome hinhielt.

Die verkniff sich einen Kommentar über die rabiate Handlungsweise des Halbdämons und blickte stattdessen den Flohgeist an. „Nun, Myouga-jiji? Weißt du nun noch etwas?“, fragte sie erneut. Mühsam richtete der Flohdämon sich auf und schüttelte sich kurz. „Nein, tut mir Leid, Kagome-sama. Aber einer der Namen dieser Relikte kommt mir bekannt vor. Ich glaube, ich weiß, wen ich nach ein paar weiteren Informationen fragen kann. Es gibt da einen alten Freund von InuYasha-samas Vater, der könnte noch etwas wissen“

Kurz wechselten die Freunde einen Blick. Also wenn man die Beispiele Tôtôsai und Saya heranzog, wollten sie besser nichts Genaueres über besagten alten Freund wissen. Myouga sollte schon wissen, was er tat.

Der Flohgeist sah derweil vielsagend zu InuYasha auf. „Wenn ich vielleicht eine kleine Wegzehrung…“, begann er vorsichtig. Der Hanyou wollte schon protestieren, da fing er Kagomes bittenden Blick auf. Also nickte er. Sofort war Myouga mit einem Sprung an seiner Wange und stach zu. Nach ein paar Tropfen ließ er wieder ab. „Danke sehr, InuYasha-sama. Ich werde mich sofort auf den Weg machen“, rief er noch, als er schon Richtung Tür hüpfte.

„Wieso das jetzt?“, fragte InuYasha in die Runde, wobei klar war, dass er damit weniger Myougas Verabschiedung, als Kagomes Verhalten meinte. „Vielleicht ist er so schneller. Engagierter bestimmt“, bemerkte sie nur verschmitzt, ehe sie zusammenzuckte, weil plötzlich die Bambusmatte vor der Türöffnung hastig aufgerissen wurde.
 

Kohaku stand dort, im Kampfanzug, seine Kusarigama wie immer am Gürtel. Seine andere Waffe lag hinter Kirara in einer Ecke der Hütte, aber die setzte er sowieso nur ein, wenn er mit Kirara gemeinsam kämpfte. Vom Boden aus war das von Tôtôsai gefertigte Unikat zu unhandlich. Trotzdem machte er einen aufgeregten Eindruck. „Das Dorf wird angegriffen. Niedere Oni, eine ganz Horde! Rin und Kaede sind bei den Kindern“, keuchte er und wirbelte schon wieder herum.

Augenblicklich waren die Freunde auf den Beinen.

Vorbei mit der Ruhe.

Dabei hatten sich bis vor wenigen Wochen niedere Oni nicht mal in die Nähe Musashis gewagt.

Trotzdem hatte es etwas seltsam Vertrautes, als InuYasha als Erster losstürmte, die Hand bereits an Tessaiga, Kagome hastig Pfeilköcher und Bogen ergriff und hinterher rannte, Miroku samt seines Shakujô im Schlepptau.

Sango trat hinterher, sah sich kurz um, ob unmittelbar Gefahr drohte, dann hastete sie zu der Hütte hinüber, in der Miroku und sie wohnten. Dort waren nicht nur ihr Kampfanzug und der Knochenbumerang, dort würde sie auch am ehesten gebraucht werden.

Auch Kirara war inzwischen aufmerksam geworden, aber sie blieb zurück, eng an der Seite des noch schlummernden Baku. Wenn man sie brauchte, würde man sie rufen, das wusste sie. Aber bis dahin würde sie zusehen, dass sie Yume beschützte. Im Moment war er mehr als wichtig.

Und außerdem hatte sie versprochen sich seiner anzunehmen.

Und sie war eine Yôkai.

Yôkai brachen niemals ihre Versprechen.

Pläne

Grell leuchtend bahnte Kagomes Pfeil sich seinen Weg durch die Dämonen, pulverisierte alles, was ihm in die Quere kam.

Rechts von sich hörte sie das Britzeln in der Luft, beinahe als würden irgendwo Stromschläge verteilt. Das waren Mirokus Bannzettel, das wusste sie.

InuYasha war weiter am Rande des Dorfes um ungestört seine Windnarbe einsetzen zu können, was zwischen den Häusern schlecht möglich war. Schließlich sollte das Dorf am Ende noch stehen.

Aber dieser Übergriff war sowieso mehr nervend als schwer zu bewältigen. Diese niederen Viecher waren kaum der Rede wert, aber ihre Menge machte den Kampf notwendig. Solche Dämonenwolken hatten sie zuletzt erlebt, als Naraku noch über eben solche befohlen hatte, wobei diese hier ungleich schwächer und linkischer waren.
 

Die junge Miko spannte den nächsten Pfeil ein, zielte auf eine riesige, hellblaue Spinne und schoss. Der Oni war nicht mehr. Kagome schüttelte den Kopf und rannte dann weiter zum entgegengesetzten Ende des Dorfes, wo sie nun auch das Brüllen der niederen Dämonen vernehmen konnte.

Eine ganze Horde wurmähnlicher Viecher hatte eine Gruppe Bauern eingekreist, die sich mehr schlecht als recht mit Mistgabeln und Dreschflegeln wehrten.

„Runter!“, schrie Kagome und schoss bereits den nächsten Pfeil aus dem Lauf ab. Reflexartig duckten die Bauern sich, als das hell glühende Geschoss sechs der sieben Riesenwürmer zu Kleinholz verarbeitete. Nur einer hatte noch rechtzeitig ausweichen können, starrte nun die Miko an, um sofort auf sie loszustürmen.

Kagome kam zum Stehen, hängte sich blitzschnell den Bogen über die Schulter und kreuzte die Hände vor der Brust sodass sowohl die vier Finger beider Hände aufeinander lagen, als auch beide Daumen. In dem Dreieck, das die Daumen und die inneren Handkanten bildeten, erschien sofort hellviolettes Licht. „Rei no Hikari...“, wisperte die Schwarzhaarige und zog die Hände blitzschnell auseinander. Wie eine milchige Glasscheibe spannte sich das Licht zwischen ihren Händen auf, als der Dämon dagegen lief. Er prallte sofort zurück, auf seiner Brustpartie, die mit dem Licht in Kontakt gekommen war, loderten hellviolette Flammen, ehe er zu Boden fiel, die Augen starr aufgerissen.

Kagome nahm die Hände wieder zusammen und ließ sie dann langsam sinken. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie auf den toten Oni hinab. Diese neue Technik, die Kaede ihr vor einer Woche beigebracht hatte, war eher zum Selbstschutz gedacht, weil sie gebrochen werden konnte, wenn der angegriffene Dämon einen Bannkreis aus seinem eigenen Yôki um sich legte und sich gegen die läuternden Flammen abschirmte. Diese Viecher hier waren wirklich erbärmlich schwach, wenn sie daran starben und das auch noch in Sekundenschnelle.

Im Gegensatz zu ihr selbst, waren die Bauern hellauf begeistert von der Leistung der jungen Miko, umringten sie staunend. „Schon gut. Geht, bringt euch in Sicherheit. Hier sind noch mehr von der Sorte“, war das einzige, was sie dazu sagte, ehe sie sich durch sie hindurch drängte und sich wieder in den Kampf einmischte.
 

Wenige Minuten später waren sämtliche Dämonen beseitigt. Und außer dass die Felder rund um das Dorf ab und an ein paar Scharten zeigten, als seien sie gerade frisch und äußerst kräftig durchgepflügt worden, war auch nichts beschädigt worden, weder von den Oni, noch von den Verteidigern. Die Dorfbevölkerung hatte sich derweil lärmend auf dem Hauptplatz versammelt und feierte die Kämpfer, die das Ganze gerne abgetan hätten. Das war nun wirklich keine Leistung gewesen, wenn man bedachte, was sie schon hatten durchstehen müssen.

Schließlich gelang es Miroku für Ruhe zu sorgen. Eine Sache blieb zu klären. „Schön und gut, dass es für dieses Mal überstanden ist, aber offenbar haben diese Oni vergessen, dass ihr nicht gerade die leichteste Beute seid, solange InuYasha, Sango, Kagome-sama und ich hier sind. Und es kann jederzeit zu neuen, schwereren Angriffen kommen, daher bitte ich euch, sobald es wieder Alarm geben sollte, versammeln sich alle Kinder und Alten an Kaedes Hütte. Kaede oder ich werden euch dort schützen können. Vielleicht ist das eines Tages nötig“

Wieder brach der Jubel los, aber die vier sahen darin jetzt einfach mal eine Zustimmung und zogen sich dezent zurück.

Auf dem Weg zurück zu der Hütte, in der Kirara und Yume warteten, kam ihnen Kohaku entgegen, Rin im Schlepptau. Beide waren unverletzt, aber der Junge wirkte ziemlich aufgeregt.

„Aneue! Kannst du mal kommen? Rin ist bei einem dieser Oni etwas aufgefallen!“, rief er schon von weitem. Sango zögerte nur kurz, dann lief sie ihm hinterher. Die anderen folgten, sich der Tatsache nur zu bewusst, dass Kohaku nicht ohne Grund so aufgeregt wäre. Sein schweres Schicksal hatte den Jungen reifen lassen. Also stiegen sie hinter ihm über die Dämonenfetzen in den Gassen. In ein paar Stunden würden die zerfallen sein, aber bis dahin musste jeder Schritt mit Bedacht getan werden, um nicht den einen oder anderen Schädel oder Beinknochen zur Stolperfalle werden zu lassen.

Endlich blieb Kohaku stehen. Tatsächlich wirkte der eidechsenartige Dämon, der genau vor der Tür von Sangos und Mirokus Hütte lag, ziemlich seltsam. Kohakus Kusarigama hatte ihn sauber geköpft, aber was viel mehr auffiel, war der weißlich blutige Schaum, der noch im weit aufgerissenen Maul des Oni lag und auch dessen viele Wunden. Er musste vor seinem Tod ohne Rücksicht auf Verluste gekämpft haben. „Er wollte gar nicht in die Hütte, oder sonst wohin, sondern nur zu dem Wassertrog dort vorn!“, erklärte Kohaku derweil und zeigte zu der Wanne nicht weit entfernt.

Drei der Freunde zogen verwirrt die Stirnen kraus, bloß Kagome blinzelte überrascht. „Das klingt ja beinahe wie…“, begann sie leise, besah sich den Oni nochmal genauer.

Die anderen sahen sie an.

„Wenn ich nicht wüsste, dass diese Krankheit nur Säugetiere und wenige Vögel befällt und ganz sicher keine Dämonen, würde ich fast sagen, das Vieh hat die Tollwut“
 


 

Inmitten der südlichen Ländereien, wo die großen Kitsune-Akademien lagen, saß Shippô derweil mit ein paar Kameraden zusammen auf der großen Holztreppe am Haupteingang des Schulgebäudes.

Die meisten seiner Lernpartner waren etwas älter als er, wohl so 15, 20 Jahre, aber vom Können waren sie gleich.

Der etwas unfreiwillige Besuch mit InuYasha in einer der kleineren Fuchsschulen hatte ihm eine Steilvorlage ermöglicht, sodass er jetzt einige Level über vielen seiner Altersgenossen stand.

Nur eine junge Füchsin war noch ähnlich weit vorn wie er, aber wenn man ihr glauben durfte, dann lag das bei ihr in der Familie. Ihre älteren Geschwister waren alle längst von der Akademie abgegangen. Sonst erfuhr man wenig über sie, sie sprach wenig und war ziemlich zurückgezogen. Dabei hätte Shippô sie gern näher kennengelernt. Erstens faszinierte ihre Fantasie ihn sehr und zweitens war sie sehr hübsch. In solchen Dingen war Shippô ja schon immer recht frühreif gewesen, mochte er nach Menschenmaßstäben auch erst vielleicht sieben sein. Sie würde man dann vielleicht auf acht oder neun schätzen und manchmal machte sie bereits den Lehrern etwas vor.

Bemerkenswert befand Shippô, ehe er sich wieder auf seine Trainingsgruppe konzentrierte. Kyoko war im Moment eh nicht da, sie war für ein paar Tage beurlaubt, warum auch immer. Sowohl sie, als auch die Lehrer hatten sich eisern ausgeschwiegen.

Er riss sich zusammen.

Saburo und Tsubasa, die beiden, mit denen er zusammensaß, sollten bloß nicht auf die Idee kommen, als Nächstes ihn hereinzulegen. Das wäre wirklich gemein und darauf legte Shippô keinen Wert. Sich von Übungsgenossen durch den Kakao ziehen zu lassen, galt als Schande unter den Fuchskindern.

Aber noch war er auf der sicheren Seite. Wenn es nach den beiden ginge, dürfte heute mal wieder die arme Miko im Nachbartal dran glauben. Yuuna-san, die junge Miko, konnte einem ab und an regelrecht leidtun. Es verging kaum ein Tag, in dem sie kein junger Kitsune als Opfer aussuchte und egal wie gut sie inzwischen darin war, die Fallen und Tricks der Fuchsschüler zu erkennen, irgendwie gelang es doch immer wieder, sie hereinzulegen.

„Na kommt, Shippô, heute bist du dran. Mach einen Plan!“, forderte Saburo ihn auf und der jüngere Fuchs legte etwas den Kopf schief.

„Wie wäre es, wenn wir ihrem Feuer ein wenig Übermut verleihen. Mit unserem Fuchsfeuer kann ihrer Hütte nichts passieren, erschrecken wird sie sich trotzdem. Also genauso, wie es die Lehrer wollen“, schlug er dann vor.

„Ja, wieso nicht das Einfachste versuchen. Ich glaube, das hat noch keiner gemacht“, stimmte Saburo zu.

„Genau. Und wenn das klappt, ist für uns alle drei ein Levelaufstieg drin!“, frohlockte Tsubasa.

Fröhlich klatschten die drei jungen Kitsune sich ab, ehe sie sich aufteilten und in der Nacht verschwanden. Yuuna-san dürfte sich warm anziehen.
 

Minuten später duckte sich Shippô seitlich der Tür, lugte durch den Spalt, den die Bambusmatte frei ließ. Yuuna-san schlief auf ihrem Lager weiter hinten. So schlüpfte er in die Hütte, orientierte sich kurz. Das Feuer war beinahe ausgegangen, aber noch glomm es. Umso besser, dachte Shippô, so ist der Effekt größer. Der junge Kitsune hob die Hand, fixierte die kleinen, verbleibenden Funken.

Hinter ihm schoben sich Saburo und Tsubasa in die Hütte, verteilten sich an den Wänden. Kurz glitt Shippôs Blick zu der jungen Miko. Oft schon hatte er sie hereingelegt, aber Level hin oder her, er tat es nicht gern.

Er wusste, dass die anderen Fuchskinder nach jedem gelungenen Streich abfälliger über Mikos im Allgemeinen redeten. Kein Wunder, die kannten nur Yuuna-san, die fast immer hilflos war. Jemand kämpferisches, wie Kagome, oder seinetwegen auch Kikyô, kannten die nicht. Shippô hatte auch wohlweislich nie etwas von seinen Freunden erzählt. Ein junger Dämon, der mit Dämonenjäger, Mönch und Miko durch die Lande zog, wäre wohl ziemlich schief beäugt worden. Trotzdem wünschte Shippô sich manchmal, offen sein zu können. Er schüttelte etwas den Kopf. Konzentrier dich wieder auf deine Aufgabe!, schalt er sich selbst und schaute kurz zu seinen Kumpanen. Er stand am Nächsten zur Tür, er würde auch am Längsten bleiben müssen, wenn die beiden schon den Rückzug antraten.

Beide signalisierten Bereitschaft.

Im gleichen Moment hob Tsubasa seine rechte Hand, seine Lippen formten lautlos den magischen Befehl: „Kitsune-bi!“ Sofort erschien die blaue Flamme auf seiner Handfläche, die er auf die Feuerstelle schleuderte. In Verbindung mit der verbleibenden Glut ergab sich eine bizarre orange-blaue Mischung. Saburo kopierte die Handlungsweise seines Kumpanen und verstärkte das Fuchsfeuer von seiner Seite. Nun waren die Flammen nicht länger lautlos.

Shippô ließ keinen Blick davon, formte das Feuer seiner Kameraden mit den Händen und sorgte dafür, dass es das echte Feuer nicht zu sehr aufwirbelte. Er sah es nicht, aber er konnte spüren, dass Yuuna-san aufgewacht war, das Geschehen erschreckt beobachtete, vermutlich unfähig sich zu bewegen. Probehalber ließ Shippô zu, dass die Flammen in ihre Richtung leckten und vernahm das erschreckte Einatmen. Die Miko sprang auf, das hörte er, doch ehe sie rufen konnte, nahm er das Feuer an sich, drückte es auf die Feuerstelle zurück. Sie sollte nicht gleich das ganze Dorf alarmieren. Er hörte sie näher kommen, offenbar hatte sie nun die Kühle und Farbe des Feuers erkannt, ihr Atem war wieder ruhiger. Aber sie hatte sich erschreckt und das hätten die Lehrer gespürt, das wusste Shippô, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie das sein konnte.

Er ließ das Feuer erlöschen und trat zurück, geschützt von der plötzlich wieder eintretenden Dunkelheit – dachte er.

„He, Kitsune!“, hörte er plötzlich die Stimme der Miko.

Er erstarrte in der Bewegung, antwortete aber nicht. „Kleiner Kitsune, wieso kontrollierst du das Feuer so? Wieso machst du den Trick nicht perfekt und versetzt das ganze Dorf in Aufruhr? Oder gefährdest mich gar?“, fragte sie weiter.

Weil die Lehrer es nicht wollen. Weil wir uns ungern unsere üblichen Opfer selbst nehmen., dachte Shippô, das, was jetzt jeder sagen würde. Doch aussprechen tat er einen anderen Grund: „Weil ich weiß, dass ein reiner Mensch wie du, Miko, nur seine Aufgabe erledigen kann, wenn man ihn lässt“ Damit wandte er sich um und verschwand blitzschnell aus der Hütte.

Zurück blieb eine sehr verwirrte, junge Miko.
 


 

Während vor den Höhlen die Wölfe jubelten, sich aber langsam wieder ein einigermaßen geregelter Tagesablauf einstellte, saß Kôga noch immer neben Ayame und betrachtete seinen Sohn.

Bis vor ein paar Jahren hätte er ja nicht einmal gedacht, sich je für die Rothaarige entscheiden zu können und nun hatten sie beide sogar ein gemeinsames Kind. Irgendwie war das ein seltsames Gefühl. So oder so aber war er glücklich und stolz.

Wie sein Sohn in seiner wahren Form aussah, würde er aber noch nicht so schnell erfahren, das wusste er. Solange Ayame ihn stillte, war sein Yôki mit ihrem verbunden und sie hielt ihn automatisch in seiner menschenähnlichen Form fest.

Ganz früher, vor Jahrzehntausenden, als diese Technik noch nicht etabliert war, war ein dämonisches Jungtier immer ein Sicherheitsrisiko für die ganze Gruppe gewesen und die Mutter musste sich mit ihm monatelang absetzen. Mit der Verbindung aber kontrollierte die Mutter das Yôki mit und hinderte es am Ausbrechen. Das einzige, was nun noch litt, war die Neugier. Aber damit wurde selbst Kôga fertig.
 

Er sah auf, als jemand die Höhle betrat und erkannte die Heilerin wieder. „Was ist?“, wollte er wissen.

„Mein Schwager hätte gern mit euch gesprochen. Es geht um Kiyoshi-sama“, antwortete sie mit gesenktem Blick.

Kôga musste leicht grinsen. Dass schon sein bisher hilfloser Sohn nach nicht mal einem Tag die Ehrenanrede verdiente, hörte sich kurios an. „Ich komme“, sagte er jedoch nur und erhob sich.

Was auch immer Kenta von ihm wollte, nur so würde er es herausfinden.

Kurz überlegte er, was er über dieses Rudelmitglied wissen musste. Er hatte zwei leibliche Kinder, die altersmäßig ziemlich weit auseinander lagen. Seine Gefährtin, die ältere Schwester der Heilerin, war wenige Monate nach der Geburt des zweiten Welpen gestorben. Seine Tochter war danach von einer Amme weiter erzogen worden. Als er, Kôga, vor ein paar Jahren die beiden Wolfswaisen mitgebracht hatte, die Naraku ihres bisherigen Lebens beraubt hatte, hatte eben jene Amme auch Kai und Shinta unter ihre Fittiche genommen. Kenta war so überaus freundlich gewesen, die beiden Jungs offiziell zu adoptieren.
 

Kôga machte halt, als er am Höhlenausgang den älteren Wolfsdämon erkannte, der nach ihm gefragt hatte.

Als der ihn sah, verneigte er sich kurz, deutete dann nach draußen. „Gehen wir ein Stück, Kôga-sama?“, wollte er wissen. In jedem anderen Fürstenhaus hätte dieses Betragen ihm einen Tadel wenn nicht mehr eingetragen, schließlich machte man dem Fürsten keine Vorschläge, aber hier bei den Wolfsdämon und insbesondere bei Kôga wurde das sehr viel lockerer gehandhabt. So nickte der Schwarzhaarige auch bloß und setzte sich bereits in Bewegung, Kenta folgte ihm sofort.

„Nun?“, begann Kôga, als sie ein paar hundert Meter von der Höhle entfernt waren. Er sah sich zu seinem Begleiter um.

„Nun, als Ihr die Nachricht gabt, dass Ihr einen Erben habt, kam mir eine Idee. Die einzige Wolfsdämonin, die momentan noch einigermaßen in Kiyoshi-samas Alter ist, ist meine Sayoko. Jedoch hat ein jeder, der zum näheren Umfeld Yôrôzuko-samas gehörte, mitbekommen, welche Probleme eine Verlobung machen kann, die nachher etwas in Vergessenheit gerät. Daher wollte ich allein mit euch reden, um euch in aller Ruhe vorzuschlagen, Kiyoshi-sama und Sayoko einander zu versprechen“

Kôga verharrte, die Überraschung stand im klar ins Gesicht geschrieben. Mit einem solchen Anliegen hatte er nicht gerechnet, obwohl ihm jetzt langsam klar wurde, dass er es hätte tun müssen. Als reiner Bluterbe der Wolfsdämon war Kiyoshi mehr als begehrt und da es bei den Wölfen nun einmal nur das eine Adelshaus gab und die kleinen Splitterrudel, die über ganz Japan verteilt lebten, normalerweise wenig Kontakt zur Fürstenfamilie hatten, wäre sowieso kein Standesunterschied zu beachten. Außerdem war Kenta einer der engsten Berater Yôrôzuko-samas gewesen, das wusste er und auch er schätzte den Rat des Älteren.

Langsam drehte er sich weg, blickte über die Klippen zum Horizont.

„Vor allem, Kenta, haben wir gesehen, was passieren kann, wenn so eine Verlobung von irgendwo unterwandert oder nicht ernst genommen wird. – Ich werde darüber nachdenken, und Ayame um ihre Meinung bitten, sobald sie wieder bei Kräften ist“

Da fiel ihm noch etwas ein. „Dir ist aber schon klar, dass damit auch dein Sohn eines Tages den Shokuin no Rei hüten muss, oder?“

Kenta war neben ihn getreten, den Blick in dieselbe Richtung gerichtet. „Das ist mir durchaus klar. Aber ich bin sicher, Kouhei wird dazu in der Lage sein“
 


 

„Tollwut?“, fragte Miroku schließlich nach, nachdem Kagomes Worte etwas gesackt waren.

„Ja, das ist eine Krankheit. Sie befällt das Gehirn und sorgt für rasende Wutanfälle und schwere Gehirnschäden. Dieser Schaum vor dem Mund und das Streben nach Wasser sind Symptome“

„Und du sagst, sie befällt keine Dämonen?“, fragte Sango weiter. „Naja, schwer zu sagen. Zu mindestens habe ich nie etwas davon gehört. Aber in der Neuzeit gibt es ja auch keine Dämonen mehr. Soweit ich gelesen habe, befällt sie aber vor allem Hunde und Füchse. Die tierischen“ Letztere Bemerkung schob sie dann doch noch hinterher, damit InuYasha nicht beleidigt war. Manchmal war er eben doch immer noch ganz genauso wie früher.

„So ist das also. Trotzdem. Nehmen wir an, das hier ist etwas ähnliches wie diese Tollwut. Wie heilt man sie?“, setzte Miroku die Fragerunde wieder fort.

„Gar nicht. Tollwut ist nicht zu heilen. Man kann bloß die Ursache ausmerzen. Also alles töten, was krank ist. Die Krankheit verbreitet sich durch Bisse und Blutkontakt“

„Also gut. Das heißt, wir legen diese Oni um und das wars?“, mischte sich InuYasha etwas ungeduldig ein.

„So einfach wird das nicht. Es ist ja offenbar nicht diese Krankheit. Also müssen wir wohl die Ursache finden“, berichtigte Sango gelassen, als man plötzlich Kirara maunzen hörte. Die Nekomata hatte Yume vor sich her zu den Freunden geschoben und der kleine Baku fixierte nun mal wieder Kagome, wie den ganzen Tag über schon öfters.

„Yume, was soll das?“, murmelte die junge Miko gleich darauf.

„Was ist?“, fragte der Hanyou von der Seite.

„Es zeigt mir wieder das Yin-Yang-Zeichen. Sonst nichts“, erklärte Kagome. Diesmal wurde sie daraus nun gar nicht schlau.

Während Kirara resignierend den Kopf hängen ließ, ging Sango plötzlich ein Licht auf. „Vielleicht meint sie, das alles hänge auch mit ihrer Gleichgewichtsgeschichte zusammen“, vermutete die Dämonenjägerin.

Sofort hob sich Kiraras Schnauze wieder. Bingo, dachte sie.

„Wie?“, fragte InuYasha hartnäckig. Wie immer konnte er es nicht ab, außen vor zu sein und so ganz war er in die Materie noch nicht eingestiegen. Er handelte eben lieber, anstatt zu denken, obwohl er letzteres durchaus vermocht hätte.

„Najaaa… nehmen wir mal an ihre beiden zwiespältigen Dinger befinden sich momentan in gewisser Sicherheit. Dann überwiegt immer noch das Böse, weil es davon eines mehr gibt. Vielleicht ist das die Ursache“, überlegte Miroku weiter. Ihm schien die Thematik inzwischen regelrecht Spaß zu machen.

Kirara wiederholte ihre Gedanken, ihre Augen begannen zu blitzen. Offenbar begriffen ihre Freunde endlich. Die Zustimmung der Nekomata war den Menschen nicht entgangen.

„Das heißt, ehe das Gleichgewicht nicht wiederhergestellt ist, verschwinden auch diese wildgewordenen Oni nicht?“, fragte Sango und das war eine Frage, die auch Kirara verständlich beantworten konnte. Sie nickte. „Und da man nicht einfach wieder ein reines Artefakt herstellen kann, müssen die Zwiespältigen wirklich in Sicherheit gebracht werden, ja?“ Wieder ein Nicken seitens der ponygroßen Raubkatze.

InuYashas Ohren zuckten, diese Neuigkeiten schienen ihm zu gefallen.

Den Grund verkündete er sogleich: „Dann gehen wir also wieder auf Reisen!“

Aufbruch

Shippô saß allein auf einem kleinen Hügel etwas abseits der Rückseits des Schulgebäudes und dachte nach.

Neben ihm wehte ein Windstoß den kleinen Zettel davon, auf dem vermerkt war, dass er tatsächlich wieder eine Stufe aufgestiegen war.

Der junge Kitsune sah ihm nach, wie er im Wind tanzte und schließlich in der nächsten Pfütze ertrank. Auf der einen Seite freute er sich, auf der anderen Seite war er ziemlich nachdenklich. Diese Fragen, die die junge Miko ihm in der vergangenen Nacht gestellt hatte, hatten ihn wieder einmal daran erinnert, dass er etwas vermisste, seit er hier an der Akademie war.

Sicher, es war wichtig, dass er lernte mit seinen Kräften umzugehen, sonst könnte er erstens nie für sich selbst sorgen und zweitens es auch nicht mehr nachholen. Die Illusionsmagie der Füchse konnte von keiner anderen Yôkaiart gelehrt werden und die Akademien bildeten nur Kinder aus. Und außerdem hatte er sich frei hierfür entscheiden.

Aber er vermisste seine Freunde und das Herumziehen. Kameraden hatte er hier auch gefunden, recht schnell sogar, aber Saburo, Tsubasa und die anderen waren nichts gegen seine Freunde. Gegen Kagome, die er als irgendetwas zwischen großer Schwester und Ersatzmutter ansah, gegen InuYasha, mit dem man so herrlich streiten konnte, gegen Miroku, der so viel wusste und gegen Sango, die ihm so viel über Verantwortung gelehrt hatte.

Er seufzte.

Da hörte er plötzlich ein Geräusch schräg vor sich im Gebüsch, war sofort auf den Beinen, die Hand erhoben um abzuwehren, sei es ein Angriff, sei es ein Trick seiner Kameraden.

Doch stattdessen erkannte er eine Gestalt in der rotweißen Tracht der Mikos, die dunklen Haare streng zurückgebunden. Yuuna-san. Überrascht ließ er die Hand sinken, blickte sie aufmerksam an.

„Ich wusste dass du anders bist, kleiner Kitsune“, sagte sie ruhig und kam etwas näher.

Shippô legte den Kopf schief, rührte sich aber nicht. Was wollte sie von ihm?

„Du bist anders“, wiederholte sie. „Mag sein“, gab der junge Fuchsdämon leise zurück. „Du bist nicht so naiv wie deine Kumpane. Ich hab schon ein paar Mal gesehen, dass du schneller reagierst. Warum tust du das?“

„Ich habe Sachen erlebt, das können die anderen sich gar nicht vorstellen“, antwortete Shippô.

„Und du respektierst uns Mikos“, setzte Yuuna hinzu. Shippô nickte. „Warum?“

„Weil ich insgesamt drei kennengelernt habe, die mich auf ihre Art alle viel gelehrt haben“ Langsam beruhigte Shippô sich, setzte sich schließlich wieder ins Gras. Yuuna tat es ihm ein paar Meter entfernt gleich. Sie war nun endgültig überzeugt, dass sie einem sehr ungewöhnlichen jungen Kitsune gegenüber saß. Sie kannte ja viele seiner Gattung, aber dieser hier war eindeutig anders. „Gleich drei? Aber so viele Dörfer gibt es hier doch gar nicht“ „Ich komme nicht hier aus dem Süden“, antwortete Shippô. Noch immer gab er sich ein wenig distanziert, wollte nicht zu schnell offen sein. Er glaubte nicht, dass Yuuna irgendetwas gegen ihn unternehmen wollte, aber seine Kindheit nach dem Tod seiner Eltern war bisher sein Eigentum gewesen, kaum einmal hatte er darüber gesprochen.

Da hob er plötzlich den Kopf, lauschte. Ein Wagenzug näherte sich, dämonischer Art, dass zeigten die rotorangenen Augen des Zugpferdes. Plötzlich hielt die Kutsche. Shippô spitzte neugierig die Ohren, konnte so aber noch immer nichts von dem Gespräch verstehen, das im Inneren geführt wurde.
 

„Chichi-ue?“

„Was möchtest du denn?“

„Schau mal, Chichi-ue! Das ist die Miko aus dem Dorf im Tal. Und sie unterhält sich mit einem meiner Mitschüler“

„Ganz Recht. Worauf willst du hinaus, Musume?“

„Ich finde das seltsam. Keiner der anderen würde sich freiwillig und friedlich mit einer Miko unterhalten“

„So wie du dich anhörst, kennst du den dort draußen“

„Tue ich auch. Er ist ein Musterschüler, aber manchmal tut er mir Leid. Zwar ist er beliebt, aber er wirkt manchmal so… anders. Erwachsen, lebenserfahren, verschlossen“

„Er interessiert dich“

„Ja, Chichi-ue. Er ist mir aufgefallen“

„Und nun?“

„Darf ich aussteigen? Ich will wissen, was da los ist“

„Na gut, Musume“

„Danke. Auf Wiedersehen, Chichi-ue. Auf Wiedersehen, Onii-san“
 

Shippô war etwas überrascht, als er sah, wer nach einem Moment aus der Kutsche stieg, sich noch einmal in Richtung des Inneren verneigte und dann langsam auf ihn zu kam.

So wirklich merkte er nicht einmal, dass die Miko sich höflich zurückzog, kaum weniger verwirrt, als in der letzten Nacht. Dieser junge Kitsune war ihr suspekt, aber sie sollte trotzdem nicht länger bleiben.

Dessen Augen lagen derweil auf der Neuangekommenen. „Kyoko!“, sagte er überrascht, ehe er etwas verlegen die Augen niederschlug. „Verzeih. Hallo, Kyoko“, setzte er dann etwas höflicher nach. Sie kannten sich kaum und er gehörte nicht zu ihrem Freundeskreis – sofern sie überhaupt einen hatte. Meist sah man sie bloß allein.

Sie war vor ihm zum Stehen gekommen, kicherte leise. „Schon gut. – Shippô, richtig?“

Er hob den Blick wieder. „Richtig. Sag… woher weißt du das?“

„Du stichst heraus. Wenn man allein ist, kann man gut beobachten“, gab sie offen zurück und setzte sich nun ihm gegenüber ins Gras.

Shippô schmunzelte etwas. „Das stimmt“, bestätigte er langsam und besah sie sich genauer. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kitsune, die rotes oder braunes Haar hatten, so wie er, hatte sie silbrige Haare. Nicht so weißsilbern, wie er es von InuYasha kannte, sondern eine dunklere, kräftigere Farbe. Das war selten und wies – so zumindest der Aberglaube – auf große, magische Macht hin. Dennoch fiel ihm im Moment etwas anderes auf. Der lavendelfarbene Kimono, den sie trug, war sechslagig und sehr edel verziert. „Sag mal, wie kommst du an so einen kostbaren Kimono? So etwas habe ich noch nie gesehen!“

Sie legte etwas den Kopf schief. „Das Ding hier ist gar nichts. Ich habe die oberen beiden Lagen für die Reise schon abgelegt. Ist sonst zu unbequem“, lachte sie, wobei sie etwas an dem tatsächlich recht steif wirkenden Kleidungsstück zupfte.

„Acht Lagen? Dann… dann bist du so etwas wie eine Hime?“

Kyoko sah ihn aus großen Augen an, dann kicherte sie. „Wenn du so willst… ja“
 


 

„Und ihr seid sicher, dass ihr alles habt?“ Prüfend sah Sango zwischen den abreisebereiten Freunden hin und her.

„Keh!“, machte InuYasha. „Natürlich“

Kagome und Kohaku nickten bloß, Kirara piepste zustimmend, während sie geschickt auf der Schulter des jungen Taijiya balancierte.

„Dann… auf Wiedersehen! Und viel Glück“, wünschte Sango freundlich und nahm Kagome zum Abschied nochmal in die Arme. Ihr standen Tränen in den Augen.

„Auf Wiedersehen, Sango-chan“, erwiderte sie und lächelte, als sie sich von ihrer Freundin löste. „Auf Wiedersehen, Miroku. Aiko, Hina, Yamato“ Sie lächelte den restlichen Mitgliedern der Familie zu. Dann beugte sie sich hinab. „Mach keinen Unsinn, Yume!“, bat sie das kleine Baku, das neben Miroku am Boden saß und zu ihr hinaufschaute. Ein entrüsteter Gesichtsausdruck war die einzige Reaktion des Jungtiers, dann wandte Kagome sich um.

„Auf geht’s“, verkündete sich und trat an InuYashas Seite. „Das brauchst du mir nicht zu sagen“, schnappte er, aber seine Augen glänzten. Solche Sprüche meinte er längst nicht immer ernst und außerdem freute er sich, endlich wieder auf Reisen zu gehen. Wer Zeit seines Lebens auf dem Sprung gewesen war – von fünfzig ‚verschlafenen‘ Jahren mal abgesehen – langweilte sich früher oder später, ob er nun den Frieden genoss, oder nicht. Gewöhnen konnte InuYasha sich nicht an das ereignislose Leben im Dorf – das es noch bis vor ein paar Wochen gewesen war.

So spazierte er forsch los, sodass Kagome und Kohaku aufpassen mussten, dass sie hinterher kamen. Sie waren rechts schnell außer Sichtweite des Dorfes verschwunden.
 

„Weißt du, was mir einfällt, Miroku?“, fragte Sango da plötzlich.

„Das da wäre?“

„Rin. Sesshômaru ließ sie in unserer Obhut, weil er annahm, InuYasha würde sie schützen. So sehe ich das wenigstens. Wir werden sie ständig im Auge behalten müssen. Solange InuYasha nicht da ist, sind wir dran, wenn ihr etwas passiert. Und ich mache mir keine Illusionen darüber, was er dann mit uns anstellt“, antwortete die Taijiya und machte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck.

„Allerdings. Da magst du Recht haben“ Miroku hob die Hand und zeigte genau die Fingerhaltung, die Sesshômaru benutzte um seine Energiepeitsche zu rufen. Dabei grinste er schief.

„A Propos. Wo ist sie eigentlich?“

„Na wo wohl? Bei Kaede. Die wollten doch heute Jinenji besuchen“

„Wie hätte ich das vergessen können. Die beiden mögen sich ja unheimlich“, Sango stöhnte gespielt auf.

„Hast Recht. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass Jinenji irgendwann einmal Jaken gerettet hat. So etwas hat sie wenigstens mal erzählt. Und dann noch irgendetwas von Ah-Uhn wäre ein Held und Sesshômaru so toll. Nun, letzteres kennen wir ja“, stimmte Miroku ihr zu.

„Stimmt. Etwas anderes ist für sie ja kaum erwähnenswert. Sie sieht in ihm wirklich eine Lichtgestalt, oder?“

Miroku wechselte seinen Mönchsstab von einer in die andere Hand und sah zum Himmel auf. „Einen Vater. Sie sieht zu ihm auf, als wäre er ihr Vater. Und ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn er sie nicht als seine Tochter oder wenigstens als sein Ziehkind sieht“

„Scheint so, ja. Nun, bei Jinenji kann ihr so schnell nichts geschehen. Er lernt langsam, sich zu verteidigen“

„Ich weiß. Und seine Mutter und Kaede können auch noch ein wenig was ausrichten. Trotzdem müssen wir auf sie Acht geben. Wer weiß, wann InuYasha und die anderen zurückkehren“

Diesmal nickte Sango nur. Was gab es da auch noch hinzuzufügen. Sie sah noch einmal in die Richtung, in die die kleine Reisegruppe verschwunden war. Sie hatte bleiben müssen, wegen der Kleinen und wegen des Dorfes. Aber die Erinnerung an früher kam doch wieder auf. Sie seufzte schwer, spürte sofort, wie sich Mirokus Arm vorsichtig um ihre Schultern legte, sorgsam darauf bedacht, Yamato nicht aufzuwecken, der in seinem Tragetuch schlief. Dankbar lächelte sie den Mönch an, dann wandten beide sich um und kehrten zu ihrer Hütte zurück. Die Zwillinge und Yume taperten ihnen hinterher.
 


 

„He, Krähe, dort ist der Wald. Runter bitte!“, sagte die Stimme, die mitten aus dem Gefieder des schwarzen Vogels zu stammen schien. Myouga hatte sich mal wieder ein fliegendes Transportmittel verschafft, um schneller zu sein. Das Flattertier krächzte auch nur und segelte niedriger, strich knapp über die Baumkronen hinweg.

Mit einem kurzen Dank sprang Myouga ab, suchte nach der Aura, die er zu finden hoffte. In diesem Gewirr war es manchmal nicht leicht, zu finden, was man suchte, vor allem wenn das, was man suchte, ein Baum inmitten des Waldes war. Nun ja, im Grunde kein einfacher Baum, aber sein Ziel war gut darin, sich zu tarnen.

Aber der Flohgeist fühlte die Aura und folgte seinem Gefühl, bis er die uralte Magnolie erreichte, als die sein alter Freund erschien. „Bokuseno! He!“, rief er bereits, als er die Äste des alten Baumes hinab sprang.

„Du weißt schon, dass dein Fliegengewicht kitzelt?“, brummte eine tiefe Stimme, die irgendwie aus dem Baum selbst zu dringen schien.

„Und du weißt schon, dass es unhöflich ist, seinen Gesprächspartner nicht anzugucken“, konterte Myouga ungewohnt trocken. Gegenüber seinen und Oyakata-samas alten Freunden war er meistens ganz anders drauf, als gegenüber InuYasha oder gar Sesshômaru.

Der mit Bokuseno angesprochene nahm sich die Mahnung des Flohgeistes anscheinend zu Herzen, denn auf einmal erschien aus der knorrigen Rinde ein Gesicht, dessen Augen Myouga nun musterten. „Zufrieden?“, wollte die tiefe Stimme wissen.

Der Flohdämon, der auf dem niedrigen Ast eines Nachbarbaumes angekommen war, nun genau auf Höhe von Bokusenos Nase saß, nickte leicht.

„Aber du bist sicher nicht gekommen, um zu plaudern, oder?“

„Nein“, gab Myouga zu, um unaufgefordert fortzufahren: „Sagt dir der Name Kirara noch etwas?“

„Die Nekomata, die die Dämonenjäger beschützt? Und die…“ --- „… einst Midorikos Partnerin war, bevor das Shikon no tama entstand. Ja“, vervollständigte Myouga bestätigend. „Sie lebt nun bei einem der letzten Dämonenjäger dieser Gebiete. Und ist mit InuYasha-sama unterwegs“

„Das hört sich nicht so an, als ob es keine Probleme gibt“, wandte Bokuseno ein.

„Nein, tatsächlich nicht. Kirara fürchtet, dass nach der Zerstörung des Juwels der vier Seelen und des Hakurei-Segens das Gleichgewicht durcheinander gerät. Und im Moment deutet auch alles darauf hin. Du hörtest von den wildgewordenen Oni?“

„Ja. Und ich merke auch, dass das Onibi seit etwas mehr als drei Jahren wieder erstarkt. Manchmal entweichen einzelne Stückchen und diese schwarzen Shinidamachu sind schon ein paar Mal zu schnell zur Stelle gewesen, als ich die Stückchen wieder einfangen könnte“ Er zeigte mit einem Zweig hinauf zu dem dichten Astgeflecht inmitten seiner Krone, worin eine faustgroße, weiße Kristallkugel schwebte, die fortlaufend Flammen zu spucken schien.

„Die schwarzen Shinidamachu sind wieder aufgetaucht? Das heißt, sie könnten schuld sein?“, fragte Myouga aufgeregt nach. Das klang alles andere als gut. Kiraras Gespür schien sie nicht getrogen zu haben.

Bokuseno kratzte sich mit einem dünnen Zweig an der Borken-Stirn, ehe er antwortete: „Wenn sie die Onibi-Stückchen unter den Oni verteilt haben, klar. Aber wer sollte sie befehlen? Jigoku no Ookami ist seit über sechshundert Jahren gebannt und versiegelt. Und seine beiden Artefakte gleich mit“

„Naja, sie könnten genauso gut aus eigenem Antrieb handeln. Akuma – oder Jigoku no Ookami, wie du ihn nennst – hat sie verdorben, aber er hatte nie den absoluten Befehl über sie, oder? Shinidamachu waren noch nie leicht zu beschwören“, gab Myouga zu bedenken. „Aber, das mal beiseite, mir geht es um etwas anderes. Kirara will InuYasha-sama und dessen Freunde dazu kriegen, dass sie die beiden zwiespältigen Artefakte suchen und in Sicherheit bringen. Nur, ich muss zugeben, ich habe nicht viel Ahnung von den Relikten des Gleichgewichts. Geht es dir da besser?“

„Ich habe Ahnung von meinem Dämonenfeuer, da oben“, scherzte Bokuseno trocken und zeigte erneut auf die, weiße Flammen spuckende, Kugel, das Artefakt, das er seit Jahrtausenden hütete, damit es keinen Unsinn anstellte. Im Gegensatz zu seiner nah verwandten Macht, dem Fuchsfeuer, das jedem Kitsune innewohnte, war die Quelle des Dämonenfeuers, oder Onibis, diese Kugel und die war ein böswilliges Artefakt. „Allerdings müsstest auch du noch die Worte der Prophezeiung kennen, die einst beschrieben, bei wem die Federkralle eines Tages wieder auftauchen würde“, wandte der Baumgeist dann ernster ein.

Myouga kratzte sich am Kopf, dann nickte er langsam. „Ja. Hieß es nicht... des Spiegels Illusion wird Hort der gefiederten Kralle sein?“

„Ganz Recht, Myouga. Geh zurück zu InuYasha-sama und sag ihm das. Vielleicht hilft es ihm. – Und… stell ihn mir bei Gelegenheit doch mal vor. Ich habe ihn noch nie leibhaftig zu Gesicht bekommen“ Bokusenos Rinden-Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln, ehe das Gesicht wieder im Stamm verschwand und nur das Erscheinungsbild einer zwar alten aber völlig normalen Magnolie zurück ließ.
 


 

Angesprochener Halbdämon wanderte derweil durch einen etwas entfernten Wald, Kagome an seiner Seite, Kohaku und Kirara hinter sich. Die Reise war bisher friedlich gelaufen und so hing jeder ein bisschen seinen Gedanken nach.

Kirara überlegte sich die Route, denn sie war der Meinung, dass man zuerst schauen sollte, ob das Phönixjuwel tatsächlich noch da war, wo es hingehörte. Immerhin, wenn es das war, dann kannte sie den Weg.

InuYasha und Kagome dagegen gedachten der alten Zeiten, als noch nicht Kohaku, sondern Sango, Miroku und Shippô zu ihrer Gruppe gehört hatten.

„Shippô hat sich verändert“, murmelte Kagome da plötzlich.

InuYasha wandte ihr den Kopf zu. „Wie kommst du da drauf?“

„Ich hab gerade daran gedacht, wie er früher war, auf unseren Reisen. Das ist keine dreieinhalb Jahre her, da war er im Verhalten wirklich noch ein Kind. Wenn ich das richtig abschätze, ist er es altersmäßig immer noch. Aber er benimmt sich nicht mehr so. Als wäre er unglaublich schnell erwachsen geworden“, erklärte Kagome, was sie meinte und pflückte im Vorbeigehen eines der herbstlich verfärbten Ahornblätter ab, drehte es in der Hand.

„Bedenk, was er mitgemacht hat. Kein junger Kitsune erlebt so viel Lebensgefahr, so hat er doch selbst gesagt“

„Ich weiß. Aber während unserer Reisen ist mir das nie großartig aufgefallen. Aber jetzt…“

„Er ist doch jetzt nur noch von seinen Altersgenossen umgeben. Vielleicht fällt es ihm jetzt erst auf, wie anders er ist…“, wandte InuYasha ein, hob auf einmal den Kopf. Er kniff die Augen zusammen, witterte deutlich.

Sofort schob Kagome ihre Gedanken beiseite und griff über die Schulter bereits nach ihrem Bogen. „Was hast du?“ Hinter sich hörte sie, dass auch Kohaku nach seiner Waffe griff.

Doch InuYasha senkte den Blick schon wieder, seine Miene entspannte sich. „Ich weiß nicht…“, murmelte er zögernd, sah starr in die Bäume vor sich. „Du zuckst nicht wegen gar nichts so zusammen“, stellte die junge Miko klar und hielt ihn am Ärmel zurück, als sie stehen blieb.

Der Hanyou ließ die Schultern fallen und drehte sich zu ihr um. „Wenn ich nicht wüsste, dass das nicht sein kann, würde ich sagen, ich hätte Shinidamachu gewittert“, gab er langsam zu Protokoll. Seine Hundeohren zuckten unbehaglich. Das war das erste Mal seit Kagomes Rückkehr, dass – wenn auch nur sehr indirekt – Kikyô angesprochen wurde.

Kagome reagierte aber entgegen seiner Befürchtungen aus anderem Grunde überrascht. „Seelenfänger? Aber wo können die her kommen?“

„Was weiß ich. Und irgendwie roch das gerade zwar wie Shinidamachu, aber andererseits auch wieder nicht. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll“ Er machte eine kurze Pause. „Ach was, vermutlich lässt meine Nase schon nach“

Kagome zog eine Augenbraue hoch. „Deine Nase lässt nach?“, fragte sie etwas verwirrt.

InuYasha drehte sich wieder weg und setzte sich erneut in Bewegung. „Ja meine Nase lässt nach. Hast du nicht gemerkt, wie dunkel es gestern Nacht war?“, erwiderte er patzig.

Die Miko seufzte, als ihr ein Licht aufging. Heute würde Neumond sein. Das war es, was InuYasha meinte. Da hätte sie gut und gerne selbst drauf kommen können. Im Gehen sah sie über die Schulter zurück. „Kirara, kannst du mal hochfliegen und schauen, ob hier irgendwo eine geschützte Lichtung ist? Ich denke, wir sollten langsam Quartier machen“ Die kleine Katze piepste zustimmend, sprang von Kohakus Schulter und verwandelte sich, denn nur ihre große Form ermöglichte es ihr ja, zu fliegen. Dann hob sie mit einem Sprung in die Luft ab, wich einer Baumkrone aus und stieg in den Himmel.

„Warum Rast?“, wollte der junge Taiyija wissen, der das kleine Geheimnis des Halbdämons zwar kannte, aber nicht wusste, wie unliebsam dem dieses Thema war.

InuYasha verspannte sich auch sofort, wollte schon unfreundlich antworten, da ging Kagome im letzten Moment dazwischen. „Weil ich müde bin, Kohaku. Ich bin das lange Wandern nicht mehr gewöhnt. In der Neuzeit musste ich es nie“ Aus dem Augenwinkel erkannte sie, dass InuYasha sich wieder entspannte. Also wandte sie ihm den Blick zu. „Du weißt ja, wie man sich dort fortbewegt, wenn man nicht gerade auf den Hanyô-Express zurückgreifen kann“, scherzte sie und tippte ihm mit dem Ahornblatt auf die Nase. Dass sie damit unter anderem auf ihre beinahe verpasste Aufnahmeprüfung für die Oberschule anspielte, war auch InuYasha klar.

Und endlich schob er seine düsteren Gedanken beiseite und zog sie enger an seine Seite.

Eigentlich konnte er doch glücklich sein.

Frühlingsbeginn

Mit einer schnellen Bewegung schleuderte der junge Kitsune den blauen Feuerball nach vorne weg, sprang zur Seite, als ihn ein Konterangriff beinahe traf.

Ein Kichern war zu hören. „Du bist wirklich schnell!“, rief eine helle Stimme und dunkelsilberne Haare gerieten in sein Blickfeld.

Er sah nach oben, entdeckte das nur wenig ältere Kitsunemädchen auf einem Ast der alten Zierkirsche, mitten zwischen den halb aufgegangenen Blüten. „Das war gemein!“, schimpfte er und legte etwas den Kopf schief.

„Das war höchstens unerwartet. Und außerdem, was willst du eigentlich? Bist doch ausgewichen“

„Ja, knapp“, gab Shippô zurück und sprang hoch um einen niedrigen Ast zu erwischen, zu ihr hinauf zu kommen.

Sie reichte ihm helfend die Hand, die er auch annahm. Böse war er ihr nicht. Zwar hatte sie ihn ziemlich erschreckt, aber in den letzten vier Monaten hatte er gemerkt, dass sie eine gute Freundin sein konnte – und, dass sie ebenso ernst und verständnisvoll sein konnte, wie er es bei seinen Kumpanen manchmal vermisste. Er setzte sich bequemer hin.

„Entschuldige“, sagte sie etwas reumütig. „So etwas weckt Erinnerungen, oder?“, fragte sie dann langsam.

Shippô wiegte den Kopf hin und her. „Auch“, gab er knapp zurück. Als einzige außer dem Leiter der Schule kannte sie inzwischen seine Geschichte, hatte er Vertrauen zu ihr gefasst. Und er wusste, wer sie war. Er konnte sich noch genau erinnern, dass er beinahe umgekippt wäre, als sie ihm erzählt hatte, dass sie nicht nur irgendeine Provinzprinzessin sondern sogar der jüngste Spross der Fürstenfamilie war. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, zumal sie es ihn nicht spüren ließ. Oftmals war sie sogar zuvorkommender und sanfter als viele andere.
 

Er lehnte sich zu ihr hinüber. „Und du brauchst den Überraschungseffekt, um mich auch nur annähernd zu treffen?“, fragte er dann keck und kam damit wieder auf das eigentliche Thema zurück.

Kyoko funkelte ihn an, sprang dann mit einem Ruck auf. „Ich mache dich auch ganz ohne Überraschung fertig, da sei dir mal sicher!“, drohte sie verspielt.

Nun stand auch Shippô auf den Beinen. „Ach, wirklich, Prinzesschen?“, provozierte der junge Kitsune weiter und sprang bereits einen Ast weiter nach oben.

Kyoko schnaufte leise und setzte ihm dann ohne Vorwarnung nach, schubste ihn weiter, sodass der Rothaarige sein Gleichgewicht wieder suchen musste.

„Na warte!“, rief er, als sie an ihm vorbei sprang und weiter nach oben kletterte, folgte ihr auf dem Fuße.

Es begann eine Hetzjagd quer durch die Baumkrone, bei der auch einige Blütenknospen dran glauben mussten. Mal setzte Shippô hinter Kyoko her, mal war es umgekehrt, so wie jetzt.
 

Doch plötzlich quiekte die Fuchsprinzessin erstickt auf.

Shippô verharrte, ohne sich umzudrehen. „Mückenstich?“, fragte er spöttisch, doch es kam keine Antwort, also wirbelte er nun doch herum, riss erschrocken die Augen auf.

Denn um Kyokos Brustkorb schlang sich etwas wie eine diffuse, schwarze Schlange und drückte ihr die Luft ab. Die Silberhaarige konnte nicht mehr schreien, sie keuchte nur noch, im Versuch an Luft zu kommen und das schien nicht das einzige Problem zu sein.

Shippô erwachte wieder aus seiner Erstarrung, als die Schlange versuchte, Kyoko mit sich in die Luft zu zerren, von links bereits ein zweites Exemplar herankam. Instinktiv sammelte er sein Fuchsfeuer in der rechten Hand, schleuderte es Kyokos Angreifer entgegen. Doch noch ehe die blaue Flamme treffen konnte, ging die zweite, schwarze Schlange dazwischen, fing den Angriff ab.

Da fiel Shippô etwas auf. Das waren gar keine richtigen Schlangen, die hatten kleine, insektenartige Beine im vordersten Segment ihres Körpers!

Shippô runzelte die Stirn. Shinidamachu? In schwarz? Für einen kleinen Augenblick war er abgelenkt, und das reichte den Angreifern schon. Im nächsten Augenblick wand sich ein drittes Exemplar auch um Shippôs Körper und drückte ihm so plötzlich und heftig die Luft ab, dass er stürzte.

Dann wurde alles schwarz.
 


 

Hätten Kagome oder auch nur InuYasha von den Vorkommnissen an der Fuchsakademie gewusst, sie wären wohl sofort umgedreht. Egal, ob sie inzwischen weit im Norden waren und die Akademie im tiefsten Süden lag, egal ob sie niemals rechtzeitig gekommen wären.

Aber sie wussten nichts und somit setzten sie ihren Weg in aller Ruhe fort, immer nach Norden, dorthin, wo Kirara sie hinlotste.
 

Seit gut vier Monaten waren sie nun unterwegs, kaum einmal hatten sie länger als über Nacht gerastet und auch Kagome hatte sich wieder an das Wandern gewöhnt.
 

Gerade kletterte sie trotz der noch nicht vom Tag besiegten Dunkelheit über ein paar Felsen, hörte Kiraras Krallen auf dem Stein, als die große Katze mit Kohaku auf dem Rücken folgte. Der junge Taijiya hatte vor zehn Tagen den Biss eines dieser wildgewordenen Oni abbekommen und konnte noch nicht wieder richtig laufen. Kagome war unendlich froh gewesen, dass sie es hier nicht mit echter Tollwut zu tun hatten, sonst hätten sie Kohaku vermutlich abschreiben können. So aber befand er sich bereits auf dem Weg der Besserung.

InuYasha war wie immer ein paar Meter voraus. Jetzt hielt er an, blickte über die Ebene, die mit dünnem Gras bedeckt war, vieles noch vom gerade ausgehenden Winter gelblich verfärbt. „Beinahe gespenstisch, dass diese Oni uns seit geschlagenen zehn Tagen in Ruhe lassen“, spottete er leise, als er beim Luft prüfen wieder nichts aufnahm.

Ihm konnte es Recht sein und auch Kagome wusste, dass er diese Bemerkung keinesfalls bedauernd gemeint hatte. Früher hätte er das vielleicht, aber jetzt nicht mehr. Sie hatten alle gelernt, dass Kämpfen nicht immer das Beste war.

Die junge Miko kam neben ihm zu Stehen, folgte seinem Blick gen Horizont, wo sich Berge erhoben, für ihre menschlichen Augen kaum zu erkennen.

InuYasha musterte die fernen Klippen. Er sagte es nicht, aber er war sich ziemlich sicher, zu wissen, welche Berggebiete das waren, so weit im Norden. Und er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte, oder nicht. Dennoch wollte er keinen Streit provozieren, wandte sich stattdessen nach rechts.

„Es riecht, als würde es später nochmal Schnee geben. Dort unten scheinen Dörfer zu sein“, bemerkte er.

„Das sind gute Nachrichten“, erwiderte die junge Priesterin und zupfte ihr Mikogewand zu Recht. „Ich brauche sowieso neues Verbandsmaterial. Kohakus Verband sollte mal wieder gewechselt werden“, fügte sie leiser hinzu. Sie wusste, dass Sangos Bruder es nicht mochte, wenn sie sich Sorgen um ihn machte. Aber sie sah sich Sango gegenüber verpflichtet, auf Kohaku Acht zu geben. Egal, wie eigenständig der junge Dämonenjäger sonst lebte, man musste es ja nicht übertreiben.

InuYasha, der sowohl Kagomes, als auch Kohakus Standpunkt nachvollziehen konnte, nickte auch nur; für seine Verhältnisse sehr sensibel.

Dann sah er sich um.

„Komm, Kagome. Es wird so schnell noch nicht hell“, bemerke er und streckte einen Arm aus. Die junge Miko verstand und kletterte geschickt auf seinen Rücken. So würden sie weitaus schneller sein. Kirara würde schon mithalten.
 


 

Mit einem dumpfen Aufprall setzte der zweiköpfige Reitdrache auf dem Boden auf, trottete auf eine kurze Aufforderung hin näher an das Schloss heran, dass sich vor ihm und seinem Reiter erhob.

Mit einem Satz war Sesshômaru aus dem Sattel, ging auf die Wachen zu, die dienstbeflissen ihre Yaris kreuzten, ehe sie in ihm einen Fürsten erkannten. Sofort verneigten sich beide tief, ehe einer zu sprechen wagte. „Was wünscht Ihr, Herr?“, fragte er unterwürfig.

„Ich will die Fürsten sprechen“, erwiderte Sesshômaru kühl und blieb stehen, als eine der Wachen sofort lossprintete, um seine Ankunft zu melden. Die andere Wache hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet, behielt aber den Blick gesenkt.

Da kam dessen Kollege schon wieder, eine rothaarige Gestalt im minzgrün und magentafarben gemusterten Kimono hinter sich. Das kindliche Gesicht jener Gestalt wirkte alles andere als überrascht, als sie Sesshômaru erkannte. Knapp verneigte Shunran sich. „Bitte folgt mir, Fürst Sesshômaru“, bat sie.

Der Weißhaarige setzte sich, ohne ein Wort, in Bewegung, ließ sich von der Jüngsten der Panthergeschwister durch die verwinkelten Gänge des Schlosses führen, bis zum Thronsaal, sicher, dass Ah-Uhn versorgt werden würde. Diener öffneten sofort die dunklen Flügeltüren. An der Stirnseite waren vier kostbare Sessel aufgestellt, vor denen bereits die anderen drei Panther standen, nun wieder in ihrer üblichen Aufmachung, die schwere, kostbare Staatsrobe, die sie auf dem Fürstentreffen getragen hatten, wäre hier unpassend gewesen.

Shunran gesellte sich zu ihren Geschwistern.

Dem Rang nach verneigten sie sich kurz, dann trat Tôran vor, während die anderen drei sich setzten.

Sesshômaru verdrehte innerlich die Augen, als die türkishaarige Pantherdämonin sich ein keckes Blinzeln nicht verkneifen konnte, ehe sie höfisch ernst wurde. Das diese Katze es aber auch nicht kapierte. Er wollte noch keine Gefährtin und wenn, dann sicher nicht sie.

Mit einem Nicken gab er die Begrüßung zurück.

„Womit können wir dienen, Fürst Sesshômaru?“, wollte sie dann wissen.

„Ich bin wegen der Inseln hier, die auf dem Jahrhunderttreffen angesprochen wurden“, antwortete der Hundedämon gelassen.

„Ach, sieh an, das Hündchen tanzt nach Gins Pfeife!“, spottete Karan impulsiv wie sie war, aus dem Hintergrund.

Noch ehe Tôran herumwirbeln und ihre Schwester schelten konnte, konterte Sesshômaru gewohnt kühl: „Ich habe es nicht nötig, jemandem zu gehorchen und sei es auch Fürst Gin. Dennoch habe ich eine Frage an euch“ Und damit wandte er sich wieder an alle. „Tôran, Shuran-san, ihr habt während der Versammlung ein Verhalten gezeigt, dass mich vermuten lässt, ihr wüsstet mehr, als ihr zugebt. Besonders, was den Bannkreis betrifft, der gezogen werden müsste. Also?“ Die letzte Frage war so scharf gesprochen, dass nicht einmal Karan auf die Idee kam, sich über die Konjunktivform in Sesshômarus Worten zu mokieren.

Stattdessen wechselten die vier Geschwister einen schnellen Blick.

Der Weißhaarige beobachtete das mit ungerührter Miene, sah sich aber bestätigt. Da war etwas im Busch. „Nun?“, fragte er schließlich in die entstandene Stille hinein.

„Nun, es gibt Dinge, die sind selbst für uns nunmehr nur Legenden. Wenn man seit Jahrzehnten nichts mehr von ihnen hörte“, antwortete Shuran schließlich bedachtsam und winkte seine Schwester zurück zu sich. Auch Tôran setzte sich nun auf ihren Thron.

„Von welchen Legenden sprecht Ihr?“ Gegenüber dem ranghöchsten, männlichen Panther, der auch außerhalb des Neko-Clans der Anführer gewesen wäre, wurde der Hundedämon merklich höflicher.

Shunran neigte etwas den Kopf zur Seite. „Hörtet Ihr je von der Sekai no Tia?“, fragte er langsam.

„Durchaus“, antwortete Sesshômaru, ohne sonstige Regung. Natürlich kam ihm dieser Begriff bekannt vor, schließlich hatte auch er bei Hofe Unterricht genossen.

„Was wisst Ihr darüber?“, wollte Shunran vorsichtig wissen. Die Undurchschaubarkeit des jungen Hundefürsten war geradezu legendär.

„Es ist eines der dreizehn Artefakte des magischen Gleichgewichts. Nun, jetzt noch, der elf Artefakte. Und Ihr Katzen hattet immer mehr damit zu tun, als alle anderen Clans“, gab Sesshômaru kühl an.

Aus dem Augenwinkel sah er, dass Karan bereits tief Luft holte um sich wieder einmal über die Betitelung ‚Katze‘ aufzuregen, also richtete sich vorsorglich sein eisiger Blick in ihre Richtung. Sofort verstummte die gluthaarige Pantherdämonin.

„Ist es, Sesshômaru. Tatsache ist, dass es mit das Jüngste der Artefakte ist, abgesehen von den beiden nun zerstörten. Und als es entstand, war es im Besitz unserer Familie, genauer gesagt unserer Mutter“, erklärte Shunran derweil weiter.

„Der Urkönigin der Pantherdämonen“, stellte Sesshômaru fest und bewies damit, dass er sich in den Regeln der Katzen genug auskannte, um zu wissen, dass die yôkitechnisch stärkste Dämonin aller Zeiten die Urkönigin des jeweiligen Unterclans genannt wurde. Und Kuraiko war eine Legende. „Weiter“, befahl er dann, in die Stille hinein.

„Als wir vier die Herrschaft übernahmen, zog sie sich zurück, schottete sich von allem ab. Fast niemand weiß seit dem mehr etwas über ihren Zustand. Denn die Tia nahm sie mit“

„Fast niemand“ Sesshômaru konzentrierte sich auf das für ihn wesentliche. Denn ihm war wieder eingefallen, was seine Lehrer ihm über die Fähigkeit der Sekai no Tia erzählt hatten. Und das wäre in der Tat eine Möglichkeit, Fürst Shous Vorschlag zu verwirklichen.

„Es weiß niemand, aber es gibt jemanden, der eventuell in der Lage wäre, es in Erfahrung zu bringen“, wich Tôran vorsichtig aus, blickte hilfesuchend zu ihrem Bruder, doch der zuckte nur die Schultern.

„Du meinst wirklich, Itoko Natsu würde noch Gehör finden?“, mischte sich Karan ein.

„Nach Vaters Tod war sie die erste und letzte, die es tat“, stellte Tôran klar, ehe sie einen der Diener heran rief, in deutlichem Wissen, was Sesshômarus nunmehriger Blick bedeutete. „Schickt Natsu-hime zu uns!“, trug sie dem jungen Yôkai auf. Sofort huschte er davon.
 

Minuten später waren Schritte zu hören, fast lautlos schwang eine Flügeltür seitlich des Haupteingangs zum Thronsaal auf.

Sesshômaru drehte fast unmerklich den Kopf, wartete aber, bis die neuangekommene Gestalt näher kam.

Sie trug einen feinen, schwarzen Kimono, mit weißer stilisierter Applikation in Form einer Raubkatzen-Silhouette an der Seite. Schwarze Haare fielen bis über die Hüfte hinab, waren zu einem dicken Zopf geflochten, in dem eine dünnere, meeresgrüne Strähne deutlich herausstach. Der Obi war dunkelgrün, den Kopf hielt sie halb gesenkt, wie es üblich war. Ihre Bewegungen waren weich und katzenhaft elegant, wie es nur die Neko vermochten. Gegenüber den eher bunt gekleideten, fürstlichen Geschwistern wirkte sie angenehm schlicht und zurückhaltend.

Ihr Gesicht konnte er aber nicht erkennen, da sie ihm nun den Rücken zuwandte und die vier Geschwister begrüßte. Karan hatte diese Yôkai als Cousine bezeichnet, aber die extrem dicken Haare ließen in ihr eine andere Unterart der Neko vermuten, anscheinend war der Verwandtschaftsgrad doch niedriger, als er bei Karans Bemerkung angenommen hatte.

Jetzt drehte sie sich zu ihm um, verbeugte sich tief und sah dann auf.

Und Sesshômaru musste sich sehr zusammennehmen, ihren Blick zu erwidern. Schmale, glitzernde Raubtieraugen in einer einnehmenden Mischung aus Silber und Grün bohrten sich in seine bernsteinfarbenen Augen und machten alle Schlichtheit zu Nichte, die ihre Aufmachung zuvor ausgestrahlt hatte. Damit hatte er nicht gerechnet.

Dennoch erwiderte er höflich die Verbeugung, wenn auch deutlich weniger tief, als sie. Sein Gesicht blieb mühsam unbewegt.

Für sich musste er jedoch zugeben, dass er einer überraschenden Schönheit gegenüber stand.
 


 

Als Shippô wieder zu sich kam, schmerzte seine Lunge noch immer. Aber er konnte wieder atmen. Tot war er also nicht.

Aber da muss schon Schlimmeres kommen, als ein paar Seelenfänger mit Drossel-Genen…, scherzte er bitter und öffnete vorsichtig die Augen.

Er spürte feinen Seidenstoff neben sich und blickte zur Seite. Dort lag Kyoko, Fesseln um Hand- und Fußgelenke. „Kyoko! He!“, flüsterte Shippô leise, wollte sie anstupsen, als er merkte, dass auch er gefesselt worden war, in der gleichen Weise.

Aber eine Berührung war auch nicht nötig, die Augenlider der silberhaarigen Kitsune flatterten etwas, sie öffnete schwach die Augen. „Was ist… geschehen?“, fragte sie mit matter Stimme.

Shippô begann, sich Sorgen um ihren Zustand zu machen, versuchte jedoch, das nicht zu zeigen. „Erinnerst du dich an diese schwarzen Viecher? Sie scheinen uns mitgenommen zu haben. Wir sind in einen Käfig gesperrt worden. Wir müssen hier raus“, erklärte er bemüht ruhig die Lage, sah, wie die etwas Ältere auf seine erste Frage leicht nickte, nun versuchte sich aufzurichten. Wegen seiner Fesseln, konnte er ihr nicht helfen. Aber ihm kam eine andere Idee. „Kannst du dich mit dem Rücken etwas zu mir drehen?“, fragte er nach.

Kyoko nickte, rutschte mühsam herum. Irgendetwas schien ihr die Kraft geraubt zu haben, denn Shippô fühlte sich bei weitem nicht so entkräftet, wie sie wirkte. Vorsichtig ballte Shippô eine Hand zur Faust, konzentrierte darin sein Fuchsfeuer. Konzentriert schickte er mehr Yôki in die Flamme, bis sie sich aufheizte, wie echtes Feuer brannte. Dann öffnete er die Finger etwas und berührte damit Kyokos Fesseln. Es dauerte nicht lange und die Kordel war durch.

„Danke!“, Kyoko zog ihre Arme nach vorne und rieb sich etwas die Handgelenke, dann rief sie ihr eigenes Fuchsfeuer und entfernte ihre Fußfesseln.

Ehe Shippô darum bitten konnte, machte sie bei seinen Fesseln weiter. Der junge Kitsune war mehr als erleichtert, kam erst jetzt dazu, sich richtig aufzurichten. Um sie herum war grüne Einöde, das Wetter war bewölkt, aber einigermaßen warm, dennoch spürte er ein unangenehmes Kribbeln. Fremde Magie. Und sie lag wie ein Mantel in allen Richtungen ganz in seiner Nähe.

Auch Kyoko betrachtete die nähere Umgebung eingehend, streckte dann vorsichtig die Hand aus, berührte die Gitterstäbe um sich herum jedoch nicht. „Das ist es. Die Magie liegt auf den Gittern. Damit wir nicht ausbrechen können“, murmelte sie leise, schloss kurz die Augen und rieb sich über die Stirn. Sie fühlte sich noch immer so kraftlos.

„Diese schwarzen Viecher haben mir vorhin einiges an Yôki abgezogen. Ich war noch nie schnell beim Regenerieren“, sagte sie, als sie Shippôs fragenden Blick in der Seite spürte. Sie hob den Kopf wieder. „Trotzdem. Du hast Recht, Shippô. Wir müssen hier raus. Sonst bekommen die Lehrer noch Probleme. Mein Vater, du verstehst?“, fügte sie dann hinzu. Sie begutachtete die Gitter noch einmal genauer. Die bestanden nur aus Astgeflecht, aber durch die Magie konnten sie sie nicht einfach durchbrechen. In wahrer Form wären sie stark genug, aber erstens war sie sich nicht sicher, ob Shippô jemals gelernt hatte diese anzunehmen und zweitens würde es zu viel Yôki kosten. Yôki, das sie noch nicht wieder hatte. Und sie verspürte wirklich keine Lust, hier noch Stunden herumzusitzen. Wer wusste überhaupt, wo sie waren.

Langsam stand Shippô etwas auf, kniete sich hin. Er hatte ihre Gedanken zwar nicht mitbekommen, allerdings ähnliche Schlüsse gezogen. „Ich weiß etwas, was mich wenig und dich gar kein Yôki kostet. Diese Illusion hat mich früher schon oft gerettet. Komm her“, sagte er, worauf das junge Fuchsmädchen ihn kurz schräg ansah, dann jedoch gehorchte. Vorsichtig rutschte sie hinter ihn, legte die Hände auf seine Schultern. „Achtung, fertig, los“, flüsterte Shippô, sammelte seine Gedanken und verwandelte sich. Der schmächtige Körper des jungen Fuchses wurde zu einem riesigen, rosaroten Ball, die Gitterstäbe, Magie hin oder her, barsten unter der Belastung, die die für den Käfig nun viel zu große Gestalt verursachte und Shippô schwebte langsam Richtung Himmel.

Kyoko kniete auf seinem Rücken und machte große Augen. „Wo hast du das denn her?“, fragte sie erstaunt.

„Keine Ahnung. Irgendwann habe ich mich mal durch Zufall so verwandelt. Und seitdem hat das oft geholfen“, antwortete er und schwebte noch etwas höher.

Kyoko lachte leise. „Sachen machst du“, kicherte sie, ließ dann den Blick schweifen. „Ich glaube wir sind irgendwo im Norden der Neko-Gebiete. – Achtung, Shippô, nach links. Da sind wieder diese Schlangen!“

Sofort änderte Shippô die Richtung. „Shinidamachu“, korrigierte er, als keine weitere Anweisung des Fuchsmädchens kam.

„Was?“

„Das sind Shinidamachu, Seelenfänger. Keine Schlangen“

„Seelenfänger? Woher kennst du Seelenfänger?“, fragte sie weiter. „Ich habe dir doch von der Miko erzählt, von der Untoten. Sie befahl über Seelenfänger. Allerdings weiße“ Er trudelte etwas. „Achtung, ich muss runter“, warnte er vor und ließ sich absinken. Am Boden verwandelte er sich wieder zurück.

„Danke für die Rettung, Shippô!“, rief Kyoko aus und auf einmal legte sie erneut ihre Hände auf seine Schultern, beugte sich vor und gab ihm einen raschen Kuss auf die Wange.

In plötzlicher Verlegenheit sah Shippô zu Boden. „Nicht der Rede wert…“, murmelte er und knetete ein wenig seine Hände.

Um abzulenken, sah er sich um. „Tja, jetzt müssen wir nur noch wieder zurück nach Hause finden…!“

Abschied und Wiedersehen

Da vorne ist eines der Dörfer, InuYasha!“, rief Kagome.

„Ich weiß“, erwiderte der Hanyou bloß. Als ob er das nicht selbst mitbekommen hätte.

„InuYasha!“, wiederholte Kagome da, mit mahnender Stimme. Erst jetzt verstand er, worauf sie hinaus wollte. „Schon gut“, brummte er und kam zum Stehen.

Die junge Miko rutschte von seinem Rücken und zog sich ihr Gewand zu Recht. Dann stapfte sie an dem Halbdämon vorbei, Richtung Dorf.
 

Es dauerte nicht lange, bis sie bemerkt wurde, zwei Bauern kamen heran. „Was wünscht Ihr, Miko-sama?“, wollte einer wissen.

„Ich bitte um Unterkunft für mich und meine Begleitung“, gab Kagome freundlich zurück und verbeugte sich höflich. Inzwischen war ein Dritter heran gekommen, die etwas ordentlichere Kleidung sprach dafür, dass es sich um den Dorfvorsteher handeln musste.

„Eure Begleitung?“, mischte der sich ein.

Kagome wies mit einer Handbewegung nach hinten. Dort kam InuYasha heran, die Hand auf Kiraras Nacken gelegt, als würde er sie führen, Kohaku ritt nach wie vor auf der Nekomata. Kagome konnte deutlich spüren, wie erschrocken die drei Männer vor ihr waren, sich aber offenbar zusammenrissen.

„Es geht mich sicher nichts an, Miko-sama, aber meint Ihr, dies ist die richtige Begleitung für eine Priesterin?“, fragte der Dorfvorsteher vorsichtig.

Kagome setzte ein feines Lächeln auf. „Ungewöhnlich sind sie sicherlich. Aber sie sind weder gefährlich noch ungeeignet als Begleitung“, antwortete sie, die gleichen Worte, die sie immer wählte.

Der Dorfvorsteher nickte nun, sah aber etwas skeptisch zu, wie Kohaku von Kirara abstieg. Als er das verletzte Bein aufsetzte, knickte es kurz weg. Sofort packte InuYasha ihn am Arm und hielt ihn fest. Der junge Taijiya dankte knapp, auch wenn es ihm nicht gefiel, so hilflos da zustehen. Solange er verletzt war, musste er es annehmen. Kirara hatte sich inzwischen in ihre kleine Form verwandelt, in der sie weniger beängstigend, als bloß niedlich wirkte. Das schien die Dorfleute nun endgültig zu überzeugen. „Nun gut. Dann kommt, Miko-sama. Wünscht ihr sonst noch etwas?“

„Verbandszeug wäre gut. Ich sollte Kohakus Bein neu verbinden“, gab Kagome zurück und zeigte auf den jungen Taijiya, der etwas humpelnd folgte.
 

Gemeinsam ging die kleine Gruppe Richtung Dorfplatz. „Wenn ich fragen darf, Miko-sama, er ist nicht etwa Euer Sohn?“, fragte der Dorfvorsteher.

Kagome grinste leicht. Dann hätte sie ja mit drei Jahren Mutter werden müssen. Aber sie wusste, dass viele Menschen InuYasha auf den ersten Blick für einen Dämon hielten und somit schlossen, Kagome sei mit ihrer Familie unterwegs. „Nein. Er ist der kleine Bruder einer guten Freundin“, antwortete sie daher wahrheitsgemäß, da der junge Dämonenjäger wie immer schon etwas skeptisch guckte.

Er kannte von Sango die Geschichten über Mirokus Lügenmärchen und hatte schon oft überlegt, ob Kagome etwa in die Fußstapfen seines Schwagers treten wollte. Zum Glück tat sie es nie. Wäre ja auch noch schöner gewesen.

Der Dorfvorsteher führte sie inzwischen in eine Hütte direkt am Dorfplatz, offenbar die seiner eigenen Familie. Neben der Tür spielten zwei Jungen von vielleicht fünf und sieben Jahren, beachteten die Besucher reichlich wenig. „Macht es euch bequem. Ich werde jemanden anweisen, Verbandsmaterial zu bringen“, bat der Dorfvorsteher.

Kagome nickte bloß, machte sich jedoch ihre Gedanken über seine Worte. Er hatte weder nach einer, seiner Frau gerufen, noch jemanden dieses Standes erwähnt. War er allein mit den Jungen? Ein seltener Anblick. Aber sie war höflich genug, nicht darauf einzugehen. Kohaku hatte sich inzwischen an die Wand gesetzt, also legte Kagome ihren Bogen und den Pfeilköcher beiseite und kniete sich neben Sangos Bruder, wartete auf die Rückkehr des Dorfvorstehers.

InuYasha setzte sich neben sie, eine Hand auf ihrer Schulter, verhielt sich jedoch ruhig. Inzwischen kannte er sie gut genug, um zu wissen, dass sie ungnädig werden konnte, wenn er sie nicht erst ihre Pflichten erledigen ließ. Und momentan hieß ihre Pflicht, Kohaku zu versorgen.
 

Doch plötzlich verspannte er sich, hob den Kopf um zu wittern. War da nicht eben etwas gewesen?

Er erhob sich, witterte erneut. Ja, doch, da war etwas.

„Kagome?“, fragte er leise. „Ich fürchte, das Dorf wird angegriffen…“
 


 

Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob die junge Löwendämonin sich, griff die Schriftrolle und verzog sich tiefer in die Höhle, wo Tamoko war. Es wurde Zeit, dass sie zeigte, ob sie den Inhalt der Schrift verstanden hatte.
 

Doch plötzlich hielt sie inne. Was war denn das gewesen? Flackerndes Yôki? Und von vielen Wesen auf einem Haufen? Tamoko hatte ihr erzählt, dass die Fürsten davon viel auf dem Fürstentreffen gehört hatten, aber hier in diesen Gebieten war dieses Phänomen noch nicht aufgetaucht.

Sie wirbelte herum, als neben ihr eine Stimme zu hören war, die sie gut kannte: „Nun sind sie also hier“ Tamokos Stimme klang ruhig und weise, so wie immer. Die alte TigerYôkai stand auf einmal direkt neben Amaya, die Augen leicht zusammengekniffen. Dennoch, ein wenig Unruhe strahlte ihre Aura aus und Amaya wusste genau, wieso. Tamoko hatte nie gut gekämpft. Und jetzt fürchtete sie die Konfrontation, auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen wollte.

Die junge Löwendämonin griff in den weiten Ärmel ihres Kimono, holte die drei Wurfmesser heraus, die sie dort verstaut hatte. Dabei stand sie mit dem Rücken zu Tamoko, denn sie wusste, dass ihre Mentorin es nicht gern sah, wenn sie die Waffen hier mithatte. Bisher war es auch nicht nötig gewesen, nie hatte jemand gewagt, die Höhlen der Schamanen anzugreifen. Amaya schloss die Augen um genauer zu fühlen. Das ‚Nie‘ war jetzt dahin. Sie wurden angegriffen. Weitere Schamanen aller Nekoarten hatten sich nun um sie versammelt, alle vor Tamoko, schirmten ihr Oberhaupt ab, gegen die Gefahr, die sie bisher nur spürten und nicht sahen.
 

Dann ging alles sehr schnell. Binnen Sekunden wimmelte der Eingangsbereich der Höhle vor niederen Oni, jeder musste nun zusehen, wie er selbst heil wieder aus der Sache heraus kam. Auch Amaya dachte nicht weiter nach, als sie eines ihrer Wurfmesser einem Wurmdämonen in den Rachen warf, sich gerade noch rechtzeitig zur Seite warf, ehe eine Art Schlangenwolf sie an die Höhlenwand quetschen konnte.

Das zweite Wurfmesser nutzt sie als Dolch und schlitzte ihrem Angreifer die Kehle auf. Dann rannte sie weiter, versuchte nach draußen zu kommen um Alarm zu schlagen, nutzte ihre Klauen und die beiden verbliebenen Messer um sich den Weg freizumachen. Hinter ihr, rechts und links von ihr kämpften ihre Kollegen, mehr schlecht als recht, die wenigsten Schamanen bekamen eine Kampfausbildung. Gerade noch wich sie dem Angriff einer hellgrünen Echse aus, schlug sie zurück und schleuderte ihr zweites Wurfmesser gegen eine andere. Das nahm ja gar kein Ende!

Plötzlich roch sie die Witterung eines Katzenverwandten, wandte sich sofort in die Richtung. War etwa eine Katze unter den Angreifern? Da entdeckte sie die feuerrote, annähernd löwenartige Gestalt – und die beiden schwarzen Schlagen, die sich um dessen Hals wanden, es offenbar unter ihre Dienste zwangen. Sie pulsierten unter dem blauen Licht des Yôki. Sie ziehen es ihm ab… kontrollieren ihn!

Ohne weiter nachzudenken, übertrug Amaya ein bisschen ihren Yôkis, ihrer Magie, auf ihr letztes Wurfmesser, schleuderte es auf die Schlangen. Es bohrte sich in die diffusen, schwarzen Körper – und löste sie auf.

Das Messer fiel scheppernd auf den Fels und auch der Löwe sank zu Boden. Seine Gestalt verschwamm, dann lag eine überraschend junge, männliche Gestalt dort, in der Kleidung eines freien Reisenden. Amaya kam heran, klaubte ihr Messer auf und beugte sich zu dem jungen Mann herab. Sie wagte nicht, nach seinem Befinden zu fragen, er sah zu schwach aus, blutete aus vielen Wunden und ihr Messer hatte seinen Hals aufgeschrammt. Er würde nicht mehr lange leben.

Doch plötzlich vernahm sie die stockende Stimme: „Hüte… hüte dich vor den verd-dorbenen Seelenfängern! Der… der Höllen…wolf ist gebannt, doch niemand… reinigte sie…“ Er keuchte auf, ein Zittern durchlief seinen zerfetzten Körper, dann lag er still da. Amaya machte sich nicht die Mühe es nachzuprüfen. Der war tot. Sie hatte ihn zu spät befreit. So drehte sie sich um.

Keiner der niederen Oni mehr weit und breit.

Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass der Kampf vorbei war.

Zwei der anderen Schamanen kamen auf sie zu, beides Luchsdämonen. Doch obwohl sie einigermaßen unverletzt wirkten, waren ihre Gesichter voller Entsetzen. Ein Schauer lief Amaya über den Rücken, als sie den Blick der beiden auffing. „Nein…“, hauchte sie erschrocken und sprintete an den beiden vorbei. Das darf nicht sein… Tamoko!

Innerlich schrie sie, doch kein Wort kam über ihre Lippen. Da entdeckte sie die anderen Schamanen, alle knieten sie um den zusammengesunkenen Körper der alten Torayôkai. Amaya kniff vor Schmerz die Augen zusammen, als sie sich aus dem Lauf auf die Knie sinken ließ, direkt neben Tamokos Kopf.

Ihre Mentorin wandte den Kopf, ein feiner Blutfaden rann aus ihren Mundwinkel, offenbar war sie innerlich verletzt worden. Die schwarzen Tigerstreifen auf ihrer Stirn waren durch Rote aus Blut ergänzt worden, sie sah geschwächt und doch seltsam ruhig aus. Und obwohl Amaya es ebenso wie bei dem Reisenden eben spürte, hier wollte sie es nicht wahrhaben. Es durfte nicht schon zu Ende gehen! Ihr Blick war fest auf die Ältere gerichtet, sie brachte kein Wort heraus. Auch Tamoko sprach nicht, sie sah nur jeden einzelnen der ihr unterstellten Schamanen durchdringend an, dann richteten sich ihre blass gewordenen, gelben Iriden auf ihre jüngste und doch hochrangigste Schülerin. „Es ist gut… du… weißt, was du tun musst…“, flüsterte die Tora-Yôkai, dann atmete sie noch einmal tief aus – und nicht wieder ein.

Amaya unterdrückte ein Schluchzen und hob zittern die Hand um Tamokos Augen zu schließen. „Ja, ich weiß, was zu tun ist…“, flüsterte sie erstickt und löste in der gleichen Bewegung den Knoten, der das Regenbogentuch an Tamokos Hals fixiert hatte, zog es unter dem toten Körper hervor.

Dann erhob sie sich, trat an den anderen Schamanen vorbei, zurück Richtung Höhleneingang.

Kaum strich ihr die kühle Luft um die Nase, hielt sie die Tränen nicht mehr zurück. Das magische Tuch in den Fingern, stand sie einfach da, ließ den Tränen freien Lauf.

Tot…tot…tot… hämmerte es in ihrem Kopf. Tamoko, ihre Mentorin und mütterliche Freundin war tot. Und das weit vor der Zeit…
 


 

Gerade als InuYasha die Hütte verlassen wollte, die Hand bereits an Tessaiga, flog die Reisstrohmatte zur Seite und eine ältere Frau stürzte beinahe in ihn hinein. „Miko-san!“, rief sie, ehe sie bemerkte, dass keine Miko mehr im Raum war. Erschrocken sah sie sich um, musterte dann vorsichtig den Halbdämon, der mit halb gezogenem Schwert vor ihr stand.

InuYasha brummte missmutig. „Kagome ist schon draußen. Und ich würde jetzt auch ganz gerne, sonst könnt ihr euer Dorf nämlich vergessen. Wir kennen diese Art Dämonen, die lassen sich nicht einfach verscheuchen“, sagte er rasch, sodass die alte Frau, deren Kleidung sie als die dorfeigene Miko auswies, mehr reflexartig beiseitetrat.

Doch noch ehe InuYasha aus der Tür war, hielt ihre Stimme ihn erneut auf. „Und der Junge?“

Der Hanyou verdrehte die Augen, seine Ohren zuckten, als er von draußen das erste Losschnellen der Pfeilsehne vernahm. „Kirara passt schon auf“, erwiderte er und blickte kurz über die Schulter zurück.

Die alte Miko runzelte skeptisch die Stirn, während sie die kleine Katze betrachtete.

InuYashas genervter Laut war diesmal deutlicher zu vernehmen. „Kirara!“, sagte er eindringlich, ehe er hinausstürmte, diesmal ohne sich noch einmal aufhalten zu lassen. Die Nekomata hatte ohnehin verstanden, eine Feuerlohe stieg um sie auf, als sie in ihre weit wehrhaftere, große Form wechselte. Die alte Dame taumelte zwei Schritte zurück, atmete dann tief durch und schüttelte den Kopf. Da sollte nochmal jemand sagen, in ihrem Alter habe man schon alles gesehen.
 

Der Hanyou war inzwischen endlich draußen angekommen, hatte zu Kagome aufgeholt, die an vorderster Front zwischen den Dorfleuten stand, die sich verzweifelt zu verteidigen versuchten. Ihre Pfeile rissen immer wieder breite Schneisen in die Dämonenhorde vor ihren Nasen, aber wie es schon von Narakus Untertanen seinerzeit gewohnt waren, rückten an deren Stelle sofort gefühlt doppelt so viele nach. Es nahm kein Ende.

Also zog InuYasha alle Register. Mit einem Satz war er über die Verteidigungslinie hinweg, ein paar Schritte schräg vor Kagome, sein Schwert noch im Sprung gezogen. „Kagome!“, brüllte er gegen das Gezeter der Oni an und schwang etwas seine Klinge herum.

Die junge Miko verstand. „Jetzt!“, schrie sie zurück und ihr Pfeil sauste grell leuchtend knapp an ihm vorbei, Sekundenbruchteile später schloss sich ihm InuYashas Windnarbe an, der kombinierte Angriff räumte ordentlich auf, endlich lichtete sich die Dämonenwolke.

Doch plötzlich witterte er etwas. „Kagome!“ Diesmal klang sein Ruf erschrocken, sodass sie sofort herumwirbelte, jedoch nur noch erkennen konnte, dass ein schattenhafter Oni den Dorfbewohner direkt hinter ihr mit einem Klauenhieb zerfleischte und dann auf sie losgehen wollte.

Noch ehe sie reagieren oder gar InuYasha bei ihr sein konnte, spürte sie Stoff gegen ihre Schulter klatschen und eine schlanke Gestalt sprang zwischen sie und den Angreifer. „Kage no Kisu!“ erklang eine hallende Mädchenstimme und Schatten, die sich um ihre Hände gebildet hatten, flogen auf den Oni zu, hefteten sich an seinen Körper und lösten ihn an diesen Stellen auf, sodass er leblos zu Boden fiel. Gefahr gebannt.

Die Unbekannte sprang etwas zur Seite und mischte sich endgültig in den Kampf ein, zu dritt lösten sie die Linie Oni, die ihnen in den Rücken hatte fallen wollen, in Sekundenschnelle auf.

Noch einmal witterte InuYasha prüfend, dann wagte er sich zu entspannen, sein Schwert hielt er locker in der Hand. Kagome hatte ihren Bogen wieder über die Schulter gehängt und die Unbekannte stand halb mit dem Rücken zu ihnen da, rührte sich nicht. Den Dorfbewohnern schienen sie im Moment ziemlich egal zu sein, kaum war die unmittelbare Gefahr vorbei, kümmerten sie sich nur noch um die beiden Todesopfer und nicht mehr um die drei Kämpfer, die weitere Opfer verhindert hatten.
 

Schließlich raffte Kagome sich auf. „Wer bist du? Ich möchte dir danken“, sprach sie ihre Retterin an, sodass die den Kopf wandte. Das fein geschnittene Gesicht einer Jugendlichen, scheinbar ein gutes Stück jünger als Kagome, blickte sie an, weiße Haare mit violettem Stich und deutlich amethystfarbene Augen zeugten von der Unmenschlichkeit, mit der sie schon gerechnet hatte. Eine Dämonin? Aber es fehlten die spitzen Ohren, jegliche Gesichtszeichnung. Die Fremde sah sie einfach nur an.

„Kagome, lass es. Das bringt doch nichts“, mischte sich InuYasha schließlich ungeduldig ein, als die Unbekannte weiterhin nichts sagte.

Da plötzlich erhob sie doch ihre Stimme. „Ka-go-me…“, wiederholte sie leise den Namen, als würde sie nachdenken. Dann wanderte der violette Blick zu dem Hanyou. „InuYasha…“, flüsterte die Stimme.

Der Halbdämon zuckte mit den Ohren. „Woher…“, begann er, doch die Fremde schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. Langsam kam sie auf ihn zu und InuYasha war viel zu perplex von ihrer seltsamen Art um Tessaiga wegzunehmen, ehe sie zwei Finger auf die Klinge legte und halb die Augen schloss. Augenblicklich begann das Metall feuerrot zu glühen.

„Keh!“, machte InuYasha überrascht, während Kagome die Augen aufriss. Sie musterte ihre Retterin noch einmal genauer, dann schien ihr ein Licht aufzugehen. „Shi-Shiori?“
 


 

Über dem Schloss der Neko brach der Morgen an.

Blassrosa und zitronengelb kämpfen sich erste Lichtschlieren an den Himmel, als Sesshômaru aus dem Hauptportal trat. Endlich war er Tôran wieder los. Hatte ihn ja schon beinahe gewundert, dass sie ihn nicht noch des Nachts aufgesucht hatte.

Er prüfte kurz die Luft, hielt dann auf das Tor in der Schutzmauer zu, von wo er Ah-Uhns Witterung ausmachen konnte. Man hatte den Reitdrachen also schon nach draußen gebracht. Nun, das war ein Punkt, den er den Panthern wohl positiv anrechnen musste. Ebenso wie die Tatsache, dass sie gestern nach zähen Gesprächen endlich zugestimmt hatten, ihm diese entfernte Cousine als Reisebegleitung zu überlassen, damit er überhaupt eine Chance hatte, die Sekai no Tia mal von Nahem zu sehen – und vielleicht sogar tatsächlich als nützlich zu befinden. Da hatte er deren Vater doch tatsächlich noch versprechen müssen, auf sie aufzupassen. Wer war er denn bitte? Ein Babysitter? Aber ihm blieb wohl nicht viel anderes übrig. Er hatte in den sauren Apfel beißen müssen.

Wo er gerade beim Thema war – wo bitte war seine neue Reisebegleitung?

Bei Morgendämmerung Aufbruch hieß nicht, sich bitten zu lassen.

Dennoch ließ er sich seinen Unmut nicht anmerken, als er durch das Tor trat, sich Ah-Uhn zuwandte. Eine dunkel gekleidete Gestalt in Haori und Hakama hielt den zweiköpfigen Drachen am Zügel, redete offenbar leise auf ihn ein. Seinem Reittier schien das zu gefallen, aber das war zu erwarten gewesen. Dieses Vieh war geradezu unsäglich vertrauensselig. Er kam näher, trat wortlos an die Seite seines Drachens.

Ein Seitenblick bestätigte seine Ahnung, dass seine Reisebegleitung doch pünktlicher war, als angenommen, auch wenn der Anblick ihn insgeheim überraschte. Zusätzlich zu der wenig höfischen Kleidung – zumindest für eine Frau – trug sie nun eine Gesa aus sandfarbenem Fell, die von der linken Schulter zur rechten Hüfte verlief und ein meeresgrünes Tuch um die Taille. Dort wo Schärpe und Tuch übereinanderlagen, also an der rechten Hüfte, hing ein Schwert. Außerdem hatte sie nun eine lederartige Rüstung an, die Oberkörper und Unterarme schützte. Wo sie gestern noch den Eindruck einer – wenn auch niederen – Hime vermittelt hatte, wirkte sie heute eher wie eine richtige, selbstbewusste Kriegerin – und so verhielt sie sich auch.

Keine Spur mehr vom sittsamen Wegschauen, nach einer höflich grüßenden Verbeugung sah sie ihm mit erhobenem Kinn direkt ins Gesicht.

Eigentlich eine Unhöflichkeit, die sanktioniert werden müsste, aber Sesshômaru beließ es dabei, sie geflissentlich zu ignorieren. Als ob er sich provozieren lassen würde.

Ohne ein Wort nahm er ihr Ah-Uhns Zügel aus der Hand und wandte sich ab, richtung Westen. „Gehen wir“, befahl er unterkühlt.
 


 

Das leise Lachen des weißhaarigen Mädchens erschien ebenso hallend wie ihre Stimme im Allgemeinen. „Erraten“, sagte sie in leisem Tonfall, musterte ihre beiden Gegenüber.

InuYasha hatte sich so gar nicht verändert, Kagome ein bisschen, aber Shiori wusste nur zu genau, dass sie für die beiden so unverhofften, alten Bekannten vollkommen fremd erscheinen musste. In den letzten Jahren war aus dem Kind, welches die Komori-Yôkai so drangsaliert hatten, eine Jugendliche geworden, die sich zu wehren verstand. Eine taffe, junge Halbdämonin.

Nach einem Moment des gegenseitigen Anschweigens, blickte sie sich um. „Seit ihr allein hier? Wo ist der Mönch? Und diese Taijiya?“

Kagome sammelte sich wieder einigermaßen. „Sie sind in dem Dorf zurück geblieben, wo wir nun leben“ Zu sagen, sie sei noch immer perplex würde ihre momentane Lage untertreiben. Wenn sie mit einem überhaupt nicht gerechnet hätte, dann mit einem Wiedersehen mit Shiori. Dementsprechend knapp war auch ihre Antwort ausgefallen.

Die Fledermaushanyou ließ sich davon nicht entmutigen. „Und eure dämonischen Begleiter?“

„Shippô ist da, wo ein Kitsune in seinem Alter hingehört. An einer Fuchsakademie. Und Kirara ist mit uns hier, sie ist da vorne irgendwo, in der Hütte des Dorfobersten“, antwortete die junge Miko, diesmal etwas ausführlicher.

InuYasha war entgegen seiner Verhältnisse stumm geblieben, behielt die Umgebung im Blick. „Kagome? Ich denke, wir sollten gehen. Schau, so wirklich begeistert sind die Dorfbewohner nicht von unserer Anwesenheit“ Wenn ihm schon so etwas auffiel, musste es deutlich sein, das war Kagome klar und so blickte sie sich um, folgte seinem Blick.

Tatsächlich rotteten die Dorfbewohner sich zusammen, ab und an ging ein Fingerzeig in ihre Richtung. „Allerdings… komm, wir holen Kohaku und dann ab dafür. Schnee hin oder her, wir kennen Schlimmeres“, erwiderte sie und wandte sich wieder Shiori zu. „Tut mir Leid, dass unser Wiedersehen so kurz ist, aber du siehst selbst, hier wird es sonst gleich ungemütlich“

Sie lächelte endschuldigend, dann wandte sie sich um und lief InuYasha hinterher, der ungestüm wie immer ohne weiteres Wort vorausgegangen war.

Bei der Hütte holte sie ihn ein, weil er gewartet hatte, sie vorgehen ließ, wohlwissend, dass die alte Miko noch im Raum sein könnte. Da wartete er lieber draußen. Sie schien aber nicht mehr da zu sein, denn schon ein paar Augenblicke später kam Kagome mit den beiden restlichen Mitgliedern der Gruppe zurück, wobei Kohaku sich leicht auf Kiraras Nacken abstützte, ehe er draußen wieder auf deren Rücken glitt.

Die vier nickten sich kurz zu, wollten gerade losziehen, da wurde Geschrei laut, Geräusche waren zu hören, wie beim Auftreffen von Holz und Metall auf harten Boden.

Sie wandten alle gleichzeitig die Köpfe und erkannten erschrocken, dass die Dorfbewohner nun auf Shiori losgegangen waren und über vierzig aus irgend einem Grunde wütende Menschen konnten für das junge Halbdämonenmädchen kritisch werden, zumal sie nur zurückwich, sich nicht verteidigte. Und sie trieben sie immer mehr auf eine Hüttenwand zu, in die Enge.

InuYashas Verstand schaltete aus, sein Beschützerinstinkt dafür auf Turbo und schon war er in Richtung der aufgebrachten Meute gestürmt. „Lasst sie gefälligst in Ruhe! Was hat sie euch getan?“, brüllte er, sprang mitten zwischen die Menschen, sodass die auseinandersprangen, erschrocken über die rote Gestalt, die sie erst danach als ihren Verteidiger von zuvor erkannten. Sehr zu beruhigen schien sie das allerdings nicht, denn der hatte die Hand erhoben, sodass die Klauen deutlich aufblitzten und funkelte sie wütend an.

„Weil…weil… sie hat diese schrecklichen Oni auf uns gehetzt!“, wagte einer zu behaupten, der sich von der Gruppe geschützt sah. Er hatte eindeutig InuYashas Gehör unterschätzt, denn der konnte sofort orten, wo der vorlaute Wicht sich befand, aber Kagomes Ankunft verhinderte, dass er sich den Rufer nochmal direkter zur Brust nahm.

„InuYasha!“, rief sie ihn zur Ordnung, noch ehe er losspringen konnte und wandte sich dann an die Menge. „Dieses Mädchen hat sicherlich keine Dämonen auf euch gehetzt. Sie hat mitgeholfen, sie zu vertreiben, habt ihr das vergessen? Und sie hat mich beschützt“

„Trug und Tarnung!“, muckte wieder einer auf, doch InuYashas funkelnder Seitenblick reichte aus, ihn zum Schweigen zu bringen. Der Hanyou kniff die Augen zusammen, als er merkte, wie die Menschen enger zusammenrückten, sie offenbar einkesseln wollten, vergessend, wie gefährlich sie werden konnten, wenn sie es darauf anlegten.

Er ruckte mit dem Kopf. „Keh! Kagome, komm her. Kirara, nimm Shiori!“, rief er, packte bereits die junge Miko und sprang aus dem Pulk heraus. Die Nekomata folgte, kaum dass Shiori mit Kohakus Hilfe aufgestiegen war, allerdings blieb die säbelzahntigergroße Raubkatze in der Luft schweben, sah sich um, relativ ungerührt von den Steinen, die sie ab und an trafen. „Dort, zum Strand. Bei den Felsen ist eine Höhle!“, hörte sie da die leicht hallende Stimme des Halbdämonenmädchens. Mit einem Fauchen flog Kirara los, wich nun dem Steinhagel geschickt aus. InuYasha schaute kurz nach oben, dann setzte er ihr ohne Protest nach.
 

Wenige Minuten später setzte Kirara weich an der Stelle auf, die Shiori ihr gezeigt hatte. Unter ihren Pfoten befand sich kristallähnlicher, grober Sand, rechts von ihr erhob sich der blauschwarze Schlund einer Felsenhöhle. Die Nekomara wandte den Kopf, als auch InuYasha herankam, Kagome absetzte. „Was nun?“, fragte er.

Shiori wandte den Kopf zu ihm. „Ihr habt mir geholfen, nun helfe ich euch. Kommt rein, die Höhle ist ein prima Unterschlupf“ Sie ging selbst voraus, wartete aber am Eingang, bis Kagome zu ihr aufgeschlossen hatte. „Du hast nicht zufällig Verbandszeug?“, wollte sie wissen.

Die Schwarzhaarige horchte auf. „Wieso? Bist du verletzt worden?“ Besorgt musterte sie die Jüngere.

Die schüttelte jedoch den Kopf. „Ich nicht. Aber ich bin hier nicht allein. Und für Tián brauche ich Verbandszeug. Deswegen war ich ja überhaupt im Dorf. Freiwillig wäre ich da nie hingegangen, die konnten unsereins noch nie leiden. Dabei bin ich mir nicht einmal sicher, ob sie wissen, dass ich kein Mensch bin. Aber die hier sind schlimmer als mein Heimatdorf, und das hat was zu heißen, immerhin wollten die mich damals opfern. Aber für Tián bin ich trotzdem gegangen. Ohne Versorgung kann er sich nicht mehr schnell genug selbst heilen“

Tían

Tián?“

Kagomes Tonfall klang unwillkürlich ein wenig lauernd, wie wenn sie mit ihren Freundinnen gesprochen hätte.

Shiori schien das sogar zu verstehen, denn sie schüttelte leicht den Kopf, ihre weißen Haare rutschten ihr etwas ins Gesicht. Sie schob sie wieder zurück. „Ein junger Dämon. Er muss über dem Meer abgestürzt sein, ich hab‘ ihn aus dem Wasser gezogen, als er hier angespült wurde. Er ist böse verletzt und hat kaum Yôki. Und er spricht kaum etwas von unserer Sprache. Wir haben uns eher mit Gesten verständigt“, erklärte sie und beschleunigte ihre Schritte.
 

Da erklang eine Stimme aus dem Inneren der Höhle. „Shiori? Du?“

Die Halbdämonin sah Kagome kurz an, dann antwortete sie: „Hai“

Mehr nicht. Vermutlich eines der wenigen Worte, die er verstand.
 

Inzwischen hatten sie den Höhlenkessel erreicht, in dem sich schartige Felswände beinahe kreisrund um eine sandige Fläche erstreckten. An einer Seite lehnte eine Gestalt an der Felswand, die nun den Kopf gewandt hatte, ihnen entgegen sah. Pechschwarze und dennoch ausdrucksstarke Augen leuchteten in der Dunkelheit, sofern man das bei dieser Farbe sagen konnte. „Shiori?“, fragte die Stimme erneut, eine schwache Geste mit der Hand zeigte auf die vier mitgekommenen Personen.

Die Weißhaarige nickte. „Freunde“, sagte sie langsam, zeigte auf Kagome. „Kagome. Mensch“

Dann auf den rotgekleideten Halbdämonen. „InuYasha. Hanyou. Wie ich“

Ihr Fingerzeig glitt weiter. „Kirara. Katze. Und Kohaku. Auch Mensch“

Sie kam näher, kniete neben der sitzenden Gestalt nieder. „Tián. Er ist vom Festland“, stellte sie ihren Patienten vor.

Die Freunde kamen näher, Kagome setzte sich unaufgefordert neben Shiori, kramte in ihrer kleinen Tasche. Die Miko des Dorfes hatte ein wenig Verbandmaterial bei Kohaku zurückgelassen. „Wo ist er verletzt?“, fragte sie dabei.

„Hier, an der Seite. Hüfte und Oberschenkel sind komplett aufgerissen. Aber bei jedem anderen Dämon wäre das längst geheilt. Die Verletzung ist mindestens eine Woche alt“, gab Shiori zurück.

„Oh…“ Kagome klang überrascht. Mit so schlechter Heilung hätte sie nicht gerechnet. Ob da ein bisschen Verbandsmaterial ausreichen würde? Neuzeitliche Heilmittel hatte sie nicht mehr mit, wie früher manchmal. „Da wäre ja selbst InuYasha längst gesund“, kommentierte sie leise.

„Keh!“, ließ besagter Hanyou sich beleidigt vernehmen.

Die junge Miko wandte den Kopf. „Nichts gegen dich, InuYasha, aber es ist erwiesen, dass ein voller Dämon Verletzungen schneller heilen kann, als du!“, sagte sie beschwichtigend. „Keh!“, wiederholte InuYasha nur, aber es klang nicht mehr ganz so missmutig. Er konnte ihr auch einfach nicht lange böse sein. Das hatte er noch nie gekonnt. So wandte er sich ab, half Kohaku von Kirara und hinüber zur Felswand, damit sie dort ihr Lager aufschlugen. Er kannte Kagome gut genug um zu wissen, dass sie hier nicht mehr loskamen, bis es diesem Tián besser ging. Er konnte die Schwäche und das alte Blut ja auch wittern und noch etwas, was er nicht einordnen konnte, aber wirklich wohl fühlte er sich hier nicht. Eine unbestimmte Ahnung sagte ihm, dass es hier bei weitem nicht so sicher war, wie es schien.

Sein Blick traf den roten Kiraras und die beiden nickten sich zu. Da waren sie sich einig. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
 


 

Geflissentlich ignorierte der weißhaarige Yôkai das Getuschel der Menschen in den Hütten seitlich seines Weges. Sie kannten ihn, wussten, dass er besseres zu tun hatte, als ihnen etwas zu leide zu tun. Seine neuste Begleiterin dagegen wirkte eher überrascht über sein Verhalten und den Ort, an dem sie nun gelandet waren.
 

Tatsächlich warf Natsu unauffällige Blicke zu den Seiten, musterte die Menschen. Zwar war sie gerade einmal ein paar Stunden mit Sesshômaru unterwegs, aber sie hatte bisher nicht den Eindruck gehabt, er sei besonders friedlich oder gar freundlich.

Dass diese Menschen nun nicht schreckhaft auseinanderstoben wenn gleich zwei starke Yôkai im Dorf auftauchten, kam ihr doch etwas seltsam vor. Zwar hatten sie den Reitdrachen nicht dabei, den hatte Sesshômaru vorhin zurückgelassen, mit dem Auftrag, zu seinem Schloss zurückzukehren, aber schon ihrer beide Anwesenheit hätte normalerweise andere Reaktionen hervor gerufen.
 

Plötzlich blieb Sesshômaru stehen und Natsu beeilte sich, es ihm gleichzutun. Vor ihnen stand ein junger Mönch in charakteristischer Kleidung, den goldenen Mönchsstab an der Schulter lehnend, jetzt, wo er stehen geblieben war. Auch er wirkte weder erschrocken, noch so, als wolle er den Eindringling vertreiben. Stattdessen verbeugte er sich nun. „Sesshômaru-sama“, sprach er ruhig.

Der Inuyôkai nickte knapp. „Wo ist InuYasha?“

Natsu runzelte etwas die Stirn. InuYasha? Den Namen hatte sie doch irgendwann schon mal gehört… bloß, in welchem Zusammenhang? Es fiel ihr im Moment nicht ein, also spitzte sie bloß die Ohren.

„Unterwegs. Er und Kagome-sama sind vor Monaten losgezogen um etwas gegen diese kranken Dämonen zu unternehmen“, gab der Mönch derweil zurück.

„Kranke Dämonen?“

„Ja, diese niederen Oni, die noch angriffslustiger sind, als ohnehin schon. Kagome-sama meinte, ihr Verhalten habe gewisse Ähnlichkeiten mit einer Krankheit, die sie aus ihrer Zeit kennt. Sie versuchen die Ursache zu finden und auszumerzen. Außerdem behauptete Kirara, es stecke noch mehr dahinter“, erklärte der junge Mann gelassen, als unterhalte er sich jeden Tag mit einem hochrangigen Dämon.

Dann wandte er den Kopf, blickte einer jungen Frau im rosa und magentafarben gemusterten Kimono entgegen, die herangelaufen kam, offenbar hatte herausfinden wollen, was hier vor sich ging. „Oh… Guten Tag, Sesshômaru-sama. Wollt Ihr…“ Weiter kam sie nicht, denn Sesshômarus eisiger Blick kreuzte den ihren und sie verstummte.

Natsu musste etwas grinsen. Durchsetzen konnte er sich ja, ihr Gebieter auf Zeit. Doch dann weiteten sich ihre Augen, als sie das kleine Tier erkannte, das an der Seite der Frau angetapst kam. Sie konnte es kaum glauben, als sie erkannte, um was es sich handelte. Ein junges Baku.

Unwillkürlich legte sich fragend ihr Kopf zur Seite, was das Jungtier zu merken schien. Ein Bild geriet in ihren Kopf von einem erwachsenen Tier seiner Gattung, blutüberströmt, mit gebrochenem Blick. Da verstand sie. Sein Elterntier war tot. Trotzdem. Was bitte tat es hier, unter Menschen? Nun, diese Frage würde wohl unbeantwortet bleiben.

Stattdessen konzentrierte sie sich wieder auf das Gespräch zwischen dem Mönch und Sesshômaru.

„Wo?“, fragte der Inuyôkai inzwischen ungerührt vom Auftauchen der jungen Frau.

„Soweit ich weiß, nach Norden. Dahin sind die zumindest zuerst gegangen. Weiter weiß ich nicht. Bloß Kirara kennt den ungefähren Weg“

Wieder nickte Sesshômaru knapp, dann wandte er sich ab.

Natsu wusste bereits, dass kein weiterer Befehl folgen würde, also folgte sie unaufgefordert. Er würde sie sonst frohen Mutes hier stehen lassen, das wusste sie.
 

Am Rande des Dorfes blieb Sesshômaru wieder stehen. „Du bist eine Daiyôkai“, konstatierte er sachlich.

„Erblich, ja“, gab sie zurück, als sie hinter ihm zum Stehen kam.

„Wir reisen in Energieform weiter“, bestimmte er bloß, während er schon sein Yôki erwachen ließ.

Natsu folgte innerlich seufzend seinem Beispiel. In ihrem Unterbewusstsein aber reifte ein Gedanke. Das Verhalten ihres zeitweisen Gebieters verlangte ja geradezu danach, dass man ihn mal ein wenig aufmischte…
 


 

Vorsichtig entrollte Kagome ein Stück des Verbandes, näherte sich dann damit der Stelle, die Shiori ihr gezeigt hatte, wo der alte Verband gelegen hatte. Im Dämmerlicht der Höhle sah sie nicht so wirklich gut.

Doch plötzlich zuckte sie aus einem ganz anderen Empfinden heraus zurück. Der Verband fiel zu Boden, rollte ein paar Zentimeter durch den Sand.

Erschrocken sah Shiori sie an. „Was ist?“

Kagome hob eine Hand um sich über die Schläfe zu reiben. „Ich fürchte, es ist nicht die Verletzung, die er nicht heilen kann. Da ist irgendetwas in oder an der Wunde, ein Bann oder Fluch. Mit ungeheurer Energie. Sie hält sein Yôki von der Wunde fern“

Der Gesichtsausdruck der Komori-Hanyou zeigte, dass sie nicht wusste, ob sie froh oder erschrocken sein sollte. Ein Bann oder Fluch ließ sich aufheben, aber wie? Sie kannte niemanden, der dazu fähig war.

Es sei denn… ihre Augen glitten zu Kagome und die Blicke der beiden trafen sich.

Die junge Miko hatte einen ähnlichen Einfall gehabt, aber sie war skeptisch. „Shiori, weißt du, wie stark er ist? Wenn er selbst zu schwach ist um sich meiner Magie zu entziehen, könnte das sein Ende sein“

Plötzlich spürte sie einen Stoß in der Seite. Kiraras Piepsen drang an ihr Ohr, als die kleine Katze sich an ihrer Hüfte hinsetzte, auffordernd zu ihr hochsah. Die roten Augen glänzten in dem diffusen Licht. „Du glaubst, er ist stark genug?“, wollte Kagome absichernd wissen. Die kleine Nekomata nickte heftig. Zum einen, weil sie es fühlen konnte und zum anderen weil sie hier schnellstens wieder weg wollte. Etwas stimmte hier nicht und daher wollte sie nicht lange bleiben. Außerdem mussten sie sowieso weiter. Noch einmal piepste sie eindringlich, dann erhob sie sich und strich einmal um Kagome herum und zurück zu InuYasha und Kohaku, die inzwischen etwas entfernt saßen.

Die junge Miko sah ihr kurz nach. „Wir konnten Kirara immer vertrauen“, sagte sie in Shioris Richtung. „InuYasha!“, rief sie dann.

„Was denn?“, kam es vom anderen Ende der Höhle. Aber man hörte, wie der Hanyou aufstand.

„Ich muss seine Wunde läutern. Halt ihn fest, sonst zerfleischt er uns noch alle“

„Keh!“, brummte der Halbdämon, kam der Aufforderung aber nach. Er setzte sich auf der anderen Seite neben Tián und stemmte beide Hände gegen die Schultern des Festland-Dämons, ohne zu bemerken, das Tessaiga einmal kurz aufpulsierte, als seine Scheide mit Tiáns Körper in Berührung kam.

Der wehrte sich nicht, schien eher interessiert, was hier geschah, vermutlich weil er kaum ein Wort verstanden hatte.

Also hob Kagome vorsichtig eine Hand, streckte sie über der Wunde aus. Ihre Finger zitterten etwas, als sie sich auf ihre Mikokräfte konzentrierte. Nur selten hatte sie diese bisher direkt benutzt, sie hoffte, sie dosieren zu können. Ein hellvioletter Schimmer begann von ihrer Hand auszugehen, als sie näher an die Wunde heran ging, die Augen schloss um nicht abgelenkt zu werden. Die anderen aber konnten sehen, wie sich langsam Funken ihrer Macht über die Verletzung legten. Tián zuckte zusammen, begann sich aufzubäumen vor Schmerz, sodass InuYasha ihn nun wirklich zurückhalten musste. Dann ein Lichtblitz und Kagome atmete auf. Der Bann oder was auch immer da auf der Wunde gelegen hatte, war gebrochen.

Tián lag nun still da, sein Kopf war etwas zur Seite gesunken, ruhte an der Felswand.

Shiori musterte ihn. „Was ist mit ihm?“, fragte sie erschrocken, denn auch für sie war die magische Explosion nicht gerade angenehm gewesen, auch wenn ihre menschliche Seite sie davor geschützt hatte. InuYasha musste es ebenso gehen.

„Er schläft. Das muss anstrengend für ihn gewesen sein – und für mich auch“ Das Letzte klang wirklich müde und Kagome rieb sich kurz über die Augen. Sie hatte ziemlich viel Kraft gebraucht, diesen Fluch zu brechen, aber sie war offenbar stark genug gewesen.

Als ihre Hand sich erneut der Wunde näherte, konnte sie nunmehr nur noch Yôki fühlen, dass endlich heiß in der Verletzung pulsierte, sie zu heilen begann. Dann erhob sie sich, sammelte kurz ihr Gleichgewicht und ging richtung Kirara und Kohaku um sich etwas Ruhe zu gönnen.

InuYasha folgte ihr sofort, während Shiori bei ihrem Patienten blieb. Allerdings sah das Halbdämonenmädchen aus dem Augenwinkel zu der Reisegruppe hinüber, die sie so unverhofft getroffen hatte. Sie sah auch, dass InuYasha und Kagome nun nebeneinander saßen und der Halbdämon einen Arm um die junge Miko gelegt hatte, als die eingeschlafen war. Und ein feines Lächeln glitt über Shioris Gesicht.
 


 

Sesshoumaru und Natsu waren inzwischen in der schnellstmöglichen Reiseform schon wieder ein gutes Stück Richtung Nordosten gereist. Während der Hundedämon die Landschaft unter sich beobachtete, um zu erkennen, wo sie langflogen, dachte er nach. Er hatte wissen wollen, wo InuYasha war, ja, denn auch wenn dieses Halbblut keine Ahnung davon hatte, dass es momentan noch der Erbe des Westens war, er wäre hilfreich gewesen, zu wissen, wo der Kerl steckte. Erstens weil er im Kampf gegen Naraku festgestellt hatte, dass der Kampfesmut dieses Hanyou nicht zu unterschätzen war und zweitens weil er wissen wollte, inwieweit Rin in Sicherheit war. Nun, zu früh gefreut. Aber das schob er beiseite.

Inzwischen waren sie längst wieder in den östlichen Fürstentümern, also setzte er zur Landung an. Hier in Energieform weiterzureisen, ob mit oder ohne Natsu im Schlepptau konnte zu Missverständnissen führen und er hatte nicht vor, sich auf vermeidbare Verzögerungen einzulassen. So schnell wie möglich wollte er seine momentane Begleitung wieder loswerden. Bisher hatte sie sich zwar noch kein Beispiel an ihrer entfernten Cousine genommen, aber wenn sie damit begänne – so musste Sesshômaru sich selbst gegenüber zugeben – wäre sie die Erste, die gewisse Chancen hätte, ihn zu beeindrucken. Und das wollte er um jeden Preis verhindern.

Mit dieser Feststellung setzte er auf dem Boden auf, fing den Schwung ab und setzte seinen Weg schweigend fort. Ganz genau… je schneller, desto besser…
 


 

Shippou und Kyoko waren derweil noch nicht wirklich weit gekommen. Das lag allerdings auch daran, dass sie nicht genau wussten, wo sie waren. Kyoko konnte es zwar in etwa einschätzen, aber Genaueres wusste sie nicht. Und so wanderten sie planlos weiter, in der Hoffnung auf eine Wegmarkierung. Ab und an witterten sie, denn auch wenn sie als Fuchsdämonen nicht gerade den besten Geruchssinn aller Yôkai besaßen, so konnte sie sich damit doch ein wenig mehr Informationen verschaffen.

Und auf einmal weiteten sich Shippôs Augen, er ließ den Blick über die Lichtung schweifen, auf der sie standen.

Tiefe Scharten zogen sich durch die Wiese, kein Grashalm wuchs mehr in diesen Rissen.

Shippô atmete scharf ein und lief näher heran. Vier Furchen an der Zahl, alle gingen von einem Ort fächerförmig aus und eine Scharte war sogar bis zum Waldrand gelangt und hatte noch dort an ihrem äußersten Punkt mühelos einen Baum gespalten. Kann das sein…?

Während er Kyokos verwunderte Blicke in der Seite spürte, sah er sich aufmerksam um. Da! Dort steckte ein Pfeil zwischen zwei moosbewachsenen Steinen am Boden. Er trat ein paar Schritte in die Richtung, fasste vorsichtig nach dem Pfeil. Er konnte ihn zwar berühren, aber obwohl rund herum nichts mehr zu spüren war, fühlte er das leichte Kitzeln der verbliebenen Magie im Pfeil. Mikokraft.

„InuYasha…Kagome… waren sie etwa hier?“, fragte er sich leise, sodass Kyoko es nicht verstehen konnte.

Aber jemand anders hatte es gehört. „Waren sie“

Shippô wirbelte herum, erkannte überrascht den Sprecher, dessen weiße Haare leicht im Wind wehten.
 

Auch Kyoko hatte den Ankömmling inzwischen bemerkt, fiel sofort auf die Knie. Als Fürst war Sesshômaru einige Rangstufen über ihr, auch wenn sie selbst Fürstentochter war.
 

Shippô sah zwischen ihr und dem Dämon, den er bloß als InuYashas Halbbruder kannte, hin und her. Der HundeYôkai hatte inzwischen seinerseits die Fuchsprinzessin erkannt und nickte ihr beifällig zu. Die Erlaubnis, sich wieder zu erheben. Kyoko kam dem sofort nach, sah ihn jedoch nicht direkt an.

Shippô wurde das Ganze zu dumm. Er wusste nicht, was hier vor sich ging, aber er hätte jetzt ganz gerne gewusst, ob Sesshômaru ihm tatsächlich geantwortet hatte. „InuYasha und Kagome waren also hier?“, fragte er absichernd nach.

Der Inuyôkai ignorierte ihn, wandte sich stattdessen ab. Er sah nicht ein, wieso er sich wiederholen sollte, wenn er sich schon herabgelassen hatte, dem Fuchsjungen zu antworten.
 

Kyoko sah ihm kurz hinterher, dann funkelte sie Shippô wütend an. „Das hätte ins Auge gehen können. Er ist nicht dafür bekannt, dass er gnädig ist!“, zischte sie ungewohnt scharf und kam auf ihren Schulkameraden zu.

„Das hätte es allerdings, Kinder. Sagt, wo ist er lang? – Oh, Kyoko-hime, richtig? Was tut Ihr hier draußen, so ohne Wachen?“, mischte sich da schon wieder eine Stimme aus dem Nichts ein. Eine schwarzhaarige Yôkai näherte sich mit geschmeidigen Bewegungen, sah sich auf der Lichtung um.

Kyoko musterte sie kurz, entdeckte dann das meeresgrüne Zeichen auf der Stirn und verbeugte sich leicht. „Fürst Sesshômaru ist dort entlang, Hime-san“, erwiderte sie höflich, ohne auf die letzte Frage einzugehen.

Die Schwarzhaarige machte sich sofort auf den Weg, offenbar darauf bedacht, dem HundeYôkai auf den Fersen zu bleiben.

Shippô beobachtete die Szene noch perplexer als zuvor. Und als er die Betitelung hörte, die Kyoko für den Weißhaarigen wählte, glaubte er, seinen Ohren nicht zu trauen.
 


 

Als Kagome gegen Nachmittag erwachte, fiel etwas helleres Licht in die Höhle. InuYasha saß noch immer genau neben ihr, obgleich er längst wieder wach war.

Shiori hatte sich ganz in der Nähe von Tiáns Lager niedergelassen und döste offenbar auch.

Und der Patient?

Erschrocken riss Kagome die Augen auf, als sie erkannte, dass dessen vorheriger Liegeplatz leer war. Was war geschehen?

„InuYasha?“, fragte sie leise. Er wandte ihr etwas den Kopf zu. „Was ist mit Tián?“

Der Halbdämon schwieg einen Moment, ehe er eine Hand hob und nach draußen zeigte. Die junge Miko folgte seinem Fingerzeig und erkannte die Silhouette eines jungen Mannes im Höhleneingang auf einem mit feinem Reif überzogenen Felsen sitzen.

Das ging schnell!, befand sie für sich und stand auf. „Shiori!“, rief sie quer durch die Höhle.

Sofort war das Halbdämonenmädchen hellwach. „Was?“

„An deiner Stelle würde ich mal nach Tián schauen“, erwiderte Kagome grinsend und strich ihr Gewand glatt, griff nach Pfeilköcher und Bogen. Das lief ja besser als geplant, so konnten sie schneller weiter. Und ihr war auch klar, dass InuYasha das sehr begrüßte.

Shiori hatte sich erst erschrocken umgesehen, ihren bisherigen Patienten dann entdeckt und war zu ihm gelaufen. Nun stand sie neben ihm.

Kagome lächelte leicht. Doch in ihren Gedanken sah es gemischter aus. Sie wusste, dass die Menschen in Shioris Heimatdorf sie nach der Vertreibung der Komoris akzeptiert hatten, auch ihre Mutter wieder in Frieden leben konnte. Was war geschehen, dass Shiori gegangen war? Aber sie schob es beiseite. Kirara stand bereits in großer Form neben ihr, Kohaku auf dem Rücken, daneben InuYasha. Ihre Bande war längst wieder aufbruchbereit.

Na dann… heißt es wohl wieder Abschied nehmen… Irgendwo war das traurig. Es hatte sie gefreut, Shiori wiederzusehen. Aber was sollte es. Gemeinsam zogen sie gen Höhlenausgang.
 

Dort stand die junge Hanyou noch immer neben Tián, sah ihn fragend an. Er schien zu überlegen.

Kagome nutzte den kurzen Moment der Stille, ihn sich genauer anzusehen. Am Morgen, in der dunklen Höhle, war das für sie kaum möglich gewesen. Er hatte gewellte, rötlichschwarze Haare, die als hoch angesetzter Zopf bis zur Schulter gingen, schwarze Hosen, die einer Hakama ähnelten, jedoch kürzer waren, knapp unter dem Knie mit einem breiten weißen Band eingeschnürt waren, und ein blutrotes Oberteil mit kurzen Ärmeln. An den Schultern trug er dunkelgraue Schützer, an denen ein ebenso gefärbter, wenn auch etwas zerfetzter, Umhang befestigt war. Eine dünne, silberne Kette, eher schon ein Reif lag um seinen Hals.

Jetzt wandte er den Kopf, musterte die vier, sein Blick blieb besonders bei Kagome hängen. Offenbar wusste er durchaus, dass sie für seine plötzlich so rasche Gesundung verantwortlich war. Langsam nickte er ihr zu, die Bewegung etwas zögerlich, als fürchte er, dass diese Geste hierzulande nicht als der stumme Dank verstanden wurde, die sie bedeuten sollte.

Kagome lächelte ihm leicht zu, worauf er wieder zu Shiori sah, erneut nickte, diesmal als Bejahung auf eine wohl zuvor gestellte Frage.

Das Hanyoumädchen sah zu Kagome. „Wärt ihr damit einverstanden, wenn wir euch begleiten?“, wollte sie wissen, ihre Augen blitzten, offenbar hielt sie das für eine sehr gute Idee.

„Klar, wenn ihr möchtet…“, setzte Kagome an, wandte denn jedoch den Kopf, „Oder, InuYasha?“

Der Hanyou zuckte mit den Ohren. „Keh! Von mir aus…“

Ein Problem weniger?

Ehe InuYasha es sich versah, war Kagome ihm um den Hals gefallen. Zuerst sah er reichlich überrascht aus, ehe er sie kurz an sich drückte und dann wieder von sich schob. „Wir sollten…“, bemerkte er und nickte an der Küste entlang.

Die junge Miko zog eine Augenbraue hoch, schulterte aber zustimmend ihren Pfeilköcher und setzte sich in Bewegung. Die anderen fünf schlossen sich ihr sofort an.
 

Nach ein paar Minuten jedoch wurden Tiáns Schritte langsamer, er musterte mit zusammengekniffenen Augen die Brandung, als suche er das Meeresufer ab.

Und dann zuckte er zusammen.

Sofort sah Shiori zu ihm auf.

Er zeigte zwischen einige Felsen. Dort war eine Gestalt angeschwemmt worden, ebenso dunkelhaarig wie Tián, die sich jedoch nicht regte.

InuYasha hob die Nase und witterte, dann schüttelte er den Kopf. „Der lebt nicht mehr. Schon Tage nicht mehr“

Dennoch löste Tián sich von der Gruppe, ging an die Gestalt heran. Unklar blieb, ob er InuYashas Worte nicht verstanden hatte oder sie einfach ignorierte. Kurz verharrte er, hockte sich nieder, dann zog er etwas aus der Kleidung des Toten, hob ein wenig den Mantel an und deckte ihn über das Gesicht des Verblichenen. Dabei murmelte er einige Worte vor sich hin, die keiner der Gruppe verstand. Seine Sprache wohl.

Dann kehrte er jedoch zurück. Als die fragenden Blicke der anderen ihn trafen, machte er eine nachdenkliche Miene. Er schien ein Wort zu suchen. Dann zeigte er auf die zugedeckte Gestalt, klopfte mit der Hand leicht auf seine eigene Brust. „Sensei“, sagte er.

Woher auch immer er das Wort aufgeschnappt hatte, die Gruppe verstand. Offenbar war das dort einmal sein Lehrer gewesen, in weiß-der-Geier war für einer Disziplin. Vielleicht waren sie gemeinsam in das verwickelt gewesen, das für Tiáns Verletzung verantwortlich gewesen war. Ein Sturm, ein Kampf, wer wusste das schon. Bis der junge Dämon genug japanische Wörter kannte um seine Geschichte zu erzählen, würde wohl Zeit vergehen.
 

Da fiel InuYasha auf, was Tián in der Hand hielt. Eine Schwertscheide, samt Inhalt. Der Griff des Schwertes war schwarz, eine hellgrüne, nun salzverkrustete Quaste war daran gebunden worden.

Tián bemerkte den Blick des Hanyou. „Jian“, sagte er.

Kagome horchte auf. „Also kommt er wirklich aus China“, murmelte sie fast tonlos vor sich hin. Vom Jian, dem edlen, chinesischen Schwert, hatte sie schon einmal gehört.

InuYasha hatte das nicht und genauso wenig verstand er den Hintergrund von Kagomes Bemerkung, aber er beschränkte sich auf sein übliches „Keh!“ und setzte seinen Weg fort. Die anderen folgten ohne Murren, wobei Kirara schnell wieder die Führung übernahm. Weiter an der Küste entlang durften sie nicht, spätestens in der Nacht würde wieder ein Sturm aufziehen. Außerdem mussten sie weiter im Landesinneren übers Gebirge wandern, sonst könnte es zu beschwerlich werden. Jetzt fiel ihr auch ein, was sie an der Höhle gestört hatte. Der Gang von Eingang zum Kessel war abschüssig gewesen. Ein Sturm würde die Wellen hineinwehen und die Höhle hätte rasch unter Wasser gestanden. Nun, davor brauchten sie sich jetzt nicht mehr fürchten. Hauptsache, sie kamen weiter.

Schon bald fauchte die Nekomata auffordernd auf und beschleunigte ihre Sprünge, sprintete den Strand entlang.

Die anderen reagierten schnell.

InuYasha zog Kagome auf seinen Rücken, die anderen beiden hielten selbst mit.

So setzte die angewachsene Gruppe ihren Weg fort.
 


 

Shippou hatte sich inzwischen halbwegs von seinem Schock erholt. „Fü- Fürst?“, stotterte er.

Kyokos etwas saure Miene wechselte in Belustigung. „Natürlich. Hast du das etwa nicht gewusst? Er ist der Herr der Inuyôkai und Fürst der westlichen Länder. So wie mein verehrter Vater im Süden und bei den Kitsune“, erklärte sie.

Shippô schüttelte sich. „Nein, das wusste ich nicht“, stellte er rasch klar, da er nun wusste, woher Kyokos Wut vorhin stammte. Er hatte sich offenbar nicht gerade höflich betragen. „Ich kannte ihn bisher nur als großen Halbbruder InuYashas“

Jetzt dachte Kyoko nach. „Ach, der Hanyou von dem du erzähltest? – Moment mal, der ist Sesshômaru-samas Halbbruder?“

„Hai“, erwiderte der Rothaarige. „Aber ich glaube, er weiß genauso wenig wie ich, wer Sesshômaru wirklich ist. Wir kannten ihn bloß ohne Titel. Und wir hatten ihn sowohl schon als Gegner, als auch als Verbündeten im Kampf“

Kyoko machte große Augen. „Du hast gesehen, wie Sesshômaru-sama kämpft? Du weißt gar nicht, was du für ein Glück hast. Keiner der anderen Adeligen hat ihn in den letzten paar Jahren in Action gesehen. Manche munkeln sogar, er könne es gar nicht, Vater ist da anderer Meinung. Er hat Sesshômaru-sama wohl als Jugendlichen schon kämpfen sehen. Aber wieso der immer zwei Schwerter hat, weiß keiner. Eines ist das Erbe seines Vaters, dieses Tess…“

„Tensaiga“, unterbrach Shippô sie schnell. „Sesshômarus heißt Tensaiga. Tessaiga trägt InuYasha. Und Sesshômarus zweites Schwert ist… Moment, wie hieß es gleich… Bakusaiga. Es ist sein körpereigenes Schwert. Das Zeichen, dass er ein wahrer Daiyôkai ist, wenn man diesem Trottel von Toutousai glauben kann“, gab er sein Wissen zum Besten, ehe er sich umdrehte und wieder den Pfeil betrachtete, der dort im Boden steckte. Sie waren also hier… warum? Das hätte er gerne gewusst. Aber das würde er wohl frühestens herausfinden, wenn er mal wieder im Dorf vorbei sah und ehe er das tun konnte, mussten sie zur Akademie zurückfinden.

Dennoch antwortete er auf die stumme Frage in den Augen der Silberhaarigen. „Kagome war hier. Und InuYasha. Wer weiß, wer von den anderen noch“ Er seufzte. „Es muss schon Tage her sein. In der Nähe sind sie nicht mehr. Wir werden weiter suchen müssen. Vielleicht finden wir einen Weg zurück. Komm“
 


 

Natsu hatte Sesshômaru inzwischen wieder eingeholt. Zwei Schritte hinter ihm, folgte sie ihm schweigend, den Blick bloß auf seine weißen Haare gerichtet. Doch langsam wurde es ihr zu langweilig. Fast den ganzen Tag waren sie nun schon unterwegs, ohne ein Wort miteinander gewechselt zu haben. So würde es ihr nie gelingen, mehr über ihn herauszufinden.

Doch vorerst blieb sie höflich: „Sagt, Sesshômaru- sama, wer ist dieser InuYasha? Zum zweiten Mal war nun schon von ihm die Rede“

Keine Antwort.

„Ich weiß ja nicht, was man euch beigebracht hat, aber mir sagte man, dass ein Gespräch aus den Worten von mindestens zwei Personen besteht. Und ich lege Wert auf ein Gespräch“ Das letzte Wort betonte sie deutlicher.

Sesshômaru zeigte sich davon gänzlich unbeeindruckt. „Ich aber nicht“, konstatierte er kühl. Seinen Schritt unterbrach er dabei nicht.

Innerlich knurrte Natsu. Na, das konnte ein hartes Stück Arbeit werden, diesen Eisklotz zu schmelzen. „Aber Ihr wisst es doch! Immerhin habt ihr diesem kleinen Fuchs gesagt, dass die Gesuchten dort waren. Das kann doch nur daran liegen, dass Ihr noch etwas gewittert habt“

„Und was soll mir das sagen?“ Sesshômarus Gegenfrage klang ebenso emotionslos, wie jede andere Bemerkung seinerseits.

„Dass Ihr seine Witterung kennt. Also kennt Ihr auch diesen InuYasha“

„Die Witterung meines unfähigen Halbbruders sollte ich wohl auch kennen“ Im Nachhinein fragte Sesshômaru sich selbst, wieso er jetzt doch noch geantwortet hatte. Noch nie hatte jemand ihn beeinflussen können und diesem Weib gelang das mit ein paar geschickt gewählten Worten mühelos?

Für einen Herzschlag verengten sich seine Augen in einem Anflug von Verärgerung, aber weil Natsu hinter ihm lief, bekam sie das nicht mit.

Im Moment war die LöwenYôkai aber sowieso zu perplex. Klar waren auch ihr schon die Gerüchte um den zweiten Sohn von Sesshômarus allseits bekanntem Vater zu Ohren gekommen. Aber die Bestätigung aus erster Hand zu erhalten, war dann doch etwas anderes. Immerhin… er hat sein Ziel wohl erreicht… ich weiß wirklich nicht, was ich dazu noch sagen soll…
 


 

Die Vulkangebiete jenseits der westlichen Länder waren von alle dem, was rund herum geschah, unbescholten geblieben. Mitten zwischen den Schwefeldämpfen ragte das uralte Skelett, das dem alten Dämonenschmied als Werkstatt und Zuhause diente, unbeschädigt auf.

Das helle Klingen eines Hammers auf einer unfertigen Klinge war weithin zu hören, Toutousai arbeitete.

Doch plötzlich verstummte die Geräuschkulisse, stattdessen war erschrockenes Einatmen, dann ein ebenso erleichtertes Ausatmen zu vernehmen. Keine Gefahr. Der alte Schmied hatte bemerkt, wer ihn da so unverhofft besuchte, auch wenn die Gestalt des Besuchers sich zwischen den Dämpfen verbarg.
 

"Worum geht es, Herr?“, wollte er wissen, denn ein Schwert wollte dieser Besucher ganz bestimmt nicht haben, dessen war er sich sicher. Mit Hufen ließ sich ein Schwert schwer führen.

„Wir suchen dich um Rat“, erklang eine kräftige Stimme und endlich löste sich die Gestalt aus den graugelben Nebeln. Das weiße Fell des gazellenähnlichen Neuankömmlings wurde an Rücken, Flanken, Schultern und Gesicht von graugrünen, drachenähnlichen Schuppen und am Bauch von ebensolchen Panzerplatten abgelöst. Aus der Stirn spross ein verästeltes Horn, das eher an eine einzelne Geweihstange eines europäischen Hirsches erinnerte und seitlich seiner Nüstern zeigten sich die bartähnlichen Auswüchse eines Drachen. Dieses Wesen war einzigartig. Und verehrt bei allen Dämonengattungen.

„Welchen Rat könnte ich Euch geben, Kirin-dono?“

„Du bist ein Schmied. Du kannst Dinge fühlen, die anderen Yôkai verwehrt bleiben“

„Ihr sprecht von den Seelen der Schwerter?“

„Auch. Vielmehr geht es aber um die Artefakte des Gleichgewichts. Dank dem, das ich zu hüten die Ehre habe, weiß ich Bescheid, wo sie sich befinden. Nur eines kann ich nicht finden. Also ist es noch immer nicht wieder aufgetaucht. Oder hörtest du von der Haru Tsume?“

„Von deren Verbleib weiß ich auch nichts. Seit dem Aussprechen der Prophezeiung hörte ich nichts mehr. Warum fragt Ihr ausgerechnet jetzt?“

„Ich bemerkte, dass die schwarzen Seelenfänger wieder erschienen sind. Seit der Niederlage des Höllenwolfes waren sie verschwunden und jetzt sind sie wieder da. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich etwas am Gleichgewicht ändert. Warum sollten sie sonst wieder auftauchen, wenn sie sich seit 600 Jahren versteckt gehalten haben?“

„Das ist eine gute Frage, die ich euch allerdings auch nicht beantworten kann. Dennoch gibt es Wesen, die sich besser darauf verstehen, die Erinnerung an die Artefakte zu hüten, als ich“, antwortete Toutousai ungewohnt sacht. Er sprach nicht aus, dass er jene Wesen meinte, die zu den Yôkai zählten, allerdings irgendwo zwischen Dämon und rein magischem Wesen standen. Nekomata, Baku und auch Kirin, wie er hier vor ihm stand.

„Da hast du Recht. Aber nur wenige von denen haben es noch gelernt. Und ich wüsste niemanden, dessen Aufenthaltsort ich kenne“, gab Kirin ruhig zurück. Seine Stimme klang tief und weise.
 

„Aber ich. Guten Tag, Kirin-dono. Es ist lang her, dass ich Euch traf“ Die winzige Gestalt, die jetzt auf der Schulter des pferdeähnlichen Wesens angekommen war, war geradezu euphorisch. Das war ja ein Glück. Eigentlich hatte er auf dem Weg zurück zu InuYasha nur kurz bei Toutousai vorbeisehen wollen und jetzt traf er Kirin hier an! Jeder wusste, dass das japanische Einhorn mit das weiseste Wesen war, das existierte.

Wie immer, wenn er jemanden bewunderte, konnte er nicht wiederstehen, versenkte seinen Rüssel in der Haut.

Kirin ließ es geschehen, ohne mit der Wimper zu zucken. „Myouga, sieh an. Man sagt, du seist deinem Herrn noch immer treu ergeben“

„So ist es. Ich habe lange sein Grab bewacht und seine Söhnen stets hilfreich zur Seite gestanden!“ Dass zumindest letzteres maßlos übertrieben war, wussten alle Anwesenden, aber so war Myouga nun mal.

„Soso. Und du weißt, wo sich jemand mit Wissen über die Artefakte aufhält?“

„Aber ja doch. Eine der ältesten Nekomata dieser Länder zieht zurzeit mit dem jüngeren Sohn Oyakata-samas!“ Er nickte so heftig, dass er beinahe von der Schulter des Einhorns fiel.

Kirin schnaubte heftig. „Ich werde dich begleiten“, bestimmte er fest und seine Stimme ließ keinen Wiederspruch zu.

Myouga, der wusste, dass auch Kirin als urmagisches Wesen nicht selten in Kämpfe verwickelt wurde, seufzte nur tief und stimmte dann kleinlaut zu. Sein Seitenblick galt Toutousai.

Der nickte ziellos in den Nebel rund um seine Werkstatt hinein. „Tessaiga befindet sich im Norden. Ich vermute schwer, das Hundebaby ist auch dort“
 


 

„Du weißt genau, was ich will, Shuran, tu bloß nicht so“, schimpfte die Pantherdämonin und drehte sich von der Balustrade des Balkons weg um ihren Bruder anzusehen.

Die massige Gestalt des Angesprochenen rührte sich nicht. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du ihn jetzt herumkriegst, nachdem du das in den letzten dreihundert Jahren nicht geschafft hast“

„Die letzten dreihundert Jahre war Krieg. Jetzt ist Frieden. Davon abgesehen, er hat euch gerettet, euch wiederbelebt. Dich, Karan, Shunran. Warum bitte, hat er das getan, wenn sein Groll auf die Panther immer noch so groß wäre?“

Der Pantherfürst bewies, dass er den Gegenstand des Gespräches weit besser durchschaute, als seine ältere Schwester. „Du hast doch selbst gehört, was er auf dem Jahrhunderttreffen dazu gesagt hat. Das war ein Nebeneffekt. Er sah den Großen General als größeres Problem an“

„Hrmpf. Shuran, wer sagt dir, dass er das auch so meinte? Du hast doch gar nicht mitbekommen, wie er euch rettete. Er nutzte Tenseiga. Tenseiga kann nicht töten, verdammt nochmal!“

„Das weiß ich selbst, Onee-san. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass er das aus Mildtätigkeit gemacht hat. Es muss einen anderen Grund geben. Auch wenn ich nicht weiß, welcher das sein könnte“

„Siehst du, du weißt es selbst nicht. Übrigens waren wir gerade bei einem ganz anderen Thema“

„Nein, waren wir nicht. Wir sind bei ein und demselben. Sesshômaru wird niemals tun, was jemand anderes von ihm will und schon dreimal nicht, wenn du es von ihm willst“

Die Türkishaarige antwortete nicht, sondern drehte sich nur beleidigt wieder um. Egal, was er sagt, aufgeben werde ich sicherlich nicht!
 


 

Die Gruppe um InuYasha hatte Rast gemacht. Mitten in den Bergausläufern hatten sie ihr Lager unter einem Felsvorsprung aufgeschlagen.

Tián saß auf einer Klippe nicht weit entfernt, an den Gesprächen konnte er ohnehin nicht teilnehmen. Dennoch hatte er seine neusten Reisegefährten aus dem Augenwinkel im Blick, machte sich so seine eigenen Gedanken zu der Gruppe. Shiori verstand es ja, ihm die wichtigsten Tatsachen irgendwie verständlich zu machen, aber es störte ihn, dass er vieles nicht durchschaute. Nun, immerhin konnte er sich jetzt für die Pflege revanchieren, war körperlich wieder bei Kräften. Wenn die Weißhaarige ihn nicht aus dem Meer gezogen und versorgt hätte, würde er wohl nicht mehr auf Erden wandeln. Auf gewisse Art und Weise verdankte er ihr sein Leben. Und diese Lebensschuld gedacht er einzulösen, sobald es möglich war.

Kagome kümmerte sich ein paar Meter weiter um Kohakus Verband. Die Wunde war fast verheilt, bald würde auch er wieder einsatzfähig sein.

Kirara lag in klein neben Shiori, die an der rückwärtigen Felswand lehnte und den Horizont beobachtete.

InuYasha stand seitlich von ihr und prüfte die Luft.

Plötzlich hob er den Kopf. Ein leises Knurren verließ seine Kehle. „Nicht der schon wieder“, murrte er und wandte sich dem bergan führenden Pfad zu seiner Linken zu.

Kagome hatte sofort aufgesehen. „Wovon sprichst du, InuYasha?“ Nach wirklicher Gefahr klang diese Bemerkung ja nicht. Doch im selben Moment erkannte auch sie den fernen ‚Wirbelsturm‘ und ihr ging ein Licht auf. Ein Lächeln glitt um ihren Mund. „Ich weiß gar nicht, was du hast, InuYasha. Also ich freue mich, ihn endlich wieder zu sehen!“, verkündete sie schmunzelnd.

„Pah! Sag bloß, du magst diesen stinkenden Wolf immer noch“

„Kôga- kun ist ein Freund. Also reiß dich zusammen. Abgesehen davon habe ich ihn seit vier Jahren nicht gesehen!“

„Na und? Ich auch nicht! Gestört hats mich nicht“

„InuYasha!“, sie sprach seinen Namen ebenso aus, wie sie es früher getan hatte, ehe das altbekannte Kommando folgte.

Der Hanyou kniff die Augen zusammen, dann wandte er den Kopf ab. „Keh!“
 

Shiori hatte ihren Blick vom Horizont gelöst und während der kleinen Diskussion interessiert zwischen den beiden hin und her gesehen. Was ging hier vor? Sie hatte keine Ahnung. Also wartete sie einfach ab, blickte nun ebenso wie Kagome dem sich nähernden Wirbelsturm entgegen. Dass das kein echter war, hatte sie längst erkannt. Aber wer war es dann?

Endlich verringerte der Windwirbel seine Geschwindigkeit, der Staub legte sich und die darin verborgene Gestalt wurde sichtbar. Ein Wolfsdämon. Jung noch, mit langem, schwarzem Haar und brauner Kleidung im typischen Stil der Ookami. Shiori legte etwas neugierig den Kopf schief.
 

Kôga musterte derweil kurz die sich ihm bietende Szene. Er hatte es kaum glauben können, als er plötzlich Kagomes Witterung in der Nase gehabt hatte. Nach allem was ihm zu Ohren gekommen war – und das war geographisch bedingt nicht gerade viel – hatte er nie damit gerechnet, schon gar nicht hier, in seiner neuen Heimat, so weit entfernt von dem Dorf das für Kagome wohl immer erster Anlaufpunkt gewesen war.

Eigentlich war er nur mit Ginta und Hakkaku auf Patrouille gewesen, einen Anflug des Vergangenen auskosten, auch wenn er nur die allernächste Umgebung kontrollierte. Á propos, wo blieben die beiden eigentlich? Er sah sich kurz um. Ach, da waren sie ja. In altbekannter Manier kamen sie mit hängenden Zungen weit entfernt hinter ihm her gehetzt.

Kôga grinste, ehe er sich Kagome zuwandte. Seine Augen blitzten, als er in bekannter Art und Weise nach ihrer Hand griff. „Guten Tag, liebe Kagome. Ich freue mich über das unverhoffte Wiedersehen nach so langer Zeit!“, säuselte er, doch sein Grinsen war dabei verschmitzter als früher.

Die junge Miko lächelte ebenfalls wieder, kam aber nicht zu einer Erwiderung, weil sich InuYasha sofort zwischen sie beide schob. „Halt dich zurück, Kôga!“, schimpfte er.

Der Wolf war nur etwas zur Seite getreten, ohne Kagomes Hand loszulassen. „Wieso sollte ich?“, konterte er, ohne das sich sein Gesichtsausdruck geändert hätte.

InuYasha knurrte jetzt. „Weil sie dich nichts angeht!“

Kagome kicherte stumm in sich hinein. Die beiden lernten es auch nie. Aber das hörte sich längst nicht mehr so ernst an, wie früher. Und da hatte etwas Verändertes in Kôgas Augen gelegen.

„Aber dich, ja, Köter?“, fragte Kôga da zurück und sah dem Hanyou herausfordernd in die Augen.

„Mehr als dich!“, fauchte InuYasha und wurde nun doch handgreiflich, in dem er Kôga grob von Kagome wegschubste.

Wo der sich früher aber fröhlich auf ein Handgemenge eingelassen hätte, wandte er sich nun bloß gespielt beleidigt ab, sah den Hang hinauf. „Woher willst du wissen, wie sehr sie mich angeht?“, fragte er provozierend, wobei er dem Halbdämon den Rücken zuwandte. Die sorglose Geste war vermutlich für InuYasha schwerer hinzunehmen, als die Worte des Wolfsdämons. Dennoch hielt er sich mühsam zurück, als Kagome ihn am Ärmel seines Suikans zupfte. „Nicht doch, InuYasha!“, murmelte sie beschwichtigend.

Doch weiter kam sie gar nicht, Kôga fuhr nämlich noch fort. „Gar nichts geht sie mich nämlich an. Ich habe, was ich brauche. Mein Rudel, meine Gefährtin, meinen Sohn“ Der Schwarzhaarige hatte sich nicht umgewandt, aber das brauchte er auch gar nicht, denn Kagome hatte InuYasha vollkommen überrascht losgelassen und während der mit offenem Mund da stand, lief sie um Kôga herum. „Ist das wahr, Kôga- kun?“

Er nickte. „Kiyoshi ist jetzt etwas über vier Monate alt“, erzählte er stolz.

„Glückwunsch!“, wünschte Kagome.

InuYasha hatte sich derweil wieder von seinem Erschrecken erholt. „Na hoffentlich wird der nicht genauso dämlich wie dieses Wölfchen hier!“, kommentierte er.

Das konnte Kôga nun doch nicht auf sich sitzen lassen. „Es reicht, dummer Köter!“, knurrte er und diesmal klang es ernst. Auf seinen Sohn ließ Kôga nichts kommen. Mit schmalen Augen und entblößten Reißzähnen hatte er sich wieder dem Hanyou zugewandt.

Der krümmte nur vielsagend eine Hand zur Klaue. So schnell würde er nicht klein bei geben.

Kagome besah sich das Geschehen, dann schlug sie sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Womit wir das nächste Streitthema hätten…“, murmelte sie resignierend und schüttelte leicht den Kopf.

Bei Kôgas Rudel

InuYasha war offenbar nun wirklich bereit, wieder mal auf Kôga loszugehen, als wäre nichts geschehen in den vergangenen Jahren, da platzten Ginta und Hakkaku dazwischen, die endlich aufgeholt hatten.

„Kôga! Kannst du nicht…“ Sie erstarrten. „Kagome!“, riefen sie wie aus einem Munde und bauten sich vor der jungen Miko auf.

Kagome gab ihre etwas genervte Haltung auf und lächelte breit. „Tag auch, ihr beiden“, grüßte sie. Einer der tierischen Wölfe stupste ihre Hand an und sie beugte sich zu ihm hinab, streichelte ihn leicht über den Kopf. Solange gerade Kôga nichts dergleichen befahl, würden die Tiere nicht auf sie losgehen, soviel wusste sie noch. Die Dämonen standen in so einem gemischten Rudel selbstverständlich weit über den tierischen Mitgliedern. InuYasha ignorierte sie in diesem Moment und anders als früher schien das zu reichen, um ihn wieder zur Besinnung zu bringen.

Missmutig knurrend wandte er sich von Kôga ab und blickte ins Nichts.
 

Der Wolfsdämon grinste feist. „Na also, Hündchen weiß ja, wo sein Platz ist“

„Kôga, langsam reicht es“, mischte sich Kagome wieder ein, der es nun allmählich zu bunt wurde. Das könnte noch Jahre so weitergehen, wenn es nach den beiden ging.

„Wenn du es wünschst, liebste Kagome“, grinste der, zwinkerte ihr aber verschmitzt zu. „Wollt ihr mitkommen? Ihr könnt die Nacht bei uns verbringen. Ist sicher bequemer, als hier“, wechselte er dann das Thema.

Kagome war etwas überrascht von diesem Vorschlag, sah aber nur unsicher aus dem Augenwinkel zu InuYasha. Ob das so eine gute Idee war? Der Hanyou bemerkte ihren Blick, sah zu ihr.

Sie zog die Augenbraue hoch, stumme Frage ob er sich zu benehmen wusste.

Schließlich gab der Halbdämon nach. „Keh!“, lautete sein einziger Kommentar, aber das war zu erwarten gewesen.

Kagome sah sich im Rest ihrer Gruppe um. „Kohaku? Shiori? Hat irgendwer etwas dagegen?“

Das Halbdämonenmädchen erhob sich. „Wenn du sicher bist, dass sie friedlich sind…“, gab sie bloß zurück, während Kohaku bereits den Kopf schüttelte.

„Naja, das da eben ist üblich, InuYasha und Kôga-kun hatten sich schon immer in den Haaren. Das musst du nicht weiter beachten. Der Rest ist ganz in Ordnung, sieh dir die beiden an“ Sie zeigte auf Ginta und Hakkaku, die noch immer über das ganze Gesicht strahlten. Seit der kurzen Episode mit Kagome als Gefangene Kôgas, noch im alten Rudel, sahen sie in der jungen Miko eine Art Schwester und so verhielten sie sich auch.

Shiori nickte und setzte sich dann in Bewegung um Tián dazu zu holen. Mal sehen, wie sie ihm verständlich machte, wer das hier schon wieder war. Kagome und InuYasha schienen diese Wolfsdämonen ja zu kennen, aber sie hatte keine Ahnung, was es mit ihnen auf sich hatte. Vielleicht konnte sie das später in Erfahrung bringen.
 

Minuten später zog die gemischte Gruppe los, Kagome hielt sich, Kirara und Kohaku an ihrer Seite, vorsorglich zwischen dem vorangehenden Kôga und InuYasha. Shiori und Tián taperten hinterher, nur noch gefolgt vom tierischen Teil der Wolfspatrouille. Immer weiter ging es bergan, über serpentinenähnliche Felspfade.

Plötzlich kamen ihnen weitere Wolfsdämonen entgegen, hielten vor der Gruppe. „Kôga-sama, wer ist das?“, wollte der offenbar Ranghöchste wissen.

„Alte Freunde, Kenta. Sie werden unsere Gäste sein. Sei so gut und schicke jemanden, Ayame Bescheid zu sagen. Sie wird sich freuen“, erwiderte Kôga ungerührt von den misstrauischen Mienen der vier Yôkai, die hinter dem mit Kenta angesprochenen standen. Auch jetzt wandten sie sich nur sehr zögerlich um, gehorchten aber.

Kagome verstand dieses Verhalten sogar. Eine Gruppe mit zwei Hanyou, einem etwas zerrissenen Yôkai und zwei Menschen, von denen einer auch noch die Kleidung einer Miko trug und freundschaftlich nah hinter Kôga ging, das musste ihnen ja suspekt vorkommen.

In ihrem Schlepptau zogen die Freunde mit, immer weiter hinauf.

Endlich erreichten sie ein Plateau, an dessen anderem Ende sich ein breiter Höhleneingang zeigte, von dem aus es offenbar tief in den Berg hinein ging.

Immer mehr Wolfsdämon traten heraus, versammelten sich, teils überrascht und neugierig, teils ebenso misstrauisch wie die Wachposten, die ihnen entgegen gekommen waren.

Kôga kniff die Augen zusammen. „Hört her! Sie sind Gäste! Wer ihnen etwas zu Leide tut, bekommt es mit mir zu tun!“, rief er in die Menge hinein und sofort lief ein Raunen durch die Versammelten. Aufgeregtes Getuschel setzte ein.

Bemüht ungerührt zog die Gruppe weiter, in die Höhle hinein.

Kagome sah sich um. Im Gegensatz zu den anderen kannte sie ja das Innere einer solchen Rudelhöhle und war nun erstaunt, wie anders es hier aussah. Es gab viel mehr Seitenhöhlen und kein offenes Lager des Rudelchefs. Offenbar besaß er hier so etwas wie abgetrennte Gemächer.

Kôga hatte ihren Blick bemerkt. „Das hier ist der Fürstensitz, wenn du so willst“, erklärte er.

Die junge Miko horchte auf. „Fürstensitz? Das bedeutet, du bist jetzt so etwas wie ein Fürst?“, fragte sie nach. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet – und das hatte sie sich bei Kôga auch nicht vorstellen können.

Doch der schwarzhaarige Wolfsdämon kam gar nicht mehr zu einer Antwort, denn jemand anderes mischte sich ein: „Nicht nur, so etwas. Als mein Gefährte ist er der Herr aller Wölfe und der Fürst des Nordens. – Ich freue mich, euch wiederzusehen, Freunde!“
 


 

Sesshoumaru und Natsu hatten derweil Rast gemacht. Sie hätten genauso gut die Nacht durchwandern können, so oft mussten Yôkai ihrer Stärke nicht schlafen, aber diese Stelle an einem lichten Waldrand bot sich geradezu an. Und weil sie sowieso voraussichtlich noch Tage von ihrem Ziel entfernt waren, gönnten sie sich eben jetzt etwas Ruhe.

Der Hundedämon hatte sich wie üblich an einem Baumstamm niedergelassen, ein Bein ausgestreckt, eines angewinkelt.

Natsu saß nicht weit entfernt von ihm im Gras, blickte in die Ferne, wo sich langsam die Dämmerung ankündigte.

„Warum haben sie dich mit mir geschickt?“, hörte sie da plötzlich die kühle Stimme des Inuyôkai.

Ohne den Blick zu wenden, begann sie mit ruhiger Stimme zu berichten: „Kuraiko-dono ist nach dem Tode ihres Gefährten sehr verbittert. Lange ließ sie keinen an sich heran. Schließlich übernahm ich, auf Wunsch meines Vaters, bei ihr den Posten der persönlichen Dienerin. Und offenbar habe ich mich so verhalten, dass sie offener wurde, sich mir anvertraute, mit mir redete. Das tat sie oftmals nicht einmal mit ihren Kindern. Doch als die vier den Thron übernahmen, ging sie fort. Sie spannte mehrere Bannkreise um ihr Versteck, aus ihrem eigenen Yôki und auch von der Sekai no Tia. Und sie baute einen Fallenpfad auf, der auch unser eins gefährlich werde kann, wenn man nicht jeden Schritt kennt. Ich bin die einzige, die das tut“

Sie konnte sich zwar sehr gut denken, dass ihm eine solche Rede nicht unbedingt gefallen würde, aber sie wollte sich auch nicht zu einem Frage-Antwort-Spielchen herablassen. Sie mochte nur eine niedere Prinzessin sein und er ein richtiger Fürst, deswegen hatte sie dennoch ihren Stolz. Und außerdem war da ja ihr Vorhaben.

Dennoch wunderte es sie wenig, dass er schwieg. Das war eine der ersten Verhaltensweisen seinerseits gewesen, die ihr aufgefallen war. Er verlor kein Wort zu viel und wenn er doch sprach, dann ohne jegliche Emotion. Dieses Verhalten konnte einem geradezu das Fürchten lehren, auch wenn er eigentlich wenig boshaft aussah, mit der hellen Kleidung und den schmalen, fast aristokratischen Gesichtszügen. Aber daran sollte sie wohl keinen Gedanken verschwenden. Andere Dinge an ihm sollte sie sich eher merken, um später keinen Ärger zu bekommen.

Tôran konnte in manchen Fällen unnachgiebig sein. Und der weißhaarige HundeYôkai gehörte offenbar zu diesen Dingen.

Dennoch, so kam sie nicht weiter.

Morgen war auch noch ein Tag. Jetzt sollte sie sich wohl etwas entspannen.

Also hob sie die Hand und fingerte etwas hinter dem Tuch um ihre Taille hervor. Das Ding, das sie nun in der Hand hielt, sah aus als habe jemand mehrere, unterschiedlich lange Flöten aneinander gereiht und in ihren obendrein die Löcher vergessen. Vorsichtig setzte sie das seltsam anmutende Instrument an die Lippen und blies über die Kanten der Röhrchen. Ein dumpfer, tiefgehender Ton erklang, als würde der Wind persönlich durch die Röhrchen fahren. Geschickt bewegte Natsu ihre Hände, sodass mal die längeren und mal die kürzeren Röhrchen mit ihrem Atem in Kontakt kamen.

Die einzelnen Töne verwoben sich schwebend zu einer feinen Melodie, so hauchzart und weit in die Landschaft getragen, als gehörten sie der Natur persönlich.

Die Löwendämonin merkte scheinbar nicht, dass Sesshômaru sie aus dem Augenwinkel beobachtet, sondern versank in ihrem Spiel, vollkommen vergessend, wo sie war und mit wem sie hier war.
 

Sesshômaru wandte ihr nun ein wenig den Kopf zu, als er sicher war, dass sie es nicht bemerken würde. Am Ende würde sie sonst noch annehmen, er habe Interesse an ihr.

Allerdings interessierte ihn eher dieses Musikinstrument wirklich. Nie hatte er ein solches gesehen. Anderes, wie die Ryūteki, die Drachenflöte, die auch seine Mutter beherrschte, oder die Kagurabue der menschlichen Shinto-Tänzer, war ihm durchaus geläufig. Aber das, was Natsu dort in der Hand hielt… er musste zugeben, dass er Neugier verspürte, woher sie es hatte und woher sie gelernt hatte, es zu beherrschen. Denn die Melodie, die sie spielte, war nicht nur in sich vollkommen, sie wies auch auf lange Übung hin.

Dennoch versagte er sich zu fragen, sein Stolz verbot es ihm.

Doch ganz weit hinten, da war noch eine kleine Stimme, die ihm sagte, dass er sie auch einfach nicht unterbrechen wollte.
 


 

Kagome wirbelte herum, als sie die Stimme erkannte. „Ayame-chan!“, rief sie aus und kam der weißgekleideten Wolfsdämonin entgegen. Die beiden Yôkai, die daneben gestanden hatten, wichen mehr aus Überraschung als aus Höflichkeit zurück und machten den Weg frei.

Ayame lächelte lausbubenhaft. „Hallo Kagome. Lange nicht gesehen!“, antwortete sie freundlich. Im Normalfall hätte sie die junge Miko vermutlich umarmt, aber da sie ihren Sohn auf dem Arm hielt, ging das schlecht. Stattdessen sah sie lächelnd zu, wie Kagome näher kam, das Yôkaibaby betrachtete. Bis auf das blasse Familienzeichen und die spitzen Ohren sah er noch beinahe aus wie ein Mensch, die Nägel waren noch kurz und Zähne hatte er keine. Aber das würde mit der Zeit kommen. In vielleicht 12 Jahren, wenn man ihn entwicklungstechnisch mit einem dreijährigen Menschenkind gleichsetzen konnte, würde der Unterschied deutlicher zu erkennen sein.

Kagome war derweil mit zwei Fingern leicht über die Wange des Babys gefahren, hatte dabei allerdings seinen Mundwinkel berührt.

Kiyoshi reagierte nach Tierbaby-Art. Er schnappte nach dem Finger und begann daran zu saugen.

Ayame lachte auf, ebenso Kagome, nachdem sie sich von ihm kurzen Schrecken erholt hatte.

Endlich näherte sich auch InuYasha, begutachtete den kleinen Wolfsdämon aus gewisser Entfernung. „Naja… niedlich ist er ja…“, gab er dann wiederstrebend zu.

„Und er ist stark, wird wohl ähnliche Fähigkeiten wie Kôga ausbilden. Flink und treu“, ergänzte Ayame und lächelte Kôga, der noch immer hinter InuYasha stand verschmitzt zu. Der Schwarzhaarige erwiderte die Geste, ehe er sich näherte.

„Woher wisst ihr das denn jetzt schon?“, wollte Kagome wissen.

„Der Schamane sagt es. Er kann in gewisser Weise fühlen, in welche Richtung die Fähigkeiten eines Jungtiers gehen. – Tja, der hohe Rang hat schon Vorteile. Einem normalen Wolfsdämon würde der Schamane so eine Voraussage nie gewähren“ Kôga grinste spitzbübisch.

„Na hoffentlich hat dein toller Schamane nicht auch gesagt, der Kleine habe die Dummheit seines Vaters geerbt!“, mischte der Halbdämon sich wieder ein.

Ayame, Kagome und Shiori verdrehten gleichzeitig die Augen, ehe letztere hastig zurückwich, weil einige Wolfsdämonen so eine Beleidigung nicht auf ihrem Rudelchef sitzen lassen wollten.

Kôga hob gerade eine Hand um abzuwinken, schließlich ließ er auch keinen boshaften Spruch auf Kosten des Halbdämons aus, da entstand an einer ganz anderen Stelle der Höhle Aufruhr.

Schreie waren zu hören, als zwei Wolfsdämonen eine Dämonin mit sich in den Kreis der anderen zerrten.

Sie wehrte sich heftig, kam aber gegen die beiden nicht an. Ihre dunkelgrauen Haare umrahmten ein zartes Gesicht, das an beiden Wangen tiefen Kratzer aufwies. Sie trug nicht die übliche Tracht der Wölfe, sondern einen extrem schlichten, weißen Yukata, der aus so dünnem Stoff gewebt war, dass er beinahe durchscheinend war. Auch auf dem Kleidungsstück waren Blutflecke zu erkennen. Sie sah aus, als wolle man sie zur Hinrichtung führen.

„Was wird das?“, fragte Kôga eindringlich.

Einer der Wolfsdämonen fiel auf ein Knie ohne die Dämonin loszulassen, neigte den Kopf. Eine deutliche Unterwerfungsgeste, heutzutage unüblich bei den Wölfen. Aber er blieb stumm.

Dafür zog Ayame tief die Luft ein.

Die fragenden Blicke der Gäste richteten sich auf sie, bloß Kirara sah zu der Gefangenen und auch InuYasha schien etwas zu ahnen. Dennoch ließ er überraschenderweise Ayame reden.

„Sie muss in dieser Nacht oder zumindest vor sehr kurzer Zeit ihre Ehre hingegeben haben. Und der, der dafür verantwortlich ist, hat sie nicht gezeichnet“

Kagome zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Gezeichnet… sie zu seiner Gefährtin gemacht. Er tat es nicht. Somit ist sie ehrlos und befleckt“, erklärte die Rothaarige im Flüsterton.

„Genau!“, begehrte einer der Wolfsdämon mit rauer Stimme auf, der eben noch ihre Leibwache gebildet hatte.

Der Ausruf wurde von anderen übernommen, hallte in der Höhle wieder.

Die Grauhaarige war zitternd am Boden zusammengesunken. Sie schluchzte heftig, doch weinte sie nicht. Yôkai konnten nur sehr selten Tränen aus Angst, Schmerz oder Traurigkeit vergießen. Plötzlich trat einer derer, die sie hergebracht hatten, ihr in die Seite, sodass sie hart auf den Felsboden fiel.

Da wurde es Kôga zu viel. „Es reicht!“, befahl er mit ungewohnt harter Stimme. „Was genau ist geschehen?“

Der, der getreten hatte, sah etwas auf. „Sie ließ sich mit Meiyo ein“

Das Zittern der Grauhaarigen wurde stärker. „N-nein…“, stotterte sie fast tonlos. „E-er war… war es…“ Damit verstummte sie, als wäre ihre Kehle zugeschnürt.

„Was heißt das?“

„Meiyo selbst ist schuld. Er nahm sich einfach, was er wollte. Wäre ja nicht das erste Mal!“, knurrte jemand bitterböse dazwischen und eine Gestalt schob sich durch die Menge zu Kôga, die Kagome kaum wiedererkannt hätte.

Der einzige Wolfsdämon, der vorhin besonnen geblieben war, als Kôga den, für die Wölfe, sicher seltsamen Besuch mitbrachte, strahlte nun reine Wut aus, seine Augen waren blutrot und die Reißzähne schoben sich über die Unterlippe, als er erneut knurrte.

Sofort war Kôga bei ihm. „Kenta! Kenta, beruhige dich!“, sagte er eindringlich, denn nicht nur Kagome, auch die Umstehenden waren erschrocken zurückgewichen, als das Yôki des erfahrenen Yôkai mit jedem Atemzug deutlicher aufwallte. Kaum einer kannte Kenta so.

Da stand plötzlich eine jüngere Gestalt neben Kenta, honigfarben die Haare und die Tracht. Er nickte Kôga kurz zu. „Ich kümmere mich um ihn… du kennst die Geschichte meiner Schwester“, murmelte er leise, ehe er sich an den wütenden Yôkai wandte. „Otou-san! Komm zu dir!“ Der Jüngere kniff die Augen zusammen, während er seinen offensichtlichen Vater fixierte.

Endlich beruhigte der sich ein wenig. Die Augen blieben blutrot, aber er zog sein Yôki wieder ein wenig in sich zurück.

„Danke, Kouhei“, sagte Kôga, ehe er sich wieder an die Menge wandte. „Ist noch jemand der Meinung, Meiyo sei schuld an der Misere?“

Die Heilerin, die etwas abseits stand, hob sofort die Hand, auch ihre Miene war etwas verzerrt vor Wut, aber sie hatte sich besser im Griff. Zögerlich folgten andere Hände.

Der Schwarzhaarige atmete tief durch. „Sieht so aus, als ob Meiyos Ruf diesmal deutlicher bestätigt wird, als vor zwanzig Jahren“, bemerkte er, was ein erneutes Knurren Kentas zur Folge hatte. Offenbar ging ihm die ganze Szene sehr nahe.

Kôga schloss kurz die Augen, ehe er wieder die Stimme erhob. „Setzt beide – Meiyo und Misaki – fest. Getrennt voneinander!“, befahl er und wandte sich um.

Er schüttelte langsam den Kopf.

„Tut uns Leid. Das war wirklich ein Musterbeispiel eines verdorbenen Tages. Normalerweise geht es hier eher ruhig zu“, übersetzte Ayame diese Geste in die Entschuldigung, die es sein sollte.

Kagome lächelte schief. „Schon gut. Wir sind ja einiges gewohnt“ Aber ihre Antwort klang etwas dünn. Die Szenerie von gerade eben hatte sie ziemlich erschüttert.
 


 

Am Rande des neutralen Gebietes, jenseits der Grenzen der Fürstentümer, wo sich die Schwefeldämpfe wieder etwas lichteten, kam Kirin eine hochgewachsene Gestalt entgegen.

Myouga, der notgedrungen auf dem Mähnenkamm des japanischen Einhorns Platz genommen hatte, wollte sich schon schutzsuchend tiefer in die weißen Haare graben, als er die freundlich grüßenden Worte der Gestalt vernahm, freilich an Kirin gerichtet. Erleichtert atmete Myouga durch.

Ein Ohrenzucken Kirins zeigte, dass er das durchaus mitbekommen hatte, aber das magische Wesen war taktvoll genug, den Flohgeist nicht darauf anzusprechen. Stattdessen neigte es ein klein wenig den Kopf. „Vielen Dank fürs Warten, Yutaka“, sprach es in Richtung der Gestalt und schloss an deren Seite auf, sodass sie gemeinsam die Schwefeldämpfe wieder verließen.

„Immer wieder gern, Kirin“

Erst jetzt erkannte Myouga den Dämon, der hier offensichtlich auf Kirin gewartet hatte. Yutaka war seit Jahrhunderten der treue Wegbegleiter des Einhorns.

Und jetzt hatte besagter Pferdedämon ihn entdeckt. „Ach sieh an, Myouga. Auch wieder im Lande?“

„Das könnte ich eher euch fragen. Guten Tag, Yutaka-san“, gab der Flohdämon zurück und hüpfte einmal hoch, ehe er es sich wieder bequem machte. Dabei musterte er den Pferdedämon.

Kaum verändert hatte er sich, in den letzten Jahrzehnten, seit man sich zuletzt gesehen hatte. Die Yôkaitypisch spitzen Ohren verliefen bei ihm statt nach hinten, eher nach oben, die dunkelroten Haare trugen einen deutlichen Scheitel in der Mitte und auch die Zähne waren pferdeähnlich. Seine Klauen waren schwarz wie die Hufe eines Pferdes. Er trug Haori und Hakama in einfachem Graublau, wobei die Beine der Hakama nicht voneinander getrennt waren, fast wie bei einem Rock.

„Wir reisen auf der Suche nach dem verschol…“, weiter kam er nicht.

„Das weiß er bereits. Myouga meint, er kenne eine Nekomata, die uns vielleicht weiterhelfen kann“, unterbrach Kirin ihn und schlug leicht mit dem Schweif, während er sich in Bewegung setzte.

Automatisch wandte er sich nach Norden, dorthin wo Toutousai Tessaiga gefühlt hatte und InuYasha samt dessen Bande vermutete.

Yutaka folgte ihm wortlos und sofort.
 


 

Bei den Wölfen war inzwischen Ruhe eingekehrt, Kôga, Ayame und die Gruppe rund um InuYasha hatte sich zurückgezogen.

Schließlich hielt es Kagome nicht mehr aus. „Sag, Kôga-kun, was ist eigentlich aus der Angelegenheit vorhin geworden?“

Der Wolfsdämon sah sie ungewohnt ernst an. „Meiyo hat die Strafe bekommen, die er verdient. Auf Ehrenraub in so oft wiederholtem Falle, wie es bei ihm zusammengetragen wurde, und auch einen indirekten Mord steht der Tod. Und den hat er bekommen“

Kagome war zwar zusammengezuckt, aber für sie war noch nicht alles geklärt. „Und das Mädchen? Diese…“ Sie überlegte.

„Misaki“, half Ayame. „Es wurden Stimmen laut, sie gleich mit zu töten, aber nach den Aussagen vieler anderer dürfte klar sein, dass sie nichts dafür konnte. Also wurde sie gebrandmarkt und gut ist. Sie wird noch zwei Tage in Arrest sitzen, um festzustellen, ob Meiyos Tat Folgen hat und dann war es das“

„Gebrandmarkt?“

„Nach so einer Verfehlung ist es Pflicht im Clan der Ookami, das die betreffende Yôkai ein deutliches Zeichen trägt, damit jeder Bewerber weiß, dass sie nicht mehr unbefleckt ist. Zu diesem Zweck muss sie ab jetzt stets je eine gefleckte Blüte im Haar und an der Kleidung tragen. Kamelien eignen sich dazu. Da die im Süden lebenden Dämonenvölker ähnliche Sitten haben, gibt es einen Pakt, dass wir diese Blüten von dort bekommen, wenn wir sie benötigen. Soweit ich weiß, halten es alle so. Nur die Neko nicht, bei denen gibt es so eine Brandmarkung nicht“ Es war Ayame deutlich anzusehen, dass sie trotz des heiklen Themas erfreut war, ihr Wissen ausspielen zu können. Denn Kôga, der außerhalb des einigermaßen fürstlichen Parketts hier aufgewachsen war, hatte von so etwas keine Ahnung.

Für einen Moment kehrte Stille ein, dann meldete sich überraschenderweise InuYasha zu Wort und das auch noch eher nachdenklich als bissig. „Du hast von Mord geredet, Kôga. Was meinst du damit?“ Dass er den Schwarzhaarigen mit Namen anredete, war schon an sich ein kleines Wunder, aber das schien InuYasha nun wirklich zu interessieren.

Wieder war es Ayame, die an Stelle ihres Gefährten antwortete. „Meiyo hat Kentas Gefährtin auf dem Gewissen. Deswegen ist Kenta auch vorhin so ausgerastet. Meiyo nahm sich auch Sayo vor, wie schon so viele andere. Nur war Sayo zu diesem Zeitpunkt bereits tragend und Meiyos Spielchen haben ihr sehr geschadet. Mit viel Glück überlebte sie die Geburt und die ersten Monate. Wir vermuten, dass sie sich vielleicht sogar vom Yôki ihrer neugeborenen Tochter gespeist hat um überhaupt lange genug durchzuhalten, bis eine Amme die Aufzucht übernehmen konnte. Schon am Tage der Geburt war klar, dass Sayo nicht mehr lange mitmachen würde. Deswegen trägt Kentas kleine Tochter auch den Namen Sayoko. An dem Tag, an dem die Kleine fünf Monde alt wurde, das Alter in dem sie ihr Yôki frühestens selbst im Griff hat, starb Sayo. Das war jetzt vor zwanzig Jahren“ Ayames Stimme war zum Ende immer leiser geworden, ein bitterer Ton lag darin und nun seufzte sie tief.

Die Gäste aber verstanden nun. Deswegen die Bemerkung des anderen Wolfsdämon vorhin, den Kôga mit Kouhei angesprochen hatte. Der hatte von seiner Schwester gesprochen. Sayoko. Eine grauselige Geschichte.

Unbewusst hatte Kagome sich an InuYasha gelehnt, schutzsuchend ihre Finger mit seinen verschränkt. Aber nun konnte sie nur allzu gut verstehen, wieso Kenta vorhin so ausgerastet war. Ihr Blick glitt zu Ayame, die die Augen geschlossen hielt, sich offenbar beruhigen wollte, ihren Sohn dabei im Arm wiegte.

Kôga saß dabei direkt neben ihr, eine seiner Hände ruhte beruhigend auf ihrem Oberschenkel.

Kirara lag in ihrer kleinen Form auf Kohakus Schoss und er beruhigte sich dadurch, dass er sie am Rücken kraulte. Dennoch wagte Kirara nicht zu schnurren. Zu angespannt war die Situation noch, nach dieser Erzählung.

Tián, der scheinbar nur einen winzigen Bruchteil verstanden hatte, aber durchaus merkte, dass die Luft zum Schneiden und Shiori, die links neben ihm saß, ziemlich erschüttert war, kniff ein klein wenig die Augen zusammen, ehe er nach der Hand des Halbdämonenmädchens griff und sie tröstend drückte. Wenn das so weiterging, konnte es dauern, bis er seine Lebensschuld einlösen konnte. Aber für sie da sein, das konnte er schon jetzt.

Diskussionen

Ein neuer Morgen war angebrochen.

Schon als die ersten Sonnenstrahlen in die Höhlen der Wolfsdämonen gedrungen waren, war InuYasha erwacht. Nun stand er auf dem Plateau vor dem Eingang und sah den Felsenpfad hinauf. Plötzlich bemerkte er eine schnelle Bewegung hinter sich, fuhr herum.

Ein Wolfsdämon stand da, der jetzt kurz den Blick niederschlug um seine friedlichen Absichten zu demonstrieren.

InuYasha kniff die Augen zusammen. „Kenta, richtig? Was willst du von mir?“

„Ich möchte Euch und eure Freunde um Verzeihung bitten. Mein Ausbruch gestern muss euch ziemlich erschreckt haben. Es tut mir Leid, Freund von Kôga-sama“

„Keh! Ich heiße InuYasha. Und ein Freund bin ich sicherlich nicht“

Kenta schmunzelte ein wenig, seine Stimme verlor etwas von ihrem Ernst. „Das denke ich aber schon. Obwohl ich durchaus merke, dass die Situation etwas angespannt ist, zwischen dem Fürsten und Euch. Darf ich mir die Frage erlauben, woran das liegt?“

„Wir konnten uns noch nie leiden, wenn du das meinst. Bis vor einiger Zeit war er noch hinter Kagome her“, gab InuYasha etwas wiederstrebend zurück. Er wusste nicht, was er von der seltsam höflichen Art des Wolfsdämonen halten sollte. Wenn die Sprache nicht gerade auf seine verstorbene Gefährtin kam, schien der ja die Ruhe weg zu haben und obendrein war er sich nicht zu fein, ein ernsthaftes Gespräch mit einem Hanyou zu führen. Irgendwo schon seltsam.

„Kagome?“, fragte Kenta derweil nach. „Die Miko? Eure Gefährtin?“

InuYasha hätte sich fast verschluckt, bei der Bezeichnung, fing sich aber gerade noch. Seine Ohren zuckten, als er überlegte, wie Kenta darauf kam. Nun ja, irgendwo… Kagome war für ihn das wichtigste geworden, das er besaß. Aber seine Gefährtin? Dazu gehörte doch, dass er… nein, nicht weiter darüber nachdenken.

Aber jetzt wusste er, wieso Kenta die junge Miko so betitelt hatte. Nach dem Gespräch gestern hatte Kagome die ganze Nacht über an ihn gelehnt geschlafen. Er musste ihre Witterung an sich haften haben und der Geruchssinn eines Ookami war kaum schlechter als der eines Hundes. „So in etwa…“, antwortete er daher ausweichend und versuchte mit mäßigem Erfolg das leichte Grinsen des Wolfsdämons zu ignorieren. Schließlich wandte er sich wieder ab.

Kenta ließ sich davon wenig beeindrucken. Er kam einen Schritt näher, gesellte sich neben den Halbdämon. „Ihr seid nicht einfach so hier vorbeigekommen, oder?“

InuYasha schüttelte den Kopf, ohne seinen Gesprächspartner anzusehen. „Wir haben einen Auftrag“

„Eure Gruppe ist zu unkonventionell um als Söldner zu arbeiten. Also, warum reist ihr umher?“

„Um unser Dorf und vielleicht noch viel mehr zu schützen. Alles Weitere müsstest du wohl Kirara fragen“

Kenta zuckte zusammen. „Ki-rara? Ihr meint… die Nekomata? Sie heißt Kirara?“

Jetzt sah der Hanyou doch auf. „Klar. Was ist daran so schlimm?“

Der Wolfsdämon schüttelte den Kopf. „Schlimm ist gar nichts. Aber… Ihr wisst schon, was für ein legendäres Wesen ihr mit ihr habt?“

Nach Hundeart fragend legte InuYasha etwas den Kopf auf die Seite.

„Kirara zog einst mit einer berühmten Miko durch die Lande. Midoriko nannte man sie. Sie war unglaublich stark, für eine Menschenfrau, und auch bei Dämonen berühmt… nun, eher berüchtigt. Und sie wusste zu unterscheiden. Yôkai griff sie nie an, es sei denn, um sich zu verteidigen. Nur Oni hatten bei ihr schlechte Karten. Und mit Kirara begleitete sie sogar ein dämonisches Wesen. Nach einigen Jahren hörten die Berichte über die Taten Midorikos auf. Keiner weiß, was danach mit ihr geschah“

InuYasha ballte eine Faust zur Klaue. Midoriko, die Erschafferin des Shikon no tama. Sie war einst Kiraras Herrin gewesen? Er konnte für sich nicht abschätzen, ob er Kirara damals vertraut hätte, als sie sich zum ersten Mal trafen, hätte er das gewusst.

Sie war damals schon Sangos treue Begleiterin gewesen, aber dennoch… Midoriko…

Kenta hatte die Geste bemerkt, zog eine Augenbraue hoch. „Ihr wusstet wirklich nichts davon“, konstatierte er etwas vorsichtig, konnte er doch gerade nicht einschätzen, was in dem Halbdämonen vorging.

„Keh! Nein“, knurrte InuYasha, während er auf den Boden starrte. Dann atmete er tief durch. „Du willst wissen, was mit Midoriko geschah? Jahrelang war sie die Gegnerin der Oni gewesen. Irgendwann vereinten die sich, um sich ihr gemeinsam entgegen zu stellen. Nach unmenschlich langem Kampf, war Midoriko am Ende ihrer Kraft. In einem letzten Schlag opferte sie sich, um die Dämonen zu bannen.

Aus Ihrer Seele und denen der Dämonen entstand das Shikon no tama, das Juwel der vier Seelen, eines der furchtbarsten Artefakte unserer Zeit, mit der Macht, jegliche dämonische Kraft um ein Vielfaches zu verstärken. Jahrhunderte lang richtete es Unheil an, bis es vor knapp vier Jahren endlich zerstört werden konnte“

InuYasha hatte ungewohnt bitter gesprochen, verstummte nun abrupt, als erneut jemand an seine Seite trat.

Er erkannte den ponygroßen Körper der Nekomata, die zu ihm aufsah.
 

Ihre roten Augen leuchteten hintergründig, als sich ihr Blick auf den Horizont, in die Weite richtete. Sie öffnete weit das Maul und ein tiefes Fauchen hallte durch die Berge und wurde aus mehreren Richtungen als Echo zurückgeworfen, dass es eine fest monumentale Stimmung herbeizauberte.

Die Aussage dieses Lautes konnte sogar InuYasha verstehen: ‚So ist es. Nun kennt ihr also meine ganze Geschichte…‘
 


 

Auch in einem ganz anderen Gebiet lagen bernsteinfarbene Augen auf dem Sonnenaufgang, doch war der Besitzer diesmal kein Halbdämon, sondern ein vollwertiger Yôkai.

Tatsächlich beobachtete Sesshômaru die orangenen Schlieren, die sich langsam verzogen und den bläulichen Taghimmel freigaben. Noch immer saß er an seinem Platz, ohne sich die Nacht über gerührt zu haben.

Er dachte über Natsus Worte vom vergangenen Abend nach.

Diese Kuraiko, Urkönigin der Panther, schien ein etwas eigener Charakter zu sein. Nun, solange Tôran ihr Verhalten nicht von ihrer Mutter hatte, sollte es ihm Recht sein. Mit allem anderen wurde er fertig.
 

Natsu saß derweil höchstens drei Meter entfernt auf einer Hügelkuppe, teilte ihre Haare um sie neu zu flechten. Für sie wäre es ungewohnt, wären ihre Haare offen, sollte die Reise nicht weiterhin so friedlich bleiben. Kampf mit offenen Haaren – Nein. Ihr Begleiter unterdrückte sein Yôki komplett, sie inzwischen auch, sodass einige dämliche Oni sie vielleicht für Menschen halten würden und bei der Masse, mit der die normalerweise auftraten, dürfte ein Kampf kaum zu vermeiden sein. Nichts, was sie schätzte.
 

Doch plötzlich hob sie den Kopf, war mit einer geschmeidigen Bewegung auf den Beinen. „Sesshômaru-sama…“, begann sie leise.

„Ich weiß!“, wurde sie kühl unterbrochen, spürte im gleichen Augenblick, dass der weißhaarige Yôkai nun direkt hinter ihr stand.

Sie wandte nicht den Kopf, als er an ihr vorbei trat.

„Bleib zurück!“, befahl er emotionslos.

Nun sah Natsu ihn doch an. Auf der einen Seite hatte er ihre Warnung offenbar verstanden und nahm sein Zugeständnis ihrem Vater gegenüber, auf sie Acht zu geben, ernst. Auf der anderen Seite aber mochte sie nicht zurückstehen. Also kam sie einen Schritt hinterher. „Ich werde sicherlich nicht hier stehen bleiben!“, murmelte sie leise und kam an seine linke Seite.

„Du bist eine Hime!“, konterte er sachlich und trat wieder den Schritt schräg vor sie.

Nun verengte Natsu doch die Augen, unterdrückte nur mühsam ein Fauchen. „Glaubt Ihr, das Schwert und die Rüstung seien Dekoration?“, fragte sie sauer nach.

Diesmal antwortete Sesshômaru nicht, sondern richtete seinen Blick auf den Himmel, wo sich ein Schwarm flugfähiger Oni näherte. Er konnte deutlich erkennen, dass ihr Yôki flackerte, sie nicht ganz bei Sinnen waren. Ohne das seiner Mimik irgendeine Regung anzusehen war, gab er ein wenig von seinem Yôki frei. Keine Reaktion bei den Gegnern, denen bereits diese Menge Yôki gefährlich werden könnte. Der Schwarm kam näher.

Ohne sich etwas anmerken zu lassen, setzte er sich in Bewegung, sprang den Dämonen entgegen.

Natsu, die ihm trotzig auf dem Fuße folgte, registrierte zufrieden, dass er nichts dagegen sagte. Also durfte sie mitmischen. Und das tat sie nur zu gern.
 


 

„InuYasha! InuYasha, wo bist du de… oh, endschuldige. Störe ich? Ich habe Kirara brüllen gehört und dachte… ahh!“ Kagome, die hektisch aus der Höhle gestürmt war, stolperte und wäre wohl auf den harten Fels geprallt, wenn InuYasha sie nicht im letzten Moment aufgefangen hätte. „Alles in Ordnung, Tollpatsch“, grinste er und stellte sie wieder sicher auf die Füße.

Kenta, der das beobachtet hatte – und, nebenbei bemerkt, von der schnellen Reaktionsfähigkeit des nun doch nicht vollwertigen Dämons überrascht war – zog eine Augenbraue hoch. „Ihr seid ein Phänomen…“, murmelte er vor sich hin.

InuYasha warf ihm einen skeptischen Seitenblick zu, ohne den Kopf zu drehen.

Auch Kagome runzelte ein wenig die Stirn, sagte aber nichts, wusste sie doch nicht, was zuvor abgelaufen war.

„Ihr und die Miko…“, fuhr Kenta fort.

„Sie heißt Kagome!“, unterbrach InuYasha ihn und ließ Kagome los, um sich umzudrehen. Fragend blickte er den Wolfsdämon an. „

Ihr und… Kagome… ich glaube, ich bin nicht der erste Yôkai, der das nicht versteht, oder?“

„Und ich muss nicht verstehen, worauf du hinauswillst, oder?“

„Ach, InuYasha… ich glaube, er meint, das wir… naja, uns nahe stehen“, mischte sich die junge Miko halb tadelnd, halb verlegen ein.

„Keh! Bisher hat sich offenbar noch keiner weiter Gedanken darüber gemacht“, brummte der Hanyou daraufhin und machte keine Anstalten, die Skepsis aus seinem Blick weichen zu lassen.

Kenta zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Aber, wieso…“

„Die wenigsten Yôkai, die mir gegenübergetreten sind, sind zum Plaudern gekommen. Und überlebt haben sie‘s meist auch nicht“

„Abgesehen von genau drei Individuen“, murmelte Kagome so leise, das Kenta es nicht verstand. InuYasha dagegen war klar, wen sie meinte. Kôga, Sesshômaru und Naraku. Letzterer war zwar kein richtiger Yôkai gewesen und jetzt auch aus dem Weg geschafft, aber er hatte es bemerkenswert lange überlebt, sich in InuYashas Beziehung(-en) einzumischen.

Die Ohren des Halbdämons zuckten kurz, aber er äußerte sich nicht dazu. Zu viel Verständnislosigkeit bezüglich Kentas Verhalten tobte in ihm.

„So langsam werde ich aus dem Kerl nicht mehr schlau…“, murmelte Kagome schließlich, als Stille einkehrte, Kenta nichts mehr sagte. Erst da bemerkte sie, dass der Blick des Wolfsdämons auf ihr ruhte, musternd, fast prüfend.

Erst nach einer Weile sprach er wieder. „Es ist schon seltsam. Wenn Eure Worte stimmen, seid Ihr der stärkste Hanyou, der je existierte. Derjenige, der am ehesten Chancen hat, von vollblütigen Dämonen akzeptiert zu werden. Und dennoch versucht Ihr nicht einmal, Euer Blut zu stärken, sondern zieht in Betracht es zu verwässern?“ Obwohl der Ookami den Blick nicht von Kagome nahm, sprach er ganz offensichtlich mit InuYasha.

Der runzelte nun endgültig die Stirn, er verhinderte gerade noch ein impulsives Knurren. Aus diesem Kenta wurde er wirklich nicht schlau. Auf der einen Seite zeigte sich Kenta als sehr höflich und gelassen, auf der anderen Seite erörterte er so ein Thema, obwohl doch offensichtlich sein müsste, wie wenig InuYasha es interessierte, das Kagome ‚nur‘ ein Mensch war.

Ein wenig legte der Hanyou den Kopf schief. „Als ob alles davon abhängen würde, wer welcher Spezies angehört. Kagome mag ein Mensch sein – na und? Meine Mutter war auch einer und von ihr weiß ich alles, was ich in meiner Kindheit je lernte. Meinen Vater habe ich dagegen nie kennengelernt…“

„Bei der Stärke, die Euer Vater gehabt haben muss, seid ihr das Ergebnis eines Spiels?“

Nun knurrte InuYasha doch. So wenig er über seinen Vater wusste und so selten er es gut hieß, wenn die Sprache darauf kam, so eine Ansicht ließ er dann doch nicht auf sich sitzen. „Keh! Schwachsinn. Er starb am Tag meiner Geburt. Und meine Stärke kommt nicht von ungefähr. Er war ein Daiyôkai. Davon mal ganz abgesehen habe ich Kagome mehr zu verdanken, als du dir vorstellen kannst“

„Aber das macht sie doch noch lange nicht zu einer stärkeren Spezies!“

„Wie oft soll ich noch sagen, dass mich das nicht interessiert?“
 

Kagome drehte sich ein wenig zur Seite, damit keiner von beiden sah, dass sie ein Kichern kaum unterdrücken konnte. Jetzt sah InuYasha mal, wie es ihr manchmal mit ihm ging, wenn er etwas nicht kapieren wollte. Und das sie sich früher oftmals nicht anders zu helfen gewusst hatte, als zu… durchschlagenden Methoden zu greifen.
 

„Kagome ist stärker, als man glaubt. Und gerade sie hat mir beigebracht, dass es alles andere als gut ist, als Hanyou, wie ich es bin, nach fremder Stärke zu streben“, fügte InuYasha gerade hinzu und zauberte damit reines Unverständnis auf Kentas Gesicht. Der Ookami konnte nicht wirklich folgen und genau das hatte der Hanyou erreichen wollen, auch wenn er die reine Wahrheit sprach.

„Aber…“

„Otou-san!“ Die Stimme, die Kenta unterbrochen hatte, kam den beiden Gästen durchaus bekannt war. Es war dieselbe, die den Wolfsdämon gestern aus seinem Wutanfall geholt hatte. Kouhei. Der jüngere Ookami kam gerade aus der Höhle und auf seinen Vater zu. „Was hättet Ihr gesagt, wenn die Entscheidung dieser jungen Miko auf Kôga-sama gefallen wäre?“, fragte er nach.

Anstatt das Kenta antworten würde, mischte sich InuYasha wieder ein. „Hast du etwa gelauscht?“ Denn nur aus dem vorangegangenen Gespräch konnte Kouhei wissen, das Kagome einmal eine Art Streitobjekt gewesen war.

„Unweigerlich. Ich habe da hinten auf meine Schwester aufgepasst“, erklärte Kouhei und zeigte auf den Höhleneingang. Das Wort ‚Schwester‘ schien auf Kenta wie ein Zauberwort zu wirken, er vergaß das bisherige Thema. „Wo ist sie jetzt?“ „Die Amme hat sie und Shinta wieder mit hinein genommen“, gab Kouhei knapp zurück und wandte sich um. „Komm, Otou-san“, forderte er dann und es klang eher so, als wäre er der Vater und Kenta der Sohn.

Kagome runzelte etwas die Stirn.

Die beiden waren schon etwas seltsam. Doch Kenta wiedersprach nicht und folgte seinem Sohn richtung Höhle.

Hanyou und Miko sahen den beiden etwas paralysiert nach.
 


 

Als die ersten Oni ihnen nahe kamen, sprangen die beiden Yôkai instinktiv auseinander, verzichteten in seltsamer Einigkeit beide darauf, ihr Schwert zu ziehen. Das war nun wirklich ein Witz, was hier auf sie zukam. Jeder x-beliebige Mönch wäre mit diesen Viechern fertig geworden. Aber gut, jetzt mussten sie sich eben mit ihnen abgeben.

Mit unbewegter Miene streckte Sesshômaru eine Hand seitlich weg, drei Finger ausgestreckt, zwei an den Handballen gezogen. Seine Klauen blitzten im Sonnenlicht, als wie aus dem Nichts eine grün leuchtende Peitsche erschien, die er in einer eleganten Bewegung quer durch die Angreifer führte. Schon war die erste Reihe Geschichte.

Natsu hatte das aus dem Augenwinkel beobachten, wollte nicht zurückstehen. Da ihr der reine Klauenangriff aber zu nervig erschien, bei dieser Anzahl von Angreifern, ballte sie die rechte Hand zur Faust, bis ihre Krallen in ihr Fleisch drangen, Blut hervorquoll. Dann erst bog sie die Finger zur Klaue. Was ein männlicher Kämpfer geschrien hätte, säuselte sie nur: „Nokoribi Nami!“ Wo eben noch ein paar Blutstropfen auf ihrer Handfläche gewesen waren, lag im gleichen Augenblick der Ursprung einer wahren Welle an Yôki, das glutrot leuchtete. Ein riesiges Loch prangte in der Horde der Angreifer.

Sesshômaru, der weiterhin mit seiner Energiepeitsche arbeitete, musste zugeben, dass er beeindruckt war. Solchen Angriffe, die mit dem eigenen Blut arbeiteten, um das Yôki direkter und zerstörerischer wirken zu lassen, waren nicht von Geburt gegeben, sondern mussten erlernt werden – und das war schwer. Er wusste auch, dass auch InuYasha manchmal mit einer solchen Technik arbeitete, aber bei dem war das wohl eher durch Zufall aufgetaucht, zumal der Kerl als Hanyou keine volle Kontrolle über sein Yôki hatte, dessen war der Inuyôkai sich sicher. Er schlug noch einmal kräftig zu, dezimierte die Oni deutlich, ehe er mit einem weiten Sprung zurücksetzte.

Er war sicher, wenn Natsu mit dem Blutangriff eben nicht schon alles gezeigt hatte, was sie konnte – und das bezweifelte er bei einer Daiyôkai dann doch – dann würde sie mit den restlichen Viechern schnell fertig werden.

Tatsächlich griff die Löwendämonin aber nicht einmal mehr auf ihr Yôki zurück, sondern schnellte bloß in eleganten Sprüngen im Zickzack durch die Oni und erledigte sie mit puren Klauen. Zuletzt durfte ein riesenhafter, pechschwarzer Wurm dran glauben. Danach landete sie sicher wieder auf dem Boden, ihr Atem war nicht einmal beschleunigt, offenbar machte sie trotz ihres Geschlechtes ihrem Erbe keine Schande.

Sesshômaru kam wieder näher, besah sich die zerfetzten Oni, die er ihr überlassen hatte. „Die Rüstung ist unnütz“, bemerkte er kühl, ehe er an ihr vorbeizog, sie einfach stehen ließ.

Für einen Augenblick war Natsu vollkommen perplex. War er immer noch der Meinung, sie sei – wie es sich eigentlich für eine Hime gehörte – keine Kämpferin? Sie war der Ansicht gewesen, das doch nun zu Genüge wiederlegt zu haben.

Doch dann ging ihr ein Licht auf und ein winziges Lächeln umspielte ihren Mundwinkel. Sie hatte durchschaut, wie er seine Worte gemeint hatte. Schnell beeilte sie sich, wieder zu ihm aufzuschließen.
 


 

„Offenbar bist du nicht der einzige, für den man ein gewisses Accessoire manchmal gut gebrauchen könnte, um zu zeigen, wann eine Diskussion ins Hoffnungslose abdriftet…“, murmelte Kagome vor sich hin, was zur Folge hatte, das InuYasha sich wieder zu ihr herumdrehte.

„Was meinst du?“

Kagome lächelte verschmitzt. „Na was wohl? – Osu…“ Sie brach das Wort absichtlich gerade noch ab, ehe die Kette überhaupt auf die Idee kommen konnte, sie wäre angesprochen worden.

Unwillkürlich war InuYasha zusammengezuckt, fuhr sich jetzt mit einer Hand am Nacken unter die Kette und legte sie lockerer um seinen Hals. Er hatte den leichten Druck dort gespürt, als das übereifrige ‚Accessoire‘ meinte, seit Jahren mal wieder gebraucht zu werden.

Kagome lachte bei diesem Anblick erst recht auf. „Da fällt mir etwas ein… komm mal mit, ich glaube es wird längst Zeit…“ Damit packte sie den Hanyou am Ärmel seines Suikan und zog ihn ohne Vorwarnung mit sich, den nächstbesten Bergpfad hinauf.

Dieser fraß sich fast gradlinig aufwärts in den Fels, bis er auf einem höhergelegenen Plateau endete. Kagome stockte der Atem, als sie sah, wo sie gelandet war und InuYasha erging es nicht anders, als er knapp hinter ihr anhielt. Lilienartige Blüten, soweit das Auge blickte, zogen sich über den dünnen Grasteppich vor ihren Füßen. Beide konnte sie nicht erklären, was solche Blumen in dieser Höhenlage zu suchen hatten, aber es war wunderschön anzusehen, dieses Farbenmeer. Als Kagome wieder zu sich kam, trat sie einen Schritt vorwärts, behutsam darauf bedacht, keine der wunderschönen Blumen zu zertreten und drehte sich dann zu InuYasha um.

Dem war deutlich anzusehen, dass er noch immer nicht verstand, warum die Miko ihn hier hinauf geschleppt hatte. Von diesem märchenhaften Anblick hier hatte sie ja offenbar selbst nichts gewusst.

Dann aber hob Kagome die Hand und ihre Finger schlossen sich um die dunklen Holzperlen seiner Kette, sie senkte die Lider, schien sich zu konzentrieren. Augenblicklich leuchtete die Kette auf, als würde sie sich aktivieren, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen war ein leises Klappern zu hören, etwas striff leicht an den Seiten seines Halses vorbei. Im nächsten Moment hing die Kette locker in Kagomes Hand. Lächelnd ließ sie den Arm sinken, die Kette noch in den Fingern.

Ungläubig starrte InuYasha sie an, unwillkürlich legte er die Hand an die Kehle, aber da war selbstverständlich nichts mehr. „Kago…“, seine Stimme versagte. Stattdessen fasste er nach ihren Händen und zog sie schwungvoll an sich.

Kagome japste etwas erschrocken auf, schmiegte sich dann aber an ihn. Sie hatte recht daran getan, ihm die Kette abzunehmen, ihm zu zeigen, dass sie ihm vertraute. „Es war höchste Zeit, dass ich das tue…“, nuschelte sie bloß in seinen Suikan und lächelte, als sie spürte, dass seine Umarmung enger wurde.

Er senkte etwas den Kopf, sog tief ihren Duft ein. Auch auf den Zügen des Hanyou lag ein Lächeln. „Trotzdem danke ich dir…“, murmelte er leise. Ja, diese Geste bedeutete ihm unendlich viel.

Dann sagte keiner von beiden mehr etwas und so standen sie still da, inmitten des Blütenteppichs, der vom Wind hier oben in steter Bewegung gehalten wurde.

Stumme Pläne

Als InuYasha und Kagome, einige Zeit später, Hand in Hand den schmalen Felspfad wieder herunter kamen, stand Ayame auf dem Plateau vor der Höhle und sah ihnen entgegen. Ihren Sohn hatte sie diesmal nicht dabei, der schlief unter der Obhut eines Kindermädchens.

Kurz weiteten sich ihre Augen, als sie erkannte, was Kagome in der Hand hielt und was dementsprechend um InuYashas Hals fehlte, aber sie verkniff sich einen Kommentar.

Stattdessen sprach sie etwas anderes an. „Kommt. Wir wollen ein paar Kameraden verabschieden. Wenn ihr wollt, könnt ihr dabei sein!“ Ihre Zöpfe flogen, als sie sich schwungvoll umdrehte und zurück in die Höhle lief, als wüsste sie schon, dass die junge Miko und der Hanyou sicher nichts dagegen hätten.

Tatsächlich sahen die beiden sich nur kurz an und folgten dann auf dem Fuße, neugierig, was Ayame damit gemeint hatte.
 

In der Haupthöhle, hatte sich bereits das gesamte Rudel versammelt, Wolfstracht in allen erdenklichen Braun-, Schwarz-, Weiß-, und Grautönen, soweit das Auge blickte.

In der Mitte der Versammlung standen sechs noch recht junge Wolfsdämonen, alle noch nicht so ganz ausgewachsen. Der Älteste von ihnen, im Aussehen kaum jünger als Kôga, war den Gästen bekannt, gut erkennbar an der honigfarbenen Tracht: Kouhei. Kentas Sohn. Hinzu kamen zwei weiß gekleidete Mädchen, ein grauer und ein blauschwarzer Junge und ein hellbraunes Mädchen.

Sie alle sahen zu Kôga, der gerade eben erst die Versammlung einberufen hatte. „Vor langer Zeit bereits wurde ein Vertrag zwischen uns und dem Herrn des Westens geschlossen, der besagt, dass der Frieden dadurch besiegelt wird, dass sechs junge Wolfsdämonen zur Ausbildung an die Schulen der Inuyôkai kommen. Es ist wieder soweit, dass neue Schüler dorthin gehen und daher wollen wir uns nun von diesen sechs Jugendlichen hier verabschieden. Lebt wohl!“

Die letzten zwei Worte wurden vom gesamten Rudel übernommen und hallten von allen Seiten zu den sechs jungen Dämonen hin. Fünf von ihnen lächelten stolz, der sechste blickte ernst drein.

Kouheis Blick lag auf seinem Vater und auf dem kleinen Mädchen, nach menschlichen Maßstäben vielleicht vier Jahre alt, dass der auf dem Arm hielt. Auch es hatte honigfarbene Haare, trug allerdings eine hellgraue Tracht. Das musste Sayoko sein.

Kagome und ihre Freunde beobachteten das Geschehen stumm. Das Rudel hielt eng zusammen, das war hier zu erkennen, aber offenbar sponn sich quer durch dieses Team das Geflecht der einzelnen Familiengeschichten, das alles noch viel komplizierter machte. Wie das wohl bei so einer großen Gruppe auf Dauer funktionierte? Nicht nur Kagome stellte sich diese Frage, das war den restlichen Gästen deutlich anzusehen.

Da trat Kôga vor, gab Kouhei noch eine Papierrolle in die Hand, die der mit einem leichten Nicken annahm und in dem schwarzen Scherpentuch verstaute, das er schräg über der Brust trug. Er wusste, was darin stand, ebenso Kôga, Ayame und Kenta. Sonst niemand. Aber das war noch egal. Der junge Wolfsdämon wandte nun doch den Blick, sah sich im Rudel um – und begegnete dem giftigen Blick eines dunkelgrau gekleideten Dämonenmädchens. Wäre er nicht, wäre sie zum Training zu den Inuyôkai gereist und er wusste, dass sie ihm das übel nahm, aber was sollte er tun? War ja schließlich nicht seine Entscheidung gewesen.

Kurz darauf zogen die sechs Jungdämonen, in Begleitung von einem Dutzend erfahrener Krieger, los. Kôga und Ayame sahen ihnen kurz nach, dann blickte der schwarzhaarige Wolfsdämon zu Kenta. „Kohaku dort…“, er nickte zu dem Jungen hinüber, „… sagte, er und seine Gruppe wollten höher in die Berge, zu den Canyons der Kaji-Yôkai. Ginta, Hakkaku und du, ihr werdet sie begleiten“

Das klang weniger nach einem Befehl, als nach einem freundlichen Vorschlag, aber Kenta nickte trotzdem ruhig und gab Sayoko an die zierliche, schwarz gekleidete Wolfsdämonin neben sich weiter, die das Mädchen sofort auf den Arm nahm. Die Kleine schien sich daran nicht zu stören. „Tschüss, Otou-san!“, rief sie nur und winkte ihrem Vater kurz zu, als die Wolfsdämonin sie mitnahm.

Die restlichen Ookami hatten sich inzwischen zerstreut, nur zwei allseits bekannte, braun gekleidete Gestalten waren noch übrig: Ginta und Hakkaku. InuYasha verdrehte unmerklich die Augen, äußerte sich jedoch nichts dazu. Er wusste, dass Kagome nichts gegen das überschwängliche Verhalten der beiden Wölfe hatte. Und was Kenta betraf, nun, das Thema hatten sie bereits gehabt. Er merkte kaum, dass er sich dennoch ein wenig darauf verließ, dass Kôga Kenta nicht umsonst zu vertrauen schien. Stattdessen wandte er sich um. „Dann kommt endlich! Ich will langsam mal weiter kommen! Bisher sind wir nicht mal dahin gekommen, wo wir den Weg kennen, wie soll es da erst werden, wenn wir nach dem suchen, was wir nicht kennen?“, grummelte er vor sich hin und übernahm bereits die Führung, natürlich ohne sich von Kôga oder Ayame zu verabschieden. Beide nahmen das gelassen, zumal Kagome beiden zulächelte und Shiori, Kohaku und dieser etwas abgerissen wirkende Dämon zumindest grüßend die Hand hoben, ehe sie folgten. Kenta und seine beiden Rudelkollegen schlossen sich an.
 


 

Sesshoumaru und Natsu hatten derweil ihren Weg erneut aufgenommen, kamen rasch voran, zeitweilig auch in Energieform. Aber auch ohne ging es rascher, als geplant. Schließlich waren sie zu viel weiteren Sprüngen fähig, als Menschen und konnten außerdem deutlich einfacher Hindernisse überwinden. Und hier draußen waren keine Dörfer mehr. Langsam wurde die Landschaft kahler, die Bäume kleiner und krummer. Sie näherten sich der nordöstlichen Küste.
 

„Wartet, Sesshômaru-sama!“, rief Natsu auf einmal und war selbst längst stehen geblieben.

Der Hundedämon verharrte, sah sie jedoch nicht an. Was wollte sie?

„Es ist kaum zu erkennen, aber dort, am Ende dieser schmalen Schlucht befindet sich der Bann der Sekai no Tia. Dahinter beginnt direkt der Pfad der Fallen, ehe man auf Kuraikos eigenen Bann trifft. Wenn ich einen Vorschlag machen darf…“, sie verstummte. Dieses eine Mal wollte sie noch höflich sein, denn wenn er der Meinung war, sie jetzt nicht mehr zu brauchen, würde er sie sicherlich hier stehen lassen. Sie hatte ihm zwar erklärt, dass die Fallen sogar einem starken Yôkai gefährlich werden konnten, aber er konnte ja nicht wissen, wie gefährlich.

Aufmerksam wartete sie auf eine Reaktion, die schließlich nur in einem knappen Kopfnicken geäußert wurde. „Wenn ich vorgehen dürfte? Ich kenne die Fallen…“ Diese Bitte war äußerst unhöflich, das wusste sie, aber viel anders würde es nicht gehen. Nicht, wenn sie nicht beide zerfleischt, pulverisiert oder von der Erde verschlungen werden wollten.

Wieder nickte Sesshômaru fast unmerklich und sie konnte erkennen, dass sich seine Hand ein klein wenig anspannte, offenbar bereit, jederzeit etwas abwehren zu müssen. Sehr gut. Langsam trat sie an ihm vorbei, in die kurze, schmale Schlucht hinein. An deren Ende blieb sie stehen. „Was ist dort vorn?“, fragte sie nach, im Wissen, dass der Inuyôkai ihr auf dem Fuße gefolgt war, nicht Willens, weiter als unbedingt nötig, hinter ihr zu marschieren.

„Die Küste“, kam es knapp zurück.

„So scheint es, ja. Da seht Ihr, welche Stärke der Bann der Tia hat. Selbst so hochrangige Yôkai wie unsereins…“, ein fast tonloses, unterschwelliges Knurren unterbrach und ermahnte sie. Blitzschnell formulierte sie um: „… wie Ihr, können die Tarnung nicht durchschauen, ohne es zu wissen. Der Durchgang ist dort oben, über dem schmalen Felsvorsprung. An jeder anderen Stelle würde man tatsächlich auf dem Strand landen, anstatt im Inneren des Banns“ Innerlich atmete sie tief durch. Das war knapp gewesen. Sich durch ihre Worte mit ihm auf eine Stufe zu stellen war gefährlich. Nicht, dass es nicht genau so geplant gewesen war, aber das er mit einem Knurren mahnte, war kritischer, als wenn er es mit Worten getan hätte. Ein Knurren war deutlicher und das besonders von einem Hund gegenüber einer Katze, was sie ja im weitesten Sinne war. Sie sollte in Zukunft besser aufpassen, bis wohin sie ihn provozierte, sonst könnte es nach hinten losgehen, was sie plante.

Also spannte sie sich nur an und schnellte in einem einzigen Satz an ihm vorbei, genau durch den Wirbel im Bann, den man nicht sehen, sondern nur kennen konnte. Sesshômaru würde schon hinterher kommen, da war sie sicher, aber sie selbst musste sich jetzt erst einmal mit der ersten Falle herumschlagen.

Die Landschaft veränderte sich nicht, aber unter ihr bröckelte die Erde weg, bis nur noch ein schmaler, fußbreiter Balken über einer tiefen Einkerbung im Boden übrig war. Unten ragten Wurzeln der umstehenden Bäume wie riesige Stacheln in die Höhe, gewaltig im Vergleich zu diesem verkrüppelten Grünzeug. Für sie als Katzenverwandte war das Überqueren dieser einfachen Balanceaufgabe nicht schwer, aber sie war gespannt, wie er das meistern würde, als Hund. Die waren nicht gerade für ihre Feinmotorik bekannt, aber das mochte bei ihm anders sein. Er hatte sich ja schon in einigen Aspekten deutlich unterschiedlich von den Klischees gezeigt. Er hatte keine Gefährtin, war kühl und unnahbar, ein Eigenbrötler, der zwar sehr viel von Höflichkeit, aber wenig von ebensolcher Konversation hielt. Eigentlich untypisch für einen Hund, soweit Natsu das wusste. Nun, wer wusste schon, was sie noch an ihm kennen lernen würde.

Während dieses Gedankenganges hatte sie das andere Ende des Pfades erreicht und drehte sich auf dem baumscheibengroßen, neutralen Punkt um, der sie von der nächsten Falle trennte.

Dann hätte sie am liebsten die Augen verdreht, beherrschte sich aber noch. Gut, ein Klischee bestätigte er: Er war schlau. Seelenruhig und ohne eine Regung im Gesicht schwebte Sesshômaru ein paar Zentimeter über dem schmalen Balancepfad, ließ sich erst gar nicht herab, die Aufgabe bestimmungsgemäß zu erfüllen.

Als ob ich‘s nichts geahnt hätte. Nun, ich werde mich wohl noch auf einige Überraschungen gefasst machen müssen… er aber auch… Und das Letzte war ein stummes Versprechen.
 


 

Kenta, der sich mit seinen beiden Rudelgenossen hinter der Reisegruppe hielt, beobachtete die bunt zusammengewürfelte Truppe. Sie kamen ihm bei aller Toleranz doch recht seltsam vor. Ein Hanyou, der eine… recht enge Beziehung mit einer Miko pflegte, eine berühmte Nekomata in Begleitung eines noch nicht einmal ganz erwachsenen Jungen, ein etwas zerrupft wirkender Dämon, den er keiner ihm bekannten Gattung zuzuordnen vermochte.

Zu gerne hätte er gewusst, was diese Bande zusammengeführt hatte, wenn er schon durch direktes Nachfragen nicht weiterkam.

Nun, vielleicht würde er nach deren Abreise mal bei Kôga nachhaken. Der schien die Bande ja zu Genüge zu kennen, so locker und beizeiten sogar begeistert, wie er mit den Sticheleien dieses Hanyou umging.

Theoretisch mussten dann auch Ginta und Hakkaku Bescheid wissen, denn wenn man deren vollkommen an den Haaren herbeigezogenen Heldengeschichten eines glauben konnte, dann, dass sie Kôga nie von der Seite gewichen waren, wenn es sich irgendwie einrichten ließ, dass sie in seiner Nähe blieben. Aber er wusste auch genau, wozu deren Erzählungen dann wieder ausgeartet wären und eigentlich wollte er lieber die Wahrheit erfahren.
 

Damit schob er das Thema erst einmal beiseite und schloss zu der Gruppe auf. „InuYasha?“

Der Hanyou wandte ihm kurz den Kopf zu, sah dann aber wieder nach vorn.

Dennoch hörte er zu, das konnte Kenta sich denken. „Der Pfad hört bald auf, ab da geht es fast senkrecht die Bergwand hinauf“, informierte er bloß, verkniff sich die Belehrung, dass es schwierig werden könnte, die Menschen mitzukriegen.

InuYasha schien auch in keinster Weise besorgt. Er tauschte einen kurzen Blick mit Kagome, dann ließ er sich ein paar Schritte zurückfallen. „Shiori? Wie gut kannst du springen?“, fragte er. Die Komori-Hanyou sah an ihm vorbei in Richtung der zu bewältigenden Felswand. „Wenn ein paar mehr Felsvorsprünge da wären, ginge es. So… ich fürchte, das wird schwierig. Ich müsste wohl klettern“, gab sie zu. „Gut. Geh zu Kirara, sie nimmt dich sicher mit. Was ist mit Tián?“ Shiori zuckte mit den Schultern, sah zu dem dunkelhaarigen Dämon und zeigte dann auf die Felswand. Der Ausdruck ihrer Augen war fragend. Tián folgte ihrem Fingerzeig, schien das Gestein mit ein paar Blicken abzumessen, dann nickte er kurz. Ohne Vorwarnung sprang er aus dem Stand auf und blieb zwei Meter über den anderen in der Luft stehen. Er war also stark genug, schweben zu können, also konnte er die Felswand allein bewältigen.

Soviel hatte auch Kenta mitbekommen.

Und dieser Junge namens Kohaku würde wohl weiterhin auf Kirara bleiben, so wie er es schon die ganze Zeit tat.

Minuten später hatten sie das Hindernis erreicht.

Und ehe Kenta gucken konnte, war der routinierte Teil der Reisegruppe bereit zum Aufstieg. Kirara stand breitbeinig da, zum losfliegen bereit, Kohaku saß in ihrem Nacken, streckte die Hand nach Shiori aus, die eben herankam. Kagome war mit einer geübten Bewegung auf InuYashas Rücken geklettert, wo der sie nun festhielt. Und dieser Tián, wie der fremde Dämon wohl hieß, schwebte noch an Ort und Stelle und schien zu warten. Alle Blicke waren auf Kenta und seine Wolfskollegen gerichtet. Alle drei nickten schnell, irgendwo doch instinktiv bemüht, nicht hinter dieser Flickenteppich-Gruppe zurückzustehen. Kirara nahm das als Aufforderung und stieß sich mit einem lauten Fauchen ab, stieg an dem Felsen empor. Die anderen folgten.
 


 

Weich setzte Sesshômaru direkt neben Natsu auf der neutralen Stelle auf, die ganz offensichtlich keine neue Falle beinhaltete. Überrascht werden, wollte er ungern. Er musste zugeben, dass er diese Aufgabe gerade eben, nicht erwartet hätte. So präzise mit der Erde persönlich zu arbeiten, war nicht einfach und er hatte die Magie darin gespürt. Aber Karan beherrschte das Feuer, Tôran das Eis. Wieso sollte deren Mutter sich nicht der Erde bedienen? Er witterte aufmerksam, konnte jedoch nichts aufnehmen, das auf die nächste Falle hinwies.

Also richtete sich sein bernsteinfarbener Blick kühl auf Natsu, die tatsächlich verstand und sich etwas drehte. „Diese Bäume da drüben sind nicht halb so tot, wie sie aussehen. Allerdings nicht so wie Baumgeister, diese da sind einfach nur Stolperfallen, mit hervorschnellenden Wurzeln und greifenden Ästen. Man muss jedoch einzig schnell sein. Die beiden ersten Aufgaben sind noch harmlos um solche Leute abzuhalten, die sich hierher verirren. Erst danach wird es gefährlich“

Dass sie schon wieder zu viel redete, merkte sie offenbar nicht, aber immerhin hatte sie ihn mit ihren bisherigen Warnungen offenbar doch nicht veralbern wollen. Denn das hier oder ein paar lebensmüde Pflanzenteile wurden ihm sicherlich nicht im Geringsten gefährlich. Aber wenn noch anderes kommen würde… nun, eine ‚Reiseführerin‘ mochte dann noch hilfreich sein. Hoffentlich. Um Überraschungen zu vermeiden.

„Geh!“, befahl er gelassen und wartete ab, dass sie wieder vorgehen würde. Schließlich kannte sie den kürzesten Weg.
 


 

InuYasha war derweil, gemeinsam mit Kagome, auf dem oberen Plateau angekommen, ließ sie vorsichtig absteigen. Kurz darauf folgten Tián, Kenta, Ginta und Hakkaku, beinahe gleichzeitig. Bloß Kirara ließ auf sich warten, aber als die Gruppe sich schon wundern wollte, erkannten sie, dass es einen Grund dafür gab.

Die Nekomata schwebte wenige Meter unterhalb des Plateaus in der Luft und starrte auf eine kleine Gruppe der nun schon allseits bekannten, niederen Oni. Kohaku hatte sie jetzt auch entdeckt, stieß genervt die Luft aus. Das waren drei einzelne Exemplare, mal wieder sagenhaft schwacher Sorte. „Shiori, kletter das letzte Stück. Ich kümmere mich um die Viecher“, sagte er über die Schulter und obwohl das Halbdämonenmädchen etwas perplex über diese Aufforderung war, tat sie, was ihr gesagt wurde.

Der junge Taijiya machte sich derweil nicht einmal die Mühe, seinen Kampfanzug anzuziehen, er zog bloß die Kusarigama aus dem dünnen Gürtel und spannte sich an. „Kirara!“, rief er aus, worauf die Nekomata sich sofort in der Luft nach vorn warf, jedoch selbst nicht eingriff. Sie gab Kohaku nur ein wenig Schwung, der ihm durch das Sitzen sonst gefehlt hätte. Kohaku hob den Arm, nutzte den Schwung und schleuderte die Kettensichel in Richtung der Oni. Die kamen, trotz ihres wilden Blicks und der hektischen Bewegungen in seine Richtung gar nicht mehr dazu, auszuweichen. In einem einzigen Streich durchtrennte Kohakus Waffe ihre entfernt echsenähnlichen Körper und sie trudelten in Teile gehackt, tot gen Boden. Das Ganze war beinahe lautlos vor sich gegangen. Der Dämonenjäger sah ihnen nur kurz nach, ehe er Kirara das Signal gab, sich umzudrehen und sich zu den anderen zu gesellen.

Gerade als Shiori ihre Kletterpartie beendete und sich über die Kante zog, setzte auch Kirara auf dem Plateau auf. Sie nickte Kohaku zu, ebenso wie InuYasha und Kagome.

Die Wölfe aber waren leicht paralysiert.

Und Kenta fügte eine weitere Frage zu dem Katalog hinzu, der Kôga demnächst erwarten würde.
 

Im selben Moment geriet ihm ein Geruch in die Nase, der nach Feuer, aber nicht nach Verbranntem roch. Auch InuYasha war bereits herumgewirbelt, starrte etwas überrascht auf die drei Gestalten, die sich ihnen näherten. Sie sahen entfernt aus wie Flammen mit Beinen und Kopf. Arme fehlten. Und ein wenig Yôki war aus dieser Richtung zu spüren. „Die Kajis!“, raunte Kenta nur, hielt sich ansonsten im Hintergrund. Im Gegensatz zu den anderen war er ab und an bereits hier oben gewesen, früher, als Yōrōzoku noch gelebt hatte. Der alte Wolfsfürst hatte rege Freundschaft mit den drei wandelnden Fackeln geschlossen gehabt.

Hätte ich jetzt nicht gedacht… kommentierte InuYasha ironisch die nett gemeinten Worte Kentas, sprach es aber aus diesem Grund nicht aus. Hinter ihm drängelte sich Kirara nach vorne, neigte den Kopf vor den Feuerdämonen und blickte sich dann zu ihrer Gruppe um.

„Guten Tag. Wir sind gekommen, um zu fragen, ob das Phönixjuwel noch in Sicherheit ist“, meldete sich Kagome freundlich zu Wort und sah ihre Gegenüber an, eifrig bemüht, ihre Neugier über deren Gestalt zu verbergen.

Der Vorderste der Feuerdämonen nickte. „Das Juwel der Vorfahren, oder Hōō Hoseki, wie ihr es in eurer Sprache nennt, ist nach wie vor bei uns in Sicherheit. Kommt mit, wir zeigen es euch“ Damit drehten die drei sich um, ohne auf eine Reaktion zu warten. Anscheinend waren sie nicht im Geringsten überrascht über diese Art von Besuch. Keiner der Gäste würde erfahren, dass die Feuerdämonen beinahe nie Besuch bekamen und seit Yōrōzukos Tod schon mal gar nicht, dass sie aber die Körperwärme der Gruppe gespürt hatten und mit einem ähnlichen Anliegen rechneten. Was sollte man hier oben in den kargen Canyons auch sonst suchen?

Den anderen blieb jedenfalls nichts anderes übrig, als zu folgen, schließlich wollten sie alle wissen, wie weit es mit der Sicherheit des Juwels her war. Denn wenn das in die falschen Hände geriet, dann reichte ein düsterer Gedanke und es würde noch mehr Tod und Verderben bringen, als es das Shikon no Tama getan hatte. Und das hatte etwas zu heißen.

Die Feuerdämonen baten sie einen schmalen Gang hinab, der sich treppenartig aus dem Nichts in das Plateau grub. Hier waren sie gezwungen, hintereinander zu gehen, aber das war das geringste Problem. Immer tiefer führte der Pfad ins Gestein, bis er schließlich auf einen ebenen Gang traf und geradeaus führte. Am Ende leuchtete rötlich schimmerndes Licht.

Und Kagome war die einzige, die die Vielzahl an Bannkreisen spürte, durch die sie geführt wurden, mindestens ein halbes Dutzend an der Zahl. Dann erreichten sie einen kleinen Höhlenkessel und einen Bannkreis, den nun alle sahen. Kristallin schimmernd hing er mitten in der Luft vor einer kleinen Aushöhlung im Felsen. Und dahinter lag es, tiefrot schimmernd und es schien eine lebendige Flamme darin zu lodern: Das Phönixjuwel.

Kagome streckte vorsichtig die Hand aus, nur um zu prüfen, wie stark der Bann war und schreckte bereits Zentimeter, bevor sie ihn berührt hätte, zurück. Selbst sie, als Miko, wurde aufs Heftigste abgewiesen.

Da war eines mal sicher: Das Juwel war vor jeglicher Fremdeinwirkung bestens geschützt.

Und sie hatten den ersten Teil ihrer Aufgabe erfolgreich erledigt!

Fragen über Fragen

Meine Güte, die letzten beiden Tage war ja mehr Aufregung als das ganze vergangene Jahr über!“ In Ayames Stimme lag zwar ein Stöhnen, aber es klang belustigt.

Kôga, der direkt neben ihr an der Wand ihres Gemachs saß, grinste bloß. „Ich hab das dumpfe Gefühl, ohne diesen Halbköter wäre es nur halb so turbulent gewesen“, bemerkte er.

Ayame verpasste ihm einen leichten Hieb. „Kannst du InuYasha nicht einmal beim Namen nennen? Immerhin dürfte euer Streitthema doch jetzt aus der Welt sein.“ Ihr grüner Blick senkte sich auf ihren Sohn, den sie im Arm hielt. Der kleine Kerl war noch wach, kuschelte aber still mit dem Fell, das ihm noch immer traditionsgemäß als Decke diente.

Kôga legte derweil den Kopf schief. „Kagome schon. Aber das muss ja nicht heißen, dass wir jetzt die besten Freunde sind. Und immerhin hat er auf Kiyoshi herumgehackt.“ Der letzte Satz klang fast ernst.

Ayame lachte leise. „Als ob du nicht genau wüsstest, dass er das nur aus Gewohnheit macht“

Kôga zuckte mit den Schultern. „Na und? Ich auch.“

Innerlich verdrehte die Rothaarige die Augen. Genau darauf hatte sie ja hinaus gewollt, aber Kôga schien ihr da wiedermal nicht richtig folgen zu können oder zu wollen. Manchmal war er wirklich ein ziemlicher Trottel, aber deswegen mochte sie ihn nicht weniger.

Sie dachte an den vergangenen Abend zurück, als die ganze Bande vom Hochgebirge zurückgekehrt war. InuYasha, Kagome und die anderen hatten sich recht schnell verabschiedet, mit der Erklärung, sie hätten noch etwas zu tun. Ginta und Hakkaku hatten ihre ‚Onee-san‘ noch bis zu den Bergausläufern begleiten wollen, waren aber inzwischen auch wieder zurück. Draußen war es Nacht geworden, man hörte aus der Haupthöhle die Atemgeräusche der tierischen Rudel und auch vieler Wolfsdämonen. Nur wenige waren jetzt noch unterwegs, ein paar Nachtpatrouillen, ein verspätetes Jagdrudel oder ein Liebespaar vielleicht. Es war still. Hier oben, so weit im Norden, war man beinahe ungestört.
 

Da hob Ayame den Kopf, als sie bemerkte, dass sich jemand vor ihrem Gemach aufhielt. Sie erkannte den Geruch des Beraters und rief ihn hinein.

Das kam dann für Kenta doch etwas überraschend. Egal wie locker die Regeln der Ookami waren, ins Fürstengemach kam ein normaler Yôkai nicht so leicht, selbst wenn beide Teile des Fürstenpaares anwesend waren. Daher trat er auch etwas zögerlich ein, kniete sich in der Nähe des Eingangs nieder.

„Was möchtest du, Kenta?“, wollte Kôga wissen und der ältere Yôkai wäre beinahe zusammengezuckt. „Ich… ich hörte, dass Ihr über diesen InuYasha spracht und hoffte, mehr zu erfahren. Er und seine Gruppe kommen mir doch etwas suspekt vor. Eine der berühmtesten Nekomata unserer Zeit, ein Halbdämon, der eine enge Beziehung mit einer Miko pflegt – wenn ich das so sagen darf – , ein nicht mal ganz erwachsener Menschenjunge, der eine Waffe perfekt beherrscht, die ich bisher nie bei einem Menschen sah und noch eine junge Halbdämonin, samt eines Dämons, dessen Gattung man nicht identifizieren kann. Und alle arbeiten zusammen, als würden sie sich schon lange kennen.“

Ayame kicherte leise in sich hinein. „Ich kann verstehen, was du meinst, Kenta. So ging es mir am Anfang auch. Vor allem was die Beziehung von InuYasha und Kagome betrifft. Und woher das alles kommt. Wenn du magst… wir können dir gerne erzählen, wie diese Gruppe zueinander fand. Einiges haben wir selbst miterlebt, anderes hat Kagome uns erzählt“, begann sie, sah dann zu ihrem Gefährten.

Der Schwarzhaarige nickte bloß. „Aber… erzähl du. Du kennst die Sache und ich weiß nicht, ob…“, er verstummte, es war deutlich zu hören, dass sich eine Art erstickter Unterton in den letzten Worten befunden hatte.

…du die grausame Tat Kaguras und damit Narakus über die Lippen kriegst, schon verstanden, mein Lieber…, vervollständigte Ayame in Gedanken und setzte sich etwas aufrechter hin, bemüht ihren gerade eingeschlafenen Sohn nicht gleich wieder aufzuwecken. „Gut, dann hör zu, Kenta...“
 


 

Es hatte nicht einmal eine Minute gedauert, bis die beiden Yôkai durch den schmalen Gang, flankiert von Bäumen, gerast waren. Er ging immer geradeaus und war kaum dreihundert Schritt lang, ein Klacks, zumal Natsu beinahe mit Sesshômarus Geschwindigkeit mithalten konnte, obgleich sie fast verspielt hin und hersprang. Die wild um sich greifenden Äste und Zweige, die aus dem Boden schnellenden Wurzeln waren da kein großes Hindernis. Als sie stehen blieben, regten sich hinter ihnen noch die Äste der verkrümmten Nadelbäume, deren Nadeln sich hier bei näherem Hinschauen als spitze Dornen entpuppten, aber die beiden standen gerade eben außer Reichweite der Bäume.

Natsu sah sich um, versuchte sich an den leichtesten Weg zu erinnern, denn je nachdem, in welche Richtung man nun lief, stand man verschiedenen Fallen gegenüber. Und es war sicher bereits hundert Jahre her, dass sie zuletzt hier gewesen war. Endlich entdeckte sie den schmalen, fast metallen glitzernden Streifen im Boden. Ihr Blick wanderte etwas nach oben, sie kniff die Augen zusammen, erkannte das Netz aus hauchdünnen Fäden, die mitten in der Luft zu hängen schienen. Hoch genug, das man bequem darunter durch kam, dort wartete eine andere Gefahr. Und sie wusste, die jetzt sichtbaren Fäden waren nur ein Bruchteile derer, die dort tatsächlich herumflogen. Kuraiko war eine Pantherdämonin und eine sehr erfahrene noch dazu. Sie wusste, wie sie alle Arten von Yôkai malträtieren konnte, um sich von sich fern zu halten. Viele waren in gewisser Weise kriegerisch und kampferfahren, erst Recht, wenn sie bis hierher kamen. Also wurden ab jetzt die Sinne angegriffen. Und hier zuerst: Die Augen, das Gleichgewicht – und der Verstand.

Sie bemerkte Sesshômarus kalten Blick in der Seite und wandte den Kopf. „Das nächste ist eine spezielle Art des Labyrinths. Da steckt viel Magie drin, von hier sieht man es nur, wenn man es weiß. Tut mir den Gefallen und bleibt direkt hinter mir, es könnte sonst wirklich gefährlich werden.“

„Du meinst, du bist in der Lage, das einzuschätzen?“, lautete sein eisiger Kommentar.

„Ja.“, antwortete Natsu knapp und konnte sich, auch ohne hinzusehen, denken, dass er von dieser Reaktion nicht begeistert war.
 

Tatsächlich behielt Sesshômaru nur dank seiner Selbstbeherrschung die Ruhe. Eigentlich fiel kaum auf, was sie tat, es waren feine Nadelstiche, kleine Unhöflichkeiten, die sich aber langsam aufstauten und seine Wut schürten. Sie nahm sich so einiges heraus, was sich nicht gehörte. Frech, redselig, vorlaut, den Kopf zu oft erhoben und obendrein verspielt wie ein gerade hundertjähriges Dämonenkind. So konnte man sie wohl charakterisieren. Entweder hatten sämtliche Lehrer für Benimm und Anstand bei ihr nicht aufgepasst, ihre Eltern mit eingeschlossen – und das bezweifelte er stark – oder sie tat das gar mit Absicht. Nur… welches Ziel verfolgte sie damit? Es war beinahe Neugier, die Sesshômaru dazu trieb, wieder nicht zu tadeln. Er wollte herausfinden, was sie trieb. Wollte sie etwa im Moment austesten, wie fähig er war, um ihn dann mitten in eine der Fallen zu leiten? Nun, wenn es das war, hätte sie sich geschnitten. Jemand, der sich hier auskannte, mochte ganz hilfreich sein, aber sicher nicht notwendig. Was auch immer kommen mochte, er würde damit fertig werden.
 

Hätte Natsu von dieser Erkenntnis gewusst, sie hätte wohl den Schluss gezogen, dass er wirklich keine Ahnung hatte, was kommen würde. Kuraiko war nämlich schon als Fürstin sehr gut darin gewesen, die Schwäche eines jeden irgendwie an den Pranger zu stellen. Selbst bei jenen, die meinten, keine Schwäche zu haben. Und man munkelte sogar, wenn es sein müsste, dann würde Kuraiko noch dafür sorgen, dass jemand eine Schwäche bekam, um ihn dann an dieser Stelle schmerzhaft zu treffen. Aber ob das so stimmte, da hatte selbst Natsu ihre Zweifel. Kukaiko war schließlich immer noch eine Yôkai und keine Gami. Andererseits… nun ja, dieses Thema führte zu nichts.

Aber sie würde es wohl herausfinden. Nach allem, was Natsu je über ihren momentanen Begleiter gehört hatte, war er ein Kandidat für die Kategorie ‚Hat- keine- bekannte- Schwäche‘. Das konnte amüsant werden - oder ziemlich dramatisch.
 


 

InuYasha, Kagome und seine Gruppe hatten inzwischen, nachdem Ginta und Hakkaku wieder gegangen waren, ihr Lager am Fuße der Berge errichtet. Geschützt zwischen den bereits ergrünten Hügeln, fegte der Wind nicht so sehr und das nächtlich kühle Wetter erreichte sie hier kaum. Bald würde der Frühling mit voller Kraft loslegen, das wussten sie. Aber jetzt gaben sie sich erst einmal hiermit zufrieden. Es hatte sich ja auch beinahe die altbekannte Ordnung eingestellt: Kagome hatte sich bereits hingelegt, nah beim Feuer, schließlich besaß sie ja keinen Schlafsack mehr, InuYasha saß, Tessaiga im Schoss, auf einem Stein etwas abseits und hielt Wache, Kirara lag in ihrer großen Gestalt da und diente mit aller Gelassenheit, Kohaku als Kissen. Das rötlich schimmernde Band, das neuerdings um ihren Hals lag, schien sie nicht sonderlich zu stören. Die FeuerYôkai hatten er ihr angelegt, nach mehrmaligen Bitten Kagomes, damit Kirara und ihre Freunde im Notfall alarmiert werden konnten. Vermutlich hatte die junge Miko so ein besseres Gefühl bei der Sache, es hatte aber auch niemand etwas dagegen gehabt. Und Kirara, die in gewissem Maße gegen Feuer immun war und das ganz ohne Feuerrattenfell, hatte sich bereiterklärt, das Halsband zu übernehmen, das aus der reinen Magie der Kaji-Yôkai bestand. Wenn InuYasha sich aber nicht sehr irrte, hatte die Nekomata vor, es sobald wie möglich jemandem weiterzugeben, der besser geeignet wäre, das Warnhalsband zu tragen, denn wenn Kirara später einmal wieder allein mit Kohaku durch die Gegend ziehen würde, konnte sie es nicht gebrauchen – und auch im Notfall nicht schnell genug reagieren.

Der Hanyou sah sich weiter in der Umgebung um. Shiori und Tián waren noch irgendwo unterwegs, doch da InuYasha sie noch immer wittern konnte, machte er keine Anstalten, sich weiter um die beiden zu kümmern. Sollten die doch miteinander oder ohneeinander tun und lassen, was sie wollten.

Kagome hatte beschlossen, dass die beiden zur Gruppe gehörten, aber zum Team, nein, das war etwas anderes. Sie reisten mit ihnen, aber so wie damals mit Miroku, Sango und Shippô war es nicht. Und auch wenn InuYasha Naraku und dessen Abkömmlinge wahrhaftig nicht vermisste, auch wenn er inzwischen froh war, dass das Shikon no Tama nicht mehr existierte, diese Zerrissenheit der Gruppe stimmte ihn traurig. Früher… sie hatten sich wortlos verstanden, wenn es sein musste. Die ständige Gefahr hatte er gefordert, aber trotzdem war das ein schönes Gefühl gewesen. Jetzt war nur noch Kagome bei ihm. Sicher, sie war das Wichtigste, was er besaß und über ihre Rückkehr war er mehr als nur froh, aber sie war nicht alles. Außerdem war da noch etwas, was sie betraf und über das er wohl erst einmal mit sich ins Reine kommen musste, ehe er das überhaupt erwähnte. Und da würde ihm sicherlich nicht einmal Myouga weiterhelfen können, zumal er den so etwas niemals fragen würde. Das war seine Sache. Aber zu einem Ergebnis kam es deswegen dennoch nicht.

Ach, es war zum Verzweifeln. InuYashas Hand verkrampfte sich leicht um Tessaigas Scheide, ehe er sich wieder im Griff hatte. Warum nur musste er immer zwischen den Welten stehen? Er hatte Freude gefunden, die ihn akzeptierten, wie er war. Warum konnte nicht einmal damit alles gut sein? Warum brachte seine Existenz als halber Dämon und halber Mensch immer wieder neue Probleme mit sich?

Entnervt ließ er die Ohren hängen, schloss für einen Moment die Augen. Und wie aus dem Nichts kamen andere Dinge in ihm hoch, seine Geschichte, die seiner Freunde, die fast eine Familie für ihn geworden waren. Hat sich nicht nach langem Kampf doch alles zum Guten gewendet? Sind wir nicht auch erst allmählich ein Team geworden? War Sango nicht zuerst unsere Gegnerin? Waren Kagome und ich und nicht zuerst spinnefeind? Hab' ich nicht auch Zeit gebraucht, zu kapieren, wie ich mit dem Juwel, mit meiner Zeit mit Kikyô umzugehen hatte? Braucht nicht alles seine Zeit? Muss ich nicht einfach Vertrauen haben?

Kurz darauf war er eingenickt.
 


 

Weiter im Westen, wo sich das Schloss des dortigen Dämonenfürsten über den Hügeln erhob, standen derweil fünf junge Wolfsdämon etwas verloren auf dem Schlosshof. Nur einer von ihnen, der Älteste hatte es bisher betreten dürfen, weil er eine Nachricht für den Fürsten hatte. Und jetzt warteten sie alle darauf, wie es weitergehen sollte. Von Rückkehrern hörte man viel über das gute aber harte Training hier und die fünf bebten vor Aufregung, aber momentan konnten sie sich kaum rühren, unter den strengen Blicken der Torwachen, die auf sie Acht gaben.
 

Kôhei trottete derweil hinter dem Diener durch die weiten Flure, bis sie vor einer dunklen Schiebetür haltmachten, die sicherlich nicht zum offiziellen Audienzsaal des Fürsten führte. Was ging hier vor? Der junge Ookami bekam eine erste Ahnung, als er hineingerufen wurde und eine eindeutig weibliche Stimme hörte. Und dann stand er einer schwarzhaarigen Inuyôkai gegenüber, die man als Mensch vielleicht auf Mitte, Ende Zwanzig geschätzt hätte. Sie kniete hinter einem Schreibpult und sah ihn ernst, aber nicht unfreundlich an. Gerade noch erinnerte sich Kôhei daran, dass es hier strengere Regeln gab und verneigte sich kurz, ehe er sich ihr gegenüber niederließ.

Masa nickte ihm zu, sagte jedoch nichts. Man hatte ihr bereits berichtet, dass es um eine Botschaft an Fürst Sesshômaru ging, die allerdings politischer Natur war. Also durfte auch sie das Siegel brechen, solange Sesshômaru nicht im Hause war. Und das tat sie jetzt auch, überflog die Zeilen kurz. Dann winkte sie den Diener heran, der neben der Tür niedergekniet war. „Schick mir Daisuke, Shin, Tomi und Jiro auf den Hof. Und Arata!“

Bei dem letzten Namen zog der Diener kurz die Luft ein, verneigte sich aber hastig und eilte davon.

Masa wandte sich an den jungen Ookami. „Gehe ich Recht in der Annahme, dass dieser Kôhei du bist?“ Er nickte. „Gut. Dann komm mit. Ich werde selbst überwachen müssen, wie die Lehrer verteilt werden. Fürst Sesshômaru ist nicht zugegen.“ Kôhei reagierte bloß, in dem er sich erhob und hinter Masa her trottete. Die Schwarzhaarige runzelte etwas die Stirn. Es war ja nicht so, dass sie Schweigsamkeit nicht gewohnt wäre, immerhin war ihr eigener Gebieter das beste Beispiel, aber dieser junge Wolf kam ihr doch etwas seltsam vor. So jung und schon so wortkarg? Fürst Sesshômaru hatte das von seiner Mutter, das wusste sie nur zu gut, schließlich hatte sie Fürstin Chiyo noch kennengelernt, aber bei den Wölfen ging es doch sowieso meist lockerer zu, oder irrte sie sich da?

Nein, tat sie nicht, beschloss sie, als sie durch das Hauptportal trat und die fünf anderen Wolfsschüler erkannte, die noch immer kaum still stehen konnten vor Erwartung. Dieser Kouhei, der sich nun wortlos wieder zu seinen Kameraden gesellte, schien ein Sonderfall zu sein. Sie sollte ihn auf jeden Fall im Auge behalten. Nun, da er Aratas Schüler werden würde, musste sie das sowieso.
 

Da lösten sich die Gestalten der Lehrer bereits aus der dichten Dunkelheit und stellten sich neben dem Portal auf. Daisuke, Tomi und Jiro hatten ihre bisherigen Schüler mitgebracht, die einigermaßen diszipliniert, aber eindeutig neugierig hinter ihren Mentoren standen. Jedem von ihnen würde ein neuer Schüler zugewiesen werden. Shins momentaner Schüler würde in den nächsten Tagen bei den Wachen eingearbeitet werden, seine Ausbildung war abgeschlossen. Shin würde daher zwei neue Schüler bekommen.

Und dann war da noch Arata. Von manchen war er gefürchtet, was vermutlich auch daran lag, dass der letzte Schüler des erfahrenen Inuyôkai Sesshômaru höchstpersönlich gewesen war. Masa aber wusste, das mindestens die Hälfte der Gerüchte über den berüchtigtsten Lehrer der Inu-Schule nicht zutraf. Aber eigen sein konnte der Alte.
 

Sie trat einen Schritt vor, die silberne Kette, die sie als Stellvertreterin des Fürsten auswies, hatte der doch keine Gefährtin und lebte seine Mutter, die nominelle Fürstin, nicht auf diesem Schloss, blitzte im Mondlicht auf. Sofort waren alle Blicke auf sie gerichtet.

Sie sah zu einem jungen Wolf in blauschwarzer Tracht. „Du!“, machte sie ihn auf sich aufmerksam, worauf der eher mäßig erfolgreich versuchte still zu stehen. „Geh zu Daisuke. Er wird dein Mentor sein.“ Dabei warf sie einen Seitenblick zu dem schwarzhaarigen Lehrer. Der nickte ihr kurz zu, wartete, bis sein neuer Schüler zu ihm gekommen war und berührte den dann dem Brauch gemäß an der Stirn. Damit band er ihn als Lehrling an sich. So lautete die Regel an der Inu-Schule.

Dasselbe geschah mit Tomi, der das hellbraun gekleidete Mädchen mit sich nahm, und Jiro, der von nun an für den grauen Jungen verantwortlich war. Shin übernahm die beiden weiß gekleideten Mädchen, die sich wie ein Ei dem anderen glichen. Er würde sicher viel Spaß mit den Zwillingen haben, das dachte nicht nur eine der unbeteiligten Wachen sarkastisch.

Zurück blieben Kôhei und Arata. Schon von selbst trat der alte Inuyôkai auf den jungen Ookami zu, betrachtete ihn kurz und berührte ihn dann ebenfalls an der Stirn. „Komm mit“, brummte er. Kôhei folgte wortlos. Die ganze Zeit über hatte er still gestanden.

„Arata? Morgen vor Trainingsbeginn will ich dich sprechen!“, rief Masa dem Lehrer noch hinterher, im Wissen, dass er sie gehört hatte, aber keine Reaktion zeigten würde. Der Alte war ein erfahrener Krieger und dementsprechend raubeinig. Offiziell wenigstens.
 

„Zuerst einmal, Jungchen, bin ich der Ältere und der, der die Befehle gibt. Also hast du einen Schritt hinter mir zu gehen, nicht wahr?“ So wie Arata mit dem jungen Wolf sprach, klang es tatsächlich nach einer Frage, aber seine Augen zeigten den Befehl. „Jawohl“, murmelte Kôhei und ließ sich ein Stück zurückfallen. Dabei zeigte er keinerlei Gefühlsregung. Und auch wenn Arata sich nach außen hin ähnlich gab, so konnte er sich nun denken, warum Masa ihn am Morgen sprechen wollte. Irgendetwas stimmte nicht mit diesem jungen Wolf. Der war nicht schweigsam oder selbstbeherrscht, wie man es von Sesshômaru behaupten konnte, der war einfach nur desinteressiert an allem. Das gefällt mir nicht… das gefällt mir absolut nicht… mehr Aufmerksamkeit, mehr Offenheit, Ehrgeiz, Kämpferherz… das zeichnet einen Krieger aus… und bisher waren die Wölfe in der Lage, Jugendliche hier her zu schicken, die diese Qualitäten zumindest als Anlage mitbrachen… also was soll dieser Junge? Der Saum seines gelbgrauen Haori wehte etwas im aufkommenden Wind, als der Alte stehen blieb. „Such dir einen Schlafplatz und tanke Kraft. Das Training beginnt eine Stunde nach Sonnenaufgang. Verstanden?“

Kôhei nickte knapp und trottete an seinem neuen Lehrer vorbei. Für dich, Sayoko, für dich Imouto-chan. Nur für dich tue ich das… ich und ein Kämpfer, Schwesterlein… wenn du das schon verstehen könntest, du würdest mich auslachen, nicht wahr? Und wenn du wüsstest, wie viel das Kämpferherz unseren Eltern gebracht hat, du würdest nur noch heulen… ach, Sayoko… mit deinem ist auch mein Weg vorbestimmt… du bist noch zu klein, um das zu sehen, du lebst in den Tag hinein, hast das Schicksal unserer Familie nicht bewusst mitbekommen. Vater ist so stark, Sayoko, für uns ist er es… jetzt muss ich es auch sein… ich bin der Älteste von uns. Für dich, Imouto-chan, aber auch für Otou-san, Kai und Shinta… ich werde fähig sein… ob ich will oder nicht…

Damit verschwand er auf seinem Nachtlager, ohne sich weiter nach den anderen aus seinem Rudel oder gar den bisher fremden Schülern umzusehen.

Neue Wege

Der nächste Tag begann für Arata früher, als für seinen neuen Schüler. Nun war der alte Inuyôkai stark genug um sowieso so nicht zu schlafen, aber er nutzt die Nacht gerne um Ruhe zu finden, weit draußen in den Wäldern, entfernt vom Schloss.

Jetzt aber stand er vor Masas Büro, als gerade die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont stiegen und bat um Einlass. Seine rotbraune Haarpracht, die er nur schulterlang trug, obwohl sie deutlich länger hätte sein können, leuchtete etwas im Licht, als er eintrat.

Die Schiebetür zum Balkon stand offen, Masa stand dort an der Balustrade und drehte sich jetzt zu ihm um. „Gut, dass du kommst, Arata. Wir müssen über deinen neuen Schüler reden.“

Der Alte trat neben sie. „Ich weiß. Er ist nicht, was man einen angehenden Krieger nennt. Viel zu desinteressiert an der Welt.“

„Das ist nicht das ganze Problem, Arata. Hier, lies das!“ Sie reichte ihm das Schreiben, welches Kôhei am vergangenen Abend bei ihr abgeliefert hatte und wunderte sich nicht im Geringsten, als selbst der erfahrene Lehrer scharf die Luft einzog. „Das hättest du nicht erwartet, oder? – Dieser junge Ookami ist stark genug um seine Energie zu unterdrücken und er kann sicherlich seine wahre Form annehmen, in seinem Alter müsste er es gelernt haben. Aber ob er bei seinem Wesen zum Krieger taugt oder überhaupt jemals eine Waffe in der Hand gehalten hat?“

Arata brummte etwas Unverständliches. „Das mit den Waffen lässt sich machen. Er muss nur lernen mit dem Naginata und mit einer Handwaffe umzugehen. Was mir eher Sorgen macht, ist sein Verhalten. Die anderen sind alle noch kindlich naiv, aber sie besitzen Willen und Ehrgeiz. Mein neuer Schüler tut das nicht. Zu mindestens zeigte er es nicht.“ Und an dieser Stelle bewies er, wie viel Erfahrung beim Einschätzen von neuen Bekanntschaften er hatte. „Ich glaube, da steckt etwas hinter. Nicht nur, dass es sicherlich nicht seine Entscheidung war, dass seine Schwester mit dem Wolfserben verlobt wird. Ich glaube, da ist mehr. Diese Unlust hat einen Grund. Und den werde ich herausfinden müssen, ehe ich irgendetwas erreichen kann. – Ich danke für die Warnung, Masa. Ich werde mein Bestes geben.“

„Das weiß ich, Jii-san. Ich wollte nur, das du Bescheid weißt.“

Damit trennten die beiden sich und Arata machte sich auf den Weg zum Trainingsplatz. Wollte er doch mal sehen, ob dieser Kôhei wenigstens pünktlich sein konnte.
 


 

Natsu hatte sich derweil auf einen weiteren scharfen Blick des Hundedämons hin, langsam auf den Weg gemacht, der hinüber zu der Fadenfalle führte. In Gedanken zählte sie die Schritte mit. Vier… Drei… Zwei… Eins… Dunkel!

Tatsächlich schwand im selben Augenblick um sie herum das Licht. Stockduster war es um sie herum und sie spürte für den winzigen Bruchteil einer Sekunde, wie das Yôki ihres Begleiters wachsam aufwallen wollte, ehe er es wieder unter Kontrolle brachte. Ein winziges Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Sie blieb stumm stehen, wartete, dass die Falle sich vollends aktivierte. Das dauerte immer eine Weile, aber jetzt schon vorzupreschen, würde es nur schlimmer machen.
 

Sesshômaru stand nach außen hin vollkommen ruhig knapp hinter ihr und sah sich um. Viel konnte er allerdings nicht erkennen. Das lag allerdings weniger an der Qualität seiner Sehkraft, als an der Tatsache, dass es momentan auch nicht zu sehen gab. Wo lag hier die Falle? Einfach nur an der Dunkelheit? Mit Sicherheit nicht. Er sah zu seiner Begleiterin, wartete auf ein Zeichen, sicher, dass sie wusste, was geschehen würde. Aber noch rührte Natsu sich nicht. Er unterdrückte das aufkommende Misstrauen über ihre vollkommende Ruhe und beschloss einfach zu warten.

Lange brauchte er das nicht mehr. Er sah zwar nicht, dass Natsu kurz die Augen zusammenkniff, um ihren Blick besser auf das fixieren zu können, was ihr wichtig war, aber er sah, warum sie jetzt reagierte: In der undurchdringlichen Dunkelheit waren silbrige Fäden aufgetaucht, leicht schimmernd und glitzernd, quer durcheinander, wie ein verknäultes Spinnennetz. Und immer mehr kamen hinzu, über ihnen, neben ihnen, vor ihnen. Sesshômaru brauchte sich nicht umzudrehen, um sich denken zu können, dass auch hinter ihnen welche waren. Die Fäden malten ein bizarres Muster in die Schwärze, das keine klare Richtung oder Anweisung zu enthalten schien.

Sie hat etwas von Labyrinth gesagt… nun, Recht hat sie… für die Augen ist ein Labyrinth, für den Körper nicht…, erfasste der Inuyôkai die Situation, während unaufhaltsam immer noch weitere Fäden auftauchten. Schließlich erkannte er, dass gleichzeitig auch wieder welche verschwanden. Ein stetes Hin- und Her, hier kamen welche dazu und dort schwanden sie. Die Wahrnehmung… für die gesamte Wahrnehmung ist diese Prüfung wohl gedacht…

Es behagte Sesshômaru zwar nicht wirklich, dass er spekulieren musste, aber er würde sich hüten, zu fragen. Einerseits sowieso und andererseits, weil er doch eigentlich froh sein konnte, dass Natsu im Moment mal still war. Sie war ja sonst geradezu undämonisch redselig.
 


 

Die Sonne war weiter im Norden noch kaum aufgegangen, da drängte InuYasha bereits wieder zum Aufbruch. Lange hatte er in der Nacht nicht geschlafen, aber das er es überhaupt getan hatte, war schon etwas Besonderes. Normalerweise reizte er so etwas bis zum Limit aus, ehe er sich um sich selbst sorgte. So oder so wollte er jetzt weiter. Und das zeigte er auch deutlich, war mürrisch und reizbar.

Kagome sorgte dafür, dass alles nach seiner Nase verlief, ehe sie nach dem Aufbruch versuchte, ein paar vernünftige Worte mit ihm zu wechseln. Aber das war schwierig. „InuYasha, jetzt sag schon. Was ist los?“

„Nichts“, brummte er bloß. Die anderen waren in Hörweite. Und manches ging sie eben nicht an. „Ach, InuYasha…“, seufzte Kagome bloß und nahm sich vor, es bei der nächsten Rast noch einmal zu versuchen. Vielleicht hatte er sich dann ein wenig beruhigt. Sie ließ sich zu Shiori zurückfallen, die zwischen Kohaku und Tián hinter InuYasha herlief und sich nicht anmerken ließ, ob dessen Verhalten sie störte.

„Sag mal, warum ist er so? Er kann doch auch ziemlich geduldig sein…“, setzte sie aber nun an.

Kagome lächelte etwas. „Er kann, ja. Aber im Grunde ist das eher die Ausnahme. Er ist hitzköpfig und vorpreschend. Aber das jetzt… ich weiß auch nicht, Irgendetwas beschäftigt ihn. Das war früher oft so. Bloß das ich da erraten konnte, worum es ging, weil der Grund entweder Naraku oder Kikyô hieß.“

Die junge Miko sprach den Namen ihrer einstigen Rivalin inzwischen, wenn sie nicht gerade wütend war, ganz normal und ohne ein Zeichen von Bitterkeit aus. In den drei Jahren der Trennung hatte sie viel nachdenken können. InuYasha war nicht fähig gewesen, loszulassen, hatte sich Kikyô gegenüber schuldig und verpflichtet gefühlt. Und Kikyô? Die hatte wohl einen Grund gesucht, durchzuhalten. Und InuYasha war da der einzige Anhaltspunkt gewesen. Einst hatten die beiden sich geliebt, das war ihr klar, aber schon lange bevor diese etwas kuriose Tändelei der beiden mit Kikyôs endgültigem Tod ein so dramatisches Ende genommen hatte, hatten nur noch andere Gründe sie zusammen gehalten. Kagome zürnte nicht mehr, sie hatte gelernt zu verstehen. Und inzwischen tat ihr Kikyô im Nachhinein fast Leid, auch wenn sie wusste, dass die am Ende mit sich im Reinen gewesen war. Und sie rechnete es Kikyô hoch an, das die Kohaku eine dritte Chance gewährt hatte. Ohne das Licht von Kikyôs zum zweiten Mal verstorbener Seele, würde Kohaku nicht mehr leben.

Kagome schob das Thema beiseite, als sie den Seitenblick des jungen Taijiya spürte. „Was ist, Kohaku?“

„Werden wir noch einmal im Dorf vorbeisehen, bevor wir weitersuchen?“

„Das musst du InuYasha fragen, sollte er heute nochmal auf die Idee kommen, zu rasten. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist, aber lass ihn erst mal seinen Frust loswerden, vorher kann man sowieso nicht mit ihm reden.“

Innerlich musste Kagome ein wenig grinsen. Schon bei den winzigen Anekdoten, die sie früher ihren Freundinnen in der Neuzeit über InuYashas früheres Verhalten erzählt hatte, waren die beinahe von der Bank gekippt. Würde sie denen erzählen, welches Chaos jetzt schon wieder herrschte und das es unter anderem von dem ‚gewalttätigen, eifersüchtigen, unfreundlichen Freund‘ abhing, ob die Welt weiter so bestehen würde, wie sie war, dann würden die drei vermutlich ohnmächtig werden.

Dieser Gedanke führte Kagome zurück zu ihrer Familie. Sie dachte an das letzte Gespräch mit ihrer Mutter, an deren so tiefes Verständnis. Es hatte ihr das Herz zerrissen, einfach zu gehen, aber, so weh es irgendwo auch tat, ohne InuYasha hatte sie es nicht mehr ausgehalten, ohne ihre Familie, das ging irgendwie. Vermissen tat sie sie schrecklich, aber in InuYashas Nähe zu sein, tröstete sie mehr über den Verlust ihrer Mutter, ihres Großvaters und ihres Bruders hinweg, als es umgekehrt gewesen war.

So ist es wohl, wenn man jemanden innig liebt… nicht wahr?
 


 

Eigentlich war Arata nicht einmal wirklich überrascht, als er Kôhei bereits am Rande des Trainingsplatzes sitzen sah, scheinbar die anderen seines Rudels beobachtend, deren Training bereits begonnen hatte. Als er näher kam, bemerkte der alte Inuyôkai allerdings, dass Kôhei eher durch die anderen hindurch sah.

Er besah sich den jungen Ookami noch einmal genauer. Wie es zur Tracht der Wölfe gehörte, trug auch er eine Rüstung, allerdings bezweifelte Arata schwer, dass Kôhei deren Dienste irgendwann einmal in Anspruch genommen hätte.

„Kôhei!“, rief er, woraufhin der Wolfsjunge aufstand, ohne ihn anzublicken.

Das wird ein hartes Stück Arbeit…

Es war ja nicht so, dass Arata nicht wüsste, wie man mit emotionslosen Persönlichkeiten umging, aber Sesshômaru war schließlich alles andere als lustlos oder unfähig zum Kampf gewesen. Der hatte schon rein instinktiv mit seinem Klauenangriff und seinem Gift umgehen können, ehe er das Kampftraining richtig begann. Arata wusste, dass die Wölfe nur selten einen persönlichen Klauenangriff besaßen, bloß ihre Krallen durch ihr Yôki stärken konnten, aber dennoch sollte er wohl erst einmal herausfinden, ob dieser Kôhei wenigstens die Grundlagen beherrschte.

„Hast du jemals eine Waffe in der Hand gehalten?“, fragte er im Näherkommen.

„Ich kann ein wenig mit dem Katana umgehen. Seit zwanzig Jahren hatte ich aber keines mehr in der Hand“, erwiderte Kôhei gelassen. Seit der Geburt meiner Schwester…, fügte er in Gedanken noch hinzu, hütete sich allerdings, das auszusprechen. Er würde einen Teufel tun, seinem Lehrer so etwas einfach zu erzählen. Was ging den seine Familiengeschichte an?

Arata hatte sich den ersten Teil der Antwort bereits denken können. Das Katana, das normale, einschneidige Schwert, war die gebräuchlichste Waffe. Kurzerhand zog er das, was er an der Hüfte trug, aus der Scheide und hielt es Kôhei hin. „Na dann, zeig, was du kannst!“ Ein bisschen Provokation musste vermutlich sein, damit der Kerl auf Touren kam.

Kôheis Hand legte sich zwar um den Griff des Schwertes, aber er rührte sich nicht. „Warum?“, wollte er leise wissen.

„Weil ich wissen will, wie gut deine Ausbildung bisher war. Also mach“, ließ Arata sich zu einer Erklärung herab, ohne jedoch große Hoffnung zu haben, dass das etwas bringen würde.

„Ich muss doch bloß lernen, mit einer Stangenwaffe umzugehen“, konterte Kôhei auch ohne zu Zögern.

Arata unterdrückte ein Seufzen. „Eine Stangenwaffe, wie es Naginata und Yari sind, ist aber nicht für den direkten Nahkampf oder den Kampf in einer Gruppe geeignet. Es sei denn, du willst deine Kumpane abschlachten“, erläuterte er, war aber doch überrascht über die Reaktion des jungen Wolfes. Der konnte nämlich ganz offensichtlich ein Knurren nur knapp unterdrücken. Da hatte er offenbar einen Nerv getroffen. Und er hatte Recht gehabt. Hinter der Unlust dieses Wolfsjungen steckte etwas. Warte ab, Junge, dich werde ich schon knacken…
 


 

Es war bereits früher Nachmittag, als InuYasha endlich zuließ, dass sie Rast machten. Kohaku war schon die letzten zwei Stunden wieder auf Kirara geritten, weil sein Bein die überlange Wanderung dann doch nicht mitmachte und auch die anderen waren erleichtert.

Nur Kagome machte sich nach wie vor große Sorgen. Etwas stimmte nicht, mit InuYasha, schon gar nicht, weil er seit ihrem missglückten Gesprächsversuch heute Morgen kein Wort mehr verloren hatte. So schweigsam war er noch nie gewesen.

Als er sich wie üblich abseits auf einen Stein setzte, ging sie ihm hinterher, blieb hinter ihm stehen. „Wenn wir leise sprechen, hören die anderen uns hier nicht. Gut, außer Kirara vielleicht. Also, was ist los?“, fragte sie sanft und bewies damit, dass sie ihn vorhin in diesem Punkt durchschaut hatte.

InuYasha grummelte vor sich hin, sein Blick war in die Ferne gerichtet. „Wir wurden so oft angegriffen. Wir können uns wehren. Aber das Dorf? Kommen Sango und Miroku zurecht?“

Kagome konnte nicht anders, als hinter seinem Rücken etwas zu lächeln. „Du vermisst sie“, stellte sie ruhig fest.

„Keh! Quatsch!“, brummte der Hanyou, schien es sich dann aber doch anders zu überlegen. „Naja… vielleicht. Es… es ist nicht wie früher. Shiori… ich weiß, dass sie uns viel verdankt und sich revanchieren will. Ich weiß, dass sie glücklich ist, mitkommen zu dürfen und das sie durchaus auf sich selbst aufpassen kann. Aber…“ Er stockte. „Und dieser Tián, den kann ich gleich gar nicht einschätzen. Was für ein Dämon ist er überhaupt? Und…“ Wieder unterbrach InuYasha sich, sah jetzt zu Boden. „Selbst Kohaku. Ich kenne sein Schicksal und ich weiß, dass er eigentlich fast zur Familie gehören sollte. Immerhin ist er Sangos Bruder. Aber…“

Kagome nahm es ihm nun ab, die Sätze zu vervollständigen: „… aber es ist eben doch irgendwie fremd, nicht wahr? Nicht wie früher. Sango und Miroku fehlen dir, unsere Truppe, die fest entschlossen war, mit allem fertig zu werden, egal ob dieses alles Naraku, Kagura, Kanna oder wieder ganz anders heißt. Ich verstehe dich, InuYasha, ich verstehe dich gut. Aber Sango und Miroku haben nun mal ihre Verpflichtung im Dorf. Sie haben ihre Kinder und müssen obendrein Rin beschützen. Kaede hätte das in solchen Zeiten nicht allein geschafft.“ Sie seufzte leise. „Ach, InuYasha, die Zeiten ändern sich nun mal. Wer weiß eines Tages ziehen wir vielleicht wieder mit Sango und Miroku durch die Gegend. Auf jeden Fall aber werden wir wieder nach Hause zurückkehren. Aber vorher müssen wir zusehen, dann wir unseren Auftrag erfüllen. In Ordnung?“ Sie kniete sich neben den Felsen ins Gras und sah von unten zu ihm auf.

InuYasha zuckte etwas mit den Ohren. „Hmm… ja, schon gut, ich habe verstanden. – Danke, Kagome…“

Die junge Miko suchte seinen Blick. „Nicht zu danken, InuYasha. Ich kann genauso wenig ertragen, wenn dich etwas belastet, wie du es kannst, wenn mich etwas belastet. Ich liebe dich, InuYasha. Ich kann dich nicht leiden sehen.“

Nun lächelte der Halbdämon beinahe wieder. Er ließ sich von dem Felsen hinabrutschten und setzte sich neben sie ins Gras, schlang den Arm um sie und zog sie an sich. „Ich liebe dich auch, Kagome…“, flüsterte er leise.
 


 

Derweil war die Welt von Sesshômaru und Natsu noch immer in Dunkelheit getaucht. Die Löwendämonin hatte sich inzwischen in Bewegung gesetzt, schritt langsam vorwärts, jeden Schritt überdenkend.
 

Sesshômaru, der ihr wohl oder übel auf den Fersen blieb, versuchte dabei herauszufinden, wie sie ihren Weg plante, denn wenn er ehrlich war, erkannte er keinen Hinweis in dem stetig wechselnden Gewirr aus Lichtfäden. Er versuchte zu wittern, doch nirgendwo zeigte sich ein Anhaltspunkt. Eigentlich kein Wunder, schließlich befanden sie sich in der bekannten Umgebung, bloß das sämtliches Licht ausgeschaltet war. Und da selbst Natsu ihre Schritte so vorsichtig setzte, nahm er an, dass auch ihre Katzenaugen ihr nicht viel halfen, obgleich sie damit eigentlich einen Gutteil besser sehen müsste, als er. Diese Kuraiko war offenbar tatsächlich mit allen Wassern gewaschen.
 

Tatsächlich sah Natsu auch nicht mehr, als der Inuyôkai, aber sie wusste von dem einzigen Indiz auf die richtige Richtung und hielt sich daran, aber wenn sie schneller gehen würde, konnte sie sich nicht darauf konzentrieren. Einem bestimmten Lichtfaden zwischen unzähligen Lichtfäden zu folgen, war verständlicherweise nicht ganz einfach. Und sie musste sich zusammen nehmen, damit ihre Wahrnehmung nicht verschwamm.

Oh, oba-san, warum der Quatsch? Du weißt doch, dass ich es bin… willst du mich etwa auch nicht mehr sehen? Was habe ich dir getan? War ich nicht diejenige, der du mehr vertraut hast, als deinen eigenen Kindern? Der du deinen Schmerz offenbart hast, wenn du dich vor allen anderen unverwundbar gabst?

Natsu verzog etwas das Gesicht, als sie beinahe im wahrsten Sinne des Wortes den Faden verlor. Für einen Augenblick war er verschwunden, so wie die anderen Fäden auch ab und an. Da war er wieder. Ein Glück. Beinahe hätte sie erleichtert aufgeatmet, aber diese Schwäche wollte sie sich dann doch nicht eingestehen. Wenn der Leitfaden jetzt auch schon flimmerte, war es nicht mehr weit. Jetzt konnte sie aufs Ganze gehen. „Schneller…“, wisperte sie nur, ehe sie sich vorwarf.
 

Sesshômaru hechtete ihr sofort nach, zu erfahren um nicht rechtzeitig zu reagieren. Ein paar Sprünge lang ging das gut. Dann jedoch begannen die Lichtfäden an den Rändern seines Gesichtsfeldes durch die Geschwindigkeit zu einem einzigen Lichtfeld zu verschwimmen, Natsu vor ihm, mit ihrer dunklen Kleidung verschmolz mit der magischen Dunkelheit – und dann stand er plötzlich alleine da.

Abrupt kam er zum Stehen, versuchte sich wieder zu orientieren. Leichter gesagt, als getan. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wohin er sich wenden musste. Außerdem regte diese Falle ihn langsam auf.

Für einen Sekundenbruchteil schloss er die Augen, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, aber das reichte, damit sich instinktiv seine anderen Sinne verstärkten. Und da, eine Ahnung bloß, viel zu schwach eigentlich für die erwartete Nähe… ein Funken einer Witterung. Unterschwellig der Geruch einer Katze, dämonische Energie, Stoff. Aber noch etwas anderes. Etwas wie Wärme lag drin, Gras- und Blütenduft – Sommerwind. Natsu. Diese Mischung hatte er zuvor nie richtig wahrgenommen. Bemüht, den unverhofften Hinweis in der Nase zu behalten, folgte er ihm zielstrebig, bis sich plötzlich, vom einen auf den anderen Moment die Dunkelheit um ihn herum lichtete. Wie schwarze Wolken brach sie auf und gab wieder die Sicht frei. Und im selben Moment verstärkten sich auch alle anderen Sinneswahrnehmungen wieder, offenbar unterdrückte diese Falle auch diese.

Da erfassten seine Augen Natsus Gestalt, die etwas links von ihm stand, offenbar gewartet hatte. Hatte sie darin vertraut, dass er es allein schaffen würde? So oder so, spürte er plötzlich Erleichterung. Ob das nun daran lag, dass er diese unsägliche Falle hinter sich hatte, oder dass er Natsu wieder gefunden hatte, darüber wollte er nicht nachdenken. Beidenfalls wäre es seiner nicht würdig.

Da erkannte er, dass sie ihn musterte, konterte mit seinem üblich eiskalten Blick. Tatsächlich sah sie diesmal weg. Und setzte sich wieder in Bewegung, die Hand locker auf ihren Schwertgriff gelegt. Die linke Hand. Erstaunlich. Das war unter Dämonen extrem selten. Aber ihre Verhalten freute ihn aus anderem Grund: Offenbar war die nächste Falle nur kämpferisch zu überwinden. Das wäre eine gute Möglichkeit, sich abzulenken. Und das hatte er bitter nötig. Diese Dämonin trieb ihn nochmal zum Wahnsinn. Jetzt, wo er ihre Witterung so deutlich wahrgenommen hatte, ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Was sollte das bloß?

Familiengeheimnisse

Arata war inzwischen der Meinung, er habe lange genug gewartet. „Jungchen! Entweder du greifst mich jetzt an, oder wir ziehen andere Seiten auf“, drohte er, ohne im Geringsten die Stimme zu erheben. Allerdings war ihm anzumerken, dass er es ernst meinte. Er hatte seine Möglichkeiten, auch ohne Waffen, den Jüngeren zum Übungskampf zu zwingen. Nicht umsonst war er der erfahrenste Lehrer hier an der Inu-Schule. Doch Kôhei reagierte noch immer nicht, stand einfach nur da, den Blick starr geradeausgerichtet, die Hand locker um den Griff des Katana gelegt, ohne Anstalten zu machen, sich auch nur zu bewegen.

Wenige Meter entfernt, unter der Leitung eines der anderen Lehrer sah es weit bewegter aus. Das Wolfsmädchen in der hellbraunen Tracht, stemmte ihre Klinge ungelenk gegen die des älteren Schülers, der schon einige Monate unter Tomis Aufsicht trainierte. Auch das hier war nur ein Austesten der Anlagen und sie schlug sich gar nicht einmal so schlecht, ein Grund, warum der Mentor noch nicht eingegriffen hatte, sondern mit verschränkten Armen neben den beiden stand.

Doch plötzlich wand die junge Ookami sich überraschend schnell aus dem Angriff ihres Trainingspartners und dessen Klinge traf stattdessen auf den dünnen, hellbraunen Haori, den sie über der Rüstung trug, zerfetzte ihn.

Vor Schreck stürzte sie zu Boden, eine Hand hatte sie in den Stoff gekrallt, der nun aus zwei Teilen bestand, hielt ihn vor dem Bauch zusammen.

Und dann ging alles blitzschnell.

Selbst Arata konnte nicht so schnell gucken, wie Kôheis Blick zur Seite schwang, sich seine Klauen fester um den Schwertgriff schlossen und er lossprang. Einem Schatten gleich stürzte er in Richtung seiner Rudelkameradin, fing die Klinge des erfahreneren Schülers ab, ehe der fehlgeleitete Schwung überhaupt vollendet war und drückte sie wieder nach oben. Vollkommen überrumpelt von diesem Eingreifen wehrte sich der Andere instinktiv, drehte seine Klinge seitwärts und lenkte den Schwung zur Seite um. Er verlor sein Schwert dabei, aber auch Kôhei wurde zur Seite geschleudert, fing sich ab und blieb für einen Augenblick hocken. Ein tiefes Grollen klang aus seiner Kehle, selbst bei seinem halb gesenkten Kopf war deutlich zu erkennen, dass sich seine oberen Reißzähne über die Unterlippe schoben.

Die Szenerie war kollektiv zu Salzsäulen erstarrte. Was ging hier vor? Diese Frage stellten sich sicher nicht nur der der ältere Schüler und die beiden Mentoren, auch alle anderen Übungskämpfe rund herum waren unterbrochen worden, aller Augen lagen auf Kôhei, dessen Zopf nun unter seinem ausbrechenden Yôki zu wehen begann. Jeder seiner Muskeln war angespannt. Etwas hatte ihn vollkommen aus dem Konzept gebracht.

Da rührte sich plötzlich das Wolfsmädchen, rappelte sich auf und stürzte auf Kôhei zu. „Kôhei! Beruhige dich, Kôhei! Bitte!“

Keine Reaktion, im Gegenteil, seine Finger krallten sich nun so fest um den Schwertgriff, dass die Adern hervortraten.

Sie ließ sich auf die Knie fallen, beide Hände auf seine Schultern gelegt, ihre Stimme hatte eine Mischung aus Panik und dem Versuch zu beruhigen angenommen. „Kôhei! Es ist alles in Ordnung. Mir geht es gut. Ich bin nicht Sayo! Mir geht es gut. Alles in Ordnung!“

Arata war inzwischen herangekommen, wollte nach seinem Katana greifen, um Kôhei wenigstens das wegzunehmen, doch einer der anderen jungen Ookami trat dazwischen. „Bitte, Arata- dono. Tut das nicht. Kommen Sie ihm nicht zu nahe. In diesem Zustand besitzt er keinen Verstand mehr. Und er hat schon einmal fast gemordet!“, flehte er ernst.

Das hellbraun gekleidete Wolfsmädchen hatte derweil mit ihrer Litanei weitergemacht und langsam, ganz langsam schien sich Kôheis Stimmung zu beruhigen, der Griff seiner Hand lockerte sich, bis das Schwert scheppernd zu Boden fiel. Er atmete schwer, doch offenbar hatte er sich wieder beruhigt.

Arata, der bei den Worten den jungen Ookami vor seiner Nase erschrocken die Luft angehalten hatte, atmete erleichtert auf. Yôkai hatten keine Probleme damit, zu töten, wenn es nötig war. Aber Mord war ein ganz anderes Kaliber. Er musterte seinen Schüler. So langsam war dessen Verhalten wirklich nicht mehr zu durchschauen. Aber was auch immer dahinter steckte, wenn der Kerl so weitermachte, konnte er einen Gefahr für die Allgemeinheit werden. Er musste dringend herausfinden, was mit dem los war. Das hatte oberste Priorität. Weit vor jeglicher Form der Ausbildung.

Doch jetzt hob er erst einmal sein Katana auf und drehte sich um.

Er wusste, was Kôhei jetzt bevor stand. Tatsächlich näherten sich bereits die beiden Wachen, die den Trainingsplatz im Auge behielten, damit niemand ernsthaft verletzt wurde. Kôhei ließ reglos geschehen, dass sie ihn an den Oberarmen ergriffen und mit sich schliffen. Er würde den Rest des Tages und die Nacht im Arrest verbringen müssen. Über die Schulter sah Arata ihm nach. Ich muss dringenst etwas herausfinden…

„Bote!“, rief er quer hinüber zum Haupttor, in dessen Nähe sich meist einige in irgendeiner Form gelangweilte Boten aufhielten. Tatsächlich näherte sich sofort jemand. „Geh zu den Wölfen und bring mir jemanden her. Ich will alles über diesen Kôhei wissen, was es zu wissen gibt. So geht das nicht weiter“ Ohne eine Erwiderung machte der Bote sich auf den Weg.

Arata blieb zurück, achtete nicht auf das leise Schwertklirren hinter sich, dass anzeigte, dass die anderen Gruppen ihr Training fortsetzten.

Er dachte noch einmal über die vergangene Situation nach. Dieses kleine Wolfsmädchen hatte den Namen Sayo genannt. Hatte jemand mit diesem Namen etwas damit zu tun? Kôheis Verlobte vielleicht? In seinem Alter konnte er gut eine haben. Arata schüttelte den Kopf. So kam er nicht weiter. Er würde wohl oder übel warten müssen, bis der Bote zurückkam.
 


 

InuYasha und seine Gruppe hatten ihre Rast inzwischen beendet, setzten ihren Weg zurück nach Süden fort, diesmal in schnellerem Tempo. Kirara trug Kohaku und Shiori, InuYasha hatte Kagome auf den Rücken genommen und Tián lief nebenher. Die Gruppe wirkte eingeschworen und kein Außenstehender hätte etwas von den Krieseleien im Inneren geahnt.
 


 

An einem Waldrand ließ sich Shippô inzwischen erschöpft ins Gras fallen. Kyoko tat es ihm erleichtert gleich. Sie waren seit Tagen fast ununterbrochen unterwegs und eine Ahnung, wo sie waren, hatten sie immer noch nicht. Im Gegenteil, das vage Gefühl, genau in die falsche Richtung unterwegs zu sein, blieb hartnäckig.

Der Fuchsjunge seufzte leise. „Es ist eine Schande. InuYasha hätte sich nie verirrt. Egal wo es ihn hin verschlagen hätte“

„Bist du dir da sicher? Jeder könnte doch…“

„Nein, Kyoko. Egal was damals geschehen ist, InuYasha hat sich nie verirrt. Wenn Kagome entführt wurde und er nur ihrer Witterung nach ist, ohne auf den Weg zu achten, hat er den Rückweg trotzdem gefunden. Wenn wir alle vollkommen zerstreut waren und er uns querbeet einsammeln musste, wusste er nachher trotzdem noch, in welche Richtung wir eigentlich unterwegs waren. Wenn Narakus Geruch ihn in völlig fremde Gegenden führte oder seine Illusionen die Umgebung auch noch veränderten, hat sich InuYasha trotzdem nie narren lassen“

Für einen Moment war das silberhaarige Kitsunemädchen still. Dem hatte sie nichts entgegen zu setzen. Anderseits… „Aber er ist doch auch älter als du, oder? Wenn er Sesshômaru-samas Halbbruder ist, muss er doch mindestens zweihundert Jahre alt sein“

„In etwa“, gab Shippô zu, verzog dann aber das Gesicht. „Aber ich will verdammt nochmal nicht immer das nutzlose Kind sein! Warum schaffe ich Dinge niemals alleine?“ Jetzt lag in seiner Stimme wieder ein bisschen etwas von dem weinerlichen Trotz, den er früher so oft gezeigt hatte.

Kyoko lachte aber nur. „Wer hat uns denn aus diesem Käfig befreit, hmm?“

„Ein Mal. Na toll“, murrte er.

„Sollen wir uns nochmal einfangen lassen?“, fragte sie spitzbübisch.

Shippô riss erschrocken den Mund auf, ehe er kapierte, dass sie scherzte und den Moment nutzte, um sich spielerisch auf sie zu werfen. Tobend kullerten die beiden Fuchskinder durchs Gras. Egal wie erschöpft sie waren, dafür war doch immer noch Kraft da.

Doch plötzlich hielt Shippô inne. Sein Blick wanderte zum Himmel, er witterte angestrengt. „Ich glaube, ich spinne…“, flüsterte er leise vor sich hin und sprang auf.

Kyoko sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Was hast du?“

Shippô antwortete allerdings nicht mehr, sondern raste bereits los, der Ahnung nach, die fast zu schön war, um wahr zu sein.
 


 

Im selben Augenblick verharrte InuYasha mitten im Lauf, sodass Kagome ziemlich durchgeschüttelt wurde.

Kirara bremste in einer kleinen Schleife ab und blieb über ihm schweben, ein fragendes Fauchen verließ ihre Kehle, während Tián erst ein paar Meter weiter zum Stehen kam.

„InuYasha, was…“, setzte die junge Miko gerade an, als sie von einer anderen Stimme unterbrochen wurde: „Kagomeeee! InuYashaaa!“ Der Tonfall überschlug sich vor Begeisterung. Und dann sah sie nur noch einen rotbraunen Blitz, ehe etwas über InuYashas Schulter hing und sie, so gut es in dieser Haltung ging, umarmte. „Kagome!“, wiederholte die Stimme.

Die Angesprochene brauchte einen Moment, um sich von ihrem Schreck zu erholen. „Shippô! Was tust du denn hier?“, wollte sie wissen, während der Hanyou sie absetzte und sich umwandte. „Keh! Das würde mich auch mal interessieren!“, brummte er vor sich hin.

Shippô hatte sich endgültig in Kagomes Arme gekuschelt. „Kagome! Ich bin so froh, dass ich euch treffe. Ich.. wir…“

An dieser Stelle unterbrach InuYasha ihn: „Wir?“

„Ja. Ich und… und Kyoko. Wir… wir haben uns verirrt!“ Nichts mehr war von dem auf einmal so erwachsen wirkenden Shippô übrig, er war wieder das kleine Kind, das mit ihnen auf Reisen gewesen war.

Kagome blickte ihn aufmerksam an. „Kyoko also, hmm? Sag mal, kannst du mir erklären, wer sie ist und wie ihr überhaupt in diese Gegend kommt? Wir sind noch ziemlich weit im Norden. Die Akademie liegt doch im Süden, oder ist sie etwa verlegt worden?“ Der letzte Satz klang eher belustigt.

Der Kitsune beruhigte sich auch langsam wieder. „Wir wurden entführt, Kagome. Und Kyoko…“ Weiter kam er nicht.

„Shippô! Shippô, wo bist du denn? Ach…“ Ein junges Fuchsmädchen, von der Erscheinung her kaum älter als Shippô selbst, kam über die Wiese gelaufen, hielt jetzt erschrocken an, als sie die Gruppe entdeckte. Dann erfassten ihre Augen Shippô und sie entspannte sich etwas.

Der Rothaarige sank ein wenig in sich zusammen. „Gomen nasai, Kyoko. Ich wollte dich nicht abhängen“, murmelte er vor sich hin.

„Hast du aber“, konterte sie trocken und kam etwas näher, ihre türkisen Augen schwiffen vom einen zum nächsten, versuchten die Truppe einzuschätzen, was verständlicherweise recht schwierig war.

Shippô war derweil aus Kagomes Arm gesprungen und lief zu seiner Begleitung hinüber, ehe er sich wieder der jungen Miko zuwandte. „Also, das hier ist Kyoko“ Er legte etwas den Kopf schief, dann grinste er hinterhältig. „Oder sollte ich besser sagen: Kyoko-hime, jüngster Spross des Fürstengeschlechts der Kitsune, Tochter Fürst Gins, des Herrn des Südens“
 


 

Sesshoumaru hatte inzwischen lernen müssen, dass die Fadenfalle nicht allein damit stand, durchaus eine Herausforderung zu sein. Kaum übertraten sie beide die Umgebung der nächsten Falle, zog Natsu ihr Schwert, hielt es vor ihrem Körper, offenbar erfahren in zumindest defensivem Kampf.

Weiter beobachten konnte Sesshômaru sie allerdings nicht mehr, denn die Falle schnappte zu. Diesmal waren es eine Art Blitze, die aus sämtlichen Richtungen schossen und nicht gerade schwach waren. Trafen sie einen Stein oder ähnliches, blieb von dem nur Staub übrig. Jedes Mal, wenn sich einer näherte, musste der Inuyôkai ausweichen oder mit dem Schwert abwehren, denn er hatte bereits mitbekommen, dass Metall gegen diese Blitze immun war. Auch seiner Rüstung konnten diese Angriffe vermutlich nichts, aber man musste es ja nicht darauf ankommen lassen. Diese Kuraiko hatte eindeutig vorgesorgt und das in sämtlichen Formen.

Doch plötzlich hörte er Natsus Stimme nicht weit vor sich. „Die eigentliche Falle beginnt dort vorn. Ab da wird es gefährlich“

Er riskierte einen kurzen Seitenblick und erkannte, dass sie in Laufrichtung auf eine etwas schimmernde Stelle in der Luft zeigte. Ein Bannkreis. Würden sich darin wieder die Bedingungen ändern, die Sinne abgeschwächt werden oder ähnliches? Nun, das würde er nur herausfinden, wenn er ihn betrat.

Also sprang er an Natsus Seite, stemmte Bakusaigas Klinge gegen einen der Blitze und folgte ihr auf dem Fuße, als sie durch die magische Begrenzung sprang.

Kaum auf dem Boden aufgekommen, wäre er beinahe in die Knie gegangen, denn schrille Töne lagen plötzlich in der Luft, quälten seine empfindlichen Ohren. Ich habs geahnt…

Er spürte nur zu deutlich, dass sein Yôki in ihm aufwallte, ausbrechen wollte und er es mit aller Gewalt zurückhalten musste. Egal wie schmerzhaft diese Töne waren, er durfte sich nicht dazu hinreißen lassen, sich zu verwandeln, sonst würde er sich nicht mehr unter Kontrolle haben. Dennoch glühten seine Augen rot, er rührte sich eine ganze Weile lang nicht von der Stelle, während er sich bemühte, sich zu fangen. Es war ein reines Wunder, dass derweil kein Blitz in ihn einschlug, denn die Herausforderung des äußeren Fallenrings war hier durchaus noch immer vorhanden. Unbewusst grollte er tief in der Kehle auf, als er langsam die Hand hob, sein Schwert wegsteckte. Jetzt galt es nur, diese schrille Geräuschkulisse hinter sich zu lassen, ehe ihn die Selbstbeherrschung verließ.

Ohne Vorwarnung schoss er los, in Höchstgeschwindigkeit quer über die Wiese, immer zuhaltend auf den auch dort hinten deutlich zu erkennenden Bannkreis.

Doch plötzlich merkte er, dass etwas fehlte.

Natsu, die doch von der reinen Geschwindigkeit beinahe mit ihm mithalten konnte, war weder vor, noch neben ihm. Notgedrungen blieb er stehen, blickte sich um, ein wenig bebten seine Schultern unter der Anstrengung, sich selbst im Zaum zu halten. Da, dort war sie. Im Gegensatz zu ihm, war sie auf ein Knie nieder gegangen, atmete schwer, auch aus der Entfernung vermochte er ihre rot glühenden Augen zu erkennen. Ihr Gesicht begann sich bereits zu verzerren, sie stand kurz vor der Verwandlung, obgleich er nicht das geringste Yôki spüren konnte. Offenbar war der Sinn dafür hier mal wieder unterdrückt.

Er kniff die Augen zusammen. Damit man sie mitschickte, hatte er versprechen müssen, sie zu beschützen. Yôkai hielten ihre Versprechen.

Kurzerhand sprang er in einem einzigen Satz auf sie zu, die Klauen seiner rechten Hand schlossen sich um den Kragen ihres Haori und zogen sie auf die Füße, ehe er sie vorwärts schubste. „Los!“, knurrte er. Sie fing sich etwas, hob den Kopf und sah ihn mit roten Augen an, unklar, ob sie ihn erkannte, oder nicht. Sie steckte in einer mehr als gefährlichen Zwischenphase fest. Noch einmal stieß er sie in den Rücken, sodass sie diesmal vorwärts taumelte. Dann jedoch musste er von ihr wegspringen, damit ihn der nächste, herabsausende Blitz nicht traf.

Er atmete tief durch. Auch er hatte jetzt wieder zu kämpfen, die raschen Bewegungen machten es ihm schwerer, sein Yôki unter Kontrolle zu halten. Immerhin schien er sein Ziel erreicht zu haben, sie nahm ihre Umgebung offenbar wieder wahr.

Ein instinktiver Satz brachte ihn außer Reichweite des nächsten Blitzes, er versuchte wieder den Bannkreis zu fixieren, sich darauf zu konzentrieren, dorthin zu gelangen, doch die unbeugsam schrillen Töne quälten ihn immer mehr. Und dann spürte er nur noch, dass sein Yôki im Versuch, ihn zu schützen, mit solcher Kraft aufwallte, dass er es nicht mehr herunterdrücken konnte…
 


 

„Arata-sama? Ihr seid das, oder?“

Der Inu-Yôkai wandte sich überrascht um, als er eine unbekannte Stimme vernahm, die noch verdächtig jung klang. Tatsächlich mochte sein Gegenüber vielleicht 70, 75 Jahren alt sein, vergleichbar mit einem Menschen von vielleicht 8 Jahren. Es war ein Wolfsdämon in goldbrauner Kleidung, mit hellgrauen Haaren. „Das bin ich. Was willst du von mir, Kleiner?“

Zu seiner Überraschung dachte der junge Ookami an das Hundeprotokoll und verneigte sich kurz, ehe er antwortete. „Mein Name ist Kai. Ein Bote sagte uns, es gäbe Probleme mit meinem Bruder…“, er brach ab.

„Dein Bruder? Meinst du Kôhei?“

„Ja, den meine ich. Er… was ist geschehen? Ich glaube kaum, dass er etwas angestellt hat. Der Typ ist Kôhei nicht. Er…“ Weiter kam er nicht, denn Arata schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. „Er ist ausgerastet“, erklärte er knapp. Kai zuckte etwas zusammen, sah sich um, als überlege er, ob jemand zuhörte. „Lassen Sie mich raten… es schien so, als sei ein weibliches Wesen in Bedrängnis?“

„Stimmt. Eine Schülerin war nach einem missglückten Manöver zu Boden gefallen und das Schwert ihres Trainingspartners hatte den Haori zerrissen, den sie über der Rüstung trug. Aber… wie kommst du darauf?“

Kai zuckte leicht die Schultern. „Das war zu erwarten. Kôhei ist… er hat ein Trauma. Es hat mit dem Tod seiner Mutter zu tun“

„Seiner Mutter?“, betonte Arata nachdenklich. „Dann seit ihr bloß Halbbrüder?“

Kai schüttelte den Kopf. „Wir sind eigentlich gar nicht verwandt. Die Mutter von Kôhei und seiner kleinen Schwester war bereits tot, als sein Vater mich und meinen kleinen Bruder adoptierte. Aber ich kenne die Geschichte, die sich damals abgespielt hat. Deswegen bin ich auch hergekommen“

Der Rotbraunhaarige runzelte etwas die Stirn. „Du bist einfach gekommen, ohne dass du geschickt wurdest?“

Nun wirkte der junge Wolf doch etwas schuldbewusst. „Jaa… schon. Aber ich wollte nur verhindern, dass Vater davon erfährt. Er… er ist in solchen Situationen ähnlich unberechenbar wie Kôhei“

„Unberechenbar, sagst du… - Einer eurer Rudelkameraden sagte zu mir, Kôhei habe schon einmal fast gemordet. Hat das etwas mit der Geschichte zu tun?“

„Ja. Es geht um denjenigen, der seiner Mutter den Tod beschert hat. Dieser verdammte Meiyo hat damals behauptet, Kôhei habe ihn ohne Grund böse verletzt, dabei stimmt das gar nicht. Die Heilerin, Kôheis Tante, erzählte dem Rudel später einmal, dass Sayo ihr die wahre Begebenheit noch berichten konnte. Aber die Behauptung von diesem Mistkerl hängt Kôhei noch immer nach“

„Warte mal. Nochmal langsam… der, den Kôhei beinahe getötet haben soll, war der Mörder seiner Mutter? Aber dann wäre es doch gar kein Mord, sondern bloß Vergeltung…“

„In diesem Falle nicht. Sayo starb erst Monde nach dem Übergriff Meiyos“

Arata war deutlich anzusehen, dass er langsam gar nichts mehr verstand. Also ließ er den jungen Wolf einfach weitererzählen, in der Hoffnung, sich Klarheit verschaffen zu können.

„Dieser Meiyo war ein Weiberheld. Wobei die Heilerin ja später behauptet hat, das sei bei ihm krankhaft gewesen, er hätte nicht anders gekonnt, als sich so zu verhalten, wie er es tat. Jedenfalls… er nahm sich alles vor, was weiblich war, egal ob jung oder alt, unbefleckt oder verheiratet, das war ihm egal. Eines Tages nahm er sich auch Kôheis Mutter vor. Nur war Sayo zu diesem Zeitpunkt bereits mit Kôheis kleiner Schwester tragend. Meiyos Übergriff hat ihr sehr geschadet, obwohl Kôhei noch versuchte dazwischen zu gehen. Dieser Kerl war leider ein guter Schwertkämpfer und hat Kôheis Verteidigungsversuch so umgelenkt, dass der beinahe seine eigene Mutter verletzt hätte. Seit diesem Tag hat Kôhei nie wieder ein Katana in der Hand gehalten. Jedenfalls… Sayo hielt mit eisernem Willen durch, überlebte knapp die Geburt und die ersten Monate, in denen sie ihre Tochter binden musste, um zu verhindern, dass die zur Gefahr für das Rudel wurde. Fünf Monde nach Sayokos Geburt starb sie. Seit dem wird Sayoko von einer Amme aufgezogen, die sich auch um mich und meinen kleinen Bruder kümmert. Und Kôhei und Vater… sie sind traumatisiert. Sayos Schicksal hat sie beide schwer getroffen“

Der Inuyôkai hatte aufmerksam zugehört und langsam verstand er. Er wusste nun, was mit Kôhei los war und er wusste, wer Sayo war. Das war ja schon mal ein gewaltiger Fortschritt. Er atmete tief durch. „Sag mal, wirst du zuhause eigentlich nicht vermisst?“

Kai zuckte die Schultern. „Ginta und Hakkaku, die beiden, mit denen ich auf Patrouille war, als uns der Bote in die Quere kam, halten dicht. Die laufen einfach eine größere Runde“

Arata zog die Augenbrauen hoch. Kôheis Rudel schien ziemlich seltsame Persönlichkeiten zu beinhalten. Auch dieser kleine Kerl hier war fast gruselig, in seiner abgeklärten Art, trotz des jungen Alters. „Sie werden aber eine sehr große Runde laufen müssen, wenn du nicht bald zurückkehrst. Auf geht’s. Aber danke für die Informationen. Ich denke, ich weiß nun, was zu tun ist“ Er lächelte ein wenig, als der Wolfsjunge sich sofort umwandte und davonlief. Nicht weit entfernt wartete der Bote, der ihn offenbar auch hergebracht hatte und jetzt auch zurückbringen würde. Fast belustigt stieß Arata die Luft aus. Dieser Kai war ja wirklich seltsam.

Dann jedoch wandte der erfahrene Lehrer sich um und wanderte langsam hinüber zur Schmiede. „Dai!“, rief er schon von weitem.

Sofort wandte die hochgewachsene Gestalt vor der Esse sich um. „Arata-san! Seit wann schaust du denn freiwillig hier vorbei?“ Der Waffenschmied der Inuyôkai, der für sämtliche Waffen der normalen Streitkräfte verantwortlich war, kannte Arata gut genug, um zu wissen, dass der Alte sich nur sehr ungern in der Nähe der Schmiede aufhielt. Die Hitze gefiel dem Rotbraunhaarigen nicht.

Der wandte sich auch schon wieder halb um. „Ich habe einen Auftrag für dich“

Unangenehm

Fast erschrocken verharrte Natsu, als sie plötzlich einen so ungezügelten Windstoß, wie vom Ausbruch eines unglaublich starken Yôki in ihrem Rücken bemerkte, ohne dass sie das Yôki selbst spüren konnte. Es hätte sie beinahe noch mit weg geschleudert, wenn sie nicht gerade außer Reichweite der Explosion gestanden hätte. Was zum Teufel war da geschehen? Soweit sie sich erinnerte, gehörte das nicht zur eigentlichen Falle.

Sie wandte vorsichtig den Kopf und was sie sah, raubte ihr fast den Atem.

Sesshômaru, der sein Yôki sonst so sehr unterdrückte, dass man es kaum noch fühlen konnte, stand kurz davor, vollkommen durchzudrehen. Seine Augen waren blutrot geworden und um ihn war ein Wirbelsturm seiner eigenen Energie entstanden, der selbst die Blitze von ihm abwies. Dennoch war dieser Zustand alles andere als gut.

Sie kniff die Augen zusammen. Gerade noch hatte er sie davor bewahrt, was ihm jetzt offenbar geschehen war. Er war nicht mehr Herr seiner Sinne. Und wenn er in seine wahre Gestalt wechselte, ohne seinen Verstand zu behalten, war er mehr als nur gefährlich. Für sich selbst, für sie und für alles, was sonst noch in seiner Reichweite war.

Ohne lange zu überlegen sprang Natsu los.
 


 

Kagome wusste nicht so Recht, wie ihr geschah. Die Begleiterin Shippôs war eine Prinzessin? Und eine so hochrangige noch dazu? Und das sagte er einfach so, offenbar noch im Bestreben, sie zu necken? „Ich gehe mal davon aus, dass du uns nicht zum Narren halten willst, oder, Shippô?“, fragte sie mit einem etwas schief geratenen Lächeln und kam auf die beiden jungen Füchse zu.

Der Rothaarige machte eine fast entsetzte Miene und schüttelte eilig den Kopf. „Niemals, Kagome! Ich…“

„Du wolltest uns bloß erschrecken und hast uns deswegen gnädiger Weise die Wahrheit gesagt, nicht wahr?“ Nun war Kagomes Tonfall ihrerseits neckend. „Na, kommt. Ich glaube, du hast uns eine Menge zu erzählen, Shippô.“

Wieder nickte der junge Kitsune, allerdings langsamer, als vorher.
 

Kyoko hatte dem Ganzen buchstäblich mit offenem Mund zugehört. Nicht etwa, dass sie nicht sofort geschaltet hätte, als Shippô den Namen Kagome gerufen hatte – immerhin hatte er ihr oft genug von dieser Miko erzählt – aber das Verhalten dieser Gruppe überraschte sie abgrundtief.

Diese Kagome ging mit Shippô tatsächlich um, wie mit einem kleinen Bruder oder gar einem Sohn, und ließ sich reichlich wenig davon beeinflussen, dass Shippô mal eben kurz ihre, Kyokos, Identität verraten hatte. Jeder Dämon unterhalb des Prinzessinnenstandes wäre sofort auf die Knie gefallen. Aber, wenn sie ehrlich war, störte es sie nicht einmal. Es hatte seinen Grund, warum sie in der Fuchsschule damit nicht hausieren ging, aber dieses Verhalten, trotzdem ihr Rang bekannt war, das war auch einmal geradezu erfrischend zu erfahren.

Dennoch wusste sie nicht wirklich, wie sie damit umgehen sollte.

Da näherte sich ihr plötzlich der rotgekleidete Hanyô, musterte Shippô, dann sie und zuckte dabei mit den weißen Hundeohren auf seinem Kopf. „Eine Hime, ja?“, fragte er etwas skeptisch, worauf die junge Miko ihm sofort den Kopf zuwandte. „InuYasha?“ Das klang gefährlich zuckersüß. Der Hanyou zuckte auch sofort zusammen. „Schon gut.“
 

InuYasha wusste, wenn Kagome jetzt das altgefürchtete 'Osuwari' hätte folgen lassen, wäre sowieso nichts passiert, aber diese Ansprache war eh‘ bloß eine Mahnung gewesen, trotzdem nahm er sie ausnahmsweise ernst. Die Erinnerung an die Streits vergangener Zeiten war noch zu wach, mochte er die Kette auch nicht mehr tragen.
 

Kyoko schielte derweil zu Shippô, der noch immer vollkommen glücklich über das Wiedersehen schien. Und obwohl sie die ganze Gruppe, die sich jetzt langsam um die versammelte, nicht kannte, fühlte Kyoko sich keineswegs ausgeschlossen. Irgendwie strahlten sie alle einen Zusammenhalt aus, ganz besonders aber die Miko und der Hanyô.

Das brachte sie zu etwas anderem.

Warum nicht die gleiche Strategie benutzen, wie Shippô?

„Schon seltsam, dass jemand wie Ihr sich von einer einfachen Miko herumkommandieren lässt… Ōji-sama!“, bemerkte sie spitz und in ihren türkisen Augen blitzte der Schalk.
 


 

Sesshoumaru musste zugeben, dass er sich einen Moment orientieren musste, als er wieder zu sich kam. Dann jedoch konnte er sich schnell erschließen, was geschehen war. Etwas, was seit Jahrhunderten nicht mehr geschehen war. Sein Yôki hatte sich doch tatsächlich selbstständig gemacht!

Seine Augen glitten zu Natsu, die genau neben ihm stand, ihn offenbar beobachtete hatte, nun aber überraschenderweise den Kopf senkte, zu Boden sah. Seit wann war sie wieder so höflich? Schon etwas seltsam.

Da spürte er erst, dass sich Finger um seinen Unterarm geschlossen hatten, dort noch immer lagen und sein Blick wanderte dorthin. Wie erwartet, war es Natsus Hand. Wer hätte es auch sonst sein sollen.

Aber… das hieß ja, sie musste ihn mit sich gezogen haben.

Dass sie sich unterstand, ihn zu berühren, war eigentlich unhöflich bis zum Geht-Nicht-Mehr, das sie es in dem Moment tat, in dem er sich nicht mehr unter Kontrolle hatte, war eigentlich lebensgefährlich für sie, auf der anderen Seite hatte sich ihn damit aber vermutlich davor bewahrt, vollkommen auszuflippen.

Und als sie jetzt spürte, dass sich sein Blick beinahe in ihre Finger bohrte, zog sie sie auch blitzschnell weg. Immerhin etwas.

„Du hast mich gerettet“, konstatierte er kühl, nur mit sehr viel gutem Willen hätte man den Dank in seinen Worten gehört.

„Ich habe Euch da raus gezogen. Weiter nichts. Die Kontrolle habt Ihr selbst wieder erlangt“, schwächte sie mit leiser Stimme ab, ehe sie ein paar Schritte von ihm weg machte und sich zu orientieren versuchte.

Sesshômaru beobachtete sie dabei. Sie wirkte reichlich zerrupft, ihr sorgfältig geflochtener Zopf war nicht mehr als solcher zu erkennen und über das Rückenteil ihrer Rüstung zog sich ein breiter Striemen. Offenbar hatte einer dieser Blitze sie beinahe erwischt. Solange er noch bei klarem Verstand gewesen war, war das nicht geschehen, soviel konnte er sagen. Also musste sie einiges riskiert haben um ihn da heraus zu holen. Vielleicht, ja, vielleicht verdankte er ihr gar sein Leben. Wieder einmal stand er in der Schuld einer Person, mit der er eigentlich recht wenig zu tun haben wollte. Noch ein Grund, diese Odyssee schnellstens zu beenden…

Ganz kurz versteiften sich die Klauen seiner einen Hand, ehe er hinter Natsu her trat. „Weiter!“, befahl er sachlich. Länger wollte er wahrhaftig nicht warten.
 


 

Nur zögerlich sah Kôhei auf, als durch die Gittertür seiner Arrestzelle ein Schatten auf ihn fiel.

Sofort erkannte er seinen neuen Lehrer und senkte, in einem Anflug von Schuldbewusstsein, direkt wieder den Blick. Bei allem Desinteresse, was hier um ihn herum geschah, so wusste er doch, dass sein Verhalten mehr als falsch gewesen war. Aber in dem Moment, in dem er aus dem Augenwinkel gesehen hatte, wie die junge Wölfin mit zerteiltem Haori zu Boden ging, war einfach alles zu spät gewesen. Zu sehr hatte diese Szene ihn an damals erinnert. An den Tag, der den qualvollen Tod seiner Mutter vorbereitet hatte.
 

„Steh auf!“, befahl da die raue Stimme seines Mentors und fast mechanisch tat Kôhei, wie ihm befohlen. Mit gesenktem Kopf trottete er hinter seinem Lehrer her, äußerte keine Silbe über seine Überraschung, als der ihn aus dem Arrestgebäude heraus, quer über das Schlossgelände Richtung Tor und hinaus führte. Eine Weile wanderten sie schweigend hintereinander her.

„Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung“, vernahm er da plötzlich die Stimme seines Lehrers und hob unwillkürlich den Kopf. Arata war stehen geblieben, sein graugelber Haori wehte etwas im Wind, da er wie üblich weder Obi noch Gesa trug.

„So ist es wohl…“, antwortete Kôhei tonlos. Er wusste nicht, wie er mit der Art Aratas umgehen sollte. Wenn er jetzt eine Standpauke, eine Strafe oder überhaupt nur eine klar zu deutende Behandlung bekommen hätte, aber dem war nicht so. Arata zeigte mit keiner Geste, was er von den vorangegangenen Ereignissen hielt. Stattdessen setzte er sich nun auf den Hügelkamm, auf dem sie standen. „Komm her“

Zögerlich tat Kôhei, wie ihm befohlen, setzte sich ebenfalls ins Gras.

Arata atmete tief durch. „Freundchen, ich bin inzwischen fast 4000 Jahre alt, aber so etwas wie gestern, das habe ich noch nie erlebt. Ein Yôkai muss seine Energie unter Kontrolle haben, egal, was geschieht. So eine Schwäche kann in einem ernsthaften Kampf tödlich sein, weil es die Konzentration und auch die eigenen Ziele verzerrt.“

Nun wandte Kôhei ihm doch den Kopf zu. „Gomen nasai, Sensei“, flüsterte er niedergeschlagen. „Ich… es gibt etwas, das es mir schwierig macht, solche Situationen…“ Weiter kam er nicht, denn Arata fiel ihm ins Wort. „Schon gut. Man hat mir deine Geschichte erzählt. – Da fällt mir ein, ich sollte dich wohl von deinem Bruder grüßen, wenn der sich schon die Mühe macht und herkommt“ Der alte Inuyôkai lächelte ein wenig, als Kôhei die Augen aufriss. „Mein Bruder? Aber… was tut Kai hier? … War… war Vater etwa ebenfalls hier?“

Zur Erleichterung des jungen Wolfsdämons schüttelte Arata den Kopf. Sein Vater hätte ihm gerade noch gefehlt, wenn es um das Thema Ausraster ging. „Nein, nur dein Bruder. Aber sag… woher weißt du, das ich von Kai spreche? Hast du nicht zwei Adoptivbrüder?“

Nun grinste Kôhei tatsächlich auch ein wenig. „Shinta ist gerade einmal 16, der macht sich nicht alleine auf den Weg. Außerdem ist er bei weitem nicht so… hmm, sagen wir mal… euphorisch, wie Kai.“

Da mochte sein Schüler Recht haben. Sechzehn Jahre, das war vergleichbar mit einem etwa dreieinhalbjährigen Menschenkind. Dämon hin oder her, so jemand junges würde keine Alleingänge unternehmen, das stimmte. Dennoch, da war etwas anderes, das Arata nicht richtig nachvollziehen konnte. „Euphorisch? Nun, eigentlich hatte ich eher den Eindruck, er wäre sehr reif und abgeklärt für sein Alter. Viel älter als fünfundsiebzig ist der doch auch nicht, oder?“

„Nein, ist er nicht. Aber… auch er hat schon Dinge erlebt, die ein Kind eigentlich nicht erleben sollte. Ebenso wie ich. Wir haben es beide auf unsere Weise nicht leicht gehabt. Ich glaube, Vater hat Kai und Shinta auch gerade deswegen zu sich genommen, sie sogar adoptiert. Weil wir wohl die einzigen sind, die sie vielleicht verstehen können.“

„Soll ich ehrlich sein, Gakusei? Ich habe von Kai erfahren, wie deine Vergangenheit geprägt ist. Nun erzählst du mir, dass auch er es nicht leicht hatte. Ich verstehe eure Familie nicht.“

Kôhei lachte trocken auf. „Das ist auch schwer zu verstehen, für einen Außenstehenden.

Dennoch, ich… mein Fürst erzählte mir, auch Sesshômaru-sama habe gegen diesen verrückt gewordenen Hanyô namens Naraku gekämpft, nicht wahr? Dann wisst Ihr grob wer das war und mit welchen Mitteln er arbeitete.

Unter anderem löschte er vor knapp vier Jahren ein kleines Rudel in den Bergausläufern nicht weit des fürstlichen Rudels aus. Das heißt, einer seiner Abkömmlinge tat das. Die einzigen, die das Gemetzel überlebten, waren Kai und Shinta. Letzterer wurde von Naraku gefangen genommen und Kai bekam dafür eine Waffe und einen Splitter dieses schrecklichen Juwels. Er sollte Kôga-sama, unseren jetzigen Fürsten, auslöschen, sonst käme Shinta nicht wieder frei...“

„Juwel? Du meist das Shikon no tama?“, fragte Arata dazwischen. Diese Geschichte wurde ja immer verworrener.

„Hai. Einen Splitter des Shikon no tama. Kai war dadurch um ein Vielfaches schneller, als es ein Wolfsjunges sein sollte. Und er wollte natürlich seinen kleinen Bruder beschützen. Also griff er Kôga-sama an. Der hätte den Angriff leicht beenden können, doch ehe es dazu kam, lief das Ultimatum ab und Kai floh zum Treffpunkt, den Narakus Abkömmling mit ihm ausgemacht hatte. Kôga-sama folgte ihm und beschützte den armen Kerl. Mit etwas Unterstützung gelang es, den Kampf zumindest punktuell zu gewinnen, doch Kôga-sama entschloss sich ab da, die Jagd nach Naraku allein fortzusetzen. Also schickte er seine beiden Begleiter, samt Kai und Shinta in die Sicherheit des Fürstenrudels. So kamen die beiden zu uns. – Auch Kai hat ein Trauma von damals, aber er ist noch zu jung, als das es seinen gesamten Charakter vergiftet hätte. Bei mir ist das anders…“

Kôhei senkte nun wieder den Kopf, seufzte niedergeschlagen. „Es tut mir sehr Leid, dass ich so ausgerastet bin, aber manchmal… ich verliere einfach die Kontrolle und dagegen kann ich auch nichts tun. Früher war das einmal anders, aber inzwischen bin ich alles andere als ein typischer Ookami, ich weiß. Ich bin kein Kämpfer, ich bin weder offen noch gesellig. Aber ich kann einfach nicht anders…“ Der junge Wolf wusste selbst nicht so genau, wieso er gegenüber Arata, der zwar sein Mentor, aber ihm doch eigentlich noch recht fremd war, so gesprächig war, aber irgendwie gab der Alte ihm Sicherheit. Dessen Erfahrung und stoische Ruhe, mit der der an alles heranging, imponierten ihm.

Besagter Hundedämon schmunzelte nur still vor sich hin. Kôhei begann sich, ihm zu öffnen und das war der erste Schritt in Richtung eines Verhältnisses, wie es zwischen Lehrer und Schüler sein sollte. Er würde aus diesem verschlossenen, traumatisierten Kerl schon wieder einen Yôkai machen, der den Titel eines Adeligen der Wölfe verdient hatte. Komme was da wolle.
 


 

Natsu und Sesshômaru hatten derweil die nächste Falle erreicht. Kurz hintereinander wanderten sie über die Wiese, die sich erneut aus heiterem Himmel zu verändern begann. Zuerst blieb das Gras fern, dann wurde die Erde härter und schließlich war alles mit einer weißsilbern glänzenden Schicht überzogen: Eis. Die Welt um sie herum war eingefroren.

Sesshômaru bemerkte es sofort: „Tôrans Macht. Was hat die hier zu suchen?“

„Kuraiko-donno besitzt je einen Reißzahn jedes unserer Fürsten, angefüllt mit deren Macht. Je eine Falle ist daraus gespeist. Die Blitze zuletzt kamen von Shuran, aber es gibt auch eine Illusions- und eine Feuerfalle. Die dürften wir allerdings umgangen haben“, gab Natsu zurück, doch ihrer Stimme war anzuhören, dass sie die Lippen aufeinanderpresste. Sie wartete. Auf den Beginn der eigentlichen Prüfung.

Und sie wusste, dieses Abwarten konnte gefährlich sein, deswegen warnte sie auch diesmal nicht vor. Wer es nicht gewohnt war, unter diesen Bedingungen hier, der Kälte, der Glätte und der ewigen Unsicherheit um die Trittfestigkeit des Bodens, zu kämpfen, für den konnte ein kurzes Erschrecken hier tödlich sein.

Sesshômaru nahm diese Anspannung durchaus wahr, aber er äußerte sich nicht dazu, sondern ließ seinen Blick lieber durch die Gegend schweifen, auf der Suche nach dem wahren Charakter der Falle. Er hatte bereits gegen Tôran gekämpft, oft genug sogar, in den zahlreichen Kleinkriegen zwischen Inuclan und Nekoclan.

Aber er konnte sich durchaus denken, dass er noch nicht alle Feinheiten von Tôrans Macht, schon gar nicht unter Kontrolle von deren Mutter, kennen gelernt hatte.

Selbst er würde auf der Hut sein müssen.
 


 

Der einzige der buntgemischten Reisegruppe rund um Kagome und InuYasha, der in diesem Moment kicherte, was Shippô. Er war allerdings auch der Einzige, der den Witz verstand. Die anderen standen nur erstarrt da, als habe sie jemand versteinert. Kyoko dagegen schüttelte sich vor Lachen.

Schließlich erbarmte der rothaarige Kitsune sich. „InuYasha! Du bist doch schließlich Sesshômarus Bruder, oder?“

„Halbbruder“, korrigierte InuYasha mechanisch, wobei er kaum mitzukriegen schien, dass er überhaupt sprach.

Shippô verdrehte die Augen. „Meinetwegen. Und der HALBbruder des Hundefürsten und Herrn der westlichen Länder ist nun mal deren Prinz. Was ist daran so verwunderlich?“ Er gab sich unverständig, dabei wusste er es genau.

Das Augenlid des Hanyô zuckte jetzt unkontrolliert. „Bitte waas? Dieser verblödete Trottel von einem Dämon ist jetzt auch noch ein Fürst?“, wollte er dann patzig wissen.

„Hai“, antwortete Shippô bloß, reagierte dann allerdings nicht schnell genug, als InuYasha ihm in altbekannter Manier eine Kopfnuss verpasste. Während er noch Sternchen sah, taumelte der junge Kitsune zu Kyoko zurück. „Siehst du? Sie haben keine Ahnung davon…“ Dann kippte er um, grinste dabei aber schon wieder.

Aus diesem Grund machte die Fuchsprinzessin sich auch wenig Sorgen um ihren Reisebegleiter. Zugleich wurde die Bande ihr allerdings auch immer suspekter. Aber gut, sie glaubte Shippô, dass es da durchaus auch andere Seiten gab. Der Rothaarige hatte doch sicher nicht gelogen. Oder?
 

Sie kam nicht dazu, weiter zu zweifeln, denn plötzlich ging alles ganz schnell.

Etwas wie ein weißer Blitz schoss quer über die Ebene auf sie zu, schlug knapp neben ihnen allen im Boden ein.

Einem zweiten konnte Tián im letzten Moment ausweichen, doch der Dritte traf den noch immer etwas paralysierten InuYasha genau in den Rücken. Das alles geschah in weniger als einem Herzschlag, dann hallte nur noch der schmerzerfüllte Schrei des Hanyô über die Wiese, als dessen rotgekleidete Gestalt wie in Zeitlupe zusammensank.

„InuYasha!“, rief Kagome erschüttert und kniete sich neben den Halbdämon, der zu Boden gegangen war, nun offenbar bewegungsunfähig, mit geschlossenen Augen und kaum noch bei Bewusstsein da lag. Keine Regung war zu erkennen.

Die anderen hatten entsetzt die Augen aufgerissen, ihrerseits vor Schreck unfähig, sich zu rühren.

Da war plötzlich ein heftigen Schluchzen zu vernehmen, sofort richteten sich alle Blicke auf Kagome, die, beide Hände haltsuchend auf die Erde gestützt, neben InuYasha hockte. Der lag inzwischen so still, dass nicht einmal mehr zu erkennen war, ob er noch atmete. Wieder schluchzte sie auf.

„Kagome! Was ist? Ist InuYasha etwa…“ Shioris Stimme überschlug sich fast, als sie neben Kagome zu Boden sank und ihre Arme tröstend um die junge Miko schlang.

Kagomes Tränen nässten ihr helles Oberteil, aber es gelang der jungen Miko den Kopf zu schütteln. „N-nein…“, gab sie stockend zurück. „A-aber… es… es fühlt sich an, wie, als ich InuYasha zum ersten Mal sah. Als Kikyôs Fuuin no ya in seiner Brust steckte und er von ihrer Magie eingehüllt war, seit fünfzig Jahren regungs- und leblos an einen Baumstamm gebannt…“ Woher sie die Kraft nahm, zwar erstickt, aber deutlich zu erzählen, war wohl allen unklar, Kagome selbst eingeschlossen.

Shiori zog die Miko näher an sich. Fuuin no ya. Davon hatte sie bereits einmal gehört. Einen solchen Angriff konnten selbst starke Mikos nur nach langer Übung wirken, nicht umsonst hieß diese Attacke Bannpfeil.

„Kagome?“, mischte sich Shippô da kleinlaut ein. Auch in seinen Augen glänzten Tränen. „Es… es tut mir Leid… das ist alles meine Schuld. InuYasha hätte bestimmt ausweichen können, wenn ich nicht…“ Seine Stimme versagte und seine kleinen Hände krallten sich in das Mikogewand der jungen Frau.

Auch Kirara und Kohaku waren herangekommen, die ponygroße Raubkatze schmiegte ihren pelzigen Kopf beruhigend an Kagomes Schulter, der junge Dämonenjäger saß auf InuYashas anderer Seite im Gras und hatte ebenfalls den Kopf gesenkt, offensichtlich und verständlicherweise hilflos in dieser Situation.

Selbst Tián war herangekommen, stand neben Shiori, konnte allerdings auch nicht mehr tun, als ein betretenes Gesicht zu machen.

So zerpflückt die Gruppe durch ihre Zusammensetzung und ihr Verhalten wirkte, in diesem Moment schweißte sie etwas zusammen, ließ sie wie eine wirkliche, untrennbare Gemeinschaft wirken.

Kyoko beobachtete die plötzlich so veränderte Szene mit aufgerissenen Augen und konnte nicht verhindern, dass auch ihr die Kehle eng wurde.

War es das, was Shippô immer gemeint hatte?

Dass, egal wie sehr einer der vielen Streits die Gruppe entzweite, das Unglück sie immer wieder zusammen trieb? War es das?

Kirin und zwei Yetis

Eine unheimliche Stille hatte sich über die Ebene gelegt, auf der die bunt zusammengewürfelte Gruppe traurig zusammen saß.

Es war, als habe jemand ihnen mit diesem Angriff die Luft zum Atmen geraubt, so kam es Tián jedenfalls vor, der noch immer den klarsten Kopf von allen hatte. InuYasha und Kagome sind der Dreh- und Angelpunkt dieser Gruppe. Wenn InuYasha ausgeschaltet und Kagome am Boden zerstört ist, geht gar nichts mehr… ihr werdet nicht glauben, wie gut ich euch verstehe… es tut mir gerade dir gegenüber Leid, Shiori, aber um des Wohl meiner Familie Willen darf ich dir nicht zeigen, wie viel anders ist, als ich tue… es tut mir Leid, Shiori… aber… reißt euch zusammen! Alle!

Er schüttelte ein wenig den Kopf, dann kniete er sich neben das Halbdämonenmädchen und rüttelte sowohl sie, als auch die junge Miko vorsichtig an der Schulter.

Als sie aufsahen, zeigte er mit einer ausholenden Armbewegung auf die Umgebung.

Tatsächlich schienen sie zu verstehen, was er meinte, denn ein leichtes Zittern durchlief Kagome, als sie sich von dem Hanyômädchen löste. Auf allen vieren saß sie da, die Hände wieder auf den Boden gestützt, den Kopf gesenkt, sodass ihre langen Haare ihr Gesicht verbargen.

Doch plötzlich, ohne weitere Vorwarnung, ging von ihr eine Energie aus, die Tián unwillkürlich zurückweichen ließ. Auch Kirara und Shiori gingen etwas auf Abstand, Shippô löste sich blitzschnell von Kagome, einen fast erschrockenen Ausdruck im Gesicht. Es war wie ein Mantel aus purer Mikokraft, die plötzlich, für einen kurzen Moment, von der jungen Priesterin ausging.

„Ganz Recht. Wer auch immer das war… ich werde ihn zur Rechenschaft ziehen!“, wisperte sie in einem Tonfall, bei dem alle Anwesenden, die sich im Moment rühren konnten, gleich noch einen Schritt rückwärts machten.

Für alles, was auch nur ein bisschen dämonische Energie besaß war Kagomes Zustand sowieso schon erschreckend, aber ihr jetziges Verhalten ließ, selbst Kohaku zurückweichen. So hatte er die zwar kämpferische, aber stets sanfte Freundin seiner Schwester noch nie erlebt. InuYasha mochte nicht wirklich tot sein, aber er war auch nicht mehr richtig am Leben und auch wenn keiner wusste, was so ein Bann mit der Seele des Gebannten anstellte, angenehm war es sicher nicht, sonst würde es nicht als Angriff verwendet. Und diesmal war da kein Pfeil, der so einfach entfernt werden könnte, um ihn zu befreien. Diesmal war da nichts.

Die einzige Möglichkeit, ihn vielleicht zurück in die Welt der Lebenden zu holen, war, den Urheber der Attacke zu besiegen.

Darin waren sie sich alle einig – Shiori, Tián, Kohaku, Shippô und auch Kyoko, nach deren Hand Shippô im Losrennen einfach gepackt hatte und sie nun mit sich zog, als alle hinter Kagome her zum Ursprung der Attacke liefen, zu allem bereit.

Einzig Kirara blieb zurück, um InuYasha zu bewachen.
 


 

Sesshoumarus Aufmerksamkeit machte sich bezahlt, denn nur so entkam er dem ersten Angriff, der ihn sogar erreichte, bevor er in der Lage war, sein Schwert zu ziehen.

Sein weißes Haar wirbelte auf, als er mit einem Überschlag in die Luft auswich und die Attacke unter sich durchlaufen ließ.

Natsu hechtete gerade noch rechtzeitig zur Seite, rollte sich auf dem Boden ab und stand sofort wieder auf den Beinen, im selben Moment, in dem der Hundedämon elegant wieder auf dem Boden aufkam. Auch sie hatte im nächsten Augenblick ihr Schwert gezogen. Die Bewegung, in der beide die Klinge quer vor die Brust nahmen und in Abwehrstellung gingen, wirkte seltsam synchron, doch gleich darauf war es mit der Ruhe vorbei.
 

Wer es nicht besser wusste, hätte es für Schneebälle gehalten, die da aus sämtlichen Richtungen auf sie losschossen, aber beide konnten spüren, dass diese Kugeln aus Schnee und Eis mit purem Yôki angefüllt waren und bei einem unglücklichen Treffer ziemlichen Schaden anrichten könnten. Ich hasse es, den Gegner nicht zu sehen…, stellte Sesshômaru für sich fest, als er seine dämonische Energie in Bakusaigas Klinge schickte, ohne deren wahre Macht zu erwecken. Das wäre unverhältnismäßig gewesen und auch so konnte er die Schneebälle schlicht pulverisieren. Zersprang die Hülle, verflüchtigte sich auch das Yôki darin schnell und kehrte zu seinem Besitzer zurück.

Natsu machte es ganz ähnlich. Auch die Klinge ihres Schwertes schimmerte unter ihrem Yôki, als sie sich jedoch mit einem Bein abstieß und sich elegant um sich selbst drehte, ihr Yôki dabei losließ, sodass es sich auf einer Spiralbahn um sie herum ausbreitete und alle Attacken neutralisierte, die ihm in die Quere kamen.

Tôrans Verwandte… eindeutig. Sie nutzt den eisigen Grund als Vorteil… Er hätte beinahe den Kopf geschüttelt, unterließ es dann aber doch und wich der nächsten Schneeballwelle aus, um sich besser orientieren konnte. Mit ihrer Art des Angriffs hielt Natsu zwar jegliche Gefahr im recht weitem Umkreis von sich ab, aber allzu lange konnte sie dieses permanente Ausschicken von Yôki sicherlich nicht durchhalten, also musste diesmal er sich etwas einfallen lassen. Ob sie sich nun hier auskannte und ihn eigentlich führen sollte, war in diesem Moment egal. Außerdem stand er in ihrer Schuld. Und das gefiel ihm nicht.

Mit zusammengekniffenen Augen musterte er die Umgebung, begutachtete das Eis, die verharschten Felsen und Bäume rund herum. Nirgends war ein Unterschied zu bemerken, der die Richtung angegeben hätte. Und die eiskalte Luft machte das Wittern schwer.

Da fiel ihm plötzlich etwas auf. Die Schneebälle mochten aus sämtlichen Richtungen auf sie zufliegen, sie taten das doch nur, weil sie auf magischen Bahnen Bögen flogen. Und wenn man die zurückverfolgte, kam man zu zwei ungefähren Ursprungspunkten.

Vielleicht… vielleicht lag dazwischen der Ausgang aus dieser Falle. Das war eine Möglichkeit.

Aber so nah am Ausgangspunkt der Gefahr war die Menge der Schneebälle auf engstem Raum zu groß, als das man davon ausgehen könnte, allen unbeschadet auszuweichen. Wenn er sich also irrte, lief er genau in die Stelle hinein, wo diese Falle ihre ganze Macht entfalten konnte. Aber etwas anderes blieb ihm kaum übrig. Hier musste er auf Risiko spielen. Und davon mal abgesehen… es wäre seiner selbst nicht würdig, wenn er irgendein Risiko scheuen würde…
 


 

Mit einem ungeduldigen Laut wirbelte der Dämon erneut herum und führte sein Kurzschwert gegen die Brust eines dieser dämlichen Oni.

Dann sprang er zurück um nicht von der Verteidigungswelle seines Kampfpartners gleich mit getroffen zu werden. Denn obgleich der auch ein Dämon war, kämpfte er mit reichlich ungewöhnlichen Mitteln. Yutaka fand jedoch keine Zeit, sich weiter darüber Gedanken zu machen, denn die nächste Gruppe Oni stürzte sich auf ihn und er musste sich wieder aufs Aufräumen konzentrieren.

Dabei fiel ihm aus dem Augenwinkel etwas auf, das er beinahe für eine schwarze Schlange hätte halten können, was er aber direkt wieder verwarf. Was bitte sollten die gesuchten Missetäter inmitten einer Horde wildgewordener Oni, die alles abschlachteten, was nicht bei drei auf den Bäumen war? Sie brächten sich ja nur selbst in Lebensgefahr und Shinidamachu galten als intelligente Wesen – deswegen ließen sie sich ja normalerweise auch niemandem Untertan machen.

Er kniff die Augen zusammen, bis nur noch Schlitze zu sehen waren und schnellte erneut durch die Wolke der Oni, sein Schwert neben sich haltend und in einem Rutsch durch die Reihen führend. Keines dieser Viecher war giftig, dass merkte er und den ein oder anderen Kratzer konnte er einstecken, wären solcher Art Verletzungen doch eh in Minutenschnelle wieder geheilt.

Gefährlicher wäre es für ihn, seinem Kampfpartner momentan zu nahe zu kommen, aber mit dem reiste er jetzt schon lange genug durch die Gegend um automatisch einen gewissen Abstand einzuhalten.

Doch plötzlich zuckte er zurück, warf sich zur Seite und entkam gerade noch einer Kettensichel, die haarscharf an ihm vorbei schoss. Oni trugen äußerst selten Waffen. Welcher Yôkai also war bitteschön so dämlich, jemanden anzugreifen, der weithin als Kirins Weggefährte bekannt war?

Dann aber traute er seinen Augen noch weniger, als er erkannte, wer die Kusarigama da eben wieder einfing. Es war ein Junge von vielleicht gerade fünfzehn Jahren, eindeutig menschlich, aber seine Bewegungen waren geschmeidig und geübt, außerdem trug er einen hautengen, dunklen Kampfanzug, der ihn als Taijiya kennzeichnete. Die Oni überall um ihn herum schienen ihn wenig zu schocken.

Yutaka drehte die Spitze seines Schwertes zum Boden und sprang ein wenig näher an den Menschenjunges heran. Der hatte die Augen zusammengekniffen, die Kusarigama bereits wieder angriffsbereit in der Hand. Hielt er etwa wirklich ihn für den Feind? Taijiya wussten doch normalerweise zwischen Yôkai und Oni zu unterscheiden! Und überhaupt, seit wann gab es in dieser Gegend überhaupt noch Dämonenjäger? War deren Dorf nicht zerstört worden, weil es in indirektem Zusammenhang mit dem Shikon no Tama gestanden hatte? Der Pferdedämon wusste nicht wirklich, was er davon halten sollte, aber jetzt galt es erst einmal, beide Fronten – den Taijiya und die Oni – ruhig zu stellen.

Dazu kam er aber gar nicht mehr, denn plötzlich vernahm er eine Bewegung aus dem Augenwinkel und wandte sofort den Kopf. Dort war eine weitere Gestalt aufgetaucht, in weiß-blauer Kleidung, ein Umhang wehte hinter ihr her. Das weiße Haar, die Augenfarbe zeigten, dass dort keinesfalls ein weiterer Mensch stand, aber etwas sagte Yukata auch, dass es kein Yôkai war. Etwa eine Hanyô? Wieder wurde ihm die Zeit zum Überlegen genommen, als besagte Gestalt auf ihn zu sprang, Schatten ihre zu Klauen gebogenen Finger umgaben. Er wich noch aus, doch ein kleines Stück seines Haori kam mit dem Angriff in Kontakt und löste sich sofort auf. Nicht schlecht, junge Dame… aber trotzdem würde mich mal interessieren, was ihr hier wollt – und wieso ihr ausgerechnet mich angreift! Was bitte habe ich euch getan?
 


 

Mit einem tonlosen Knurren stieß Sesshômaru sich vom Boden ab, flog nun den Schneebällen entgegen, sein aufgeladenen Schwert quer vor sich, sodass er das Yôki nicht einmal ausschicken musste, um sich zu verteidigen.

Die Bälle kamen ihm ja direkt entgegen und es wurden tatsächlich immer mehr, die direkt seinen Weg kreuzten. Und dann reagierte er einmal den Bruchteil einer Sekunde zu langsam und schon streifte ein Schneeball ihn an der Schulter, entfaltete seine Macht.

Der Inuyôkai wurde zurückgeschleudert und kam relativ unsanft auf dem Boden auf, schlidderte ein Stück über den glatten Grund, fing sich jedoch wieder. Ein Schwung seiner Klinge bewahrte ihn vor der nächsten Schneeballwelle, aber die getroffene Stelle schmerzte. Die linke Schulter, knapp unterhalb des Gelenkes, nicht sein Waffenarm, aber doch eine Stelle, die Erinnerungen wach rief. Genau dort war Tessaigas Klinge eingedrungen, als InuYasha ihm vor Jahren den linken Arm raubte.

Sesshômaru kniff die Augen zusammen, um seine Pupille zog sich ein roter Ring. Wut flammte in ihm auf.

Schlimm genug, dass ihn ein Hanyô im Überraschungseffekt hatte schlagen können, aber er, der stärkste Hundedämon aller Zeiten, würde sich sicherlich nicht von ein paar yôkigeladenen Schneebällen verdreschen lassen.

Kurzerhand steckte er das Schwert weg und rief seine Energiepeitsche auf. Damit hatte er eine große Reichweite und um die Attacken zu zerstören, reichte es allemal. An sich waren diese Schneebälle nicht das Problem, ihre Menge machte sie nervig. Und Sesshômaru hasste es, wenn man ihm auf die Nerven ging.

Wieder stieß er sich vom Boden ab, schnellte mit doppelter Geschwindigkeit durch den Schneeballregen, immer näher an die Position heran, an der er den Ausgang vermutete.
 


 

Shiori schnellte derweil erneut auf den Pferdedämon zu, der ihr relativ gelassen auswich.
 

Inmitten der Oniwolke hatte sie keine große Bewegungsfreiheit, er konnte ihre Handlungsweise leicht vorausahnen und ausweichen. Allerdings merkte er, dass sie ihn auf offenem Feld durchaus mehr gefordert hätte. Und die Waffe, die an ihrer Hüfte hing, die benutzte sie ja nicht einmal.

Dennoch, etwas stimmte hier nicht. Dafür, dass die beiden ihn aus heiterem Himmel angriffen, musste es einen Grund geben. Wütend waren sie nicht, sie handelten eher mit erschreckend viel Kalkül. Seltsam für so junge Personen. Oder… waren sie etwa nur Teile einer Gruppe und wollten ihn von etwas ablenken? War ihr eigentliches Ziel Kirin?
 

Yutaka konnte ja nicht ahnen, wie Recht er mit dieser Überlegung hatte, denn gerade sah sich Kirin nebst den Oni auch einem zweiten Problem gegenüber. Zwei junge Kitsune hatten sich vor ihm aufgebaut und ein wahrer Hagel an Kitsune-bi-Kugeln zwang ihn dazu, im Zick-Zack auszuweichen. Ab und an gelang es ihm zwar noch, nebenbei helle Energiewellen in die herumwuselnden Oni zu schicken, aber die Doppelbelastung machte das immer schwieriger. Und die Dämonen kamen näher. Keine gute Ausgangsssituation.

Da spürte er plötzlich, wie sich reine Energie in den Kampf einmischte. Mikokraft. Erleichtert, dass wohl noch jemand es auf die Oni und nicht auf ihn abgesehen hatte, konzentrierte er sich nicht sonderlich auf die richtung der neu hinzugekommenen Kraft und zuckte doch zusammen, als ein Pfeil ihn zielgerichtet in den Nacken traf. Die reine Energie loderte auf – dann zerfiel der Pfeil und Kirin wandte den Kopf.

Da stand eine junge Miko, die dunklen Haare offen getragen, noch in der Position, in der sie wohl den Pfeil abgeschossen hatte, den Bogen in der Hand und das Gesicht wütend verzerrt.

Ihre Augen ruhten auf… ihm!

Warum um aller Götter willen, war sie sauer auf ihn? Warum hatte der Angriff tatsächlich doch ihm gegolten? Und gehörten etwa diese beiden Kitsune auch zu ihr?

Etwas perplex hielt er inne, ungeachtet der Tatsache, dass die Oni das nutzten um sich weiter zu nähern. Sie könnten ihn eh nicht berühren, er mochte es bloß nicht, wenn sie ihm zu nahe kamen, deswegen pulverisierte er sie meist, bevor sie ihn erreichten. Aber auch so hatte er nichts zu befürchten.

Diese Neuankömmlinge interessierten ihn da schon weit mehr.
 


 

Inzwischen pfiffen Sesshômaru die Schneebälle ununterbrochen um die Ohren und nur seine ständig herumgeschwenkte Energiepeitsche hatte ihn bisher vor weiteren Treffern bewahrt.

Nun waren es nur noch wenige Meter bis zu den Ursprungspunkten dieser Schneebälle – da spürte der Hundedämon, wie sich deren Magie veränderte, plötzlich ballten sie sich vor seiner Nase zusammen und wuchsen zu Gestalten heran, deren Oberfläche aus purem Eis bestand. Von den Seiten schnellten die Schneebälle nun wieder rückwärts und verschmolzen ebenfalls mit diesen Viechern. Keine Schneebälle mehr, sondern Schneemänner? Tolle Verbesserung…, dachte Sesshômaru sarkastisch. Dafür, dass man ihn im eigenen Schloss hinter vorgehaltener Hand mit ‚Seine Eisigkeit‘ betitelte, zeigte er sich reichlich wenig begeistert von der momentanen Situation. Aber immerhin musste er auch gerade zusehen, wie sich vor ihm zwei Gegner zusammenbauten, die sich mit Sicherheit gleich in seinen Weg stellen würden. Kluge Einrichtung… Wächter gebaut aus der Waffe… Mit reglosem Gesicht legte Sesshômaru die rechte Hand an Bakusaigas Griff, blieb abwartend stehen. Solange sich diese Viecher noch im Aufbau befanden, würde jegliche Verwundung sich gleich wieder schließen und er bezweifelte stark, dass Bakusaigas Macht bei Eis und Schnee etwas nützte. Schließlich ging es hier nicht um die Regeneration eines lebenden Wesens.

Nur nebenbei bemerkte er, dass Natsu auf einmal hinter ihn sprang, allerdings wortlos abwartend. Hatte sie begriffen, was er plante, oder was hatte sie vor? Er konnte das nicht wirklich einschätzen, war sie doch eine der wenigen, denen er in seinem bisherigen Leben begegnet war, die er nicht vollkommen durchschaute.

Aber das war jetzt nicht wichtig.

Wichtig war es, diese Eisklumpen da vorne zu besiegen, die inzwischen die grobe Form von Yeti angenommen hatten. Er konnte nur spekulieren, welche Stärke sie besaßen, denn sie waren zwar mit Sicherheit weder stark wie lebende Wesen, noch schwach wie dämonische Puppen, aber dazwischen war in etwa alles möglich. Und auch jeder erdenkliche Trick. Genaueres bliebe abzuwarten.
 


 

Kagome hatte derweil einen weiteren Pfeil eingespannt, zögerte jedoch, als sie dem Blick dieses Wesens begegnete, das ihren Angriff so unbeschadet überstanden hatte. Sie hatte gedacht, ihren Augen nicht zu trauen, als der Pfeil einfach zerfallen war, ohne nur das Geringste auszurichten. Und jetzt griff dieses Wesen sie noch nicht einmal seinerseits an, sondern musterte sie nur. Dunkelbraune, warme Pferdeaugen, in denen deutliche Frage lag.

Sie runzelte die Stirn. Ganz offensichtlich war dieses Wesen der Gegner der Oni, die mal wieder rund herum schwirrten, sie aber diesmal nicht beachteten, weil sie mal wieder keine einzige graue Zelle mehr besaßen, sondern durchgedreht waren, wie so oft in letzter Zeit.

Aber warum hatte dieses gazellenähnliche Wesen InuYasha dann angegriffen?

Die Hand, die die Pfeilsehne spannte, zitterte etwas, als ihr Zweifel kamen. War dieses Wesen etwa gar nicht bösartig? War alles nur ein Missverständnis? Oder – und an diesem Punkt fasste die die Sehne wieder fester und zog sie erneut auf Spannung – manipulierte es sie etwa? Dieser feste Blick… wollte es sie bloß Glauben machen, es sei gutherzig?

„Weißt du, wer ich bin?“, hörte sie da plötzlich eine dumpfe Stimme.

Überrascht flackerte ihr Blick. Wer sprach da? Etwa dieses Wesen?

„Junge Miko. Weißt du, wer ich bin?“, wiederholte die Stimme.

Kagome schüttelte unwillkürlich den Kopf. „Nein, weiß ich nicht…“, murmelte sie langsam und ohne dass sie es recht bemerkte, senkte sie im Zeitlupentempo den Bogen.

„Man nennt mich Kirin“, antwortete die Stimme und Kagome zuckte zusammen. Geräuschvoll fiel der Pfeil zu Boden, den sie eben noch hatte abschießen wollen. „Ki- rin?“, stammelte sie tonlos und ganz langsam sank sie in die Knie. Was unterstand sie sich, ein solches Wesen anzugreifen?

Als Kirin das sah, senkte er etwas den Kopf. „He, ihr kleinen Kitsune! Gehört ihr dazu? Geht weg da!“, wandte er sich mit ruhiger Stimme an die beiden Fuchskinder, ohne weiter auf die Reaktion der Miko einzugehen. Etwas Ähnliches hatte er bereits erwartet.

Die beiden Dämonenkinder hielten zwar inne, rührten sich aber nicht vom Fleck.

„Shippô… Kyoko… kommt her zu mir… bitte…“, flüsterte Kagome so leise, dass selbst das dämonische Gehör der beiden Kitsune es nur mühsam verstanden. Aber sie reagierten sofort.

Kirin registrierte das zufrieden. Er machte ein paar Schritte rückwärts. Mir reicht‘s, ihr Oni… Schluss jetzt…, kündigte er in Gedanken an, ehe er die Vorderhufe mit Schwung vom Boden nahm und sich auf die Hinterbeine erhob. „Kiyoraka!“, klang es aus seinem Maul und sein Horn begann gleißend zu leuchten, ehe sich von dort aus, in drei Richtungen, nach hinten, nach rechts und links helles Licht ausbreitete und jeden Oni pulverisierten, der damit in Berührung kam.

Kagome riss die Augen auf, als sie diese unverhältnismäßig starke, reine Macht, viel heller noch als Mikokraft, aus solcher Nähe, spürte. Es war ein Erlebnis zwischen Staunen und Erschauern.

Shippô hatte sich unwillkürlich an sie gedrängt und selbst Kyokos Hand verkrallte sich in den roten Stoff von Kagomes Chihaya.

Keiner der drei registrierte richtig, dass Kirins Hufe mit einem dumpfen Geräusch wieder auf dem Boden aufkamen und er sich einige Schritte näherte. „So, und jetzt erklärt ihr mir mal bitte, was im Namen sämtlicher Götter dieser Angriff eben sollte, ihr drei!“

Erkenntnisse

Kagome hörte die Frage zwar, war aber nicht in der Lage, zu antworten. Im Moment war ihr das alles viel zu viel. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, dank einer quälenden Mischung aus Angst um InuYasha, Schuldbewusstsein, im Wissen, wen sie da einfach angegriffen hatte und Überforderung.

Schließlich rang sich Shippô dazu durch, stockend zu berichten. Vom der Energie, die InuYasha getroffen hatte und ihn nun unter Bann hielt, davon, wie sie die reine Energie zurückverfolgt hatten und sich schließlich angesichts der nahen Oni aufgeteilt hatten. Und das er keine Ahnung hatte, wo oder mit was beschäftigt die anderen gerade waren. Allerdings nannte er dabei keinerlei Namen, dachte in seiner eigenen Erschütterung nicht darüber nach, dass es so für das Einhorn unverständlich sein konnte, was er quasselte.
 

Kirin behielt nach wie vor den Kopf etwas gesenkt um auf Augenhöhe zu bleiben, blinzelte nun sanftmütig. Er blickte dennoch einigermaßen durch.

„Das ist ein dummer Zufall. Seit versichert, dass ich das niemals wollte. Vielleicht… ich könnte versuchen, ihm zu helfen, auch wenn ich nicht sicher bin, ob das etwas bringt. Doch zuerst muss ich schauen, wo mein Reisebegleiter ist. Nachher sucht der mich noch“, erklärte er ruhig und schüttelte leicht seine Mähne.

„Euer Begleiter?“, wagte Shippô nachzufragen, der inzwischen überzeugt war, wirklich niemand Bösem gegenüber zu stehen und der keine Stille aufkommen lassen wollte, im festen Wissen, dass das Kagome noch mehr zu schaffen gemacht hätte.

Kirin wurde allerdings einer Antwort enthoben, als sich etwas geräuschvoll durchs Unterholz näherte. Dann erklang ein tiefes Lachen.

„Hätte ich mir ja denken können, dass du keine Hilfe brauchst…“, sagte jemand und die etwas grob gebaute Gestalt eines Yôkai schob sich auf die Lichtung, der Hakama und Haori in graublau trug.

Kagome hob etwas den Kopf, schien aber mehr durch den Neuankömmling hindurch zu sehen, als das sie ihn musterte.

Kirin trat einen Schritt vor sie. „Stimmt, Hilfe brauche ich nicht. Aber ich sollte wirklich mal wieder trainieren, meine Kräfte besser unter Kontrolle zu halten. Es gab ein Unglück“, antwortete er ruhig, woraufhin die beiden Fuchskinder sofort aufatmeten. Offenbar gehörten diese beiden zusammen.

Der Neuankömmling schielte an Kirin vorbei, musterte Kagome, ohne die beiden Kitsune zu bemerken. „Seit wann kann deine Macht einem Menschen gefährlich werden, Kirin?“, fragte er skeptisch.

„Nicht der jungen Miko. Aber ihrem Begleiter. Und der ist kein Mensch. Es scheint als hätte mein Kiryoku den voll erwischt“, erwiderte das Einhorn, woraufhin der andere Yôkai scharf die Luft einzog. „Nicht gut“, murmelte er vor sich hin, ehe er den Kopf wandte. „Ich schätze mal, dann gehören diese beiden hier zu der gleichen Gruppe“, fügte er hinzu.

Wie aufs Stichwort traten Kohaku und Shiori hinter ihm hervor, die Köpfe halb gesenkt, offenbar schuldbewusst.

Kirin schüttelte belustigt den Kopf. „Keine Angst, ihr beiden. Ich denke, das Missverständnis ist aufgeklärt“, sagte er und bewies damit, dass er durchschaut hatte, warum die beiden so niedergeschlagen wirkten. Die beiden hoben auch sofort die Köpfe.

Yutaka sah sich derweil in der Gruppe um. „Ich weiß immer noch nicht, ob ich das so glauben soll. Eine Miko, eine Hanyô, ein Menschenjunge, der aussieht wie ein Taijiya und die reisen zusammen?“

„Mehr noch. Du darfst den Hanyô nicht vergessen, den ich erwischt habe. Und die beiden kleinen Kitsune da hinten, die sich bei der Miko verstecken“, berichtigte Kirin gelassen, wobei sein Blick allerdings auf Shiori lag. „Sieh an… eine Komori-Hanyô…“, fügte er dann langsam hinzu. „Woher kommst du, Mädchen?“

Überrascht blickte das Halbdämonenmädchen auf. „Von der Küste, etwas weiter im Nordwesten.“ Mit gerunzelter Stirn bemerkte sie, dass Kirin ein wenig den Kopf hoch nahm. Sagte ihm das etwas?

„Das zuletzt vertriebene Komori-Volk? Sag bloß, du bist Tsukuyomarus Tochter.“

Shiori riss die Augen auf. „Woher…“, begann sie, brach dann aber ab und nickte nur.

Kirin prustete etwas. „Ich habe deinen Vater ein wenig gekannt. Ein bemerkenswerter junger Dämon, ganz anders als sein Volk. Ich hörte später nur von dem Gerücht, er habe eine halbdämonische Tochter. Sag, was ist mit ihm geschehen, dass er nicht bei dir ist?“

Die junge Hanyô senkte den Blick wieder, ihre feingliedrige Hand krallte sich um den Griff der Waffe, die sie an der Hüfte trug. „Er… er ist tot. Ermordet worden von den eigenen Eltern, bloß weil ich existiere…“, flüsterte sie erstickt und selbst Shippô konnte ein paar Meter entfernt die Tränen wittern, die Shiori über die Wangen liefen.

Kirin war zusammengezuckt. Jetzt schüttelte er den weißen Kopf, sein Horn leuchtete matt. „Das darf doch wohl nicht wahr sein… Mädchen, es tut mir Leid. Ich hätte nicht so fragen sollen. Dennoch… kannst du… kannst du mir erzählen, wie das geschehen ist?“ Seine Stimme klang sanft und etwas schuldbewusst.

Dann blieb es eine Weile still. Shiori schluchzte vor sich hin, war aber offenbar nicht in der Lage, zu reden.

Da ließ sich auf einmal leise Kagomes Stimme vernehmen: „Soweit wir es seinerzeit mitbekommen haben, ging es um einen Korallenstein, der den Bannkreis über den Höhlen der Komoris errichtet. Tsukuyomaru wollte ihn nicht länger hüten, wenn man Shiori und deren Mutter samt ihrem Dorf nicht in Ruhe ließe. Das wollte sein Vater nicht einsehen.“ Die Stimme der jungen Miko klang leise und heiser, aber sie hatte sich wieder einigermaßen im Griff. Eine Hand auf den Oberschenkel gestützt, erhob sie sich langsam, sah zu Kirin auf. „Als wir dazu kamen, waren Jahre vergangen. Die Fledermäuse hatten Shiori gefordert, damit die an Stelle ihres Vaters den Bannkreis erhält. Das Dorf opferte sie für das eigene Leben. Dennoch erfolgten weiter Angriffe. Durch Zufall kamen wir vorbei und es gelang uns, schlussendlich mit der Hilfe von Tsukuyomarus Geist, Taigokumaru zu besiegen, die Komoris zu vertreiben und den Korallenstein zu zerstören.“
 


 

Nur ein leises Knirschen verriet, dass sich buchstäblich die letzte Schneeflocke an den richtigen Platz setzte, dann stürmten die Eismonster bereits auf sie zu und die beiden so ungleichen Yôkai mussten zurückspringen.

Fast automatisch war Natsu an Sesshômarus linke Seite gekommen, inzwischen wissend, dass er das Schwert mit Rechts führte und sie ihn demnach so am wenigsten störte.

Doch noch zog er seine Waffe gar nicht, sondern führte seine Energiepeitsche gegen die heranstürmenden Schneegestalten. Die eisige Oberfläche blitzte kurz auf, dann prallte das in der Peitsche konzentrierte Yôki ab ohne eine Verletzung zu hinterlassen.

So funktionierte es also nicht.

Gut, eine Stufe härter. Ein kurzes Kratzen, als der Hundedämon seine Klinge aus der Scheide zog, sie in einem flachen Schwung gegen den Gegner führte. Mit dem Handrücken fing das Schneemonster sie ab und drückte sie zurück. Nicht, dass Sesshômaru sich so einfach aufgeben würde, aber momentan testete er nur an und wollte wissen, wie stark diese Viecher tatsächlich waren. Also ließ er sich auf dem glatten Grund bereitwillig rückwärts schieben, ohne den etwas argwöhnischen Seitenblick Natsus zu beachten, die sich sowieso im nächsten Augenblick dem zweiten Gegner gegenüber sah und bloß zur Seite sprang. Auch den nächsten Anstürmen entging sie bloß durch Beiseitespringen.

Sesshômaru der seinen Gegner ins Leere hatte laufen lassen und nun wartete, das der zu ihm zurückkehrte, nicht willens, eine Verfolgungsjagd zu beginnen, musterte das Geschehen aus dem Augenwinkel. Er erkannte keinen Sinn hinter ihren Ausweichmanövern. Und, warum sprang sie immer so gradlinig weg, dass das Schneemonster mit wenigen Schritten wieder zu ihr aufholte? Da, das fünfte Mal. Diesmal hechtete sie schlicht über das Eisvieh hinweg, kam sicher auf dem Boden auf. Und was jetzt? Sie stand da, ohne ihren Gegner überhaupt zu berühren, einzig ihre Lippen bewegten sich. Ein anderer Angriff, als der, den sie bei den Oni gezeigt hatte?

Ja, entschied der Inuyôkai, als im nächsten Augenblick glutfarbene Yôkiwände aufloderten, genau auf den Linien, auf denen sie zuvor weggesprungen war.

Die Tatsache, dass sein eigener Gegner gerade wieder heran war und er einfach genervt nach oben sprang, um ihn erneut ins Leere laufen zu lassen, brachte Sesshômaru zufällig über Natsus Konstruktion und er erkannte die Form, die die Yôkiwälle bildeten, ehe sie in sich zusammenfielen und den Haufen Schneematsch freigaben, der von dem Eismonster noch übrig war. Die Linien bildeten ein genaues Pentagramm, es war also tatsächlich so geplant gewesen. Sesshômarus Augenbraue wanderte ein wenig nach oben. Gut zu wissen. Im ernsten Kampf sollte man gewissen Abstand von ihr halten, wenn man nicht versehentlich ebenso in die Yôkifalle tappen wollte.

Doch vorerst musste er sich um seinen eigenen Gegner bemühen, denn der fiel ihm langsam auf die Nerven. Und ihn ewig ins Leere laufen zu lassen, brachte auf Dauer auch nicht das Geringste. Die Energiepeitsche brachte nichts, das Schwert offenbar auch nicht, solange er nicht unnötig Kraft verschwenden wollte. Blieb ihm seine Geheimwaffe.

Er brauchte nur daran zu denken, schon glühten die Krallen seiner rechten Hand giftgrün auf und ebenso gefärbter Nebel hüllte die Klaue ein. „Dokka-so…“, wisperte der Inuyôkai, noch während er sich aus der Luft wieder zu Boden fallen ließ und die leuchtende Hand in den Rücken des Schneemonsters bohrte. Noch ehe er sie wieder herausgezogen hatte, begann das Vieh zu schmelzen, bis von ihm ebenso wenig übrig war, wie von Natsus Gegner.

Im selben Moment fiel der Bannkreis.

Die Umgebung taute.
 


 

Es schien, als könnte Kirin solche Grausamkeit kaum glauben, denn er schüttelte immer wieder den Kopf, während er auf Shiori zutrat und seine pferdeähnliche Schnauze leicht gegen deren Wange drückte. Dann trat er zurück. „Es tut mir schrecklich Leid. Aber… haben sie euch danach nicht in Ruhe gelassen?“

„Naja… fast drei Jahre lang schon… vor etwas weniger als einem Jahr starb meine Mutter nach langer Krankheit. In meiner Trauer verkroch ich mich oft in den verlassenen Höhlen der Komori. Eines Tages fand ich dort dieses Tachi. Es stammt von meinem Vater, da bin ich sicher. Ich spüre es. Ich… ich begriff, dass er gewollt hätte, dass ich mich durchschlage. Das ich nicht auf die angebliche Mildtätigkeit von Menschen angewiesen sein sollte, die mich eigentlich gar nicht leiden konnten. So zog ich weiter an der Küste entlang nach Norden. Und vor ein paar Tagen traf ich Kagome und einen Teil der Gruppe wieder, die mich seinerzeit retteten. Ich schloss mich ihnen an.“ Shioris Stimme die am Anfang noch fast tonlos gewesen war, nahm nun wieder normalen Klang an, ihre Tränen hatte sie offenbar vergessen. Ihre Hand ruhte noch immer auf dem Griff ihrer Waffe.

Kirin schien das erst jetzt zu bemerken, denn er schnaufte überrascht, seine Nüstern berührten vorsichtig die Waffe. „Kōmori no shinzō – Das Herz der Fledermaus. Du hast Recht, es gehörte deinem Vater. Weißt du, was für ein Geschenk dein Vater dir damit gemacht hat?“, flüsterte er und etwas wie Ergriffenheit lag in seiner Stimme.

Die Umstehenden – sowohl Yutaka, als auch die Gruppe um Kagome – hörten stumm zu, neugierig, worauf das Einhorn hinaus wollte. Denn sie hatten nicht die geringste Ahnung, wovon Kirin sprach. Auch Shiori schüttelte nach kurzem Zögern den Kopf.

„Die Blutkoralle war einst ein sehr beliebter Rohstoff, der unter sämtlichen Völkern der FledermausYôkai und ihrer Verwandten gehandelt wurde. Doch als sie knapp wurde, blieben nach erbitterten Kämpfen nur drei Dinge übrig. Das konzentrierteste, aber auch gehassteste war der Stein, der euren Bannkreis aufrechterhielt. Wer ihn hatte, wollte Macht, wollte die anderen Fledertiervölker unterdrücken. Was Taigokumaru übrigens in seinen jungen Jahren auch gelang. Viele Völker und Familien hat er vertrieben. Das zweite ist eine pure Koralle, die sich meines Wissens im Moment im Besitz einer kleinen Familie weit im Osten befindet, die das aber nicht an die große Glocke hängen. Und das dritte ist ein kleiner Splitter, eingearbeitet in die Klingenspitze einer Waffe. Des Kōmori no shinzō.“ Kirins Ton klang nun lockerer, fast wie bei einem Großvater, der seinem Enkel Geschichten erzählt, oder so ähnlich.

Shiori schniefte ein wenig. „Wi-wirklich? Ist dieses Tachi so wertvoll?“

„Ja, das ist es. Denn dadurch, dass es zwar die schützenden Fähigkeiten der Blutkoralle besitzt, aber nur so einen kleinen Splitter davon, beschützt es nur seinen Träger, den aber vor allem Übel. Und davon abgesehen besitzt dieses Schwert auch noch einen recht starken Angriff. Den kenne ich aber auch nicht näher“, erklärte das japanische Einhorn, ehe es einen Schritt zurück trat. „Ich erinnere mich nun, dass dein Vater mir vor vielen Jahren schon sagte, dass er um das Geheimnis wisse, das in dieser Waffe schlummert. Und dass er nicht zulassen würde, dass es jemand anderes, außer seiner Familie in die Finger bekommt. Ich nehme an, er hat einen Bann darüber gelegt, sodass es nur seine Blutsverwandten berühren können. Sonst hätte es sicherlich irgendeiner der fliehenden Komoris mitgenommen, meinst du nicht?“

Das Halbdämonenmädchen schien noch wie erschlagen von all diesen Erzählungen, ihr Blick war leicht verschleiert, als sie das Tachi ein Stück aus der Scheide zog und mit den Fingerspitzen vorsichtig über die ebenfalls pechschwarze Klinge fuhr. „Ein Glück, dass Taigokumaru es dann nicht in die Finger bekam“, hauchte sie leise, ehe ihr Blick zum Himmel wanderte. Die Sterne funkelten inzwischen wie festgesteckte Glühwürmchen fern am Firmament und eine hauchdünne Mondsichel glänzte leicht silbern. Über Shioris Augen schien sich ein silberner Schimmer zu legen, als sie den Kopf in den Nacken legte. „Danke, Otou-san…“, murmelte sie tonlos.
 


 

„Eine Falle noch“, ließ sich Natsus feine Stimme vernehmen, als der karge Boden bereits wieder gänzlich eisfrei war. Sie klopfte ein paar verbliebene Eiskristalle von ihrer Fellschärpe und ging langsam los. „Das wird die gemeinste Aufgabe. Für katzenartige Yôkai besonders, denn die hassen das Wasser, aber auch für andere ist es nicht leicht, dort hindurch zu kommen. Um das Grottenlabyrinth zu durchqueren muss man schwimmen und zudem befinden sich im Wasser nette Gestalten, die etwas dagegen haben, dass man so leicht durchkommt. Habt Ihr schon einmal etwas von Kristallaalen gehört?“

Sesshômaru nickte nur knapp, als er zu der schwarzhaarigen Dämonin aufschloss. Seinem umsichtigen, ehemaligen Lehrer hatte er es zu verdanken, dass er tatsächlich wusste, wovon Natsu sprach. Diese Viecher waren in der Tat nicht gerade nette Weggefährten, aber normalerweise recht leicht aus dem Weg zu räumen. Da musste noch etwas hinter stecken. „Was ist die Finte?“, fragte er vorsichtshalber nach, wenn seine Stimme auch vollkommen emotionslos klang, wie immer eben.

„Nun ja… in den Grotten ist es vollkommen unmöglich Yôki einzusetzen. Die Wände sind porös und man würde sich das bisschen Raum zum Atmen nehmen der oberhalb der Wasseroberfläche besteht, wenn sie einstürzen. Pure Klauen oder der reine Stahl der Schwerter, anders kann man sich da unten nicht verteidigen“, antwortete Natsu bereitwillig, dennoch zeigte ihre leise gewordene Stimme, dass sie etwas unsicher war. Sicherlich behagte die Falle ihr nicht, zumal sie doch zu den so wasserscheuen katzenartigen Dämonen gehörte.

Sesshômaru schüttelte innerlich den Kopf. Warum bitte machte er sich über ihre Gefühlswelt Gedanken? Konnte ihm doch gänzlich egal sein. Nach diesem Gewaltmarsch durch die Fallen und dem Abstecher zu Kuraiko war er sie doch sowieso los. Aber er folgte ohne eine Regung, bis Natsu vor einem flach erscheinenden Wasserbecken vor einem Höhleneingang stehen blieb. Es wirkte wie ein Fluss, der sich in den Fels hinein zog, aber nach ihren Worten würde das schon wieder ein Labyrinth sein.

Mit langsamen Schritten näherte sich Natsu dem Ufer, betrat vorsichtig das Wasser. Man sah ihr an, dass sie innerlich erschauerte, sich aber zusammen nahm.

Von vorne hätte man auch ihre zusammengekniffenen Augen erkennen können. Aber sie wollte sich nicht blamieren. Nicht vor diesem eiskalten Fürsten, der bis jetzt noch jede Prüfung weitestgehend problemlos abgeschlossen hatte, abgesehen vielleicht von dem Aussetzer in der Blitzfalle, an dem sie aber vermutlich durch ihre eigenen Probleme mit Schuld gewesen war. Niemals würde sie sich der Schmach hingeben, nur aus Wasserscheu diese Prüfung zu vermasseln. Und so trat sie tapfer immer tiefer ins Nass. Wie es auch bei ihren tierischen Verwandten war, so konnte sie instinktiv schwimmen, mochte es auch wenig elegant aussehen, aber immerhin ertrank sie so nicht.

Hinter sich hörte sie nur leises Plätschern, als Sesshômaru ihr ohne zu zögern und beinahe lautlos ins Wasser folgte, sicherlich weit geschmeidiger als sie und sicherlich ohne das geringste Zeichen von Mimik. Sie runzelte ein wenig die Stirn, als sie den Boden unter den Füßen verlor, vorsichtig zu schwimmen begann.

Wie sie das Wasser doch hasste!

Aber sie würde sich keine Blöße geben!

Niemals!

Nicht vor ihm!
 


 

„Oh, du wartest ja schon. Seit wann so ein Eifer?“ In Aratas Stimme lag ein dumpfes Lachen, als er sich seinem Schüler näherte, der wie verabredet auf dem Hügelkamm saß, an dem sie am vergangenen Tage ihr Gespräch geführt hatten.

Kôhei wandte den Kopf ein Stück. „Das ist kein Eifer, Sensei. Aber ich habe etwas gut zu machen. Und Pflichtgefühl ist einer der wenigen Charakterzüge eines Ookami, der mir geblieben ist.“

Aratas Mundwinkel zuckten etwas. „Wie dem auch sei, jedenfalls bist du hier. Ich habe übrigens etwas für dich“ Der alte Hundedämon hob die Hände, in denen ein in groben Stoff geschlagenes Bündel lag. Der Geruch von Asche und Hitze hing in dem Gewebe.

Kôhei kniff die Augen zusammen, nahm die Gabe aber entgegen. Alles andere wäre unhöflich gewesen. Langsam schlug er den Stoff zurück, legte die Klinge frei, die darin eingewickelt gewesen war. Für einen Augenblick lag Entsetzen in seinen Augen, dann erkannte er die gekrümmte Form der Waffe. Ein Tachi. Es war aus einfachem Stahl, aber ein Band aus bläulich schimmerndem Schmuckeisen zog sich über die stumpfe Kante der Klinge. Auch der Griff war in Blau umwickelt. Der Schwertschmied hatte sein Handwerk verstanden, wenn er auch keine Koryphäe gewesen war.

Arata hätte ihm sagen können, dass Dai diesen japanischen Säbel geschmiedet hatte, aber das ließ er lieber bleiben und konzentrierte sich auf wichtigere Dinge. „Ich denke, damit hast du eine Handwaffe, mit der du trainieren kannst, ohne zu sehr deinen Erinnerungen ausgesetzt zu sein, oder?“, fragte er ruhig und hob den Stoff auf, der zu Boden gefallen war. Die einfache, dunkelblau bemalte Scheide, die ebenfalls im Gras lag, nahm er in die Hand und hielt sie Kôhei hin. „Hier. Geh‘ pfleglich damit um. Es ist deins“, sagte er noch und stellte mit leiser Freude fest, dass zum ersten Mal, seit er ihn kannte, in Kôheis Augen ein Funken von Frohsinn aufflammte.
 


 

Die Stille, die sich über die Gruppe rund um Kagome, Kirin und die anderen gelegt hatte, wurde erst wieder gebrochen, als das Einhorn leise zu sprechen begann: „Was euren Freund anbetrifft… das Problem ist, dass reine Energie nun einmal für alles dämonische schädlich ist. Und da das nicht ohne Grund so ist, bin ich auch nicht in der Lage, so etwas rückgängig zu machen, solange ich etwas mit dem geringsten Hauch von Yôki vor mir habe. Es tut mir Leid, aber ich fürchte, ich kann euch da nicht helfen.“ Er senkte traurig den Kopf und die fast selige Stimmung, die das Unglück rund um InuYasha für einen Moment vergessen gemacht hatte, schmolz dahin wie Schnee in der Sommersonne.

Fast sofort schluchzte Kagome wieder auf, war nahe dran, erneut zusammenzuklappen. Gerade noch rechtzeitig war Shiori bei ihr, nahm sie in den Arm und hielt sie fest.

Shippô schniefte, die Hand noch immer in Kagomes Kleidung vergraben. „Es ist alles meine Schuld…“, murmelte er leise vor sich hin und er bemerkte nicht einmal, dass Kyoko ihm einen tröstenden Blick zu warf.

Selbst Yutaka, der nun so gar keinen Anteil an der Sache hatte, machte ein betretenes Gesicht.

Kohaku ließ den Kopf hängen, wagte aber nicht, näher an Kagome heran zu gehen. Soweit er von der Freundschaft zwischen der jungen Miko und seiner Schwester wusste, war die Anteilnahme einer Freundin noch irgendwo das, was Kagome jetzt am Meisten helfen konnte.
 

Doch plötzlich erklang Shioris Stimme, leise, aber zitternd vor Hoffnung. „Er ist ein Hanyô, wie ich. Hat… hat er dann nicht auch eine Nacht, in der er zum Menschen wird?“

Es war, als wäre ein Blitz in die Gruppe gefahren. Shippô und Kagome sahen wie auf Kommando beide zum Himmel, suchten den Mond. Beider Augen leuchteten auf, als sie die hauchdünne Sichel erkannten.

Noch erstickt von den vergossenen Tränen, aber wieder hell vor Hoffnung, sprach Kagome aus, was alle Mitwisser so erleichterte: „Morgen ist Neumond!“

Unentschieden

Es war beinahe dunkel in den wasserdurchfluteten Höhlengängen. Zwar konnten beide Yôkai dennoch gut sehen, aber einladender machte es die Szenerie nicht.

Beide verloren natürlich kein Wort darüber und schoben sich weiter durch das nasse Element.

Wenn man es genau nahm, war es gerade so tief, dass sie nicht stehen konnten, gerade so, dass sie ab und an den Boden berührten, jedoch nicht darauf laufen konnten. Eine nervenzehrende Angelegenheit.

Sesshômaru musste wieder einmal zugeben, dass diese Kuraiko anscheinend wusste, wie sie jeglichen Besuch von sich abhielt. Als Urkönigin der Panther war sie sicherlich eine Daiyôkai, konnte dementsprechend vollkommen ohne Nahrung auskommen, wenn es sein musste, brauchte niemandes Hilfe, wenn sie nicht auf Diener im Alltag bestand. Und das hatte sie ja offenbar nicht einmal getan, als sie noch im Schloss der Néko gelebt hatte, wenn ihr selbst eine persönliche Zofe von außen zugewiesen werden musste. Innerlich schüttelte er den Kopf, wusste aber durchaus, dass solch verschrobene Persönlichkeiten unter hochrangigen Yôkai nicht gerade selten waren. Ebenso wusste er, dass er selbst da keine Ausnahme darstellte, aber das störte ihn auch nicht. Er war wie er war und Nachteile hatte ihm das bisher nie eingebracht.

Plötzlich vernahm er ein leises Plätschern und im nächsten Augenblick jagte eine silbrig glitzernde Gestalt auf ihn zu. Instinktiv riss Sesshômaru die Hand hoch, um abzublocken, glitt allerdings an dem Etwas ab. Ein kurzer, scharfer Schmerz zeigte ihm, dass seine Hand offenbar aufgeschlitzt worden war. Aber das war noch lange kein Grund, irgendwie zurückzuweichen. Er aktivierte seine Giftklaue und schlug erneut nach dem etwas. Sofort schmolz es zu einem unkenntlichen Klumpen Kristall zusammen, sank ins Wasser zurück und verschwand Richtung Boden. Geht doch. Mit einem innerlichen Kopfschütteln senkte der Inuyôkai die Hand und schwamm weiter. Die kleine Verletzung interessierte ihn wenig, in wenigen Minuten würde die wieder geschlossen sein, egal ob sie momentan blutete oder nicht.

Dennoch war er jetzt noch mehr auf der Hut, als sonst. Offenbar war es mit seinem Gift einfach, die Kristallaale, denn nichts anderes war das schließlich eben gewesen, zu besiegen, dann sollte er jegliche Verzögerung aus dem Weg räumen können.

Er sah zu Natsu, von der nicht viel mehr, als der Hinterkopf und die Schultern zu sehen war.

Für eine Katzenartige schlug sie sich recht gut, aber ihn störte etwas anderes.

Er brauchte einen Moment, bis ihm bewusst wurde, dass die feuchte Luft ihre Witterung schwerer und auffälliger machte. Ihre Witterung, die ihm sowieso schon nicht mehr aus dem Kopf ging, seit dieser unseligen Fadenfalle. Und er merkte, innerlich erschrocken, dass er aufpassen musste, einen gewissen Abstand von ihr zu halten. Dieser Geruch zog ihn an.

Verdammt nochmal, was soll das?, fragte er sich in Gedanken, kam aber verständlicherweise zu keiner Antwort. Das lag vermutlich daran, dass bisher nie ein weibliches Wesen es geschafft hatte, seine Gedanken derartig zu besetzen.

Ein Grund mehr auf der Liste, sie schnellstmöglich wieder los zu werden. Aber gut, sie hatte ja gesagt, dies war die letzte Falle, also standen sie danach Kuraiko gegenüber und dann konnte er sie endlich wieder zu Hause abliefern. Dann wäre er sie los.

Geflissentlich ignorierte er den kleinen Stich in der Brust, den dieser Gedanke hervorrief.
 


 

„Hier entlang!“

Kohaku hatte die Führung übernommen, nachdem der Rest offenbar in einer Art Fieber zwischen Sorge und Hoffnung gefangen war. Er konnte es ja verstehen. Kagome liebte InuYasha und auch den Rest verband eine tiefe Freundschaft mit ihm, aber man konnte es auch übertreiben. Kirin hatte doch gesagt, dass er bei einem Menschen etwas ausrichten konnte. Und ein urmagisches Wesen, wie das japanische Einhorn, würde sicherlich nicht lügen oder falsche Hoffnungen wecken. Dessen war der junge Taijiya sich sicher.

Er bog ein paar Zweige auseinander und trat aus dem lichten Wald auf die Ebene hinaus.

Nicht weit entfernt lag InuYasha im Windschutz einiger Felsen. Kirara musste ihn dorthin gezerrt haben. Jetzt saß sie in ihrer kleinen Form daneben – und kratzte sich hinter dem Ohr. Eine tolle Begrüßung.

Aber im selben Moment folgte die Auflösung, denn eine jammernde Stimme erklang: „Schon gut, Kirara, ich lass dich ja schon in Ruhe…“

Es war schon zu dunkel, als das Kohaku die winzige Gestalt erkannt hätte, die beleidigt aus dem Pelz der Nekomata hüpfte, aber er erkannte die Stimme auch so. Er verdrehte die Augen.
 

Yutaka, der sich neben ihm aus dem Wald schob, wandte den Blick zurück zu Kirin. „Dorthin ist Euer zweiter Begleiter verschwunden, Kirin-dono. Ich habe mich schon gewundert, wo er abgeblieben ist. Ein Flohgeist wie er ist doch immun gegen Eure Kampftechnik“

Kirins Schnaufen klang beinahe wie ein Lachen. „Das hat nichts mit der Technik zu tun. Es gab einen Kampf. Meinst du, der Angsthase bleibt da freiwillig in meiner Nähe?... Dennoch, es wundert mich, dass er sich ausgerechnet hierhin zurückgezogen hat. Nun, mal sehen, vielleicht hat das ja einen triftigen Gru-…“ Mitten im Wort verstummte er, als er der reglosen Gestalt des Hanyô nahe genug kam, um sie genau zu sehen. Dieses weiße, fast silbrige Haar war an sich schon unverkennbar, aber der rote Stoff, aus dem die Kleidung gewebt war, machte ihn erst Recht aufmerksam.

Feuerrattenhaar… ich glaube ich spin… nein, das muss stimmen… oh, was habe ich bloß angerichtet… Kirin schüttelte etwas den Kopf, versuchte seine Gedanken zu ordnen.

Er hatte erkannt, wer da lag.

Zwar hatte er den jüngeren Sohn des großen Hundefürsten nie persönlich gesehen, aber der Suikan und die Haarfarbe waren Indizien genug.

Sein Verhalten ließ nun auch die anderen aufmerksam werden.

„Was habt Ihr, Kirin-donno?“, fragte Yutaka nach, doch das gazellenähnliche Wesen gab keine Antwort. Sein tiefbrauner Blick lag auf der leblos erscheinenden Gestalt des jungen Halbdämons.
 

„Ki-kirin-donno? Oh, Ihr habt mich gefunden? Wie erfreulich… oh, es scheint, Ihr habt erkannt, dass wir gefunden haben, wen wir suchen, nicht wahr? Aber… aber, ich weiß auch nicht, was mit ihm los ist… InuYasha-sama schläft reichlich selten und dass er dann nicht aufwacht… ich weiß wirklich nicht…“

„Es reicht, Myouga-jiji. Es war ein Unfall“, mischte Kagome sich in die Worte des lamentierenden Flohdämons ein, der oberhalb von InuYashas Ohren auf einem der Felsen saß.

„Oh…“, brachte der kleine Kerl nur noch hervor, während er sich umsah, die Gruppe erst jetzt wirklich wahrzunehmen schien. Die ohnehin zerfurchte Stirn etwas gerunzelt, blickte er dann das zweite halbdämonische Mitglied an. „Wer bist du?“, wollte er skeptisch wissen. Sein Gesichtsausdruck zeigte klar, dass er keine Ahnung hatte, warum Kagome, Shippô und die Angesprochene jetzt leise lachten und auch Kirara amüsiert piepste.

Schließlich hatte die Weißhaarige sich wieder gefasst. „Erkennst du mich denn nicht, Floh? Ich bin Shiori“

Myouga riss die Augen noch weiter auf, unklar ob aus Entrüstung über die Betitelung oder aus Überraschung. „Shiori? Doch nicht etwa…“

Shiori lachte erneut auf. Mit der Hand fuhr sie sich durch die Haare, die in den Schatten der Nacht fast ebenso violett erschienen, wie ihre Augen. „Doch, die. Die kleine Komori-Hanyô, die ihr damals gerettet habt“

Im nächsten Moment war der alte Flohgeist in Ohnmacht gefallen.
 


 

„Na also, geht doch.“

Zufrieden beobachtete Arata aus ein paar Metern Entfernung, wie Kôhei seine neue Waffe gegen das Kurzschwert eines älteren Schülers drückte. Zwar zeigte der junge Ookami nicht die geringste Regung, aber zu mindestens boykottierte er das Training nicht und das war schon einmal ein großer Fortschritt.

„Er ist gar nicht mal schlecht, Arata-san. Wie kommt es, dass er vor zwei Tagen den Übungsplatz lahm gelegt hat, hm?“, fragte der blonde Inuyôkai, zu dem der andere Schüler gehörte.

„Ein Trauma. Über alles weitere werde ich Stillschweigen bewahren, Jiro-san. Ich möchte nicht, dass Kôhei glaubt, sein Vertrauen in mich wäre unnütz“, gab der erfahrenere Lehrer zurück und warf seinem Kollegen einen kurzen Seitenblick zu.

Jiro stand, die Arme vor der Brust verschränkt, da, nickte nur knapp. Er hatte verstanden. Arata änderte nie seinen Standpunkt, wenn er den einmal festgelegt hatte, das war allgemein bekannt. Also blickte er wieder auf den Übungskampf. Obwohl klar erkenntlich war, dass Kôhei sich noch mit der gebogenen Klinge des Tachi anfreunden musste, zeigte er durchaus Geschick und ein Verständnis für die Handhabung der Waffe. Ein Jammer, dass der junge Wolf dabei keinerlei Begeisterung oder Ehrgeiz zeigte. Aus dem könnte ein guter Krieger werden, wenn ihn mal jemand richtig aufwecken würde. Aber das sollte er Arata überlassen. Der dienstälteste Kampflehrer der gesamten Inu-Akademie wusste mit Sicherheit, was zu tun war.
 

Kôhei war derweil zur Seite weg gewichen und führte seine Klinge nun von unten gegen den Angriff seines Trainingsgegners. Er musste tatsächlich zugeben, dass das Tachi in ihm weniger Hemmungen hervor rief, als es ein Katana getan hätte, aber wohl fühlte er sich noch immer nicht. Aber was tut man nicht alles für das Glück seiner Schwester, nicht wahr, Sayoko? Ich will nicht, dass du in das Unglück unserer Familie auch noch mit rein gezogen wirst… nicht du mit deinem unvoreingenommenen Charakter… du bist noch normal, du sollst es bleiben… dafür – und nur dafür – kämpfe ich…
 


 

Unwillkürlich zuckte Natsu ein wenig zusammen, als einer der Kristallaale ihren Unterarm aufschlitzte. Schon eine Berührung mit deren Haut reichte dazu aus. Und ihre Abwehr mit der Klaue war unter Wasser abgebremst gewesen, sie war nicht schnell genug.

Blut mischte sich ins Wasser, während Natsu kurz inne hielt, sich etwas mühsam mit harten Beinschlägen über Wasser hielt. Da, da war das Vieh wieder. Diesmal setzte sie über Wasser an und ließ die Klaue bloß nach unten sausen und diesmal reichte der Schwung aus. Ihre Krallen trafen den kristallähnlichen Körper und brachten ihm einen langen Riss bei. Mit seiner nächsten Bewegung sorgte der Aal selbst dafür, dass er zersplitterte. In Stücke gerissen taumelten die Splitter auf den Boden des Wasserbeckens.

Sie hob wieder den Kopf, dachte nach. Vor ihnen teilte sich der Wasserweg zum x-ten Mal.

Wo lang?

Der übliche Trick, immer dieselbe Richtung einzuschlagen, funktionierte hier nicht, weil selbst ein Yôkai früher oder später müde werden würde, vor allem angesichts der schon überstandenen Fallen. Ein reines Ausprobieren würde nicht gelingen, sie würden einfach ertrinken. Und das war ein unwürdiges Ende.

Sie ging noch einmal die Richtungen durch, die sie bisher genommen hatten.

Nur ihr hatte Kuraiko seinerzeit verraten, dass dieses Labyrinth nach einem Muster angelegt war.

Immer zweimal links und einmal rechts, sollte es drei Möglichkeiten geben, immer der mittlere Weg. Dann kam man als Ziel. Mehr oder weniger zu mindestens.

Was waren sie zuletzt gegangen? Links, links, Mitte… also müssen wir jetzt rechts!

Erleichtert schwamm Natsu wieder los, ignorierte, dass sie langsam wirklich erschöpft war. Noch musste sie durchhalten. Ihr Begleiter zeigte ja auch kein Anzeichen von Erschöpfung.
 

Da mochte sie Recht haben. Sesshômaru zeigte nach außen hin mal wieder nichts. Aber auch für ihn war diese letzte Falle langsam mit Anstrengung verbunden. Ob das aber nun mit seinen verrücktspielenden Gedanken, mit seinen strapazierten Nerven oder tatsächlich mit körperlicher Erschöpfung zusammen hing, diese Frage konnte nicht einmal er wirklich beantworten.
 


 

Erbost klopfte Tôran sich den Staub von ihrer Kleidung und musterte den noch immer etwas benommenen Diener, der an der Schlossmauer lag, gegen den sie ihn gerade befördert hatte. Ihr Blick machte der Eisigkeit ihrer Speere durchaus Konkurrenz.

Wie konnte ihr Bruder es eigentlich wagen, ihr Bestreben schon wieder in Grund und Boden zu reden? Warum hörte er ihre Argumente nicht?

Sie kniff die Augen zusammen, sodass dem Diener bereits wieder angst und bange wurde. Er arbeitete schon lange genug in diesem Schloss um zu wissen, dass die Älteste der drei Fürstinnen ziemlich reizbar sein konnte, aber das hier war wirklich beängstigend. Umso erleichterter war er, als sie ihren Weg fortsetzte. Nie wieder würde er es wagen, einen zu langen Blick aus dem Fenster zu werfen, wenn sie in der Nähe war, das schwor er sich jetzt.
 

Tôran war inzwischen den Gang weiter entlang geschritten, trat nun durch das Tor hinaus in den Schlossgarten. Ihr türkisfarbenes Haar wehte im frischen Wind, als sie sich nach einer ruhigen Stelle umsah. In einem kleinen Hain aus noch nicht erblühten Pfingstrosenbüscheln fand sie ihn. Sie ließ sich ins Gras sinken, den Blick in den Himmel gerichtet.

Wie konnte sie ihrem Bruder bloß verständlich machen, wie richtig ihre Einschätzung der Dinge war?

So viel sie im Neko-Clan trotz ihres Geschlechts zu sagen hatte, wenn es um politische Angelegenheiten gegenüber anderen Clans ging, musste immer noch ihr Bruder die Rede führen.
 

„Wusste ich‘s doch, hier ist sie, Karan!“, hörte sie da plötzlich die Stimme ihrer jüngsten Schwester und senkte den Blick. Shunran und Karan näherten sich ihr, jetzt langsamer.

„Gut, das wir dich finden, Onee-san. Shuran schickt uns, er dachte, du wärst vielleicht wütend. Was ist denn schon wieder vorgefallen?“ Karan kniete sich neben ihre ältere Schwester, ihr kurzes, rotes Haar leuchtete im Mondlicht.

„Phh… ich bin nicht wütend. Ich verstehe nur nicht, warum er nicht endlich nachgibt“, knurrte Tôran.

Shunran verdrehte die Augen, als sie sich ebenfalls setzte. „Wir wissen, wie du von der Sache denkst, Onee-san, aber glaubst du wirklich, es ist so eine kluge Idee, weiter daran fest zu halten? Selbst wenn du Shunran rumkriegst, das heißt noch lange nicht, dass ausgerechnet Sesshômaru…“

Weiter kam sie nicht, denn Karan unterbrach sie, hitzig wie sie war: „Pah, dein Angebeteter“, und das kam sarkastisch, „würde sich ja eher den Arm noch mal abhacken lassen, als dich zur Gefährtin zu nehmen, Tou-chhh“ Hustend brach Karan ab, als die Klaue ihrer älteren Schwester sich um ihre Kehle schloss und sie unerbittlich rücklings auf den Boden drückte. Tôrans Augen waren wütend zusammengekniffen. „Sei still!“, zischte die Türkishaarige, ehe sie ihre Schwester wieder los ließ. Keuchend holte Karan Luft, ehe sie sich wieder aufrichtete. „Schon gut. Aber trotzdem, Tôran, ich halte deine Hartnäckigkeit für keine gute Idee…“ „Still sollst du sein!“, konterte die Ältere nur und beide, sowohl Karan, als auch Shunran, der das gar nicht gegolten hatte, zuckten zurück.

Im Moment war ihre Schwester in einer Stimmung, in der man ihr besser nicht wiedersprach, besser noch, sie gar nicht erst ansprach.

Beide erhoben sich.

Angesichts dieser Situation sollten sie vielleicht ein gutes Wort für Tôrans Vorhaben bei Shuran einlegen. Mehr, als das Sesshômaru abwies, konnte ja nicht passieren.

Obwohl, vermutlich mussten sie sich in diesem Falle ziemlich große Sorgen um die Gesundheit ihres Bruders machen. Und dieser Fall war sehr wahrscheinlich.
 


 

„Ich glaube… das hat ihn umgehauen“, kommentierte Shiori kichernd und fing den alten Flohgeist auf, ehe er auf dem harten Stein weiter hinabkullern konnte.

„Offensichtlich“, sagte Kohaku und wandte sich ab. „Kirara, begleitest du mich, Feuerholz sammeln?“, fragte er dann. Sofort erhob die kleine Katze sich, piepste zustimmend. Ihre zwei Schweife zuckten leicht, ehe eine Flammenlohe um sie aufstieg und sie in ihrer großen Form da stand. Nur so könnte sie ihrem menschlichen Freund schließlich tragen helfen.

Kirin riss überrascht den Kopf hoch, als ihm erst jetzt auffiel, dass er keine normale Katze vor sich hatte. Nekomata besaßen in ihrer kleinen Form keinerlei dämonische Ausstrahlung und ihre beiden Schweife hatte Kirara gerade so nah beieinander liegen gehabt, dass sie nicht aufgefallen waren. „Jedenfalls weiß ich jetzt, dass Myouga Recht hatte. Wir sind da, wo er uns hinführen wollte“, murmelte er vor sich hin.

Er konnte nicht ahnen, dass seine momentane, fast resignierende Stimmung derjenigen sehr ähnlich war, die der alte Flohgeist fast immer hatte, wenn er mit dieser Bande Kontakt hatte. Diese Gruppe war eben immer für Überraschungen gut.

Kagome ließ sich derweil ins Gras nieder, musterte InuYasha. Der lag noch immer vollkommen ruhig da, auch sein Gesicht war friedlich, wie damals, als er noch gebannt an Goshinboku gehangen hatte. Und doch ahnte sie, dass das, was von ihm noch wach war, vielleicht konnte man es das Unterbewusstsein nennen, dass das alles andere als ruhig war.

Aber sie konnte nichts tun.

Dennoch legte sie ihre Hand fast automatisch auf den Unterarm des Hanyô, verkrallte ihre Finger etwas in den roten Stoff seines Suikans. „Ach InuYasha… hoffentlich… hoffentlich können wir dich morgen retten…“, wisperte sie leise und bemerkte gar nicht, dass Kirin sie etwas überrascht musterte. Mit so einer engen Bindung zwischen ihr und dem Halbdämon hatte er verständlicherweise nicht gerechnet. Aber er sagte nichts, sondern wandte sich respektvoll ab und ließ sich ein paar Meter weiter ins Gras nieder.

Yutaka setzte sich zu ihm und bald hörte man die beiden leise reden.
 

Auch der verbliebene Rest der Gruppe hatte sich hingesetzt. „Sag mal, wo ist eigentlich Tián hin?“, fragte Shippô da plötzlich und sah zu Shiori auf.

Die zuckte etwas mit den Schultern. „Keine Ahnung. Der ist ja schon den ganzen Tag mehr um uns herum gestreift, als das er mit uns gewandert wäre. Weiß ich, wieso er so unruhig ist, er kann mir ja nichts erklären. Aber ich bin sicher, früher oder später taucht er wieder auf“, antwortete sie, aber ihr Tonfall verriet, dass diese Tatsache sie weit mehr störte, als sie zugeben wollte.
 


 

„Da ist die große Grotte… ein Glück…“, flüsterte Natsu vor sich hin, während sie es hinter sich zischen hörte, weil Sesshômarus Giftklaue einen weiteren Kristallaal einschmolz. Langsam hatten sie Übung darin. Vor ihnen öffnete sich jetzt tatsächlich der Gang, weitere sich zu einer Höhle aus, die wie ein unterirdischer See wirkte. Die Felskuppel über ihnen war pechschwarz.

Natsu runzelte die Stirn. Wie war das noch gleich…

Der letzte Bannkreis war nicht direkt hier an der Wasseroberfläche, das wusste sie noch, aber mehr wollte ihr nicht einfallen. Wie kamen sie hier wieder raus?

Unschlüssig paddelte sie ein bisschen auf der Stelle, ohne zu merken, dass ihr die Schwimmbewegung inzwischen leichter fielen, sie beinahe automatisch oben blieb und nicht mehr so abgehackt herumzappelte, wie zu Beginn.
 

Im Gegensatz dazu hatte Sesshômaru es bemerkt, aber natürlich äußerte er sich nicht dazu, als er aufschloss und sich ebenfalls umsah. Es war eindeutig, dass sie nicht weiter wusste, offenbar nicht alles behalten hatte. Er zog eine Augenbraue hoch. Wieso schickte man sie ihm als Führerin mit, wenn sie an der entscheidenden Stelle versagte?

Er warf ihr einen skeptischen Seitenblick zu, nur um zu sehen, dass sie plötzlich zusammenzuckte und im nächsten Augenblick untertauchte.

Mit Absicht, oder…

Kurzerhand ließ er sich auch hinabsinken, blickte sich in dem fast schwarz wirkenden Wasser um. In ihrer dunklen Kleidung war Natsu schwer auszumachen, was aber eindeutig zu erkennen war, war der Kristallaal, gegen den die bisherigen nur mickrige Abklatsche gewesen waren. Dieser hier war mindestens zehn Mal so groß und offenbar nicht gerade erbaut darüber, dass man seine kleinen Artgenossen abgeschlachtet und eingeschmolzen hatte. Der hinterste Teil seines Körpers hatte sich um Natsus Beine geschlungen und zog sie immer tiefer ins Wasser.

Die Yôkai schlug mit den Armen um sich, hatte es sogar irgendwie geschafft, noch ihr Schwert zu ziehen, aber bei diesem großen Vieh wirkte der pure Stahl offenbar nicht.

Und auch wenn er unter Wasser nicht wittern konnte, reichte es ihm zu sehen, dass Blut sich ins Wasser mischte, der scharfe Körper des Aals offenbar dabei war, Natsus Beine aufzuschlitzen. Wenn der so weiter machte, würde sie viel zu viel Blut verlieren und mit etwas Pech war er gar stark genug, ihr die Beine komplett abzutrennen.

Er war wohl derjenige, der mit am besten wusste, dass Gliedmaßen im Normalfall nicht einfach so nachwuchsen.

Als er erkannte, dass Natsus Verteidigungsversuch erneut wirkungslos an dem kristallenen Körper abprallte, zog er kurz entschlossen sein eigenes Schwert, schwamm näher. Mit aller Kraft, die er unter dem Druck des Wassers aufbringen konnte, ließ er die Klinge gegen den riesigen, schlangenähnlichen Körper sausen. Der einzige Erfolg bestand darin, dass der Kristallaal ihm den Kopf zuwandte und ihn aus weiß leuchtenden Augen anfunkelte.

Sesshômaru riskierte einen kurzen Seitenblick zu Natsu. Ihre Bewegungen wurden bereits lahmer, vermutlich hatte sie nicht mehr richtig einatmen können, als es sie hinab zog und nun fehlte es ihr an Sauerstoff. Ohne Sauerstoff konnte auch ein Dämon nicht überleben. Er musste schnell handeln. Experimente waren nicht mehr möglich.

Ohne sich die Zeit zu nehmen, das Schwert wegzustecken, rief er sein Gift in die linke Hand und griff den Aal damit an. Gasblasen stiegen auf, als sich die getroffene Stelle etwas aufzulösen begann, die Wirkung jedoch von der großen Wassermenge rund herum gleich wieder neutralisiert wurde.

Nicht gut.

Also dann, volles Risiko.

Wenn die Höhle einstürzte, ging es eben nicht anders.

Und schon bei dem Gedanken begann Bakusaiga helltürkisfarben zu leuchten, griff auf seine ganze Macht zurück. Sesshômarus Yôki verband sich mit seinem Gift und zentrierte sich im Schwert.

Er schlug zu, die Energiewelle traf genau den Kopf des Kristallaals und der bäumte sich vor Schreck und Schmerz auf, als sein Körper zu schrumpfen begann und in sich zusammenfloss, wie schon seine kleinen Kumpane. Dieser Angriff war eindeutig zu viel für ihn gewesen.

Natsu hatte er los gelassen und sie sank nun weiter im Wasser ab.

Doch plötzlich riss sie die Augen auf, ihre Hand streckte sich nach einer hell schimmernden Stelle an der Felswand aus, dann erschlaffte ihr Körper. Sie hatte das Bewusstsein verloren.

Sesshômaru reagierte ohne richtig nachzudenken. Mit einer raschen Bewegung war er bei ihr, fing sie ab und zog sie mit sich, auf die schimmernde Stelle zu. War das der Ausgang? Hatte sie sich wieder erinnert, als sie es gesehen hatte?

Er musste es hoffen, denn langsam wurde auch ihm der Sauerstoff knapp und mit ihr im Schlepptau würde er es nicht mehr bis zur Oberfläche schaffen. Auf einmal erschütterte etwas die Höhlenwände, das Wasser geriet in Aufruhr und nur durch Glück wich Sesshômaru gerade rechtzeitig einem Felsbrocken aus, der offenbar von oben herabgestürzt war und überraschend schnell im Wasser auf sie zu sank. Also war sein Angriff tatsächlich zu viel den Guten gewesen.

Nun ja, Hauptsache Natsu war gerettet – Moment, was dachte er da? Doch, es stimmte. Er war froh, sie aus den Fängen dieses Kristallviechs befreit zu haben.

Und mit dieser Erkenntnis tauchte er in das Leuchten ein, dass sich tatsächlich als Bannkreis entpuppte.

Sie hatten die letzte Falle überstanden…

Neumond

Kagome war sich absolut sicher, noch nie so glücklich über eine mondlose Nacht gewesen zu sein.

Den ganzen Tag über war sie nur von einer Seite der Ebene zur anderen marschiert, hatte keine Ruhe finden können. Alles in ihr war in Aufruhr, die Sorge um InuYasha wurde immer größer.

Was, wenn er schon zu lange unter dem Bann stand?

Was, wenn er nicht wieder der Alte sein würde?

Was, wenn es Kirin nicht gelang, ihn zu befreien?

Unzählige Fragen schwirrten ihr durch den Kopf und auch die anderen konnten sie nicht beruhigen, egal was Shiori, Shippô, Kyoko und Kohaku versuchten.
 

Und dann endlich versank die Sonne am Horizont, verblasste der letzte Sonnenstrahl. Augenblicklich wich die weiße Farbe aus InuYashas Haar, seine Hundeöhrchen verschwanden und vermutlich waren auch seine Augen dunkel geworden, aber davon konnte man nichts sehen, waren seine Lider doch geschlossen. Dennoch war keine Regung von ihm auszumachen.

Kagome schluckte nervös, sprang aber sofort auf, als Kirin sich näherte.

Auch er hatte zugesehen, senkte nun ein wenig den Kopf. „Junge Miko… meine Magie muss seinen Körper direkt berühren… tu mir den Gefallen und zieh ihm den Suikan aus.“

Kagome zuckte zusammen. Ihr wurde heiß und kalt zugleich und sie konnte nur mühsam verhindern, dass sie errötete. Sie… sie sollte InuYasha… Verlegen zögerte sie.

„Schon gut. Es reicht, wenn du ihm den Kragen etwas auseinander ziehst, damit ich seine Brust berühren kann“, lenkte das Einhorn ein, seine großen Ohren zuckten leicht. Daran hatte er nicht gedacht. Er musste die junge Miko in eine ziemlich peinliche Situation gebracht haben. Jetzt tat sie jedenfalls, worum er bat. „Ich weiß nicht, was gleich geschehen wird. Ich habe noch nie versucht, einen Hanyô wieder zu heilen. Es kann sowohl passieren, dass er durchdreht, als auch das er zwar wieder geheilt ist, aber für immer menschlich bleibt. Ich muss zugeben, ich habe keine Ahnung“, warnte das Einhorn vor, erhielt jedoch keine direkte Reaktion von den Umstehenden.

Nur die Anspannung lag beinahe greifbar in der Luft.

Er hielt noch einmal kurz inne, hörte, wie die ganze Gruppe den Atem anhielt. Dann berührte er mit der längsten Spitze seines Hornes InuYashas Brust.

Er konnte nicht ahnen, dass die Gruppe sich mehr wegen der zweiten Möglichkeit der Nebenwirkung sorgte, als wegen der ersten. Schließlich gab es da Tessaiga. Aber jetzt achteten sowieso alle auf das sanfte Glimmen, dass Kirins Hornspitze erfasst hatte, sich nun auf InuYashas Haut ausbreitete. Das hellweiß leuchtende Muster, das dort entstand, erinnerte beinahe an einen magischen Zirkel oder ähnlich esoterische Symbole, aber sie alle hofften, dass es wirklich helfen würde.

Plötzlich überlief ein Schauder den Körper des Halbdämons, er zuckte zusammen und stöhnte auf, dann verschwand das Zeichen und Kirin hob den Kopf.

Sein Blick war Antwort genug auf die stumme Frage, die sich alle stellten: sie würden warten müssen.
 

Kagome hatte sich über den Hanyô gebeugt, wartete nervös auf ein weiteres Lebenszeichen.

Und endlich, nach endlosen Sekunden flatterten seine Augenlider, er schlug sie langsam auf.

Erneut verließ ein Stöhnen seine Lippen, als er blinzelte.
 

Das erste, was InuYasha wieder hörte, war ein Schluchzen, dann fühlte er etwas Feuchtes auf seiner Wange. Nur seltsam schwach konnte er den Salzgeruch vernehmen. Tränen. Etwa seine? Nein, er weinte nicht. Wäre ja auch noch schöner gewesen.

Er blinzelte, versuchte seinen Blick etwas zu schärfen, erkannte schimmernde, moorbraune Augen über sich, ein blasses Gesicht. „Ka-Kagome…“, wisperte er heiser, schluckte, als er merkte, dass die Tränen von ihr stammten.

Was war geschehen?

Er konnte sich nur noch an den bestialischen Schmerz in seinem Rücken erinnern. „Kagome… warum… warum weinst du?“, fragte er mit fast tonloser Stimme, sein Hals fühlte sich trocken an.

Die junge Miko sah ihn nur aus tränennassen Augen an, unfähig, etwas zu sagen. Wieder schniefte sie, dann fiel sie plötzlich über ihm zusammen, ihre Hände schoben sich unter seinen Körper, umarmten ihn. Und ganz kurz spürte er ihre Lippen auf den seinen.

Ehe er reagieren konnte, hatte sie sich wieder von ihm gelöst.

„InuYasha… du… du lebst… alles ist gut…“, schluchzte sie, während sie sich wieder ins Sitzen stemmte und mit einer Hand über die Augen rieb, die Tränen verscheuchte. „Ich… ich bin so froh…“

Etwas verwirrt sah InuYasha zu ihr auf, wollte sich erheben, sie trösten, doch eine eiserne Schwäche hielt seinen Körper am Boden.

Stattdessen hob er eine Hand und wischte ihr vorsichtig eine verbliebene Träne von der Wange. „Ich weiß zwar nicht, was passiert ist… aber ich habe doch versprochen, dass ich dich niemals alleine lasse…“, wisperte er leise.
 


 

Sesshoumaru schnappte unwillkürlich nach Luft, als er wieder zu sich kam.

Das Durchdringen des Bannkreises musste selbst ihn kurz das Bewusstsein gekostet haben.

Apropos Bewusstsein, war Natsu wieder zu sich gekommen?

Und wo befanden sie sich überhaupt?

Er sah sich um. Noch immer war es eine Höhle und noch immer befand er sich im Wasser, aber dieses hier war nur eine Handbreit tief und das Ufer war kaum zwei Meter entfernt. Dort lag auch Natsu auf dem rauen Fels und jetzt hörte er auch das leise Husten. Sie musste genauso wie er gerade eben erst wieder wach geworden sein.

Vorsichtig erhob er sich, trat ans Ufer und ließ sich dort wieder ins Sitzen sinken. Er hatte viel Kraft verbraucht und selbst er hatte nun etwas Ruhe nötig. Außerdem kam er erst jetzt dazu, Bakusaiga wieder weg zu stecken. Für einen Moment schloss er die Augen, gönnte sich einen Augenblick der Ruhe um sich zu sammeln und mit der Regeneration zu beginnen.

Erst Natsus Stimme holte ihn wieder zurück. „Gomen nasai, Sesshômaru-sama. Ich nehme an, Ihr musstet mich retten?“ Ihre Stimme klang matt und noch rau vom Husten. Er sah auf, erkannte, dass sie noch immer auf der Seite lag, sich aber auf die Unterarme gestützt ein wenig erhoben hatte und ihn zögerlich ansah. Jetzt versuchte sie sich zu erheben, fiel aber wieder zurück, als sie ein Bein anwinkeln wollte und zog scharf die Luft ein.

„Lass es. Es wird dauern, bis das verheilt ist“, sagte Sesshômaru emotionslos und wandte den Blick ab. Der Kristallaal hatte Natsus Beine ordentlich malträtiert, da würde selbst sie als starke Dämonin eine Weile flachliegen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Aber es würde heilen. Tatsächlich blieb sie nun ruhig liegen.
 

Da mischte sich plötzlich eine dämonische Aura in seine Wahrnehmung, die er nicht kannte. Augenblicklich witterte er, vernahm den Geruch einer Pantherdämonin. Er konnte sich denken, dass es Kuraiko war. Er sah in die Richtung, aus der die Witterung kam und erkannte die Silhouette, die sich am Ende der Höhle in einem Höhlengang abzeichnete.

Als sie näher kam, wurde aus dem Schatten eine Gestalt, die ihn durchaus an die Panthergeschwister erinnerte. Zwar waren ihre Haare nachtblau und in einem streng geflochtenen Zopf zusammengefasst, aber die deutlich schräg liegenden, tiefgrünen Raubtieraugen erinnerten deutlich an die von Tôran und Shunran. Sie trug einen zwar mehrlagigen, aber nicht sonderlich aufwendig gearbeiteten, hellen Kimono mit traditionellem Kirschblütenmuster und hielt einen einfachen Yari in der Hand, von dem keinerlei Magie ausging.

Ihr Blick ruhte auf den beiden Neuankömmlingen, streifte jedoch nur kurz über Sesshômaru hinweg, um dann auf Natsu zu treffen. „Ich wundere mich, dass du all die Strapazen auf dich nimmst, Natsu. Ich bin die letzten zweihundertvierzig Jahre ohne Dienerin ausgekommen, warum sollte ich jetzt jemanden benötigen?“

„Um es genau zu nehmen, sind es nur zweihundertachtunddreißig Jahre, Kuraiko-oba-sama“, erwiderte die junge Löwendämonin und hob den Blick. Obwohl sie mit ihren verletzten Beinen eindeutig nicht in der Lage war, sich mit jemand so starkem anzulegen, funkelten ihre Augen aufsässig, wie eh und je.

Und Sesshômaru, der momentan noch geflissentlich ignoriert wurde, hatte das dumpfe Gefühl, dass Natsus Unhöflichkeiten gegenüber ihm gerade einmal ein Bruchteil ihrer tatsächlichen Spitzzüngigkeit beinhaltet hatte.

Jeder, der Natsu näher kannte, würde das aus vollem Herzen bestätigen.
 

Doch noch ehe Kuraiko reagieren konnte, zuckte plötzlich aus heiterem Himmel ein Blitz durch die Höhle und die Luft wurde etwas verzerrt, als aus dem Nichts eine braune, dreiäugige Kuh vor der Pantherdämonin stand. Die trat mehr aus Skepsis, als aus Überraschung einen Schritt zurück und musterte die seltsame Gestalt, die im Schneidersitz auf dem Rücken des Tieres hockte, einen langstieligen Hammer über der Schulter haltend, das schüttere graue Haar zu einem schmalen Zöpfchen zusammengefasst und dennoch etwas angekokelt. Sie erkannte einen Dämonenschmied, wenn sie einen sah, aber dieser hier kam ihr doch etwas suspekt vor, zumal er sie nicht beachtete, sondern von seiner Kuh sprang und sich Natsu zuwandte.

„Gib mir dein Schwert“, forderte er brüsk und ohne ein Wort der Begrüßung.

Perplex sah die Löwendämonin zu ihm auf. „Und warum sollte ich das, Alterchen?“, fragte sie spitz.

„Gib es mir!“, wiederholte er nur und winkte diesmal auffordernd mit der Hand.

„Ich denke ja nicht daran. Ashai-Ha ist mein Schwert, seit ich denken kann. Wer bist du überhaupt, dass du so etwas forderst?“, konterte die Schwarzhaarige und runzelte etwas die Stirn.

Der Alte schnappte nach Luft. „Unerhört! Was geht es dich an, wer ich bin? Ich will bloß dein Schwert ha-"

„Tôtôsai!“ Sesshômaru war es zu dumm geworden und er hielt es für besser, sich einzumischen.

Kaum hatte er dessen Namen ausgesprochen, zuckte der alte Schmied zusammen und Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. „Sess…Sesshômaru-s-sama…“, stammelte er und blickte sich hektisch um.

„Du wirst hier keinen InuYasha finden, hinter dem du dich verstecken kannst“, hielt Sesshômarus kühle Stimme ihn von seinem Vorhaben ab.

Natsu stieß einen Laut aus, der entfernt an ein Husten erinnerte, hielt sich vermutlich gerade noch zurück, nicht loszulachen. Die Situation war auch einfach zu komisch.

Sesshômaru ignorierte sie.

„H-hai…Sesshômaru-sama“, stotterte der arme Schmied derweil und ließ den Blick nun einzig zwischen Natsu und dem weißhaarigen Inuyôkai hin und her wandern. „W-was tut Ihr h-hier, Sesshômaru-sama?“, fragte er dann vorsichtig.

Sesshômaru zog eine Augenbraue hoch, worauf der alte Dämon sicherheitshalber einen Schritt rückwärts machte, dann überrascht die Augen aufriss, als er doch Antwort bekam. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht, aber ich habe Natsu-hime begleitet. Mich würde allerdings interessieren, was du hier suchst.“ Es war das erste Mal, dass Sesshômaru Natsu mit dem ihr eigentlich zustehenden Titel als Hime ansprach und er tat es auch nur, um Tôtôsai zu ärgern, das konnte die junge Dämonin sich denken, aber irgendwo war das schon ein seltsam angenehmes Gefühl, so als würde er sie endlich ernst nehmen.

„I-i-ich? G-garnichts!“, beteuerte Tôtôsai derweil, aber es klang falsch.

Der Hundedämon warf ihm einen eisigen Blick zu, sodass der Alte sich seiner Gesundheit zuliebe besser doch erinnerte. „Ich… das Schwert hat mich gerufen… n-nein, eher die Schwertscheide.“ Dabei zeigte er mit einem zitternden Zeigefinger auf Natsu.

Die blickte überrascht an sich herunter und erkannte erst jetzt den tiefen Riss, der die Schwertscheide beinahe spaltete. Das musste das Werk dieses Kristallaals sein. „Ich verstehe…“, murmelte sie und zog die Scheide aus dem Tuch um ihre Hüfte, vorsichtig darauf bedacht, ihre Beine nicht zu viel zu bewegen. Das bereitete ihr immer noch höllische Schmerzen. Mit ihrer Äußerung lenkte sie alle Blicke auf sich. Sie hielt die gesplitterte Scheide etwas hoch. „Hier, Schmied… Tôtôsai war dein Name? Kannst du sie reparieren?“ fragte sie mit hoch gezogenen Augenbrauen.

Der Alte gab seine verschreckte Haltung sofort auf und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. Mit einer ruckartigen Bewegung riss er ihr die Scheide aus der Hand und betrachtete sie. „Natürlich“, antwortete er dabei. „Deswegen bin ich ja gekommen!“
 


 

„InuYasha!“ Shippôs weinerlicher Ruf war das Erste, das die erneute, diesmal fast andächtige, Stille nach dem Aufwachen des Hanyô brach. Der junge Kitsune klammerte sich an den Suikan des momentan Schwarzhaarigen und jammerte vor sich hin.

Nun getrauten sich auch die anderen heranzukommen.

Bloß Kirin und Yutaka hielten sich im Hintergrund.

Kagome hatte ihre Hand auf die InuYashas gelegt, blickte ihn einfach nur an, ehe sie zu sprechen begann. Sie brauchte seine Frage nach dem Geschehenen nicht abzuwarten, sie wusste, dass er das erfahren wollen würde. „Zuerst einmal, es ist Neumond. Deswegen macht dir das, was geschehen ist, wohl auch mehr zu schaffen. Jedenfalls… dich traf vor etwas mehr als einem Tag hochkonzentrierte, reine Energie, reiner noch als Mikokraft. Sie hat dich lahmgelegt, ähnlich Kikyôs Bann damals. Aber wir konnten den Urheber ausfindig machen und er heilte dich, sobald es ihm möglich war. Das heißt, sobald du zum Menschen wurdest.“

Sie war wenig verwundert, als der Halbdämon sich sofort erneut erheben wollte, es ihm aber erneut nicht gelang. „Lass es, InuYasha. Du wirst dich noch regenerieren müssen.“

Der Hanyô verzog das Gesicht, gehorchte aber. Er merkte ja, dass er nicht vom Boden hoch kam, sein Rücken war noch wie gelähmt und außerdem hatte er Schmerzen. Bloß, dass er das niemals zugegeben hätte.
 

„Miko?“, mischte sich da jemand ein. Es war Yutaka, der näher gekommen war.

Kagome sah auf.

„Auf ein Wort.“

Die junge Priesterin erhob sich und kam zu ihm. Aus irgendeinem Grund meinte Yutaka offenbar, dass das, was er zu sagen hatte, nicht an InuYashas Ohren gelangen sollte. Der Pferdedämon knete leicht seine Hände. „Kirin sagte mir gerade, dass etwas offenbar verhindert hat, dass dein Freund durchdreht. Aber… es ist noch immer nicht sicher, ob er die reine Energie so gut verarbeiten kann, dass er am Morgen wieder in seinen halbdämonischen Körper zurückwechselt. Es… es könnte sein, dass er tatsächlich für immer menschlich bleibt“, murmelte er vor sich hin.

Da Kirin das ja vorhin schon einmal angedeutet hatte, erschreckten diese Worte Kagome wenig, sie nickte bloß. „Ich… ich weiß, Yutaka-san. Es täte mir Leid für ihn, aber wenn es so ist, dann ist es eben so“, flüsterte sie leise und lächelte den Pferdedämon beruhigend an.

Der nickte ihr erleichtert zu und wandte sich wieder ab.

Kagome kehrte zu ihrer Gruppe zurück und da das Lagerfeuer noch fröhlich vor sich hin flackerte, legten sich bald alle etwas zur Ruhe. Die seelische Aufregung der letzten zwei Tage machte nun großer Erschöpfung Platz und bald waren alle eingeschlafen, selbst InuYasha.
 


 

„Sesshoumaru. Ein Hund in meinem Territorium. Das ich das noch erlebe…“, meldete sich Kuraiko da wieder zu Wort und kam wieder einen Schritt näher, den alten Schmied etwas skeptisch musternd, ehe sie sich an den weißhaarigen Inuyôkai wandte.

„Als ob Ihr das nicht schon gewittert hättet, als Ihr her kamt“, wisperte Natsu, doch diesmal wurde sie weitestgehend ignoriert.

Sesshômaru hatte sich erhoben. „Ich grüße Euch, Kuraiko. Allerdings sollte ich wohl darum bitten, dass Ihr mich mit mehr Respekt behandelt. Da Ihr abgedankt habt, ich aber amtierender Fürst bin, stehe ich wohl über Euch.“ Seine Stimme klang nach wie vor emotionslos.

Die grünen Katzenaugen vor ihm verengten sich zu Schlitzen. „Sieh an, Euren Vater hat also das Zeitliche gesegnet?“, fragte sie spöttisch zurück.

Sesshômaru sparte sich eine Antwort, knurrte nur kurz auf.

Kuraiko öffnete die Augen wieder. „Kühl wie eh und je. Ihr habt Euch seit Eurer Kindheit wenig verändert“, bemerkte sie, ehe sie sich umsah. „Also, was sucht Ihr hier?“

„Den Ursprung Eures Bannkreises. Die Dämonenfürsten interessieren sich dafür“, gab Sesshômaru schlicht zurück, ohne sich weiter zu rühren.

„Die Sekai no Tia. Ich verstehe. Deswegen ist Natsu hier. Also gut. Kommt mit.“ Die Stimme der Pantherdämonin ließ nicht verlauten, wie sie über die Sache dachte. Und ob sie überhaupt vorhatte, das Artefakt zu zeigen. Aber immerhin wiegelte sie nicht gleich ab.

„Kuraiko-oba-sama? Euer Wächter hat mich böse erwischt, ich kann noch nicht wieder laufen“, mischte sich Natsu ein und ihr Ton klang diesmal ernsthaft unsicher. So eine Schwäche gab man nicht gern zu, aber es entsprach der Wahrheit.

Ihre ‚Tante‘ ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Nun, Euer Begleiter wird Euch sicherlich tragen. – Nicht wahr, Sesshômaru-sama?“ Diesmal nutzte sie zwar die Ehrenanrede, ihr Zungenschlag blieb allerdings spöttisch.

Sesshômaru beantwortete das mit einem kaum merklichen Heben des Kopfes, trat allerdings an Natsu heran und nahm sie auf.
 

Die junge Löwendämonin sog erneut zischend die Luft ein, weniger weil Schmerz durch ihren Körper jagte, ging er doch nicht gerade zimperlich mit ihr um, sondern mehr weil seine plötzliche Bereitwilligkeit – und die Nähe – sie kurz aus dem Konzept brachten. Aber sie wusste, dass sie schon froh sein musste, dass er sie tatsächlich mit sich nahm. Das hätte er freiwillig sicher nie getan. Aber der Ehre zuliebe trug er sie vermutlich lieber, als unhöflich zu erscheinen. So verkniff sie sich einen weiteren Schmerzenslaut und hielt still. Ihre Hüfte und ein Teil der aufgeschlitzten Oberschenkel drückten schmerzhaft gegen seine Rüstung, da half es auch nichts, dass ihre Schulter in dem weichen Fell ruhte, das er trug, aber was sollte sie machen.

Tôtôsai blieb zurück, während die drei anderen Dämonen auf den Höhlengang zuschritten, aus dem Kuraiko gekommen war. Es wurde Zeit, dass Sesshômaru seinen Auftrag endlich erfüllte.
 

Sie wanderten ein gutes Stück durch den dunklen Gang, ehe der sich zu einer weiteren Höhle öffnete, deren Decke an mehreren Stellen durchbrochen war und Sonnenlicht hinein ließ. Trotz des harten Bodens wuchs hier ein wenig Gras und als Sesshômaru näher hinsah, erkannte er, dass der raue Fels hier natürlichem Marmor gewichen war. Das verlieh dem Kessel trotz der Abwesenheit jeglicher Einrichtung ein wenig edlen Anschein.

Kuraiko drehte sich um, eine Hand flach ausgestreckt deutete sie auf eine Stelle an der Felswand. Sofort wich dort der Steinboden auseinander und Erde tauchte auf, auf der sich direkt ein Moospolster ausbreitete.

Sesshômaru verstand die stumme Aufforderung und setzte Natsu dort ab, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Sein Gesicht war eine reine Maske, in der nicht einmal Kuraiko mehr Anlass zum Sticheln fand. Nichts wies darauf hin, ob der Missbrauch seiner selbst als Transportmittel ihn störte oder irgendeine andere Regung in ihm wach rief. Zum Glück… , stellte Sesshômaru für sich fest, denn er wollte wirklich nicht wissen, welche Sprüche Kuraiko wieder eingefallen wären, hätte sie gewusst, wohin seine Gedanken wanderten, wenn er nicht aufpasste. Natsus Witterung so nah, das war eine Tortur für ihn gewesen.

Aber jetzt konzentrierte er sich auf die Pantherdämonin, die sich auf einen aus dem Nichts erschienen Baumstumpf gesetzt hatte und nach einer filigranen, silbernen Kette griff, die um ihren Hals hing. Die etwas dickere, grüne Kordel, die sie ebenso trug, rührte sie nicht an. Sesshômaru erinnerte sich, dass Natsu davon gesprochen habe, Kuraiko besitze je einen Reißzahn ihrer vier Kinder und vermutete zu Recht, dass die dort aufgefädelt waren. Was ihn aber eigentlich interessierte, war der Anhänger an der silbernen Kette, den Kuraiko nun hervorzog. Er war eisblau und tatsächlich wie eine Träne geformt. In dem halb durchsichtigen, kristallartigen Material brach sich das Sonnenlicht und ließ den Anhänger erstrahlen. Eine konstant hohe, magische Macht ging von dem Stein aus.

„Das ist sie, die Sekai no Tia. Zufrieden, Sesshômaru?“

Er ignorierte geflissentlich, dass sie das –sama schon wieder vergaß und sah sie ausdruckslos an. „Die Dämonenfürsten sind sich einig, dass man ein Rifugium schaffen sollte, in das die Fürstentümer verlegt werden. Die Menschen werden zu häufig, als das es nicht nerven würde. Die Tia erscheint da als passendes Mittel, das zukünftige Rifugium abzuschirmen.“ Natürlich verschwieg er, dass die anderen Fürsten vom Voranschreiten der Angelegenheit bisher noch keine Ahnung hatten. Immerhin war er der Beauftragte, wenn man nach Fürst Gin ging. Aber das war etwas gänzlich anderes.

Kuraiko zog eine Augenbraue hoch. „Mir scheint, es hat sich viel verändert. Nun, wenn ich theoretisch bereit wäre – und das heißt noch lange nicht, dass ich es bin – also, wenn ich bereit wäre euch die Träne der Welt zu überlassen, so müsste es jemanden geben, der die Tia hüten und über sie befehlen kann. Sonst ist sie für Euch nutzlos.“

„Wo ist das Problem?“, fragte Sesshômaru lauernd nach.

„Kein Dämon kann das, kein Wesen mit Yôki. Ich bin eine Ausnahme, weil es mein ureigenes Artefakt ist und es mich anerkannt hat. Aber jeder andere Dämon würde nicht über es befehlen können. Es wäre ein schöner, aber leider völlig wertloser Stein.“

Innerlich verzog der Hundedämon das Gesicht. Das war in der Tat ärgerlich. Aber wenn kein Dämon… „Wer kann es hüten?“

„Das Gegenteil vom dunklen Yôki. Helle Kraft.“

Diesmal war sein Stirnrunzeln nicht zu übersehen. „Genki?“ Die Kraft der Götter? Na das könnte heiter werden.

Kuraiko schüttelte allerdings den Kopf. „Nein. Schon Mikokraft würde vermutlich ausreichen.“

Auch nicht viel besser. „Welche Miko würde sich dem Wohle der Dämonen zur Verfügung stellen? Und was wäre, ginge ihre Lebenszeit zu Ende?“

„Wenn die Tia ihren Träger anerkannt, wird sie vermutlich dafür sorgen, dass er nicht wegstirbt“, erwiderte Kuraiko, ohne auf die erste Frage einzugehen.

„Vermutlich“, wiederholte der Hundedämon eisig. „Ihr habt selbst keine Ahnung“

„Woher sollte ich. Aber ich kenne die Tia besser als jeder andere. Das ist das einzige, was ich mir vorstellen kann“

Sesshômaru verkniff sich ein resignierendes Schnaufen und konzentrierte sich auf das Wesentliche. „Welche Miko?“ Diesmal war seine Stimme beinahe wieder ein Knurren.

Kuraiko zuckte die Schultern, undamenhaft, unhöflich, aber passend der Situation.
 

Da meldete sich eine andere Stimme zu Wort. „Ich weiß nicht, was Euer Problem ist, Sesshômaru-sama. Was ist mit der Miko eures Bruders?“ Es war Tôtôsai, der nach getaner Arbeit hinter den dreien hermarschiert war und soeben den Höhlenkessel betrat.

Er purzelte blitzschnell wieder von seinem buchstäblich hohen Ross, als Sesshômaru ihn anfunkelte. „Niemals!“

Böses Erwachen

Kurz nach Sonnenaufgang erwachte Kagome blinzelnd und setzte sich auf. Ihr Gewand war feucht vom morgendlichen Tau, aber das war sie inzwischen gewohnt.

Ihr erster Blick galt der Stelle, an der InuYasha gelegen hatte und ein eisiger Schock durchzuckte sie, als sie dort niemanden sah.

„Er sitzt da hinten“, erklang da plötzlich eine Stimme hinter ihr und sie wandte den Kopf. „Shiori! Du bist schon auf?“ Die Halbdämonin lachte leise. „Ich bin ebenso eine Hanyô, wie InuYasha. Ich brauche nicht so viel Schlaf, wie ein Mensch“, erklärte sie leichthin und nickte dann zu einer anderen Felsgruppe hinüber. „Da ist er“, wiederholte sie.

Diesmal folgte Kagome ihrem Blick und erkannte den Halbdämon dort sitzen – Moment… Halbdämon? InuYasha sah noch immer aus, wie in seiner Menschengestalt. Keine Hundeohren, kein weißes Haar, keine Klauen. „Also wirklich…“, seufzte die junge Miko und erhob sich langsam, klopfte sich ein bisschen Gras von ihrer Kleidung. „Das wird ihm nicht gefallen…“

Diesmal antwortete Shiori nicht, Kagome hatte das allerdings auch nicht erwartet.
 

Stattdessen machte die junge Miko sich sofort auf den Weg zu InuYasha, setzte sich neben ihn wieder hin, ohne etwas zu sagen. Als sie aber nach seiner Hand greifen wollte, entzog er sie ihr, ohne den Blick vom rötlich schimmernden Horizont zu nehmen.

„InuYasha…“, wisperte sie traurig und beugte sich vor, in der Hoffnung, seinen Blick zu erhaschen.

Doch er wandte bloß den Kopf ab.

Mit einem resignierenden Kopfschütteln atmete Kagome langsam durch. „Ach, InuYasha… du… du darfst dir das nicht so zu Herzen nehmen… es ist eben nicht zu ändern…“

Ein Grollen seinerseits ließ sie zusammenfahren und merken, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte.

Noch immer sah er sie nicht an, aber seine Lautäußerung hatte Bände gesprochen.

Vorsichtig legte sie ihm eine Hand auf die Schulter, doch er schüttelte sie wieder ab. „InuYasha, ich-“, setzte sie erneut an, doch sie wurde unterbrochen.

„Was, InuYasha? Kagome, ich dachte gerade du verstehst, wie grausam diese Wendung ist. Für immer ein Mensch…“ Er hob bedeutungsvoll eine Hand, an der die Fingernägel rund und stumpf waren. Nichts im Vergleich zu den sonst messerscharfen Klauen.

Kagome zuckte zusammen. „Du… du hast gehört, was Yutaka gesagt hat?“, fragte sie vorsichtig. Waren sie doch nicht weit genug weggewesen? Mist.

„Ja, habe ich. Tessaiga hat mich davor bewahrt, durchzudrehen und jetzt bin ich für immer ein Mensch. Das war dann wohl Tessaigas letzter Dienst…“, brummte er vor sich hin.

„Aber, InuYasha… er hat gesagt, es besteht die Möglichkeit, dass du ein Mensch bleibst… nicht, dass es tatsächlich so ist“, versuchte Kagome zu retten, was zu retten war.

„Keh! Sieh mich doch an! Bin ich ein Mensch, oder nicht?“ Er zupfte an einer Strähne seines jetzt schwarzen Haares.

Die Miko seufzte. „Mag sein, aber… ach was, InuYasha, selbst wenn es so wäre…“ Sie verstummte, als er erneut missmutig brummte. „InuYasha, sieh mich an“, bat sie dann leise, behielt allerdings ihre Hände diesmal bei sich, weil sie gemerkt hatte, wie allergisch der Hanyô im Moment auf Berührungen reagierte.

Zögernd wandte InuYasha den Kopf, seine braunen Menschenaugen waren ohne jeden Ausdruck. Selbst der ihm so eigene Trotz, der sonst immer in seinem Blick lag, war nicht auszumachen.

„InuYasha, glaub mir, selbst wenn du für immer ein Mensch bleiben solltest, glaubst du denn, wir würden uns von dir abwenden?“, fragte Kagome, bemüht, ihr Erschrecken über den leeren Blick nicht zu zeigen.

„Bist du dir da so sicher, Kagome? Ich… so kann ich euch nicht beschützen. Als Mensch bin ich vollkommen nutzlos“, flüsterte er heiser. Seine Haltung war nun nur noch kraftlos.

Kagome zog es das Herz zusammen. „Wer sagt denn das? Wenn du uns unbedingt beschützen willst, dann lernst du eben mit menschlichen Waffen umzugehen. Ach, InuYasha, und selbst wenn nicht… meinst du denn, dein einziger Wert ist deine Aufgabe als Beschützer?“ Ungläubigkeit lag in ihrer Stimme und sie musste sie sehr zusammennehmen, den menschgewordenen Hanyô nicht in die Arme zu schließen. Das hätte im Moment alles nur noch schlimmer gemacht.

InuYasha hatte den Kopf nun gesenkt, anscheinend die Augen geschlossen. „Kagome, ich fürchte, du verstehst nicht. Der Kampf, euch zu beschützen, meine Freunde, die meine Familie geworden sind, besonders dich… das ist mein Leben. Ohne all das wäre ich nicht mehr derselbe.“

Kagome senkte nun auch die Lider, versuchte krampfhaft die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. So viel Niedergeschlagenheit, ja Hoffnungslosigkeit bei InuYasha zu erleben, machte sie fertig. „Es ist mir vollkommen egal, ob du derselbe bist, oder nicht, InuYasha. Und Sango, Miroku, Shippô, Kirara und den anderen ist das auch egal. Uns ist egal, ob du uns beschützen kannst. Uns ist egal, ob du der Stärkste von uns bist! Wir sind deine Freunde, deine Familie, wie du sagst! Wir haben dich akzeptiert, als niemand anderes es wollte. Warum sollte sich daran jemals etwas ändern? Und ich… ich liebe dich, InuYasha. Ich würde dich erst Recht nicht im Stich lassen!“ Ihre Stimme war nur leise, aber dennoch redete sie sich richtig in Rage, merkte gar nicht recht, wie sie sich wieder aufrichtete und den menschgewordenen Hanyô starr ansah. „Gib dich nicht auf, InuYasha! Das hast du nie! Wieso solltest du es jetzt tun? Denke an uns! Wir sind für dich da! So wie du immer für uns dagewesen bist!“ Erst jetzt, als sie das Salz auf den Lippen schmeckte, merkte sie, dass ihr nun doch die Tränen gekommen waren, wie Perlen über ihre Wangen kullerten, noch während sie redete.

InuYasha hob langsam den Kopf, ohne sie anzusehen. Und dann, mit einer einzigen Bewegung, vermutlich, bevor er selbst es richtig mitbekam, zog er sie in seine Arme, presste sie eng an sich. „Du hast Recht, Kagome. Ich werde nicht aufgeben. Und sei es nur, damit du nicht mehr meinetwegen weinst...“, wisperte er entschlossen und drückte ihr einen leichten Kuss auf die Stirn, ehe er sie umso fester an sich zog.

Kagomes Stirn ruhte an seiner Schulter und ein feines Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, während die Tränen der Verzweiflung nahtlos in Freudentränen übergingen.
 


 

Den Rücken an den Baumstamm gelehnt, saß Sesshômaru auf einem niedrigen Ast und blickte starr vor sich in die Umgebung.

Direkt unter ihm, zwischen den Wurzeln saß Natsu und machte ein etwas betretenes Gesicht. Sie wusste, dass er nur ihretwegen Rast machte, nur weil er gemerkt hatte, wie beschwerlich sie noch vorwärts kam und wie sehr die halbverheilten Wunden an ihren Beinen an ihrer Ausdauer zehrten. Die Nacht über hatte sie sogar ein paar Stunden geschlafen, während Sesshômaru dumpf vor sich hingebrütet hatte.

Sie konnte nur ahnen, dass er sich offenbar doch entschlossen hatte, seinen Bruder aufzusuchen, zu dessen Gefolge anscheinend eine Miko gehörte. Da das einzige Adjektiv, dass er bisher zur Beschreibung seines Halbbruders benutzt hatte aber ‚unnütz‘ gewesen war, konnte sie sich denken, dass da nicht gerade geschwisterliche Verhältnisse herrschten. Schade eigentlich. Wenn sie da an Amaya dachte, die, obwohl jünger, für sie immer ein Anlaufpunkt war, wenn es Probleme oder einfach das Bedürfnis zu reden gab…

Sie schüttelte etwas den Kopf. Ob sie fragen sollte, wie es um das Verhältnis zwischen Sesshômaru und seinem Halbbruder tatsächlich bestellt war?

Sie kam nicht dazu, ihre Überlegungen zu Ende zu führen, denn Sesshômarus Stimme kam ihr zuvor: „Bist du bereit, weiterzugehen?“

„Hai“, antwortete Natsu und erhob sich vorsichtig. Noch immer war es schwer, sicher zu stehen, geschweige denn einen einigermaßen schmerzfreien Laufrythmus zu finden, aber sie wollte ihn nicht länger aufhalten. Es war schon nett genug von ihm, dass er alle paar Stunden Pausen einlegte.

Und, nebenbei bemerkt, von Kuraiko, dass sie nicht gesagt hatte, als diese komische Teleportationskuh des alten Schmieds Natsu und Sesshômaru, außerhalb des Bannkreises wieder abgesetzt hatte. Das war nicht Sinn der Sache, aber für Natsu eine große Erleichterung gewesen.

„Ich kann schließlich froh sein, dass ich meine Beine überhaupt noch besitze“, murmelte sie nur aus dem Affekt heraus und bemerkte erst dann den Blick, den Sesshômaru ihr zuwarf.

Er war eben von seinem Ast gesprungen und stand nun neben ihr. „Das kannst du allerdings. Mit nur einem Arm lässt es sich leben, ohne Beine wird es schwierig.“

Überrascht sah sie auf. Das hörte sich ja beinahe an, als spreche er aus eigener Erfahrung! Aber… nein, unmöglich. Er hatte eindeutig noch beide Arme, also wie sollte da Erkenntnis vorliegen...

„Ja“, ließ sich Sesshômaru da nur vernehmen.

Jetzt endgültig perplex weiteten sich Natsus Augen. „Bitte?“

„Ja, ich habe eine Zeit lang mit nur einem Arm gelebt. – Deine Frage ist aus hundert Metern Entfernung zu erraten.“

Das nennt man dann wohl zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen…, kommentierte Natsu in Gedanken. Jetzt hatte er es nicht nur geschafft, dass sie vollkommen durcheinander war, jetzt hatte er die Antwort auf ihre nächste Frage schon vorweggenommen. „Wie…“, setzte sie automatisch an.

„InuYasha“, gab der Inuyôkai zurück, ohne mit der Wimper zu zucken und setzte sich in Bewegung.

Etwas ungelenk, aber prompt folgte Natsu ihm. Darauf hatte sie eigentlich nicht hinaus gewollt. Vielmehr hatte sie wissen wollen, wieso er dann jetzt wieder beide Arme besaß, immerhin wuchsen selbst bei Dämonen abgetrennte Gliedmaßen nicht so einfach wieder nach – oder war das bei wahren Daiyôkai anders? Egal. Fest stand, dass sie nun wohl wusste, warum Sesshômaru seinen Halbbruder nicht leiden konnte.

Aber irgendwo hatte sie das Gefühl, dass das nicht alles war. Und abgesehen davon… wie stark musste dieser InuYasha sein, wenn es ihm gelang, einem Daiyôkai einen Arm abzuschlagen? War auch seine Mutter eine Daiyôkai gewesen?
 


 

Noch immer war Amaya zum Heulen zu Mute, aber seit Tagen schon hatte sie einfach keine Tränen mehr. Es musste viel geschehen, dass Yôkai überhaupt weinten, aber Amaya war auch am Boden zerstört. Trauer mischte sich mit beängstigender Unsicherheit und Furcht vor dem, was kommen mochte.

Mit leerem Blick sah sie auf das weite, blutrote Gewand, dass vor ihr auf der Truhe in ihrem Gemach lag. Oben herum war es wie ein normaler Kimono geschnitten, doch unten fiel es deutlich weiter, sodass sich später, beim Tragen, eine Art Schleppe ergeben würde. Die Schultern waren mit weißen und goldenen Perlen verziert, die uralte Muster ergaben. Das Zeremonienkleid der obersten Schamaninnen. Obwohl schon Generationen dieses Ranges es bei ihrer Vereidigung getragen hatte, glänzte der Stoff wie frisch verarbeitet, nichts deutete auf die jahrzehntausendealte Geschichte hin.

Daneben, auf ihrer Tatamimatte, hatte eine Dienerin die Insignien ausgebreitet. Die schwere, goldene Kette mit dem schwarzen, kreisrunden Stein in der Mitte, den goldenen Zeremoniendolch, die noch reinweiße Rhododendronblüte, die später, als Zeichen für ihre Würde mit ihrem Blut getränkt und rot gefärbt würde.
 

Sie seufzte schwer, ehe sie sich in den Nacken griff und den strengen Zopf löste. Am Abend war es soweit. Bis dahin musste sie fertig sein, sonst musste das Nekovolk einen Mond lag ohne oberste Schamanin dastehen, fand diese Zeremonie doch traditionell nur in der Nacht nach Neumond statt. Mit einer leichten Bewegung ließ sie den einfachen Yukata über die Schultern gleiten, den sie nach dem Bad nur getragen hatte und maß mit dem Blick noch einmal das Zeremoniengewand. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
 


 

„Hai, Karan-donno“, sagte der Bote mit einer tiefen Verbeugung und wagte es, die junge PantherYôkai von unten her zu mustern. Sie hätte ihm nicht sagen müssen, dass der Auftrag, den sie ihm gegeben hatte, ohne Absprache mit ihren Geschwistern stattfand, aber gerade deswegen wurde er aus ihr nicht schlau.

Die anderen drei Fürsten konnte man einigermaßen einschätzen, gerade Shuran und Tôran kannte man irgendwann und Shunran war deutlich höflicher und unvoreingenommener, als ihre Geschwister, aber die Rothaarige, die hier vor ihm stand machte es einem schwerer. Zumindestens offiziell.

Er wusste, das im gesamten Hofstaat gerätselt wurde, was in der feuerbeherrschenden Pantherdämonin vorgehen mochte, das sie einmal so freundlich und einmal hitzig, vorlaut und unhöflich war. Jetzt gerade hatte er mal wieder ihre freundliche Seite zu spüren bekommen. Ohne Karans Auftrag für ihn, hätte die entfernte Cousine der fürstlichen Geschwister sicherlich erst bei ihrer Rückkehr von der Zeremonie ihrer Schwester erfahren. Er würde sich sputen müssen, herauszufinden, wo sich Natsu- hime und ihr momentaner Begleiter, der Herr des Westens, aktuell befanden.

Aber darin war er gut.

Nicht umsonst leitete er seit fast dreihundert Jahren den Botenstab.

„Wenn ich mich entfernen dürfte…“, deutete er an und meinte für einen Moment ein Schmunzeln um die Mundwinkel der Fürstin spielen zu sehen, ehe sie nickte. Sofort ließ er sein Yôki frei und verwandelte sich in seine wahre Form. Da er kein Daiyôkai war, konnte man ihn beinahe für einen tierischen Vertreter seines Volkes halten, wäre er nicht etwas größer gewesen und hätten seine Augen nicht eisblau geleuchtet. Ungewöhnlich für einen schwarzen Panther.

Mit einem raschen Sprung überwand er die Schlossmauer, nickte kurz den Wachen zu und sprintete über die Ebene davon. Erst später würde er nach Spuren suchen, zu nahe am Schloss wäre das unsinnig. In zu vielen Richtungen trieb Natsu-himes Geruch hier herum, entwischten sie und ihr persöhnlicher Diener und heimlicher Kampflehrer doch oft genug aus dem Schloss, ohne dass Natsus Vater etwas davon ahnte. Momiji-sama würde toben, wüsste er es, da war der Bote sich sicher und in einem Anflug eines Lächelns entblößte er für einen Moment seine dolchartigen Reißzähne.

Dann blieb er stehen und sah sich um. Ja, ab hier würde es sich lohnen, Spuren zu suchen. Ab hier konnte er Natsu-hime finden.
 


 

Die Gruppe rund um InuYasha hatte sich inzwischen wieder zusammengefunden, selbst Tián war wieder aufgetaucht und auch der menschgewordenen Hanyô hatte sich wieder gefangen. Noch immer sah er verständlicherweise nicht gerade glücklich aus, aber er ließ sich auch nicht mehr so hängen, wie zuvor.

Man merkte dennoch, dass er in Gedanken war, allein schon daran, dass Shippô ihn in das nun menschliche Ohr zwicken konnte, ohne eine Kopfnuss zu kassieren. InuYasha brummte nur mürrisch und reagierte ansonsten nicht. Daraufhin ließ der junge Kitsune sofort von ihm ab. Ersten machte es so keinen Spaß und zweitens merkte er, wie schlecht drauf InuYasha war. Shippô mochte seinem Volk entsprechend stets etwas neckisch drauf sein, er kannte InuYasha und außerdem besaß auch er so etwas wie Einfühlsamkeit. Also setzte er sich wieder ruhig neben Kyoko.

Die junge Füchsin beteiligte sich nach wie vor wenig an den ab und an aufkommenden Gesprächen. Es imponierte ihr, wie diese Gruppe ineinandergriff und trotz aller Zwistigkeiten zusammenhielt, sie bewunderte Kirin und dessen Macht als berühmtes, urmagisches Wesen und hatte ebenso wie die anderen über Myougas Ohnmachtsanfall gelacht, den der alte Flohgeist inzwischen glücklich überstanden hatte, aber dennoch, war das alles noch viel zu ungewohnt.

Die Gratwanderung zwischen dem höfischen Leben daheim, als jüngste der Familie aber hochrangige Prinzessin, und dem vollkommen verantwortungslosen Leben in der Fuchsschule, hatte aus ihr eine Einzelgängerin geschmiedet, die sich Shippô gegenüber zwar geöffnet hatte, aber dennoch nur schwer mit einem so komplexen Zusammenhalt klar kam.

Plötzlich lenkte etwas ihre Aufmerksamkeit auf Tián, der rechts von ihr im Gras saß und ebenso stumm verfolgte, was geschah, wie sie. Aber gerade eben… war er da nicht zusammengezuckt und hatte sich absichernd umgesehen? Hatte er nicht lautlos etwas vor sich hin gemurmelt? Oder hatte sie sich nur getäuscht? Kyoko schüttelte den Kopf. Sicherlich letzteres. Was sollte Tián auch aufgefallen sein, was keinen anderen interessierte oder aufschreckte? Schließlich ahnte er weniger von den Problemen der Gruppe, wie selbst sie, immerhin verstand er nur Bruchstücke der Sprache. Dennoch… es hatte doch so ausgesehen, als ob…

Die junge Kitsune merkte, dass ihre Überlegungen zu nichts führten und schob sie beiseite.

So bekam sie gerade noch mit, dass Shiori sie ansprach und nach ihrem für eine Kitsune so ungewöhnlichen, silbernen Haar fragte. Kyoko lächelte leicht, ehe sie antwortete. Endlich ein Thema, wo sie mitreden konnte.
 


 

Natsu musste sich einen leisen Schmerzlaut verkneifen, als sie ziemlich plötzlich ausgebremst wurde, weil Sesshômaru vor ihr stehen blieb.

Sie erkannte, dass er witterte, dann sogar ein wenig die Stirn runzelte.

Wenn das geschah, musste er einen sehr ungewöhnlichen Geruch aufgeschnappt haben – und warum blickte er jetzt bitte zum abendlichen Himmel, an dem bereits blass eine hauchdünne Mondsichel zu sehen war?

Kopfschüttelnd unterdrückte Natsu eine Frage und wartete einfach ab, abwechselnd ihre Beine etwas entlastend.

Viel zu schnell setzte Sesshômaru seinen Weg wieder fort, nun jedoch insgesamt langsamer, als wolle er nachdenken ohne seinen Weg zu unterbrechen. Was auch immer er gewittert hatte, es musste ihn entweder stören oder interessieren. Vielleicht auch beides.

Ob es mit seinem Halbbruder zu tun hatte?

Wenn ja, dann wollte Natsu den immer dringender kennen lernen.
 


 

Weiter im Osten, in einem der äußeren Flügel des Neko- Schlosses, war Amaya inzwischen mit dem Umkleiden fertig. Etwas skeptisch betrachtete sie sich in dem bodenlangen Spiegel aus polierter Bronze, der an der Seitenwand ihres Gemachs aufgestellt worden war. In dem ausstaffierten Gewand wirkte sie schmaler, jünger und unreifer denn je. Kein Wunder, in ihrem Alter ließ sie sich mit einem siebzehnjährigen Menschenmädchen vergleichen, da konnte man noch nicht von einer ausgewachsenen Statur sprechen.

Vorsichtig steckte sie sich die weiße Blüte an der Schläfe ins Haar und trat dann vom Spiegel weg um den Deckel der Truhe zu öffnen, auf der das Gewand bis dato gelegen hatte. Behutsam zog sie das Untensil heraus, was gleich nebst jeglicher Zeremonie am Wichtigsten sein würde: Tamokos Artefakt, das Regenbogentuch. Sie hatte es ordentlich gefaltet aufbewahrt, solange sie noch nicht berechtigt war, es zu tragen, damit es keinerlei Schaden nahm.

Heute würde sie es wohl tragen müssen, so verlangte es ihres Wissens das Protokoll.

Einen Moment wog sie es in den Händen, dann hob sie den Kopf, weil sie vor ihrer Tür Schritte hörte. „Herein“, bat sie, noch bevor jemand klopfen konnte.

Die Schiebetür glitt zur Seite und zwei Gestalten wurden sichtbar, die Amaya nur zu bekannt vorkamen. Da standen Tamokos ehemalige Beraterinnen, verneigten sich nun leicht.

Amaya verzog das Gesicht. „Bitte, lasst das. Noch bin ich nicht eure Vorgesetzte und davon mal ganz angesehen seit ihr älter, erfahrener und fähiger, als ich.“

„Älter und Erfahrener vielleicht. Aber wir reichen nicht annähernd an Eure Macht heran“, erwiderte eine der beiden, eine Torayôkai, die nicht viel jünger war, als es Tamoko gewesen war.

„Mir fehlen sechzig Jahre Ausbildung, Tadako-san. Wie soll ich die wieder herausholen?“, fragte Amaya leise zurück und griff nach der schweren Kette.

Sofort nahm die zweite nebenstehende Dämonin sie ihr ab und half ihr beim Umlegen.

„Arigatô, Nori-san“, bedankte Amaya sich bei der Luchsdämonin und rückte den Anhänger zurecht, ehe sie nach dem kleinen Dolch fasste. Sie atmete noch einmal tief durch und hob dann den Kopf.

Die beiden älteren Dämonen deuteten diese Geste richtig. „Ihr seid bereit?“

„So bereit, wie ich es je sein werde. Ich danke euch für den Beistand, ihr beiden“ Damit ging sie den beiden voraus aus ihrem Gemach und über den langen Flur.

„Wir kannten Tamoko neben Euch am besten. Sie hätte gewollt, dass Euch jede Hilfe zu Teil wird, die man Euch bieten kann. Ihr seid die jüngste Schamanin, die die Neko jemals hatten und Ihr habt einen weiten Weg vor Euch. Wir geloben hiermit, Euch zur Seite zu stehen!“

Amaya musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass die beiden jeweils zwei Finger auf ihre eigenen Schamanenamulette gelegt hatten, als Zeichen des gültigen Schwurs. Sie vertraute den beiden. Und dieses Vertrauen würde sie bitter nötig haben.

Denn etwas in ihr spürte, dass stürmische Zeiten auf den Neko- Clan zukamen.

Treffen

Es war wieder dunkel geworden, auf den Ebenen, auf denen InuYasha und seine Gruppe lagerten, nur das Lagerfeuer warf dämmriges Licht in seine allernächste Umgebung und zauberte zuckende Schatten auf das schwarze Haar des menschgewordenen Halbdämons.

Da plötzlich sprang Kirara, obwohl in kleiner Form, mit gesträubtem Fell auf, witterte deutlich und legte das Fell wieder an, ohne ihre angespannte Haltung aufzugeben.

Es versetzte InuYasha einen Stich, als nun auch Shippô aufsprang, offenbar ebenfalls mitbekommen hatte, was sich näherte. Selbst Kyoko verengte die Augen, erhob sich langsamer und blickte in dieselbe Richtung.

Fast automatisch wanderte InuYashas Hand an Tessaigas Griff, doch er hielt kurz vorher inne und ließ die Hand sinken. Brachte ja doch nichts. Er war ein Mensch und Tessaiga würde ein rostiges Schwert bleiben, ohne jegliche Möglichkeit, effektiv zu kämpfen.

„Shippô, was ist denn los?“, fragte Kagome gerade und blickte den jungen Fuchs an. Dessen Stimme schwankte etwas, als wisse er nicht, was er davon halten sollte, was er witterte. War das gut oder schlecht? Diese Frage schien auch er sich zu stellen.

„Wir kriegen Besuch… von…“ weiter kam er nicht, denn eine Gestalt lenkte die Aufmerksamkeit aller auf sich, die nun zu ihnen getreten war.

Es dauerte einen Moment, bis InuYasha sie trotz menschlicher Augen erkannte, nun ebenfalls auf die Beine kam. „Sesshômaru! Was zur Hölle, willst du hier?“, knirschte er und spannte sich an.

Der Hundedämon blieb stehen und ließ den Blick seiner leuchtend goldenen Augen schweifen. „Deine Miko“, gab er dann eisig von sich, als er Kagome ausgemacht hatte.

„Spinnst du?“, fauchte der menschgewordene Halbdämon und trat einen Schritt vor.

„Du hast gefragt, was ich will. Deine Miko“, konterte Sesshômaru kühl und funkelte nun seinen Halbbruder an.

Der kniff die Augen zusammen. „Kagome gehört zu mir!“

„Wenn du sie mir nicht aushändigst, werde ich sie mir eben nehmen“, gab der Hundedämon bloß zurück und wollte sich schon in Bewegung setzen, da brannten bei InuYasha sämtliche Sicherungen durch. Was bildete sich dieser Blödkopf von Dämon eigentlich ein? Kurzerhand sprang er vor, zog im Laufen Tessaiga, ungeachtet dessen Verbleibens auf rostigem Niveau.
 

Sesshômaru rührte keinen Muskel, als InuYasha plötzlich auf ihn zustürmte. Er hatte schon bei seiner Ankunft hier gemerkt, dass er sich doch nicht getäuscht hatte. Obwohl die Neumondnacht längst vorüber war, war der Kerl in Menschengestalt. Und so konnte der weder Tessaigas Macht nutzen, noch hatte er seine körperliche Schnelligkeit und Kraft zur Verfügung, mit der man sonst rechnen musste.

Stoisch gelassen hob Sesshômaru den rechten Arm, fing den lächerlich schwachen Schlag mit der bloßen Hand ab und wand seinem Halbbruder Tessaiga aus der Hand, um es sofort fallen zu lassen, als dessen Schutzbann sich aktivierte. Die rostige Klinge blieb im Gras liegen.

InuYasha war daneben zu Boden gegangen, aus dem Gleichgewicht gerissen vom Block des Schlages und offenbar etwas benommen. Jetzt rappelte er sich wieder auf, sichtbar fest entschlossen, sich erneut auf Sesshômaru zu stürzen, da trat der einen kleinen Schritt zurück. „Du solltest wissen, dass du als Mensch noch weniger Chancen gegen mich hast, als ohnehin schon!“, kommentierte er kühl und wandte sich ab. Er wusste, er musste Kagome nicht einmal holen kommen, sie war bereits herangestürzt, als InuYasha zu Boden gegangen war. „Komm mit!“, befahl er erneut.

Die junge Miko sah ihn fast erschrocken an.

Sesshômaru war beinahe amüsiert. Hatte sie etwa bisher geglaubt, er meinte sein Anliegen nicht ernst?

„Was willst du von ihr?“, meldete sich da plötzlich InuYasha wieder zu Wort, der inzwischen wieder kniete.

„Ich brauche sie“, konstatierte Sesshômaru nur und streckte die Hand aus, um nach dem Arm der Miko zu greifen und sie mit sich zu ziehen.

„Wozu solltest du sie brauchen? Verdammt, Sesshômaru, sie gehört zu mir! Was willst du von ihr?“, setzte InuYasha nach und in seiner Stimme klang selten gehörte Verzweiflung. Das alles war selbst für den starrköpfigen Hanyô zu viel. Erst das Menschbleiben und jetzt noch das Gehabe seines Halbbruders.

Sesshômaru war von InuYashas Verhalten gelinde gesagt überrascht, so überrascht, dass er tatsächlich inne hielt und den Arm sinken ließ. Damit, dass InuYasha auf ihn losgehen würde, hatte er ja bereits gerechnet, aber alles Weitere war wirklich etwas seltsam.

Da hörte er, dass Natsu inzwischen zu ihm aufgeschlossen hatte. „Direkter ging es auch nicht mehr, Sesshômaru-sama. – Huch, ein Mensch?“ Allein schon dem Ton ihrer Stimme war ihre Überraschung anzumerken, aber er hatte nun wirklich keinen Nerv, ihr lang und breit zu erklären, wie es zu der gegenwärtigen Situation kam.

„Still“, befahl er daher nur und ignorierte sie ansonsten.

Dafür hatte nun aber Kagome mitbekommen, dass die neu Hinzugekommene zu ihm gehörte. „Oh… Ihr habt Begleitung?“, fragte sie sofort und ließ sich im Gegensatz zu wohl jeglichem anderen Wesen auf diesem Kontinent nicht von seinem eiskalt funkelnden Blick einschüchtern. Stattdessen versuchte sie in der Dunkelheit zu erkennen, wer da stand, aber vermutlich sahen ihre Menschenaugen Natsu kaum, war die doch schwarz gekleidet und hatte schwarze Haare. Innerlich verzog Sesshômaru das Gesicht. Bis sich diese Szenerie wieder auflösen würde, konnte es dauern, dabei hatte er eigentlich alles so schnell wie möglich abwickeln wollen. Seine Nerven! Aber es ging wohl nicht anders.

„Natsu. Komm heran.“
 


 

Tadako und Nori wechselten einen betretenen Blick. Amayas Unsicherheit tat ihnen leid, aber es stand nicht in ihrer Macht, etwas daran zu verändern.

Sie standen nun rechts und links neben der knienden Amaya im Zeremoniensaal und sahen so genau, dass deren Schultern etwas zitterten, als sie nach dem Zeremoniendolch griff und sich die linke Handfläche aufschlitzt um das Blut auf die Blüte tropfen zu lassen. Stück für Stück sog sich die weiße Blume mit dem roten Saft voll, bis sie schließlich selbst leuchtend rot war.

Dem Protokoll entsprechend knieten die beiden sich nun auch hin, umfassten Amayas Hände und drückten sie auf die weiche Matte am Boden. Dann begannen sie mit Amaya im Wechsel die uralten Formeln des Schwurs zu sprechen.

Die Zeremonie wurde von sämtlichen Neko-Schamanen beobachtete, die im großen Halbkreis drum herum standen und offenbar recht gemischte Gefühle bei der Sache hatten.

Amaya war noch sehr jung, ein halbes Kind noch, ihr fehlte gut die halbe Ausbildung und auch die Abgeklärtheit und Erfahrung einer Yôkai, die schon einige Jahrzehnte als Schamanin gearbeitet hatte. Bis auf die beiden jüngsten Schüler in ihren Reihen, war ein jeder der Umstehenden deutlich älter als Amaya und machte sich so seine Gedanken.

Aber es war Tamokos Wille und der Wille der Prophezeihung und außerdem waren da Tadako und Nori, die seit mehr als zwei Jahrhunderten Erfahrungen als Beraterinnen Tamokos hatten sammeln können.

Die Tori-Yôkai mit der weißen Tigerzeichnung auf der Stirn und die dunkelhäutige Óyamaneko-Yôkai waren für ihre guten Ratschläge bekannt. Vorerst würde man wohl eher ihnen vertrauen müssen, als Amaya.

Im Zentrum des Halbkreises waren die Stimmen der drei Dämoninnen nun angeschwollen, lauter und durchdringender geworden und woben die Magie in den Schwur ein, die die Fesseln, aber auch die Kräfte einer Schamanin bedeuteten. Von nun an würde sie weit mehr Macht haben, als bisher, denn die tatsächlichen Schamanenkräfte, für die sie zwar talentiert gewesen war, die sie aber vor der Zeremonie nie hätte abrufen können, erwachten erst jetzt.

Und als die junge Löwendämonin unter den Händen der beiden Beraterinnen zusammensank, wussten alle, dass es gelungen war.

Amaya würde bis zum Morgen schlafen und dann mit den Befugnissen einer Schamanin und obendrein noch der obersten Schamanin ausgestattet sein.

Es war vollbracht.
 


 

Auf seinen Befehl hin, war Natsu sofort näher getreten, hielt sich nun einen knappen Schritt hinter ihm. Aber überraschenderweise hielt sie den Mund, vermutlich war sie noch zu überrumpelt, von der Situation.

„InuYasha. Deine Miko“, wiederholte er noch einmal unbeugsam und musterte den noch immer knienden, menschgewordenen Hanyô.

„Sag mal, Sesshômaru, warum redest du eigentlich über mich, als wäre ich nicht da? Vielleicht kannst du mir auch direkt sagen, was du von mir willst!“, hörte er da Kagomes etwas fauchende Stimme, die die Arme in die Hüften gestemmt hatte und ihn von der Seite her ansah.

Er senkte den Blick, sah die junge Frau an, die er bisher auch reichlich selten tatsächlich im Gewand einer Miko gesehen hatte.

„Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig“, konstatierte er bloß und wollte schon wieder wegsehen, da konterte sie ebenso hartnäckig, wie er: „Du willst etwas von mir, nicht umgekehrt. Also habe ich auch ein Recht darauf, zu erfahren, was du willst!“

„Du solltest dir genau überlegen, ob du mich provozierst.“

„Ja ja, der große Sesshômaru“, ließ sich InuYasha vernehmen, der inzwischen wieder stand und Tessaiga weggesteckt hatte.

„InuYasha, überlass das mir. – Ich weiß, ich weiß. Du bist ein starker Yôkai und ich bloß ein Mensch, du fängst meinen Seelenpfeil aus der Luft, der andere Dämonen einfach pulverisieren würde und außer InuYasha hat es noch niemand überlebt, sich dir ernsthaft entgegen gestellt zu haben. Aber dennoch würde ich gerne erfahren, was du von mir willst!“, übernahm Kagome wieder und Sesshômaru verdrehte innerlich die Augen, als er Natsu hinter sich doch tatsächlich leise lachen hörte.

Er knurrte unterschwellig und sie verstummte sofort. „Gomen nasai, Sesshômaru-sama. Aber… darf ich ehrlich sein?“

„Nun?“

„Warum erklärt Ihr ihr nicht, was Ihr wollt? Früher oder später werdet Ihr das sowieso müssen. Oder glaubt Ihr, Kuraiko-donno würde es Ihr ohne Prüfung überlassen?“

Sie hatte Recht, das wusste er genau, aber es gefiel ihm nicht, dass sie ihn lächerlich machte, denn das tat sie, er merkte durchaus, wie Kagome sich nun knapp ein Lachen verkniff und dieser kleine Fuchs, der inzwischen hinterher gekommen war, einen Hustenanfall bekam. Dahinter erkannte er Kyoko. Offenbar hatten sie seine Hilfestellung dann doch noch ernst genommen. Aber das sollte jetzt nicht Sache sein.

„Offenbar ist das notwendig“, erwiderte er bloß und trat einen Schritt beiseite. „Allerdings würde mich im Gegenzug interessieren, wie du Bastard es geschafft hast, Mensch zu bleiben. Meines Wissens war gestern Neumond und nicht heute“ Dabei stieß er InuYasha vorwärts, damit der nicht in seiner seltsamen Lethargie in seinem Weg herumstand.

Weder der menschgewordene Hanyô, noch Kagome kamen allerdings zu einer Antwort, weil sich jemand einmischte, der der Diskussion bisher nur am Rande beigewohnt hatte. „Ich muss zugeben, dass das meine Schuld ist. – Ich Grüße Euch, Sesshômaru-sama.“

Der Inuyôkai wandte den Kopf etwas und aller Selbstbeherrschung zum Trotz weiteten sich selbst seine Augen kurz, als er erkannte, wen er da vor sich hatte. „Kirin“, konstatierte er jedoch nur. „Ihr wollt schuld daran sein?“

Das Einhorn nickte etwas. „Es war ein Unfall, dass meine Verteidigungsenergie ihn traf. Um ihn zu heilen, musste ich erneut reine Energie anwenden. Sein jetziger Zustand ist wohl der Preis dafür.“ Sesshômaru zog eine Augenbraue leicht hoch, zeigte aber nach außen hin keinesfalls, dass er doch leichtes Bedauern spürte. Er hatte seinen Halbbruder nie sonderlich leiden können und noch immer war da der Beigeschmack, dass InuYasha indirekt Schuld an Vaters Tod war und sich außerdem lieber von einer Miko an einen Baum hatte heften lassen, anstatt Vaters Ehre gegen die Katzen zu verteidigen, aber der Bastard hatte gezeigt, dass er Tessaigas würdig und damit Vaters Erbe würdig war. Das war nun wohl Vergangenheit.

Sesshômaru wartete vergeblich darauf, dass die alte Verachtung wieder aufkochen würde, stattdessen tat InuYasha ihm beinahe leid. Nur das er das natürlich bei allen Göttern niemals zugegeben hätte!
 


 

Ein gutes Stück entfernt, inmitten eines urwüchigen Waldes, war ein lautes Knarzen zu hören, als sich die Äste einer alten Magnolie fester um etwas wanden, dass in ihrem Geäst zu schweben schien. Jene weiße Kugel hüpfte hektisch weiße Flammen spuckend kreuz und quer durch den kleinen Raum, die der Astkäfig ihr ließ und schien sich nicht beruhigen zu wollen.

Aus dem Nichts erklang ein angespanntes Seufzen. Bokuseno zeigte sein Gesicht nicht, aber schon an dem Ton ließ sich ablesen, dass das Onibi, dass er zu hüten hatte, schon wieder eigene Vorstellungen hatte. Innerlich fluchte der Baumgeist, als wieder ein Flämmchen durch seine Äste erwischte und fast automatisch einer dieser schwarzen Shinidamachu zur Stelle war. Diese Viecher hatten leider ein sehr gutes Gespür dafür, wo es etwas zu schnappen gab, das hatten auch ihre weißen Cousins, die immer genau wussten, wo Menschen starben und so es demnach Seelen zu holen gab. Nur das diese schwarzen Viecher leider keinerlei Berechtigung für ihr Handeln hatten. Und langsam wird das Onibi zu stark. Je verstreuter seine Teile sind, desto kraftvoller wird das Energienetz, dass es webt, desto widerspenstiger wird das Onibi und desto wilder die besessenen Oni… Myouga, hoffentlich weiß deine Kirara, was sie zu tun hat… es könnte sonst Schwierigkeiten geben, die vor ein paar Monaten noch keiner absehen konnte…
 


 

Shiori war etwas erschrocken aufgesprungen, als sie sah, dass Kagome und die anderen Vorangegangenen den Besuch mitbrachten, auf den InuYasha eben noch losgegangen war. Aber seit dessen Name gefallen war, wusste sie, um wen es sich handelte. Sesshômaru war in Gesprächen öfter mal vorgekommen und daher wusste sie, dass er InuYashas Halbbruder war. Aber vielmehr auch nicht.

Sie würde sich wohl ebenso überraschen lassen müssen, wie bei der Sache mit diesem Kôga. Während dem Tag, den sie da bei den Wölfen verbracht hatte, hatte sie ja gelernt, dass der erste Eindruck manchmal gut täuschen konnte, aber bei dem jetzigen Neuankömmling hatte sie das dumpfe Gefühl, dass der innen ebenso kühl war, wie er nach außen wirkte.

Und dessen Begleiterin, die sich höflich hinter ihm hielt, war auch schwer einzuschätzen; offenbar ebenfalls dämonisch, hielt sie vermutlich aus Höflichkeitsgründen ihr Temperament zurück. Denn wer es wagte, über eine Situation, an der dieser eisig wirkende Dämon beteiligt war, zu lachen, der musste Mut und Temperament besitzen, dessen war Shiori sich sicher.

Aus einem unbestimmten Impuls heraus, sah sie sich suchend nach Tián um. War der schon wieder verschwunden?

Nein, er saß auf einem Stein, keine zwei Meter entfernt und blickte über die Ebene. Nun, sein gutes Recht. Er verstand ja vermutlich sowieso nicht so viel. Zwar versuchte sie ihm ab und an ein bisschen beizubringen, aber seit er in den letzten Tagen mehr oder weniger seine eigenen Wege ging, war das schwer geworden. Am Anfang hatte sie es ja noch darauf geschoben, dass er um seinen Mentor trauerte, aber so langsam stellte sie fest, dass ihre Gedanken in andere Richtungen gingen und sie die Ahnung bekam, etwas würde nicht mit ihm stimmen.

Aber das war nun schon wieder ein gänzlich anderes Thema und vermutlich vollkommen an den Haaren herbeigezogen. Was sollte auch nicht mit ihm stimmen? Er war ein junger Dämon vom Festland, der aus irgendeinem Grund mit seinem Lehrer hierher nach Japan gekommen war und dabei irgendeiner Gefahr begegnet war, die ihn schließlich ins Meer stürzen ließ. Da hatte sie ihn dann herausgefischt.

In ihrem Unterbewusstsein bohrte allerdings die Frage nach dem Grund und nach der Art der Gefahr. Ohne jegliche Informationen war es schwer, sich ein Bild über Tián zu machen, zumal sie ihn doch eigentlich mochte. Aber sie konnte ihn nicht einschätzen.
 

Über diese Gedankengänge hatte sie nun das einigermaßen in Gang gekommene Gespräch halb verpasst und es dauerte einen Augenblick, bis sie sich einfand.
 

Sesshômaru hatte sich nun tatsächlich herabgelassen, den Grund seines Kommens zu erläutern und sowohl Kagome, als auch InuYasha wirkten deutlich gesprächsbereiter, als zuvor. Der Hundedämon wusste durchaus, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und sich dem Frage-Antwort-Spiel zu stellen, das die restliche Gruppe inszenierte, er hatte es von Anfang an gewusst, aber wider besseren Wissens doch erst versucht, die direkte Methode zu wählen.

Da war er gründlich auf die Nase gefallen – im übertragenen Sinne, versteht sich.

„Kuraiko ist die Mutter der herrschenden Panthergeschwister – ihr kennt sie – und momentane Hüterin der Sekai no Tia“, erklärte er eben auf die Frage nach Kuraikos Identität und ignorierte geflissentlich, wie InuYasha bei Erwähnung der Panthergeschwister aufstöhnte. Ausnahmsweise konnte er dessen Intuition allerdings nachvollziehen, auch wenn er da eher an Tôran alleine dachte und InuYasha vermutlich an die vier im Verbund.

Als keine weiteren Fragen kamen, erhob er sich allerdings, um sich einen Ruheplatz ein paar Meter entfernt zu suchen. Zwischen mehreren Menschen und Hanyô musste er dann doch nicht länger bleiben, als irgend nötig und auch die junge Fuchsprinzessin änderte daran nichts, auch wenn sie die einzige war, die ihn automatisch höfisch korrekt behandelte. Aber es war wohl nötig, dem menschlichen Teil der Gruppe seine Nachtruhe zu gönnen, wenn er auch nur irgendetwas erreichen wollte.

Es wunderte ihn wenig, dass Natsu bei der Gruppe blieb, weil er sich denken konnte, dass sie im Moment einen Gutteil ihres Yôki zur Heilung in ihre Beine umleitete und daher dankbar für die Wärme des Lagerfeuers war. Sie hatte sowieso eine außerordentliche Tapferkeit bewiesen. Geborene Daiyôkai hin oder her, sie war eine Hime und schon von daher hätte er nicht erwartet, dass sie so klaglos hinnehmen würde, dass ihre Beine beinahe zerfetzt oder abgetrennt worden wären.

Diese Haltung imponierte ihm, aber alle weiteren Gedanken, die ihm daraufhin durch den Kopf spukten, würgte er konsequent ab. Es führte zu nichts und quälte ihn bloß, wenn er jene zulassen würde. Ohne an Aufmerksamkeit einzubüßen, schloss er die Augen und ließ das nicht weit entfernt weitergeführte Gespräch an sich vorbeirauschen, ohne richtig hinzuhören.
 

„Also will er jetzt deine Macht als Miko, wohlgemerkt als menschliche Miko, damit du das Artefakt hütest, das die Dämonen von den Menschen abschirmen soll. Verstehe ich das richtig?“, fragte Shiori gerade nach und blickte Kagome fragend an.

Die nickte leicht. „So habe ich es zu mindestens verstanden. Auch wenn es etwas unlogisch klingt.“

„Keh! Und was bringt ihn auf die Meinung, du würdest dich dafür hergeben?“, mischte sich InuYasha, stur wie eh und je, ein.

„Naja, vielleicht, dass ich die einzige Miko seit jeher bin, die einigermaßen mit dämonischem Leben sympathisiert ohne eine schwarze Miko zu sein und die das bisher überlebt hat“, wandte Kagome ein und lenkte damit Natsus Aufmerksamkeit auf sich.

Die junge Löwendämonin hatte ein wenig die Stirn gerunzelt. „Du scheinst noch recht jung zu sein und sofern ich weiß, bedeutet das bei euch Menschen nur wenige Jahre und trotzdem sprichst du, als hättest du große Erfahrung“, bemerkte sie.

Kagome lachte trocken auf. „Du wirst nicht glauben, wie viel ich schon erlebt habe, was andere in ihrem ganzen Leben nicht kennen lernen. Es war weiß Gott nicht immer schön. Nicht für mich und nicht für InuYasha, dem schon viele nach dem Leben getrachtet haben.“ Sie klang jetzt ungewohnt ernst.

„Wenn ich das recht interpretiere, ist er doch ein Hanyô, oder?“, fragte Natsu nach und blickte dabei InuYasha an.

Der knurrte leicht auf, auch wenn es weitaus weniger echt klang, als normal. Menschliches Knurren sozusagen. „War“, berichtigte er und in seiner Stimme schwang wieder Resignation mit.

„Ist oder war, mir egal. Jedenfalls… ist es nicht normal, dass Mischwesen jeglicher Art gehasst sind?“

„Weil sie von einer Seite gefürchtet und von der anderen als minderwertig betrachtet werden oder ähnliches. Ja, leider ist es so. Aber ich fürchte, InuYasha hat das in noch viel stärkerer Ausprägung mitbekommen“, klinkte sich Shiori wieder in das Gespräch ein.

Natsu wandte den Kopf. „Du bist auch eine Halbdämonin, das sehe ich. Dann sprichst du vermutlich ebenso aus Erfahrung.“

Das Mädchen nickte. „Ja, leider. Und mein Vater musste dafür sein Leben lassen. – Aber… InuYasha wurde, soweit hörte ich von den anderen, durch unglückliche Zufälle in Dinge verwickelt, die selbst jenseits dessen sind, was ein normaler Halbdämon erlebt.“

„Liegt vermutlich daran, dass ich schon weitaus länger auf dieser Erde wandle, als die meisten Halbdämonen“, brummte InuYasha, der jetzt zum ersten Mal seit langem wirklich aufsah. „Mein Vater… das heißt, meiner und Sesshômarus, starb am Tage meiner Geburt, meine Mutter elf Jahre später. Ich verlor meine erste Liebe durch denjenigen, der mir noch über fünfzig Jahre später nach dem Leben trachten sollte. Und dieser jemand hat mir leider Erlebnisse beschert, die wünsche ich teilweise nicht einmal meinem schlimmsten Feind. Außer vielleicht diesem Jemand selbst, aber der ist inzwischen glücklicherweise tot. Er war es nicht nur, der für den Tod meiner ersten Liebe verantwortlich ist, nein, er hat auch Kohaku umgebracht, nur um ihn dann als willenlose Marionette zu gebrauchen, er hat einen Pakt mit einer schwarzen Priesterin geschlossen um Kagome beinahe dazu zu bringen, mich auszulöschen, er hat noch so viele andere Leben zerstört und ich war eines seiner Lieblingsopfer. Ja, ich war gar der Grund, dass er entstand!“

InuYasha hatte voller Bitterkeit gesprochen, ungewohnt kühl und überlegt. Es schien, als wolle er alles, was ihn zusätzlich zu seiner momentanen Gestalt noch belastete, einfach hinausspeien und Natsus Frage kam ihm da gerade Recht.

Die Löwendämonin hörte aufmerksam zu, immerhin erklärten sich aus den Worten dieses Beinahe-Hanyôs so einige Dinge, die sie sonst hätte fragen müssen. Und ihr eigentlicher Reisebegleiter hätte ihr sicherlich keine Antworten geboten. „Wie das?“, musste sie nun aber doch nachfragen.

„Im Grunde war er ein Mensch. Ein Bandit mit verdorbenem Herzen, der schwer verletzt worden war. Er konnte sich nicht mehr bewegen, lebte aber noch. Damals, vor fast 55 Jahren pflegte Kikyô ihn. Trotz seines Zustandes verliebte er sich wohl irgendwann in sie, oder begehrte sie zumindest, keine Ahnung. Jedenfalls erfuhr er aber dann, dass sie bereits zu jemandem gehörte. Zu mir. Und, allein um Kikyô für sich zu kriegen, bot er seine Seele den Oni an. Aus dem Banditen Onigumo war der Halbdämon Naraku geworden. Er spielte Kikyô und mich so gegeneinander aus, dass ich schließlich gebannt an einen Baum geheftet war und fünfzig Jahre lang nicht an dem Leben auf dieser Welt teilnahm. Kikyô aber bezahlte sein Manöver mit dem Leben...“
 

InuYasha berichtete überraschend bereitwillig und so sachlich, dass Kagome sich langsam schon wieder Sorgen um ihn machte.

Er hatte Recht behalten, wenn er so blieb, wäre er bald nicht mehr derselbe. Aber noch wollte sie die Hoffnung nicht aufgeben, dass er vielleicht doch noch wieder in seine wahre Gestalt zurückkehren konnte. Vielleicht brauchte sein Körper einfach Zeit, ehe das wieder gelang. Sie glaubte fest daran, aber sie hatte es nicht ausgesprochen, um in ihm keine falschen Hoffnungen zu wecken.

Sie musterte InuYasha kurz, ließ den Blick dann aber weiter schweifen und verharrte bei Shippô, der sich nicht weit von ihr neben Kirara zusammengerollt hatte und ruhig schlief.

Moment, ruhig?

Nein, das stimmte nicht.

Er hatte die Augen nicht ruhig geschlossen, sondern eher zugekniffen und auch seine kleinen Hände waren verkrampft. Obwohl er sich nicht bewegte, war zu erkennen, dass er sicherlich nichts Schönes träumte.

„Das hat er öfter. Manchmal redet er dann von ‚den Brüdern‘. Auf der Reise haben wir kaum geschlafen, aber in der Schule hab ich das öfter beobachtet“, erklang da Kyokos leise Stimme und die junge Fuchsprinzessin sah aus ihren türkisgrünen Augen zu Kagome auf.

Die Miko dachte einen Moment nach. „Brüder… oh, die Donnerbrüder. Die Mörder seines Vaters“, schob sie die Erklärung rasch hinterher. Shippô tat ihr Leid, aber sie wollte ihn auch nicht wecken. Dennoch, offenbar war er doch noch mehr Kind, als er zugeben wollte und seit wieder Füchse rund um ihn herum waren, war die Erinnerung an seinen Vater wohl wieder hoch gekommen. Eigentlich kein Wunder, dass er Albträume hatte.

Da erhob sich plötzlich, aus heiterem Himmel, eine sanfte Melodie, die aus einzelnen, hohlen Lauten zusammenschmolz, weich und vollkommen. Kagome sah auf und erkannte, dass Natsu auf einmal etwas in den Händen hielt, dass sie ähnlich wie eine Flöte spielte, nur dass es keine Löcher besaß, stattdessen aus mehreren Röhrchen bestand. Kagome erkannte wohl eine Panflöte, wenn sie eine sah, aber hier, im mittelalterlichen Japan hätte sie nun wirklich kein Instrument dieser Art erwartet...
 

Die Raubtieraugen der Dämonin lagen dabei auf dem jungen Fuchs, der sich tatsächlich langsam etwas entspannte, die Lider nicht mehr ganz so verkrampft zupresste. Kurz lächelte Natsu, ehe sie weiterspielte. Das hatte seinerzeit schon geholfen, wenn Amaya Albträume hatte, warum sollte es dann nicht auch den kleinen Kitsune etwas entspannen.

Sie bemerkte kaum, dass inzwischen alle Blicke auf sie gerichtet waren und die ganze Gruppe andächtig zuhörte, wie sie spielte.

Nicht einmal der etwas abseits sitzende, aber ebenso aufmerksame, Zuhörer geriet an ihr Bewusstsein, wie immer, wenn sie spielte, versank Natsu vollkommen in der Melodie, denn auch für sie bedeutete das deutliche Entspannung.
 

Als sie ihr Instrument von den Lippen nahm, war die ganze Gruppe zur Ruhe gekommen, Shiori hatte sich zurückgelehnt, Shippô schlief ruhiger, Kyoko hatte sich neben ihm zusammengerollt, auch Kagome war eingeschlummert und selbst von InuYasha waren gleichmäßige Atemzüge zu hören.

Ein kleines Lächeln zuckte über das Gesicht der Dämonin, als sie sah, was ihre Musik bewirkt hatte, ehe sie sich erhob und sich zu dem begab, der ganz sicher nicht schlief. Immerhin gehörte sie eigentlich zu seinem Gefolge.

Sesshômaru öffnete daraufhin ganz kurz die Augen und musterte sie. Er hatte das Spiel wiedererkannt, es war ein anderes Lied, als sie bei ihrer ersten Rast gespielt hatte aber es passte perfekt und hatte obendrein offenbar seine Aufgabe erfüllt.

Sie war schon ein ungewöhnliches Wesen.

Er kannte den dämonischen Adel nun wirklich gut genug, aber eine solche Hime wie Natsu war ihm noch nicht untergekommen.

Sie konnte kämpfen, trug ein beseeltes Schwert – sonst hätte es keinen Namen – und bewies dennoch ein sorgendes, weiches Herz, wie es an sich schon wenige Dämonen hatten. Er schon mal gar nicht.

Sie war eindeutig etwas Besonderes.

Gewissheit

Ein nicht gerade sanfter Fußtritt in der Seite weckte Kagome am nächsten Morgen. Als sie die Augen öffnete, erkannte sie aber, dass der Fußtritt doch sehr sanft gewesen war – zumindest für die Verhältnisse desjenigen, der sie geweckt hatte. Sesshômaru stand nämlich einen halben Schritt von ihr weg und blickte mit ausdrucksloser Miene auf sie hinab.

„Komm“, befahl er dann und drehte sich weg.

Noch etwas benommen setzte Kagome sich auf, erkannte, dass die restliche Gruppe noch schlief, ausgenommen Tián, der wieder einmal wie vom Erdboden verschluckt war, und Natsu, die ein paar Schritte entfernt stand und abwartend zum Horizont blickte.

Langsam kam Kagome auf die Beine, griff nach ihrem Bogen und Pfeilköcher. „Warum das ganze Theater?“, fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Ich dachte dir gestern ausführlich genug erklärt zu haben, wozu wir dich brauchen!“, gab Sesshômaru ausdruckslos zurück und zeigte damit deutlich, dass er zu keiner weiterführenden Erklärung aufgelegt war.

„Ach, und jetzt nimmst du einfach an, ich würde dir gehorchen wie ein treues Hündchen seinem Herrn?“, fragte sie spitz.

„Dir muss ich wohl kaum erklären, dass ich dich auch genauso gut mit Gewalt mitnehmen kann. Also kommst du nun freiwillig, oder nicht?“, konterte der Inuyôkai gelassen, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Den Inhalt ihres Spruchs überging er geflissentlich.

„Nicht ohne die anderen“, bestimmte sie sofort, ohne zu merken, dass ihre erhobene Stimme inzwischen auch die anderen aufgeweckt hatte.

Shippô rieb sich die Augen, Shiori ordnete ihren Umhang, den sie des Nachts als Decke benutzt hatte.
 

Jenseits ihres Blickfeldes verdrehte Sesshômaru leicht die Augen, ehe er leise aufknurrte, weil Natsu sich schon wieder ein Lachen verkneifen musste. Offenbar fand die junge RaionYôkai es sehr amüsant, wie er sich hier von der jungen Miko vorführen ließ. Aber er brauchte sie nun einmal, lebendig, in einem Stück und bei einigermaßen guter Laune, sonst hätte er längst andere Seiten aufgezogen.

Kagome interpretierte sein Schweigen derweil fast automatisch als Zustimmung und zog InuYasha vom Boden hoch, der die Situation noch nicht so wirklich erfasst zu haben schien. Vermutlich war er es eh nicht gewohnt, so fest zu schlafen, wie er es diese Nacht getan hatte. Sesshômaru hatte von seinem Sitzplatz aus durchaus mitbekommen, wie wenig aufmerksam der menschgewordene Hanyô in seiner jetzigen Gestalt war. Höchstwahrscheinlich waren seine sowieso erbärmlichen Sinne noch weiter in sich zusammengeschmolzen.
 

Dann endlich konnten sie sich in Bewegung setzen, weiter Richtung Süden, allerdings auch weiter Richtung Osten, als die Gruppe um InuYasha bisher gewandert war. Sesshômaru voran, Natsu direkt hinter ihm, dann der Rest, Kirin und Yutaka bildeten den Schluss. Die Gruppe mutete nun noch seltsamer an, als zuvor.

Und Kagomes Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie mit dem Aufbruch trotz allem nicht ganz einverstanden war. Das lag vermutlich auch daran, dass InuYasha missmutig hinterher trottete und vor allem, noch immer schwarzhaarig und menschlich war. Sie hätte ihm gerne noch etwas Ruhe und Zeit zum Nachdenken gegönnt. So war ja mit ihm rein gar nichts anzufangen.

Und warum sie so früh aufgebrochen waren, wusste sie auch nicht.

Zu mindestens letzte Unklarheit schien ihr so klar ins Gesicht geschrieben, dass Natsu sich schließlich zu ihr zurückfallen ließ. „Einige Kilometer hinter uns ist eine Wolke dieser spinnenden Oni. Ich denke, Sesshômaru-sama hatte keine Lust, sich mit denen abzugeben“, erklärte sie ungefragt und überging das leise Grollen, dass prompt von dem Hundedämon zu hören war. Er mochte es nicht, wenn man buchstäblich hinter seinem Rücken über ihn sprach.

Aber er kam sowieso nicht mehr dazu, auch nur zu überlegen, ob er einschreiten sollte, denn die Witterung besagter Oni war beachtlich schnell näher gekommen und er konnte bereits das flackernde Yôki spüren. Bald würden diese Viecher sie eingeholt haben und ein Kampf war nicht mehr abzuwenden. Er blieb stehen. „Es sind keine Kilometer mehr“, konstatierte er nur und wandte sich zu der Gruppe um. „InuYasha!“

Tatsächlich sah der menschgewordene Hanyô auf. „Was?“, schnappte er brummig.

„Halte dich zurück“
 


 

„Rin! Hey, Rin, hör doch auf, so wild umherzulaufen! Du machst eine alte Frau wie mich noch ganz nervös! Was ist denn los? Ist es wieder Zeit für den Besuch von deinem Herrn?“

Das Mädchen schüttelte heftig den Kopf, sodass ihre Haare flogen. Obwohl jene inzwischen auf beinahe Schulterlänge herangewachsen waren, bestand sie noch immer auf das kleine Zöpfchen, dass seit Jahren ihr Markenzeichen war. „Nein. Sesshômaru-sama kommt diesmal nicht!“, antwortete sie und hüpfte weiter mal auf einem Bein, mal auf zweien im Zickzack vor Kaede her über den Dorfplatz.

Die alte Miko lachte rau. „Woher weißt du das denn?“

„Miroku-sama und Sango-sama haben erzählt, dass er letztens hier war. Er hat nach InuYasha-sama gefragt. Vielleicht sucht er ihn“

Kaede schmunzelte. Rin war außer Myouga vermutlich die einzige weit und breit, die InuYasha mit dem ehrenden –sama ansprach. Aber für das Mädchen schien das irgendwie dazuzugehören. „Und da bist du so fröhlich? Ich dachte, du vermisst ihn“

Für einen Moment blieb die Schwarzhaarige stehen und ihre großen Augen wandten sich Kaede zu. „Natürlich vermisse ich Sesshômaru-sama!“, erklärte sie vorwurfsvoll, als sei es das Natürlichste der Welt, dass ein kleines Menschenmädchen so über einen Fürsten der Yôkai sprach. „Aber er hat wichtiges zu tun. Das hat er schon früher immer gemacht. Nur damals hat er mich mit Jaken und Ah-Uhn zurückgelassen und jetzt lässt er mich mit euch zurück“, fügte sie dann hinzu und setzte ihr Hüpfspiel fort, dessen Regeln nur sie kannte – wenn es denn überhaupt welche gab.

Kaede schüttelte leicht den Kopf und betrachtete ihre zeitweilige Schülerin kurz, ehe sie ihren Weg fortsetzte.

Rin war wirklich ein Phänomen.
 


 

Tatsächlich dauerte es keine Minute mehr, bis das herannahende, flackernde Yôki einer dunklen Kuppel gleich über der Gruppe hing. Zischelnde Geräusche, wie von übergroßen Schlangen erfüllten die Luft und InuYasha blieb seine patzige Bemerkung im Hals stecken, als sich hordenweise Oni vom Himmel herabfallen ließen, allein durch ihre Menge die Gruppe umkreisten und voneinander trennten.

Von Kirin war ein leicht erschrockener Laut zu hören, aber er kam nicht mehr dazu, den anderen zu sagen, was ihn aufgeschreckt hatte, denn ebenso wie die anderen, war er nun dazu gezwungen, sich zu verteidigen. Denn diese Oni griffen trotz ihres flackernden Yôkis seltsam effektiv an, als hätten sie die Gruppe mit Absicht getrennt – und es waren unvorstellbare Mengen.

Sesshômaru kniff die Lippen zusammen, als er seine Energiepeitsche aktivierte. Selbst er wollte nicht riskieren, mit Bakusaigas Angriff die anderen Reisenden gleich mit abzuschlachten, immerhin sah er nicht, wo sie waren. Er spürte das Aufwallen von Yôki, als Natsu wieder ihren Blutangriff losschickte, er konnte die reine Energie spüren, wo vermutlich Kagome und Kirin standen, aber den Rest vermochte er nicht auszumachen. Das ist schlecht, sehr schlecht… solche Mengen auf so engem Raum…

Niemand, vor allem nicht die Oni, bemerkte die Gestalt, die hinter einem einzelnen Baum ganz in der Nähe kauerte, die dunklen Augen funkelnd vor Ruhelosigkeit und die schmale Hand um den Schwertgriff verkrampft, an dem eine hellgrüne Quaste befestigt war...
 


 

Mühsam erwachte Amaya, schob die Decke zurück, die man über sie gebreitet hatte, nachdem man sie in ihre Gemächer gebracht und entkleidet hatte. Sie wusste, seit ihrer frühen Kinderzeit hatte sie nie mehr so fest geschlafen, wie jetzt, nach der gestrigen Zeremonie. Fast war es nicht zu glauben, was sie nun war. Oberste Schamanin aller Nekos. Mit gerade 660 Jahren!

Langsam zog sie die Beine unter den Körper und kniete sich hin. Jemand hatte eine Schale mit Wasser direkt neben ihr Lager gestellt und Amaya beugte sich etwas vor, um ihr Spiegelbild zu betrachten. Natürlich sah sie nicht anders aus, als gestern, aber dennoch wollte sich etwas in ihr vergewissern, das noch etwas war wie zuvor. Denn außer ihrem Selbst war von ihrem alten Leben vermutlich nicht mehr viel geblieben. Sie war nun verantwortlich für das spirituelle Leben der Panther, Löwen, Tiger und Luchse. Eine schier unvorstellbare Bürde.

Sie atmete tief durch und tupfte ihre Finger in das kühle Nass um sich damit das Gesicht zu benetzen. Langsam wurde sie richtig wach und mit jedem Atemzug wurde ihr mehr bewusst, was ihr von nun an bevorstand.

Am liebsten hätte sie sich wieder hingelegt und die Decke über sich gezogen, aber so ging das von nun an nicht mehr. So plötzlich das alles gekommen war – immerhin war Tamoko gerade fünf, nein, jetzt sechs Tage in der anderen Welt. Güte, jetzt kam sie schon beim Tage zählen durcheinander. Nori, Tadako, ich endschuldige mich schon jetzt, ihr werdet es nicht leicht mit mir haben…
 


 

Beinahe wäre Natsu in die Knie gegangen, als sie nach einem hohen Sprung wieder auf dem Boden aufkam. Ihre Beine waren eindeutig noch nicht wieder ganz in Ordnung. Aber anders wurde sie dieser Menge nicht Herr. Zu schnell rückten Oni nach und sie brauchte noch immer zu viel Yôki für ihre Regeneration, als dass sie es überstanden hätte, hundertfach ihre Glutwelle loszuschicken.

Zwei Sprünge noch!, spornte sie sich innerlich an und verzog das Gesicht, als sie sich erneut abstieß, mit bloßen Krallen jene Viecher erledigte, die ihr direkt im Weg waren und auf der anderen Seite eines ganzen Pulks wieder aufkam. Diesmal konnte sie ein Stöhnen nicht unterdrücken, spürte zusätzlich, wie wohl einige der Schnitte wieder aufgebrochen waren und Blut über ihre Beine lief, aber jetzt musste sie durchhalten. Durch ihre Springerei hatte sie die Oni erst Recht wütend gemacht. Ein Mal noch! Und tatsächlich gelang es ihr, sich noch einmal in die Luft zu katapultieren, an ihrem Ursprungspunkt zu landen. Ohne diesmal Rücksicht darauf zu nehmen, ob sie strauchelte oder nicht, sprach sie die Angriffsformel. Sofort loderte ihr Yôki auf, schoss auf den Bahnen ihrer Sprünge aus dem Boden und schloss die Oni in einen Käfig ein, der sie einfach pulverisierte.

Natsu taumelte etwas, raffte sich wieder auf und spannte sich erneut an. Ihre Methode hatte eine klaffende Lücke in die Angreifer gerissen, aber noch immer konnten sie niemanden der anderen sehen. Schon gleich dreimal nicht ihren Gebieter auf Zeit, auf den sich sicherlich viermal so viele Oni gestürzt hatten, wie auf alle anderen. Erstaunt erkannte sie, dass sie sich Sorgen um ihn machte.
 

Und dieser Moment der Unachtsamkeit war zu viel.
 

Ein Oni der am Ehesten an einen echsenköpfigen Ochsen erinnerte, stürzte sich auf sie und Natsu konnte in ihrem erschöpften Zustand nicht mehr rechtzeitig reagieren. Ein Wegspringen erlaubten ihre Beine nicht mehr, die sie ohnehin nur noch sehr wiederwillig trugen, also wählte sie den einzigen Weg, der ihr blieb. Sie ließ sich zu Boden fallen und rollte sich seitlich weg, so dem ersten, blindwütigen Angriff entkommend. Aber das brachte höchstens Zeit, denn lange würde der Oni von seinem eigenen Auftreffen auf den Boden nicht benommen sein.

Ungeschickt versuchte sie auf die Beine zu kommen, aber es misslang. Und an dem blutdurchtränkten Stoff ihrer Hakama konnte sie auch genau ablesen, warum. Sie verlor schon wieder viel zu viel Blut. Und das war noch ihr geringstes Problem. Denn eben erholte sich das Vieh wieder, erhob seinen massigen Körper erneut über ihr und die wie bei einer Schlange gespaltene Zunge zuckte über ihr in der Luft.

Natsu konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Was für ein unwürdiges Ende für eine Daiyôkai! Getötet von einem verrückt gewordenen Oni, der normalerweise schon bei ihrem Anblick Fersengeld geben würde.

In einer letzten Verzweiflungsreaktion zog sie mühsam ihr Schwert und hielt es quer vor ihre Kehle, die Klinge dem Oni abgewandt. So würde es wenigstens Ashai-Ha sein, das ihr Leben beendete. Immer noch ehrenvoller als ein Oni. Doch gerade als dieses Ding sich auf sie werfen wollte, die Klauen erwartungsvoll ausgestreckt, erstarrte es in der Bewegung und fiel rücklings um. Einfach so. Starr und tot. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie den Pfeil, der seitlich im Hinterkopf des Oni steckte und sich jetzt wie von Zauberhand auflöste.
 

„Oh je, beinahe hätte ich dich getroffen. Tut mir Leid!“, erklang da plötzlich eine Stimme und als sie den Kopf wandte sah Natsu die junge Miko durch eine Schneise laufen, die ihr Pfeil wohl zuvor in die Oni geschlagen hatte. Zuletzt hatte jener Pfeil wohl den Echsenochsen getroffen.

Natsu senkte etwas den Blick. „Im Gegenteil. Du hast mir offenbar das Leben gerettet, Miko“, murmelte sie vor sich hin.

Kagome erstarrte in der Bewegung, musterte die am Boden kauernde Dämonin, dann den massigen Oni, der sich nun auch langsam auflöste.

„Ich heiße Kagome. Und außerdem brauchst du dich nicht bedanken. Das war Zufall. Da lohnt sich kein Dank“

„Na klar. Keine Miko und sei sie noch so unkonventionell würde einer Yôkai helfen“

„Darum geht es nicht“, fuhr Kagome auf. „Ich habe nichts gegen Yôkai, schon gar nicht, wenn sie so umgänglich sind, wie du. Aber einen Dank verdiene ich nur, wenn ich etwas mit Absicht tue. Das ist doch der Sinn der Sache, oder?“ Während sie sprach, hatte sie wie selbstverständlich nach dem nächsten Pfeil gegriffen und ihn eingespannt, drehte sich nun wieder zu den Oni um, die inzwischen längst die zuvor geschlagene Schneise wieder geschlossen hatten und erneut auf sie zustürmten. Das linke Bein etwas vorgestellt, stand die junge Miko vor Natsu und wartete den richtigen Moment ab.

Die Löwendämonin wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Offenbar tat die Miko jetzt das, wofür sie dann, ihren Worten nach, einen Dank verdient hätte: Sie half absichtlich. Warum sollte sie sonst vor einer normalerweise weitaus wehrhafteren Dämonin stehen und diese abschirmen? Und sie hatte sie umgänglich genannt. Umgänglich. War sie das wirklich? Einem Menschen gegenüber? Irgendwie hatte das durchaus einen etwas seltsamen Beigeschmack.

Aber Natsu hatte bisher auch noch nicht viele Menschen getroffen. Diejenigen im Dorf unterhalb des Katzenschlosses flohen in ihre Hütten, sobald sie nur einen Dämon von fern sahen und weit darüber hinaus war Natsu nie gekommen. „Warum hilfst du mir?“

„Weil du verletzt und geschwächt bist. Im Moment bin ich wehrhafter als du. Außerdem gehörst du zu Sesshômaru. Ich werde sicherlich nie in die Situation kommen, ihn beschützen zu können. Aber vielleicht kann ich mich so dafür revanchieren, dass er mir mal das Leben gerettet hat“

Ein Husten war Natsus einzige Reaktion. Die Worte der Miko hatten sie ziemlich zusammenschrecken lassen. Sesshômaru hatte dieses Mädchen einmal gerettet? Der Kerl? Einen Menschen?

Kagome riskierte einen kurzen Blick über die Schulter, als ihr Pfeil gerade unter den Oni aufräumte. Da die Viecher nicht wirklich schlau angriffen, brauchte sie weder auf besondere Schnelligkeit, noch auf Deckung von hinten achten. Sie musste nur die Angriffswellen abfangen.

Als die junge Miko Natsus fast entsetzten Gesichtsausdruck sah, schmunzelte sie. „Es gibt eine einzige Geschichte, in der InuYasha und Sesshômaru auf ein und derselben Seite kämpfen. Nämlich im Endkampf gegen Naraku. Und da dessen Schwachstelle das in ihn eingewachsene Shikon no Tama war, waren meine läuternden Fähigkeiten wichtig. Als ich nach einem Sturz besinnungslos wurde, war es Sesshômaru, der mich gegen die kleinen Oni abschirmte, bis ich wieder zu Bewusstsein kam“
 

Das InuYasha gerade erst für den Sturz verantwortlich gewesen war, ließ sie beiseite, schließlich hatte damit wiederrum InuYasha sie beschützt, wäre sie doch ihres Lebens nicht mehr sicher gewesen, wenn er vor ihrer Nase durchgedreht wäre. Aber diesen ganzen Sachverhalt wollte sie dann doch nicht vor der wildfremden Dämonin ausbreiten, schließlich war die ersten fremd und zweitens immer noch eine Yôkai. So wenig Vorurteile Kagome im Gegensatz zu den meisten Mikos hatte, ein wenig Misstrauen blieb immer. Dämonen waren nun mal weit mächtiger als Menschen, das war eine Tatsache und das kosteten die meisten Yôkai auch aus. So freundlich und gelassen diese Dämonin, die Sesshômaru da mit sich hatte, auch war.
 

Kagome konzentrierte sich wieder, als die nächste Angriffswelle folgte. Schon mehrere Meter vor ihr, verwandelte ihr Pfeil die Oni in Fetzen. Doch diesmal war eine zu breite Front auf sie zu gestürmt und ein paar waren unbehelligt geblieben. Kagome griff nach hinten, bekam aber zu ihrem Entsetzen keinen Pfeil mehr zu fassen.
 

Natsu hätte ihr sagen können, dass tatsächlich keine mehr übrig waren, aber die RaionYôkai musterte das Schauspiel noch immer in einer Mischung aus Erschrecken und schwächebedingter Unkonzentriertheit.
 

Kagome zog scharf die Luft ein, starrte den herannahenden Oni entgegen. Nur noch wenige Meter. Sie spürte, wie ihr Atem, ihr Herzschlag sich beschleunigten, fühlte den kalten Schweiß auf der Stirn. Sie war weiß Gott schon oft in Lebensgefahr gewesen, oft genug auch durch niedere Oni, aber da hatte sie sich immer darauf verlassen können, dass irgendjemand sie rettete.

Und dieser Jemand war meistens InuYasha gewesen.

Aber der… sie konnte nur hoffen, dass er sich überhaupt selbst verteidigen konnte. Außer der rostigen Klinge, die Tessaiga ohne Yôki war, besaß er keinerlei Waffe. Nein, auf ihn konnte sie nicht hoffen und auch auf niemand der anderen. Keiner würde aufgrund der Gruppe einen großflächigen Angriff starten. Sie musste sich irgendwie selbst behelfen.

Augenblicklich ließ sie den Bogen fallen, legte die Hände aufeinander, sodass das Dreieck entstand, das für ihre Verteidigungstaktik stand. Sie musste Zeit schinden und sich etwas einfallen lassen. Vielleicht konnte sie sogar noch ein oder zwei Oni damit erledigen, wenn sie an den Wurmdämon im Dorf dachte. Sie konzentrierte sich auf das Licht zwischen ihren Fingern, zog dann die Hände auseinander und streckte die Arme von sich, sodass keine Klaue sie erreichen konnte, wenn ein Oni mit der Brust gegen die Energie lief. Fast sofort prallte ein schlangenartiges Vieh dagegen, zuckte zurück, rannte jedoch fast wütend noch einmal dagegen, sie erkannte den Schaum in seinem Maul, der von Blut durchtränkt war. Es war fast beängstigend, wie nah dieser Wahn hier der Tollwut kam.

Endlich sackte das Vieh zusammen, aber Kagome keuchte bereits. Lange würde sie dieses reine Abwehren nicht mehr durchhalten. Und tatsächlich. Prompt flackerte die milchige Lichtscheibe zwischen ihren Händen, sodass sie sich sofort zusammennahm. Zweifel würde ihre Mikokraft noch deutlicher schwächen. Da kam der nächste Oni, der Aufprall schob Kagome fast einen halben Meter nach hinten, obwohl sie breitbeinig da stand, sie merkte, wie ihre Hände zu zittern begannen. Sie keuchte nun. Der Kampf verlangte ihr viel Ausdauer ab.

„Miko!...Kagome! Vergiss mich. Flieh, solange du noch kannst!“, hörte sie die Stimme Natsus hinter sich.

„Einen Teufel werde ich tun. Außerdem, wenn ich nicht kämpfe, komme ich hier auch nicht mehr lebendig raus!“, quetschte Kagome zwischen den Zähnen hervor, während ein vierter Oni sie attackierte. Zum Glück wirkte der Lichtschimmer wie ein Köder auf diese dämlichen Oni, sodass die gar nicht auf die Idee kamen, die ungeschützten Beine anzugreifen, sondern sich immer direkt auf das Licht warfen. Das rettete Kagome vor weit gefährlicheren Bekanntschaften, schwächte sie aber mit jedem Vieh ungemein. Sie hätte sowieso nicht gedacht, dass sie noch vier Oni ausschalten könnte, ehe ihre Kraft zu Ende ging.

Doch ehe diese Aufmunterung ihr wirklich klar wurde, begann das Licht deutlicher zu flimmern und ihre Knie gaben nach. Die Arme krampfhaft nach oben gerissen kniete Kagome nun, Schweiß stand ihr auf der Stirn und sie hielt ihre Verteidigungstaktik mit eisernem Willen aufrecht.

Natsus erstaunter bis bewundernder Blick entging ihr völlig, sie musste aufpassen, überhaupt bei Bewusstsein zu bleiben. Dennoch wusste sie, dass sie den nächsten Angreifer sowieso nicht mehr ausschalten konnte. So viel Macht besaß sie nicht mehr. Sie belog sich bloß noch selbst.

Plötzlich glaubte sie etwas zu hören, ein Ruf, der ihr verdammt bekannt vor kam, der aber durch das Gezische der Oni fast verdeckt wurde. Das kann nicht sein!, schalt sie sich selbst, versuchte ihre Konzentration zusammenzurufen, aber die Emotionen, die dieser Ruf aufgewühlt hatte, machte es unmöglich. Da erklang der Ruf erneut, näher diesmal und eine Mischung aus Schwäche und verzweifelter Hoffnung ließ sie sich seitwärts werfen.

„Runter!“, befahl sie noch leise, während sie Natsu mit sich in Gras drückte.

Im nächsten Augenblick zischte eine Hundertschaft blutroter Klingen über ihren Kopf hinweg, zerteilte die Oni und hinterließ eine riesige Lücke in den niederen Dämonen, die nicht so schnell wieder geschlossen werden konnte.

Und mitten in dieser Lücke stand eine weißhaarige Gestalt, den roten Suikan blutbesudelt und an beiden Schultern vollkommen zerfetzt.

Augen auf

Kagome!“

InuYashas Ruf war voller Angst, als er die junge Miko da so reglos über der Dämonin liegen sah, die Sesshômaru im Schlepptau gehabt hatte.

Eben erhob Natsu sich wieder ins Sitzen, sich im Klaren darüber, dass das wohl geistesgegenwärtige Verhalten der Miko sie davor gerettet hatte, selbst von einer dieser Blutklingen getroffen zu werden. So hob sie Kagome mit sich hoch, legte sie vorsichtig neben sich in Gras. „Sie ist ohnmächtig“, sagte sie leise, während sie die herangesprungene Gestalt musterte.

Das war also Sesshômarus Halbbruder, wie er wirklich aussah. Ja, die weißen Haare und die Bernsteinaugen waren leicht zu erkennen, auch wenn in diesen hier weit mehr Emotion lag, als sie es bei Sesshômaru je gesehen hatte. Sie konnte Angst lesen, aber sicherlich nicht um sich selbst, sondern um die junge Miko neben ihr.

Inzwischen war der Hanyô bei ihr angekommen, fiel auf die Knie und musterte Kagome. „Kagome!“, sagte er erneut und diesmal lag in seiner Stimme etwas besorgtes, fast sanftes.

Waren die beiden etwa mehr als nur Reisegefährten? Es klang absurd, aber vielleicht könnte das erklären, warum diese Kagome so wenig Furcht vor Dämonen hatte. Dieser InuYasha hatte ja immerhin auch Dämonenblut, sehr mächtiges noch dazu, auch wenn es durch Menschenblut verwaschen war. Und diese Klingen eben, die waren wohl von ihm gewesen. Ein Blutangriff, wie ihre Glutwelle. Nun, genug Rohstoff dafür hatte er ja griffbereit gehabt, er war am ganzen Körper übersäht von Wunden. Offenbar hatte er sich erst mitten im Kampf zurückverwandelt.
 

„Ihr seid unverbesserlich, InuYasha-sama! Konntet Ihr euch nicht wenigstens als Mensch aus dem Kampf heraushalten?“, erklang da plötzlich eine Stimme, die Natsu nicht zuordnen konnte.

InuYasha richtete sich ruckartig auf. „Glaubst du, ich lasse mich einfach abschlachten nur weil so ein Feigling auf meiner Schulter sitzt und meint, bei mir ausnahmsweise sicher zu sein, du Trottel von einem Floh?“, fragte er patzig zurück.

In Natsus Blick trat Überraschung. Ein Floh… ein Flohgeist wohl. Nur, wo war der?

InuYasha hatte den Blick bemerkt. „Herrje, Myouga, zeig dich wenigstens!“, schimpfte er und jetzt endlich erkannte Natsu die winzige Gestalt, die aus InuYashas Nacken auf dessen Schulter hüpfte.

Sofort verneigte er sich etwas. „Natsu-hime, wenn ich richtig liege? Es erfreut mich ungemein, Euch kennenzulernen, Hime-sama!“, grüßte er, ohne den Kopf wieder zu heben.

„Achtung, wenn er so schleimt, will er bloß dein Blut!“, mischte sich InuYasha ein und lockte damit ein kleines Schmunzeln auf Natsus Lippen. Das waren ja ganz andere Töne als gestern Abend.
 

Eben stemmte der Hanyô sich nun wieder auf die Füße, sah sich um. Seit seinem Großangriff waren keine Oni mehr auf weniger als drei Meter an sie heran gekommen, offenbar waren die Gruppen, die sich auf sie drei stürzen sollten, ausgemerzt – wer auch immer hier der Befehlshaber war. InuYashas Augen wurden schmal.

Kagome war vorerst in Sicherheit, sie schien nicht schwer verletzt, nur entkräftet.

Die Erleichterung in ihm hatte das bisherige Schuldgefühl verdrängt, dass er sie nicht hatte beschützen können. Und jetzt war er auch dazu wieder in der Lage gewesen. Die Rückverwandlung war vorhin ganz plötzlich gekommen, ohne Vorwarnung war er plötzlich wieder er selbst gewesen, weißhaarig, mit Klauen und Hundeohren. So waren die Oni, die auf ihn angesetzt gewesen waren, blitzschnell Geschichte gewesen. Kagome hatte er gefunden. Aber wo war Shippô? Der kleine Kerl konnte sich doch mit Sicherheit, Training hin oder her, nicht gegen diese Oni behaupten, oder?

Er versuchte zu wittern, konnte aber in all dem Blut und den Oniüberresten, die sich noch nicht zersetzt hatten, kaum etwas wahrnehmen. So kamen sie nicht weiter. Irgendwie mussten diese Grüppchen aufgebrochen werden, und dann alles mit der Windnarbe oder einem ähnlich weitreichenden Angriff ausgelöscht werden.

„Myouga, runter da“, warnte er schlicht vor und schnippte den Flohgeist von seiner Schulter, ehe er auf gut Glück in die nächstbeste Oniwolke sprang, sofort wieder seinen Angriff los jagte: „Hijinkessô!“
 


 

Nur ein paar Meter entfernt kauerte die beobachtende Gestalt noch immer hinter einem Felsblock. So geht das nicht weiter… bei dieser Menge werden sie damit nicht ohne großflächige Angriffe fertig… ich muss mir einen Überblick verschaffen, aber… meine Familie… wenn ich zeige, wie es wirklich um mich steht, wird es ihnen schlecht ergehen… ich dürfte nicht hier sein, und wenn ich es schon bin, muss ich sie beschützen… Bonian musste bereits sterben, Yuan auch. Ich kann nicht riskieren, dass die anderen auch noch sterben, nur weil ich leichtsinnig bin… es ist schon schlimm genug, dass sie wissen, dass ich vom Festland bin… mehr oder weniger…

Tián wusste selbst nur zu gut, dass er sich hier selbst gut zuredete, damit er in Deckung blieb und sich nicht einmischte. Normalerweise hätte er es längst getan, aber das Wissen um die Gefahr, in der seine Familie schwebte, sollte man hier seine wahre Identität erfahren, ließ ihn sich zurückhalten. Doch die Hand hatte er um den Griff des Schwertes geklammert, dass einst Bonian, seinem Mentor und Großonkel, gehört hatte. Nach seiner Rückkehr würde er es dessen Sohn, seinem Onkel, geben, denn er besaß keinen Grund, es für sich zu behalten. Sein Onkel war der Erbe. Aber bis dahin konnte Bonians Waffe ihm vielleicht den Weg etwas erleichtern. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er wieder das wilde Durcheinander von Oni.
 

Kohaku war samt Kirara nach oben geflohen und schleuderte seine Kettensichel in die Dämonen hinunter, oder verteidigte sich mit seiner anderen Waffe gegen jene Oni, die zu ihm hinauf kamen.

Dass er auf Kiraras Betreiben hin schon seit dem Morgen seinen Kampfanzug trug, kam ihm dabei sehr gelegen.

Die Nekomata selbst kümmerte sich eigenständig darum, auszuweichen, wenn es zu eng wurde und nutzt ihre Zähne auch ab und an um den einen oder anderen Oni einfach entzwei zu beißen.
 

Kirin hatte die beiden Fuchskinder eingesammelt, die nun auf seinem Rücken saßen, während das Einhorn seine Aura in sein Horn konzentriert hatte, um die beiden Dämonenkinder nicht mit zu verletzen, wenn er sich verteidigte. Wichtig war nun, dass er aus diesem Pulk herauskam und das hatte er nun fast geschafft. Ein letztes Mal schossen weiße Lichtimpulse aus seinem Horn, ehe er auf die Ebene galoppierte und sich in einer engen Wendung wieder zu den Oni umdrehte, damit die ihm nicht in den Rücken fallen konnten. Die Kitsune wurden durch diesen Manöver von seinem Rücken geschleudert, kamen aber in sicherer Entfernung im weichen Gras auf und blieben unverletzt.

Kirin vergewisserte sich dessen mit einem kurzen Blick, ehe er versuchte herauszufinden, wo in dieser Oniwolke sich Sesshômaru befand.

Yutaka, der an seiner Seite gekämpft hatte, würde die Fuchskinder sicher beschützen. Und weitläufigere Angriffe waren bisher nicht gekommen.

Er wunderte sich sowieso, warum der Inuyôkai, der weit über die Grenzen seines eigenen Fürstentums hinweg als kaltblütig und rücksichtslos beschrieben wurde, bis jetzt noch auf sehr niedrigem Niveau kämpfte, fast, als wolle er verhindern, dass Mitglieder der Gruppe in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Naja, wie dem auch sei, Hauptsache er fand ihn, und konnte ihm sagen, was hier vor sich ging. Denn Verursacher dieses Konflikts waren nicht wirklich die Oni, sondern die drei, vier schwarzen Shinidamachu, die Kirin vorhin gesichtet hatte. Denn der Affendämon, den die unter ihrer Kontrolle hielten, war der Befehlshaber dieser Oni und konnte doch nichts dafür. Es wäre einfacher, den zu befreien, dann würden auch diese Oni sich vermutlich schnell verflüchtigen.
 

Dieses Einhorn, die Kitsune, Yutaka, InuYasha, auf einmal wieder samt seiner Kraft, Kagome und diese Dämonin von InuYashas Bruder sind draußen… fehlt Sesshômaru… und Shiori! Ausgerechnet… Tián atmete tief durch, dann erstarrte er. Ein schriller Schrei legte sich plötzlich über die Szenerie, hallend, als hätte er ein Echo in sich. Der junge Dämon brauchte nicht lange zu überlegen, um herauszufinden, wer das gewesen war. Er hatte sie nie schreien hören, aber er wusste, dass das Shiori war. Und dem Tonfall nach in höchster Gefahr.
 


 

Das Wesen, das wirkte wie ein zu groß geratener Panther duckte sich kopfschüttelnd in den Schatten einiger Baumschösslinge. Güte waren diese Menschen dämlich. Als ob er nichts Besseres zu tun hätte, als sie zu fressen. Nun gut, wenn sie wegrannten, waren sie wenigstens aus dem Weg. Aber dennoch, ihr Angstgeruch hing nun penetrant in der Luft und es konnte eine Weile dauern, bis der sich soweit verflüchtigt hatte, dass man die Spur aufnehmen konnte.

Er atmete kurz durch, ehe er sich in seine menschenähnliche Form zurückverwandelte und an den Stamm eines der Schösslinge zurücklehnte, die Augen schloss. Bis dahin konnte er sich genauso gut etwas ausruhen, jetzt auf gut Glück weiterzugehen, brachte schließlich nichts. Niemand wusste so genau, wo sich das Versteck der Urkönigin befand, außer, dass es am Nordzipfel der östlichen Länder lag. Er war darauf angewiesen, Natsu zu finden, sonst hatte er keinen Anhaltspunkt.

Vermutlich war auch deshalb er persönlich geschickt worden und nicht einer der ihm unterstellten Boten. Er war lange genug am Katzenschloss um Natsus Witterung ganz genau zu kennen und außerdem wusste er, dass gerade Karan ihm vertraute.

Vielleicht sogar mehr, aber solcherart Gedanken hatte er nie zugelassen, könnte er sich doch eh keine Hoffnungen machen. In früher Kinderzeit waren sie Freunde gewesen, aber heute… Nein, sein Job war es, die Boten zu koordinieren und Nachrichten zum richtigen Zeitpunkt zum richtigen Ort zu bringen. Das war der Inhalt seines Lebens, das hatte er zu tun. Und nichts anderes. Dennoch, ganz vertreiben konnte er diese Art von Hirngespinsten nicht.
 


 

Fast zitternd kniete der Botendämon der Kitsune derweil vor dem Thron des Fuchsherrn. Fürst Gin war als weise und ruhig bekannt, aber wenn es um seine Kinder ging, konnte er leicht – wie sagte man so schön? – fuchsig werden. Und die Nachricht, die er zu überbringen hatte, war nicht schön.

„Ist das sicher?“, fragte Gin da nach und legte seine Hand beruhigend auf diejenige seiner Gefährtin, die fast hilfesuchend auf der Armlehne seines Throns lag.

Der Botendämon schluckte. „Soweit ich den Akademieleiter verstanden habe, ja. Es spricht alles dafür, dass Kyoko-hime entführt wurde. Übrigens gemeinsam mit einem Schulkameraden, mit dem sie sich in den letzten Monden angefreundet zu haben schien, wenn ich mich nicht irre, nannte der Akademieleiter ihn Shippô. Ein Waisenkind“, fasste er noch einmal zusammen.

„Und es ist sicher, dass sie nicht einfach abgehauen sind? Sie sind Kinder, vielleicht…“

„Sicher nicht, Azarni, so sehr auch ich es mir wünschen würde. Aber es wurden immerhin Überreste einer fremden, bösartigen Aura gefunden und außerdem sind sie schon mehrere Tage verschwunden. Wollten sie nur Abenteuer erleben, wären sie längst irgendwo in der Umgebung gesichtet worden“, unterbrach der Fuchsfürst seine Gefährtin bedrückt und sah auf den Boten hinab. „Ich danke dennoch für die Nachricht. Immerhin wissen wir nun Bescheid“

Der Bote nickte kurz, neigte sich vor und erhob sich dann, denn diese Worte waren eine Verabschiedung gewesen.

Gin wandte den Blick zu seiner Gefährtin. Azarnis Blick flackerte, kein Wunder, sie machte sich sicher ebenso Sorgen, wie er. Aber so gerne er sie nun trösten würde, zuerst musste er alles tun, dass seine Jüngste wiedergefunden wurde. „Ruft die Prinzen zusammen!“, rief er den beiden Wächtern am Portal des Thronsaals zu und einer von ihnen beeilte sich, dem Wunsch des Fürsten sofort nachzukommen.
 

Schon wenige Minuten später hatten sich die verbliebenen fünf Kinder des Fuchsfürsten versammelt, Kanaye, der älteste Sohn und damit Erbprinz, saß direkt neben seinem Vater auf der erhöhten Stufe, auf dem die Throne waren, die anderen hatten sich im Halbkreis vor ihren Eltern versammelt. Einen Moment herrschte Stille. Sie alle spürten, dass ihren Vater irgendetwas aufwühlte und das war sicherlich nicht die Anwesenheit seiner beiden Töchter, die eigentlich nicht gerufen gewesen waren, sondern sich ihren Brüdern einfach angeschlossen hatten.

„Chichi-ue?“, wagte schließlich Shin, der jüngste Sohn, nachzufragen.

Fürst Gin blinzelte ihm zu, als hätte ihn erst diese Lautäußerung daran erinnert, dass er etwas hatte sagen wollen. „Ich habe euch nicht ohne Grund zusammen gerufen. Kyoko ist entführt worden“

Die Kinder rissen kollektiv die Augen auf. „Aber wie…“ „Woher…“ „Von wem…“ Die Fragen schwirrten durcheinander.

„Kinder, Kinder… wir wissen es auch nicht…“, murmelte Azarni schließlich und auch wenn sie leise geredet hatte, verstummten die Kinder sofort. Alle Blicke waren auf ihre Mutter gerichtet, die etwas zusammengesunken auf ihrem Thron saß. Azarni war recht klein und obwohl sie im Laufe der letzten 800 Jahren sechs Kinder geboren hatte, war sie extrem schmal und schlank geblieben. Doch jetzt sah sie noch schmächtiger aus, wirkte vollkommen deplatziert. Und das erschreckte die Kinder.

„Fest steht…“, mischte sich der Fürst da wieder ein und seine tiefvioletten Augen ruhten auf jedem einzelnen seiner Kinder zugleich. „Fest steht, dass sie samt einem Schulkameraden verschwunden ist. Kanaye, Tadashi, ihr werdet euch aus den Kriegern je einen Suchtrupp zusammenstellen und sagt Itsuki, er soll einen dritten bilden. Shin, du wirst Itsuki begleiten“ Sofort nickten die drei Prinzen, blieben aber noch sitzen.

„Und wir?“ Das war Beniko, die Älteste der Mädchen, gewesen, die wie üblich für sich und ihre Schwester Akeno gemeinsam sprach. „Du, Beniko, solltest zusehen, dass du nicht zu oft den Unterricht schwänzt. In zwei Wochen lernst du deinen zukünftigen Gefährten kennen und du willst ihn doch nicht verschrecken, oder?“

Für jeglichen Außenstehenden hörte sich diese Antwort Fürst Gins danach an, als wolle er den Töchtern verbieten, irgendwie mitzuwirken. Aber wer wusste, dass Beniko nicht einmal im Traum daran dachte, ohne guten Grund den Unterricht sausen zu lassen, der konnte sich erschließen, dass sie durchaus bei der Suche mitwirken konnte, solange sie ihre eigentlichen Pflichten nicht vernachlässigte und sich vor allem nicht langfristig aus dem Schloss entfernte. Auch hier vor Ort gab es genug zu koordinieren, sei es was das Sortieren jeglicher Informationen anbelangte, die die Suchtrupps hoffentlich weiterleiten würden, sei es, was den Part des Alltagsgeschäfts anbelangte, den normalerweise Kanaye unter sich hatte.

Beniko und Akeno waren es gewohnt, diesbezüglich zwischen den Zeilen zu lesen und nickten nur sittsam. Sie waren beide alt genug, dass sie längst mitbekommen hatten, dass ihr Vater das tat, um seinen Posten zu wahren. Es gab viele Neider hier bei Hofe, gerade unter den hohen Beamten, die dem Fürsten den Posten nicht gönnen mochten. Denn er war nie der Bluterbe gewesen, der Fürst vor ihm hatte nie einen solchen besessen. Gin war nur Adoptivsohn gewesen und Azarni vollkommen aus dem Volk gegriffen. Gin war ein weiser Fürst, der nicht nur alle Staatsgeschäfte gut erledigte, sondern auch viele Verbesserungen etabliert hatte, aber noch immer musste er etwas vorsichtig sein, fast tausend Jahre Amtsinhabe hin oder her.

Jetzt aber entließ er seine Kinder mit einem Nicken und sofort machten die drei Prinzen sich auf den Weg, dem Wunsch ihres Vaters zu folgen. Kanaye und Tadashi, gerade zehn Jahre auseinander, was im Nachhinein kaum einen Unterschied machte und die beiden wie Zwillinge wirken ließ, voraus, den weitaus jüngeren, gerade hundertneunzigjährigen Shin hinterher. Die Prinzessinnen Beniko und Akeno folgten langsamer. Zurück blieb das Fürstenpaar, das einen bedrückten Blick tauschte.

Kyoko war das Nesthäkchen der Familie und schon von klein auf etwas Besonderes gewesen. Die Kleine besaß beachtliche magische Kräfte, aber gleichzeitig nur seltsam schwache Regenerationsfähigkeiten. Das hatte sie mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht. Und umso mehr Sorgen machten sich nun die Eltern.
 


 

Kyoko selbst hätte ihre Eltern beruhigen können. Zwar war sie nicht gerade in der friedlichsten Gegend, aber immerhin außer Gefahr und vor ihr und Shippô hatte sich Yutaka aufgebaut, an dem so schnell niemand vorbei kam. Und zur Not konnte sie sich schließlich auch verteidigen, nicht umsonst lernten sie in der Fuchsakademie schließlich auch sinnvolle Sachen, sprich ihr Fuchsfeuer und die individuellen Illusionen zum eigenen Schutz einzusetzen.
 


 

Shiori war da in weit größeren Schwierigkeiten. Es war ja nicht so, dass sie sich nicht wehren konnte, aber es waren so viele Gegner und sie hatten sie inzwischen sehr eng eingekreist. Ihr blieb kaum etwas anderes übrig, als sich auf der Stelle zu drehen und ihren Klauenangriff wahllos in die Oni zu schicken. Ihr Umhang war bereits an einigen Stellen zerfetzt, wo die Oniklauen ihn erwischt hatten und außerdem wurde ihr langsam schwindelig.

In ihrer Verzweiflung sprang sie noch einmal aus dem Stand in die Höhe, aber da sie sich die ganze Zeit gedreht hatte, gelangte diese Drehbewegung nun auch in ihren Sprung hinein und sie drehte sich im Sprung um die eigene Achse. Ohne, das sie wüsste, wie ihr geschah, dunkelte sich ihre allernächste Umgebung plötzlich ab, als stecke sie in einem Zylinder aus Dunkelheit, auf dessen anderen Seite sie allerdings noch immer die Umgebung erkennen konnte. Und die Dunkelheit pulsierte, kaum dass sie wieder auf dem Boden stand.

Fast neugierig berührte Shiori diese seltsame Dunkelheit, die wie Gelee einfach nachgab. Aber etwas war eindeutig anders, als bei Gelee. Denn da, wo ihre Finger die Masse eindrückten, buchtete sie sich an der Außenseite aus – und schickte plötzlich Schallwellen aus, die auf die Oni zuflogen, und sie filetierten.

Shiori riss den Mund auf. Hatte sie etwa gerade eine neue Waffe entdeckt? Probehalber fuhr sie mit den Fingerspitzen auf einer Linie durch die Dunkelheit und wieder setzte sich diese Berührung durch die Masse hindurch fort und schickte die zerstörerischen Schallwellen aus. Das Halbdämonenmädchen grinste leicht. Nicht schlecht. Mit einer blitzschnellen Rundumdrehung sollten die Oni rund herum alle auf einmal besiegt sein.

Prompt versuchte sie es – und erschrak, als der dunkle Zylinder daraufhin einfach verschwand. Sie stand wieder ungeschützt inmitten der Oni.

Und der Moment, den sie brauchte, um sich dessen klar zu werden, reichte den verrückt gewordenen Viechern. Als ganze Gruppe stürzten sie sich auf Shiori und sie ging unter diesem Ansturm in die Knie, die Arme über dem Kopf verschränkt, rief sie ihren altbekannten Klauenangriff und wehrte sich, so gut sie konnte, aber jetzt war sie wirklich in Bedrängnis.

Im letzten Augenblick konnte sie eine Lücke schlagen und sich seitlich wegrollen, kam auf die Beine und warf einen raschen Blick herum. Ihr blieb kein anderer Ausweg, als irgendwie aus diesem Pulk heraus zu kommen. Im direkten Kampf hatte sie nun erst Recht keine Chance mehr.

Also sammelte sie ihre Kräfte und sprang – so hoch, wie noch nie.

Mehrere Meter schraubte sie sich in die Höhe – und es blieb ihr der Atem im Hals stecken, als klauenbewehrte Hände sie aus der Luft auffingen und sich mit ihr noch weiter in die Höhe schraubten.

Teamarbeit

Die schlanke Gestalt des jungen Kitsune strich sich die feuerroten Haare etwas hinters Ohr.

Hinter ihm lagerten die acht Krieger seines Vaters, die er mitgenommen hatte, aber er wusste, sämtliche Verantwortung lag auf ihm. Die Verantwortung alles zu koordinieren, die Verantwortung die Krieger nicht in unnütze Gefahren laufen zu lassen und vor allem die Verantwortung seine kleine Schwester zu finden.

Wenn es denn seine Brüder nicht taten.

Ein kleines Schmunzeln zuckte über sein Gesicht, als er an das Verhalten seines jüngsten Bruders dachte. Shin war bei aller Sorge fast begeistert gewesen, ebenfalls einen Suchtrupp zusammenstellen zu dürfen. Denn auch wenn Itsuki, der stellvertretende Heerführer der Kitsune, nominell den dritten Suchtrupp anführte, so würde der seinem Prinzen nie etwas abschlagen. Ob Shin da gerade mit einem vielleicht 12, 13-jährigen Menschenjungen zu vergleichen war, oder nicht.

Und Kanaye? Auch sein älterer Bruder legte wie immer Feuer an den Tag. Im buchstäblichen Sinne.

Der junge Kitsune schmunzelte erneut.

Er stach da manchmal schon richtig heraus, war er doch eher ruhig, ähnlich seinem Vater.

Tja, sie waren schon eine seltsame Bande. Aber sie hielten zusammen und das war das Wichtigste. Besonders wenn es darum ging, einen so wichtigen Auftrag auszuführen, wie jetzt. Es konnte nicht angehen, dass jemand ungestraft seine Schwester entführen konnte, verdammt nochmal!

Er legte den Kopf etwas in den Nacken, als er witterte. Er war ja überhaupt nur auf diesen Hügel gestiegen um besser Witterung aufnehmen zu können. Hoffentlich konnte er überhaupt irgendeine Spur ausmachen. Es musste Tage her sein, dass Kyoko hier, aus der unmittelbaren Umgebung der Fuchsakademie, verschwunden war. Und während Kanaye gerade dem Schulleiter die Hölle heiß machte, war er, Tadashi, schon einmal vorgegangen. Aber an dieser Stelle war kein Hinweis aufzufinden.

„Wir gehen noch ein Stück weiter!“, befahl er und sofort schlossen sich ihm die Krieger an, als er den Hügel auf der anderen Seite hinabtrottete und zwischen ein paar Beerenbüschen hindurchlief. Kyoko-chan… wir finden dich! Verlass dich darauf!
 


 

„Still!“

Der Befehl klang in Shioris Ohren, noch ehe sie richtig den Mund aufgemacht hatte, überhaupt über ein Schreien nachgedacht hatte. Sie war noch zu geschockt. Wer hatte sie da abgefangen?

Doch langsam drang die Stimme, die den Befehl ausgesprochen hatte, an ihr Bewusstsein und sie erkannte sie: Tián.

Wären ihre Augen nicht ohnehin schon überrascht aufgerissen gewesen, sie hätte das wohl jetzt nachgeholt. Liebend gern hätte sie ihn gefragt, seit wann er sich in einen Konflikt einmischte, warum er offenbar auf sie geachtet hatte, sonst hätte er sie nicht genau im richtigen Moment gefangen und woher er das Wort kannte, das er befohlen hatte, aber vermutlich würde er ihr sowieso keine Antwort geben können.

Dennoch blinzelte sie zu seinem Gesicht hinauf, erkannte überrascht, dass er die Augen zusammengekniffen, die Kiefer aufeinander gepresst hatte. Seine Gesichtszüge wirkten hart und unnahbar, ganz anders, als sie ihn kannte. Kriegerisch. Entschlossen. Und doch irgendwie, als würde er mit sich hadern.

„Tián?“, fragte sie vorsichtig nach. Er reagierte nicht, stattdessen spürte sie, so nah, wie er sie an seinem Oberkörper hielt, dass seine Schultermuskeln kräftiger arbeiteten und zugleich sah sie kurz einen Schatten seitlich von sich auftauchen und wieder verschwinden. Ein rauschendes Geräusch begleitete diese Erscheinung. Dann einen Moment Ruhe und wieder dasselbe.

Shiori wusste nicht recht, woher sie die Gewissheit nahm, dass es Flügelschlag war, denn zum umgucken kam sie nicht, als Tián sich plötzlich zur Seite abkippen ließ und im Sturzflug zurück nach unten sauste. Shiori unterdrückte erneut ein erschrockenes Aufschreien und schloss ihre Hände krampfhaft um die Unterarme, die auf Höhe ihrer Taille vor ihrem Körper verschränkt waren, sie hielten. Sicher hielten.

Langsam beruhigten sich ihre Atemzüge wieder und sie lauschte doch irgendwo fasziniert dem Wind, der an ihnen vorbei rauschte. Aus irgendeinem Grund, war sie sich sicher, dass Tián wusste, was er tat.

Tatsächlich fing er sich ein paar Meter über dem Boden ab und kam sicher, etwa zwanzig Meter von der Onihorde entfernt auf.

Kaum berührten Shioris Füße den Boden, wollte sie schon wieder zurück rennen, diesmal von außen eingreifen, mithelfen.

Aber feste Finger schlossen sich um ihr Handgelenk und hielten sie zurück. Beinahe wäre Shiori gestürzt, fing sich aber gerade noch. „Was soll das?“, fragte sie aus dem Affekt heraus, ehe ihr einfiel, dass sie auch darauf vermutlich keine Antwort erhalten würde. Also drehte sie sich so weit herum, wie es der Griff zuließ.

Tiáns Gesichtszüge waren noch immer verhärtet, seine Augen blickten ernst – und da wo sonst die Schulterschützer und der Umhang waren, erkannte sie nun ledrige, graue Flügel, ganz ähnlich denen, die sie von den Komoris kannte und doch wieder etwas anders. Erneut wollte sie Richtung Kampf gehen, diesmal mit einem Schritt rückwärts, ihren Blick dabei nicht von Tián nehmend. Doch der hielt sie nach wie vor fest.

„Ich muss gehen! Tián, die anderen kämpfen und ich soll zusehen?“

Von ihm kam nur ein kurzes Kopfschütteln und ein Wort, dass vermutlich in seine Sprache gehörte, das sie aber anhand der Geste übersetzen konnte: Nein.

„Na also. Dann lass mich gehen!“

Wieder schüttelte er den Kopf, versuchte sie nun sogar wieder etwas zu sich zu ziehen, doch sie stemmte sich dagegen! „Tián!“, rief sie ihn zur Ordnung, doch er gab noch immer nicht nach. Bezeichnend hob sie die freie Hand und krümmte sie zur Klaue, sodass die schattenhafte Wolke entstand, die ihren Klauenangriff stets begleitete. „Ich werde nicht einfach zusehen, während meine Freunde um ihr Leben kämpfen!“, sagte sie noch einmal. Sie wusste nicht, ob er verstand, wovon sie sprach, aber sie hoffte, ihr Tonfall würde ihm verdeutlichen, wie wichtig ihr die Sache war.

Doch seine Reaktion war anders, als erwartet. „Shiori…“, sagte er nur eindringlich, als wollte er sie überzeugen, doch nur zuzuschauen.

Sie schüttelte heftig den Kopf, sodass ein Gutteil ihrer weißen Haare ihr ins Gesicht fiel. „Nein. Ich kann nicht… ahh!“

Wieder einmal reagierte er vollkommen unvorhersehbar.

Mit einem kurzen Rück hatte er sich wieder herumgedreht, sodass sie erneut mit dem Rücken zu ihm stand, packte sie und stieß sich wieder vom Boden ab. Da ihr als Hanyô das Fliegen unmöglich war, blieb ihr nichts anderes übrig, als stillzuhalten, denn er gewann erneut schnell an Höhe. Also gab sie es auf und versuchte stattdessen die Situation zu nutzen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Doch dazu kam sie nicht mehr.
 


 

Ein feines Zischeln lag allgegenwärtig in der Luft, als eine Horde schwarzer, schlangenähnlicher Viecher durch den Himmel glitt.

Einige von ihnen hielten weiße, flackernde Dinge in den kurzen, insektenartigen Beinchen, die unterhalb des vordersten Abschnittes ihres Körpers saßen.

Andere flogen ohne Last um sie herum und es schien, als ob sie Ausschau halten wollten.

Nicht weit entfernt, am Horizont erhob sich der kegelförmige Schlot eines hohen Berges.

Akuma no hakaba… Akuma no hakaba…

Es war wie ein stetes Flüstern in der Luft, dass sich aber nicht nach einer sprechenden Stimme angehörte. Dennoch war es klar verständlich. Die schwarzen Wesen glitten lautlos durch den Himmel, näher an den Vulkankegel heran, dessen Form beinahe symmetrisch war, der aber verkohlte, ausgebrochene Hänge aufwies und etwas Unwirtliches ausstrahlte, dass beinahe alles Lebendige von ihm fernhielt. Nur die Wesen kamen ihm immer näher und das Zischen in der Luft wurde immer aufgeregter, bis sie in die Wolken eintauchten und sich der Spitze des Berges näherten.

Von dort aus ließen die, die etwas trugen, es einfach fallen und die weißen, zuckenden Flämmchen, die doch eine bemerkenswerte Formstabilität aufwiesen, trudelten hinab in den Vulkanschlot.

Das dunkelgraue Innere begann zu pulsieren und zu brodeln, ganz so, als ob der Vulkan gleich ausbrechen wollte, aber dazu kam es nicht. Stattdessen sanken die Flämmchen einfach in das halbaufgeweichte Magma hinab und wurden verschluckt. Ein tiefes, bedrohliches Brummen mischte sich unter das Zischeln der schwarzen Wesen, die ihre Bahnen oberhalb der Abwurfstelle zogen, ehe wieder Stille einkehrte.

Die schwarzen Lebewesen drehten wieder ab und flogen davon. Es wurde Zeit, dass sie die nächste Ladung beschafften.

Einige von ihnen zuckten im Flug, wollten zur Seite ausbrechen, aber es gelang ihnen nicht, sie wurden im Verbund behalten. Die sonst so selbstständigen Shinidamachu, ob schwarz und verdorben oder nicht, standen unter irgendjemandes Zwang.

Und am Fuße des Berges wurde eine Gruppe Mönche von der flüsternden Stimme im Wind verschreckt: Akuma no hakaba… Teufelsgrab… Akuma no hakaba… Teufelsgrab…
 


 

Tián sah den schlangenartigen Oni erst, als es beinahe zu spät war.

Im letzten Augenblick konnte er sich zur Seite werfen, verlor dadurch aber an Höhe. Nicht gut… Solange er Shiori mit in der Luft hielt, konnte er nicht kämpfen, hatte keine Hand frei. Und dieses Schlangenvieh folgte ihm sofort.

Er ließ sich ruckartig weiter absacken, bis er nur noch etwa sechs Meter über der Erde war, hoffentlich eine Höhe, die zu fallen ein Hanyô unverletzt überstand. Er lockerte seinen Griff um Shioris Taille etwas. Aber sie verstand offenbar nicht, worauf er hinauswollte, hatte vermutlich noch nicht einmal gesehen, dass sie direkt angegangen wurden, befand sich der Oni doch momentan hinter ihm, verdeckte durch seine Schwingen.

Ausweichen kann ich nicht, dafür ist das Vieh zu schnell… mir bleibt schlicht nichts anderes übrig, will ich nicht mich und Shiori gefährden… Vater, Mutter, verzeiht mir…

„Shiori! Spring ab und beeil dich, zur Seite wegzukommen. Wir haben einen Angreifer genau von hinten!“, befahl er und lockerte seinen Griff so weit, dass sie gerade so nicht fiel. Und er spürte, wie sich das Mädchen verkrampfte, überrascht den Kopf in den Nacken legte.

„Tián…“, flüsterte sie verblüfft und er konnte sich nur zu gut denken, warum. Sie hatte mit Sicherheit nicht damit gerechnet, dass er ihre Sprache doch sprach. Das hieß, irgendwo war es ja auch seine eigene Sprache.

„Frag nicht, spring! Wir klären das später!“, fuhr er sie an und endlich tat sie, was er gesagt hatte, vermutlich mehr aus Reflex, als dass sie ihre Verwunderung schon wieder im Griff hätte.

Tián hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Im letzten Augenblick, ehe der Oni sich in seinen Flügel verbeißen konnte, stieg Tián auf, entkam damit den von Geifer triefenden Kiefern und wirbelte herum. Er machte sich nicht die Mühe, das Jian zu ziehen. Er war nie sonderlich gut mit der Waffe gewesen, hatte nur wenig Training erhalten. Aber etwas anderes konnte er. „Qīng chùjué“, erklang seine Stimme und auf der Bahn, die seine Klauen beschrieben, bildeten sich messerscharfe Lichtfäden, die den Angriff seines Gegenübers beendeten, in dem sie ihn einfach durchtrennten. Zweigeteilt fiel der Oni zu Boden. Das war einfacher gewesen, als gedacht.

Tián atmete tief durch und ließ sich langsamer absinken. Ein paar Meter vor dem Boden legte er die Flügel bereits an und kam weich auf dem Boden auf.

Shiori stand nicht weit entfernt und sah ihn noch immer aus großen Augen an. Das Sonnenlicht ließ die im Dunklen so tief gefärbten Augen blass aussehen, aber er konnte dennoch die namenlose Überraschung darin lesen. Jetzt kam sie ihm ein Stück entgegen. „Tián, ich…“

Weiter kam sie nicht, denn mit einem blitzschnellen Griff zog er sie von ihrem Standort weg, gerade bevor ein verwundeter, aber nicht toter Oni vom Himmel stürzt, den vermutlich die Kettensichel dieses Dämonenjägers getroffen hatte. „Später, sagte ich“, knurrte Tián und sah das Halbdämonenmädchen fest an. „Die anderen sind bereits aus der Menge raus, abgesehen von diesem Weißhaarigen. Wenn du dich wieder einmischst, kann er wieder nicht großflächig angreifen, verstehst du?“, fragte er und wunderte sich dabei selbst, dass ihm die Worte so leicht über die Lippen kamen. Mochte er die hiesige Sprache können, er hatte sie schon schier unendlich lange kaum mehr gesprochen.

So stur und eigenwillig Shiori sein konnte, offenbar hatten ihre Unterrichtsversuche, als sie noch dachte, er spreche ihre Sprache nicht, ihm durchaus geholfen.

Jetzt aber antwortete sie nicht mehr und ließ sich auch anstandslos mitziehen, als er sich auf den Weg machte. Irgendwo dort drüben musste Kagome samt dieser verletzten Dämonin sein. Am Besten, sie gesellten sich dazu.
 


 

Sesshoumaru stand derweil noch immer inmitten der Oni und hielt sie mit seiner Energiepeitsche auf Abstand. Nicht, dass ihm das Probleme bereitet hätte, aber so langsam wurde es langweilig und noch immer war kein Ende abzusehen, wusste er doch nicht, wo die anderen waren.

Natsu durfte nichts geschehen, sie war schon schwer verletzt genug und er hatte ihrem Vater schließlich sein Wort gegeben, dass er die Löwendämonin beschützen würde.

Kagome durfte auch nichts geschehen, immerhin brauchte er sie, sollte auch nur annähernd die Möglichkeit bestehen, den Plan der Dämonenfürsten zu vervollständigen, beziehungsweise, akuter, Kuraiko zur Mitarbeit zu bewegen.

InuYasha sollte auch nicht unbedingt abgeschlachtet werden, sonst würde Kagome sicherlich nie mitarbeiten und davon mal ganz abgesehen hätte es ihm auch leidgetan – irgendwo.

Die kleine Fuchsprinzessin sollte auch weitestgehend unverletzt bleiben, sonst würde mit deren Vater nicht mehr viel anzufangen sein. Sesshômaru wusste, dass der Fuchsfürst die größte Kinderschar unter den Dämonenherrschern hatte, aber es war auch ebenso weithin bekannt, dass er jedes seiner Kinder abgöttisch liebte und über den Verlust von einem davon sicher nicht allzu schnell hinweg kommen würde. Und gerade in nächster Zukunft konnte Sesshômaru das diplomatische Geschick des Kitsuneherrschers durchaus gut gebrauchen.

Um es in Kurzform zu sagen: Er konnte es sich diesmal wirklich nicht leisten, keine Rücksicht zu nehmen.

Er knurrte leicht auf, als er seine Energiepeitsche erneut in die Feinde schickte und eine ganze Reihe von ihnen entzwei säbelte. Dabei glitt sein Blick kurz nach oben. Von diesen Oni hier, waren offenbar nicht so viele flugfähig, wie gedacht. Und von oben konnte er vielleicht eher sehen, wo die anderen steckten. Er brauchte nicht lange abzuwägen, ob das eine gute Idee war, immerhin würde auch ihm irgendwann die Konzentration flöten gehen, wenn es hier so weiter ging. Und da hatte er immer gedacht, die Onihorden, über die Naraku befohlen hatte, wären groß gewesen, zumal die vernünftig angegriffen hatten und man mit ein paar ordentlichen Verteidigungsschlägen mit ihnen fertig wurde. Diese Viecher hier waren so unkoordiniert, dass er immer nur wenige auf einmal erwischte und es noch schwerer wurde, nicht irgendwann an Langeweile zu Grunde zu gehen.

Da vernahmen seine feinen Ohren plötzlich einen Ruf, der selbst ihm bekannt vorkam. „Hijinkessô!“

Rein instinktiv machte Sesshômaru einen kurzen Sprung zurück und entging damit einigen von InuYashas Blutklingen, die doch recht nah an ihm vorbei sausten. Gleich darauf folgte der Hanyô selbst, vermutlich ohne zu bemerken, wen er da gerade fast mit abgetroffen hatte, obwohl sie ausnahmsweise mal wieder auf derselben Seite kämpften.

„Spinnst du, du Bastard?“, fragte Sesshômaru eisig und entledigte sich mit puren Klauen eines weißen Wurmdämons, der die Dreistigkeit besessen hatte, sich mitten in die Schwertabfangdornen seiner Rüstung zu verbeißen, wohl in der fehlgeleiteten Annahme, dies sei kein Metall, sondern Teil seines Körpers. Diese Viecher wurden mit jeder Minute dämlicher.

„Sesshômaru“, konterte InuYasha gewohnt hitzig, als er herumwirbelte, aber es lag ein leichtes Keuchen in seiner Stimme. Die Verletzungen machten ihm zu schaffen, aber aufgeben würde er sicherlich nicht. Wäre er nicht im letzten Augenblick aufgetaucht, Kagome hätte ihr Leben dafür gelassen, das sie durchgehalten hatte und er würde nicht zulassen, dass sie das umsonst getan hatte. Dennoch als er erneut seine Blutklingen schleuderte, waren es bei weitem schon nicht mehr so viele auf einmal.

Fast erschrocken bemerkte er, dass plötzlich Sesshômaru wortlos neben ihn sprang und mit seiner Energiepeitschte einige undefinierbare Oni zerstückelte, die er verfehlt hatte. Eine selten zuvorkommende Geste, aber durchgehen lassen, würde InuYasha seinem Halbbruder das trotzdem nicht. „Lass das! Ich komm allein zurecht“, knurrte er.

Sesshômaru blickte ihn ungerührt an. „Das sieht mir aber ganz anders aus“, konterte er.

„Dann guck genau hin, du Blindfisch!“

„Idiotischer Hanyô. Schau du lieber, wohin du zielst!“

InuYashas demonstrativ nächster Angriff war nämlich fast vollständig in eine Lücke gelaufen, die schon vorher in die Oni geschlagen worden war. Nur wenige der Blutklingen trafen überhaupt ein Ziel, geschweige denn richtig. „Keh! – Sag mal, wo sind die anderen?“

„Woher soll ich das wissen?“

InuYasha wollte schon patzig nachsetzen, als eine andere Stimme sich einmischte. „Sie sind alle draußen. Alle außerhalb der Onimasse. Ich habe den Anführer gefunden. Ich kümmere mich um ihn, aber die Oni sind schon zu krank, als das sie noch fliehen würden. Seht zu, dass ihr sie zerstört“

„Kirin?“, fragte InuYasha verwirrt nach, der nicht so wirklich verstand, worauf das Einhorn hinaus wollte. Er bekam allerdings keine Antwort und so ging sein Blick automatisch richtung Sesshômaru.

Der Daiyôkai bemerkte das wohl, aber er hätte niemals zugegeben, dass er ebenso keine Ahnung hatte, wovon Kirin sprach. Allerdings wusste er um die Weisheit des urmagischen Wesens, dass er in seiner Kindheit ein paar Mal getroffen hatte und war obendrein zu oft schon an Kriegen beteiligt gewesen, als dass er einen Ratschlag überhört hätte, der schlüssig war.

Aber wenn er die Menge der übrig gebliebenen Oni richtig einschätzte, würde er wohl oder übel Hilfe brauchen.

„InuYasha!“, sagte er deswegen nur.

„Was ist?“

„Tessaiga“

So oft InuYasha seinen Halbbruder auch absichtlich falsch verstand, so bemerkte er nun doch, dass Sesshômaru keineswegs den Krieg um die mächtige Klinge erneut anfachen wollte, sondern einfach um Unterstützung bat, wobei er sich wohl eher auf die Zunge gebissen hätte, als das tatsächlich auszusprechen. Seltsamerweise konnte InuYasha sehr gut nachvollziehen, was sich alles in Sesshômaru sträubte und so legte er nur vielsagend die nun wieder klauenbewehrte Hand an die Schwertscheide, von der ein leichtes Pulsieren ausging. Tessaiga schien sich auf den erwarteten Einsatz genauso zu freuen, wie sein nun wieder dazu befähigter Besitzer.
 

Der Inuyôkai wandte sich etwas ab und witterte, aber auch ihm fiel das angesichts der Mengen an Oni und halbtoten bis gänzlich toten Dämonenfetzen schwer. Dennoch blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Halbdämon soweit zu vertrauen, dass der ihm nicht die Windnarbe von der Seite um die Ohren jagen würde.

„Jetzt“, bestimmte er und ehe InuYasha protestieren konnte, sprang der Hundedämon bereits hoch, zog Bakusaiga und rief dessen Macht ab. „Bakusaiga!“ Es klang wie ein Anfeuerrungsruf, der sich augenblicklich im Rauschen der Yôkiwoge verlor, die aus Bakusaigas Klinge schoss.

Gleichzeitig war ein ebenso euphorisches „Kongôsôha!“ zu hören und unzählige diamantähnliche Kristallsplitter sausten im flachen Bogen auf die Oni zu und machte die anderen Hälfte dem Erdboden gleich.
 

Als sich Lärm und Staub gelegt hatten, war auf der Ebene gähnende Leere, bis auf die beiden ungleichen Brüder, von denen einer auf dem Boden hockte und der andere in der Luft schwebte, und die weißgoldene Kuppel, die sich in der Mitte des bisherigen Kampfplatzes abzeichnete. Schemenhaft waren die Silhouetten von Kirin und einem liegenden Wesen zu erkennen.

Aber eines war klar: Sie hatten gesiegt.

Medizinische Versorgung

Sesshoumaru zwang sich, ein Knurren zu unterdrücken, als er erkannte, dass InuYasha seine wertvolle Klinge als Krückstock missbrauchte um mühsam wieder auf die Beine zu kommen.

Wie er seinen ungeliebten Halbbruder kannte, hatte der nahezu sämtliche verbliebene Kraft in diesen Angriff gesteckt und das zeigte sich nun darin, dass der Hanyô kaum noch aufrecht stehen konnte. Langsam ließ der Inuyôkai sich absinken, kam weich auf dem Boden auf und schritt, ohne InuYasha weiter zu beachten, auf die weißgoldene Kuppel zu, unter der sich Kirin offenbar gemeinsam mit dem Initiator dieses Gemetzels verschanzt hatte. Auch sagte er nichts, als InuYasha sich prompt an seine Seite gesellte.
 

Im selben Moment ließ Kirin seinen Bannkreis langsam fallen und kam ihnen beiden einen Schritt entgegen. Ein wenig senkte er den Kopf. „Eure Kraft ist erstaunlich“, sagte er ruhig und musterte dabei nicht nur Sesshômaru, sondern auch InuYasha.

Er sah den Hanyô jetzt zum ersten Mal in gesunder, halbdämonischer Form und er sah auch seit langer Zeit zum ersten Mal Tessaiga wieder, zudem mit einer Technik, die ihm nicht bekannt gewesen war. Das war eine durchaus interessante Mischung.

Und der Älteste des ehemaligen Inu no Taishô? Der hatte ja schon in seiner Kindheit eine Macht besessen, die andere Yôkai blass werden ließ, aber offenbar stimmten auch die Gerüchte, dass er inzwischen seinen Vater um ein Gutteil übertroffen hatte. Und dieses Schwert… es schien nicht nur eine eigene Seele zu besitzen, wie es Tessaiga und Tenseiga taten, sondern annähernd eins mit ihm zu sein. War es etwa die Insignie, die bewies, dass er ein wahrer Dai-Yôkai geworden war? Passen würde es zu ihm.

Doch jetzt waren andere Dinge wichtiger.

Er drehte den Kopf, sah hinab auf die liegende Gestalt eines Affendämons mit schwarzbraunem Haar. Die Hals- und Schulterpartie des Yôkai erschien wie verätzt und er atmete nur schwach, sein Yôki war, dafür, dass er menschenähnliche Gestalt annehmen konnte, sehr, sehr niedrig. Er musste sehr geschwächt sein. Allerdings wies er keine weiteren Verwundungen auf. Also woher kam diese Schwäche?

Sesshômaru ließ sich nicht anmerken, dass genau diese Fragen ihm durch den Kopf gingen. Er war sich sicher, Kirin würde von sich aus berichten.

„Er hier ist für das Chaos verantwortlich. Und gleichzeitig kann er auch nichts dafür. Alles weitere später, er ist leider sowieso nicht mehr zu unterstützen. Entweder er erholt sich wieder und regeneriert sein Yôki schnell genug, oder es ist aus. Da kann weder ich etwas tun, noch jemand anderes. Suche wir erst einmal eure Begleiter. – Sesshômaru-sama, ich fürchte, Eure Begleiterin ist schwer verletzt, ihr Yôki fühlte sich zuletzt sehr schwach an“
 

Der Inuyôkai antwortete nicht, aber er pflichtete Kirin da bei.

Natsu war sowieso schon gehandicapt gewesen, durch ihre verwundeten Beine, unwahrscheinlich, dass sie so vernünftig hatte kämpfen können. Zumal ihr Kampfgeschick ihn zwar überrascht hatte, er aber noch immer nicht richtig abschätzen konnte, wie gut sie tatsächlich war.

„Wo sind sie eigentlich?“, mischte sich da InuYasha ein, der sich nun zwar wieder aus eigener Kraft auf den Beinen hielt und Tessaiga weggesteckt hatte, aber doch sehr erschöpft wirkte.

„Kurz bevor ihr zum Rundumschlag angesetzt habt, habe ich Yutaka befohlen, sie auf Sicherheitsabstand zu bringen. Vermutlich sind sie da hinten, in dem Dickicht“, gab Kirin souverän zurück und deutete mit seiner Hornspitze auf den Wald, durch den sie weitergezogen wären, hätten diese Oni sie nicht aufgespürt. Bis auf die erste Baumreihe wirkte dort alles noch recht unangegriffen, obwohl die Energiewelle des parallelen Angriffs zwei solch starker Schwerter wie Tessaiga und Bakusaiga ansonsten eine ziemliche Verwüstung hinterlassen hatte. Aber das war nicht weiter tragisch, Hauptsache es war niemand Wichtiges zu Schaden gekommen.

Der Ansicht war ganz offensichtlich auch InuYasha, denn der hatte sich ebenfalls zu dem Wald umgedreht und nur ein Wort verließ besorgt aber hoffnungsvoll seine Lippen: „Kagome…“
 


 

In der tiefen Dunkelheit war keine wirkliche Silhouette auszumachen und auch die Augen der Gestalt waren so nachtschwarz, dass sie mit der Umgebung verschmolzen, aber dennoch war das Wesen kaum zu übersehen. Die eisige Kälte an diesem Ort rührte weder von Jahreszeit und Wetter noch von einem Zauber, es war pure, dämonische Macht, die hier so geballt war, wie an keinem anderen Ort der Welt. Und wer die Auren trennen konnte, erkannte die dünne Trennlinie, die die Gestalt von seiner Umgebung unterschied. Menschähnlich, doch spitze Ohren, abstehende, halblange Haare – ein Yôkai.

Eine fiese Grimasse war wie in das Gesicht gemeißelt, aber das war nun wirklich nicht zu erkennen.

Der betreffende aber, der wusste es genau. Endlich hatte er wieder Hoffnung.

Gut sechshundert Jahre hatte es gedauert, sechshundert Jahre, die er hier unten hatte verbringen müssen. Aber nun hatte er seine Diener wieder. Und ob sie wollten oder nicht, sie versorgten ihn mit der Macht, die er brauchte um hier endlich auszubrechen. Viel brauchte es nicht mehr.

Oh ja, der Tag der Abrechnung war nah…
 


 

Als sie das Dickicht betraten, konnten beide Halbbrüder bereits die Witterungen ihrer Reisegruppe wahrnehmen und Sesshômaru ertappte sich dabei, dass er genauer witterte, ob der allgegenwärtige Blutgeruch zu einem großen Teil von Natsu stammte, oder nicht. Er sollte langsam wirklich zusehen, dass er diese Hirngespinste abwürgte, das war doch wirklich nicht seine Art, über die geforderten Verhältnisse eines politisch korrekten Schutzversprechens hinaus zu handeln.

Aber es fiel ihm schwer, seine Gedanken auf etwas andere zu lenken und da kam es ihm ganz recht, dass plötzlich etwas vor ihnen raschelte und Kagomes schlanke Gestalt sichtbar wurde.

„InuYasha!“

Im nächsten Augenblick hatte sie sich in InuYashas Arme geworfen, mit einem Schwung, den sein malträtierter Körper ganz offensichtlich nur schwer abfangen konnte, denn er stolperte einen Schritt nach hinten, ehe er sie an sich zog.

„Kagome…“ Pure Erleichterung klang diesmal aus seiner Stimme.

Sesshômaru war einen Schritt beiseitegetreten, um nicht von ihr über den Haufen gerannt zu werden, aber was sich nun tat, machte es ihm schon schwer, einfach weiterzusehen. Er hatte ja gewusst, oder besser geahnt, dass die beiden inzwischen wirklich ein Paar waren und das was da eben geschah, war nicht der erste Kuss der beiden, den er beobachten musste, aber dieser hier war dann doch noch etwas Neues.
 

InuYasha war da ähnlich überrumpelt, wenn auch aus gänzlich anderem Grund. Als Kagome sich ihm entgegenwarf, musste er ein schmerzvolles Aufstöhnen unterdrücken. Der Schwung war dann doch ein wenig zu viel für seinen verwundeten Körper, denn vor allem vermochten ihn auch die Feuerrattenhaare nicht zu schützen, schon gar nicht, wenn er vollkommen wehrlos war, wie zu Beginn des eben überstandenen Kampfes. Sie ließ ihn aber nicht zu Wort kommen, sondern versiegelte seinen Mund mit dem Ihren – und brachte ihn damit für einen Herzschlag aus dem Konzept. Es war ja nun nicht das erste Mal, dass sie sich küssten, aber mal ganz abgesehen davon, dass Sesshômaru keine zwei Schritte entfernt stand, waren die bisherigen Küsse doch eher zaghaft, fast verschreckt gewesen. Das hier war… stürmisch, ja, so konnte man es beschreiben. Und InuYasha musste zugeben, dass ihm das nur zu gut gefiel. Viel zu schnell ging ihnen die Luft aus und sie mussten sich voneinander lösen.

In den Augen des Hanyô lag ein ganz neues Strahlen, aber er verzog doch kurz das Gesicht, als sich Kagome von ihm löste und dabei mit der Hand seine Schulter streifte, die mit am schwersten verletzt war. „Autsch. Vorsicht, Kagome…“, murrte er, hob aber abwinkend die Hand, als Schreck in das Gesicht der Miko kam, sie schon zu einer Entschuldigung ansetzte. Ihre Wangen waren gerötet, vermutlich aus Verlegenheit und wegen der Atemnot zugleich. „Schon gut“, beruhigte er sie wieder und zauberte damit ein kleines Lächeln auf ihre Züge.

Schon besser…, dachte er bei sich, ehe er aufsah, weil nun auch die anderen hinterher kamen. Shippô, dessen kleine Freundin, Shiori und Tián, Yutaka, Kohaku und Kirara – letztere wieder in kleiner Form. Nur eine fehlte.
 

Und InuYasha glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, als er einen kleinen Funken Sorge in dem Tonfall vernahm, mit dem Sesshômaru nun den Namen der Vermissten aussprach: „Natsu…“
 

Auch Kirin legte für einen Sekundenbruchteil den Kopf schief, ließ sich aber ansonsten nicht anmerken, dass er sich langsam Gedanken über das Verhalten des Inuyôkai machte. „Yutaka! Wo ist sie?“, wollte er wissen.

Der Pferdedämon sah ihn an. „Auf der Lichtung da hinten. Ich habe sie hergetragen, aber sie ist schwer verletzt. Sie kann aus eigener Kraft nicht aufstehen“, berichtete er sachlich und auch er warf einen augenaufschlagkurzen Seitenblick zu Sesshômaru hinüber.

Dessen Gesicht hätte aus Stein gemeißelt sein können, aber der Hundedämon wusste nur zu gut, dass er soeben Bestätigung erhalten hatte: Zu mindestens die beiden hatten ihn durchschaut. Aber das musste ja noch lange nicht heißen, dass er ihrer Ahnung Folge leisten musste. Wortlos machte er sich auf den Weg.

Der Rest schloss sich ihm sofort an.
 

Die Lichtung war nicht schwer zu finden. Umrahmt von einer Ansammlung Findlinge, die fast einen Kreis bildeten, lag sie geschützt im tiefsten Dickicht.

Vor Kopf, an einem der Findlinge lehnte tatsächlich Natsu, hielt die Augen geschlossen, ihre Schultern und Gesichtszüge wirkten verkrampft. Von ihrer Umgebung schien sie nichts mitzubekommen.

Fast gleichzeitig witterten InuYasha und Sesshômaru und ersterer zog scharf die Luft ein. Letzterer hatte sich besser im Griff, aber auch er hatte es natürlich gerochen. Zu dem schweren Blutgeruch, der von Natsu ausging, war der ekelhaft süße Gestank von Wundsekret gekommen. Ihre Verletzungen waren auf dem besten Weg sich zu entzünden. Und ehe das bei einem Dämon vorkam, musste er sehr schwer verletzt sein.

Sesshômaru erinnerte sich daran, dass das nicht einmal der Fall gewesen war, als InuYashas Windnarbe ihn getroffen hatte, wohl aber bei der Sache mit seinem Arm. Mochte Tensaiga ihn beschützt haben, auch bei der Sache mit dem Kaze no Kizu war er reichlich schwer verwundet gewesen. Die gegenwärtige Situation war also alles andere als gut. Er bemerkte kaum, dass der Rest sich wieder niedergelassen hatte und InuYasha im Flüsterton mit Kagome darüber diskutierte, ob die seine Wunden versorgen dürfe oder nicht.

Da riss ihn etwas aus seinen Gedanken

, auch die restliche Gruppe wurde von dem leisen Stöhnen aufgeschreckt. Es war schnell klar, von wem es kam.

Natsu.

Die Yôkai wand sich etwas hin und her, ohne die Augen zu öffnen.

„Hat sie Fieber?“ Die leise Frage war von Kagome vermutlich an niemand bestimmten gerichtet gewesen, aber Kirin antwortete trotzdem: „Scheint so. Und das ist gar nicht gut“

„Warum? Fieber ist doch eigentlich ein Schutz für den Körper“, wandte Kagome ein.

„Nicht bei Dämonen. Selbst bei mir wäre es ein Zeichen von großer Gefahr“, mischte sich InuYasha ein.

Die junge Miko zog eine Grimasse. Für einen Moment sah es so aus, als wollte sie aufstehen, dann setzte sie sich mit einem kurzen Blick auf Sesshômaru wieder hin.

„Was ist?“ InuYashas Stimme war so leise, dass sie ihn kaum verstehen konnte, obwohl er ganz nah an ihrem Ohr sprach. Offensichtlich sollte Sesshômaru seine Nachfrage nicht hören.

„Ich überlege, ob ich nach ihr schauen soll. Aber ich glaube kaum, dass er das gut findet. Von wegen Stolz der Dämonen und menschliche Hilfe und so…“, antwortete sie ebenso leise wispernd.

„Tu es!“, befahl eine harsche Stimme, noch ehe InuYasha überhaupt reagieren konnte. Sesshômaru hatte sie also doch gehört.

„Keh! Seine Ohren sind eindeutig zu gut“, brummte InuYasha diesmal klar verständlich, sagte aber nichts mehr, als die junge Miko sich daraufhin erhob und sich Natsu näherte. Selbst sie konnte erkennen, dass es der jungen Yôkai nicht gut ging, aber das Bild, dass sich ihr bot, als sie näher kam, erschreckte sie doch.
 

Der Lederharnisch und die Hakama der RaionYôkai waren vollkommen zerfetzt und in die Beine hatten sich tiefe Wunden gegraben, die nicht nur heftig bluteten, sondern auch schon zu eitern begannen. Wenn schon Fieber kein gutes Zeichen bei Dämonen war, was bedeutete dann erst eine handfeste Entzündung? Sie wollte es lieber gar nicht wissen.

Stattdessen sah sie wieder auf.

„Kohaku!“

„Ja?“ Der junge Dämonenjäger reagierte sofort.

„Bist du heftig verletzt?“

Er schüttelte etwas den Kopf, zeigte dann auf die kleine Platzwunde auf seiner Stirn. „Das ist das einzige. Kirara ist gut im Ausweichen“, gab er schlicht zurück. Er ahnte schon, warum die junge Miko das wissen wollte.

„Dann schnapp sie dir und sucht das nächste Dorf. Wir brauchen Verbandszeug und das nicht gerade wenig. Und vielleicht ein paar Kräuter zur Wundheilung, auch wenn ich nicht weiß, ob die bei Dämonen helfen“, trug Kagome ihm auch sogleich auf.

Der junge Taijiya wartete gerade noch ab, bis Kirara sich verwandelt hatte, ehe er mit seiner vierbeinigen Gefährtin loszog.

Kagome wusste, dass er sein Bestes tun würde.

Also wandte sie sich wieder der fiebernden Dämonin zu. Die Wunden bluten immer noch… irgendwie muss ich das abbinden… aber ich hab‘ nichts… obwohl… Ihr Blick war auf das meeresgrüne Tuch gefallen, dass Natsu um die Hüfte geschlungen hatte. Aber da hing das Schwert drin. Vorsichtig streckte sie die Hand danach aus, berührte die Schwertscheide. Keine Zurückweisung. Obwohl sie eine Miko war und das dort ein dämonisches Schwert wehrte es sich nicht. Etwas verwundert, aber mit einer schnellen Bewegung zog sie das Schwert aus dem Tuch, legte es direkt neben Natsu wieder ab, damit die es beim Aufwachen in ihrer Nähe wusste. Dann lockerte sie vorsichtig das Tuch.

Allerdings bemerkte sie bald, dass dadurch auch der Haori lockerer fiel, wohl durch das Tuch mit zusammengehalten worden war. Aber ohne das Tuch zum Abbinden konnte es für die Yôkai noch gefährlicher werden, als ohnehin schon. Die junge Miko hob wieder den Kopf, sah sich um.

Sesshômaru hatte sich an einen Findling gegenüber gesetzt, ein Bein ausgestreckt, das andere angewinkelt, die Augen geschlossen. Seine übliche Haltung, soweit sie das beurteilen konnte. Der Rest lagerte noch ebenso, wie vor zwei Minuten.
 

„Alles was männlich ist, verzieht sich bitte!“, sagte Kagome und es klang weniger nach einer Bitte, als nach einem Befehl.

Wortlos wandte Yutaka sich um, verließ, gefolgt von Kirin, als erster die Lichtung.

InuYasha zuckte kurz mit den Ohren, murmelte sein übliches „Keh!“ vor sich hin, ehe auch er tat, wie ihm befohlen. Er kannte das reizbare Temperament seiner Freundin nur zu gut und wollte im Moment wirklich nichts provozieren. Er war erschöpft und verletzt und außerdem musste er sich vor seinem Bruder nicht noch extra blamieren, also gehorchte er lieber.

Tián schloss sich ihm an.

„Shippô, du auch!“, setzte Kagome nach.

Der kleine Kitsune sah sie entrüstet an. „Aber ich bin doch noch ein Kind!“, protestierte er, durchaus verstehend, warum Kagome die anderen weggeschickt hatte.

„Ach plötzlich. – Trotzdem, Shippô! Abflug“

Der junge Fuchsdämon verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und rührte sich nicht von der Stelle – bis jemand ihn von der Seite schubste. Gerade noch auf den Beinen bleibend wandte Shippô sich sauer um.

Kyoko stand da vor ihm, die türkisfarbenen Augen funkelten. „Auf geht’s! Oder soll die Frau verbluten, die gestern dein Schlaflied gespielt hat?“, fragte sie stichelnd.

Murrend und ohne eine verständliche Antwort wandte Shippô sich ab und beeilte sich nun, die anderen wieder einzuholen.
 

Kagomes Blick fiel derweil auf Sesshômaru. Er sah noch immer reglos am anderen Ende der kleinen Lichtung und machte keine Anstalten, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. So wie er dasaß, hätte man denken können, er schlafe tief und fest – wenn man es nicht besser wusste. „Sesshômaru, würdest du bitte…“, versuchte Kagome es noch einmal, aber da sie keine Antwort bekam, gab sie es auf. Auch wenn sie normalerweise keinen Disput mit dem Hundedämon scheute und selten Respekt zeigte, so wusste sie doch, dass sie ihm schlecht etwas befehlen konnte. Wenn er da sitzen bleiben wollte, würde er das tun. Egal, was sie hier hantierte.
 

Kopfschüttelnd wandte Kagome sich wieder Natsu zu, öffnete das Tuch nun vollends und zog den Haori rasch wieder so zu Recht, dass er möglichst viel bedeckte. Unter dem dünnen Unterkimono darunter zeichnete sich sonst eindeutig zu viel ab.

Jetzt aber kam der schwierigere Teil.

Zwar war die Hakama sowieso schon vollkommen zerfetzt, aber an einigen Stellen hing sie noch so sehr zusammen, dass man nicht richtig an die Wunden heranreichte. Kurzerhand packte Kagome zwei der Risse und zog sie gegeneinander, aber es gelang ihr nicht, dass noch heile Stück zu durchtrennen. Dieser Stoff war sehr robust, obwohl er so leicht wirkte. „Hat jemand einen kleinen Dolch oder so etwas?“ Das war zwar schwieriger als mit einer Schere, aber eine Schere hatte sie hier eben nicht.

„Tián hat einen. Warte kurz“ Ehe Kagome reagieren konnte, war Shiori aufgesprungen und in die Richtung davongeeilt, die der männliche Teil der Gruppe genommen hatte. Keine Minute später kehrte sie mit einer kleinen, rötlichschwarzen Waffenscheide zurück, aus der der dunkelgraue Griff eines Aikuchi lugte. Sie übergab es Kagome, ehe sie sich neben der jungen Miko hinkniete. „Kann ich helfen?“, wollte sie wissen.

„Ja. Schau mal, ob das andere Bein genauso schwer verletzt ist und ob die Wunden noch bluten“, bat Kagome, ehe sie vorsichtig nach Tiáns Kampfmesser fasste und es aus seiner Scheide zog. Die Klinge war rasiermesserscharf, dass konnte selbst sie erkennen, ohne großartig Ahnung von Waffen zu haben. Sie würde vorsichtig sein müssen, wollte sie Natsu nicht noch mehr verletzen. Behutsam begann sie die noch zusammenhängenden Stellen an der Seite der Hakama aufzutrennen.

Als sie fertig war, reichte sie das Aikuchi weiter an Shiori, die inzwischen festgestellt hatte, dass die linke Seite ebenso schlimm, wenn nicht noch schlimmer aussah.

Auch Kagome verzog das Gesicht, als sie nun die gesamte Bescherung freilegte. Jeder Mensch wäre längst zu Grunde gegangen und auch die Dämonin hatte hart zu kämpfen, sonst würde sie kaum fiebern. Langsam winkelte Kagome das eine Bein der jungen Yôkai etwas an, um das Tuch darunter durchschieben zu können und drückte es dann wieder zurück auf den Boden. Natsu schien es in ihrem Delirium nicht einmal zu bemerken. Dann band Kagome das Tuch fest zusammen. Nicht prompt, aber langsam ließ die Blutung ein wenig nach, sickerte der für Natsu nun mehr als wertvolle, rote Saft nur noch spärlich aus den Wunden. Zu mindestens auf der einen Seite.

Die andere Seite war noch immer genauso wenig behandelt, wie zuvor.

Und etwas anderes zum Abbinden hatten sie nicht.

Es sei denn…

Selbst Kagome zögerte, als sie erneut aufsah.

„Sesshômaru…?“

Versteckt

Nur ein kurzes Blinzeln zeigte an, dass Sesshômaru die Ansprache mitbekommen hatte. Kagome hätte es beinahe übersehen.

So aber stützte sie sich ab und kam auf die Beine. „Wir… ich… bräuchte das Tuch, in dem deine Schwerter hängen. Das andere Bein muss auch abgebunden werden, sonst kriegt sie noch mehr Schwierigkeiten“ Beachtete man die Tatsache, dass Natsus Fieber schon Ausdruck schlechten Zustands war, wie kaum etwas anderes, sollte das deutlich genug sein.

Für einen Moment schien es allerdings, als wollte Sesshômaru nicht reagieren.

Ist es ihm egal, wenn seine Begleiterin verblutet? Yôkai hin oder her, irgendwann wird so viel Blutverlust auch für die Arme tödlich sein. Die junge Miko hatte ja inzwischen verstanden, dass Natsu wohl nur als eine Art Reiseführerin mit ihm reiste, aber dennoch.

Die kleine Rin hat für ihn auch keinerlei Zweck besessen und dennoch hat er immer auf sie geachtet.

Da hob er plötzlich doch die Hand und legte sie auf eines seiner Schwerter.

Kagome brauchte nicht lange um Tensaiga zu erkennen.

Soll das heißen, ihm wäre es egal, wenn sie stirbt, im Zweifelsfall kann er sie immer noch wiederbeleben? Naja, sein sadistischer Humor sollte mir langsam bekannt sein, aber das…

Weiter kamen ihre Gedanken nicht, denn sie stockte, als sie merkte, dass sich seine Finger um Tensaigas Scheide schlossen und er das Erbe seines Vaters langsam aus seinem Hüfttuch zog und neben sich legte. Mit Bakusaiga verfuhr er ebenso, dann löste er mit einer kurzen Bewegung die Schleife, die das Tuch hielt. Währenddessen hatte er nicht einmal die Augen geöffnet. Und auch jetzt blieb er reglos.

Kagome verstand das ganz richtig als Erlaubnis und näherte sich ihm, um das zur Seite weggerutschte Tuch aufzuheben. Es bestand aus einem feinen Stoff, feiner noch als Seide, den sie nicht zu identifizieren wusste. Vorsichtig legte sie es sich ein paar Mal um den Unterarm, damit nichts auf dem Boden schleifte und kehrte zu Natsu zurück. Neben Shiori kniete sie sich hin. „So, winkele vorsichtig ihr Bein an – genau, richtig so. Jetzt das Tuch drunter durch und wieder ablegen bitte – danke“ Kagome band die Enden des Tuches fest zusammen und beobachtete zufrieden, wie jetzt auch hier die Blutung etwas versiegte.

Der erste Schritt war getan- nach einem ziemlichen Nervenkrieg. So recht wusste Kagome noch immer nicht, was sie von Sesshômarus Verhalten halten sollte. Aber sie konzentrierte sich auf das Wesentliche:

„Shiori, pass bitte auf sie auf, ich muss Wasser holen gehen. Sollte Kohaku kommen, nimm ihm das Verbandsmaterial ab und schick ihn zu den anderen, ja?“

Das Halbdämonenmädchen nickte sofort. Kagome war es schon gelungen Tián zu retten und auch der war in einer scheinbar ausweglosen Situation gefangen gewesen. Shiori vertraute den Kenntnissen Kagomes, ohne zu wissen, dass alles, was Kagome hier tat, die junge Miko selbst keinesfalls zufriedenstellte. Aber Kagome war aus der Neuzeit auch ganz andere Standards gewöhnt.

Nun ja, hadern brachte nichts und solange Natsu geholfen werden konnte, konnte es ihr Recht sein. So beugte Kagome sich zu Kyoko hinab, die etwas abseits stand und die Situation neugierig beäugt hatte. „Magst du mich begleiten?“

Kyoko nickte: „Na klar!“

Also machten Miko und Dämonenprinzessin sich gemeinsam auf den Weg.

Shiori blieb zurück, gemeinsam mit der fiebernden Löwendämonin und dem scheinbar vollkommen ungerührten Inuyôkai.
 


 

Der Rest der Gruppe hatte sich etwas entfernt am Waldrand niedergelassen. Ein jeder hing seinen Gedanken nach.

„Sag mal, Tián, warum ist Shiori vorhin so zusammengezuckt, als du ihr dein Aikuchi gegeben hast?“, meldete sich schließlich InuYasha zu Wort.

Von dem jungen Dämon kam keine Reaktion, er starrte weiterhin in den Nachmittagshimmel.

„InuYasha! Er versteht unsere Sprache doch nicht!“, muckte Shippô auf.

InuYasha hob die Hand um ihm eine Kopfnuss zu verpassen, ließ sie aber wieder sinken. „Klar versteht er. Jedenfalls hat er Shiori vorhin verstanden. Und sie hat sich keineswegs so kurz und einfach gefasst, wie sonst“, wiedersprach er stattdessen. „Dieser Yôkai – oder wie auch immer das auf dem Festland heißt – versteht mich ebenso gut, wie Shiori.“

„Yôkai“, ließ sich eine Stimme vernehmen, ehe InuYasha weiterreden konnte. Es war Tián, der sprach, ohne den Blick zu wenden. „Ich bin ein Yôkai“ Eine Handfläche hatte er auf den Boden gestemmt und die Klauen in die Erde gegraben, seine Gesichtszüge waren verhärtet.

Nun war InuYasha doch etwas perplex, aber er fing sich schnell wieder. „Ich wusste es. Du hast uns die ganze Zeit verstanden, oder?“

Tián nickte etwas zögerlich. „Leider“, konstatierte er kurz.

InuYasha zog die Augenbrauen hoch, Shippô verschluckte sich fast und auch die Blicke von Yutaka und Kirin waren nun auf den jungen Dämon gerichtet.

Tián senkte den Kopf, schloss die Augen. „Ich komme vom Festland. Dennoch bin ich ein Yôkai, ein Komori, wie Shioris Vater. Denn ich wurde hier in Japan geboren, an der Küste, weit im Süden. Mehr werde ich nicht sagen. Denn jedes Wort, das weiter über meine Lippen kommt, könnte das Todesurteil für meine Familie und mein Volk sein. So wie es das bereits für meinen Großonkel war. – InuYasha, du erinnerst dich an den toten Dämon am Strand? – Ich möchte, dass ihr einfach vergesst, dass ich euch verstehen kann. Ich will euch nichts Böses, ich möchte nur meine Lebensschuld bei Shiori einlösen, damit ich zurückkehren kann. Sonst wäre ich längst wieder zu Hause. – Und was deine Frage anbetrifft: Auch das sollte besser mein Geheimnis bleiben. Zum Wohle aller.“
 

Stille folgte auf Tiáns Rede. Selbst InuYasha hielt die Klappe. Ein jeder war erschlagen von den Worten des jungen Dämons.

Nur Kirin wirkte einen kleinen Moment lang nachdenklich, als an seinem Hals etwas aufzuleuchten schien, aber direkt wieder verschwand. Keiner hatte es gesehen, nur das japanische Einhorn fühlte den kurzen Wärmeimpuls.

Das Medarion no Chié… er sagt die Wahrheit – soweit er denn spricht…
 


 

Derweil hatten Kagome und Kyoko einen kleinen Waldbach erreicht.

Kyoko hatte zwar bei weitem keine so gute Nase wie InuYasha, aber auch sie hatte den kleinen Wasserlauf zielsicher gefunden und kniete nun am Ufer. Ihr Kimono war sowieso schon schmutzig und an einem Stück des Saums vollkommen ausgefranst – schließlich zog sie seit Tagen damit durch die Gegend –, da kam es auf ein bisschen Moos, wie es hier an den Steinen haftete – nicht an.

Kagome suchte derweil nach einem geeigneten Stück Rinde, das man zu einer Schale biegen konnte. Kaede hatte ihr vor der Abreise erklärt, wie das ging. Jetzt war Kagome froh darum, denn Trinken tat sie normalerweise einfach aus der Hand, aber jetzt zum Transport war das ungeeignet. Man konnte die Finger einfach nicht dicht genug halten um das Wasser nicht nach ein paar Schritten verloren zu haben. Endlich fand sie, was sie suchte und machte sich an die Arbeit. Dann wandte sie sich Kyoko zu, die eben wieder aufstand.

„Hier, damit können wir das Wasser mitnehmen – oh…“ Kyoko verstummte wieder, als sie die Rindenschale entdeckte und senkte den Blick. Das triefende Moosstück in ihren Händen hing herab.

„Kyoko… was? – oh, das ist eine gute Idee. Dann können wir ihr die Stirn noch besser kühlen; wie mit einem Waschlappen. Gut gemacht, Kyoko!“ Kagome lächelte etwas, während sie sich vor Kyoko hinhockte.

Die junge Fuchsprinzessin blickte wieder auf. „Wirklich?“ Das klang fast zweifelnd.

„Natürlich. Was dachtest du denn? Das deine Idee schlecht ist, nur weil ich eine andere habe?“ Kagome strich dem Kitsunemädchen über den Kopf, während sie sich wieder erhob und zum Wasser ging um die Schale zu füllen.

„Ich… gomen nasai, Kagome… ich dachte…“, flüsterte Kyoko schüchtern.

„Du brauchst dich nicht entschuldigen. – Hier, leg das Moosstück hier rein, dann bleibt es schön nass“ Kagome hielt ihr die gefüllte Schale hin.

Kyoko tat, wie ihr gesagt, beobachtete die junge Miko dabei. „Hai, Kagome… aber… nein, doch nicht.“

„Was hast du denn?“

„Ich… was ist ein Waschlappen?“

Nun grinste die junge Miko ganz unverhohlen. „Etwas sehr nützliches, Kyoko. Das musst du aber nicht kennen“, erklärte sie lachend und bot Kyoko wieder die Hand.

Das Fuchsmädchen schob ihre hinein. Sie war nun endgültig überzeugt, dass Shippô vollkommen recht gehabt hatte: Kagome war etwas seltsam, aber herzensgut und sie wusste nun, warum Shippô in der jungen Miko etwas wie eine zweite Mutter oder wenigstens eine große Schwester sah. So machten sie sich gemeinsam auf den Rückweg.
 


 

Kohaku hatte derweil ganz andere Probleme.

Kirara hatte ihn zwar zuverlässig ins nächstgelegene Dorf gebracht, aber dort war niemand zu sehen. Die Gassen zwischen den Hütten waren wie leergefegt.
 

„Sag mal, Kirara, ist hier überhaupt jemand?“, fragte er zweifelnd.

Die Nekomata grollte auf. Natürlich, sollte das heißen.

Der junge Taijiya verstand. „He! Hallo!“, rief er diesmal lauter. Vor einer Hütte raschelte die Reisstrohmatte, die die Tür vor Zugluft verschloss. „Hallo! Ich brauche Hilfe!“, rief er erneut.

„Leise! Nicht, dass er herkommt!“, zischte eine Stimme und Kohaku wirbelte herum. Da hockte ein kleiner Junge in einer dunklen Ecke zwischen zwei Hütten und versuchte sich so klein wie möglich zu machen. Er mochte höchstens sechs sein und zitterte vor Angst. Die runzelige Hand eines älteren Menschen zog ihn tiefer in den Schatten zurück.

„Wer?“, fragte Kohaku.

„Der Dämon!“, flüsterte die Stimme des kleinen Jungen panisch.

Kohaku stieß die Luft aus, während er den Kopf resignierend in den Nacken legte. „Kirara! Arbeit“, rief er die Nekomata zu sich, die ein paar Meter zurückgeblieben war.

Sofort kam sie an seine Seite, wartete geduldig, bis er in ihrem Nacken saß.

„Wo?“, fragte Kohaku.

Einen Moment herrschte Stille, ehe der kleine Junge wieder vorwärts gekrabbelt kam. „D-da!“, sagte er und zeigte mit einem zitternden Finger in Richtung der anderen Dorfseite.
 

„Du solltest dich da besser raushalten, Junge“, mischte sich eine andere Stimme ein.

Kohaku wandte den Kopf und sah den Kopf eines Mannes, der an einer Matte vorbei aus einer der Hütten lugte. „Wenn ich das tue, spürt er euch irgendwann in den Hütten auf und Schluss ist. Keine Angst, ich kümmere mich um ihn“, erwiderte er gelassen.

„Juuungee! Das ist keine Mutprobe, das ist…“, setzte der Mann zum Flehen an, sichtlich in der Bemühung, Kohaku zu warnen, doch der fiel ihm ins Wort: „Das ist eine Aufgabe für einen Taijiya. Ich weiß. Steht vor euch. Kirara und ich kommen schon zurecht“

„Ein Taijiya?“, echote es aus anderen Hütten und der junge Dämonenjäger musste ein Grinsen unterdrücken.

„Aber Taijiya arbeiten nur im Auftrag. Was willst du von uns?“, fragte eine zittrige Stimme aus der Nische, in der der kleine Junge hockte und Kohaku vermutete dahinter den älteren Mann, der den Kleinen vorhin in den Schatten gezogen hatte.

„Meine Kameraden und ich sind nicht weit von hier in eine Schlacht mit einer ganzen Horde Dämonen geraten. Die meisten von uns sind verletzt. Ich brauche Verbandszeug und heilende Kräuter. Gebt ihr mir so etwas, befreie ich euch von dem Dämon“, gab Kohaku zurück, der eine Chance sah, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

Kirara fauchte ungeduldig.

Er legte ihr die Hand auf den Kopf. „Schon gut, Mädchen. Auf geht’s!“

Kaum hatte er das gesagt, stieß die Dämonin sich vom Boden ab und flog in die Richtung, in der der Dämon angeblich sein sollte.
 

Er sah nicht mehr, dass sich, nachdem er außer Hörweite war, einige Dorfbewohner aus den Hütten wagten und Blicke tauschten, die zwischen Nachdenklichkeit und Unglaube schwankten. „Meint ihr, er ist wirklich ein Dämonenjäger? Er ist reichlich jung.“

„Ich hörte, Taijiya werden schon von Kindesalter an ausgebildet.“

„Und dieser komische Anzug, spricht auch dafür!“

„Aber hieß es nicht, die Dämonenjäger hier sind ermordet worden? Alle?“

„Woher hast du das denn?“

„Irgendwann mal gehört.“

„Was solls. Entweder er kann gegen diesen Dämon bestehen, dann sind wir den los, oder er kann es nicht. Vielleicht haben wir dann noch Glück und er verletzt diesen Dämon, dann lässt der uns vielleicht ein paar Tage in Ruhe.“
 

Hätte Kohaku dieses Gespräch noch gehört, er hätte sich wohl dreimal überlegt, ob er sich diesem Oni stellte um an das Verbandsmaterial für Natsu und die anderen zu kommen. So aber überließ er es Kirara nach dem Aufenthaltsort des Dämons zu suchen und machte schon einmal seine Kettensichel bereit.

Seine große Waffe hatte er am Lager zurückgelassen, also würde er vorsichtig sein müssen.
 

Hätte er sich diesen Vorsatz mal mehr zu Herzen genommen.

Unterstützung

Der Dämon brach so plötzlich aus dem Boden, dass Kirara ihr ganzes Geschick benötigte, um ihm noch rechtzeitig auszuweichen.

Im nächsten Moment hatte Kohaku seine Kusarigama geschleudert, doch der Dämon verschwand so schnell wieder im Boden, wie er gekommen war. „Na prima“, murrte Kohaku und veranlasste Kirara dazu, einen großen Bogen zu fliegen.

Die Nekomata knurrte leise vor sich hin.

„Ich weiß. Das ist keines von diesen kranken Viechern, das ist ein gesunder Oni. Und ein schneller noch dazu“, murmelte der junge Taijiya und fixierte eine Stelle im Boden, die verdächtig rissig wurde.

Tatsächlich kam genau an dieser Stelle der Dämon erneut hervor und diesmal traf die Wurfsichel und riss eine klaffende Wunde in die Seite des Oni. Er taumelte kurz, griff dann aber nur umso wütender an.

Kohaku verzog das Gesicht. „Niedlich. Eine kleine Schwester von Lady Tausendfuß“, sagte er sarkastisch und griff unter eine seiner Schulterkappen, holte ein kleines Käpselchen mit Kräutergift hervor. Dieses Vieh sah tatsächlich so aus wie eine zu klein geratene Ausgabe derjenigen Dämonin, die seinerzeit ebenfalls das Shikon no tama für sich beansprucht hatte und bei der es nur mit vereinten Kräften des ganzen Taijiyadorfes gelungen war, ihr das Juwel zu entreißen. Gut, diese hier hatte kein Juwel und war höchstens halb so groß, aber sie war schnell und hatte dolchartige Fangzähne, die ihm durchaus gefährlich werden konnten. Er musste sie langsamer bekommen, soviel stand fest, sonst hätten Kirara und er allein keine Chance.

Also ging er das Risiko ein, abzuwarten, bis das Vieh ihn angriff und ihm nahekam, um die Giftkapsel genau in sein Maul zu werfen.

Die Oni hielt inne, bewegte ein wenig die Kiefer, beinahe als würde sie kauen, dann leuchteten die Augen plötzlich blutrot auf – und aus der Wunde an ihrer Seite begann neben schwarzem Blut auch dunkelgrüner Dunst zu sickern. Sie hatte das Gift unbeschadet in sich aufgenommen und versuchte ihn jetzt mit seinen eigenen Waffen zu schlagen? Nicht mit ihm!

„Kirara!“, rief er auffordernd und die Nekomata verstand, worauf er hinauswollte. Sie stieg höher, sodass er die Chance hatte, auf den Nacken der Oni zu zielen und diese somit zur Strecke zu bringen.

Doch die Dämonin war schneller. „Lecker! Mehr davon!“, zischelte sie und schnellte hinter der Nekomata her, durch ihre eigene Schnelligkeit kurzzeitig in der Luft gehalten.

Kohaku biss die Zähne zusammen. Die fand das Gift, das jede andere Oni gelähmt hätte, also lecker? Na prima. Da hatte er sich ein schönes Eigentor geschossen. Aber der würde er es zeigen. Er schleuderte erneut seine Waffe und riss diesmal die andere Seite der Dämonin auf. Erneut quoll Blut – und Gift – hervor.

Da taumelte Kirara plötzlich in der Luft, fing sich gerade noch und wich im letzten Moment einem Angriff aus.

Das Gift hatte sie erreicht. Und für sie, wie für jeden normalen Dämon, war es gefährlich. Sie knurrte und stieg noch etwas höher, um mehr Ausweichmöglichkeiten zu haben und weiter von dem Gift entfernt zu sein, zu erfahren in der Kooperation mit Dämonenjägern um nicht zu wissen, dass Kohaku allein, ohne sie, gegen diese Dämonin verloren wäre. Wieder sprang die Oni hoch, wieder riss Kohakus Kusarigama einen Teil ihrer Seite auf und säbelte diesmal auch einige der unzähligen Beine ab, aber dadurch mischte sich nur noch mehr Gift in die Luft.

Und für Kirara wurde es immer schwieriger, der Dämonin und dem Giftnebel zugleich auszuweichen. Immer wieder atmete sie ein wenig davon ein und langsam machte sich das bemerkbar.

Sie wurde langsamer.

Zu langsam.

Der nächste Frontalangriff traf Kirara voll. Zwar schützte das dicke Nackenfell sie vor den Fangzähnen ihrer Gegnerin, aber sie wurde zurück geschleudert, verlor das Gleichgewicht und knallte hart auf den Boden auf.

Mit einem schmerzerfüllten Fauchen zog sie sich in ihre kleine Form zurück und entging damit dem Folgeangriff der Oni, die nun knapp neben ihr mit dem Kopf voran auf den Boden knallte. Im Gegensatz zu Kirara richtete sie sich zwar wieder auf, wirkte aber wenigstens benommen. Lange würde das aber nicht andauern. Kirara hielt Ausschau nach Kohaku, während sie vergeblich versuchte, auf die Beine zu kommen. Hier unten war der Giftnebel dicht und machte sie fast bewegungsunfähig, von seinem Gestank mal ganz abgesehen. Und die Dämonin schien es momentan auf sie abgesehen zu haben.
 

Kohaku war ein paar Meter weggeschleudert worden und nur dank seiner Erfahrung einigermaßen glimpflich aufgekommen, sodass er sich abrollen konnte. Seine linke Schulter pochte, war wohl geprellt, aber ansonsten war er unverletzt. Aber er machte sich Sorgen um Kirara. Die treue Freundin seiner Familie setzte so schnell nichts außer Gefecht, aber so schnell stürzte sie auch nicht ab. Sie musste sehr mitgenommen sein. Jetzt mussten sie für einander einstehen, dass war er ihr schuldig, so oft wie sie ihn schon gerettet hatte.

Aber schon als er auf die Beine kam und dabei Kirara entdeckte, die in kleiner Form reglos auf dem Boden lag, sah, dass die Dämonin sich gerade aufrichtete, angespannt wie eine Giftschlange kurz vor dem Zustoßen, da wusste er, dass er nicht schnell genug bei Kirara sein konnte, um sie zu beschützen. Die Nekomata war dem Angriff hilflos ausgeliefert. Verzweifelt schleuderte Kohaku noch einmal seine Kusarigama, aber die Kette war zu kurz um mehr als zwanzig Meter Entfernung zu überbrücken. Weit entfernt davon die Gegnerin zu treffen, bohrte sich die Wurfsichel unnütz in die Erde.

Da setzte die Oni bereits zum Angriff an, zielte mit ihren Fangzähnen auf den ihr gegenüber winzig wirkenden Körper Kiraras und ließ sich fallen.
 

Kirara hatte ergeben die Augen geschlossen. Sie konnte kaum noch atmen, so viel Gift hatte sie nun schon eingeatmet und sich zu wehren war vollkommen unmöglich. Kirara hatte abgeschlossen. Nachdem sie Midorikos legendären Kampf überlebt und über Menschengenerationen hinweg denjenigen zur Seite gestanden hatte, die das Gedenken an ihre einst so berühmte Herrin wahrten, war sie nun am Ende ihres Weges angekommen.

Fast siebenhundertsechzig Jahre hatte sie auf dieser Erde gelebt, jetzt würde sie die andere Welt kennen lernen. Sie zuckte nicht einmal zusammen, als ein wenig Geifer der Dämonin auf ihr Gesicht tropfte. Sie wusste, dass sie nicht mehr kampffähig war.

Verzeih, Kohaku… verzeihe mir und flieh! Sango würde es nicht ertragen, dich so schnell endgültig zu verlieren… Sie spürte den Luftzug, als die Oni sich fallen ließ. Seit ihrem Sturz waren nur ein paar Sekunden vergangen.

Kohakus verzweifelter Schrei drang an ihre Ohren, sein Ruf nach ihrem Namen.

Dann hörte sie nur noch ihren eigenen Herzschlag, wartete auf den entscheidenden Biss.

Doch dazu kam es nicht mehr.
 

Ein tiefes Grollen durchbrach die Stille, das Fauchen der Luft war zu hören, als sie von einem sich schnell bewegenden Körper beiseite gedrückt wurde, dann erklang ein dumpfer Aufschlag und ein erneutes Fauchen. Kirara verstand instinktiv den Wortlaut: "Wie kannst du es wagen, meine Artgenossin anzugreifen!"

Perplex öffnete Kirara die Augen, erkannte überrascht eine fremde Nekomata, die eben ihre Fangzähne aus der Dämonin löste und sich von dem großen Körper abstieß um aus der Reichweite der Giftwolke zu gelangen.

Auf den zweiten Blick erkannte sie, dass es ein Kater war. Er hatte pechschwarzes Nackenfell, selten, soweit sie wusste. Und dann wurde ihr bewusst, dass er sie gerettet hatte. Vor dem sicheren Tod. Da richtete die Oni sich erneut auf, nun neben den drei Verletzungen von Kohaku auch noch aus der großen Bisswunde blutend, die der Kater ihr zugefügt hatte. Die Augen rot aufblitzend versuchte sie sich nun auf den neuen Angreifer zu stürzen, kam aber nicht einmal in seine Nähe. Sie hatte nämlich einen schweren Fehler begangen und den bisherigen Gegner aus den Augen verloren. Kohakus Kusarigama steckte zielsicher in ihrem Nacken und an dem Blutschwall, der hervorschoss, als der Taijiya seine Waffe zu sich zurückholte, wurde klar, wie gut er getroffen hatte. Im nächsten Moment brach die Dämonin zusammen, zuckte noch einmal und blieb dann reglos liegen. Staub wirbelte auf, als sie sich aufzulösen begann.

Aus Kiraras Kehle kam nur ein erleichtertes Piepsen, als sich mit dem Tod der Dämonin auch der Giftnebel verzog und sie wieder besser atmen konnte. Vorsichtig versuchte sie sich auf die Beine zu stemmen, doch noch gelang es nicht.

Im selben Moment spürte sie, wie sich Kohakus Arme unter sie schoben und sie aufhoben. Behutsam erhob er sich und hielt sie fest. Dankbar blinzelte Kirara zu ihm auf, erkannte, dass er sich umblickte. Das Skelett der Dämonin lag noch auf der aufgewühlten Wiese, würde aber auch bald zerfallen sein.

Daneben stand der Kater. Er war nun in kleiner Form und neben ihn war eine weitere Nekomata getreten. Auch sie hatte schwarzes Nackenfell und eine Zeichnung, die Kirara wiedererkannte. Kuroro…Sie erinnerte sich gut an die Nekomata, die seinerzeit, als sie noch mit Sango unterwegs gewesen war, mit ihr verwechselt worden war, an das kleine Mädchen mit der glockenhellen Stimme, die Kuroro so geliebt hatte. Und an Kuroros Kitten. Ob das dort neben ihr eines ihrer Jungen war?

Nekomata wuchsen im Gegensatz zu anderen Dämonen in wenigen Monaten zu voller Größe heran, möglich wäre es also.

Kiraras Blick traf denjenigen des Katers, als Kohaku sich mit ihr auf dem Arm bereits umdrehte. Dankbarkeit lag darin, Dankbarkeit für die Lebensrettung. Der Kater erwiderte ihren Blick und grollte eine bescheidende Erwiderung, als Kirara ein schwaches Maunzen ausstieß. Dann verschwand er hinter der Hügelkuppe, die Kohaku eben überquert hatte. Kirara merkte nicht, dass Kohaku sie die ganze Zeit über beobachtet hatte.

Sie schloss jetzt nur erschöpft die Augen. Wenn sie im nächsten Kampf wieder einsatzbereit sein wollte, musste sie sich jetzt auskurieren.

Und der nächste Kampf kam bestimmt.
 


 

Als Kohaku zu der Lichtung zurückkehrte, auf der Natsu lag, dämmerte es bereits und Kagome und Kyoko waren längst wieder vor Ort. Kirara schwankte ein wenig, als sie auf dem Boden aufkam und wechselte auch sofort in ihre kleine Form, als Kohaku abgestiegen war, aber sie hatte darauf bestanden, ihn zu tragen. Der junge Taijiya musterte sie nur besorgt, ehe er Kagomes entsetzten Blick bemerkte.

Sofort winkte er ab und löste das Stoffbündel von seinen Schultern, in dem er die Gaben der Dorfbewohner verwahrt hatte. „Sie muss sich nur erholen. Das Dorf in dem wir waren, hatte einen unerwünschten Mitbewohner. Aber ihn zu beseitigen, hatte auch Gutes. Die Bewohner haben mich geradezu überschüttet. Hier: Verbandsmaterial, Kräuter, Proviant und sogar eine warme Decke.“

Sein Blick fiel auf die junge Dämonin, die unverändert unruhig schlief, halb an den Findling gelehnt, halb daran heruntergerutscht. Der Haori war wieder auseinander gerutscht und der dünne Unterkimono, den Natsu darunter trug, war zu sehen, aber ansonsten hatte sich nichts getan.

Plötzlich erhob sich ein warnendes Knurren auf der Lichtung und alle fuhren herum.

Sesshômaru hatte die Augen geöffnet und fixierte Kohaku mit eisigem Blick.

Dem jungen Taijiya kroch ein Schauder über den Rücken. Er war seinerzeit eine Weile mit dem Hundedämon gereist und kannte dessen unterkühlte Ader, aber das hier… war das Wut? Auf jeden Fall war das Knurren eine Warnung gewesen, weswegen auch immer.

Kagomes Blick huschte herum, auf der Suche nach dem, was Sesshômaru so sauer aufgestoßen sein könnte und sie unterdrückte nur mühsam ein Grinsen, als sie das Einzige erkannte, was es gewesen sein könnte. Rasch zog sie Natsus Haori wieder zu Recht.

„Kohaku, ich glaube es ist besser, wenn du zu den anderen gehst. Shiori, zeigst du ihm, wo sie sind?“, brachte sie mühsam hervor.

Sofort sprang die Halbdämonin auf und zog Kohaku mit sich, der sichtlich immer noch nicht verstand, worum es ging.
 

„Was soll das?“, fragte er auch sofort, als Shiori ihn ein paar Meter weiter losließ und voran ging.

Sie drehte sich zu ihm um. „Dummkopf. Natsus Haori fiel so locker, dass… sagen wir… zu viel von ihrer Gestalt zu erkennen war. Das ist das Problem“, erklärte sie und auch sie konnte ein Kichern nicht unterdrücken. Weniger wegen Kohakus paralysiertem Blick, als wegen der vorangegangenen Situation. Das Sesshômaru so etwas überhaupt interessierte, fiel selbst ihr als seltsam auf, wo sie den unterkühlten Inuyôkai doch weit weniger kannte, als die anderen.

„Na hör mal! Ich bin doch nicht mein Schwager!“, protestierte Kohaku derweil, konnte nun aber auch ein Grinsen nicht unterdrücken. Das war ja wieder eine Verkettung gewesen. Als ob der Tag nicht schon aufregend genug gewesen wäre. Kopfschüttelnd folgte er Shiori, die ihn bei den Jungs ablieferte und sich dann auf den Weg zurück machte. Vielleicht brauchte Kagome ihre Hilfe ja noch.
 

Die hatte derweil Kohakus Mitbringsel auseinander sortiert und besah sich nun Natsus Wunden noch einmal genauer. Jetzt, wo das Blut beinahe versiegt war, begannen die Wundränder zu verhärten und auch wenn noch immer über allem der schimmernde Film des Wundsekretes lag, immerhin hatte sie verhindert, dass es eiterte.

Sie wandte sich um und zog den Moosstreifen von Natsus Stirn um ihn erneut in die Wasserschale zu tauchen, damit er noch kühlte. Viel mehr konnte sie gegen Natsus Fieber nicht tun.

Da kehrte Shiori zurück, unverhohlen noch immer grinsend, aber das Kichern unterdrückend um Sesshômaru nicht zu verärgern, der die Augen inzwischen wieder geschlossen hatte. Sie kniete sich neben Kagome. „Kann ich noch etwas helfen?“

„Ja. Du könntest neues Wasser holen – oh, und ein paar einigermaßen saubere Moosstreifen. Nimm Kyoko mit, sie weiß, wo ein naher Bachlauf liegt“, bat die junge Miko und konzentrierte sich darauf, die Streifen des Verbandsstoffes zu glätten.

Shiori erhob sich sofort, tauschte einen Blick mit Kyoko.

Das Kitsunemädchen war sofort aufgesprungen, als die Sprache auf sie gekommen war und stand nun schon in den Startlöchern. Sie war noch immer fasziniert. Eine Miko die trotz aller Widrigkeiten einer Dämonin half, das ging sogar noch über Shippôs Erzählungen hinaus, nun, er war selbst ein Dämonenkind und hatte es am eigenen Leib erfahren, ihm fiel das vermutlich kaum noch auf. Aber Kyoko staunte immer mehr. Jetzt aber lief sie erst einmal, dicht gefolgt von Shiori, los und suchte den Weg zurück zu dem kleinen Bach, den Kagome und sie vorhin gefunden hatten.
 

Kaum waren sie wieder zurück, nahm Kagome ihnen einen der sauberen Moosstreifen ab und tauschte ihn gegen den inzwischen etwas verdreckten Streifen auf Natsus Stirn. Dann tauchte sie einen Streifen des eigentlich als Verbandsmaterial gedachten Stoffes in das frische Wasser und begann die tiefsten Wunden vorsichtig auszuwaschen. Erst dann machte sie sich ans Verbinden, träufelte dabei nur in die allertiefsten Schnitte etwas Kräutersaft.

Dabei schoss ihr immer wieder durch den Kopf, wie abgehärtet sie inzwischen war. Vor gut vier Jahren noch hatte sie bei einem kleinen Kratzer ein Heidentheater veranstaltet und jetzt kümmerte sie sich in stoischer Ruhe um tiefe Wunden, die selbst für eine starke Dämonin lebensgefährlich waren. Es hatte etwas Kurioses.

Erst als sie fertig war, hob sie wieder den Kopf.

Natsus Beine waren fast komplett einbandagiert, aber es schien, als würde wenigstens nichts mehr durchbluten.

„Shiori? Gib mir mal bitte die Decke, die Kohaku mitgebracht hat“

Sofort langte das Halbdämonenmädchen danach und half der jungen Miko, den groben, grauen Stoff über Natsu zu ziehen und unter deren Körper festzustecken, sodass sie fest darin eingepackt war. „Warum machst du das?“, fragte Shiori, als sie fertig waren.

Kagome griff nach einem sauberen Moosstreifen und nutzte ihn um sich die Hände zu waschen. „Zumindestens bei Menschen heißt es, Fieber müsse man ausschwitzen. Also sollten wir sie so warm wie irgend möglich halten“, erklärte sie dabei, ehe sie das übrig gebliebene Verbandsmaterial auf den Stoff schob, den Kohaku als Beutel benutzt hatte.

„Tust du mir den Gefallen und wechselst nochmal das Wasser? Ich denke, wir sollten die anderen auch noch versorgen. Wenigstens InuYasha wird es nötig haben, auch wenn er es vorhin schon abgestritten hat.“ Kagome klang zwar etwas belustigt, aber ihre Gesichtszüge waren müde. Der Tag war anstrengend gewesen und von ihrer Ohnmacht hatte sie sich auch noch nicht ganz erholt.

Shiori machte sich sofort auf den Weg, erneut Kyoko im Schlepptau, die diesmal sogar vergessen hatte zu fragen, ob sie mitdürfe, sie ging einfach.
 


 

Kagome fand die Stelle am Waldrand, an der die anderen sich zusammengefunden hatten, schnell.

„Kagome!“, rief Shippô erfreut und sprang ihr sofort auf den Arm, ehe Kagome irgendetwas tun konnte. Sie drückte ihn kurz an sich und ließ ihn dann wieder zu Boden, als sie sich hinsetzte. „Schön, dass es dir gut geht, Shippô“, gab sie zurück und blickte dann zu InuYasha. „Wie geht es deinen Schultern?“, wollte sie wissen.

„Schon wieder in Ordnung. Jetzt heile ich ja wieder schneller“, gab er zurück.

„Sicher?“

„Kagome, die Diskussion hatten wir doch schon, oder?“, antwortete er mit einer Gegenfrage.

Die junge Miko zog eine Schnute. „Dein Selbstvertrauen ist jedenfalls wieder geheilt“, kommentierte sie trocken.

Er grinste bloß. „Sei doch froh – Übrigens solltest du dir lieber mal Kohakus Schulter ansehen.“

Kagome drehte den Kopf dahin, wo der junge Dämonenjäger saß und InuYasha einen strafenden Blick zuwarf. „Hast du nicht vorhin gesagt, der Kratzer auf deiner Stirn sei die einzige Verletzung?“, fragte Kagome lauernd.

„War es ja auch. Das mit der Schulter stammt von der Oni, die ich in dem Dorf lahmlegen musste. Kirara ist abgestürzt und ich hab mir ein wenig die Schulter geprellt, nichts Wildes“, erläuterte Kohaku murrend. Er war ganz offensichtlich nicht gerade glücklich damit, dass seine Verletzung breitgetreten wurde.

„Daraus entnehme ich, dass du nicht willst, dass ich dir das verbinde?“, fragte Kagome nach.

Er schüttelte schlicht den Kopf.

Die junge Miko seufzte. „Na dann…“ Sie atmete tief durch und streckte sich etwas. Ihr konnte es ja eigentlich Recht sein, wenn niemand ernsthaft verletzt war. Aber sie war im Moment einfach etwas abgespannt. Das war einfach zu viel gewesen.

„Du siehst erschöpft aus. Willst du baden?“, ließ sich da plötzlich InuYasha vernehmen.

Kagome schreckte auf. „Warum fragst du?“

„Da hinten ist eine heiße Quelle, ich kann es wittern“, gab er prompt zurück.

„Warum eigentlich nicht…“, murmelte die junge Miko nach kurzem Überlegen und erhob sich. „Falls doch noch jemand auf die Idee kommen sollte, er könnte Verarztung gebrauchen, in dem Beutel hier ist Verbandsmaterial und etwas Proviant“, erklärte sie noch. Dann ging sie in die Richtung, in die InuYasha gezeigt hatte. Ein warmes Bad war selten genug in dieser Epoche und es würde ihr gut tun. „Sag mal, warum kommst du eigentlich mit?“, fragte sie schließlich über die Schulter.

InuYasha schloss zu ihr auf. „Ich wollte dir den Weg zeigen. Da hinten geht’s lang.“

Da er tatsächlich nicht in die Richtung zeigte, in die sie von sich aus gegangen wäre, nahm sie das so hin, konnte sich aber einen zweifelnden Seitenblick nicht verkneifen.

Das blieb natürlich nicht unbemerkt.

„Hey! Ich bin nicht Miroku. Keine Angst, ich gehe sofort wieder. Versprochen“, beeilte er sich zu sagen und brachte Kagome damit nun doch zum Lachen. Soweit waren ihre Gedanken dann doch nicht gegangen.
 

So kehrte InuYasha bald darauf zu den anderen zurück, wo inzwischen auch Shiori und Kyoko eingetroffen waren, während Kagome sich im warmen Wasser der Quelle wenigstens etwas entspannte.

Die Felssenke war eingerahmt von einer Art Heckenwall und an einer Stelle beugte sich die krumm gewachsene Krone eines uralten Ahorns über das Wasserbecken, sodass die Quelle richtig geschützt lag. Ein hübsches Plätzchen. Sie genoss die seltene Gelegenheit, aber jetzt, wo die Ereignisse des Tages etwas von ihr abfielen, kam ihr der Grund wieder in den Kopf, warum Sesshômaru momentan mehr oder weniger mit ihnen gemeinsam reiste. War sie wirklich bereit, ihr Leben dem Wohl der Yôkai zu verschreiben?

Sie erinnerte sich, dass Yume auch von der Sekai no Tia ‚gesprochen‘ hatte, wusste daher auch, was sie bewirkte und dass sie ebenfalls zu den Artefakten des Gleichgewichts gehörte, aber das machte es nur umso schlimmer. Die Tia würde sicher genauso begehrt sein, wie es einst das Juwel gewesen war und ob sie dann eine ruhige Minute hätte? Sie lebte im Vergleich zu InuYasha schon nur so kurz, sollte sie dieses kurze Leben verplempern, nur weil Mister Inuyôkai es gerne so hätte? Das klang irgendwie absurd.

Beinahe wäre sie über diesen Gedanken eingenickt und als sie das merkte, beendete sie lieber ihr Bad und machte sich auf den Weg zurück zu den anderen.
 

Dort angekommen bemerkte sie nur zu deutlich, dass InuYashas Blick sich sofort auf sie legte. Etwas wie Verwirrung und Bewunderung lag darin.

Sie runzelte die Stirn. „Was ist? Sind mir Hörner gewachsen, oder was?“, wollte sie wissen.

Der Hanyô schüttelte rasch den Kopf. "Keh! Nein. Aber ich frage mich wirklich, wie du das schon wieder geschafft hast“

Kagomes ganzes Gesicht strahlte Ratlosigkeit aus. „Wovon redest du, InuYasha?“

„Na davon, wie es dir gelungen ist, Sesshômaru dazu zu bringen, dass er Natsu sein Fell als Decke leiht“, gab der Weißhaarige zurück und starrte gleich darauf in Kagomes fassungslos offen stehenden Mund.

„Bitte waaas?“, fragte sie, als sie sich wieder einigermaßen im Griff hatte.

„Sesshômaru hat Natsu mit seinem Fell zugedeckt. Ich hab‘s gesehen, als ich auf dem Rückweg von der Quelle war“, antwortete InuYasha, während sich seine Augen noch ein wenig mehr weiteten. Auch er verstand langsam, dass Kagome offenbar nichts mit diesem Phänomen zu tun hatte.
 

Keiner merkte, dass Kirin und Yutaka einen bezeichnenden Blick tauschten. Hatte ihre Intuition sie vorhin also doch nicht getäuscht. Aber sie hielten sich heraus, zumal der Rest der Gruppe noch keinen blassen Schimmer zu haben schien, was so eine Geste bedeuten konnte, bedachte man Sesshômarus sonstige Art.
 

Kagome schüttelte derweil im Zeitlupentempo den Kopf. „Ich glaub‘s einfach nicht… kann höchstens sein, dass er gehört hat, dass ich sagte, Fieber müsse ausgeschwitzt werden – oder dass er das selbst wusste. So oder so, hat er aus eigener Initiative heraus gehandelt. Ich bin unschuldig“, murmelte sie vor sich hin, konnte dann aber ein Gähnen nicht unterdrücken. „Wie auch immer. Ich bin müde. Schaut jemand regelmäßig nach Natsu und weckt mich, wenn etwas falsch läuft?“, fragte sie in die Runde.

Kyoko und Shiori nickten zeitgleich. „Wir können uns ja abwechseln“, schlug Shiori vor, ehe Kyoko einen Rückzieher machen konnte.

Das Fuchsmädchen nickte, während sie beobachtete, wie Kagome sich hinlegte und fast augenblicklich eingeschlafen schien.

Sie erwachte auch nicht, als eine frische Windböe über sie hinweg strich und sie unwillkürlich zum Erschauern brachte.

Dennoch streifte InuYasha sofort seinen Suikan ab und breitete ihn über der jungen Miko aus. Deren Haare waren noch nass und er wusste nur zu gut, wie leicht sie sich erkältete. Das Szenario hatten sie schon einmal gehabt, das musste er nicht noch einmal haben. Dann lehnte er sich selbst gegen einen Baumstamm und döste ebenfalls ein. Ausnahmsweise waren wirklich genug starke Kämpfer zugegen, dass er es mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, auch etwas zu schlafen. Er hatte Kagome gegenüber zwar die Wahrheit gesagt, seine Schultern waren fast wieder verheilt und auch die anderen Verletzungen verflüchtigten sich langsam, aber auch ihn hatte der Tag erschöpft.
 

So waren, neben Kirin, bald nur noch Tián und Shiori wach.

„Shiori, es tut mir Leid, dass ich dich angelogen habe“, wisperte der junge Dämon schließlich.

„Du hast ja nicht gelogen. Bloß geschwiegen“, gab sie ebenso leise, aber doch etwas bissig zurück. Sie war noch immer etwas beleidigt.

„Hätte ich geredet, wäre meine Familie in Lebensgefahr. Könnte ich dir erzählen, warum ich hier bin, würdest du es verstehen, da bin ich sicher“

Einen Moment kehrte wieder Stille ein, nur die ruhigen Atemzüge der anderen waren zu hören.

„Vertraust du mir nicht?“, fragte sie schließlich flüsternd.

„Doch, Shiori. Doch. Du hast mein Leben gerettet und ich… ich habe dich sehr lieb gewonnen. Fast als wärst du meine Schwester. Aber um der Sicherheit meines Volkes Willen…“, er verstummte und es war ihm anzuhören, wie schwer es ihm fiel, zu sprechen.

„Das ist nicht das Einzige, oder? Da ist noch etwas, etwas, das mit mir persönlich zu tun hat und es dir schwer macht, mit mir zu sprechen, oder?“, wollte das Hanyômädchen schließlich wissen.

Etwas zögerlich nickte Tián. „Ja, so ist es wohl…“, murmelte er vor sich hin.

Damit erstarb das Gespräch und beide hingen wieder ihren Gedanken nach, während langsam aber sicher die Nacht hereinbrach.

Philosophisch

Auf der kleinen Lichtung im Wald war es still geworden – und geblieben, die gesamte Nacht über.
 

Natsu war nun ruhiger, sie wand sich nicht mehr, das Fieber schien abzunehmen und durch die Verbände war auch der Blutgestank nicht mehr so stark.

Sesshômaru nutzte die ruhigen Stunden zum Nachdenken. Die anderen hatten sich verzogen, er konnte sie in Richtung Waldrand wittern, Natsu war auf dem Weg der Besserung. Er bereute es nicht, Kagome Heilerin spielen zu lassen. Bezüglich des Fiebers hatte sie Natsu vermutlich das Leben gerettet.

Das brachte ihn zu etwas anderem.

So ziemlich von Anfang an hatte er mitbekommen, wie Kagome sich entwickelt hatte und er musste zugeben, dass das beeindruckend war. Nicht nur ihre Mikokraft, auch ihr Wesen und ihr Einsatz hatten sich deutlich verändert und das trotz – oder wegen? – InuYashas ständiger Anwesenheit.

Fest stand, dass sie und InuYasha ein Paar und ein unzertrennliches Team waren und dass er seinen ungeliebten Halbbruder wohl aushalten musste, wenn er Kagome für sich und die anderen Dämonenfürsten verpflichten wollte. Und wenn er Pech hatte, dann auch noch deren Bande, rund um Mönch, Dämonenjäger, Fledermaushalbdämonin und Fuchswaise. Kagome brachte es fertig, selbst im Angesicht sämtlicher Dämonenfürsten noch Forderungen zu stellen. Seine Nerven würden von nun an noch dickere Drahtseile sein müssen, als sonst.
 

Was hatte Vater seinerzeit gesagt?

Das Fürstentum ist ein Segen für die Dämonen, denn so können sie alle Probleme auf einige wenige abwälzen und fröhlich zugucken, wie die daran kaputt gehen.

Glaube mir, mein Sohn: Früher oder später werden die Menschen sich das abgucken, denn für die breite Mehrheit bedeutet das ein hohes Maß an Entspannung.

Innerlich lächelte Sesshômaru ein wenig.

Damals, als sein Vater noch lebte und er selbst das stressige, aber vergleichsweise sorgenfreie Leben eines Erbprinzen geführt hatte, da hatte er nie verstanden, wie sein Vater das gemeint hatte. Heute wusste er, dass die Vorhersage seines Vaters eingetroffen war.

Und die Menschen?

Erst jetzt, im Nachhinein, konnte Sesshômaru verstehen, dass auch etwas über sie in dieser Weisheit seines Vaters gelegen hatte. Bei aller Menschenfreundlichkeit hatte auch sein Vater durchaus gewusst, dass die Menschen schwache Geschöpfe waren, den Dämonen unterlegen und hinter ihnen zurück. Kein Wunder, schließlich waren sie auch viel später entstanden. Menschen waren hilflos und wenn man ihnen nicht genau auf die Finger schaute – oder ihnen etwas vormachte und zeigte – kamen sie nicht auf bahnbrechende Ideen. Nachahmungseffekt.

Und das führte zu etwas anderem.

Spätestens als er, Sesshômaru, von Vaters Liebschaft zu diesem Menschenweib erfahren hatte, hatte er seinen Vater für vollkommen verblendet gehalten. Sah der nicht, wie er sich erniedrigte, hatte er gedacht. Und als Vater dann für dieses Menschenweib und diesen Bastard, der sich Halbbruder nannte, sein Leben gab, da war es endgültig zu spät gewesen.

Erst jetzt keimte in Sesshômaru der Gedanke auf, dass diese Izayoi vielleicht etwas Besonderes gewesen war, ein Ausnahmefall. Dass sein Vater tatsächlich durch etwas an diese Menschenfrau gebunden worden war, dass zwischen ihm und Sesshômarus Mutter nie existiert hatte: Liebe.

Ein Gefühl, das Sesshômaru nie hatte verstehen können.

Dennoch: So könnte es gewesen sein.

Und trotzdem kam Sesshômaru nicht ganz mit, versuchte er nachzuvollziehen, was seinen Vater schlussendlich in den Tod getrieben hatte.

Obgleich er selbst ja inzwischen am eigenen Leib erfahren hatte, dass einzelne Menschen etwas Besonderes sein konnten, gerade wenn sie sich nicht noch schwächer machten, als sie ohnehin waren und kreischend vor einem Dämon davonliefen, der eindeutig besseres zu tun hatte, als sie zu zerfleischen.
 

Rin hatte den Anfang gemacht, das kleine Mädchen, das zuerst nur ein Experiment ob Tensaigas Funktionstüchtigkeit gewesen war und das er nun beinahe ganz offiziell als sein Ziehkind bezeichnen würde – wäre sie kein Mensch.

Und ja, dann war da Kagome gewesen. Ihre Entwicklung, ihre Kraft und ihr Herz hatten ihn beeindruckt, ohne dass er das gemerkt hatte. Ohne ihre Fähigkeiten wäre Naraku niemals besiegt worden, nachdem er das Juwel einmal in sich hatte.

Aber die beiden waren nicht die einzigen. Sesshômaru musste zugeben, dass auch Kohaku einen gewissen Eindruck hinterlassen hatte. Der Junge hatte eine für einen Menschen schier unglaubliche Stärke bewiesen, seine Erinnerungen verborgen, sein Schicksal angenommen und war mehr als einmal bereit gewesen, zum Wohle aller den Freitod zu wählen.
 

Aber dem gegenüber standen Massen von Menschen, die zu rein gar nichts zu gebrauchen waren, die sich entweder gnadenlos selbst überschätzten, oder am liebsten im Boden versinken würden, kaum wäre ein Dämon am Horizont zu sehen.
 

Dem Inuyôkai kam eine – für ihn – absurde Idee: War es bei den Menschen etwa ähnlich wie bei Dämonen? Standen den Massen an schwachen, unbrauchbaren und nervigen Gestalten wenige starke, beachtenswerte Individuen gegenüber? Konnte man die Menschen ebenso in zwei Kategorien teilen, wie man Dämonen in niedere Oni und hochrangige Yôkai trennte?
 

Er kam nicht dazu, das Gedankenspiel weiter auszuführen, denn ein leises Stöhnen riss ihn aus seinen Überlegungen und ließ ihn die Augen öffnen. Natsu war aufgewacht. Ihre Augen waren noch immer etwas blank, aber das schien nicht am Fieber zu liegen. Das war herunter, soweit er wittern konnte. Was hatte sie?

„Du bist wach“, konstatierte er allerdings nur sachlich und hob ein wenig den Kopf.

Ihre Augenlider flatterten etwas. „Was… was ist geschehen? Wo sind die anderen?“, fragte sie mit leiser Stimme und in ihrem Tonfall schwang neben Schwäche noch etwas anderes mit, das Sesshômaru nicht identifizieren konnte – oder wollte. Allerdings war kein Rot in ihren Iriden zu erkennen, ihr Dämonenblut schien es nicht mehr für nötig zu halten, sie aufzuputschen. Ein gutes Zeichen.

„Deine Wunden haben dich fiebern lassen. Die anderen sind am Waldrand“, erwiderte er knapp.

Sie versuchte unwillkürlich etwas die Beine zu bewegen, was darin endete, dass sie es mit zusammengepressten Kiefern wieder unterließ, offenbar fest entschlossen, keinen Schmerzenslaut von sich zu geben. Kein Wunder. Die Verletzungen von dem Zusammentreffen mit dem Kristallaal waren noch nicht ganz verheilt gewesen und dann ein solcher Kampf, es war ein halbes Wunder, dass sie keine sonstigen Verletzungen hatte.

„Schlaf. Kuraiko wartet“, befahl er dann. Was so viel hieß, wie: Ich warte, aber nimm dir nicht zu viel heraus. Schone dich, aber auch meine Geduld hat Grenzen.

Natsu schien die unterschwellige Warnung verstanden zu haben, denn sie schloss die Lider wieder – und kuschelte sich unwillkürlich ein wenig in das weiße Fell, das Sesshômaru, aus einem unbestimmten Impuls heraus, am Abend um sie gelegt hatte.

Dieser Anblick ließ seine Gedanken schon wieder abschweifen und er zwang sich dazu, solcherart Überlegungen fallen zu lassen.

Sie war eine Löwin, noch dazu Tôrans Verwandte und vermutlich längst versprochen, immerhin schien sie ein wenig älter als er, fünfzig Jahre vielleicht. So lange Zeit ließ kein normaler Dämon verstreichen, den Handelswert seiner Tochter nicht auszunutzen. – Hatte er dieserart Gedankengänge nicht sein lassen wollen? Er gab sich zu, dass das mit jedem Tag, den sie ihn begleitete, schwieriger wurde und er sich selbst mit jedem Tag weniger verstand. Aber er hatte keine andere Wahl. So lehnte er den Kopf wieder zurück und schloss erneut die Augen.
 


 

Am Waldrand schliefen zu dieser Stunde noch alle, aber auch der folgende Tag würde ruhig verlaufen. Es gab nichts weiter zu tun, als die Wunden auszukurieren und irgendwann, gegen Nachmittag, neues Holz zu beschaffen. Proviant hatten sie noch genug, bedachte man, was die Dorfbewohner Kohaku alles mitgegeben hatten.

Als sich irgendwann Kirara zu ihnen gesellte, offenbar noch etwas benommen, aber fast wiederhergestellt, ließ sich Kohaku dann doch erweichen, zu erzählen, was genau geschehen war: „Als ich ankam, hatten sich alle versteckt. Es dauerte eine Weile, bis ich erfuhr, dass es wegen einem Dämon war, der sich auf den Feldern verschanzt hielt. Schließlich hab ich zugesagt, das Vieh zu erledigen und flog mit Kirara hin. Es war ein gesunder, schneller Oni, der beinahe aussah, wie eine kleine Ausgabe von Lady Tausendfuß.“

Kagome zuckte an dieser Stelle kurz zusammen und auch InuYasha spannte sich an, erinnerten sie sich doch nur zu gut an den Gegenstand des Vergleichs, beide sagten aber nichts.

„Ich konnte sie verletzen, aber das Vieh war schnell und ich wollte sie mit einem Gift lähmen, langsamer machen. Leider nahm sie das Gift unbeschadet in sich auf und nutzte es selbst als Waffe, indem es bald darauf aus ihren Wunden zu strömen begann. Weitere Verletzungen machten es nur schlimmer und schließlich wurde Kirara von dem Gift angegriffen, war zu langsam, einem Angriff auszuweichen. Sie stürzte zu Boden und blieb benommen liegen. Ich war fast zwanzig Meter entfernt aufgekommen und konnte ihr nicht helfen, als sich die Oni zum entscheidenden Schlag über Kirara aufrichtete.

Im letzten Augenblick ging jemand dazwischen, den ich erst später als fremden Nekomata identifizierte. Er stieß die Oni weg, sodass ich heran konnte und sie töten. Kaum verflüchtigte sich das Gift, kam Kirara wieder zu sich. So kehrten wir ins Dorf zurück, wo uns die Menschen mit großem Hallo empfingen, offenbar aus der Tatsache, dass ich überhaupt noch lebte, schlossen, dass der Oni tot war. So wirklich haben sie mir, glaube ich, nämlich nicht geglaubt, dass ich ein Taijiya bin. Jedenfalls kamen sie dann fast aus jeder Hütte mit irgendeiner Kleinigkeit, mit Essen und Kräutern, der Dorfvorsteher brachte mir die Decke und ein alter Mann das Verbandszeug. Sie haben mich gefeiert, wie einen Helden. Naja, und dann hab‘ ich mich auf den Weg gemacht, erst zu Fuß und dann wieder auf Kirara – sie hat darauf bestanden.“

Er verstummte und sah auf die kleine, zweischwänzige Katze hinab, die nun an seiner Hüfte lag und sich wieder eingerollt hatte, schlief. Offenbar musste sie sich noch weiter auskurieren.

„Eine andere Nekomata?“, fragte Kagome derweil nach.

„Ja. Ein Kater, wenn ich es richtig gesehen habe, mit schwarzem Nackenfell. Aber am Ende kam noch eine dazu, auch mit dunklem Nackenfell“ Kohaku war sichtlich verwundert.

„Schwarzes Nackenfell…“, wiederholte Kagome leise und tauschte einen Blick mit InuYasha.

Der nickte. „Kuroro.“
 


 

Besagte Nekomata war derweil von den Feldern verschwunden, auf denen der Kampf stattgefunden hatte. Ihre Gedanken waren bei der Nekomata, der ihr Sohn das Leben gerettet hatte. Sie hatte das Erkennen in deren Blick gesehen und wusste auch selbst, wem sie da gegenüber gestanden hatte. Kirara.

Aber dieser Junge, wer ist er? Wo sind deine Leute? Wo ist der kleine Fuchs, mit dem meine Menschenfreundin sich so angefreundet hat, damals…?

„Mutter!“, fauchte neben ihr eine Stimme, sodass Kuroro hochschreckte. Um ein Haar wäre sie in eine Pfütze gelaufen, die für ihre kleine Form eindeutig zu tief zum Waten war. Schnell machte sie einen Schlenker. „Danke, Katashi.“

Der Kater wandte sich wieder ab. „Du bist doch sonst nicht so unaufmerksam.“

„Ich war in Gedanken. Die Nekomata, die du gerettet hast, habe ich schon einmal getroffen. Du übrigens auch. Aber da warst du wohl noch zu klein.“

„Das war sie?“

Kuroro nickte und schnurrte belustigt, als ihr Sohn in der Bewegung erstarrte. „Das war die Retterin des Dorfes und meine und Koumes Retterin“, bestätigte sie dann. „Du hast sie beobachtet, ehe du eingegriffen hast, oder?“, wollte sie dann wissen.

Nach kurzem Zögern nickte ihr Sohn. Seine roten Augen funkelten etwas. „Sie ist sehr geschickt. Wenn das Gift nicht gewesen wäre…“ In seiner Stimme lag Bewunderung, auch wenn es für jeden Menschen nach einem einfachen Maunzen geklungen hätte.

„Kirara ist unglaublich. Damals habe ich sie persönlich nicht kämpfen sehen, aber nach dem, was Kentaro sagte, hat sie einen weitreichenden Ruf“

Der junge Kater wusste durchaus, dass sie von seinem Vater sprach, auch wenn er den nie getroffen hatte. Der Name war bekannt. Kentaro war offenbar weit herum gekommen und seine Mutter zitierte ihn oft. Etwas zu oft, wenn man nach Katashi ging. Aber was sollte er tun. Bislang hatte er noch keine Anstrengung unternommen, seine eigenen Wege zu gehen. Seine beiden Schwestern waren längst sonst wo unterwegs. Er versank in seinen Gedanken.

„Sag mal, Katashi, warum fragst du sie nicht selbst, ob sie sich erholt hat?“, mischte sich Kuroro da ein und blinzelte ihrem Sohn zu. Sie hatte durchaus mitbekommen, was ihren Sohn eigentlich beschäftigte.

Katashi senkte etwas den Kopf. „Vielleicht…“, murmelte er fast unverständlich, ehe er seiner Mutter folgte.

Kuroro schnurrte bloß auf, dass es fast nach einem Lachen klang. Sie wusste, dass ihr Sohn jetzt nur noch mit kam, um sich von Koume zu verabschieden. Die würde es vermutlich nicht verkraften, wenn Katashi sang und klanglos verschwand. Denn Kuroro glaubte kaum, dass er bald zurückkehren würde, wenn er einmal weg war.
 


 

InuYashas goldene Augen glänzten im Wiederschein des Lagerfeuers. Abgesehen von Kirin war er wieder einmal der einzige, der noch wach war. Selbst Shiori und Kyoko waren inzwischen eingeschlafen, also würde wohl oder übel er nach Sesshômaru und dessen Begleiterin sehen müssen. Kagome musste wissen, wie es Natsu ging, immerhin hatte sie darum gebeten.

Seufzend erhob InuYasha sich, als sich auf einmal eine Silhouette vor ihm abzeichnete.

„Lass nur. Ich gehe nach ihr schauen.“ Das war Kirin, dessen Schatten gegen das Feuer selbst für InuYasha kaum zu erkennen war.

Bereitwillig setzte der Hanyô sich wieder. Wenn Kirin unbedingt wollte, dann sollte er.
 

Das japanische Einhorn zögerte auch nicht mehr allzu lange, sondern wandte sich ab und verschwand im Wald. Bis zu der kleinen Lichtung war es nicht weit. Dort war alles ruhig. Natsu schlief offenbar noch immer, Sesshômaru lehnte bewegungslos an einem der Findlinge.

Jetzt aber öffnete er die Augen. „Kirin“, konstatierte er und drehte den Kopf.

„Überrascht?“, fragte der zurück, auch wenn er wusste, dass Sesshômaru eine solche Frage niemals bejahen würde.

„Was wollt Ihr?“, kam auch nur die emotionslose Gegenfrage.

„Reden. Als ich Euch das letzte Mal getroffen habe, wart Ihr noch weit jünger.“ Und Euer Vater noch am Leben, aber das sprach er lieber nicht aus.

„Worüber?“

„Beispielsweise über Eure Schwerter. Das Taro-donno Euch Tensaiga vermachte, ist bekannt. Aber das andere… es ist Eure Insignie, nicht wahr?“

„Bakusaiga“, antwortete Sesshômaru nur. Dabei überlegte er, wer seinen Vater zuletzt beim Namen genannt hatte. Selbst Myouga und Bokuseno sprachen immer nur von ‚Oyakata-sama‘, ebenso wie die Meisten im Schloss. Auch noch über zweihundert Jahre nach seinem Tod hatte sein Vater großen Eindruck hinterlassen. Aber Kirin war selbst eine Legende und seinem Vater nie direkt verpflichtet gewesen.

„Ihr müsst hart gekämpft haben, wenn Ihr mit rund neunhundert Jahren bereits Eure Insignie in Händen haltet. Man hörte, Ihr habt gegen diesen Naraku gekämpft.“

„Ja.“

„Mit InuYasha.“

„Zwangsweise“ Sesshômarus Reaktionen waren gewohnt knapp.

„Der Kopfstab, der befähigt war, die schwarze Perle und damit den Weg zum Grabe Taro-donnos zu öffnen, er befindet sich nicht mehr in seinem Versteck, wenn Tessaiga in unserer Welt ist. Wer hat ihn?“

„Mein Diener. Jaken.“

„Dann habt Ihr versucht, das Erbe Eures Vaters anzuzweifeln?“, kombinierte Kirin scharfsinnig.

Keine Reaktion von Sesshômaru. Auf dieser Ebene des Gespräches diskutierte er nicht weiter, auch wenn Kirin Recht hatte. Der hatte das durchaus gemerkt und dachte sich seinen Teil dazu. „Wenn ich richtig rechne, war das Jahrhunderttreffen diesmal bei Euch, nicht wahr?“

„War es.“

„Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?“

„Shou kam auf die Idee, ein Rifugium für die Yôkai zu schaffen, damit die Menschen uns nicht mengenmäßig überschwemmen. Mit der Sekai no Tia würde es gelingen.“

„Dann wart Ihr bei Kuraiko“

„Ja.“

„Wirbt Tôran noch immer um Euch?“

„Tut sie.“

Kirin merkte, dass er beinahe zu weit gegangen wäre, denn ein kleines bisschen von Sesshômarus Yôki trat an die Oberfläche. Also beendete er das Gespräch, indem er sich einfach abwandte. Natsu hatte sich die ganze Zeit über nicht gerührt, ihr Atem ging ruhig. Offenbar war sie auf dem Weg der Besserung, er konnte Kagome schlafen lassen.

Er legte etwas den Kopf schief, ohne seinen Schritt zu unterbrechen. Nach InuYashas Heilung war er, auch getrieben durch Neugier wegen Sesshômarus Auftauchen, einfach mitgezogen, ohne weiter darüber nachzudenken. Hatte er überhaupt einen weiterreichenden Grund dazu? Eigentlich nicht. Kirara, die er doch gesucht hatte, wusste zwar viel über die Artefakte, das hatte er mit Hilfe seines eigenen bereits herausgefunden, ohne sich großartig mit der Nekomata zu unterhalten, aber weiterhelfen tat ihm das auch nicht wirklich.

Das Gleichgewicht der magischen Kräfte war ins Wanken geraten, deswegen die kranken Oni, deswegen das Erstarken des Onibi, von dem Myouga auf der Reise berichtet hatte. Es wurde einzig und allein Zeit, dass das zweite, verbliebene, zwiespältige Artefakt auftauchte, die Prophezeiung erfüllt wurde, und es damit in guter Hand war. Solange einer der magischen Gegenstände nicht in dieser Dimension weilte, würde keine Ruhe einkehren. Ihm blieb nichts anderes übrig, als weiterzusuchen. Damit war sein Entschluss gefallen. Er würde die Gruppe am nächsten Tag verlassen.
 


 

Am nächsten Morgen erwachte die Gruppe spät. Durch den ruhigen Tag zuvor, hatten ihrer aller Körper das genutzt, um wieder richtig Kräfte zu sammeln.

Auch InuYasha hatte sich noch ein kleines Nickerchen gegönnt, nachdem Kirin wieder zurückgekehrt war.

Jetzt erwachte er allerdings und richtete sich ruckartig auf.

Kagome, die dadurch ebenfalls geweckt wurde, blinzelte müde. „Was ist los?“ Erst dann bemerkte sie, wie hoch die Sonne bereits stand. Allerdings war das wohl kaum der Grund gewesen, dass InuYasha so hochschreckte.

„Keh. Meine Herr Halbbruder bequemt sich wieder zu uns. Samt Begleitung“, murmelte der Hanyô und erhob sich bereits. Er konnte sich denken, worauf das hinauslaufen würde.

„Was? Jetzt schon?“, fragte Kagome überrascht nach.

„Der Tag dürfte fortgeschritten genug sein“, mischte sich Kirin ein und schüttelte etwas seine Mähne.

„Quatsch. Ich rede von Natsu. Noch vorgestern Abend war sie dem Tode näher als dem Leben und du glaubst, wir ziehen jetzt schon weiter?“

„Du vergisst, dass sie eine Dämonin ist und eine starke noch dazu. Ich würde mich nicht einmal wundern, wenn auch ihre Kleidung wieder einwandfrei wäre“, gab InuYasha zurück und steckte Tessaiga in das dünne Scherpenband, das er über dem Suikan trug.

Kagome erwiderte lieber nichts, sondern hob nur ihren Köcher auf und schob ihn sich über die Schulter, denn selbst sie erkannte nun Sesshômarus weiße Kleidung im Wald aufblitzen.
 

Kurz darauf war der Hundedämon bei ihnen angekommen und tatsächlich stand Natsu knapp hinter ihm. Über ihrem Unterarm hielt sie die Decke, ansonsten deutete nichts darauf hin, dass sie gerade erst dem Krankenlager entsprungen war.

Die junge Miko schüttelte nur innerlich den Kopf, sagte aber nichts dazu, sondern blickte sich nur um.

Der Rest der Gruppe war abmarschbereit.

Prompt setzte sich Sesshômaru ungefragt wieder an die Spitze und der Rest folgte, teils murrend, teils stumm.

Kagome haderte noch immer ein wenig mit sich, aber sie hatte sich entscheiden, dieses Artefakt erst einmal sehen zu wollen, ehe sie sich entschied, ob sie all das auf sich nahm, was wohl hinter Sesshômarus… Bitte steckte. Nun, es war ja eher ein Befehl gewesen, aber das war Kagome gelinde gesagt, reichlich egal.

Letztendlich war es noch immer ihre Entscheidung.

Hoffte sie.

Herausforderungen

Natsu. Geh vor!“

Sesshômarus Befehl ließ nicht nur die Löwendämonin, sondern auch die anderen Gruppenmitglieder aufschrecken.

Der Hundedämon war stehen geblieben und sah sich nicht einmal um.

Seit Stunden, genauer, seit dem Mittag, waren sie ohne Pause unterwegs gewesen, längst trug InuYasha Kagome in altbekannter Manier und Kirara hatte sich Kohakus und der Fuchskinder angenommen. Keiner hatte gewagt aufzumucken, nachdem sie alle erkannt hatten, dass Sesshômaru für seine Verhältnisse schon ein sehr langsames Tempo anschlug.

Jetzt aber sahen alle auf und musterten die schmale Schlucht, die sich vor ihnen öffnete.

„Was willst du hier?“, fragte InuYasha murrend und setzte Kagome vorsichtig ab.

„Kuraiko“, erwiderte Sesshômaru kühl, als würde dieser Name alles erklären.

Natsu schloss zu ihm auf und trat einen Schritt vor. „Sollten wir die anderen nicht vorwarnen, was sie hinter dem Bannkreis erwartet?“, fragte sie.

„Willst du mir Vorschriften machen?“

Rasch verneinte die RaionYôkai und trat weiter vor. Doch plötzlich erstarrte sie, witterte angestrengt. Dann runzelte sie die Stirn. „Nikko“, murmelte sie vor sich hin.

„Eine von diesen Katzen ist hier gewesen…“, knurrte InuYasha gleichzeitig, während er Kagome absetzte.

„Still!“, schnappte Sesshômaru. Als ob er das nicht selbst wittern würde.

InuYasha brummte vor sich hin.

„Vom wem redest du?“, wandte sich da Kirin an Natsu.

Die Löwendämonin drehte etwas den Kopf. „Der Anführer des Botenstabs im Nekoschloss. Aber ich weiß nicht, was er hier will. Und davon abgesehen… er dürfte das Schlupfloch nicht kennen, dennoch scheint er auf der anderen Seite des Banns zu sein. Das muss Zufall sein…“ Sie schüttelte etwas den Kopf.

„Sucht er dich?“, mischte sich Sesshômaru ein.

„Ich wüsste nicht, warum…“, gab Natsu zurück, ehe sie sich, ohne auf die Aufforderung zu warten, wieder in Bewegung setzte. Wenn Nikko auf der anderen Seite des Banns war, folgte sie sowieso automatisch seiner Witterung. Außerdem war ihr im Allgemeinen schon alles andere als Wohl zu Mute, wenn sie daran dachte, dass sie schon wieder über den Fallenpfad müssten. Fest stand, dass sie dieselben Fallen nicht noch einmal durchstehen würde, nicht mit ihren Verletzungen. Diesmal mussten sie einen langwierigeren Weg nehmen. Innerlich seufzte sie, bemühte sich aber, sich nichts anmerken zu lassen.

Die anderen hatten der kurzen Konversation mehr oder weniger schweigend zugehört. Sie folgten Natsu, die dicht gefolgt von Sesshômaru die Schlucht betrat und bis zum Ende durchlief. Wenige Meter vor ihnen zeichnete sich die Küste ab.

„Kagome! Komm her!“, befahl der Inuyôkai, damit nicht etwa die ganze Bande auf die Idee kam, er würde sie alle mitschleppen, und ließ sich sogar dazu herab, die junge Frau anzusehen.

Noch ehe die Miko reagieren konnte, schloss sich allerdings InuYashas Hand um ihren Unterarm. „Nichts da. Ich komme mit!“

Von Sesshômaru kam nur ein Knurren, das den Hanyô aber wenig einschüchterte. „Und wenn du schwarz wirst, ich komme mit!“, beharrte er. Als Sesshômaru daraufhin die Augen verengte, wanderte die Hand des Halbdämons bereits zu Tessaiga, aber er brauchte gar nicht zugreifen.

Der Hundedämon drehte sich bereits wieder um. Niemals hätte ein Wort darüber verloren, dass er nachgab, das erlaubte sein Stolz nicht. Aber innerlich war ihm klar, dass ein weiteres Beharren nur einen Kampf herausgefordert hätte und das wäre unnötige Zeitverschwendung. Sollte InuYasha eben mitkommen. Dass er damit voraussetzte, dass auch InuYasha in der Lage war, Kagome sicher durch die Fallen zu manövrieren, fiel ihm gar nicht wirklich auf.

Natsu sehr wohl, aber ihrer eigenen Gesundheit zuliebe, erwähnte sie es nicht, sondern deutete nur vor sich nach oben. „Seht ihr dort oben den Felsgrat? Genau darüber ist das Portal. Nur dort gelangt man hinter den Bannkreis. Springt bitte mit Abstand“, sagte Natsu noch, ehe Sesshômarus ungeduldiges Knurren sie dazu trieb, vorzugehen. Mühsam stieß sie sich ab, landete innerhalb des Banns und balancierte ungewohnt ungelenk, aber halbwegs sicher über den entstehenden Balken über der Dornengrube. Das war ja nochmal gut gegangen. Sesshômaru war ihr auf dem Fuße gefolgt, umging die Aufgabe in altvertrauter Manier, indem er schwebte und dann knapp neben ihr aufsetzte. Kurz darauf schnellte InuYasha hinterher, Kagome auf dem Rücken. Mit zwei schnellen Sprüngen überwand er den Balanciergrat und gesellte sich zu den beiden Yôkai.
 

Natsu wunderte sich insgeheim , dass er so irritationslos durch die Falle gekommen waren, konnte sie doch nicht wissen, dass er aus Sesshômarus kurzem Befehl „Trag deine Miko gefälligst, InuYasha!“, den richtigen Schluss gezogen hatten und mit einer Geschicklichkeitsaufgabe rechnete, denn das er sie für den Sprung tragen musste, war selbstverständlich. Zu diesem Zeitpunkt war die Löwendämonin ja bereits durch den Bann gewesen und hatte nicht mehr gehört, was hinter ihr vorging.

So wandte sie sich nun zum Gehen.

„Die Dornenallee“, konstatierte Sesshômaru bloß und sprintete dann ohne Vorwarnung hinter ihr her.

Der Hanyô folgte, so schnell er konnte, es war für keinen wirklich ein Problem, außer für Natsu, die kaum ihre übliche Geschwindigkeit erreichte und am Ende etwas mühsam stehen blieb, die Kiefer aufeinander gepresst. Wie gut, dass sie wusste, wo die Fallen lagen, die kein Tempo forderten. So konnte sie abwägen, wo lang sie ging.

Noch aber wandte sie sich in die altbekannte Richtung. „Bleibt nah hinter mir!“, sagte sie dann doch, was Sesshômaru schweigend zur Kenntnis nahm und InuYasha ein leises „Keh!“ murmeln ließ, ehe auch er verstummte, dafür aber mit seinen Hundeohren zuckte, als er Natsus leises Zählen vernahm. „Zwei, eins, dunkel“ Augenblicklich wurde es tatsächlich stockduster und der Halbdämon wäre beinahe zusammengezuckt.

Sesshômaru behielt dagegen sein Yôki diesmal unter Kontrolle, kannte er die Falle doch schon, und marschierte in stoischer Gelassenheit hinter Natsu her, als hätte sich nichts verändert. Da sie diesmal bis zum Ende des Fadenlabyrinths langsam voran ging, verlor er sie auch nicht und alle kamen sicher ans Ziel. Das ganze ging weit weniger spektakulär vor sich, als zu dem Zeitpunkt, als Sesshômaru und Natsu allein hier durchmarschiert waren.

Jetzt aber zögerte die RaionYôkai kurz. „Erlaubt Ihr einen Vorschlag?“, fragte sie ruhig und keiner zweifelte daran, dass sie damit Sesshômaru ansprach.

„Keine Blitze?“, fragte der zurück und bewies damit, dass er durchschaute, was sie vorhatte.

„Nein. Erstens habe ich noch nicht wieder genügend Yôki um durch den inneren Fallenring hindurch zu gelangen und zweitens befindet sich Nikkos Witterung in dieser Richtung“ Sie verzichtete darauf, die Hand zu heben und lenkte nur den Blick in die Richtung, die sie meinte.

„Was liegt dort?“

„Karans Falle, wenn Ihr so wollt“

InuYasha knurrte auf, während Sesshômaru bereits knapp nickte. Er konnte sich schließlich ausmalen, was seine ‚Reiseführerin‘ damit meinte. Die nächste Falle würde aus Feuer bestehen. Und das war, gelinde gesagt, ein Problem. InuYasha hatte sein Gewand, das ihn schützen würde, aber was war mit Kagome? Sie war als Mensch weit empfindlicher. Er hatte zwar schon oft gesehen, dass InuYasha ihr sein Feuerrattengewand lieh, aber wenn er das tat, wäre der Hanyô selbst zumindest am Oberkörper ungeschützt. Und ihn vor dieser Falle zurückzulassen, würde der nicht hinnehmen. Es musste eine Lösung geben. Nur welche?
 


 

Vor dem Bannkreis war die Stimmung weniger angespannt.

Kirin hatte sich verabschiedet und war samt Yutaka längst wieder außer Sichtweite. Er wusste, Sesshômaru hätte sowieso keinen Wert auf ein weiteres Gespräch gelegt und so ging er nun wieder seiner Wege.

Die verbleibenden Gruppenmitglieder saßen zwischen den Felswänden der schmalen Schlucht und richteten sich wohl oder übel fürs warten ein. Sie hatten durchaus verstanden, dass Sesshômaru sie nicht dabei haben wollte und nachdem Kirin noch hatte durchsickern lassen, dass die Fallen dort drinnen selbst für einen Yôkai von Sesshômarus Kaliber durchaus gefährlich werden konnten, verstanden sie auch, wieso.

Wobei sich seltsamerweise keiner fragte, woher das Einhorn dies wusste.

Kirin selbst war froh darum gewesen. Er hielt sein Artefakt, das ihm diese Weisheit verlieh, meist versteckt und er musste es nicht unbedingt jetzt zur Sensation werden lassen.
 

So machte sich Kohaku bald in altvertrauter Manier mit Kirara auf die Suche nach Feuerholz, Shiori schloss sich ihm an und der Rest ließ sich in einer lockeren Gruppe nieder. Dennoch war die Stimmung nicht so gelöst, wie man das vielleicht gewohnt war.

Shippô war der einzige, der es ab und an vor sich hin murmelte, aber alle machten sie sich Sorgen, gerade um Kagome, die als Mensch sicherlich die meisten Schwierigkeiten haben würde, InuYasha und die Begleitung zweiter Yôkai hin oder her. Und die Untätigkeit machte es nicht besser.
 


 

Als Natsu aus heiterem Himmel stehen blieb und Sesshômaru es ihr mit ungerührter Miene gleichtat, wäre InuYasha beinahe in seinen Halbbruder hineingerannt. „Hey!“, maulte der Hanyô und versuchte an dem Größeren vorbeizulugen. Er konnte allerdings nichts Aufregendes erkennen. „Was soll das?“

„Eh, InuYasha? Ich glaube, da ist ein Bannkreis. Es ist nur eine Ahnung, ich kann ihn kaum fühlen, aber ja, da ist einer…“, ließ sich Kagome etwas zögernd vernehmen.

Sesshômaru unterdrückte ein genervtes ‚Bastard!‘, froh, einer Antwort enthoben worden zu sein und lenkte seinen Blick wieder zu der Löwendämonin, die noch immer abwartend an Ort und Stelle stand. „Worauf wartest du?“

„Einer von uns muss Kagome mit schützen. Das Feuer wird sie sonst umbringen“

„Sie ist eine Miko“, konterte der Hundedämon kalt, ohne eine Miene zu verziehen.

„Sesshômaru-sama, auch wenn ich ein paar Ränge unter Euch stehe, ich bin keinesfalls dumm. Ich fühle selbst, dass sie reine Magie beherrscht. Aber ihre Mikokräfte treten nicht so sehr nach außen zu Tage, wie bei anderen Priesterinnen. Sie müsste damit zurechtkommen, von einem Schutzkreis aus Yôki abgeschirmt zu werden“, gab Natsu zurück, ungeachtet dessen, dass dieser Ton wohl kaum angemessen war, Sesshômaru milde zu stimmen oder gar zu überzeugen.

Er gab auch nur ein leises Knurren zurück, als sich InuYasha bereits einmischte. „Keh! Ihr tut ja gerade so, als könnte ich sie nicht selbst schützen! – Kagome gehört zu mir, kapier das endlich, Sesshômaru!“

Das einzige, was er damit allerdings erreichte war, das Sesshômaru einen Blick über die Schulter zurückwarf und seinen Halbbruder eiskalt musterte. Es war dem Hundedämon leicht anzusehen, dass ihm das altbekannte Schimpfwort bereits wieder auf der Zunge lag. „Und wie willst du das anstellen?“, fragte er stattdessen.

„Sie kann mein Gewand haben. Wir haben nicht das erste Mal mit Feuer zu tun“

„InuYasha, das Feuer wird überall sein, du musst dich selbst schützen“, wagte Natsu einzuwenden, worauf sie allerdings nur einen seltsam synchronen, eisigen Blick beider Halbbrüder erntete.

„Schon gut… ich glaube, ich habe eine Idee. Inuyasha, du kannst mich doch huckepack nehmen, wie sonst. Dein Gewand ist doch weit genug, um dann als Umhang uns beide zu schützen“, griff Kagome schlichtend ein und wunderte sich doch, dass diesmal keiner unwirsch kommentierte, umso mehr, als sie meinte, einen kurzen Anflug von Dankbarkeit in den Augen Sesshômarus aufblitzen zu sehen, ehe der sich abwandte.
 


 

Shiori bückte sich und packte einen weiteren Zweig, ehe sie mit ein paar schnellen Schritten wieder zu Kirara und Kohaku aufschloss. „Ich glaube, wir können uns langsam auf den Rückweg machen. Wir dürfen genug haben“, brach sie die Stille und blickte den jungen Taijiya von der Seite an.

Kohaku wiegte leicht den Kopf hin und her. „Für die Nacht ja. Aber wer sagt uns, dass die vier da drinnen nicht ein paar Tage brauchen? Willst du immer wieder los?“

Nach kurzem Zögern schüttelte Shiori den Kopf und sah sich dann demonstrativ nach weiterem Holz um.

Eine Weile wanderten sie still dahin. Das Holzbündel auf Kiraras Rücken wuchs und inzwischen trugen die beiden Jugendlichen auch selbst ein bisschen von dem Gesammelten, damit es nicht ungerecht war. Schließlich war Kirara kein Packtier.

Bei Kohakus nächster Bemerkung ließ Shiori allerdings ihr Holz fallen. Erschrocken blickte sie auf. „W-was?“

Kohaku grinste etwas. „Ich hab‘ bloß gefragt, was mit dir und Tián ist. Er hat zwar gesagt, er bliebe nur, um seine Lebensschuld bei dir einzulösen, aber das glaube ich ehrlich gesagt nicht…“, wiederholte er geduldig und verschränkte dabei die Arme so weit, wie es das Holzbündel zuließ.

„Ach...“, Shiori winkte ab, während sie in die Knie ging und die Zweige wieder aufsammelte. „Bis vor drei Tagen wusste ich ja nicht einmal, dass er unsere Sprache spricht. Was soll da schon sein?“ Ihr Tonfall klang allerdings unecht.

Kohaku schüttelte etwas den Kopf und ließ sich nieder um ihr zu helfen. „InuYasha und Kagome sprachen offenbar auch nicht immer dieselbe Sprache. Und wie das früher zwischen meiner Schwester und ihrem Mann aussah, will ich gar nicht wissen. Das scheint so üblich zu sein“

Shiori schnaufte etwas. „So meinte ich das ja nicht“

„Ich weiß“, hielt Kohaku lachend gegen. „Aber mal ganz ernsthaft, Shiori, das ist ja nicht mehr mit anzusehen. Hast du nicht gemerkt, dass Tián dich kaum mehr aus den Augen lässt?“

„Vielleicht will er schnellstens wieder nach Hause und wartet nur auf die Gelegenheit, mich vor noch irgendeiner Gefahr zu retten“

„Das glaubst du doch selber nicht“

„Und wenn?“, fragte sie provozierend zurück.

Kohaku grinste sie nur vielsagend an, ehe er sich erhob und eine auffordernde Bewegung mit dem Kopf machte.

Sein Gesichtsausdruck war jetzt sehr ernst geworden. „Komm, wir sollten wirklich zurück. Sonst ist es dunkel, ehe wir wieder am Lager sind. – Aber ich meine es ernst, Shiori. Ich weiß selbst, wie es ist, zwischen dem eigenen Glück und dem Überleben der Allgemeinheit hin und her gerissen zu sein. Es ist nicht leicht, sich für letzteres zu entscheiden und wenn man es einmal getan hat, tut man alles, nicht wieder von diesem Weg abgebracht zu werden“

Darauf wusste Shiori nichts zu erwidern.
 


 

Der Bannkreis war tatsächlich kaum zu erspüren. Dennoch war es ein Schritt wie vom Himmel in die Hölle. Urplötzlich bestand alles um sie herum aus Feuer und schon einen Schritt hinter dem Bannkreis wusste Kagome nicht mehr zu sagen, aus welcher Richtung sie kamen und in welche sie würden gehen müssen. Instinktiv verkroch sie sich noch ein bisschen mehr unter dem Feuerrattengewand, das sie schützte.

InuYasha erging es ähnlich, aber er kniff bloß die Augen gegen die flimmernd heiße Luft zusammen und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, solange sein ungeliebter Halbbruder ungerührt inmitten der Flammenwände stand.

Überhaupt war den beiden Yôkai kaum anzumerken, dass sie das Feuer überhaupt störte, beide hatten bloß einen flachen Bannkreis aus ihren Yôki um sich gelegt und sich damit abgeschirmt. Natsus Schutzschirm allerdings flackerte, da sie noch immer einiges für die Heilung ihrer Beine benötigte, aber in diesem Punkt erging es ihr ähnlich wie InuYasha, sie war bemüht, sich möglich wenig anmerken zu lassen. Ihr Gebieter auf Zeit mochte ein wahrer Daiyôkai sein und sie nur erblich, er mochte ein Fürst und sie nur eine niedere Hime sein, trotzdem würde sie sich nicht die Blöße geben, in dieser Falle um Hilfe bitten zu müssen.

Also setzte sie sich langsam in Bewegung, sorgfältig horchend, um keiner plötzlichen Eruption im Wege zu stehen und auch in keinem Lavafluss zu landen, der urplötzlich unter ihren Füßen erschien. Kuraiko…!, fauchte sie innerlich, sprach es allerdings aus Respekt vor ihrer entfernten Verwandten nicht aus. Immerhin war das alles hier ja dazu gedacht, Eindringlinge abzuhalten.
 

Eine Weile geschah nichts, dann zögerte Natsu kurz. War da nicht die Ahnung eines bekannten Geruchs gewesen? Aber es war auch überall Rauch und auch wenn der sich magisch von den eigentlichen Pfaden fernhielt, machte er das Wittern schwer. Außerdem hätten beide Hundeblütigen in ihrer Begleitung da ja wohl eher etwas mitbekommen müssen. Also schob sie es beiseite und setzte ihren Weg fort. Ein kurzer Seitenblick Sesshômarus verriet ihr allerdings, dass ihr Zögern nicht unbemerkt geblieben war. Es folgte allerdings keine weitere Reaktion, offenbar hielt er das Ganze für nichtig. Natsu selbst war sich da nicht so sicher.

Wie sich bald zeigen sollte, nicht umsonst.
 

Aus heiterem Himmel bekam InuYasha einen heftigen Stoß in die Seite, sodass er taumelte.

Kagome verlor den Halt, rutschte von seinem Rücken und kam unsanft auf dem Boden auf. „Au…“

„Kagome!“, keuchte InuYasha, kam aber nicht mehr dazu, nach ihr zu sehen, denn mit einem dumpfen, fast wahnsinnig zu nennenden Schrei stürzte sich eine Gestalt auf ihn, die im Wiederschein des allgegenwärtigen Feuers kaum zu erkennen war.

Der Hanyô zuckte zusammen, als eine Klinge seinen Arm traf und durch den dünnen, weißen Stoff des Kimonohemdes drang. Blut färbte das helle Material. Er wirbelte herum und hatte in derselben Bewegung Tessaiga gezogen, stemmte die breit aufleuchtende Klinge gegen das feindliche Katana.

Hinter ihm japste Kagome, die Hitze hatte sich wie eine Decke über sie gelegt, machte das Atmen schwer und setzte ihr heftig zu, seit das Feuerrattengewand nicht mehr über ihr war. Lange würde sie das nicht mehr durchhalten.

InuYashas Ohren zuckten, als er das hörte, er konnte aber nicht reagieren, zu sehr beschäftigten ihn die schnellen, unkontrollierten Angriffe seines Gegners, den er nicht einmal richtig sehen konnte, sosehr verwirrten die zuckenden Flammen rund um sie herum die Sinne.
 

Länger sah sich Sesshômaru die Szene nicht mehr an. Dass InuYasha diesen schattenhaften Kämpfer früher oder später lahmlegen würde, dessen war er sich sicher, schließlich hatte dieser Halbdämon im Duell gegen ihn selbst überlebt. Aber Kagomes Zustand gefiel ihm weit weniger. Er brauchte diese Miko und er konnte nicht riskieren, dass sie hier erstickte. Zwar könnte er sie mit Ten – Tensaiga! Das war es!

Mit einer schnellen Bewegung zog er das so selten benutzte Schwert aus dessen Scheide und schleuderte es mit einer harschen Handbewegung in Kagomes Richtung. Die Klingenspitze bohrte sich in einen kleinen Riss im Fels des Bodens und ließ das Schwert aufrecht stehen. Wie blaue Flammen umspukte Tensaigas Kraft die Klinge, ehe es plötzlich aufblitzte und sich das Blau wie ein Zelt über Kagome legte.

Augenblicklich fiel ihr das Atmen leichter und sie konnte sich vorsichtig ins Sitzen stemmen. Der Lichtmantel passte sich ihr an. Überrascht starrte sie auf das Schwert, das ihr zuvor nicht einmal aufgefallen war, brauchte keinen Atemzug um Tensaiga zu erkennen. „Sesshômaru…“, murmelte sie erstaunt und hob den Blick, begegnete allerdings nur den üblich kalten Augen.

„Ich gedenke am Leben zu erhalten, was ich brauche“, konterte er emotionslos und setzte sich in Bewegung, in Richtung InuYasha.

„Hey!“, protestierte der Hanyô, der dadurch beinahe daran gehindert wurde, einem Hieb aus dem Weg zu springen.

„Kümmer‘ dich gefälligst um deine Miko!“, knurrte der Inuyôkai nur und seine rechte Hand leuchtete bereits grün.

InuYasha sah das aus dem Augenwinkel und entschied mehr reflexartig, dass sein Gegner wohl zu keinem weiteren Angriff mehr kommen würde. Also drehte er sich herum – und auch seine Augen weiteten sich, als er den bläulichen Schutzschirm über Kagome erkannte. Rasch war er bei ihr und zog sie auf die Beine. Tensaigas Bannkreis blieb bestehen.

Die junge Miko riskierte einen Blick in Richtung von InuYashas bisherigem Gegner, sah nun auch die bereits aktivierte Giftklaue des Hundedämons und drehte sich lieber weg. Seit sie miterlebt hatte, wie InuYashas Wunde nach einem Angriff dieser Art ausgesehen hatte und wie knapp der nur überlebt hatte, wollte sie gar nicht sehen, was passierte, wenn niemand rechtzeitig eingriff.

Doch bevor Sesshômaru zupacken konnte, mischte sich Natsu ein, die das ganze bisher stumm verfolgt hatte. „Nicht, Sesshômaru-sama!“

Der Daiyôkai hielt inne und wandte ein wenig den Kopf.

„Ich kenne dieses Yôki! Das ist Nikko“

Der Weißhaarige gab sich unbeeindruckt. „Er hat angegriffen. Warum sollte ich ihn verschonen?“

„Es ist diese Falle! Der Rauch macht ihn wahnsinnig, er weiß nicht, was er tut!“

„Das merke ich“, bemerkte Sesshômaru trocken, während er ungerührt einem weiteren Hieb auswich, indem er einen kleinen Schritt seitwärts machte.

„Zwar erstickt man nicht daran, aber er setzt einem dennoch zu, wenn man sich zu lange abseits des rechten Weges aufhält. Das ist die Gefahr dieser Falle!“, setzte Natsu ihre Erklärung fort, während sie sich näherte.

Dennoch war sie nicht rasch genug. Sesshômarus Hand schnellte vor und packte die Kehle des Pantherdämons, entfaltete ihre zerstörerische Kraft. Sofort erschlaffte der schattenhafte Körper und als der Inuyôkai die Finger öffnete, fiel die Gestalt reglos zu Boden. „Er lebt“, kommentierte Sesshômaru nur, ehe er sich abwandte.

„Das scheint seine Patentlösung zu sein, Durchgedrehte ruhigzustellen“, murmelte InuYasha, in Gedenken an die ein oder andere Situation mit seiner Beteiligung, vor sich hin.

Sein Halbbruder ignorierte diese Bemerkung geflissentlich, ehe er Natsu grob vorwärts stieß. „Geh!“

Mit einem bittenden Blick von InuYasha zu dem reglosen Pantherdämon, wandte die junge RaionYôkai sich ab und tat, wie ihr geheißen.

InuYasha grollte missmutig, sah aber zu Kagome. „Kannst du selbst gehen?“

Die junge Miko nickte. „Sesshômaru scheint mir Tensaiga ja für diesen Marsch überlassen zu wollen“, antwortete sie bloß und griff probehalber nach dem Heft des Schwertes. Es ließ sich problemlos anfassen und gab seinen Schutzkreis auch nicht auf.

Der Hanyô registrierte das mit einem Ohrenzucken, ehe er sein Feuerrattengewand von Boden griff, wohin es gefallen war, es überstreifte und dann den ohnmächtigen Dämon aufhob, der offenbar zum Botenstab in Natsus Heimat gehörte.

Dann folgten er und Kagome den beiden Yôkai.

Wenn sie die beiden verloren, waren sie den Unbillen dieser Falle noch mehr ausgeliefert, als ohnehin schon.

Fortschritte

Kagome musste fast ein wenig grinsen, als sie bemerkte, dass selbst Sesshômaru ein wenig tiefer durchatmete, kaum, dass sie die Falle hinter sich, die schwere, verrauchte Luft überstanden, hatten.

Erleichtert ließ die junge Miko sich ins Gras fallen, ungeachtet dessen, dass sie Sesshômaru damit dazu brachte, in der Bewegung innehalten zu müssen, denn er hatte eigentlich direkt weitergehen wollen. Aber momentan hatte sie eine gewisse Narrenfreiheit.

„Natsu. Wir rasten“, bestimmte er also, durch nichts zu erkennen gebend, dass das nicht seine Idee gewesen war.

Unsanft ließ InuYasha seine Last fallen, ehe er sich neben Kagome setzte.

Der noch immer halbohnmächtige Pantherdämon kommentierte das mit einem Aufstöhnen, bekam offenbar noch immer nicht ganz mit, was um ihn herum geschah und warum ihm das Atmen so schwer fiel. Seine Kehle sah wund und vollkommen verätzt aus.
 

„Huh, ihr habt ihn also gefunden“, sagte da plötzlich eine Stimme und die Gruppe fuhr zusammen.

Selbst Sesshômaru hatte nicht gemerkt, wie sich die dunkelhaarige Gestalt genähert hatte. „Kuraiko“, ließ sich Sesshômaru vernehmen, ohne die Pantherdämonin überhaupt anzusehen.

Die ließ sich davon nicht stören. Stattdessen beachtete sie den Inuyôkai genauso wenig wie Natsu oder InuYasha und blickte die junge Miko an, die anhand der Kleidung leicht zu erkennen war. „Du willst also die Sekai no Tia hüten? Du bist jung. Kennst du Dämonen überhaupt gut genug, um einschätzen zu können, was es bedeutet, sich ihnen zu verpflichten?“

Kagome strich sich die Haare hinter die Ohren. „Ich denke, ich kenne genug Dämonen um das einschätzen zu können. Ich habe sowohl schon mit Dämonenjägern, als auch mit starken Dämonen wie Sesshômaru auf einer Seite im Kampf gestanden“, gab sie zurück, bemüht sich nicht anmerken zu lassen, dass es ihr nach wie vor nicht gefiel, dass Dämonen es offenbar nicht einmal für nötig hielten, ein Gespräch mit einem Gruß zu beginnen. Wer brauchte denn hier wen? Sie konnte auch gut ohne dieses Artefakt leben. Aber gut, vielleicht zog Kuraiko auch nicht gerade den größten Vorteil aus einer eventuellen Übergabe.

Besagte Dämonin nahm die Antwort zur Kenntnis. Der Ton dieser jungen Miko war gelassen gewesen, offenbar hatte die tatsächlich keine Schwierigkeiten damit, sich mit einem Dämon – noch dazu einem fremden – zu unterhalten, während vier weitere um sie herum waren – nein, halt, der eine war nur ein Hanyô. War das etwa der, den der Schmied als Sesshômarus Bruder bezeichnet hatte? Nun, sie kannte die Gerüchte, dass Sesshômarus Vater weit weniger menschenfeindlich gewesen war, als die meisten anderen Dämonen, aber ob er so weit gegangen war? Nun, sie hatte noch nie viel von diesem Hund gehalten. Was sie allerdings auch von Sesshômaru behaupten konnte und von allen anderen Hunden im Kollektiv. Wie Hund und Katz‘ eben.

Sie zog die feine Kette aus ihrem Kimono, sodass der tränenförmige Anhänger im Sonnenlicht aufblitzte. „Ich werde die Tia in einer meiner Fallen verstecken. Kannst du sie bändigen, wirst du wieder hinaus finden. Meinetwegen kann Sesshômaru mitgehen, wie es scheint, wirst du damit in seinen Diensten stehen. Aber ich glaube nicht, dass er dir von großer Hilfe sein wird“ Das klang fast zynisch.

Obwohl er noch immer in eine andere Richtung sah, kniff der Inuyôkai etwas die Augen zusammen, rührte sich aber ansonsten nicht. Na prima. Er sollte jetzt also mit Kagome allein durch eine dieser Fallen laufen. Zu Kuraikos Belustigung, wie es schien. Als ob er nichts Besseres zu tun hatte. Vermutlich war das die Quittung dafür, dass er ihr Wasserlabyrinth zum Einsturz gebracht hatte.

„InuYasha!“, sagte er aber nur.

„Was?“

„Du bleibst sitzen“ Wenn man das diesem Halbblut nicht ausdrücklich sagte, brachte der es fertig und folgte ihnen. Dieses Chaos wollte der Daiyôkai sich dann doch ersparen.

„Keh!“, erwiderte InuYasha bloß, blieb allerdings tatsächlich an Ort und Stelle, als Kagome sich erhob, sicher, dass dies Sesshômarus letzte Worte für eine ganze Weile gewesen waren.

Kuraiko war zu derselben Einschätzung gelangt, drehte sich etwas weg. „Natsu, weise ihm den Weg zu Shunrans Falle. Aber bleib' draußen!“ Damit schien sie sich im Nichts aufzulösen und ließ die Gruppe etwas verblüfft zurück.
 


 

Außerhalb des äußersten Bannkreises war es inzwischen Abend geworden. Tián stromerte vermutlich irgendwo durch die Gegend und Shiori hatte sich aufgemacht, eine Runde um das Lager zu drehen, damit sie in der engen Schlucht nicht überrascht wurden.

Tief sog sie dabei die klare Luft ein. Sie hatte die Nacht schon immer geliebt, das musste wohl an ihrem väterlichen Erbe liegen. Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Züge. Sie hatte keine Erinnerungen an ihren Vater, wie der zu Lebzeiten gewesen war, kannte nur die Erzählungen ihrer Mutter – und seit neustem Kirins. Schon sein Name war so viel sanfter gewesen, als der ihres Großvaters.

Taigokumaru…Shiori kniff die Lippen zusammen. Sie war bereit gewesen, trotz ihrer kindlichen Unbedarftheit, sich diesem Kerl zu opfern, um die anderen, vor allem aber ihre Mutter zu schützen. Dabei war ihr Herr Großvater doch an allem Schuld. An allem. Am Tod ihres Vaters, dem Kummer ihrer Mutter, dem Leid der Menschen im Dorf, die sie deswegen noch weniger angenommen hatten, als sie es andernfalls mit einer Halbdämonin getan hätten. Und dann hatte er trotzdem er seinen Willen bekommen hatte, dennoch seinen Teil des Paktes nicht eingehalten. Nach allem, was sie inzwischen aufgeschnappt hatte, war ihr Vater wirklich eine sehr große Ausnahme unter den Fledermäusen gewesen.

Seufzend ließ sie den Blick schweifen.

Dabei fiel ihr eine Gestalt auf, die an einer Klippe, nicht weit entfernt saß und in Richtung Küste starrte. Sie brauchte keinen zweiten Blick um Tián zu erkennen. Für einen Moment war sie drauf und dran, sich wieder umzudrehen. Wenn er da so ruhig sitzt, ist hier bestimmt niemand unerwünschtes unterwegs…, versuchte sie sich einzureden, doch so ganz gelang ihr das nicht. Sie konnte den Blick nicht so leicht abwenden. Während des großen Kampfes hatte er sie zweimal vor großer Gefahr bewahrt, wenn ihr nicht das Leben gerettet. Seine Schuld war gesühnt. Ob er nach Hause will? Über’s Meer? Wenn dem so war, wollte sie sich wenigstens noch verabschieden.

Langsam kam sie näher. Erst aus der Nähe erkannte sie etwas, was sich verändert hatte. Tián trug seinen Umhang nicht mehr, stattdessen schmiegten sich lederne Schwingen an seinen Rücken, sodass es beinahe gleich aussah.

Ein Bild schoss Shiori durch den Kopf, die Geistgestalt ihres Vaters, kurz nachdem er in den Kampf gegen Taigokumaru eingegriffen hatte. Auch er hatte seine Flügel so aufgefaltet, dass sie auf den ersten Blick wie ein Umhang erschienen. Sie hielt den Atem an. Ist er… etwa auch ein Komori? Oder zu mindestens ein naher Verwandter vom Festland?

Für einen Moment war sie so unaufmerksam, dass sie auf ein dünnes Ästchen trat, dass auf dem Boden lag.

Tián drehte den Kopf, ohne sonderlich zu erschrecken. „Shiori…“, murmelte er bloß vor sich hin und etwas lag in seiner Stimme, das Shiori nicht deuten konnte. Seine Haltung war reserviert, doch seine so dunklen Augen zeigten Wärme.

„Ich… ich wollte nicht stören…“, wisperte sie heiser, schlug für einen Moment die Augen nieder. Rasch wollte sie sich umdrehen, da hob Tián die Hand und hielt sie, ohne aufzustehen, am Handgelenk zurück.

„Du störst nicht, Shiori… ich überlege bloß, was ich nun tun soll. In meiner Heimat wartet man sicher schon auf mich, eigentlich wollte mein Großonkel nur einen kleinen Abstecher hierher machen und hat mich aus Spaß mitgenommen. Ich… ich bin geblieben, bis ich meine Schuld eingelöst hatte um dir zu danken, und um nicht mein ganzes Leben lang das Gefühl zu haben, ich hätte dich nur ausgenutzt.“ Er seufzte etwas. „Aber damit habe ich mir wohl in jeglicher Hinsicht ins eigene Fleisch geschnitten“

Shiori sah ihn erstaunt an. „Ich verstehe nicht so ganz, was du meinst…“

„Das kannst du auch nicht. Ich… ich habe, seit ich hier bin, eine Lüge an die Nächste geknüpft, um meine Scharade aufrecht zu erhalten. Auch dir gegenüber. Hätte jemand Falsches auch nur ein Wort zu viel gehört, wäre meine Familie, mein ganzes Volk zum Tode verdammt – so dachte ich wenigstens.“

„Ich habe mir schon gedacht, dass da mehr hinter steckt, außer dass du meine Sprache kannst“, erwiderte Shiori zögernd und setzte sich neben dem jungen Dämon ins Gras.

„Es ist auch meine Sprache. Ich bin hier geboren. Am südlichsten Ende Japans. Als wir übersiedelten, war ich in einem Alter, das du in etwa mit einem siebenjährigen Menschenkind vergleichen kannst. Und plötzlich waren wir auf der Flucht“
 

Shiori bekam nicht mit, das sich seine freie Hand um das Aikuchi krampfte, das er zeitweise Kagome geliehen hatte.
 

„Auf der Flucht? Aber… nein, lass. Ich will dich nicht zwingen“

Tián schüttelte leicht den Kopf, seine Finger klammerten sich so fest um das Messerheft, dass die Fingerknöchel weiß hervor traten. Würde er nach seinem Auftrag handeln, wäre dies genau die Situation, auf die er gewartet hatte. Er könnte es beenden und gehen, als sei nichts geschehen. Aber… „Du zwingst mich zu gar nichts. Ich… ich möchte nur einmal ehrlich zu dir sein. Vielleicht kann ich dir damit besser danken, als mit dem kleinen Rundflug. Der hat dich ja offenbar eher erschreckt“ Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, dass seine Augen aber nicht erreichte. Er haderte mit sich.

„Naja, ich habe ja auch nicht damit gerechnet. Außerdem bin ich noch nie auf diese Weise geflogen. Ein, zweimal auf Kirara, aber sonst nie“, rechtfertigte Shiori sich leise und wagte noch immer nicht, Tián richtig anzusehen.

„Du wusstest gar nicht, dass ich fliegen kann, oder?“, fragte er ruhig.

Das weißhaarige Hanyômädchen schüttelte den Kopf.

„Und du hast auch nicht erkannt, dass ich auch eine Art Komori bin, stimmts?“ Wieder verneinte Shiori.

Tián musste unwillkürlich schmunzeln. Kaum zu glauben, wessen Blutes sie war. Man merkte schon, dass der große Peiniger nicht gerade den Großvater gespielt hatte. „Du kennst dein väterliches Erbe kaum… nun, Komori-Yôkai unterscheiden sich auch in vieler Hinsicht von anderen Yôkai-Rassen. Allein schon dadurch, dass unsere menschenähnliche Form und unsere wahre Form sich sehr ähnlich sind“, stellte er gelassen fest und nur darin, dass er ebenfalls ihren Blick mied, glich sich ihr Verhalten. Jetzt erst ließ er ihr Handgelenk los und als seine langen, schmalen Finger über ihren Arm strichen, blieb ein leichtes Kribbeln zurück.

Shiori war sichtlich drauf und dran, zu verfluchen, dass auch Tián – wie sie jetzt wusste – zu einer nachtaktiven Dämonenart gehörte. So sah er sicherlich trotz der Dunkelheit, dass sie rot wurde.

Tián tat jedoch, als habe er das gar nicht gesehen. In ihm spielten noch immer die Gegensätze verrückt. Aber er wollte das Gespräch nicht abbrechen lassen. Vielleicht war dies hier seine einzige Möglichkeit, sich klar zu werden, was ihm wichtiger war. Führte er seinen Auftrag nicht aus, setzte er viel aufs Spiel. Aber er sprach weiter: „Nun, als kleines Kind nannte man mich Tanjiro. Erst nach der Flucht gab man mir meinen jetzigen Namen, da er aus der Sprache des Festlandes stammte“

Der junge Yôkai wandte den Blick auf den Sternenhimmel, ehe er wieder Shiori ansah – und diesmal trafen sich zufällig ihre Blicke. Es war wie ein Blitzschlag, ein Sekundenbruchteil, in dem er meinte, sein Herz würde aussetzen und auf einmal war alles ganz klar. Wie schlafwandelnd streckte er die freie Hand aus, legte sie erneut auf Shioris Arm und zog sie diesmal mit einem Ruck an sich, schloss sie in die Arme.
 

Das Aikuchi hatte er noch im gleichen Moment losgelassen, die blanke Klinge, die Shioris Leben hätte beenden sollen, glänzte verlassen im Mondlicht.
 

Shiori hatte den Atem angehalten, als er sich plötzlich an sich zog. Einen unangenehmen Moment lang war sie wie gefangen, dann schlug sie die Lider rasch nieder. Ihre Wangen brannten. Was ging hier nur vor sich?

Tián nahm es ihr ab, mühsam nach Worten zu suchen, weil er selbst weitersprach und plötzlich klang seine Stimme befreiter – und sanfter. „Da ist aber noch etwas, das wichtiger ist, als meine Familiengeschichte. Eine Lüge, die ich noch zuvor aufklären will…“, wisperte er, ohne sich jedoch zu rühren.

Auch die Halbdämonin schien erstarrt. Seine Arme hielten sie so nah an seiner Brust, dass sie seinen Herzschlag spüren konnte.

„Ich habe dir vor ein paar Tagen gesagt, dass ich in dir fast eine Schwester sehe. Das ist gelogen. Aber ich habe dir auch gesagt, dass ich dich sehr lieb gewonnen habe. Und das war die volle Wahrheit…“, flüsterte er.

Ihre Gesichter waren sich jetzt so nah, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. Shioris Herz schlug Purzelbäume, sie meinte, ihr Atem müsste stocken. In seinen dunklen Augen lag eine tiefe Wärme, die sie so noch in niemandes Blick gesehen hatte. Und in diesem Moment, indem Tián sich leicht vor neigte, verstand sie.

Ganz zart, fast unsicher tupften Tiáns Lippen auf ihre und erst als sie sich automatisch an ihn schmiegte, vertiefte er den Kuss. In diesem Moment war ihm alles egal, sein Auftrag, das vergangene Leid seiner Familie, einfach alles. Es zählte nur das Mädchen in seinen Armen. Was auch immer kommt… ich bin bereit zu kämpfen…
 


 

Du machst Fortschritte, mein Freund… grinste Arata innerlich, als er sah, dass Kôhei kurz ärgerlich die Augen zusammenkniff, weil der Schüler ihm gegenüber ihm die Waffe aus der Hand gewunden hatte. Damit meinte der alte Lehrer aber keinesfalls Kôheis Kampftechnik, sondern eher die Tatsache, dass der sich zum ersten Mal über eine Niederlage zu ärgern schien. „Genug für heute. Morio, geh’ zu deinem Mentor zurück. – Kôhei, komm her.“

Mit einem triumphierenden Grinsen auf den Lippen machte der junge Hundedämon, der gegen Kôhei gekämpft hatte, sich auf den Weg, während Kôhei noch seine Waffe wieder aufhob.

Arata trat zu ihm, verlor aber kein Wort über seine Beobachtung. Er wusste, dass er seinen Schüler nicht unter Druck setzen durfte. „Das war nicht schlecht. Beinahe hättest du standgehalten und Morios Mentor ist bekannt dafür, gerade diese Manöver besonders ausführlich zu üben“, bemerkte er stattdessen, während er an Kôhei vorbei ging.

Der Ookami schloss sich ihm wortlos an.

„Genug Praxis für heute. Ich möchte, dass du dir den Weg zur Bibliothek zeigen lässt und dich über die Waffe schlau machst, die du eines Tages beherrschen sollst. Wir sehen uns morgen wieder“ Damit schlug Arata den Weg richtung Mauer ein und setzte hinüber. Er wollte nachdenken.

Es hatte seine Gründe, dass er gerade jetzt auf die Theorie zu sprechen kam.

Gestern waren Boten von den Tokage und den Tori eingetroffen, in wenigen Tagen wollten deren Fürsten sich hier einfinden um Neuigkeiten darüber zu erfahren, was auf dem Fürstentreffen besprochen worden war. Mehr hatte seine Enkelin ihm nicht verraten wollen und dürfen.

Es war zu bezweifeln, dass die anderen Fürsten nicht ebenso hier auflaufen würden und sollte Kôga mit Kôhei sprechen wollen, wollte Arata seinen Schützling nicht gänzlich ohne Vorbereitung in dieses Gespräch rasseln lassen. Man hörte zwar, dass Kôga über manche Verfehlung hinweg sah, die andere hart bestrafen würden, aber man musste es ja nicht darauf anlegen. Arata hatte seinen so seltsamen Schüler liebgewonnen und er wollte ihm nur das Beste.
 


 

Natsu verharrte. Vor ihrer Nase schimmerte, erneut beinahe unsichtbar, wieder ein Bannkreis. „Shunrans Falle… eine der tückischsten, die Kuraiko entworfen hat. Shunran steht einem Kitsune in Sachen Illusion kaum nach und unter diesem Bannkreis befindet sich ein wahres Feuerwerk dieser Macht. Und da Kuraiko meinte, sie habe die Tía da drin versteckt, wird es wohl noch schwieriger, als ich es kenne. Sie wird all ihre Macht auf diese Falle legen um es wirklich zu einer Prüfung zu schmieden. – Übrigens, Sesshômaru-sama… sie kann recht traditionsbewusst sein. Ich vermute, da sie Euch mitgehen lässt, belässt sie es nicht beim Meistern der Falle. Sie hat für jegliche Eventualität vorgesorgt“

Sesshômaru nickte bloß knapp. Typisch Natsu, der Vortrag war zu erwarten gewesen. Aber seltsamerweise spürte er deutlich weniger Groll als bisher, wenn die junge Raion-Yôkai solche Anwandlungen gehabt hatte. Stattdessen wiederstrebte es ihm fast, sie zurückzulassen, als er durch den Bannkreis ging, Kagome auf den Fersen.
 

Die junge Miko sah sich aufmerksam um. Auf den ersten Blick hatte sich nicht wirklich viel verändert, außer dass sie plötzlich auf einer weit fruchtbareren Ebene standen. Grünes Gras überzog den leicht hügeligen Boden und überall waren Blütenknospen zu sehen, die allerdings nicht offen waren. Sie warf einen Seitenblick zu Sesshômaru. Ob der eine Ahnung hatte, was hier vor sich ging? Sie sah keinerlei Gefahr oder Aufgabe, nichts, was darauf hinwies, was hier von ihr gefordert wurde.

Sesshômaru seinerseits würdigte seine unfreiwillige Begleitung keines Blickes. Er ahnte, was es mit dieser Falle auf sich hatte und vor allem, warum Kuraiko genau jene gewählt hatte. Nicht etwa, weil es die einzige noch Unbekannte war, die auf die Macht der Panthergeschwister zurückging, sondern vielmehr um ihm persönlich das Leben schwer zu machen. Was hier vor ihnen lag war ein perfides Suchspiel. Und ein Wittern wäre unmöglich, sobald die Blüten sich einmal geöffnet hätten. Diese Falle war konkret gegen Hundedämonen gerichtet. Shunran mit ihren Blüten… musste ihre Mutter sich das abschauen?, schoss es ihm kurz durch den Kopf, ehe er den Gedanken beiseiteschob. Yôkai haderten nicht mit Unveränderlichem.

„Du sollst suchen“, gab er knapp von sich, als er Kagomes Seitenblick bemerkte und drehte sich etwas weg, wie um dem ‚Du‘ eine noch größere Bedeutung zu geben. Er würde sich nicht die Blöße geben, auch nur einen Ansatz von Suchverhalten zu zeigen.
 

Kagome nahm das gelassen hin, sie kannte Sesshômaru langsam. Sie ließ den Blick schweifen. Die geschlossenen Blütenkelche sahen alle gleich aus. War die Tía etwa in einem davon? Das könnte heiter werden. Aber sonst sah sie keine Art des Verstecks. Während sie noch nachdachte, wurde es plötzlich heller – auch wenn es unter dem Bannkreis seltsamerweise erst gar nicht richtig dunkel gewesen war. Prompt öffneten sich die Blüten, gaben farbenfrohe blaue, rote und violette Antlitze frei – und in jeder, wirklich jeder von ihnen war ein Kristall verborgen. Ein jeder war hell gefärbt und tränenförmig.

Illusion… Treffer… kommentierte Kagome stumm und sah sich um. Die roten und violetten Blüten konnte sie umgehen, deren Kristalle hatten auch eine solche Schattierung. Aber sie würde allen Ernstes jede einzelne, blaue Blüte absuchen müssen. So langsam bekam auch sie das Gefühl, sie täte dies nur zu Kuraikos Belustigung und der Gedanke gefiel ihr genauso wenig wie Sesshômaru. Dennoch machte sie sich auf den Weg. Es half ja alles nichts.
 


 

Vor dem Bannkreis war es derweil Morgen geworden.

Shippô war der erste, der erwachte, weil ihm etwas auf den Kopf fiel. Es war ein kleines Steinchen, gleich gefolgt von einem sorgsam gefalteten Papierbogen.

Verwundert setzte der halbwüchsige Kitsune sich auf und nahm den Papierbogen auf. Sichtbar stand dort nur 'かごめ'– Kagome. Neugierig wollte er das Papier auffalten, da hielt ihn eine empörte Stimme zurück. „Shippô!“ Kyokos Hand legte sich auf den Brief und nahm ihn an sich.

„Was denn?”, fragte der junge Kitsune fast ärgerlich.

„Ist der etwa an dich addressiert? – Nein. Also Finger weg!“

Halb genervt, halb beschämt ließ Shippô los und das Papier fiel zu Boden, fast auf ein taufeuchtes Grasbüschel. Schnell zog Shippô es weg, ungeachtet Kyokos dolchartigen Blicks. „Keine Angst, ich lege es bloß wieder da oben hin. Sonst wäscht der Tau noch die Tinte raus und dann hat Kagome auch nichts mehr davon!“, verteidigte er sich.

Damit schien das Fuchsmädchen einverstanden. „Du bist schlauer, als ich dachte…“, griente sie neckisch.

Gespielt entrüstet riss Shippô die Augen auf. „Na warte!“ Blitzschnell brachte er den Brief in Sicherheit, ehe er sich auf Kyoko warf.
 

Dass sie mit ihrer morgendlichen Tobestunde auch Kohaku und Kirara aufweckten, war den beiden Fuchskindern egal.

Der junge Taijiya warf auch nur einen kurzen Blick auf die beiden und drehte sich wieder um. Er hatte sich langsam daran gewöhnt, dass man die beiden nicht aufhalten konnte, zumindest nicht langfristig. Dementsprechend war er auch schnell wieder eingedämmert.

Auch Kirara bettete wieder den Kopf auf die Vorderpranken, den sie zuvor aufmerksam gehoben hatte.

Doch sie kam nicht ganz zur Ruhe, ehe sie sich schon wieder anspannte und zum Ende der Schlucht blickte, wo eine Gestalt, noch halb vom Morgennebel verborgen, näher kam.

Kirara witterte. „Du bist es…“

Abwarten

Die Gestalt, die Kirara so ähnlich sah, löste sich aus dem Dunst, das schwarze Nackenfell glänzte ein wenig vor Nässe. „Guten Morgen“, antwortete er mit tiefer Stimme und schlug einen Bogen um die tobenden Fuchskinder. „Mein Name ist Katashi.“

„Ich heiße Kirara, aber das ist dir vermutlich längst bekannt.“

„Ganz Recht. Mutter erzählte es mir.“

„Kuroro. Ich erinnere mich.“ Sie streckte die Vorderläufe durch und schob sich so ins Sitzen.

„Dir geht es wieder gut?“, fragte Katashi weiter.

Kirara grollte zustimmend. „Kohaku hat sich gut um mich gekümmert“, antwortete sie und zeigte mit einem Seitenblick auf den jungen Taijiya, der noch immer an ihrer Flanke lehnte und schlief.

„Er ist dein Herr?“, wollte ihr Gegenüber wissen.

„Seit einigen Jahren, ja. Zuvor war es seine große Schwester. Nach dem Tod meiner allerersten Herrin habe ich den Dämonenjägern dieser Gebiete Treue geschworen.“

Katashi legte verwundert den Kopf schief. „Gibt es die denn noch?“

Kirara blickte erneut zu Kohaku, der im Moment seine ganz normale Kleidung trug und wie ein gänzlich normaler Junge wirkte. „Ihn hier und seine Schwester. Und, wer weiß, vielleicht eines Tages deren Nachkommen“, antwortete sie dann.

Katashis rote Augen musterten sie. „Du bist sehr loyal“, bemerkte er.

„Wir sind einander loyal“, berichtigte Kirara, „Wir sind ein Team. Anders wäre es lebensgefährlich“

Die Augen des Katers glommen leicht, als sich darin Verstehen zeigte. Dann musterte er die beiden Kitsune, denen seine Anwesenheit noch nicht einmal aufzufallen schien. „Meinst du, ich bin eine Weile hier geduldet?“, fragte er schließlich.

Kirara wiegte den Kopf von einer Seite zur anderen. „Die Bande hier hat sicher nichts dagegen. Was InuYasha allerdings dazu sagen wird, wenn er zurückkommt… naja, zur Not wird Kagome ihn schon zu bändigen wissen – auch ohne Halskette.“

„Bitte was? Ich verstehe kein Wort“, warf Katashi ein.

Kirara schnurrte belustigt. „Entschuldige bitte. Also, InuYasha ist der Hanyô, der damals den Chef von diesen Ratten zerlegt hat. Und Kagome…“ Und so begann Kirara dem Gast die ganze Geschichte zu erzählen.
 


 

„Kitsune?“, fragte Kanaye nachdenklich und musterte seine beiden, jüngeren Brüder. „Shin, bist du sicher?“

Der eindeutig jüngste der drei zog eine entrüstete Schnute. „Natürlich, Onii-san! Itsuki hat es bestätigt!“

Beschwichtigend legte Kanaye ihm eine Hand auf die Schulter.
 

Seit Tagen waren sie nun schon unterwegs, auf der Suche nach ihrer Schwester und auch wenn sie den einen oder anderen Schritt weiterkamen, eine wirkliche Spur hatten sie noch nicht. Also hatten sie sich heute an dem Punkt getroffen, der bisher der einzige Anhaltspunkt war.

Eine wenig bewachsene Ebene und ein paar zersplitterte Holzstangen, die vielleicht einmal Teil eines Käfigs gewesen waren, zu mindestens haftete ihnen noch der Hauch einer nicht zu verachtenden Bannmagie an. Kyokos Witterung war hier nicht mehr auszumachen, aber wenn ihr Verdacht richtig war und sie zuerst hierhin gebracht worden war, dann konnte der Geruch sich längst verflüchtigt haben, ohne dass etwas Fragwürdiges dabei war.

Vorausgesetzt, sie war hier nicht lange gewesen.
 

„Aber warum sollte ein Kitsune sie entführen? Jeder Fuchsdämon muss doch wissen, dass er sich damit dem Zorn unseres Vaters auf den Hals hetzt“, griff Tadashi das vorherige Thema wieder auf und kniff die Augen zusammen.

„Gomen nasai… wenn ich etwas dazu sagen dürfte?“, mischte sich Itsuki da ein, sichtlich unsicher, ob er die drei Prinzen stören durfte.

„Nun?“, wollte Kanaye aber nur wissen.

„Einige der Krieger sagen, es gäbe das Gerücht, das Gefolge des Höllenwolfs sei wieder aufgetaucht. Und sie sagen, die wären noch ebenso dreist wie einst.“

„Wenn sie jetzt schon im Alleingang hochrangige Prinzessinnen entführen, sind sie dreister, als einst“, berichtige Tadashi ruhig, schien die Idee aber nicht gänzlich unlogisch zu finden.

Kanaye nickte ebenfalls knapp, während Shin unverständig zwischen seinen Brüdern hin und her sah. Im Gegensatz zu ihnen hatte er keine Ahnung, wovon da gesprochen wurde. Als der Höllenwolf gebannt worden war, war er noch lange nicht auf der Welt gewesen. 600 Jahre war das her und er war schließlich nicht einmal 200.

Itsuki hatte das durchaus mitbekommen. „Ōji-san? Soll ich Euch die Geschichte erzählen?“, fragte er, im Wissen, dass der unerfahrene Jüngste der Prinzen seinen Brüdern im Moment eher Last als Hilfe wäre.

Shin musterte den stellvertretenden Heerführer skeptisch, wog sichtlich ab, zwischen dem Willen, nichts zu verpassen und der Neugier, die Geschichte zu erfahren, die seine Brüder so selbstverständlich kannten. Schließlich überwog die Neugier. „Hai, Itsuki-san“, antwortete er und folgte dem erfahrenen Kitsunekrieger etwas abseits.

Er sah nicht mehr, dass seine Brüder einen kurzen, amüsierten Blick wechselten und sich dann wieder ihrer Debatte widmeten.

War es wirklich möglich, dass die schwarzen, die verdorben genannten Shinidamachu dahinter steckten? Und wenn ja, wie viele gab es davon noch? Und waren sie wieder in irgendjemandes Diensten oder handelten sie allein? Und was genau könnte das mit Kyoko zu tun haben, denn wenn jetzt tatsächlich ein Kitsune von den schwarzen Seelenfängern unter Kontrolle gehalten wurde, dann konnte das Ganze durchaus politisch motiviert sein. Einer der vielen Neider ihres Vaters? Oder war das alles doch nur Zufall? Und wie half ihnen das auf ihrer Suche?

Eine Frage reihte sich an die Nächste und sie kamen einfach nicht weiter.
 

Nach einer ganzen Weile beschlossen sie schließlich, erst einmal zur Akademie zurückzukehren und von dort einen Boten zu ihrem Vater zu schicken. Vielleicht hatte der eine Idee, welch‘ tieferer Sinn hinter der ganzen Angelegenheit stecken könnte.
 


 

Natsu war inzwischen dahin zurückgekehrt, wo sie InuYasha und den verletzten Nikko zurückgelassen hatte.

Der Hanyô schien ihre Rückkehr gar nicht richtig wahrzunehmen, stattdessen starrte er ins Nichts.

Natsu verkniff sich mühsam ein Schmunzeln und setzte sich stattdessen in die Nähe des Botendämons, der noch immer reglos im groben Gras lag. Seiner Halspartie sah man die Traktierung von Sesshômarus Giftklaue noch immer an, aber die Wunde begann zu heilen. Ein oder zwei Wunden, die InuYasha ihm beigebracht haben musste, sowie gewisse Verbrennungen waren kaum mehr zu erkennen.

Gut so, befand die junge RaionYôkai. Wenn er offiziell unterwegs war, konnte er sich eine allzu lange Pause sicher nicht leisten. Nikko war der Anführer der Boten, wenn er selbst losgeschickt wurde, musste es sich um etwas Wichtiges handeln. Oder Karan hat ihn losgeschickt…, grinste sie innerlich, hatte sie doch oft genug mitbekommen, dass ihre entfernte Cousine Nikko gern bevorzugte. Was vermutlich nicht nur mit dessen Tüchtigkeit zu tun hat… Sie wusste, dass Karan als junges Dämonenkind oft bei den Bediensteten gewesen war und da Nikko kaum älter war, als sie, konnte es gut sein, dass die beiden früher miteinander gespielt hatten.

Natsu musterte den Verletzten. Ja, sie kannte dieses kleine Geheimnis ihrer Cousine, so wie die als Einzige das ihrige kannte. Wenn es nach Natsus Vater ginge, dann hätte Natsu gerade das Nötigste an Kampftraining erhalten, gerade so viel, dass Ashai Ha nicht nur schmückendes Beiwerk war. Denn dass dieses Schwert sie anerkannt hatte, hatte auch er akzeptieren müssen. Dass Natsus Diener im Schloss aber auch ihr Kampflehrer war, davon hatte einzig Karan eine Ahnung, weil sie sie einmal erwischt hatte. Seit dem waren die entfernten Cousinen übereingekommen, das kleine Geheimnis der jeweils anderen für sich zu behalten.
 

In diesem Moment regte Nikko sich, schlug die eisblauen Augen auf und hob den Kopf. Als er Natsu erkannte, die da vor ihm saß, zog er sich rasch in eine kniende Haltung, noch ehe er seine Benommenheit ganz abgelegt hatte. Den Kopf so unterwürfig zu beugen, musste ihm noch ziemlich wehtun, aber er ließ sich nichts anmerken.

„Lass dieses Getue, Nikko. Ich weiß, dass du Schmerzen hast. – Sei froh, dass Sesshômaru-sama dich bloß ruhiggestellt hat. Er war drauf und dran, dich zu töten.“

Die Reaktion des Pantherdämons zeigte, dass er noch nicht wieder ganz bei der Sache war, denn er hob zwar den Kopf, starrte jedoch noch aus ziemlich glasigen Augen vor sich hin. „Sesshômaru-sama…“, wiederholte er mit schwerem Zungenschlag, dann erst schien der Groschen zu fallen und ein Ruck lief durch seinen Körper. Rasch warf er einen Blick zu den Seiten. „Wo…“, setzte er an, schluckte den Rest der Frage aber rasch. „Nein, entschuldigt bitte, Natsu-sama.“

Die Löwendämonin verdrehte die Augen. „Ich habe gesagt, du sollst das lassen. Wir sind hier nicht bei Hofe. – Sesshômaru-sama ist nicht hier. Er hat etwas zu erledigen und Kuraiko wollte nicht, dass ich mitkomme“, sagte sie, offener, als sie eigentlich mit einem Boten hätte reden sollen. Aber hier war Kuraikos Reich und gegenüber Kuraiko war sie auch nichts anderes als eine Dienerin, rein theoretisch wenigstens.

Nikko gab seine geduckte Haltung wieder auf. „Ich… ich erinnere mich dunkel an diesen Ort mit Feuer überall und an eine rote Gestalt, nein, eine rot-weiße Gestalt, die sich mir entgegen gestellt hat“, murmelte er dann und seine Stimme klang schon wieder ein wenig entrückt.

Natsu nickte leicht. „Sich dir entgegen gestellt, nachdem du sie angegriffen hast, Nikko. Aber jetzt komm‘ ja nicht auf die Idee, dich bei mir zu entschuldigen – da sitzt deine rot-weiße Gestalt“, setzte sie dann hinzu und deutete mit einer knappen Handbewegung auf InuYasha.

Der Pantherdämon wandte den Kopf.

InuYasha beachtete ihn nicht, er schien mit den Gedanken ganz woanders.

Wahrscheinlich bei Kagome…, dachte Natsu für sich, ehe sie für Nikko fortfuhr: „Das ist InuYasha, Sesshômaru-samas Halbbruder. Die Miko, die Sesshômaru-sama eingesammelt hat, gehört zu seinem Gefolge.“ Was eine sehr abgespeckte Zusammenfassung ist…, fügte sie für sich hinzu, aber bei aller Ehrlichkeit gegenüber dem Botenanführer, verspürte sie keine Lust, die ganze Geschichte vor ihm aufzurollen, die sie selbst bisher noch nicht so ganz durchschaute.

Außerdem wollte sie lieber die Zeit bis zur Rückkehr des Hundefürsten nutzen, ihre Beine weiter auszukurieren. Dank des Ruhetages und Kagomes Hilfe waren die Wunden zwar wieder geschlossen, aber das Fleisch darunter musste sich noch regenerieren und auch die Muskeln waren angegriffen.

Als sie die Augen schloss, drifteten ihre Gedanken ab. Und ohne dass sie es richtig merkte, dachte sie zurück an das Krankenlager im Wald. Sie sah Sesshômaru vor sich, wie er reglos in der Nähe gesessen hatte und beinahe wie ein Wächter gewirkt hatte, auch wenn er sicherlich weniger ihr Wohlbefinden im Sinn hatte, als ihre Funktionstüchtigkeit als Reiseführerin.

Bei diesem Gedanken spürte sie einen kleinen Stich im Herzen. Ihre Einschätzung des scheinbar so eiskalten Inuyôkai hatte sich während der Reise gewandelt, das hatte sie sich schon vor ein paar Tagen eingestanden. Aber es schmerzte sie innerlich, dass er all das, was er tat, nur aus Ehrgefühl machte.

Gut und schön, das war mehr, als man den Hundedämonen normalerweise zutraute, ging man vom Gerede innerhalb des Neko-Clans aus, aber dennoch. Eine vorwitzige, kleine Stimme in Natsus Hinterkopf wünschte sich, dass es anders wäre. Dass er sie einmal als die junge Dämonin sehen würde, die sie war, nicht als zeitweilige Untergebene, die er in seine Dienste nehmen und wieder abliefern konnte, wie es ihm beliebte. Denn das hatte er zweifellos vor, das war ihr klar.

Obwohl RaionYôkai weniger nasenbestimmt waren, als die Inus, kam ihr plötzlich seine Witterung wieder in den Sinn, die so deutlich in dem weißen Fell gelegen hatte, dass er ihr da, am Krankenlager, geliehen hatte. Unbewusst stieg ein leises Schnurren in ihrer Brust auf.

Dass das Nikkos Blick zu ihr lenkte und sogar InuYasha aus seinen Gedanken riss, der ihr nun einen unverständigen Blick zuwarf, merkte sie gar nicht.
 


 

Seufzend legte Kagome die Hand unter den nächsten der ungezählten Blütenkelche. Sie wusste nicht, ob es sich bloß so anfühlte, oder ob tatsächlich Stunden vergangen waren.

Aber noch ehe sie den Kristall in dieser Blüte einer näheren Betrachtung unterziehen konnte, wusste sie bereits, dass es auch dieser nicht war. Sie spürte er irgendwie. Abermals schüttelte sie den Kopf und erhob sich.

Da schoss ihr plötzlich ein Gedanke durch den Kopf: Wenn sie erahnen konnte, wenn in einer Blüte nur ein normaler Kristall war, konnte sie dann auch fühlen, wenn in einer die Tía wäre? Vorsichtshalber schloss sie die Augen. Immerhin hatte sie auch das Shikon no tama damals spüren können. Aber das Juwel hatte sie auch zeitweise in sich getragen, es zu spüren war reiner Instinkt gewesen. Zweifel überkamen sie. War sie überhaupt in der Lage, solcherart Magie zu fühlen?

Ihre Augenlider flatterten, aber sie riss sich zusammen. War die Anwendung ihrer Mikokräfte nicht auch erst Instinkt gewesen und konnte sie nicht heute einigermaßen damit umgehen? Sie konzentrierte sich wieder. War nicht irgendetwas Besonderes zu erspüren?
 

Sesshômaru stand derweil noch immer reglos an Ort und Stelle, beobachtete Kagome allerdings aus dem Augenwinkel. Es war kaum zu erkennen, dass er nur flach atmete, um der Qual des mehr als intensiven Blütenduftes bestmöglich zu entgehen. Er konnte sich denken, dass diese Falle gegen ihn persönlich ging, dass sie immer gegen den Prüfling persönlich ging. Illusionsmagie war die vielseitigste magische Kraft, die es gab. Leider.
 

Während Sesshômaru also mit seinen Nerven kämpfte, zuckte Kagome plötzlich zusammen. War da nicht etwas gewesen, eine Ahnung nur? Doch. Je mehr sie sich darauf konzentrierte, desto stärker wurde das Gefühl.

Ohne die Augen zu öffnen, ging sie dem magischen Funken nach, sicheren Schrittes, ungeachtet der Blumen, die sie auf ihrem Weg zertrat und die sich daraufhin sofort im Nichts auflösten und einzelne Flecken des eigentlichen Tundrenbodens enthüllten. Etwas sagte ihr, dass sie in die richtige Richtung ging.

Wenige Schritte später blieb sie abrupt stehen, hockte sich wieder hin und griff unter den Blütenkelch, noch ehe sie die Augen wieder geöffnet hatte. Als sie jetzt die Lider aufschlug, blendete die Helligkeit kurz, die vor ihr gebündelt wurde, ehe sie den eisblauen Kristall erkennen konnte, dem sie jetzt so nah war – und der doch tatsächlich vor ihr schwebte. Für einen Moment war ihr Blick gefangen.

Obgleich die Tía beinahe durchsichtig war, hatte das bisschen Farbe eine unheimlich fesselne Wirkung. Gleichzeitig erschlug die lodernde, magische Macht sie beinahe. Es wunderte sie kaum, dass ihre Hand etwas zitterte, als sie versuchte, ihn zu ergreifen. Der Kristall schwebte weiterhin vor ihr, auf einer kleinen, glitzernden Nebelwolke, ohne sich von der Stelle zu rühren und dennoch hatte sie das Gefühl, ein ums andere Mal daneben zu greifen.

Erst als sie versuchsweise erneut die Augen schloss, berührten ihre Finger auf einmal das harte, kühle Material.

Und es geschah das Wunder. Als sie wieder hinsah, begann sich aus dem Licht um den Kristall herum, die filigrane, silberne Kette zu materialisieren, Glied für Glied. Zuletzt bildeten sich zwei zierliche, katzenartige Pranken, die Tía und Kette miteinander verbanden. Dann fiel die Kette zu Boden und Kagome konnte sie nun problemlos aufheben. Der Glitzernebel war verflogen und auch die magische Ausstrahlung hatte sich gemildert.

Vorsichtig schloss sie die Finger darum und erhob sich.

Bei allem Eindruck, den das eben Geschehene auf sie gemacht hatte, wusste sie doch, dass das hier nur die halbe Miete gewesen war.

Kuraiko hatte gesagt, um hier wieder herauszukommen, musste sie die Tía nicht nur finden, sondern beherrschen und Kagome hatte keinen Grund, der Pantherdämonin nicht zu trauen, außer vielleicht, dass sie die Mutter jener Panthergeschwister war, die Kagome bisher in wenig netter Atmosphäre kennengelernt hatte.

Aber sie hatte die ungeheure Kraft der Tía gespürt.

Ob sie überhaupt in der Lage war, da irgendetwas auszurichten?

Splitter der Vergangenheit

Nun?“

Kagome zuckte zusammen, als sie Sesshômarus Stimme neben sich hörte. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass er zu ihr gekommen war, so vertieft war sie in die Überlegung, wie es weitergehen sollte. „Die Tía habe ich“, murmelte sie automatisch, woraufhin Sesshômaru die Augen verengte. „Das sehe ich“, kommentierte er emotionslos, sichtlich noch immer auf eine vernünftige Antwort wartend.

„Jetzt müssen wir hier nur noch raus kommen. Kuraiko sagte, dazu müsse ich die Tía beherrschen. Bloß wie?“, sprach Kagome den Gedanken nun laut aus, der sie schon die ganze Zeit beschäftigte.
 

Das war allerdings eine gute Frage, befand der Inuyôkai für sich, aber viel weiterhelfen konnte er da auch nicht, zumal der Blütenduft ihn nach wie vor sehr benebelte und er sich am Liebsten irgendetwas vor die Nase gehalten hätte, um den Gestank abzuschirmen, aber so eine Geste wäre seiner nicht würdig. Also musste er es aushalten, das war die logische Schlussfolgerung.

Aber einen Hinweis hatte er vielleicht, den Kagome nicht kennen konnte. Kuraiko hatte davon gesprochen, dass Mikokraft die Tía kontrollieren konnte. Sie hatte nichts von nur der Aura einer Miko gesagt. Vielleicht meinte sie damit, dass Mikokraft direkt auf die Tía einwirken müsste. Es war nur eine Spekulation, aber Sesshômaru wollte hier schnellstens raus und dementsprechend auch nichts unversucht lassen. „Wie kontrollierst du deine Pfeile?“, fragte er also ungerührt.
 

Kagome, die schon gar nicht mehr mit einer Reaktion gerechnet hatte, betrachtete den eisblauen Kristall in ihrer Hand nachdenklich. Sie hatte durchaus gehört, dass Sesshômarus Frage rhetorisch gemeint war, aber was genau strebte er an?

Dennoch dachte sie über seine Worte nach. Ihre Pfeile kontrollieren… Wille, Konzentration und Ruhe. Letzteres mehr oder weniger.

Kurz entschlossen hob sie die freie Hand und wölbte sie über dem tränenförmigen Artefakt. Dann konzentrierte sie sich auf ihre Kraft, wie sie es damals bei Tiáns Heilung getan hatte. Ihre Fingerspitzen begannen hellviolett zu glühen, Funken ballten sich zwischen ihren Handflächen, umsponnen die Tía mehr und mehr, richteten aber nichts aus. Der Glanz blieb fern, der Kettenanhänger wirkte wie aus billigem Glas gefertigt, so filigran geschliffen er auch schien.

Da merkte sie plötzlich, dass Sesshômaru neben ihr den Kopf hob und tat es ihm nach.
 

Nicht weit entfernt verzerrte sich die Luft ganz kurz, als eine Gestalt hindurch trat, die beide augenblicklich erkannten. Kuraiko, natürlich. Sie konnte sich in ihrem eigenen Bannkreis schließlich bewegen, wie es ihr beliebte.

Die Pantherdämonin lächelte spöttisch. „Gefunden heißt eben nicht gewonnen“, kommentierte sie, ohne den Blick von Kagomes Händen zu nehmen. Dann schüttelte sie gespielt bedauernd den Kopf.

„Tja, Sesshômaru, scheint so, als hättest du die falsche Miko angeschleppt. Aber ich will nicht so sein. Einen Versuch hast du noch. Vielleicht suchst du dir beim nächsten Mal eine stärkere aus…“
 

Der Stimme der Pantherdämonin war nicht anzumerken, dass sie innerlich angespannt war wie eine Pfeilsehne. Seit ihrem Entstehen war die Tía in ihrem Besitz gewesen und hatte ihr gehorcht. Zum ersten Mal wurde diese Verbindung nun ernsthaft gefährdet. In Wirklichkeit war Kuraiko nicht im Geringsten nach Spotten zu Mute. Aber aufgeben würde sie die Tía dennoch nicht, nicht, bevor diese Miko sich wirklich als würdig erwiesen hatte. Auch nicht wenn Sesshômarus eisiger Blick sie erdolchte. Die Tía war die letzte Gabe ihres Gefährten gewesen, ehe er in jene Schlacht gezogen war, aus der er nicht mehr zurückkehren würde. Gegen die Hunde. Für einen kleinen Augenblick entblößte Kuraiko ihre Reißzähne, ehe sie sich wieder im Griff hatte.
 

Sesshômaru hatte es dennoch gesehen. Und jetzt wusste er auch, was Kagome daran hinderte, Zugriff auf die Tía zu bekommen. Im Moment wollte Kuraiko das Artefakt gar nicht abgeben und als ureigene Besitzerin hatte sie mehr Macht über diesen vermaledeiten Kristall, als Kagome jemals haben könnte. Aber Kuraikos Gefühlsregung eben zeigte, dass das nicht nur Sturheit oder Stolz war. Sesshômaru dachte nach. Was konnte sie so dazu treiben, an den Kristall zu klammern, als wäre es… natürlich! Es gab zwei Legenden rund um die Entstehung der Tía und wenn diese eine wahr war, dann verstand er, was hinter Kuraikos Verhalten steckte. Er wandte den Blick ab. In diesem Fall würde Kuraiko sich nicht zwingen lassen. Das war jetzt ganz allein eine Sache zwischen Kagome und der Urkönigin der Panther.
 


 

„Wenn Ihr mich entschuldigt, Shichiro-san“ Mit einer kurzen Verbeugung glitt Benika durch die Schiebetür aus dem Raum und in den Garten hinaus. Kaum war die Tür wieder zu, beschleunigte sie ihre Schritte und umrundete die Veranda, um zum Verwaltungstrakt zu kommen.

Die beiden älteren Dienerinnen, Anstandsdamen, um es genau zu nehmen, hatten Mühe, mitzuhalten.

Als Benika das Arbeitszimmer betrat, in dem normalerweise Kanaye arbeitete, grinste sie etwas. Seit einer knappen Woche war ihre Verlobung nun offiziell und dennoch hatte Shichiro keine Ahnung davon, dass sie tatkräftig an der Verwaltung des Schlosses beteiligt war.
 

„Ane!“, lenkte Akenos Stimme die Aufmerksamkeit Benikas auf das Schreibpult. Ihre jüngere Schwester kniete dort und hielt ein Blatt Papier in der Hand, das eindeutig von einem der Prinzen kommen musste, wenn es Akeno so in Aufregung versetzte.
 

„Schon da. Gibt es Neuigkeiten?“, wollte sie wissen, während sie näherkam. „Nur Gerüchte. Tadashi schreibt, irgendjemand habe einen fremden Kitsune in der Nähe der Akademie herumschleichen sehen – und etwas, das gut schwarze Shinidamachu sein könnten“
 

Benika zog die Augenbrauen zusammen. „Wie kommt er darauf?“
 

Akeno senkte den Blick wieder auf den Briefbogen. „Hmm… er schreibt nur, dass sie Gerüchte gehört hätten. Und Shin und Itsuki haben wohl tatsächlich einen Kitsune wahrgenommen, der sich nicht typisch verhielt. Er war aber wohl recht schnell wieder verschwunden. Ach, und er schreibt, ein paar Menschen, die in der Gegend herumschweifen, reden von nichts anderem mehr als von einem fliegenden, rosa Ball. Bezüglich der Gegend dürfte man vermuten, dass das eine Illusion war. Ob der fremde Kitsune oder Kyokos Schulkamerad daran schuld sind, kann man aber natürlich nicht nachvollziehen“, fasste sie nach einem Moment zusammen und legte den Brief feinsäuberlich auf einen kleinen Stapel Papiere neben dem Pult.
 

Benika runzelte die Stirn und legte einen Finger nachdenklich ans Kinn. „Was weiß man eigentlich von diesem Schulkameraden?“, wollte sie dann wissen.
 

Akeno erhob sich, während sie sprach. „Er ist ein Waisenkind, ein kleines bisschen jünger als Kyoko. Vor knapp dreieinhalb Jahren kam er an die Akademie, es heißt, eine Nekomata habe ihn gebracht. Weiter ist von ihm nichts bekannt, außer dem Namen. Er heißt Shippô“
 

„Shippô…“, murmelte Benika nachdenklich. „Sag, Akeno, erinnerst du dich an die Geschichte vor einigen Jahren, von dieser Dämonenfamilie, die es auf Yôkai-Pelze abgesehen hatte? Wie hießen die noch gleich…“ Sie ließ sich hinter das Schreibpult sinken und tippte auf der Schreibplatte herum.
 

Akeno überlegte. „Sturmbrüder, Blitzbrüder… Donnerbrüder! Donnerbrüder, Benika. Aber warum… ahh, ich verstehe. – Warte mal, die Liste der Opfer…“ Sie lief ans andere Ende des Raumes und kramte zwischen den Schriftrollen herum. Endlich fand sie eine, die mit dem schwarzen Stoffband geschlossen war, welches Verbrechensakten kennzeichnete. Vorsichtig streifte sie es ab und rollte das Papier auf, um es vor Benika abzulegen. Dann setzte sie sich neben ihre Schwester und begann sofort zu lesen, fuhr die Liste mit den Augen hinab, bis sie, ganz am Ende, gefunden hatte, was sie suchte. „Hier, das passt, ich wusste es: Seiji und Nana, Kitsune, hinterließen einen Sohn namens Shippô, 70 Jahre alt, dessen Verbleib unbekannt ist“, las sie vor.
 

Benika nickte. „Dann ist der Kleine also wieder aufgetaucht. Nun, das mal beiseite, was bringt uns das jetzt auf der Suche nach Kyoko?“
 

„Gar nichts. Aber es sagt uns, dass ihr Begleiter offenbar nicht ganz hilflos ist und dass Kyoko sich auch zu helfen weiß, davon können wir ein Lied singen. – Tadashi schrieb letztens irgendwann von Überresten eines Käfigs, zerbrochen, nicht geöffnet. Vielleicht sind sie gar nicht weiter weggebracht worden, sondern haben es geschafft, zu fliehen…“
 

„Du bist naiv, Akeno“
 

„Nein, Benika, ich bin optimistisch. – Übrigens, solltest du dich nicht fertig machen lassen? Es gibt bald Abendessen und meines Wissens soll Shichiro doch diesmal bei der Familie mitessen, oder?“, fragte die jüngere Schwester dann mit einem schelmischen Grinsen.
 

Benika verpasste ihr einen spielerischen Klaps. „Für dich heißt das immer noch Shichiro-san. Wie ich ihn übrigens eigentlich auch nennen müsste“ Aber die älteste Prinzessin der Kitsune erhob sich und verließ den Raum.
 

Akeno sah ihr nach, ehe sie nach dem Pinsel griff. Sie wollte die Antwort an Tadashi und Kanaye noch vor dem Essen fertig kriegen.
 


 

„Shhh...shhh“ Mit leisen Lauten wiegte Sango ihren Sohn in den Schlaf.

Doch plötzlich, von einem Augenblick auf den Nächsten, hob sie in altem Instinkt den Kopf, runzelte etwas die Stirn. „Miroku?“, fragte sie.
 

„Ja, ich weiß. Ich gehe nachschauen“, erwiderte der Mönch und hob eine seiner Töchter von seinem Schoß.

Das kleine Mädchen juchzte und lief zu ihrer Schwester hinüber, ohne sich um die plötzlich angespannte Haltung ihrer Eltern zu kümmern. Keines der Kinder wusste, was Gefahr wirklich war.
 

Sango dagegen sah ihrem Mann mit gemischten Gefühlen nach. Von klein auf hatte sie trainiert, Gefahren zu spüren und jetzt im Moment sagte ihr Gefühl ihr eindeutig, dass etwas nicht stimmte. Aber sie konnte nichts anderes, verdächtiges wahrnehmen.

Auf einmal spürte sie ein kurzes Anstupsen am Ellenbogen, dann schmiegte sich rauer Pelz an ihren Unterarm.

Yume.

Augenblicklich fühlte Sango sich besser. Ob das nun daran lag, dass das Bakukind seinen Energiehunger bei ihr gestillt hatte, oder einfach nur daran, dass das Kleine sich keinerlei Sorgen zu machen schien, wusste sie nicht.
 

Miroku hatte da andere Sorgen, denn er war nicht wirklich weit gekommen. Am Dorfrand hatte sich ein ganzer Pulk gebildet. Jemand drehte sich um, rief nach Kaede, entdeckte ihn und winkte stattdessen ihn heran. Miroku beschleunigte seine Schritte. Was war denn da schon wieder los?
 

Die Dorfbewohner wichen zur Seite, als er näher kam und jetzt konnte der junge Mönch einen Fremden erkennen, ebenfalls einen Mönch, aber deutlich älter als er selbst und vollkommen fertig mit den Nerven. Der Ausdruck seiner Augen schien gehetzt.
 

„Geht zurück. Der arme Mann ist schon verwirrt genug. – Zurück sagte ich…“, verlangte Miroku nachdrücklich und scheuchte auch die neugierigen Dorfkinder ein paar Schritte rückwärts. Dann legte er dem fremden Mönch eine Hand auf die Schulter.
 

Der Fremde sah ihn an, wie ein Zeichen außerirdischen Lebens. „H-hoshi-san…“, murmelte er, schwankte, als wäre er einer Ohnmacht nahe.
 

Miroku wusste, dass er so nicht weiter kam. Der Mann war vollkommen weggetreten. Was auch immer er gesehen hatte, musste ihn halb zu Tode erschreckt haben. Er fasste nach dem Handgelenk des fremden Mönchs und zog dessen Arm über seine Schultern. Sofort fasste ein Dorfbewohner mit zu und gemeinsam stützten sie ihn den Weg entlang, zu Kaedes Hütte.

Die alte Miko kam ihnen bereits entgegen. Ein bestürzter Ausdruck trat in ihr gesundes Auge und sie drehte sich so schnell um, wie es ihr möglich war, um in ihre Hütte zurückzukehren und die Matte beiseite zu halten, die die Tür verschloss.
 

Miroku und der Dorfbewohner brachten den Mönch hinein und setzten ihn nahe der Feuerstelle ab.

Sofort gaben dessen Beine nach und er sank zu Boden, den Blick ins Feuer gerichtet, brabbelte er unverständliches Zeug vor sich hin. Nur ein Wort wiederholte sich immer wieder: Oni.

Miroku zuckte zusammen. Er musterte den Mönch kurz, ehe er sich Kaede zuwandte. „Ich schicke dir Yume. Ich werde sehen, was sich machen lässt. Kümmere dich um ihn…“
 

Damit wollte er sich abwenden, doch plötzlich spürte er die Hand des fremden Mönchs an seinem Arm, fühlte den überraschend festen Griff des Mannes. „Meine Schüler! Rettet meine Schüler!“, rief er heiser, dann sackten seine Schultern nach vorne, er ließ den Kopf hängen und ließ Mirokus Arm los.

Der machte sich sofort auf den Weg, ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen, wie unwahrscheinlich es war, dass der Mönch wirklich wusste, wie kampferfahren er war. Er hätte das vermutlich auch einem Säugling aufgetragen.
 

Vor der Tür lief Miroku beinahe in Sango hinein.

Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte er sie, die bereits ihren Kampfanzug trug. „Du hast es also nicht mehr ausgehalten“, konstatierte er trocken.
 

Sango sah ihn nur vielsagend an. „Rin passt auf, dass die Mädchen keinen Unsinn machen und Yamato schläft“, gab sie bloß zu Protokoll.
 

Miroku versuchte erst gar nicht, sie aufzuhalten. Sie mochte inzwischen dreifache Mutter sein, sie war dennoch als Taijiya geboren und würde auf ewig das Herz einer Dämonenjägerin haben. „Dann los“
 


 

Kagome hatte sich inzwischen darauf verlegt, Kuraiko genau zu mustern. Auch wenn sie im Gegensatz zu Sesshômaru keine Ahnung von den Hintergründen hatte, konnte sie sich dennoch denken, dass es nur mit Kuraikos selbst zu tun haben konnte, dass sie nicht zu der Tia durchdrang, denn deren eigene Ausstrahlung stellte sich keinesfalls gegen sie.

„Was hindert dich?“, fragte sie schließlich ins Blaue hinein.
 

Kuraiko hob ein klein wenig das Kinn, sagte aber nichts.
 

„Was hindert dich, loszulassen?“, setzte die junge Miko nach, die durchaus bemerkte, dass ihre Frage die Pantherdämonin etwas unvorbereitet getroffen hatte.
 

„Du bist nicht stark genug“, gab Kuraiko schlicht zurück und erneut spielte ein spöttisches Lächeln um ihre Mundwinkel. Doch die Miene gefror ihr sofort, als sie Kagomes Reaktion vernahm: „Für die Tía bin ich stark genug. Sie wehrt sich nicht. Du bist das“

Sie kann das unterscheiden?… Sie kann spüren, dass ich die Tía abschirme?

Damit hatte Kuraiko nicht gerechnet und das machte es ihr noch schwieriger, standzuhalten. Es war schon schwer genug, das eigene Yôki gegen die reinigende Mikoenergie zu stellen.
 

Kagome sah sich die eingefrorene Miene ihres Gegenübers nicht lange an. „Ich weiß über die Artefakte Bescheid und ich habe zu einem eine ebenso enge Bindung gehabt, wie du zu der Tía. Wenn auch unfreiwillig“, erzählte sie in scheinbarem Plauderton. Im Moment war sie in einer gewissen Vorteilsposition. Ihre Energie zehrte Kuraikos Yôki auf, Kuraikos Yôki konnte ihre Mikoenergie aber nicht schwächen, weil es nicht als Angriff geformt war, sondern nur als Barriere um die Tía herum.
 

„Was sollte ein Mensch schon von den Artefakten wissen?“, schnappte Kuraiko zurück und langsam klang etwas wie Gereiztheit aus ihrer Stimme.
 

„Zum Beispiel, dass viele davon für Mikoenergie empfänglich sind. Manche lassen sich damit unschädlich machen, andere beherrschen…“, weiter kam sie nicht, denn Kuraiko verkrampfte eine Hand um den Schaft ihres Yari und machte Anstalten, die Waffe auf Kagome zu richten. Sie war offenbar mit den Nerven am Ende.
 

Sesshômaru warf der Pantherdämonin einen scharfen Seitenblick zu. Griff sie an, würde er sich einmischen, Blütengestank hin oder her. Andererseits musste er zugeben, dass er Kagomes Taktik bewunderte. Die junge Miko schien nur vor sich hin zu plaudern, aber sie lockte Kuraiko damit immer weiter aus der Reserve. Nicht mehr lange und die Urkönigin der Panther würde nachgeben, dessen war er sich sicher.
 

Tatsächlich dauerte es nur noch ein paar Sekunden.

Von einem Atemzug auf den anderen ließ Kuraiko den Yari sinken und entkrampfte die Hand.

Ihr Blick richtete sich auf einmal auf Sesshômaru. „Meine Kinder. Führen sie das Fürstentum gut?“, fragte sie rau. Ihre Stimme hatte jeglichen Spott verloren, wirkte nur noch gebrochen und verhärmt.
 

Dennoch sah der Inuyôkai sie nicht an. „Das fragt Ihr ausgerechnet einen Hund?“, wollte er trocken wissen.
 

Ein Schleier wischte über die grünen Augen. „Ausgerechnet einen Hund“, wiederholte sie fest.
 

Huch, sie hat wohl Angst, dass ihre Artgenossen zu kriecherisch antworten…

„Shuran regiert gut. Tôran nimmt sich allerdings zu viel heraus. Und der alte General ist endgültig vernichtet“, gab er knapp zurück und betonte dabei das ‚endgültig‘.
 

Kagome verzog etwas das Gesicht, nutzte aber Kuraikos Unaufmerksamkeit, um sich ihrerseits ganz der Tía zu widmen.
 

„Endgültig“, wiederholte Kuraiko gerade, beinahe mit der alten Spitzfindigkeit.
 

„Tôran wollte ihn wiedererwecken und hat dabei fast das Leben ihrer Geschwister auf dem Gewissen gehabt“, antwortete Sesshômaru bereitwillig, allerdings nicht ohne Hintergedanken. Wenn er Kuraikos Interesse richtig interpretierte und die Pantherdämonin zurück ins Neko-Schloss ziehen wollte, konnte er so vielleicht dafür sorgen, dass Tôran ein bisschen in ihre Schranken gewiesen wurde. Seine Worte verfehlten ihre Wirkung auch nicht.
 

„WAS?“, fragte Kuraiko entgeistert nach und wandte ihm nun alle Aufmerksamkeit zu.
 

Sesshômaru lächelte innerlich über seinen Triumpf. Jetzt hatte er sie am Haken.
 

Kagome schloss die Augen, um sich nicht von dem Gespräch der beiden Dämonen ablenken zu lassen. Mit verstärktem Nachdruck legte sie ihre Mikokraft dahin, den flachen Bannkreis um die Tía zu brechen und richtig auf das Artefakt einwirken zu können.

In dem Moment, in dem Kuraiko sich gänzlich auf Sesshômaru konzentrierte, passierte alles auf einmal.

Funken von Kagomes Mikoenergie brachen durch den Bann, berührten den Kristall und wurden von ihm aufgenommen wie Wasser von einem Schwamm. Das helle Leuchten sammelte sich innerhalb des tränenförmigen Artefaktes und ballte sich zusammen, um dann plötzlich zu implodieren und die magische Kraft der Tiá selbst freizusetzen.

Kagome hätte die Tía vor Schreck beinahe fallen lassen, fasste aber gerade noch rechtzeitig wieder zu.

Stolz über den Erfolg glühte in ihr, aber jetzt stand sie vor der Bewährungsprobe. Sie musste den Bannkreis, in dem sie sich befanden, brechen. Erst dann hätte sie den entscheidenden Schritt geschafft.

Erneut konzentrierte sie sich auf das eisblaue Artefakt, versuchte zu erfühlen, wie sich darin der Befehl für den Bann formte. Es war wie eine glänzende Wand inmitten des Kristalls.

Versuchsweise schickte sie ein wenig Mikoenergie dagegen – und es entstand ein imaginärer Riss.

Sie wiederholte es – und die imaginäre Wand splitterte.
 

Im gleichen Moment verschwamm der echte Bannkreis und fiel in sich zusammen.

Kuraiko zuckte deutlich sichtbar zusammen und löste den Blick von Sesshômaru, sah sich um.

Die Illusionen der Blumenwiese zerfielen, der schwere Blütenduft verflog – und Sesshômaru atmete möglichst unauffällig tief durch.

Wer reist mit wem?

Tamoko ist tot?“
 

Als Nikko die Stimme hörte, zuckte er zusammen und fiel in eine tiefe Verbeugung, diesmal endgültig ohne auf seine Verletzungen zu achten.

Seit weit über 200 Jahren hatte er diese Stimme nicht mehr gehört, aber er kannte sie dennoch.

„Hai, Kuraiko-dono. So ist es. Sie ist vor wenigen Tagen während eines Überfalls auf die Schamanenhöhlen ums Leben gekommen. Man schickte mich los, um Natsu-hime zu berichten, dass ihre Schwester prophezeiungsgemäß das Erbe Tamokos angetreten hat“, berichtete er erneut, was er gerade eben schon Natsu erzählt hatte und wagte erst dann, vorsichtig aufzusehen.
 

Die Urkönigin hatte sich kaum verändert, nun, zweihundert Jahre waren für Dämonen ein Nichts, aber dennoch wunderte es Nikko, wie selbstverständlich sie wieder inmitten der Gruppe stand, auch wenn es ihr sicherlich nicht behagte, dass der weißhaarige Inuyôkai, den Nikko sofort als Sesshômaru erkannte, einen Schritt vor ihr stand.
 

„Steh auf!“, befahl sie in diesem Moment und etwas ungelenk kam der schwarzhaarige Pantherdämon auf die Beine. Er hatte zu lange gesessen, als das er nicht ein paar Herzschläge gebraucht hätte, um sein Gleichgewicht zu finden, aber dann stand er vor der Urkönigin, den Kopf gesenkt, aber aufrecht.

Er spürte geradezu, dass Kuraikos Blick auf den verbliebenen Verätzungen an seinem Hals lagen, aber er wagte keinen Mucks von sich zu geben, bis die Musterung abgeschlossen war.
 

„Natsu?“, erklang da erneut Kuraikos Stimme.
 

„Das ist Nikko, inzwischen der Anführer der Boten im Nekó-Schloss“, erklärte die, zu vertraut mit den Launen ihrer entfernten Tante um nicht zu wissen, was von ihr verlangt wurde.
 

Sesshômaru warf ihr einen beinahe amüsierten Blick zu.

Sieh an, sie kann ja richtig gehorsam sein…, dachte er bei sich, ehe er den Blick auf InuYasha lenkte.
 

Der stand längst an Kagomes Seite, einen Arm um ihre Schultern gelegt, ganz so, als wollte er demonstrativ sagen: Meins!

Als ob ich sie dir in dem Sinne streitig machen wollte… aber sie steht nun in meinen Diensten, Halbblut, denk daran…

Damit wandte er sich ab. Die tundrenartige Landschaft lag nun offen vor ihnen und Fallen waren nicht mehr zu befürchten, es sei denn Kuraiko würde sich aus dem Stehgreif etwas ausdenken und im Moment bestand da vermutlich wenig Gefahr.

Sie sah eher so aus, als sei sie mit den Gedanken ganz woanders.
 

„InuYasha, sammle deine Bande wieder ein!“, forderte er seinen Halbbruder dann auf und bedachte den Hanyô mit einem gewohnt kalten Blick.
 

Ausnahmsweise protestierte der nicht, vermutlich hatte er sowieso ähnliches vorgehabt. Stattdessen nahm der Hanyô Kagome auf den Rücken und sprang davon.
 

Sesshômaru hielt sich nicht damit auf, ihm nachzusehen.

Er blickte vielmehr zu dem Neko-Boten, allerdings ohne etwas zu fragen.
 

Dem wurde das Mustern, das im Moment in Mode zu sein schien, schließlich zu viel. „Kuraiko-dono, Natsu-hime? Ich habe meine Botschaft überbracht… wenn ich mich auf den Rückweg machen dürfte?“, deutete er an.

Natsu rührte sich nicht, Kuraiko nickte knapp und der Pantherdämon zögerte nicht mehr, sich zu verwandeln und davon zu sprinten.
 

Wieder einer weniger… gut so… Einen Augenblick sehnte sich Sesshômaru nach seiner ehemaligen Reisegruppe, Rins Redseligkeit und Jakens Gekrieche hin oder her, wenn er daran dachte, dass er gleich wieder die gesamte Bande aus Menschen und Hanyô um sich hätte, wurde ihm ganz anders zumute. Was er sich natürlich nicht anmerken ließ.

Stattdessen wandte er den goldenen Blick Kuraiko zu, als die ihn ansprach: „Sesshômaru? Ihr werdet Natsu zurück geleiten, nehme ich an“ Das war eine Feststellung und davon ganz abgesehen vergaß sie schon wieder die Höflichkeitsanrede, aber der Inuyôkai sah darüber hinweg. Ihre Worte hörten sich ganz danach an, als wollte auch sie nicht mit der Gruppe reisen und das konnte ihm nur Recht sein.

Kuraikos weitere Worte bestätigten seine Hoffnung. „Nun, dann werde ich mal schauen, was sich im Reich der Neko so verändert hat – solange es denn noch das Reich der Neko ist“ Ohne ein weiteres Wort verschwamm Kuraikos Silhouette zu dem diffusen Lichtball der dämonischen Energieform und sauste davon.
 

Zurück blieben Sesshômaru und Natsu.
 

„Dürfte ich fragen, wie es weitergeht?“, fragte die LöwenYôkai prompt und es war ihr anzusehen, dass sie hoffte, mitreden zu dürfen.
 

„Nun?“, gab er nur zurück, anstatt ihr ausdrücklich Erlaubnis zu erteilen.
 

„Ich wollte bitten, keinerlei Umwege zu nehmen. Ich denke, meine Schwester braucht mich jetzt und ich möchte so schnell wie möglich zurück“, erklärte Natsu ihr Anliegen und erntete nur einen gleichgültigen Blick des Inuyôkai.

Was da hieße… nun ja, er tut ja eh‘, was er will…, kommentierte sie innerlich und folgte ihm, als er sich im nächsten Augenblick in Bewegung setzte, hinter InuYasha her, um die Zeit zu verkürzen, die er sonst auf den und die Gruppe hätte warten müssen.
 

Als die Bande zwischen den Felswänden, die bis vor kurzer Zeit noch die Eingangsschlucht gebildet hatte, hervorkam, zog Natsu eine Augenbraue hoch. Da fehlten die Halbdämonin und der Dämon mit dem zerrupften Umhang, stattdessen lief eine zweite Nekomata neben Kirara her. Was hat das zu bedeuten?, fragte Natsu sich intuitiv, unwissend, dass Sesshômaru genau die gleiche Frage beschäftigte.
 


 

~*~
 


 

Seite an Seite liefen Sango und Miroku aus dem Dorf, folgten einfach ihrer Ahnung – und dann ihrem Gehör.

Panische Schreie vermischten sich mit dem zischenden Lauten niederer Oni.

Miroku spürte flackerndes, unruhiges Yôki, änderte ein wenig die Richtung und blieb dann stehen, um zu sehen, was los war. Sango kam neben ihn, ihren Hiraikotsu wurfbereit.
 

Die drei jungen Mönche, die von den Oni eingekesselt worden waren, vergingen derweil fast vor Angst. Ihre Atemzüge waren längst angstvolles Keuchen und einer hielt sich die Schulter, wo ein Oni zugebissen hatte.

Ein anderer versuchte halbherzig einen Bannzettel auf einen der vorbeizischenden Oni zu kleben, aber der war eindeutig zu schnell, witschte aus und griff stattdessen den Nebenmann an, erwischte ihn am Rücken und biss zu.

Mit einem Aufschrei ging der junge Mönch zu Boden.
 

Da sah der Dritte plötzlich etwas golden aufblitzen, erkannte die Ring-Verzierung eines Shakujo.

„Meis…“, wollte er ansetzen, doch der erfreute Ruf blieb ihm in der Kehle stecken, als er sah, wie leicht das obere Ende des Mönchsstabes einen der wurmähnlichen Oni durchtrennte. Die Kanten mussten scharf geschliffen sein und so etwas tat ihr Meister nicht, das erfasste der junge Mönch instinktiv.
 

„Macht euch so klein wie möglich und schützte eure Köpfe!“, hörte er da plötzlich eine laute Stimme und noch ehe er erkannte, dass die Stimme weiblich war, tat er intuitiv, wie ihm befohlen.
 

Im nächsten Augenblick erklang die Stimme erneut, noch lauter und sich fast überschlagend diesmal: „Hiraikotsu!“
 

Ein Schatten wischte über ihn hinweg und er schrie auf, als ein abgetrennter Oni-Kopf auf ihn fiel, ehe er zu Boden kullerte. Dämonenblut durchtränkte sein Mönchsgewand.

Doch er hatte keine Zeit, sich zu ekeln, denn plötzlich bäumte sich vor ihm ein weiterer Oni auf, machte sich bereit ihn anzufallen – und hatte plötzlich einen Bannzettel auf der Stirn, der Blitze spuckend das Leben aus dem Oni saugte.
 


 

Sango und Miroku kämpften mit jahrelang gewohnter Präzision, perfekt aufeinander abgestimmt. Der Knochenbumerang räumte auf, Mirokus Shakujo und Bannzettel erledigten den Rest.

Es war ein bizarrer Tanz, der ihnen beiden längst in Fleisch und Blut übergegangen war.
 

Miroku gestattete sich einen kurzen Seitenblick zu der Taijiya, die gerade ihren Hiraikotsu wieder einfing und dabei von dessen Schwung einen halben Meter nach hinten geschoben wurde, allerdings ohne das Gleichgewicht auch nur annähernd zu verlieren.

Ungeachtet der Onifetzen und des Gemetzels legte sich ein Lächeln auf seine Lippen.

Eigentlich hätte es ihn stören sollen, dass sie sich in den Kampf stürzte, sich in Gefahr brachte, ausgerechnet sie, die Mutter seiner Kinder, um die er so lange geworben hatte.

Stattdessen brachte es ein warmes Gefühl der Vertrautheit mit sich, sie in Action zu erleben.

Ein Oni, der sich nun auf ihn stürzte, riss ihn aus seiner Betrachtung, doch es reichte ein rascher Seitwärtsschlag mit dem Shakujo um das Vieh zu erledigen.
 

Der Rest fiel einem letzten Flug von Sangos Knochenbumerang zum Opfer, dann war Ruhe.

Kurz sahen die beiden sich an, dann musterten sie die drei zusammengekauerten Gestalten in den mit Oniblut und Onigeifer beschmierten Mönchsgewändern.
 

Einer lag mehr, als das er hockte, der zweite hatte sich fast wie ein Igel zusammengerollt und der dritte lugte unter seinem Arm hervor, seine aufgerissenen Augen zeigten aber, dass auch er unter Schock stand.
 

Mit einer Handbewegung signalisierte Miroku seiner Frau zurückzubleiben, denn in ihrem Kampfanzug und mit dem monströsen Bumerang in der Hand sah sie zu eigenartig aus, als das die jungen Mönche nicht gleich wieder erschrecken würden. Erst einmal trat er allein näher und hockte sich vor den, der ihnen verschreckt entgegen sah.

„Es ist vorbei, die Oni sind besiegt. Euer Meister hat uns zu Hilfe geholt. – Könnt ihr aufstehen?“, sprach er betont ruhig.
 

Zögernd hob der eine den Kopf und nickte langsam. „Ich schon… aber…“, murmelte er tonlos und blickte zu seinen beiden Kollegen.

Der eine sah jetzt auch hoch, sein Arm hing schlaff von der Schulter herab und die Schweißperlen auf der Stirn zeigten, dass er Schmerzen hatte, aber auch er nickte.

Der Dritte dagegen rührte sich nicht.
 

Von einer bösen Vorahnung gepackt streckte Miroku eine Hand aus und berührte den dritten, jungen Mönch. Keine Reaktion, die Haut fühlte sich bereits klamm an, obwohl erst wenige Minuten vergangen waren. Miroku erhob sich, trat um den jungen Mann herum.
 

„Lass es, Miroku, dem ist nicht mehr zu helfen. Diese Viecher waren giftig, allesamt“, meldete sich Sango da zu Wort, ohne allerdings näher zu kommen.
 

Die beiden anderen Mönche waren auch zu geschockt um sich nach der Stimme umzusehen, stattdessen starrten sie auf ihren Kollegen.
 

Miroku hatte ihn inzwischen umgedreht. Auch auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen, die Augen standen halboffen – und noch war ganz flacher Atem zu hören. Er verzog das Gesicht und stieß scharf die Luft aus. „Was ist das bloß für ein Getier…“
 

„Mischdämonen. Sie gehören keiner Gattung an, deswegen entwickeln sie oft Gifte, weil ihre Körper kaum individuelle Waffen haben. Dieses Gift lähmt. Der Arme kann sich schon nicht mehr bewegen, in ein paar Stunden wird sein Atem stocken, Heilungschancen gibt es keine…“, antwortete Sango leise, die nun hinter Miroku getreten war und sich hinhockte.

Ihr Knochenbumerang lag neben ihr im Gras, stattdessen hielt sie die Hand an der Waffe, die sie sonst nur selten gebrauchte.
 

Miroku hatte es aus dem Augenwinkel gesehen. „Du willst…“, begann er, aber Sango schnitt ihm das Wort ab. „Er wird sterben, da gibt es keine Alternative. Es ist unsere Entscheidung, ob er leidet oder jetzt stirbt, wo er noch keine Schmerzen hat“, gab sie zu und ihr Blick war dabei auf die beiden jungen Mönche gerichtet, die sie aus schockgeweiteten Augen ansahen.
 

„Kann er noch selbst entscheiden?“, fragte der mit der verletzten Schulter schließlich.
 

Sango nickte knapp. „Ich denke schon.“

Sie beugte sich zu dem Todgeweihten hinab. „Du spürst es, nicht wahr? Soll es schnell gehen oder willst du einschlafen?“, fragte sie langsam und sanft, deutlich verharmloste sie den langsamen Tod, der offenbar auf so eine Vergiftung folgte.
 

Miroku hielt sich da raus, in solchen Punkten hatte Sango deutlich mehr Ahnung.
 

Der halbtote, junge Mönch formte etwas mit den Lippen, das nur schwer abzulesen war, aber schließlich gelang es Miroku doch. Buddha möge verzeihen, aber ich wähle den schnellen Tod…

Er nickte Sango zu, die daraufhin ihr Wakizashi zog und die Klinge an die Kehle des jungen Mönchs setzte. Es war eine hauchfeine Bewegung aus der Schulter heraus, blitzschnell, dann war es vorbei. Die Wunde blutete kaum, der junge Mönch war sofort tot gewesen.
 

Automatisch zog Miroku sein Nenju aus dem Ärmel, das, seit dem Verschwinden seines Kazaana, nur noch seine traditionelle Aufgabe als Gebetskette innehatte. Halb schloss er die Augen und sprach einen letzten Segen für den Toten, ehe er sich erhob.
 

Sango stand bereits wieder und half dem verletzten, jungen Mönch auf, der sie noch immer anstarrte wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Sie hieß ihn, sich auf dem Knochenbumerang abzustützen, während sie wartete, dass Miroku dem anderen aufhalf. Dann machten sie sich auf den Weg zurück ins Dorf, auch wenn die beiden jungen Mönche kaum etwas davon mitzubekommen schienen.

Sie waren völlig weggetreten, was Miroku und Sango ihnen aber auch nicht verdenken konnten, nicht nach diesem Überfall, dem Tod ihres Kollegen und der – für sie – sicher etwas seltsamen Bekanntschaft.

Es gab selten Mönche, sie so gekonnt kämpften und Dämonenjäger galten sowieso erstens als ausgestorben und zweitens wusste kaum jemand, dass dort auch die eine oder andere Frau ausgebildet wurde.

Nun, sie würden Zeit haben sich zu fassen, befand Miroku für sich.

Hauptsache, sie brachten die beiden jetzt zu Kaede, denn er sah, wie schwer sich der Verletzte auf Sango stützte und konnte sich denken, dass dem die Verletzung ziemlich zu schaffen machte.

Hoffentlich war der Oni, der da zugebissen hat, nicht auch giftig…
 


 

~*~
 


 

„Muss das sein, Myôga? Wir wollten eigentlich Shippô zurückbringen und dann weitersuchen!“, murrte InuYasha und schielte aus dem Augenwinkel zu dem Flohgeist auf seiner Schulter.
 

„Ich habe es Bokuseno versprochen, InuYasha-sama! Vergesst nicht, er war ein guter Freund Eures Vaters. Und außerdem ist es nur ein ganz kleiner Umweg, glaubt es mir…“, lamentierte der Alte.
 

InuYasha verdrehte die Augen. „Kagome?“ fragte er skeptisch, eindeutig in der Hoffnung, sie hätte ein Argument dagegen.
 

Aber die junge Miko machte ihm da einen Strich durch die Rechnung. „Also ich würde diesen Bokuseno gerne kennenlernen. Einen Baumgeist aber ich bisher noch nie gesehen. Du etwa, InuYasha?“
 

„Keh!“, knurrte InuYasha bloß und gab sich geschlagen.
 

Außerdem waren sie inzwischen wieder bei Sesshômaru angekommen.

Dessen teilnahmsloser Blick ruhte auf der Gruppenzusammensetzung, aber er wandte gnädigerweise den Kopf, als InuYasha ihn ansprach. „Myouga will, dass wir einem Bokuseno einen Besuch abstatten. Gemeinsam. Kennst du den?“
 

„Natürlich kenne ich ihn. Im Gegensatz zu dir kenne ich alle alten Freunde unseres verehrten Herrn und Vaters“, gab er gelassen zurück.
 

InuYasha stieß die Luft aus. „Ich hatte ja auch kaum Gelegenheit, sie mir vorstellen zu lassen, oder?“, schnappte er, zuckte aber instinktiv zurück, als Sesshômarus Hand vorschnellte.
 

Aber der Inuyôkai hatte gar nicht vor, sich wie früher mit seinem Halbbruder anzulegen, das erschien ihm im Moment wie Zeitverschwendung. Stattdessen hatte er die Zeit, die der Hanyô zum Antworten brauchte, genutzt um zu gucken wo Myôga steckte und ihn dann mit einem gezielten Griff von InuYashas Suikan zu zupfen.
 

Der alte Flohgeist schwitzte Blut und Wasser, während er da so zwischen Sesshômarus Fingern halb zerquetscht dasaß. Allein dessen Daumen und Zeigefinger reichten um Myôga das Gefühl zu geben, in einem Schraubstock festzusitzen.

„So, Myôga will also“, sprach Sesshômaru ihn da schon an und der Flohdämon wünschte sich nichts sehnlicher, als unsichtbar zu werden. Ein Loch im Boden, das wäre jetzt genau das richtige. Aber natürlich geschah keins von beidem.

„N-nicht doch, Sesshômaru-s-sama! Ich habe doch nur ei-einen V-vorschlag…“
 

Weiter kam er gar nicht, denn die Stimme versagte ihm, als Sesshômaru die Hand etwas hob und den Flohgeist vor sein Gesicht hielt. Er sagte kein Wort, aber der Blick, kälter als ein Blizzard am Polarkreis, reichte um Myôga das Zittern zu verleiden und ihn stattdessen stocksteif vor Angst werden zu lassen.

Gerade als er glaubte, sein Herz würde das nicht mehr lange mitmachen, ließ Sesshômaru die Hand sinken und schnippte den Flohdämon nachlässig zur Seite weg.

Der sah zu, dass er blitzschnell zu Kirara kam, deren dichtes Fell ihm im Moment noch als der sicherste Ort zum Verschnaufen schien. Und vielleicht, vielleicht würde sie ja diesmal zulassen, dass er sich ein paar Tropfen Blut genehmigte, nur zur Beruhigung natürlich.
 

Durch seine Fluchtbemühungen bekam er dann nicht mehr mit, wie Sesshômaru ob der Angelegenheit entschied.
 

„Also gut. Dann bekommt InuYasha seine Gelegenheit und Myôga seinen Willen“, bestimmte Sesshômaru nämlich und die ganze Delegation erstarrte in der Bewegung, hatte doch keiner von ihnen es je erlebt, dass Sesshômarus Stimme nicht grenzenlos gleichgültig klang, sondern vor Sarkasmus nur so triefte.

Unterwegs

Als er mühsam die Augen öffnete, war sein Blick vollkommen verschwommen, es dauerte eine ganze Weile, bis er etwas erkennen konnte. „Riku…“, brachte er angestrengt hervor, als er den Kopf wandte und die Gestalt neben sich erkannte.
 

Sofort blickte die ihn an. „Renjiro, ein Glück, du bist endlich wach. – Miko-san! Er ist wach“, rief er aus, ohne den Blick von seinem liegenden Kumpanen zu nehmen.

Nichts rührte sich.

„Miko-san! Er…“
 

„Schon gut, Junge, ich bin nicht taub. Lass einer alten Frau Zeit, ihre Knochen zu sortieren“, unterbrach ihn eine raue Stimme und jemand kam langsam näher.
 

„Wie… lange…“, krächzte der Liegende mühsam.
 

„Zwei Tage hast du geschlafen. Aber das ist nur gut so. – Rin, nimm‘ den Kräutersud vom Feuer“, antwortete die Stimme, die offenbar zu der Miko gehörte, die Riku gerufen hatte.

Es bereitete Renjiro Mühe, die Augen offen zu halten, bis die Alte bei ihm angekommen war und sich neben ihn setzte.

Eines ihrer Augen war von einer Augenklappe verdeckt, das graue Haar strähnig, aber ihr fachmännischer Blick zeigte Zufriedenheit.
 

„Dein Körper weiß, was gut für dich ist.“

Dann sah sie zu Riku. „Hilf ihm mal, sich etwas aufzurichten, er sollte etwas trinken, ehe er wieder einschläft. Wir wollen ja nicht, dass er austrocknet“, forderte sie dann und sein Kumpan tat prompt, wie befohlen, stützte Renjiro etwas, als der sich mühsam ins Sitzen schob, verwirrt erkannte, dass er seine rechte Schulter nicht spürte.

„Du bist arg verletzt worden, ich habe dir etwas gegeben, damit du keinen Schmerz fühlst“, erklärte die Miko, als habe sie seine Gedanken gelesen und drehte sich dann etwas zur Seite, um einem jungen Mädchen Platz zu machen, dass gerade herankam, sich neben dem Verletzten hinkniete und ihn strahlend anlächelte.
 

Ihr junges Gesicht war vollkommen unbefangen. Sie hielt einen Becher in der Hand, dessen Inhalt zum Himmel stank. Kräutersud.
 

Aber Renjiro nahm sich zusammen, zu schlucken, als sie ihm den Becher an die Lippen setzte.

Das Gebräu schmeckte noch schlimmer, als es roch, bitter und ekelerregend, aber er dachte krampfhaft daran, dass es hoffentlich helfen würde, seine Schwäche zu vertreiben. Er wusste nicht mehr wirklich, was geschehen war, aber im Moment hatte er auch nicht die Kraft, zu fragen.

Bereitwillig ließ er sich zurück ins Liegen sinken, erhaschte noch einen Blick auf das strahlende Gesicht des jungen Mädchens, ehe ihm die Lider wieder zufielen. Und unwillkürlich glitt auch über seine bisher verhärteten Gesichtszüge ein leichtes Lächeln, ehe er wieder einschlief.
 

Kaede lachte leise vor sich hin. „Also wirklich, Rin, manchmal bist du besser als Yume“, sagte sie, ehe sie sich erhob und den zweiten, jungen Mann aufscheuchte. „So, du siehst, dass er auf dem Weg der Besserung ist. Also raus hier, an die frische Luft“
 

Er rappelte sich auf, sah noch einmal auf den Liegenden hinab, dessen heller Schulterverband, mit der dicken Kräuterpaste darunter, unter der groben Decke zu leuchten schien. Das grüngraue Jinbei, das man ihm gegeben hatte, vorgestern, als man sie hierher gebracht hatte war etwas zu weit und fiel faltenwerfend über seinen schmächtigen Körper.

„Wird er wieder ganz gesund?“, wollte er noch wissen.
 

Kaede sah ihn an. „Wäre er ein Krieger oder auch nur Bauer, könnte ich es dir nicht sagen. Es ist nicht sicher, ob er seinen Arm wieder wird bewegen können. Aber so… ich denke schon. Zumindest einsatzfähig wird er wieder sein.“
 

„Ihr wirkt wenig erschreckt davon, dass er mit einem Handicap wird leben müssen“, wandte Riku ein.
 

„Ach Junge, ich bin eine alte Frau. Was ich schon gesehen habe, kannst du dir nicht einmal vorstellen. Abgesehen davon, als ich mein Auge verlor, war ich jünger als dein Kollege hier. Und außerdem ziehe ich es vor, mich über Sachen erst dann zu grämen, wenn sie feststehen“, erklärte sie gelassen. Dann scheuchte sie ihn allerdings mit einer Handbewegung aus ihrer Hütte.
 

„Wo sind eigentlich unsere Gewänder?“, fragte er dann noch.
 

Kaede verdrehte das gesunde Auge, erwiderte aber: „Sango kümmert sich darum, dass sie wieder sauber werden. Sie weiß, wie man auch das Dämonenblut da raus bekommt.“
 

„Sango?“
 

„Eure Retterin. Du wirst ihr schon noch einmal über den Weg laufen. Und jetzt geh.“
 


 

~*~
 


 

„Jetzt lies schon!“, forderte InuYasha ungeduldig.
 

Kagome zog ihm erneut das Blatt aus der Hand. „Würde ich ja gerne, wenn du mal kurz die Klappe halten würdest“, konterte sie.

Seit zwei Tagen waren sie nun wieder unterwegs, unbarmherzig von Sesshômaru durch die Gegend gescheucht und die Nachtruhe so knapp bemessen, dass sie sie wirklich ausschließlich zum Schlafen nutzten.

Jetzt endlich war Shippô dazu gekommen, ihr den Brief auszuhändigen, der ihn vor zwei Tagen morgens geweckt hatte.
 

Endlich gab InuYasha Ruhe und Kagome konnte lesen. „Das dürfte es erklären… den Brief hat Tián geschrieben, diktiert von Shiori, so steht es hier wenigstens. Tián ist nach Hause zurück und Shiori hat beschlossen, ihn zu begleiten, eine Begründung steht hier nicht. Sie bedankt sich, dass wir sie mitgenommen haben und wünscht uns alles Gute“, fasste sie dann zusammen und blickte in die Runde. „Ich frage besser nicht, was wir davon halten sollen, oder?“, setzte sie dann hinterher.
 

Keiner gab Antwort, außer Sesshômaru und dessen Worte passten nicht zu der vorangegangenen Unterhaltung: „Wir ziehen weiter…“
 

Kagome schüttelte etwas den Kopf, rutschte aber von dem Felsen, auf dem sie gesessen hatte und folgte dem Inuyôkai.

Die anderen schlossen sich an, Unwillens, das Ganze weiter hinauszuzögern. Beide Gruppenteile wollten so schnell als möglich weiter.
 

Kohaku grinste allerdings ein wenig.
 

Als Kagome das sah, warf sie ihm einen Seitenblick zu. „Was hast du?“
 

„Der Frühling scheint sich Bahn zu schlagen“, erwiderte er nur belustigt und während er dabei den Blick zwischen Kirara und dem schwarzmähnigen Kater hin und hergleiten ließ, wusste Kagome, dass er genauso gut auf Shiori und Tián anspielte.

„Meinst du?“

„So wie Shiori reagiert hat, wenn man sie auf Tián ansprach… ja“, erwiderte der Taijiya im Brustton der Überzeugung und lachte leise auf.
 

Kagome schmunzelte auch, beließ es aber dabei. Sie hatte das Gefühl, dass da noch eine ganze Menge anderes hinter steckte, aber ohne genaueres zu wissen, lohnte es sich nicht, das Thema weiter aufzurollen.

Wer wusste schon, ob sie Shiori jemals wiedersehen würden, wenn die jetzt auf dem Weg zum Festland war.

Und wer weiß, wie es überhaupt mit uns weitergeht…, fügten ihre Gedanken hinzu.

Kühl lag die Sekai no Tía auf ihrer Haut, sie trug die filigrane Kette inzwischen um den Hals. Aber was das Gelingen der Inbesitznahme anbetraf – Kagome hatte das dumpfe Gefühl, sie überblicke die Tragweite nicht im Geringsten.
 


 

~*~
 


 

Kurz vor dem Nekóschloss verwandelte sich derweil ein zu groß geratener Panther wieder in menschenähnliche Gestalt und spazierte durch das Eingangstor.

Nikko nickte den Wächtern kurz zu, aber er wusste genau, dass sie ihn nicht aufhalten würden, kannten sie ihn doch.
 

Sein Blick glitt über den Flügel des Schlosses, in dem die Fürstengeschwister ihre Gemächer hatten. Tatsächlich, Karan hatte seine Rückkehr bemerkt, sah aus einem der Fenster zu ihm hinab.

Nikko senkte protokollgerecht den Kopf, nickte aber zugleich.

Karan würde schon verstehen, dass er seinen Auftrag ausgeführt hatte. Seit sie als Dämonenkinder miteinander gespielt hatten, als sei sie keine Fürstentochter und er kein einfacher Bediensteter, verstanden sie sich manchmal noch immer wortlos. Als er wieder aufblickte, war die schlanke Silhouette der jungen Fürstin verschwunden.

Der Pantherdämon setzte seinen Weg zum Quartier der Boten fort. Wurde Zeit, dass er nachsah, ob sein Stellvertreter getan hatte, was nötig war, um die Boten zu koordinieren.
 


 

~*~
 


 

Im westlichen Schloss herrschte weit mehr Aufregung.

Ein ziemlich überforderter Jaken schloss mit Schweißperlen auf der Stirn, eine Schiebetür hinter sich. Dann lehnte er sich etwas gegen das feste Papier, mit dem sie bespannt war. „Oh, Masa, wie soll das bloß gehen, wenn die anderen auch noch auftauchen?“, fragte er keuchend.
 

Die Inuyôkai, die scheinbar ruhig hinter ihrem Schreibpult kniete, gestattete sich ein spöttisches Grinsen. „Schaffst du es etwa nicht, die Stellung zu halten? Nicht einmal die paar Wochen?“, fragte sie provozierend und prompt richtete der KrötenYôkai sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

„Aber natürlich schaffe ich das, Masa!“, behauptete er, ehe er näher kam. „Aber dir fällt nicht zufällig etwas ein, womit man Shou-sama und Montaru-sama hinhalten könnte?“, fragte er dann hoffnungsvoll. Dank seiner geringen Größe musste er sogar zu der sitzenden Inuyôkai aufsehen.
 

Masa setzte ein gewinnendes Lächeln auf. „Keinen blassen Schimmer“, sagte sie gelassen und beobachtete, wie der Kappa in sich zusammenfiel und sich niedergeschlagen wieder umdrehte. So tat er ihr fast Leid.

Die Fürsten der Vögel und der Bären campierten mit ihren Delegationen jetzt schon tagelang in der Nähe des Schlosses und warteten auf Sesshômarus Rückkehr und damit auf Neuigkeiten in Sachen Umsiedlung der Fürstensitze.

Aber wie immer konnte sie es sich nicht verkneifen, Sesshômarus Diener zu ärgern.

„Es sei denn…“, setzte sie nach, als der Kappa schon fast zur Tür hinaus geschlurft war.
 

Sofort drehte er sich um, seine großen Froschaugen waren weit aufgerissen.
 

„Es sei denn, man würde ihnen sagen, dass sich sofort jemand auf die Suche nach dem Taishô macht.“
 

Jaken strahlte. „Aber natürlich! Da hätte ich auch selbst drauf kommen können! Ich werde sofort einen Boten auswä-“
 

„Nicht doch, Jaken. Man muss den Fürsten doch demonstrieren, dass man es für wichtig erachtet, den Taishô zu finden. Da darf man keinen x-beliebigen Boten losschicken, da muss schon jemand gehen, der höher steht!“, unterbrach die Inuyôkai ihn und erhob sich, um an die Tür zum Balkon zu treten und sie aufzuschieben. Sesshômaru hatte sie diesmal nur mit der reinen Verwaltung beauftragt und den Rest Jaken aufgebrummt, deswegen hatte sie im Moment mehr Ruhe als der Kappa.

„Aber wer wäre geeignet dafür?“, fragte der in ihrem Rücken.

Ohne dass er es hätte sehen können, lächelte Masa süffisant. „Och, da fällt mir nur einer ein, Jaken. – Du!“
 


 

~*~
 


 

Es vergingen weitere Tage, ehe das Ziel der seltsamen Gruppe in Sicht kam.

Sesshômaru war froh darum, den alten Wald endlich zu erreichen. Ohne seinen Schritt zu verlangsamen schritt er durch das dichter werdende Gewächs, ungeachtet dessen, ob die anderen mitkamen, oder nicht.
 

Je weiter sie kamen, desto älter wurden die Bäume, desto knorriger und dicker ihre Stämme und Äste.

Mit einem raschen Klauenschlag zerteilte Sesshômaru ein paar vorwitzige Ranken und nur die Tatsache, dass Natsu ihn inzwischen gut genug kannte, um stets höchst aufmerksam zu sein, bewahrten sie davor, die Rankenschnipsel genau ins Gesicht zu bekommen. So schüttelte sie nur etwas den Kopf und schüttelte das grüne Gehänge von ihrem Unterarm, ehe sie weiterging.
 

Der Inuyôkai war allerdings jetzt stehen geblieben, blickte einen sichtlich uralten Baum an, den Natsu sofort als Magnolie erkannte.

Einen Geist hätte sie darin aber nicht erkannt, was man aber auch der Tatsache schulden musste, dass sie bisher kaum offiziell aus dem Schloss hinaus gekommen war. Zwei, drei Expeditionen, sonst nichts. Und wirklich interessante Sachen unternahm man mit den weiblichen Adelskindern nicht. Nicht einmal bei den Nekó.

Interessiert musterte sie die schartige Borke, aus der sich, wie aus dem Nichts, ein Gesicht zusammensetzte, spitze Nase, kleine, schmale Augen.
 

„Ich grüße Euch, Sesshômaru-sama“, erhob Bokusenô seine tiefe Stimme und sah die hochgewachsene Gestalt an. Seit ein paar Jahren schon hatte er ihn nicht mehr gesehen, aber Myôga hatte ihn erzählt, dass der junge Inuyôkai die Schwelle zum wahren Daiyôkai überschritten hatte und so wunderte es den Baumgeist wenig, als er die zweite Schwertscheide an Sesshômarus Hüfte erkannte, fein marmoriert und schneeweiß, ganz so, wie es zu dem Hundedämon passte. Genauso, wie Oyakata-samas Insignie perfekt zu ihn passte. Der alte Baumgeist unterdrückte ein Seufzen und musterte die bunt gemischte Gruppe, die hinter Sesshômaru aufmarschiert war.

Huch…, befand er ironisch, lächelte aber leicht, als er eine Gestalt ausmachte, die er fast automatisch erkannte, obwohl er sie nie gesehen hatte.

„Ich freue mich sehr, Euch kennenzulernen, InuYasha-sama…“, richtete er seine Worte an die rotgekleidete Gestalt, die ihn aus goldenen Augen ansah. Er war etwas kleiner als Sesshômaru, wirkte aber nichts im Geringsten so viel jünger als er war. Dann stimmt es, dass Hanyô als Kinder gleich oder ähnlich Menschen altern…, stellte er für sich fest, zuckte dann aber beinahe zurück, als er die Reaktion des Hanyô vernahm.
 

„Hallo, Baumgeist!“
 

Wenn der immer so unhöflich war, dann wunderte es ihn wenig, warum es wohl immer wieder zu Reibereien zwischen InuYasha und Sesshômaru gekommen war.

Doch zu weiteren Überlegungen kam der Magnolienbaum nicht mehr, denn plötzlich spürte er etwas, was ihm ganz und gar nicht gefiel. Er kniff die Augen noch weiter zusammen und bemühte sich, die Äste noch enger um das Onibi zu schließen, das wie verrückt geworden durch sein Gefängnis hüpfte und gegen seine regulierenden Fähigkeiten plötzlich immun geworden zu sein schien.
 

Sesshômaru, der bei InuYashas Begrüßung schon dazu angesetzt hatte, warnend zu knurren, hob jetzt den Kopf. Er wusste, dass Bokusenô das Onibi seit Jahrhunderten hütete und noch nie hatte er dessen Ausstrahlung so heftig gespürt. Entgegen sonstiger Selbstbeherrschung runzelte er die Stirn.
 

Plötzlich schrie jemand hell auf, Sesshômaru kannte die Stimme gut genug, um Kagome zu erkennen.
 

„Kagome, was ist?“, folgte gleich darauf InuYashas besorgte Stimme und jetzt wandte der Inuyôkai doch den Blick. Und was er sah, gefiel ihm gar nicht.

Kagome atmete schwer und die Sekai no Tía glühte hellweiß an ihrem Hals.

„Bokusenô, was geht hier vor?“, wollte Sesshômaru mit klirrend kalter Stimme wissen und sah wieder den Baumgeist an. Irgendwie mussten dessen Onibi und die Tía aufeinander reagieren, aber wie und warum, das wusste Sesshômaru auch nicht.
 

Bokusenô schien es allerdings nicht besser zu gehen. „Ich… weiß es nicht…“, presste der alte Magnolienbaum hervor, dann verschwand das Gesicht aus dem Stamm, gleichzeitig begannen an den Ästen, die den Käfig für das Onibi bildeten, Zweige zu wachsen, machten aus dem Käfig eine eigentlich undurchdringliche Kugel aus Holz und Borke. Die alte Magnolie zitterte wie unter einer heftigen Sturmböe.

Plötzlich sickerte weißes Licht durch die Spalten der Kugel und mit einem höllischen Kreischen zersprang der Astkäfig und gab das Onibi frei.

Fast triumphierend zu nennen hüpfte die flammenspuckende, weiße Kugel durch das Geäst – und sauste plötzlich auf den Inuyôkai zu.

Der wich im letzten Augenblick beiseite.
 

Das Dämonenfeuer war tückisch, nicht umsonst wurde es unter Verschluss gehalten und er hatte nicht vor, auszuprobieren, wie sich dessen Macht auf ihn auswirkte. Dunkle, verwirrende Illusionen sollte es kreieren können, die selbst den stärksten Dämon um den Verstand brachten.

Kein Schicksal, das Sesshômaru behagte.
 

Als das Onibi kehrtmachte und unnachgiebig wieder auf ihn zuflog, legte der Inuyôkai die Hand ans Schwert. Viel Bewegungsfreiheit hatte er in diesem Gestrüpp nicht und auch keine Zeit, sich welche zu verschaffen. Allerdings wusste er auch nicht, wie diesem Ding beizukommen wäre.

Plötzlich spürte er, dass Tenseigas Scheide unter seinen Fingern warm war. Er riskierte einen Blick hinab und erkannte ein dumpfes Glühen, das von dem polierten Holz ausging.

Er zog die Augenbrauen hoch.

Tenseiga wusste normalerweise immer, was es tat, aber normalerweise pulsierte es, wenn es auf sich aufmerksam machen wollte. Er wurde aus diesem Schwert nicht schlau.

Dennoch zog er es, sprang dem Angriff des Onibi entgegen – aber die Klinge glitt durch die weiße Kugel hindurch, ohne etwas anzurichten, wie es so ihre Art war.

Wütend knurrte Sesshômaru auf, wandte aber den Blick, als er InuYashas Knurren hörte.
 

Der Hanyô verschwendete interessanterweise keinen zweiten Blick an Tessaiga, das ihm von dem Onibi offenbar aus der Hand geschlagen worden war, sondern zog mit einer raschen Handbewegung dessen Scheide und hielt sie dem neuerlichen Angriff entgegen.

Und das Onibi wich zurück.

Erst da erkannte Sesshômaru, dass auch Tessaigas Scheide dumpf glühte. Die Scheide… Bokusenôs Holz…, schoss es ihm durch den Kopf.

Kurzerhand ließ er Tenseiga fallen und zog dessen Scheide aus dem Schleifentuch um seine Hüfte. Keine Sekunden zu früh, denn schon wieder schoss diese verdammte Kugel auf ihn zu. Doch diesmal wich sie zurück, als er mit der Scheide entgegenkam, machte einen Schlenker – und flog auf Natsu zu.
 

In jeder anderen Situation hätte Sesshômaru sich für den Schreck, der ihn durchfuhr, selbst gescholten, jetzt jedoch atmete er nur tief ein und wusste doch, dass er nicht mehr hinterherkäme.
 

Allerdings hielt auch Natsu ihr Schwert in der Hand, noch in dessen Scheide steckend – und überraschenderweise wich das Onibi auch vor ihr zurück.
 

Sesshômaru kniff die Augen zusammen, beobachtete den zunehmend bizarren Tanz der weißen Flammenkugel aufmerksam. Immer wieder schoss sie jetzt zwischen InuYasha und Natsu hin und her, zielte auf Füße oder Kopf, dass die beiden jedes Mal ein bisschen zur Seite sprangen, ehe sie die Schwertscheiden abwehrend einsetzen konnten. Was, bei den Göttern, geht hier vor?
 

Plötzlich, von einem auf den anderen Augenblick wusste er es: Kagome stand zusammengekauert hinter InuYasha, bestens abgeschirmt, aber InuYasha, Natsu und er waren nach außen gedrängt worden, als wollte das Onibi sie aus dem Weg haben.

Und in dem Moment, in dem Sesshômaru das erkannte, wusste er, dass es zu spät war noch einzugreifen.

Und er sah auch das eigentliche Opfer des Onibi, das jetzt schreckensstarr in der Mitte der Gruppe stand, ungeschützt: Kyoko.

Onibi

In diesen Sekunden nahm Kyoko alles wie in Zeitlupe wahr.
 

Instinktiv war sie versucht um Hilfe zu rufen, wen auch immer, ihren Vater, ihre Brüder, einen Leibwächter, wen auch immer.

Aber ihr Verstand wusste dennoch, dass keiner von denen sie hören konnte.

Sie war vollkommen auf sich allein gestellt.

Und das Onibi raste genau auf sie zu.
 

Da das Onibi so nah mit dem Kitsune-bi der Fuchsdämonen verwandt war, lernten sie im Unterricht weit mehr über die als Artefakt des magischen Gleichgewichtes bekannte Kugel, aber das machte es jetzt im Moment nur noch schlimmer.

Sie hatte panische Angst, alles in ihr schrie nach Flucht und doch gehorchten ihre Beine ihr nicht, vielleicht, weil sie wussten, dass ein Ausweichen nichts gebracht hätte.

Das Onibi hatte sorgfältig gearbeitet, es griff nicht wahllos an, es wollte sie, sie ganz allein. Warum auch immer.
 

Mühsam schluckte sie und starrte dem Dämonenfeuer entgegen.
 

„Kyoko!“, hörte sie Shippôs panischen Schrei.
 

„Kyoko…“, hörte sie Kagomes erschüttertes Hauchen, dann folgte der Aufprall.
 

Die Fuchsprinzessin spürte keinen Schlag, im Gegenteil, das Dämonenfeuer war ganz weich und plötzlich vernebelten sich ihre Sinne und ihre Gliedmaßen waren wie Gummi.

Ein Schleier hellweißen Lichtes lag über ihren Augen, ihr Atem ging schnell und dann tauchten Bilder vor ihr auf, sie sah ihren ältesten Bruder, blutüberströmt in einem Schlachtgetümmel stehen, schützend vor der schwerverletzten Gestalt ihrer Mutter, die wiederum Shin eng umklammert hielt, ihn mit ihrem Körper deckte.
 

Ein gequälter Schrei wollte Kyoko entkommen, doch ihre Stimme war lautlos, sie war nur hilfloser Zuschauer des Gemetzels.
 

Da legte sich auf einmal ein Schatten über die Szenerie, doch er hatte nichts Bedrohliches an sich. Im Gegenteil, er war tröstlich, ließ das blutige Bild vor ihr verschwimmen und farblos werden.
 

Und plötzlich zweifelte Kyoko.

War das echt, dieses Szenario?

Irgendetwas stimmte doch da nicht, oder?
 

Ihr Blick fiel auf die Waffe in Kanayes Hand und die Zweifel wichen Entsetzen. Ihre Augen weiteten sich und ihr Herz stockte.

Vaters Schwert!, kreischten ihre Gedanken schreckerfüllt.

Das konnte nur bedeuten, dass ihr Vater tot war.

Das Schwert war das Zeichen der Fürstenwürde, niemand außer dem Fuchsherrn durfte es führen.
 

Kyokos Welt wollte zusammenbrechen.
 

Doch wieder drängte der tröstliche Schatten sich auf, ließ die Bilder weiter verschwimmen, nahm ihnen Farbe und Grausamkeit.
 

Und plötzlich wurde ihr klar, was sie eigentlich störte: Wo auch immer diese Bilder spielten, das waren nicht die südlichen Ländereien. Und auf einem Kriegsschauplatz wäre ihre Mutter niemals zugegen.

Das alles war nicht echt! - Und wenn doch?

Nein!

Krampfhaft klammerte Kyoko sich an ihre Überzeugung und je mehr sie das tat, desto mehr gewann der Schatten Oberhand über die grausamen Bilder, bis die schließlich gänzlich verschwanden und nur die schützende Dunkelheit zurückblieb.
 

Da hörte Kyoko eine warme, unendlich sanfte Stimme und aus irgendeinem Grund wusste sie, dass dies kein Trug war, wie das Gemetzel zuvor: „Kyoko, meine Kleine, du bist etwas ganz Besonderes…“ Die Stimme ihrer Mutter!

„Okaa-san…“, hauchte Kyoko, froh über die Beruhigung, die es in ihr hervorrief, diese Worte auszusprechen.
 

Im gleichen Moment verschwand die Schwärze vor ihren Augen, sie konnte wieder sehen.
 

Und was sie sah, ließ sie erneut zusammenschrecken.

Ohne es zu merken, hatte sie die Hände erhoben, hielt sie mit den Handflächen einander zugewandt vor sich – und zwischen ihnen schwebte etwas, das Kyoko noch nie gesehen hatte.

Es wirkte wie ein Feuerstein, aber die Kanten sahen alles andere als scharf aus, eher, als habe jemand die Flaumfedern eines Vogels darauf geklebt.
 

Die Fuchsprinzessin kniff die Augen zusammen.

Die Spitze des seltsamen Dings berührte das Onibi, das so knapp vor ihr schwebte, dass Kyoko nun alles klar wurde: Das Dämonenfeuer hatte ihr die schrecklichen Bilder vorgegaukelt, es allein war schuld gewesen. Und der komische Stein hier schien sie abgeschirmt zu haben.

Nur… zu wem gehörte er?
 

Sie versuchte die Hände zu senken, doch es gelang ihr nicht.

Stattdessen machte sie, ohne dass sie es kontrollieren konnte, einen Schritt vor, streckte den seltsamen Stein gänzlich in die weiße Flamme des Onibi – und auf einmal schmiegte das Dämonenfeuer sich warm und friedlich in ihre Handflächen, ganz, als wäre es von ihr kontrolliertes Fuchsfeuer.

Instinktiv krümmte Kyoko die Finger, umschloss die weiße Flammenkugel – und das Onibi duckte sich tatsächlich zusammen, ließ sich beherrschen.

Erstaunen und Erleichterung mischten sich in Kyokos Blick, dann straffte sie die Schultern.

Ihr Verstand kehrte zurück und ihr wurde klar, dass sie das Onibi vielleicht im Moment – warum auch immer – bezwingen konnte, aber auf Dauer sollte es wohl besser wieder dahin zurück, wo es die letzten Jahrhunderte sicher verpackt gewesen war.

Auch wenn der Käfig gesplittert war und Bokusenô dieses Mal offenbar nicht stark genug gewesen war, das Onibi zu halten, etwas sagte ihr, dass dieses Versagen eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen war.
 

Die Umstehenden beobachteten das Geschehen fast noch fassungsloser als die Fuchsprinzessin selbst. Keiner wusste so recht, was hier vor sich ging und keiner wagte einzugreifen. Sie sahen nur zu.
 

Mit festen Schritten hielt Kyoko auf die Magnolie zu, streckte die Arme durch, als wollte sie das Onibi regelrecht anbieten.
 

Und tatsächlich beugte sich ein kräftiger Ast zu ihr hinab, schlang die schlanke Spitze zweimal um das Onibi und nahm es an sich, um es blitzschnell in einen neuerlich gebildeten Astkäfig zu stecken.
 

Gleichzeitig aber hielt ein kleinerer Zweig Kyokos Handgelenk zu umklammert, dass die ihre Hand nicht rühren konnte und der komische, schwarzglänzende Stein zwischen ihren Handflächen die raue Borke des Baumgeistes berührte.

Erst als sich wieder ein fester Käfig um die Flammenkugel geschlossen hatte, löste sich der kleine Zweig und jetzt gelang es der Fuchsprinzessin auch, die Arme zu senken.

Mit einer Hand hielt sie intuitiv den schwarzen Stein fest, ehe er zu Boden fallen konnte. Die Kanten fühlten sich tatsächlich so weich wie Federflaum an.
 

„Wie heißt du, Kitsunemädchen?“, erklang da plötzlich Bokusenôs Stimme und Neugier blitzte unter dem deutlich erschöpften Tonfall hervor. Gleichzeitig trat das Gesicht des Baumgeistes wieder hervor.
 

„Kyoko“, antwortete das silberhaarige Dämonenkind und beobachtete erstaunt, wie sich Bokusenôs Augen weiteten.

„Kyoko…“, murmelte er vor sich hin.

Die Fuchsprinzessin sah ihn mit leicht schief gelegtem Kopf an. Kannte er ihren Namen, weil sie Fürstentochter war?
 

Aber Bokusenô hatte eine ganz andere Entdeckung gemacht. „Des Spiegels Illusion…“, fügte er hinzu und plötzlich mischte sich Myôgas Stimme ein: „… wird Hort der gefiederten Kralle sein! Bokusenô, du bist ein Genie!“
 

„Gar nichts bin ich, Myôga. Das ist absoluter Zufall – aber des Rätsels Lösung“, konterte der Baumgeist fassungslos und sah in die Runde.
 

Auch Kirara starrte mit halb offenem Maul auf den unscheinbaren Steinkeil in Kyokos schmaler Hand, nicht weniger entgeistert als Kagome – und nach einem Moment auch InuYasha.

Die junge Miko war es schließlich, die aussprach, was ihnen auf einmal klar geworden war: „Die Haru Tsume! Wir haben sie gefunden!“
 


 

~*~
 


 

Wie soll ich bloß… wie nur…?

Rastlos ließ Jaken seinen Blick über die Landschaft gleiten, die unter ihm dahinglitt.
 

Seit Tagen war er nun unterwegs, dank AhUhn kam er schnell voran, aber die Hoffnung, wegen der er den Reitdrachen eigentlich mitgenommen hatte, hatte sich bisher nichts erfüllt.

„Von wegen du findest den Herrn überall…“, murrte der Krötendämon und erntete ein unwilliges Schnaufen des zweiköpfigen Drachen. AhUhn schüttelte seine Hälse so heftig, dass Jaken beinahe von seinem Rücken gepurzelt wäre.

„Uaah, AhUhn! Hey! Schon gut! – Lieber Drache, gaaanz lieber Drache…“

Endlich gab das Reittier wieder Ruhe und flog gesitteter weiter.
 

Jaken atmete auf und fuhr damit fort, sich umzusehen. Er wusste nur zu gut, dass Masa ihn losgeschickt hatte, um ihm eine auszuwischen, sie wusste ganz genau, dass es dauern konnte, den Herrn zu finden, aber so langsam war der Kappa wirklich frustriert.

Gab es denn wirklich keinerlei Anhaltspunkt?

„Du zeigst mir aber, wenn du Sesshômaru-sama witterst, oder?“, wandte er sich wieder an den Drachen, was der mit einem heftigen Kopfnicken beantwortete. Da er das aber nur mit einem Kopf tat, wäre Jaken beinahe wieder unfreiwillig abgestiegen, aber er konnte sich gerade noch in die zottige Mähne des Reitdrachen krallen.

Hoffentlich…, dachte er nur.
 


 

~*~
 


 

„Sesshoumaru-sama? Habt Ihr noch einen Moment?“, hielt Bokusenô den Inuyôkai zurück, als der schon gehen wollte.
 

Die Haru Tsume war erst vor ein paar Minuten aufgetaucht, aber gerade eben hatte Sesshômaru das Treffen für beendet erklärt, weil nur noch Schweigen geherrscht hatte.
 

Jetzt blieb er etwas unwillig stehen.

„Geht…“, knurrte er den ebenfalls stehen gebliebenen Rest an und bis auf InuYasha – und Kagome – folgten alle seiner Aufforderung.

Sesshômaru machte sich nicht die Mühe, sie nachdrücklicher wegzuscheuchen, stattdessen wandte er sich dem Baumgeist zu, dessen Züge noch immer erschöpft wirkten. Die Äste neben dem neuen Käfig des Onibi wirkten mit ihren abgesplitterten Enden fast wie ein Mahnmal. „Was willst du, Bokusenô?“, fragte er teilnahmslos.
 

„Ich hüte noch etwas anderes, als das Onibi, etwas, das eurem Vater gehörte“, antwortete der Baumgeist feierlich und hob einen Zweig um in seine Krone zu greifen.
 

Sesshômaru beobachtete ihn reglos. „Was?“
 

„Oyakata-samas Insignie“, erwiderte Bokusenô.
 

Nun zog der Inuyôkai doch eine Augenbraue hoch. „Die Insignie eines Daiyôkai zersetzt sich mit dessen Tod“, konstatierte er sachlich.
 

In Bokusenôs Gesicht trat ein nachsichtiger Ausdruck. „Ganz Recht, normalerweise ist das so. Aber die Insignie Eures Vaters war keine Waffe und keine Rüstung. Und zum Zeitpunkt seines Todes hatte sie noch einen letzten Auftrag. Erst wenn sie den erfüllt hat, wird sie sich auflösen“, erklärte er und zog seinen Zweig zurück.

Das Ende hatte sich um etwas Unscheinbares gewunden, das auf den ersten Blick wie eine aus grober Baumrinde gefertigte Kiste aussah.
 

Sesshômaru wusste es besser. „Eine dämonische Schatulle?“, fragte er kühl.
 

Bokusenô blinzelte zustimmend. „Ganz recht. Aber sie besitzt mehr Kräfte, als eine normale. Ebenso wie jede Insignienwaffe im Zweifelsfall stärker ist als die stärkste geschmiedete“, bestätigte er erneut.

Langsam streckte er das Rindenkästchen Sesshômaru entgegen.
 

Der nahm es wortlos entgegen.

Er spürte InuYashas ahnungslosen Blick im Rücken, dachte aber nicht daran, dem genauer zu erklären, um was es sich handelte.

Stattdessen legte er eine Hand auf den flachen Deckel und konzentrierte sich kurz.

Die scheinbare Rinde flimmerte, wurde durchsichtig und verschwand schließlich.
 

Zurück blieb ein offenes Kästchen aus poliertem Holz, kunstvoll waren stilisierte Inuyôkai und auch die Kanji vom Namen seines Vaters in das Material eingebrannt. Der Boden war mit dämonischem Gold ausgekleidet. Im selben Maß, wie einfaches Katzengold billiger war, als echtes Gold, war dämonisches Gold wertvoller als normales Gold. Darauf lag eine schmale Schriftrolle, zusammengehalten, statt von einem Seidenband, wie es üblich wäre, von einem Band aus reinem Yôki.

Vaters Yôki…, Sesshômaru erkannte es sofort.

Ungewohnt vorsichtig griff er nach dem Papier, strich mit einem Finger über das Yôki und es verflog.

Dann öffnete er die Rolle, deren Papier so geschmeidig war, als wäre es eben erst hergestellt worden. Dabei war es nachvollziehbarerweise mindestens zweihundert Jahre alt.
 

Diese Schatulle verbirgt nicht nur, sie schützt ihren Inhalt mit einer zeitlosen Dimension…, dachte Sesshômaru, als er die Besonderheit erkannte.

Dann jedoch zogen die ersten Worte auf dem Papier ihn in ihren Bann: „Mein lieber Sohn“

Das war ein Brief an ihn, ein letzter Brief seines Vaters an ihn.

Eine Form von Wärme, die Sesshômaru seit frühester Kindheit nicht mehr gespürt hatte, stieg in ihm auf, als er weiterlas...
 


 

~*~
 


 

Ziellos streifte Riku durch das Dorf.

Er hatte weder seinen Meister in den letzten Tagen gesehen, noch jenen Mönch, der die Oni besiegt hatte. Das mochte daran liegen, dass er jede Minute, die die alte Miko es erlaubte, bei dem verletzten Renjiro verbrachte, aber so langsam bekam er das Gefühl, es suche auch keiner von sich aus nach ihm.
 

Während er durch die Gassen lief, dachte er wieder einmal an seinen Kollegen.

Fast niemand wusste, dass sowohl Renjiro, als auch der tote Dritte im Bunde seine Brüder waren, niemand kannte die Geschichte, die sie zu ihrem Meister – und in die Mönchsausbildung – gebracht hatte.

Noch immer trauerte er um seinen jüngsten Bruder, aber wichtiger war im Moment, das Renjiro das Ganze überlebt hatte und – wer weiß – vielleicht auch seinen Arm wieder würde gebrauchen können. Im Moment schlief er noch viel, was aber auch an den Kräutertränken lag, die die alte Miko ihm zubereitete, soviel hatte Riku verstanden.
 

Jetzt aber sah er auf, als er merkte, dass er an einem Ende des Dorfes angekommen war, dass er noch nicht kannte.
 

Eine Hütte stand ein wenig abseits, davor, auf einem winzigen Wiesenstück spielten zwei kleine Kinder, die sich zum Verwechseln ähnlich sahen, hätten sie nicht verschiedenfarbige Kimono getragen.

Unwillkürlich lächelte Riku.

Die beiden erinnerten ihn an seine Schwestern. Aber das war Vergangenheit.

Über den Mädchen war eine Wäscheleine gespannt, an der Riku auf einmal mehrere Kesa erkannte. Das Scherpentuch der Mönchstracht hätte er inzwischen überall wiedererkannt.

Ob hier diese Sango wohnt?

Sie hatte sich ja schließlich um die Gewänder von Renjiro und ihm kümmern wollen.
 

Der junge Mann verharrte, als jemand die Reisstrohmatte vor der Tür beiseiteschob und hinaustrat.
 

Es war eine junge, dunkelhaarige Frau im Kimono, in einem Tuch auf dem Rücken trug sie ein vielleicht achtmonatiges Kind.
 

„Entschuldigen Sie!“, rief Riku und die Frau blieb stehen, ohne ihn anzusehen.

„Ich suche eine Sango-san“, fügte er hinzu.
 

Jetzt sah die junge Frau ihn an. „Ja?“
 

Riku wusste nicht, was er von dieser Reaktion halten sollte.
 

Die Frau kam nun näher. „Was wollen… ach, du bist einer von den jungen Mönchen, oder?“, wollte sie wissen.
 

Riku nickte automatisch, woraufhin sein Gegenüber lächelte und ihm zunickte. „Schön dich wiederzusehen. Ich bin übrigens Sango“

Jetzt war er endgültig perplex. Diese junge Mutter sollte die Kriegerin sein, die die Oni abgeschlachtet hatte, als wären es Mücken?
 

Sie schien sein Zögern richtig zu interpretieren, denn sie lächelte wieder und zeigte mit einem Blick über ihre Schulter zurück zur Hauswand.
 

Riku folgte der Geste mit den Augen und erkannte jetzt erst den mannshohen Bumerang, der dort lehnte, seltsam, aber nicht verratend, was man mit ihm anstellen konnte.

Er merkte nicht, dass Sango schmunzelte. „Kommst du um eure Gewänder wieder abzuholen? Da wirst du dich noch ein wenig gedulden müssen, noch sind sie nicht trocken. Es hat eine Weile gedauert, das Oniblut herauszukriegen. Ich habe hier nicht die gleichen Möglichkeiten, wie in meiner Heimat“, nahm sie das Gespräch wieder auf und er sah sie erneut an.

Sie sprach über die Überreste von Dämonen, als wären es harmlose Schlammflecken.
 

Bevor er aber etwas sagen konnte, mischte sich eine andere Stimme ein. „Ich glaube es nicht, dieser Trottel hat sich doch tatsächlich aus dem Staub – oh, entschuldige bitte. Ich habe nicht gesehen, dass du nicht allein bist“
 

Riku wandte den Blick und erkannte den fremden, jungen Mönch, der eben näher kam.
 

„Schon gut, Miroku, ihn geht’s ja genauso an, wenn sein Meister jetzt plötzlich eigene Wege geht. – Wage es nicht!“ So freundlich die Stimme der jungen Frau zuerst geklungen hatte, so harsch war sie jetzt. Erst als der Mönch jetzt ruckartig die Hand zurückzog und einen Schritt auf Abstand ging, ganz so, als fürchte er, die junge Frau könnte gleich Blitze spucken, bemerkte Riku, dass der Mönch die Frau hatte begrapschen wollen.

„Aber Sango…“, meinte der Hoshi jetzt in beinahe jammerndem Tonfall.
 

Sango grinste und schüttelte den Kopf. „Nicht wenn Besuch da ist“, bestimmte sie und der Mönch gab nach.
 

Riku hatte die Situation mit gerunzelter Stirn beobachtet.
 

„Siehst du, Miroku, das passiert dann. Jetzt weiß der arme Kerl gar nicht mehr, was er von uns halten soll. Du bist wirklich hoffnungslos – dabei läuft dir die Zeit doch schon seit Jahren nicht mehr davon“, sagte Sango da, als habe sie erneut genau durchschaut, was in dem ‚Besuch‘ vor ging und offenbar wusste der Angesprochene genau, was sie mit dem letzten Satz meinte, denn er nickte ergeben und wandte sich dann Riku zu.

Dessen Blick war noch etwas skeptisch, aber er versuchte die Begebenheit beiseite zu schieben.

„Also, wie du jetzt schon gehört hast, heiße ich Miroku. Schön, dass es dir wieder besser geht. Kaede sagte, auch dein Kumpan sei wieder auf dem Weg der Besserung?“
 

Riku nickte nur.
 

„Das ist eine gute Nachricht. Allerdings habe ich auch eine schlechte. Scheint so, als wäre euer Meister abgehauen“
 

Als Riku nur das Gesicht verzog, wirkte er überrascht. „Das wundert dich nicht, oder?“, wollte er wissen. „
 

Nicht wirklich. Hiroko-san hat uns sowieso nur unfreiwillig mitgenommen. Mein Onkel hat viel bezahlt um uns loszuwerden. Seiner Meinung nach, war es für uns noch am Besten, die Lehre der Mönche anzutreten, anstatt in seinem Hause nutzlose Esser darzustellen. Jetzt, wo er meinte, uns sicher untergebracht zu haben – und weit genug von Zuhause weg, damit wir nicht petzen – hat er uns wohl nur zu gerne wieder abgesetzt“
 

Miroku runzelte die Stirn, gab sich aber damit zufrieden. „Nun, dann wird er wohl auch nicht zurückkommen. Damit ergibt sich ein neues Problem – hier im Dorf könnt ihr nicht bleiben“
 

Riku fuhr auf. „Warum? Wir können sicher irgendwo behilflich s…“
 

„Mit Sicherheit könntet ihr das. Aber ihr habt die Mönchsausbildung begonnen und Buddha würde es nicht gefallen, wenn ihr das achtlos wegschmeißt. Also braucht ihr jemanden, der euch zu Ende ausbildet. Am Anfang ist ein Wandermönch da sowieso nicht die beste Idee“, unterbrach Miroku ihn und straffte die Schultern. „Wie dem auch sei, uns fällt schon etwas ein.“

Er nahm den Korb wieder auf, den er mitgebracht hatte, Kräuter und einige Wurzeln lagen darin. „Bringst du das zu Kaede? Sie hatte darum gebeten und ich denke, du wirst sowieso wieder zu ihr gehen, nicht wahr?“

Da hatte der Mönch Recht und so packte Riku nur nach dem Henkel und drehte sich um.

Das hatte er nun davon. Seine und Renjiros Retter hatte er kennengelernt, aber nur um nun noch verwirrter zu sein. Er wurde aus den beiden eindeutig nicht schlau.
 

Miroku hatte sich unterdessen unter einen Baum gesetzt und machte eine nachdenkliche Miene.
 

„Was ist denn mit deinem Ziehvater, Miroku?“, fragte Sango dazwischen und kam hinterher.

Sie hatte Yamato aus dem Tuch genommen und setzte ihn sich auf den Schoß, als sie sich hinkniete.
 

„Mushin? Naja… rein theoretisch, ja. Er trinkt zwar etwas viel, aber er ist ein fähiger Lehrer. Von ihm habe ich alles gelernt, was ich kann…“, überlegte Miroku.
 

„Alles?“, fragte Sango spitz nach und senkte den Kopf, um seinem Blick zu begegnen, der – prompt, das der ‚Besuch‘ weg war – auf ihrem Dekolleté geruht hatte.
 

Miroku nutzte ihre vorgebeugte Haltung aus, um ihr einen raschen Kuss zu geben, ehe er ihr diesmal in die Augen sah. „Das habe ich von dem Kazaana gelernt“, betonte er mit einem Augenzwinkern.
 

Sango wandte den Blick zum Himmel und schüttelte den Kopf, aber sie lächelte. „Jetzt mal ernsthaft. Was hältst du davon, die beiden Mushin anzuvertrauen?“, griff sie das Thema wieder auf.
 

„Recht viel. Wie gesagt, er ist fähig. Aber der Weg ist lang und die beiden sind wehrlos.“
 

„Und wenn du den Luftweg nimmst?“
 

„Wie… du meinst Hachi? Ja, das ginge. So würde der Weg nur ein, zwei Tage dauern.“
 

„Na also. Problem gelöst. – Sag mal, wie geht es eigentlich Jinenji? Die Kräuter waren doch von ihm, oder?“
 

„Waren sie. Ihm geht’s gut, wie üblich. Nur ein bisschen muffig ist er heute, morgen ist seine Zeit der Schwäche. Er hat nicht einmal nach Kagome gefragt“
 

„Oh, das hat was zu heißen“, kommentierte Sango trocken, sah sich nach ihren Töchtern um.

So sah sie gerade noch, dass eine von ihnen um die Hüttenecke verschwand. Sie seufzte lächelnd. „Aiko!“
 

Natürlich kam das Mädchen nicht zurück. „Ich hol‘ sie schon“, schmunzelte Miroku und erhob sich.
 


 

~*~
 


 

Mein lieber Sohn,

ich weiß, wenn die Schatulle dir diese Worte übergibt, bin ich schon nicht mehr am Leben.

Wir waren uns immer etwas fremd, seit deine Mutter dich mit auf das Wolkenschloss genommen hat, um dich dort erziehen zu lassen.

Du bist jetzt fast erwachsen, mein Erbe, die Zukunft des Clans.

Aber das ist unwichtig, denn das weißt du selbst genau.

Diese Sätze sollen dir etwas anderes sein, eine Erinnerung, keine Belehrung.

Ich weiß, wenn ich sie dir selbst geben würde, würdest du sie abweisen oder sogar sogleich zerstören. Jeder Yôkai in deinem Alter würde das tun, auch wenn er weniger selbstbewusst wäre wie du.

Ich kann auch nicht einschätzen, ob du dies jemals schätzen wirst, dazu sind wir zu verschieden.

Ich habe dir wenig lehren können, weil die andauernden Fehden meine Aufmerksamkeit gefordert haben, mehr gefordert haben, als mein Sohn.

Ich bin nicht nur Vater, ich bin vor allem Fürst, aber das musste ich mir auch oft sagen, wenn ich mich dir gegenüber lieber wie ein Vater verhalten hätte.

Nun, vielleicht bin ich auch in den letzten zwei Jahren noch weicher geworden und wenn ich es bin – oder du es so siehst – so kennst du den Grund genau.

Ich habe all deine Selbstbeherrschung gefordert, als ich sie dir vorstellte, nicht wahr? Eine Menschenfrau, eine Hime zwar, aber doch niederen Blutes, wie du sagen würdest, wie jeder andere Dämon sagen würde.

Inzwischen solltest du auch mitgekriegt haben, dass mein Band zu ihr noch fester geworden ist – sie trägt mein Kind, dein Halbgeschwister.

Menschen haben keine lange Lebensspanne, aber bei allem was vor sich geht, mit dem Rebellenführer der Drachen, den Fehden mit den Nekós, bin ich mir nicht sicher, ob ich in der Lage sein werde, sie und mein zweites Kind auch nur für diese Zeit zu schützen, wie es sich gehört.

Mein Sohn, ich weiß, ich würde zu viel verlangen, wenn ich dich bäte, in diesem Fall den Schutz der beiden zu übernehmen, aber ich will dich bitten, zumindest keine weitere Gefahr für die beiden zu sein. Schütze sie, indem du nie ihr Gegner wirst, ich bitte dich. Izayoi wird es schwer genug haben.

Dieser Brief ist allein für dich bestimmt, niemand anderem wird die Schatulle ihn offenbaren. Die anderen werden anderes in ihr finden, Dinge, die für sie bestimmt sind. Das ist die Macht dieser Insignie und die wird sie behalten, bis du diese Worte erhältst.

Doch da sind noch Dinge, die du wissen solltest.

Ich weiß, dass deine Mutter anderes sagt und ich will dich nicht zwingen, mir zu glauben, doch es war keinesfalls so, dass ich sie nach deiner Geburt nicht mehr bei mir gewollt hätte. Sie hat es sich nur jahrzehntelang so eingeredet, wenn ich unterwegs war und die Leitung des Fürstentums in ihre Hände gelegt hatte, weil die Haushofmeisterin noch zu jung war, um das allein zu stemmen.

Ironischerweise konnten wir allerdings bis heute normal miteinander reden, egal wie distanziert sie sich sonst gab.

Bilde dir deine eigene Meinung darüber, doch das ist meine Sicht.

Des Weiteren wird mit meinem Tod eines meiner Schwerter in deinen Besitz übergehen, das weißt du. Und ich weiß auch, dass du zu gerne Tessaiga oder S’sounga gehabt hättest.

Aber Tessaiga hat eine wichtigere Aufgabe anvertraut bekommen und S’sounga ist schon jetzt so stark, dass selbst ich es kaum noch zu bändigen weiß, wenn es einmal Blut geschmeckt hat. Du bist noch zu jung, als das ich dir zumuten wollte, mit ihm umgehen zu müssen.

Wenn ich könnte, würde ich es ein für alle Mal zerstören lassen oder wenigstens von dieser Welt nehmen, aber dazu braucht es, das sagen sowohl Tôtôsai, als auch einige andere Dämonenschmiede, der Vereinigung der Kräfte von Himmel und Erde, nur so könnte S’sougas bluthungriger Geist gebrochen werden und man könnte es in einer anderen Dimension versiegeln.

Nun, darum soll es hier aber nicht gehen.

Stattdessen werde ich dir Tenseiga hinterlassen, das Schwert mit den außergewöhnlichsten Kräften, die ich je sah.

Ich hoffe du wirst eines Tages verstehen, was genau ich dir damit sagen will.

Beide Zwillingsschwerter haben eine Aufgabe, so wie ich sie vererbe und ich hoffe, sowohl du, als auch dein Geschwister werden irgendwann dahinter kommen, was diese Aufgabe ist.

Einen Wunsch habe ich allerdings noch. Ich weiß, dass du mir Respekt entgegen bringst, das hast du immer getan. Ganz so, wie es sich für einen Prinzen, einen Erbprinzen gehört.

Aber ich wünsche mir, dass du mich auch in anderer Weise respektierst, dass du meine Entscheidung für Izayoi respektierst. Sie ist etwas ganz besonderes und ihr Kind, mein Kind wird etwas ganz Besonderes sein. Nicht nur, weil es nie einen Hanyô mit dem Blutanteil eines Daiyôkai gab, aber genau das bitte ich dich, zu bedenken. Dieses Kind wird stärker sein, als es jemals ein Hanyô war, aber es ist ein Kind und ein Hanyô und dennoch dein Halbgeschwister.

Ich wünsche mir zutiefst, dass du es genau so behandeln könntest. Vor allem als Teil deiner Familie, so schwer es dir fallen mag. Und ich hoffe, dass es nicht bei diesem, meinem Wunsch bleibt.

In diesem Sinne hoffe ich, du verstehst mich nun ein wenig besser, als du es zu meinen Lebzeiten getan haben kannst.

Du bist mein Sohn, Sesshômaru, und das habe ich nie vergessen, ich habe dich immer von Herzen geliebt und ich werde es immer tun, so lange meine Seele existieren mag.

Lebe wohl, mein Sohn.

Dein Vater
 

Anerkennung

InuYasha glaubte seinen Augen nicht recht zu trauen, als er beobachtete, was da vor sich ging.
 

Das, was Bokusenô Sesshômaru da ausgehändigt hatte, hatte offenbar ihrem Vater gehört, auch wenn er nicht verstand, um was es sich handelte.

Eine Kasette aus Rinde gebogen. Tolles Geschenk.
 

Allerdings schien Sesshômaru zu verstehen, um was es sich handelte.

Und als er das Ding berührte, veränderte es sich, gab seine wahre Gestalt frei, edel und sorgsam gearbeitet.

Selbst InuYasha erkannte die Kanji, die dort eingebrannt waren.
 

Dunkel erinnerte er sich, dass seine Mutter ihm diese beiden Zeichen erklärt hatte. Hätte sie länger gelebt, hätte sie ihm vielleicht richtig lesen und schreiben beigebracht, so war es bei diesen und den Kanji seines eigenen Namens geblieben.

InuYasha zuckte mit den Ohren.
 

Doch dann zog etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich.

Der Brief, den Sesshômaru aus dem Kistchen zog, interessierte ihn wenig, aber als der Inuyôkai jetzt den Kopf hob, offenbar mit Lesen fertig war, erstarrte InuYasha. Täuschte er sich, oder schloss sein Halbbruder die Augen und atmete tief durch?

Nein, es war so.

Der Hanyô kniff die Augen zusammen, doch ein Zupfen an seinem Suikan hielt ihn davon ab, sich zu Wort zu melden.
 

Kagome hatte sich halb abgewendet und wollte offenbar gehen. „Na komm, InuYasha…“, forderte sie nur im Flüsterton, als wollte sie die Stille nicht stören.
 

Der Halbdämon zögerte. Warum sollte er jetzt gehen? Sesshômaru war doch sowieso mit Lesen fertig, lange würde er doch sicher nicht mehr auf sich warten lassen.
 

„InuYasha…“ Kagomes Stimme klang jetzt so zuckersüß, dass sich ihm wie so oft die Eingeweide zusammenzogen.
 

Er klappte die Ohren zur Seite. „Schon gut…“, murmelte er, warf aber noch einen Blick zu Sesshômaru, der noch immer reglos dastand, den Brief in der einen, die Kassette in der anderen Hand. Dann ließ der Hanyô sich von Kagome mitziehen.
 

Sesshômaru hatte das nur nebenbei mitbekommen, aber er war erleichtert. In diesen Momenten konnte er den vorlauten Hanyô noch weniger gebrauchen, als sonst.
 

Zum ersten Mal seit Jahrhunderten fühlte er Trauer um seinen Vater in sich aufsteigen, zum ersten Mal seit Jahrhunderten wurde ihm die Brust eng, beim Gedanken an jenen Yôkai, der sich nie darum geschert hatte, ob seine Herzensgüte oft genug angeeckt war.

Ich habe dich immer von Herzen geliebt..., hallte es in seinem Kopf nach.

Das glaubte er sofort.
 

Aber in diesem Moment wurde ihm klar, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte.

Er hatte tatsächlich nie viel von dem Vater gehabt, der Taro offenbar gerne gewesen wäre. Aber eben der hatte ihm sehr viel bedeutet.
 

Nur seine jahrhundertelang antrainierte Selbstbeherrschung hielt ihn davon ab, seine aufrechte Haltung jetzt aufzugeben und einfach einmal loszulassen. Nicht einmal vor Bokusenô wollte er das, nicht einmal vor diesem uralten Freund seines Vaters, der mehr von jenem wusste, als er selbst.
 

In diesem Augenblick fiel Sesshômaru noch etwas anderes auf.
 

Die Schatulle in seiner Hand war noch immer da.

Warum?, fragte er sich unwillkürlich.

Er musterte die Kiste noch einmal.

Und plötzlich fiel ihm auf, dass sich der dämonengold-ausgekleidete Boden nicht fest an das Außenmaterial schmiegte. Auch noch ein doppelter Boden? Vaters Insignie steckt voller Geheimnisse… Offenbar hatte diese Schatulle alle Fähigkeiten in sich vereint, die er sich für so einen – wenn auch magischen – Gegenstand vorstellen konnte.
 

Vorsichtig schob er die Klauen unter das Gold und schob es zusammen.

Es ließ sich aufdecken wie samtener Stoff – und darunter kam ein Amulett zu Tage, von dem Sesshômaru sofort wusste, was es bedeutete.
 

Die Triskele in durchsichtig lichtrotem Ton, gefertigt aus feinem Kristall. Das Familienzeichen der Linie seines Vaters.

Vater hatte es nur in seiner wahren Form getragen, er selbst hatte es gar nicht, weil immer das Familienzeichen der Mutterfamilie überwog. Daher trug er den Sichelmond seiner Mutter.
 

In diesem Moment wurde Sesshômaru erst so richtig bewusst, wie wichtig seinem Vater sein letzter Wunsch gewesen war: InuYasha sollte Teil der Familie werden.

Und dieses Amulett war der Schlüssel für den Hanyô. Hätte er es noch gekonnt, hätte er es InuYasha selbst gegeben… er vertraut darauf, dass ich es ihm übergebe, ihn legitimiere. Vater hat ihn seinerzeit anerkannt, das ist bekannt. Aber alles weitere … liegt an mir…

Sesshômaru schloss die schmalen Finger um das Amulett und schloss abermals für einen Augenblick die Augen.
 

In der anderen Hand spürte er das Prickeln des entfliehenden Yôki, als die Schatulle sich auflöste, doch er nahm es gar nicht richtig wahr.
 

Es war schon ein infamer Plan, den sein Vater sich da ausgedacht hatte. Er hatte Recht, eine direkte Bitte um Schutz InuYashas hätte Sesshômaru niemals ausgeführt.

Aber jetzt, wo er das Vaterlinie-Amulett in der Hand hielt, war es eine Frage der Ehre es seinem vorbestimmten Träger zu übergeben.

Und Vater hatte genau gewusst, dass Ehre Sesshômaru über alles ging.

Ganz kurz schürzte der Inuyôkai die Lippen, dann ließ er das Amulett im Ärmel seines Haori verschwinden.

Er musste es sich scharf überlegen, ob es ihm das wert war.
 

Damit machte er sich ohne eine Verabschiedung auf den Weg zurück zu den anderen. Wurde Zeit, dass er Natsu ablieferte und die anderen loswurde. Er brauchte Zeit nachzudenken. Dringendst.
 


 

~*~
 


 

„Kaede!“
 

Die alte Miko wandte sich um, als sie Miroku nach sich rufen hörte. Fragend sah sie ihn an.
 

„Sind die beiden Gäste bei dir?“
 

„Der eine zwangsweise, der andere unumgänglich, ja. Warum?“, antwortete sie mit einem schelmische Blitzen in ihrem gesunden Auge.
 

Miroku schmunzelte ebenfalls. Kaede hatte schon mehrfach angemerkt, das Riku sich kaum mehr als ein paar Minuten von Renjiro fernhalten ließ. Seit er ein paar Mal mit den angehenden Mönchen geredet hatte, wusste er auch genau warum: Immerhin trauerten sie um ihren gemeinsamen (leiblichen) Bruder und wollten einander nicht auch noch verlieren. „Gut, ich wollte mit den beiden reden. – Du weißt, was ich plane?“
 

„Sango hat mich informiert, ja. Nun, wenn du mich fragst, ist die Idee nicht schlecht. So können sie lernen und ihren Weg weitergehen, haben eine Idee für die Zukunft. Aber ich fürchte, ein Lager im Wald wird Renjiro noch nicht aushalten. Du müsstest ihnen Unterkunft für die Übernachtung beschaffen.“
 

Miroku betrachtete scheinbar höchst interessiert die tödliche Verzierung am oberen Ende seines Shakujô. „Och, das lass mal meine Sorge sein, Kaede. Ich weiß schon, wie ich das hinbekomme.“
 

„Das glaube ich dir sofort“, antwortete Kaede trocken, die nur zu genau wusste, dass der junge Mönch es mit der Wahrheit manchmal nicht so genau nahm – nicht wenn es um seinen Vorteil ging.

„Hauptsache du fällst nicht auch in andere alte Gewohnheiten zurück.“
 

Miroku wusste ganz genau, wovon sie sprach, aber er gab keine Antwort.

Für sich wusste er aber, dass da keine Gefahr bestand. In diesem Punkt hatte er alles, was er brauchte. Stattdessen nickte er der alten Miko zu und ging dann an ihr vorbei zu ihrer Hütte. Wurde Zeit, dass auch Riku und Renjiro von seinem Plan erfuhren.
 

In der Hütte war es etwas dämmrig. Riku hatte sein Mönchsgewand inzwischen wieder und trug es auch, Renjiro, der an der Wand saß, trug ein einfaches, braunes Jinbei, das ein Dorfbewohner ihm geliehen hatte. So war es leichter, den Verband zu wechseln und die Wunde zu versorgen, die aber zum Glück gut abheilte.

Wie gut, dass der Biss von dem vermutlich einzigen, ungiftigen Oni dieser Angrifftruppe gekommen war.
 

Beide sahen auf, als Miroku eintrat, nickten ihm zu. Sie kannten ihn inzwischen.
 

„Kaede ist ganz zufrieden mit der Verletzung. Sie meint, du wärst nun wieder reisebereit. Deswegen denke ich, es ist Zeit, euch zu erzählen, was ich vorhabe. Ich wüsste jemanden, der euch sicher aufnimmt und euch zu Ende ausbilden kann. Jemand, der euch nicht bei erstbester Gelegenheit wieder im Stich lässt.“
 

Riku sah etwas skeptisch aus.

Kein Wunder, gute Erfahrungen hatten die Beiden im Bezug auf Vertrauen nicht gemacht. „Und wer wäre das?“, wollte er sofort wissen.
 

Miroku setzte sich zu ihnen. „Mein alter Lehrmeister. Er heißt Mushin und leitet einen kleinen Schrein, dort wäre für euch gesorgt. Allerdings ist es etwas weit dahin, deswegen werden wir auf einen kleinen Trick zurückgreifen.“
 

Wieder war es Riku, der die Stirn runzelte, während Renjiro nur ruhig zuhörte und sich nicht einmischte. „Trick?“
 

Miroku nickte leicht. „Ich weiß, dass ihr sicher noch nie gute Erfahrungen mit Dämonen gemacht habt. Aber ebenso sicher habt ihr schon einmal gehört, dass es Oni und aber auch höhere Dämonen gibt, nicht wahr?“ Er wartete keine Antwort ab, denn jetzt wirkten beide etwas unsicher. „Zu den höheren zählen auch Kitsune und die Tanuki. Derjenige, der uns die Reise verkürzen könnte, ist ein Tanuki.“
 

„Und du bist sicher, dass du weißt, was du da tust?“
 

Miroku lächelte spitzbübisch. „Aber ja. Hachiemon und ich, wir kennen uns, seit ich ein Kind war. Er sieht öfter bei Mushin vorbei und so sind wir Freunde geworden.“

Dass Hachi dieses ‚Freunde‘ sicherlich manchmal nur unter Drohung unterschrieben hätte, verschwieg er geflissentlich. Immerhin wollte er den beiden die Angst nehmen, ihnen keine machen. Sie waren nicht aufgewachsen wie er, sie fürchteten sich vor dämonischem Leben wie jeder normale Mensch. Zwar würde Mushin ihnen zeigen können, wie sie richtig damit umgingen – ihm hatte der Alte das Einordnen ja auch beigebracht – aber noch waren beiden recht unbedarft. Er konnte ja froh sein, dass die beiden von ihrem vormaligen ‚Meister‘ wenigstens die absoluten Grundlagen eingepaukt bekommen hatten.

„Ich habe ihn übrigens mitgebracht“, fügte Miroku nach einer kurzen Pause hinzu, in der die beiden jungen Mönche sichtlich nachdenklich geworden waren und winkte leicht Richtung Tür.
 

Etwas zögerlich schob sich die rundliche Figur Hachis in die Hütte, der von Mirokus Worten, wie auch von dessen Plan wieder einmal nicht so ganz begeistert war. Er wusste, dass diese Tage für ihn alles andere als erholsam würden. Aber Miroku wiedersprechen? Das ging schon gar nicht.
 


 

~*~
 


 

„Verstehen muss ich es ja nicht, oder?“, fragte Kagome in die Runde, die nun um zwei dämonische Mitglieder erleichtert war.

Natsu und Sesshômaru hatten sich wieder allein auf den Weg gemacht, wobei einzig Natsu ein paar Abschiedsworte verloren hatte.
 

Von Sesshômaru kam nur die Information für Kagome, er würde einen Boten schicken, wenn er die Sekai no Tía brauche.

Natürlich sagte er, die Tia brauche und nicht Kagome brauche. Aber das waren inzwischen alle gewöhnt. In manchen Verhaltensweisen musste man vermutlich erst gar keine Änderung erwarten.
 

„Keh!“, erwiderte InuYasha nur zum wiederholten Male, worauf die junge Miko ihn von der Seite her anfunkelte. „Sehr konstruktiv, InuYasha!“, kommentierte sie sarkastisch, sah dann aber wieder zu den anderen.
 

Kohaku sah ernst drein. „Naja, er wirkte etwas angeschlagen, als er wieder zu uns stieß. Sicher will er etwas ausruhen und dabei so wenig Zeugen wie möglich haben“, sagte er dann.
 

„Ausruhen? Wer hat denn die ganze Arbeit gemacht. Er vielleicht? Das war doch Kyoko!“, brummte InuYasha und blickte kurz zu der Fuchsprinzessin, die ebenso wie Shippô an Kiraras Flanke lag und schlief.

Die Nekomata unterhielt sich wohl mit ihrem Artgenossen, zumindest interpretierten die Gruppenmitglieder die leisen Knurr- und Maunzlaute der beiden so.
 

„Es ist ja auch wahrscheinlicher, dass er seelisch erschöpft ist. So wenig wie er sich immer anmerken lässt, muss es ihn ganz schöne Kraft kosten sich jetzt unbeteiligt zu geben. Das scheint doch ein Brief von eurem Vater zu sein, den er da gekriegt hat, oder?“, berichtigte Kagome.
 

Diesmal hielt InuYasha die Klappe. Das schien er nachvollziehen zu können.
 

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Kohaku schließlich nach einer Weile.
 

„Eigentlich haben wir doch, was wir suchten: Beide Artefakte sind wieder da und die Haru Tsume bei Kyoko doch sicherlich nicht in falschen Händen.“
 

„Der Meinung bin ich auch. Und über Shippô können wir ja Kontakt zu ihr halten. Ich bin dafür, dass wir die Nacht hier bleiben und morgen losziehen, um die beiden zurück zur Fuchsakademie bringen. Und dann gehen wir nach Hause. Wird Zeit, dass wir Sango und Miroku wiedersehen. Außerdem würde ich gerne wissen, was aus Yume geworden ist. Hat irgendwer was dagegen?“

Keiner sagte etwas, alle waren einverstanden.

Damit stand der Plan fest und in inzwischen eingespielter Manier machten sich alle daran, das Nachtlager herzurichten.
 


 

~*~
 


 

Natsu und Sesshômaru waren inzwischen schon wieder ein gutes Stück entfernt.

In der Dämmerung erreichten sie ein Waldstück und als sie zu einer Lichtung kamen, befahl der Inuyôkai die Rast.
 

Natsu konnte sich denken, dass er das noch immer wegen ihrer Beine machte. Klar, wenn er mich verletzt zurück bringt, kriegt er Ärger und wenn es nach ihm geht, hört er bald nie wieder etwas von mir…, dachte sie, als sie sich hinsetzte und versuchte das Bedauern zu vergessen, das der Gedanke an den Abschied in ihr hervor rief.

In den Wochen, die sie nun mit ihm durch die Gegend zog, hatte sie gelernt, dass er viel mehr war als er selbst zeigte und dass Tôran, die sich immer damit brüstete, Sesshômaru ja ach so gut zu kennen, nicht einmal seinen halben Charakter verstand. Vieles, was bei den Neko über den Hundeclan umging, entsprach nicht der Wahrheit, dessen war Natsu sich inzwischen sicher und die standhafte Feindschaft der beiden Gruppen schmerzte sie.
 

„Wie lange werden wir noch brauchen, Sesshômaru-sama?“, fragte sie schließlich, mehr um ihre Gedanken zu vergessen, als um wirklich etwas zu erfahren.
 

„Vier Tage“, kam die knappe Antwort vom anderen Ende der Lichtung, wo Sesshômaru an einem Baumstamm lehnte, wie es seine Art war.
 

Auch wenn es sich wie üblich nicht so anhörte, machte Sesshômaru sich durchaus ebenso seine Gedanken über die Situation.

Eigentlich hätten sie binnen eines Tages wieder am Nekoschloss sein können, sie müsste nur in Energieform reisen, aber er wollte die Zeit auf Reisen nutzen um noch einmal bei Rin vorbeizuschauen – und bis dahin wollte er Natsus Begleitung nicht missen. Sie hatte sich als durchaus angenehme Reisebegleitung entpuppt, weit angenehmer als er das zu Beginn geglaubt hatte.
 

Vielleicht hatten sich seine Gedanken auch deswegen von der üblichen Distanz gegenüber einer Neko gelöst und… nein, er sollte aufhören, sich selbst etwas vorzumachen. Er mochte diese sture, vorlaute Hime, sehr sogar. Obwohl, vorlaut war sie schon seit einer ganzen Weile nicht mehr, so als würde sie sich absichtlich zurücknehmen. „Warum hältst du deine Zunge plötzlich so im Zaum?“, fragte er, ehe er sich dessen wirklich bewusst wurde.
 

Natsu war überrascht, dass er offenbar ein Gespräch beginnen wollte, aber etwas in ihr freute sich auch, dass er sie nicht gänzlich ignorierte. „Für diese Reise seid Ihr mein Herr und Ihr habt von Beginn an klar gemacht, dass Ihr es nicht gutheißt, wenn ich offen rede“, antwortete sie allerdings, auch wenn das nicht der wahre Grund war.

Zwischenzeitlich hatte sie ihn ja provozieren wollen, aber inzwischen hatte sie den Spaß daran längst verloren. Er war, wie er war und auf seine Art konnte er auch sehr zuvorkommend sein. Manchmal musste man eben dreimal überlegen, was seine kurzen Kommentare alles enthielten. Dass sie sich manchmal nicht schnell genug auf die Zunge biss war wiederum ihr eigenes Wesen, aber das passierte nicht allzu oft. Nicht gegenüber jemandem, den man zu respektieren gelernt hatte.
 

Der Inuyôkai schien allerdings zu durchschauen, dass sie nicht ganz die Wahrheit sagte: „Du tust es schon wieder.“
 

Natsu konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. Der ihr nur zu bekannte Trotz stieg in ihr auf. „Vielleicht will ich es Euch nur Recht machen!“, schnappte sie, diesmal wenig gewählt.
 

„Warum?“
 

Natsu zögerte. Er hatte es wieder geschafft, hatte sie aufs Glatteis geführt und sie war treu in die Falle getappt. Jetzt stand sie da. Ihr Gehirn lief auf Hochtouren. Wie kam sie da jetzt bloß wieder raus?

Die Wahrheit, die in ihrem Hinterkopf pochte, wollte sie nicht einmal in Gedanken aussprechen, geschweige denn ihm ins Gesicht sagen. „Ihr seid als kompromisslos bekannt, früher oder später hättet Ihr mich ruhig gestellt. Und im Kampf könnte ich niemals gegen Euch bestehen“, versuchte sie sich schließlich aus der Affähre zu ziehen.
 

„Sicher?“, fragte er zurück.
 

Sie wusste, dass er seine eigene Stärke niemals in Frage gestellt hätte, wenn er sie nicht provozieren wollte.

Man sieht ja, dass ich es nicht einmal im Wortgefecht schaffe…

Dieser Hundedämon redete sie mit drei Worten in Grund und Boden, sie, die im gesamten Nekoschloss für ihre lose Zunge gefürchtet war.
 

Ehe sie jetzt aber über eine Antwort nachdenken konnte, spürte sie Metall am Arm, wandte den Blick.

Ohne dass sie eine Bewegung gesehen hätte, stand Sesshômaru plötzlich neben ihr, ein heller Kontrast in der Dämmerung.

Die Klinge seines Schwertes lag an ihrem Handgelenk, sein bernsteinfarbener Blick sah auf sie hinab. Sie erahnte, was er damit sagen wollte: Probier es aus. Er forderte sie zum Trainingskampf.
 

Natsus Ehrgeiz und Neugier siegten über ihre Vernunft, sie erhob sich geschmeidig und zog ihrerseits Ashai-Ha.

Einen Moment maßen sie sich mit Blicken, dann begriff sie, dass er ihr wortlos den ersten Angriff überließ.

Und sie hob ihr Tsurugi, führte einen raschen Schwung und zielte auf seine Schulter.
 

Blitzschnell wich er mit einem Seitwärtsschritt aus und hob die Spitze seines Schwertes um ihre Klinge abzufangen. Hell blitzten die Klingen im Licht des aufgehenden Mondes, die feinen Tauschierungen glänzten wie Silber, als er die Parade abbrach und stattdessen unter ihrer eigenen Klinge weg nach ihrer Seite schlug.
 

Natsu sprang mit einem raschen Satz zurück.

Ein paar Glühwürmchen flohen erschrocken, während die RaionYôkai sich etwas abduckte und die silbergrünen Raubtieraugen zusammenkniff.

Dann griff sie mit vollem Elan an, rasch folgten die Schläge aufeinander und auch wenn Sesshômaru mit geradezu beängstigender Leichtigkeit parierte, war sie stolz, ihn ab und an zum zurückweichen zwingen zu können.
 

Ein, zweimal hätte er sie dagegen beinahe erwischt, aber er zog die Klinge jedes Mal knapp vorher zurück.

Dies war nur ein Trainingskampf, normalerweise hätte man ihn mit stumpfen Waffen geführt.
 

Für einen Augenblick gab Natsu ihre Deckung auf um Ashai-Ha zur Seite zu führen und mit voller Kraft zuschlagen zu können und dieses Mal schien es, als hätte sie Erfolg. Sesshômaru brachte sich mit einer Drehung aus der Gefahr und gab ihr damit gleichzeitig die Chance, auf seinen Rücken zu zielen, wo er schwerlich abwehren konnte.

Aber sie hatte nicht mit seiner Schnelligkeit gerechnet. In dem Atemzug, in dem er sich duckte und ihren Schlag entging, stand er schon wieder von Angesicht zu Angesicht vor ihr und hielt ihre Klinge mit der Seinen auf.

Funken stoben in die Nacht.

Seine goldenen Augen leuchteten deutlich im Mondlicht.

Für einen Moment ging Natsu die Konzentration flöten – und das reichte aus.
 

Er fing ihren nachlässigen Schlag ab, blockierte jegliche Bewegung ihres Schwertes mit seiner Klinge, aber anstatt es ihr aus den Fingern zu winden, was ihr durchaus das Gelenk hätte prellen können, packte er nur ihren Arm mit der freien Hand und hielt sie fest.
 

Natsu ließ sich davon nicht stören. Sie nutzte es, dass er im Moment keine freie Hand hatte, mit der er sofort hätte nachfassen können und machte sich mit einem Ruck los.
 

Mit einem raschen Abfedern verlagerte sie den Kampf nun in die Luft. Sesshômaru ging bereitwillig mit, umso heftiger drang er nun auf sie ein. Schonzeit vorbei?, fragte Natsu sich in Gedanken, aber das war auch schon alles, zu mehr blieb ihr keine Zeit, denn wieder einmal hätte er sie fast erwischt. Gerade noch konnte sie sein Schwert zur Seite ablenken und selbst angreifen, er brachte sich mit einem Überschlag aus der Gefahrenzone und musterte sie aus zwei Metern Abstand, locker in der Luft schwebend. Ganz offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sie so lange durchhalten würde.

Er hat diesen Kampf schon die ganze Zeit gewollt, er wollte austesten, wie viel ich eigentlich kann…, schoss es ihr durch den Kopf, dann legte sie erstaunt den Kopf schief, weil er weiterhin reglos blieb.

„Keine Lust mehr?“, fragte sie aus dem Affekt heraus, ehe ihr so richtig zu Bewusstsein kam, dass er so einen Spruch sicher nicht so locker aufnehmen würde, wie ihr heimlicher Kampflehrer am heimatlichen Schloss.
 

Er kniff auch prompt die Augen zusammen. „Dämliche Katze!“, knurrte er und noch ehe Natsu einschätzen konnte, ob er das ernst meinte oder sie wieder einmal nur provozieren wollte, musste sie seiner Energiepeitsche ausweichen, die so schnell auf sie zu zuckte, dass sie sie kaum gesehen hätte.

Rasch wich sie weg und versuchte einen Gegenschlag.

Im ernsten Kampf wäre es ihr gelungen, mit dem Schwert etwas gegen dieses pure Yôki ausrichten zu können, aber jetzt hatte er so wenig davon angerufen, dass ihre Klinge einfach hindurch glitt und ihr keinesfalls eine Hilfe war. Ihr blieb nur das ausweichen.

Kreuz und quer jagte er sie durch den Himmel, oft genug gelang es ihr nur knapp, einem Angriff zu entkommen.
 

Irgendwann wurde es ihr zu dumm. In der Hoffnung, ihm niemals im wahren Kampf gegenüberstehen zu müssen, griff sie auf jene geheimen Finten zurück, die ihr heimlicher Kampflehrer ihr nur unter dem absoluten Siegel der Verschwiegenheit beigebracht hatte. Die alten Techniken der Neko, die heute kaum noch jemand lernte.

Selbst Sesshômaru schien überrascht, als sie unter dem nächsten Angriff seiner Energiepeitsche einfach durchtauchte und plötzlich wieder in Schwert-Reichweite vor ihm stand, die Klinge wieder gegen seine führte.

Aber es dauerte nur Sekundenbruchteile, bis er sich gefasst hatte, Natsu kam gar nicht dazu, ihren Schlag zu vervollständigen, da unterbrach ein Schwung Bakusaigas ihre Bemühungen. Sie verkniff sich eine Grimasse und nutzte den Moment, in dem die Klingen in scheinbarer Kraftprobe aufeinanderlagen, um zu schauen, was er mit der Energiepeitsche anstellte.

Er hatte sie wieder deaktiviert, wollte es wohl drauf ankommen lassen.

Jetzt grienste Natsu doch, zog ihre Klinge etwas zurück, ließ sie erneut gegen Bakusaiga sausen, nur um Sesshômarus Schwert millimeterweise abzudrängen und die Lücke in seiner Deckung, die sie brauchte, selbst zu schaffen. Dann stieß sie die Schwertspitze vorwärts, gegen die Schulter des Inuyôkai und hätte getroffen, wenn sie Ashai-Ha nicht im letzten Moment zurückgezogen hätte und ein klein wenig zurück schwebte.
 

Kurz legte sie den Kopf schief, aber wenn ihre plötzliche Schnelligkeit ihn erschreckt hatte, dann zeigte er es nicht. Typisch…, dachte sie fast beleidigt, gab aber nicht auf. Wieder sauste sie vor und zwang nun ihn Sprung für Sprung zurückzuschweben, die meisten ihrer Schläge nur angetäuscht, nie zu Ende geführt und ihm damit die Chance nehmend, eine Taktik zu erkennen.
 

Als er zurückschlug, bog sie den Oberkörper zur Seite und ließ seine Klinge um Haaresbreite an sich vorbeisausen. Ehe er korrigieren konnte, war sie nach oben weggesprungen, verlagerte ihr Gewicht nach vorne und schlug einen schnellen Salto, griff im nächsten Moment von hinten an.

Diesmal schaltete er nicht schnell genug und ihre Klinge berührte die Haut an seinem Nacken, ehe Natsu wieder zurücksprang.
 

Die alte Kampftechnik der Neko war mehr Tanz als Kriegskampf. Sesshômaru hatte gelernt, im Kampf zu bestehen, aus einem Krieg heil herauszukommen und hatte sich dabei eine Präzision und ein Kalkül angeeignet, die beängstigend waren. Aber die katzenhafte Geschmeidigkeit und Beweglichkeit, die Natsu jetzt nutzte, damit konnte er nicht mithalten.
 

Mit jedem Schlag, der ihr gelang, zeigte sich der Triumpf deutlicher in den Augen der RaionYôkai – und dann reagierte sie einmal nicht schnell genug, denn Sesshômaru war zu kampferfahren, um nicht seinen Nutzen aus ihrer Art der Angriffe ziehen zu können.

Dass sie durch ihren Vorteil zunehmend unkonzentrierter wurde, kam ihm nur zu Gute. Sie achtete nämlich bei allem Einfallsreichtum nur darauf, seine Klinge auszuspielen, vertraute darauf, dass er die Energiepeitsche sein lassen würde. Das tat er auch, aber als sie jetzt vorstieß und sich im letzten Moment aus der Bewegung heraus in eine Seitwärtspirouette gleiten ließ, um einer Verteidigung geschickt zu entgehen, packte er zu. Seine Finger schlossen sich wieder um ihren Arm, hielten sie vor seiner Nase fest.
 

Natsu reagierte instinktiv. Ruckartig warf sie ihr Gewicht nach hinten, riss die Beine hoch und gelangte so in eine Rückwärtsrolle, mit der nun wieder Sesshômaru nicht gerechnet hatte.

Aus dem Affekt heraus ließ er los – und zufällig stieß ihre Fußspitze auch noch gegen seine Schwerthand.

Bakusaiga fiel zu Boden, blieb im Mondlicht schimmernd, im Gras liegen.
 

Einen Moment lang war Sesshômaru wie erstarrt, dann ließ er sich wortlos zu Boden sinken und hob das Schwert auf um es wieder wegzustecken. Auch wenn es eindeutig nur Zufall gewesen war, sie hatte ihn gezwungen, sein Schwert loszulassen und das bedeutete, dass sie das Trainingsduell gewonnen hatte.

Unwillkürlich war er beeindruckt.

Auch wenn er sich zurückgehalten hatte, ihr Geschick wies auf großes Talent und viel Übung hin.
 

Wenn er da an die Bitte ihres Vaters dachte, sie zu beschützen, so konnte er sich denken, dass der nicht einen blassen Schimmer vom Können seiner Tochter hatte. Er verkniff sich ein Schmunzeln.

„Du brauchst keinen Beschützer“, kommentierte er emotionslos, als sie ebenfalls wieder auf den Boden kam.
 

Natsu sah ihn kurz von der Seite an, dann steckte sie ihre Klinge ebenfalls weg. „Wenn dem so ist…“, setzte sie an und drehte sich zur Seite weg. Ganz offensichtlich hatte sie verstanden, was der wahre Inhalt seiner Worte gewesen war: Ein Herr trug die Verantwortung für den Schutz seiner Untergebenen. Er war der Beschützer. Brauchte sie keinen Beschützer hatte sie auch keinen Herrn nötig. Allerdings hätte er seine eigene Autorität niemals so direkt aufgegeben.
 

„Dann…“, setzte er ihren Satz lauernd fort.
 

„Kann ich ja auch allein gehen“, beendete sie spitzbübisch und entfernte sich bereits von ihm.
 

Das war dann doch zu viel der Provokation.

„Nichts da!“, ruckartig hielt er sie am Arm zurück, nicht damit rechnend, dass sie sich nicht wehren würde, sondern sich wieder zurückziehen ließ und das ohne Wiederstand.

Der Schwung war so groß, dass sie gegen seinen Brustpanzer prallte.

Auf einmal war ihre warme, sommerliche Witterung überall.

Keiner von ihnen war nach dem Trainingsduell sonderlich erschöpft, aber erhitzt waren sie beide. Der Instinkt tat sein Übriges dazu und ehe er darüber nachdachte, schloss sich Sesshômarus andere Hand um ihren zweiten Arm und zog sie herum, sodass sie direkt vor ihm stand.
 

Ein wenig von unten sah sie zu ihm auf, der Silberglimmer in ihren grünen Iriden funkelte im Mondlicht wie Perlmutt.
 

Alles in ihm rebellierte auf einmal dagegen, sie wieder loszulassen, ein Feuer erwachte in ihm, dessen Heftigkeit selbst ihn erschreckte. Das war kein Begehren… nicht nur.
 

Er hatte sich lange zurückgehalten, sie war eine Neko, sie war seine Schutzbefohlene und zudem Tôrans Verwandte.

Das mit dem Beschützerstand, das hatten sie ja nun eindrucksvoll geklärt. Und der Rest war ihm in diesem Augenblick vollkommen egal.

Dennoch zögerte er.

Ihre Augen ruhten unverwandt auf ihm, sie rührte sich nicht, wehrte sich nicht, auch wenn sie angespannt war, das spürte er. Da schloss sie plötzlich die Augen. „Worauf wartet Ihr?“, formten ihre Lippen, ohne das ein Ton ihren Mund verließ.

Ihr Geruch benebelte ihn, er konnte den Blick nicht von ihr nehmen, nicht unterbrechen, was er einmal begonnen hatte.
 

Mit einem raschen Vorwärtsschritt zwang er sie rückwärts, drängte sie gegen den nächsten Baumstamm, dann beugte er sich zu ihr hinab und sein Mund berührte den ihren.

Selbst ihre Lippen schmeckten nach Sommer und Wärme.
 

In dem Moment, in dem sie sich jetzt mit einer raschen Bewegung aus seinem Griff befreite und sich – ungeachtet der harten Rüstung – von sich aus gegen ihn drängte, fiel auch jegliche Ergebenheit von ihr ab – und jegliche Zurückhaltung von ihm.

Sie war – das wussten die Götter – nicht das ergebene Püppchen, das er sich nehmen könnte, wenn er wollte, nein, sie legte es vollkommen darauf an, das wurde ihm jetzt klar, als er den Kuss vertiefte und sie prompt die Lippen öffnete und seine Zunge einließ.
 

Sie hatte mit Sicherheit noch keine große Erfahrung in solchen Dingen, aber vollkommen neu war es ihr offenbar nicht, was hier geschah, außerdem kannten Dämonen so etwas wie Verlegenheit nicht. Dafür war ihre tierische, instinktive Seite in solchen Momenten doch zu stark.
 

Für einen winzigen Moment – gerade lang genug zum Atemholen – löste Sesshômaru den Kuss, nur um ihn gleich darauf, weniger hart, aber nicht minder fordernd wieder aufzunehmen.

Zögern? Wozu noch?

Er hatte ihr die Chance gegeben, ihn abzuweisen, als der Instinkt noch nicht die Regie übernommen hatte, aber sie hatte es nicht getan.

Stattdessen lagen ihre schmalen Hände längst in seinem Nacken und sie erwiderte seinen Kuss nur zu bereitwillig.

Dass daran nicht unbedingt nur ihr eigener Wille Schuld war, sondern auch etwas anderes, etwas, vor dem ein leichter, lockender Funke in ihrer Witterung ihn hätte warnen sollen, nahm er nicht mehr wahr. Dumpf knurrte er auf, wissend, dass seine Augen schon lange nicht mehr golden sondern leuchtend rot waren.
 

Wieder ließ er für einen Augenblick von ihr ab, musterte die Haarsträhnen, die ihr wirr ins Gesicht hingen, ihre geschwollenen Lippen, ihren bebenden Brustkorb und spürte, dass sein Blut endgültig zu kochen begann.
 

Jetzt gab es kein Zurück mehr. Seine Hände glitten über ihre Seiten, mühelos schlitzten seine Klauen Lederharnisch, Haori und Unterkimono der Löwendämonin auf, seine Finger fuhren über ihre bloße Haut, ließen sie leicht erschauern, entlockten ihr ein wohliges Schnurren, tief aus der Brust.

Für einen Wimpernschlag nur, öffnete sie die Augen, ihre Irden waren von stärkerem Silberglimmer verschleiert, als sonst, aber dennoch trafen sich ihre Blicke.

Emotionen, von denen Sesshômaru nicht einmal gewusst hatte, dass er sie besaß, schlugen über ihm zusammen, löschten die Umwelt aus.
 

Wiederstandlos ließ Natsu sich zu Boden drängen, ließ zu, dass er die zerfetzte Kleidung von ihrem zierlichen Körper streifte. Die Vernunft, die sich fragte, warum sie sich ihm so plötzlich hingab, beachtete er nicht, sie, die sonst der oberste Gradmesser all seiner Entscheidungen war, war in diesem Moment unwichtig, als er dem Drängen seiner Instinkte nachgab.

Chancen

Als Natsu die Augen öffnete, begannen die ersten Vögel gerade zaghaft ihr Morgenkonzert anzustimmen.

Es war bereits hell, ein warmer Frühlingswind strich über ihren entblößten Körper.

Vorsichtig richtete sie sich auf, sah sich um.
 

Sesshômaru war bereits wach, saß, vollständig angekleidet, an den nächsten Baumstamm gelehnt, die Augen geschlossen, es schien, als bekäme er nichts von der Umwelt mit.
 

Natsu wusste es besser, aber in diesem Moment schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf, der sie viel mehr erschreckte.

Automatisch hob sie die Hand strich mit den Fingerspitzen über ihre Halsbeuge, wo seine Zähne sie mehr als einmal berührt hatten, sie fühlte nach einer Veränderung.
 

„Ich habe dich nicht gezeichnet“, mischte sich da plötzlich Sesshômarus Stimme ein, ohne dass er die Augen geöffnet hätte.

Er musste erahnt haben, was sie beschäftigte.
 

Natsu hielt inne.
 

Sie konnte nicht einschätzen, was das Geschehen der Nacht für ihn bedeutete, das ihr noch so klar vor Augen war. Natürlich konnte er sie nicht einfach zeichnen ohne einen Krieg zu riskieren, aber davon mal ganz abgesehen… was steckte hinter seinem Verhalten?

Hatte er nur seinen Spaß haben wollen oder war da mehr? Sie wagte nicht weiter darüber nachzudenken, aus Angst, ihre Vernunft würde die innere Diskussion gewinnen.
 

Hunde und Katzen lagen seit selbst für Yôkai endlos langer Zeit im Klinsch, sie war sich nicht einmal sicher, ob der ursprüngliche Grund dafür noch irgendjemandem bekannt war.
 

Aber er würde niemals eine Gefährtin oder auch nur eine Konkubine über diese Grenzen hinweg wollen – oder gerade?

War nicht gerade ihm fast alles zuzutrauen?

Ihre Gedanken wirbelten umeinander, ohne, dass sie zu einer Antwort wurden.
 

Und was bedeutete es für sie?
 

Als sie diese Reise antrat, war ihr erster Eindruck gewesen, einen zwar höflichen und ehrenvollen Yôkai, aber auch einen unglaublich kalten und arroganten Charakter vor sich zu haben.

So hatte man – das hieß, Tôran – ihr bereits erzählt und das hatte sie geglaubt.

Sie hatte versucht, ihn zu provozieren, war damit oft genug aufgelaufen, hatte ihn aber auch ab und an aus der Reserve gelockt.

Und schließlich war der Verdacht aufgekommen, dass sein Wesen sehr viel facettenreicher war, als man glauben mochte. Sie hatte Tôrans Instruktionen beiseite geschoben und richtig hingesehen – und den wahren Sesshômaru kennengelernt. Der war selbstbewusst und voller Kalkül, wortkarg aber dennoch verantwortungsvoll, gerecht und manchmal sogar offen und freundlich.

Am vergangenen Abend aber, während ihrem Trainingsduell, da hatte sie zum ersten Mal das Gefühl gehabt, ihn voll und ganz zu erkennen. Obwohl er nicht das Geringste gezeigt hatte, war ihr bewusst gewesen, dass er Spaß an dem Kampf hatte. Seine wahre Natur hatte sich plötzlich vor ihr zusammengesetzt, wie ein Puzzle – und sie war fasziniert gewesen.

Ihre Scheu, ihre Zurückhaltung war davongeflogen wie ein freigelassener Käfigvogel.

Als er den ersten Schritt machte, war sie darauf eingegangen, ohne weiter nachzudenken. Es hatte sich… ehrlich angefühlt, richtig.
 

Aber bei ihren Überlegungen brachte sie das auch nicht weiter.
 

Natsu unterdrückte den Stoßseufzer, der ihr schon auf der Zunge lag und schloss noch einmal kurz die Augen.

Schließlich bemühte sie sich, die inneren Stimmen zu überhören und ließ die Hand sinken. Stattdessen griff sie nach ihren Kleidungsstücken. Sobald sie sie am Körper trug, schlossen sich die glatten Schnitte, die Sesshômarus Klauen in der Nacht hinterlassen hatten, blitzschnell.
 

Sie erhob sich mit jener Eleganz, die nur ihrer Gattung gegeben war, nur um festzustellen, dass Sesshômaru längst stand, mit dem Rücken zu ihr, abwartend.

In alter Manier forderte er sie nicht zum Folgen auf, sondern setzte sich einfach in Bewegung.
 

Natsu spürte doch gewisse Überraschung, als ihr auffiel, dass in ihren Hinterkopf kein bissiger Kommentar herumschwebte. Kopfschüttelnd folgte sie ihm. Eine Weile liefen sie schweigend über die Ebene, sie einen knappen Schritt hinter ihm, ihm die Führung überlassend.
 

Sie hatte längst gemerkt, dass er nicht den direkten Weg nahm, aber ebenso erinnerte sie sich vom Beginn der Reise an diese Gegend. Offensichtlich wollte er noch einmal in das Dorf, in dem er nach seinem Bruder gefragt hatte. Natsu versuchte erst gar nicht nachzuvollziehen, warum, immerhin müsste er wissen, dass dessen Bande noch lange nicht wieder da war, wenn die noch im Süden die Fuchskinder abliefern wollten, aber er hatte sicherlich dennoch seine Gründe.

Solange sie nur liefen und nicht in Energieform reisten, würde es sowieso noch einen guten Tag dauern, bis sie dort waren.

So hatte sie Zeit nachzudenken.

Etwas war da, das sie beunruhigte, aber ehe sie es zu fassen bekam, war es wieder verschwunden.

Eine Ahnung, zu schwach, als das sie selbst sie richtig verstand.
 

~*~
 

Die Gruppe um InuYasha war derweil auch aufgebrochen und schon ein gutes Stück weiter im Süden.

Es war Kirara gelungen, ihnen klar zu machen, dass auch Katashi jemanden tragen könnten und so saß Kohaku auf ihrem Rücken, während die Fuchskinder auf Katashi ritten. InuYasha trug Kagome und so kamen sie gut voran.

Wo Sesshômaru und Natsu sie verlassen hatten, war bereits das neutrale Gebiet inmitten der vier Fürstentümer gewesen und so näherten sie sich jetzt schnurstraks der südlichen Grenze. Wenn sie sich beeilten, erreichten sie sicher noch bis zum Abend die Akademie, schließlich lag die nicht sonderlich weit von der Grenze entfernt.
 

~*~
 

In Musashi herrschte derweil auch Aufbruchstimmung, wenn auch nur bei wenigen.

Riku ließ sich von Kaede die Tasche geben, in der Renjiros Mönchgewand und Proviant sowie Verbandszeug waren.
 

Die Brüder sahen sich an. Jetzt wurde es ernst. Nachdem Miroku ihnen gestern diesen Tanuki vorgestellt hatte, hatten sie beide noch lange geredet und schließlich beschlossen, Vertrauen zu haben.

Immerhin hatten Miroku und diese Sango sie gerettet und ihrem Bruder einen gnädigen Tod erlaubt. Und Miroku wollte sie bei seinem ehemaligen Lehrmeister unterbringen.

Warum sollte er ihnen dann Böses wollen.
 

Nachdem sie sich von der alten Miko verabschiedet hatten, machten beiden sich auf den Weg zum Dorfrand.

Miroku hatten ihnen gesagt, sie sollten zu der Hütte kommen, an der Riku neulich auf Sango getroffen war. Die junge Frau wohnte offenbar dort.
 

Als sie ankamen, sahen sie nur das junge Mädchen, das manchmal bei Kaede geholfen hatte und jetzt die kleinen Zwillingsmädchen im Auge zu behalten schien. Rin hieß sie, wenn Riku sich richtig erinnerte.
 

„Wo ist denn Miroku-san?“, fragte er.
 

Rin wandte den Kopf und strahlte ihn in bekannter Manier an. „Miroku-sama kommt gleich. Und Sango-sama ist hinter dem Haus“, antwortete sie bereitwillig und nickte in die gemeinte Richtung.
 

Die Brüder sahen sich kurz an und umrundeten dann das Haus. Vielleicht konnten sie sich die Zeit ein wenig vertreiben, indem sie sich mit Sango unterhielten. Renjiro hatte die junge Frau schließlich noch gar nicht kennengelernt und Riku auch nur kurz mit ihr gesprochen.

Als sie aber sahen, was hinter dem Haus vor sich ging, zuckten beide zurück.
 

Da stand wieder jene Sango, die sie gerettet hatte. Anstatt des Kimono trug sie einen hautengen, schwarzen Kampfanzug, der beiden bei dem Überfall gar nicht aufgefallen war.

Den mannshohen Bumerang balancierte sie geschickt mit einer Hand, wirbelte ihn über dem Kopf herum, immer nach einer halben Drehung umgreifend. Dann, ohne Vorwarnung schleuderte sie ihn vorwärts und sah der Waffe hinterher, die erst nach mehreren Dutzenden Metern einen Bogen flog und zurückkehrte.

Geschickt fing Sango sie auf, stellte sie auf den Boden und drehte sich halb um.

„Schönen, guten Tag, ihr beiden“, wünschte sie, als sei an ihrer bisherigen Beschäftigung nichts Besonderes.
 

Riku und Renjiro bemühten sich um einen nicht ganz so entgleisten Gesichtsausdruck und nickten lieber nur grüßend als zu riskieren, dass ihre Stimmen schwankten.

Was seid Ihr?“, fragte Renjiro nach einem Moment. Sein Blick lag dabei auf der riesigen Waffe.
 

Sango lächelte und setzte sich ins Gras, den Knochenbumerang dabei neben sich legend. Mit der freien Hand klopfte sie auf den Boden. „Ich bin eine Taijiya“, gab sie dann freimütig zu.
 

„Eine was?“, fragte Riku entgeistert nach.
 

„Eine Dämonenjägerin. Bis vor ein paar Jahren gab es ein großes Dorf, weiter im Nordwesten. Meine ganze Familie stammt daher“, erklärte sie und bemühte sich, nicht zu zeigen, dass die Reaktion der beiden sie zum einen belustigte, zum anderen aber auch schmerzlich daran erinnerte, dass die Dämonenjäger als ausgestorben galten.

Im Grunde war es ja auch so. Nur Kohaku und sie waren übrig und sie wusste von ein, zwei Veteranen, die sich in anderen, normalen Dörfern zur Ruhe gesetzt hatten.

Aber solcherart Gedanken gehörten jetzt nicht hierher.
 

Ihr war es sehr Recht, dass in diesem Moment Miroku auftauchte, Hachi im Schlepptau. Sie kannte den Tanuki gut genug, um zu wissen, dass der nicht sonderlich glücklich war.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie zu Miroku auf, der nur scheinbar unschuldig die Schultern zuckte. Sango schüttelte den Kopf und erhob sich. Kurz umarmte sie ihn, dann trat sie zurück um ihren Hiraikotsu aufzunehmen. „Gute Reise, ihr vier. Grüßt Mushin von mir“, wünschte sie noch, ehe sie wieder etwas beiseite trat und sich an den Griffbändern ihrer Waffe zu schaffen machte.

Sie würde noch ein wenig weiterüben.

Jetzt, wo Yamato gerade schlief, hatte sie Zeit dazu. Wenn alle drei Kinder wach waren, war es immer etwas schwierig, auch wenn Rin eine große Hilfe war.

Das junge Mädchen war nicht klein zu kriegen und konnte sich unermüdlich mit den Kleinen beschäftigen. Sango schmunzelte etwas, ehe sie den Knochenbumerang wieder in die Höhe wuchtete.

Mit einem Seitenblick überzeugte sie sich davon, dass Miroku mit den drei anderen etwas beiseite gegangen war, damit Hachi sich in Ruhe verwandeln konnte, der Tanuki zückte bereits das obligatorische Blatt, dann schickte sie den Bumerang wieder los, ließ ihn gezielt einen einzelnen Rhododendron umrunden und fing ihn wieder auf.
 

Es war ein willkommenes Stück Vertrautheit, weiterhin trainieren zu können und mit ein Grund, warum Miroku und sie so weit am Rande des Dorfes wohnten.

Als sie wieder aufsah, hob Hachi gerade ab, Miroku saß, den Shakujô an der Schulter lehnend vorne auf dem seltsamen, gelben Wesen, das der Tanuki in seiner verwandelten Form gerne war und seine beiden Begleiter hockten weiter hinten, sichtlich noch immer skeptisch über die Reisemethode.

Naja, Shippô ist ein riesiger, rosa Ball mit Augen. Wer das kennt, den wundert auch ein fliegender, gelber Klotz nicht mehr…, dachte sie noch, während sie den Abreisenden nachblickte. Wie gerne wäre sie selbst wieder auf Reisen, aber das war momentan noch unmöglich.

Und so konzentrierte sie sich wieder auf den Hiraikotsu, ehe irgendwelche Sehnsüchte aufkommen konnten.
 

~*~
 

„Sag mal, Kôhei, willst du nicht wenigstens mal ein paar vernünftige Worte mit uns wechseln?“
 

Der junge Ookami sah auf, als sich zwei seiner Rudelgenossen näherten, erwiderte jedoch nichts.

Ihm war nicht nach Reden zu Mute, nun, das war es fast nie. Wie so oft rief er sich ins Gedächtnis, dass er das alles hier nur für Sayokos Wohlergehen tat, damit er die beiden Jüngeren nicht unwirsch anfuhr. Stattdessen wandte er den Blick wieder ab.
 

„Ach, lasst ihn doch. Mit dem ist doch eh‘ nichts anzufangen!“, mischte sich eine Stimme ein, die Kôhei sofort einem der ältesten Schüler, einem Tyo-Yôkai, zuordnete, der hier nur trainieren durfte, weil sein Vater bei den Boten diente.

Aber er verkniff sich einen Kommentar.

Nicht einmal seine Rudelkameraden wussten so genau, warum er sich verhielt, wie er es tat, manchmal wusste er es selbst nicht, wie sollte es dann ein gänzlich Fremder wissen? Warum also sollte er erwarten, dass jemand mit noch weniger Ahnung ihn durchschaute?
 

Oh, Sayoko…

Wortlos erhob er sich und ging an den drei jungen Yôkai vorbei, hinüber zu den Gebäuden. Wenn er hier keine Ruhe hatte, würde er eben wieder in die Bibliothek gehen. Dort war es wenigstens friedlich.

In den letzten Tagen hatte Arata ihn anstatt einer abendlichen Trainingseinheit öfter in die Bibliothek des InuSchlosses geschickt, mal um etwas über den Shokuin no Rei, seine vorbestimmte Waffe, herauszufinden, mal um anderes zu lernen. Kôhei war nicht böse um die ausfallenden Kampftrainings. Noch immer hatte er keinen Spaß daran, fand keinen Sinn.

Nur für dich, Sayoko…
 

~*~
 

Instinktiv war InuYasha stehen geblieben, als sie die Grenze erreichten.

Er witterte die Grenzlinie, aber nach einem kurzen Zögern folgte er Kirara und Katashi, die ihren Weg ohne Pause fortsetzten.
 

Erst ein paar Kilometer weiter setzte Kirara zur Landung an und ihr Artgenosse folgte. Shippô und Kyoko sprangen von seinem Rücken.

Es war bereits besprochen, wieder würde es Kirara allein sein, die sie brachte.

InuYasha und Kagome würden zu viel Aufruhr verursachen und außerdem wollte Shippô ja nicht, dass sein Freundeskreis unter den Mitschülern bekannt wurde.
 

Die junge Miko hockte sich hin um Shippô noch einmal in den Arm zu nehmen und sogar Kyoko ließ sich umarmen, ehe sie zurücktrat.
 

„Tschüss, InuYasha!“, rief Shippô noch, ehe er auf Kiraras Rücken kraxelte.
 

Kyoko setzte eine schelmische Miene auf, als sie sich vor dem Hanyô aufbaute. „Auf ein Wiedersehen, InuYasha-oji-sama“, sagte sie mit einer Verbeugung und folgte ihrem Schulkameraden dann, noch ehe InuYasha sich von seiner Überraschung erholen und wohlmöglich heftig reagieren konnte.

Als der Hanyô sich gefasst hatte, war Kirara schon abgehoben.
 

Lange winkte Shippô noch, dann waren sie aus dem Blickfeld der kleinen Gruppe verschwunden.

Der junge Kitsune seufzte etwas, straffte dann aber die Schultern. Er war jetzt wieder ein Schüler der Fuchsakademie, nichts besonderes mehr.

Kyoko schien ähnlich zu denken, denn auch ihre Miene veränderte sich, als die Akademiegebäude in Sicht kamen.
 

Dann aber konnte sie ihre Freude nicht unterdrücken, als sie die Gruppe Kitsune erkannte, die auf dem Vorplatz stand. Ihre Brüder!
 

„So langsam weiß ich nicht mehr, was wir tun sollen. Es gibt keine verwertbaren Spuren!“ Kanaye klang beinahe verzweifelt, auch wenn er das zu unterdrücken versuchte.
 

Tadashi nickte langsam, doch dann fuhr er plötzlich zusammen.

„Das kann nicht…“, begann er, doch er verstummte, als er die Nekomata erkannte, die sich näherte.
 

Gleich darauf erklang ein Jubelschrei: „Onii-chan!“
 

Tadashi schob jeden Zweifel beiseite, der ihn automatisch befallen hatte, als er meinte, Kyokos Witterung wahrzunehmen.
 

Noch bevor die Nekomata gelandet war, war Kyoko von ihrem Rücken gesprungen und auf ihre Brüder zugelaufen.

Tadashi fing sie auf und umarmte sie fest. „Imouto-tan“, lachte er, als er sie wieder losließ. „Wo warst du denn?“
 

Kyoko trat einen Schritt zurück und setzte eine gefasste Miene auf. „Shippô und ich sind entführt worden! Es waren so komische, schwarze Viecher, Shippô meint, es seien Shinidamachu. Sie haben uns in einen Käfig gesteckt, aber wir konnten entkommen. Naja… und dann haben wir uns verlaufen. Aber wir hatten Glück und haben Shippôs Freunde gefunden – und Fürst Sesshômaru war auch da. Und jetzt hat unsere Freundin hier, uns wieder zurückgebracht.“

Sie deutete hinter sich, wo Kirara stand, Shippô noch immer auf dem Rücken.
 

Kanaye, der daneben stand und darauf verzichtet hatte, Kyoko zu umarmen, weil er einige der Fuchsschüler in der Nähe entdeckt hatte und er als Erbprinz doch ein wenig bekannter war, als sein Bruder, runzelte die Stirn. „Fürst Sesshômaru? Meinst du das ernst?“
 

„Natürlich!“ Die Fuchsprinzessin klang entrüstet. „Ich hab doch Recht, stimmts Shippô?“
 

Der halbwüchsige Kitsune richtete sich auf. „Klar. Und wenn Sesshômaru uns nicht mit zu Bokusenô geschleppt hätte, hättest du jetzt wohl kaum dieses Federding.“
 

Kyoko riss die Augen auf. „Ach ja, das habe ich ganz vergessen. – Kanaye, Tadashi, als wir bei Bokusenô waren, das ist ein alter Baumgeist, also als wir bei dem waren, hat plötzlich ein Artefakt verrückt gespielt, das er hütet. Es wollte uns angreifen, zuletzt mich. Und plötzlich ist so ein Ding erschienen und hat mich gerettet. – Wartet mal, hier. Das. Bokusenô sagt, es heißt Haru Tsume und sei sehr wertvoll!“

Sie zog den keilförmigen Stein hervor, den sie in ihrem schon etwas ramponierten Obi transportiert hatte.
 

Ihre Brüder zogen synchron scharf die Luft ein.

Es war offensichtlich, dass sie knapp davor waren, entgeistert die Münder offen stehen zu haben. Aber soweit kam es dann doch nicht.

„Und ob das wertvoll ist, Kyoko! Sag, hat Haha-ue dir jemals von den Artefakten des magischen Gleichgewichtes erzählt?“, fragte Kanaye schließlich.
 

Kyoko schüttelte den Kopf.
 

Tadashi legte seinen Bruder die Hand auf die Schulter. „Lass mal. Das ist sicher alles ein bisschen viel für sie. Weißt du, ich glaube, wir nehmen dich jetzt ersteinmal mit aufs Schloss. Chichi-ue und Haha-ue vermissen dich schon bitterlich. Und ich glaube, einen neuen Kimono kannst du sicher auch gebrauchen.“

Letzteres sagte er mit einem Augenzwinkern und einen vielsagenden Blick auf den ausgefransten Saum, den dreckigen Stoff und den fadenscheinig durchgescheuerten Obi, aus denen Kyokos Gewand noch bestand.
 

Sie kicherte in einer Mischung aus Amüsement und Verlegenheit. „Wenn ihr wüsstet, was es bedeutet mit Shippôs Freunden zu reisen“, griente sie, ließ aber zu, dass Kanaye sie ergriff und auf den Arm hob.

Noch war sie zu jung um über längere Strecken zu schweben, also würde ihr Bruder sie mitnehmen.

„Eine Bitte habe ich aber!“, hielt sie ihn allerdings vom Aufbruch ab.
 

„Und der wäre, imouto-chan?“
 

„Darf Shippô mit?“
 

~*~
 

Es war bereits Nachmittag, als sie sich Musashi näherten.
 

Sesshômaru blieb auf einer Hügelkuppe stehen, die Augen zusammengekniffen.

Hatte sein Gefühl ihn doch nicht getrogen. Auch in dieser Region waren diese kranken Oni – und das nicht weit vom Dorf. Wenn es nach ihm ging sogar eindeutig zu nah.

Rin!

Er ging weiter.

Natsu war nicht weit hinter ihm und er kam nicht umhin, zurückzudenken.
 

Nie hätte er geglaubt, dass er sich so vergessen könnte, aber in diesen Momenten war sein Instinkt so sehr hervor gebrochen, dass er sein Tun einfach als richtig empfunden hatte.

Aber war es wirklich nur sein Instinkt?

Seine Vernunft war sich dessen sicher.

Sein Gefühl aber, auf das er seit Jahrzehnten nicht mehr gehört hatte und das jetzt umso hartnäckiger auf sein Mitspracherecht pochte, das sprach eine ganz andere Sprache.

Es war ihm ja schon lange aufgefallen, dass Natsu ganz speziell war. Aber dass sie so viel in ihm auslösen konnte, Fesseln sprengen konnte, die er selbst sich angelegt hatte, das hätte er niemals geglaubt. In dieser einen Nacht war es ihr gelungen.
 

Etwas riss ihn aus seinen Gedanken, ließ ihn intuitiv erneut innehalten. Aufmerksam witterte er, unterdrückte ein Grollen. Diesen Angstgeruch kannte er nur zu gut. Ohne Vorwarnung sprengte er los.
 

Natsu folgte zwar, aber deutlich langsamer.

Sie war vollkommen in Gedanken gewesen.
 

Und ausgerechnet in diesem Augenblick bekam sie die Ahnung zu fassen, die sie schon den ganzen Tag umspukte wie ein hartnäckiger Poltergeist.

Für einen Herzschlag hatte sie das Gefühl, ihr Blut wäre eingefroren, ihr Herz würde stehen bleiben. Nein…, hauchte sie in Gedanken, dann rief sie sich krampfhaft zur Ordnung.
 

Noch war es nicht zu spät, etwas daran zu ändern.

Noch konnte sie alles ungeschehen machen – nun, nicht alles.

Aber das, was nicht nur sie, sondern vorallem Sesshômaru in unglaublich mächtige Probleme stürzen würde.
 

Eisern beschleunigte sie, nicht willens ausgerechnet jetzt zurückzustehen.

Wenn sie Pech hatte, hatte er es bereits gewittert, ihr blieb nur diese eine Möglichkeit.

Was auch immer ihn an dieses Dorf band, sie ahnte, was ihn gerade jetzt dorthin trieb: Oni.

Unzählige hingen wie eine dunkle, zischende Glocke über der Menschensiedlung.
 

Fast erleichtert legte Natsu die Hand an den Schwertgriff. So sehr sie diese kranken Viecher auf der Reise zu hassen gelernt hatte, jetzt kamen sie und der bevorstehende Kampf gerade Recht.

Nur diese eine Chance…, hallte es in ihrem Kopf, als sie sich knapp hinter Sesshômaru in die Oniwolke stürzte, mit schwungvollen Schwertstreichen ganze Massen zerteilend.

Nur diese eine Chance…, als sie kurz auf dem Boden aufkam, sich abstieß und Ashai-Ha frontal in einen riesigen, undefinierbaren Oni stach, sodass der, schwarzes Blut spuckend, zu Boden ging.

Nur diese eine Chance…, als sie mit einem Überschlag einem vieläugigen Wurm auswich und ihn umsäbelte.

Nur diese eine Chance…

Unerwartete Bekanntschaft

Shippô wusste nicht so ganz, was er von Kyokos Bitte halten sollte.

Gut, das hier mochten ihre Brüder sein, aber es waren auch die beiden ältesten Prinzen der Kitsune und Shippô spürte Unsicherheit in sich aufkommen, als der minimal jüngere der beiden ihn musterte.
 

Fünf Jahre war es her, dass seine Eltern verstorben waren, aber davor hatte er durchaus von ihnen erfahren, was das Fürstentum bedeutete und was Rangunterschiede waren.

Er musste zugeben, bei Kyoko waren diese Fragen nie aufgekommen, aber gegenüber den Prinzen, die obendrein völlig fremd waren, wusste er nicht, wie er sich verhalten sollte.
 

Kanaye und Tadashi schienen da weniger Probleme zu haben.

„Du fragst, ob dein tapferer Begleiter mit darf?“, schmunzelte Kanaye und sah seine kleine Schwester mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Ich bezweifle stark, dass Chichi-ue etwas dagegen hat. Also, wenn er mag…“ Tadashi sah zu Shippô hinab und streckte ihm die Hand hin.
 

Der Fuchsjunge zögerte einen Moment. Einerseits war es eine einmalige Gelegenheit, das Schloss kennenzulernen, das normale Kitsune meist nur von weitem sahen, aber andererseits – ja was eigentlich?

Kurz entschlossen ergriff er die Hand des Prinzen und spürte sogleich den Ruck, als der ihn an sich zog und ebenso auf den Arm nahm, wie der ältere Prinz Kyoko hielt. Shippô ahnte, dass sie fliegen würden.

Kurz beugte er sich zu Kirara hinab. „Danke fürs bringen! Auf Wiedersehen – und grüß‘ Kagome, ja?“
 

Kirara sah aus ihren roten Augen zu ihm auf und grollte zustimmend, ehe sie sich im Umdrehen abstieß und in die Höhe stieg. Die anderen warteten auf ihre Rückkehr.
 

Shippô richtete sich wieder auf. „Und ich darf wirklich mit?“, fragte er sicherheitshalber nach.
 

Tadashi lächelte. „Würde ich dich sonst tragen?“
 

Damit wechselten die beiden Brüder einen Blick und stießen sich dann gleichzeitig ab, um in den Himmel zu steigen.
 

Shippô grinste unwillkürlich. Die beiden verhielten sich nicht anders, als alle anderen Kitsune, die er je getroffen hatte. Ob das nur so war, weil er Kyokos Schulkamerad war? Oder waren sie wirklich so unkompliziert? Nun, das herauszufinden, dazu würde er wohl die bestmöglichste Chance haben, wenn sie ihn ins Fuchsschloss mitnahmen.

Also blickte er zu Kyoko.
 

Das Fuchsmädchen hatte sich eng an ihren Bruder geschmiegt und war offenbar nur noch halb wach.
 

Sie fühlt sich vollkommen in Sicherheit…, schoss es Shippô durch den Kopf, ehe auch er sich ein bisschen entspannte.
 

„Wenn du willst, kannst du auch ruhig schlafen. Es wird eine Weile dauern, bis wir ankommen“, Tadashi schien seine Gedanken gelesen zu haben.
 

Shippô sah ein wenig skeptisch drein, aber das Gähnen, das hartnäckig in seiner Brust aufstieg, ließ ihn die Distanz vergessen.

Er lehnte den Kopf an Tadashis Schulter und war gleich darauf eingedöst, ebenso wie Kyoko inzwischen auf Kanayes Arm.
 

Die beiden Prinzen warfen sich einen schelmischen Blick zu. „Ich bin wirklich gespannt, was die beiden alles erlebt haben…“, bemerkte Kanaye leise.
 

Tadashi nickte etwas. „Ich auch, Onii-chan, ich auch.“
 

~*~
 

Kirara war schnell wieder bei InuYasha und den anderen angekommen. Ohne Reiter konnte sie jede Luftströmung ausnutzen, um schneller zu sein.

Geschmeidig kam sie auf dem Boden auf, blickte automatisch zu Kohaku. Gab es eine weitergehende Planung?
 

Tatsächlich kannte der junge Taijiya sie langsam lang genug, um den Blick richtig zu deuten. „Zurück nach Musashi. Und zwar so schnell wie möglich“, erklärte er, warf aber einen fragenden Seitenblick zu InuYasha und Kagome.
 

Die junge Miko nickte. „Ganz recht.“
 

„Na dann… auf geht’s“, fügte InuYasha mit gewohntem Tatendrang hinzu und setzte sich bereits in Bewegung.
 

Kagome lachte nur leise vor sich hin und folgteihm.

Kirara verwandelte sich in ihre kleine Form und sprang auf Kohakus Schulter, Katashi lief nebenher.

So zog die dezimierte Gruppe wieder richtung Süd-Grenze.

Bis zum Einbruch der Nacht war es nicht mehr lang und bis dahin wollten sie alle wieder auf neutralem Gebiet sein.
 

~*~
 

Mit einem leicht entnervten Schnaufen steckte Sesshômaru Bakusaiga wieder in seine Scheide zurück.

Ungeachtet der Dämonenfetzen, die der Knochenbumerang dieser Dämonenjägerin in den Gassen des Dorfes hinterlassen hatte, ging er durch die Siedlung.

Dabei suchte er jene Witterung, wegen der er hier überhaupt eingegriffen hatte.
 

Nicht weit von ihm drängte sich eine kleine Familie zusammen, starrte aber mehr bewundert, als angstvoll zu ihm auf.

Sesshômaru beachtete sie augenscheinlich nicht, aber insgeheim freute es ihn doch, dass wenigstens diese Menschen hier den Unterschied zwischen Oni und Yôkai gelernt zu haben schienen.
 

Endlich fand er Rins Duft, folgte ihm zielstrebig.

Überraschenderweise fand er Natsus Witterung direkt in der Nähe. Automatisch verlangsamte er seine Schritte.

Wie hatten die beiden denn zusammengefunden?
 

Da erklang Rins unverwechselbare, glockenklare Stimme. „Nehmt das, es wird sicher helfen!“
 

Sesshômaru blieb stehen. Sprach sie etwa mit Natsu?
 

„Lass, Kind. Mir geht es gleich wieder gut“, antwortete da tatsächlich die Stimme der Raionyôkai, auch wenn sie etwas gepresst klang.
 

War sie verletzt worden, hatte Schmerzen? Wollte Rin ihr irgendein Kraut geben? Sähe ihr ähnlich.

Sesshômaru musste beinahe lächeln, als er daran zurückdachte, dass Rin und er sich ja ganz ähnlich kennengelernt hatten.
 

„Aber das hilft sicher!“, beharrte Rin gerade und Sesshômaru konnte sich geradezu bildlich vorstellen, wie verwirrt Natsu über solcherart Verhalten sein musste.
 

Dafür bekam er auch gleich die Bestätigung. „Nein, Mädchen. – Sag mal, du hast aber schon mitbekommen, dass ich eine Dämonin bin, oder?“
 

„Natürlich!“, erwiderte Rin sofort.
 

„Und du hast keine Angst vor mir? Es waren doch Dämonen, die dein Dorf angegriffen haben!“, nun klang Natsu fast interessiert.
 

Sesshômaru hatte inzwischen die Hütte ausgemacht, hinter der die beiden sich befinden mussten, verspürte aber noch wenig Lust, sich einzumischen. Das Gespräch amüsierte ihn.
 

„Aber das waren doch diese Oni! Du bist eine Yôkai. Yôkai tun so etwas nicht! Außerdem hast du mich gerettet“
 

Natsu hat Rin gerettet?

Für einen Augenblick kniff Sesshômaru die Lippen zusammen. Das wäre eigentlich seine Aufgabe gewesen. Er konnte dankbar sein, dass Natsu das zufällig übernommen hatte.
 

„Und was sagt dir, dass ich das nicht getan habe, um dich selbst zu fressen?“, fragte die Löwendämonin gerade weiter, dann war ein erstickter Laut zu hören, ganz als halte sie die Luft an, um einen Schmerzenslaut zu unterdrücken.
 

Was ging da vor sich? Wie schwer war Natsu verletzt?
 

„Yôkai fressen keine Menschen, wenn ihnen eine andere Möglichkeit bleibt. – Was habt Ihr?“ Aus Rins zuvor überzeugtem Tonfall sprach nun Besorgnis, die sich auch in ihrer Miene wiederfand.

Sesshômaru konnte es gerade noch sehen, weil er eben um die Hütte trat, hinter der die beiden waren, dann zog Natsu seine Aufmerksamkeit auf sich.
 

Halb saß, halb lag sie, Ashai-Ha in seiner Scheide, sie selbst sichtbar kaum verletzt. Nur an ihrer Hüfte war eine kleine Bisswunde zu erkennen, die sich aber bereits wieder schloss. Dennoch schien sie tatsächlich Schmerzen zu haben.
 

Ohne sich bemerkbar zu machen, witterte Sesshômaru, versuchte so herauszufinden, was vor sich ging.

Und da fiel ihm etwas auf.

Natsus Witterung, die er inzwischen so gut kannte, hatte sich minimal verändert.
 

In diesem Moment aber, als die Löwendämonin erneut die Kiefer aufeinander biss, verflog dieser Funke und machte für einen Atemzug einem Hauch von Tod Platz.
 

Sesshômaru zuckte fast zusammen, als Tenseiga an seiner Hüfte heftig zu pulsieren begann.

Natsu war noch sehr lebendig, Rin ebenfalls, was wollte das Schwert?
 

„Was habt Ihr?“, wiederholte Rin gerade, als dem Inuyôkai ein Licht aufging. Beinahe wäre ihm der Atem gestockt. Das darf nicht wahr sein…

„Rin! Lass es. Du kannst ihr nicht helfen“, mischte er sich scheinbar emotionslos ein.
 

Die großen Augen des jungen Mädchens flogen zu ihm, begannen zu strahlen.

Aber sie schluckte ihre euphorische Begrüßung herunter, als sie merkte, dass sein Blick auf Natsu ruhte, die fast furchtsam zu ihm aufsah.
 

Wortlos ließ er sich neben ihr auf ein Knie sinken, zog das Erbe seines Vaters ein kleines Stück aus dessen Scheide.

Augenblicklich dunkelte sich die Umgebung etwas ab, während das Schwert noch nachdrücklicher zu pulsieren begann. Dann konnte er auch die Unterweltwesen sehen.

Und alle versammelten sie sich auf Natsus Mitte.

Hatte er also die richtigen Schlüsse gezogen.
 

Er zog das Schwert komplett und führte es in einem flachen Schwung über Natsus Körper. Für einen Wimpernschlag war die theoretisch geschlagene Wunde in gleißendes Licht getaucht, automatisch riss Natsu vor Schreck die Augen auf. Noch ehe sie das aber so richtig registriert hatte, stand der Daiyôkai bereits wieder, steckte Tenseiga weg. Sein Gesicht hätte aus Stein gemeißelt sein können, während er erneut witterte.

Ja, da war der Funke wieder.

Er unterdrückte ein erleichtertes Aufatmen und entspannte seine Züge wieder, bis er gewohnt emotionslos dreinblickte.
 

„Sesshômaru-sama?“, wandte sich Rin da plötzlich an ihn.
 

Er sah sie an.
 

„Sesshômaru-sama, gehört sie zu Euch?“
 

Er nickte knapp.
 

„Habt Ihr sie gerettet?“, wollte sie weiter wissen.
 

Sesshômaru sah wieder zu Natsu hinab, die der Situation offenbar nicht ganz folgen konnte. „Ja. Sie beide“, erwiderte er dann scheinbar ruhig.
 

Seine Wortwahl schien Rin zu denken zu geben, denn sie verstummte eine Weile, ehe ihre Miene sich aufhellte.

„Ist das wahr, Sesshômaru-sama? Ihr werdet Vater?“
 

Ihre direkte Frage überraschte ihn dann doch. Nun, ihr Einfühlungsvermögen und vorallem ihre gradlinige Art hatten sie ja schon immer geprägt.

„Ja“, gab er deswegen zurück, ohne das Menschenmädchen eines Blickes zu würdigen.

Stattdessen sah er weiter Natsu an, musterte ihre verwirrte, nachdenkliche und teilweise fast verzweifelte Miene.

Wir müssen ein ernstes Wörtchen miteinander reden!
 

~*~
 

Staub wirbelte auf, als Kôga stehen blieb. Der Wirbelsturm um ihn herum legte sich nur langsam, aber er konnte sich mit dem Orientieren Zeit lassen.

Bis Ginta und Hakkaku ihn eingeholt hatten, würde es noch dauern. Er witterte.

Weit war es nicht mehr bis zum InuSchloss. Hier vermischten sich bereits die Gerüche der anderen fürstlichen Abordnungen, die momentan alle in dieser Gegend waren.

Kôga grinste. Er in seiner abgelegenen Bergregion hatte vergleichsweise wenige Probleme mit den Menschen, selbst seit er auch dem fürstlichen Rudel die Jagd auf ebenjene verboten hatte.

Aber ein bisschen mehr Geduld hätte er den anderen Fürsten dann doch zutrauen mögen.

Nun, falsch gedacht. Sie waren wohl wirklich genervt.
 

Hinter sich hörte er seine beiden Begleiter heranhecheln.

Bis auf den Boten, den er vorausgeschickt hatte, hatte er nur die beiden mitgenommen, diese Konstellation hatte sich lange bewährt und außerdem brauchte er für den kleinen Anstandsbesuch nicht mehr Leute. Nicht umsonst hatte er sich sehr viel Zeit gelassen, anzutanzen.

Im Zweifelsfall tauchte Sesshômaru sowieso erst auf, wenn alle ihn schon seit Tagen erwarteten. Wenn er eine Charaktereigenschaft des Hundefürsten inzwischen zu Genüge kannte, dann war es dessen Freiheitsliebe. Sesshômaru ließ sich nicht gerne etwas vorschreiben, wenn es eine Ausweichmöglichkeit gab, dann nicht einmal vom Protokoll.
 

Inzwischen hatten Ginta und Hakkaku zu ihm aufgeschlossen. „Hey, Kôga, geht das auch langsamer?“, beschwerte Ginta sich in altbekannter Manier.
 

Kôga gab seine belustigte Miene nicht auf. „Ihr könntet auch einfach mal schneller werden“, konterte er leichthin, verzichtete aber auf den Wirbelsturm, als er sich wieder in Bewegung setzte. Es gäbe kein gutes Bild ab, wären die beiden Kilometer hinter ihm und vollkommen abgehetzt, wenn sie am Schloss eintrafen. Nein, da schaltete er lieber einen Gang zurück.
 

~*~
 

„Aufwachen, kleiner Kerl“
 

Blinzelnd erwachte Shippô, als er sich abgesetzt fühlte.

Für einen Moment konnte er sich nicht orientieren. Wessen Stimme war das gewesen?

Dann fiel es ihm schlagartig wieder ein: Tadashi! Der Fuchsprinz.

Er richtete sich so ruckartig auf, dass er beinahe vornüber gekippt wäre.
 

„Vorsicht!“ Ein Lachen lag in Tadashis Stimme, als er Shippô gerade noch davon abhielt, von den Zinnen eines Turmes zu stürzen auf denen er ihn abgesetzt hatte.
 

„Shippô!“ Kyokos Stimme von der Seite klang etwas indigniert.
 

„‘Tschuldige. Bin noch nicht ganz wach…“, murmelte Shippô zerknirscht.
 

„Das merke ich“, konterte Kyoko trocken wie immer.

Dann streckte sie den Arm aus und zeigte um sich. „Schau! Mein Zuhause!“
 

Der Fuchsjunge ließ den Blick schweifen und die Müdigkeit verflog augenblicklich.

Wie groß das hier alles war! Allein der Schlosshof war sicher mindestens halb so groß wie Kaedes ganzes Dorf. Die massiven Gebäude waren aus rotem Stein und die Dächer mit etwas gedeckt, das erst wie rötliches Stroh wirkte.

Auf den zweiten Blick erkannte Shippô, dass es sich um Haare handelte. Haare von Fuchsdämonen. Instinktiv zuckte er zusammen, in Gedenken an die Ermordnung seiner Eltern.
 

Kyoko verzog das Gesicht. „Keine Angst, Shippô. Diese Haare haben ihre ehemaligen Besitzer freiwillig gegeben. Teilweise sind sogar welche von den Fürstenfamilien dabei“, beruhigte sie ihn, konnte sie sich doch denken, was ihn so hatte zusammenschrecken lassen.
 

Shippô glaubte ihr und entspannte sich wieder.

Verlegen senkte er den Blick. Wie konnte er dem Kitsune-Fürsten nur unterstellen, ebenso wie die Donnerbrüder zu sein?
 

Kyoko setzte an, ihren Brüdern den Sachverhalt zu erklären, aber Kanaye winkte ab. „Schon gut, wir wissen Bescheid. Shippôs Eltern stehen in den Akten, wie jedes andere Opfer dieser dämonischen Pelzjäger auch“, sagte er nur, ehe er Kyoko von den Zinnen herunterhob.
 

„Nimm Shippô mit zu Akeno, ihre Zofe wird euch vernünftige Sachen geben und euch dann zu Chichi-ue bringen. Wir bereiten ihn derweil auf den… Besuch vor“, forderte Tadashi sie auf, während er auch Shippô auf die Turmplattform hinab setzte. Dabei lag ein spitzbübisches Grinsen auf seinen Zügen.
 

Wieder einmal schoss es Shippô durch den Kopf, wie wenig klischeehaft prinzengerecht beide sich verhielten.
 

Er konnte ja nicht ahnen, dass das nur so war, solange die Familie unter sich war.

Aber das würde er noch früh genug erfahren.
 

Jetzt schnappte sich Kyoko ersteinmal seine Hand und zog ihn mit sich, durch die Bodenluke auf eine Treppe und den Turm spiralförmig hinab, bis Shippô schon fast schwindelig wurde. Unten angekommen(*,) ließ sie ihn los und lief bereits weiter.

Er schüttelte den Kopf, um wieder klar sehen zu können, ehe er ihr auf dem Fuße folgte.
 

Sie betraten einen ebenerdigen Flügel des Schlosses, der Shippô zum Staunen brachte. An den Wänden, zwischen den Schiebetüren hingen dicke, edle Wandteppiche und der Boden war mit so ebenmäßigen Dielen ausgelegt, dass er Shippô beinahe zu Schade zum drauf-gehen vorkam.

Als er zögerte, zog Kyoko ihn wieder unbarmherzig vorwärts.
 

Schließlich erreichten sie eine Schiebetür, auf der mit feinen Stichen ein Sonnenaufgang aufgestickt war.

Shippô blieb keine Zeit, die filigrane Arbeit zu bewundern, denn kaum hatte Kyoko geklopft, wurden sie herein gebeten.
 

Der Fuchsjunge riss die Augen noch weiter auf, als sie eh‘ schon waren. So also sah das Gemach einer Prinzessin aus! Unglaublich!

Das Zimmer, in dem sie standen, war etwa so groß, wie Kaedes ganze Hütte. In einer Ecke erkannte er die Schlafstatt, etwas erhöht liegend; ein schwerer, rotorangener Vorhang an einem Gestänge zeigte, dass sie vor Blicken geschützt werden konnte.
 

In der Mitte des Raumes, mit dem Rücken zu ihnen, saß eine Gestalt im sonnengelben Kimono an einem Schreibpult.

Erst jetzt wandte sie sich um – und ihr entgleisten sämtliche Gesichtszüge, der Schreibpinsel fiel ihr aus der Hand und hinterließ dunkle Flecken auf dem Boden, wo er entlangkullerte.

„Kyoko-chan!“

Blitzschnell war Akeno bei ihrer Schwester und nahm sie in den Arm. „Ein Glück, dass du wieder da bist. Du glaubst gar nicht, was wir uns für Sorgen gemacht haben!“
 

Kyoko lachte hell. „Oh doch, Kanaye hat es mir ausführlich erzählt, was ihr alles auf euch genommen habt!“, entgegnete sie und befreite sich aus dem Griff ihrer Schwester.
 

Die nahm den Widerspruch gelassen, schlug dann die Hände vor dem Mund zusammen, ganz als wäre ihr erst jetzt aufgefallen, wie abgerissen Kyoko wirkte. Sie hob den Kopf. „Aya!“
 

Sofort kam eine Dienerin heran, die ganz offensichtlich kein Kitsune war.
 

Shippô tippte spontan auf eine Risu-Yôkai, wenn er sich die tiefroten Haare und die huschenden Bewegungen ansah.
 

„Ihr wünscht, Herrin?“
 

„Aya, sorge dafür, dass Kyoko-hime ein Bad und neue Kleider bekommt. Sobald der Fürst weiß, dass sie zurück ist, wird er sie sehen wollen und dann soll sie vernünftig gekleidet sein!“

Obwohl Akeno sehr formal sprach, klang ihre Stimme locker und freundlich.
 

Die Dienerin lächelte, nickte und bat Kyoko mit einem stummen Blick, ihr zu folgen.
 

Kyoko ging ihr hinterher und ließ Shippô bei ihrer Schwester.
 

Akeno warf dem jungen Kitsune einen freundlichen Blick zu. „Du musst Shippô sein – schau mich nicht an wie ein verschrecktes Eichhörnchen. Du bist ja schlimmer als Aya“

Damit bestätigte sie Shippôs Verdacht, dass die Dienerin eine Eichhorndämonin war.

Sie erhob sich. „Na komm, wir schauen mal, das wir einen Diener finden, der dir ein Bad verschafft. Ich glaube, du hast es genauso nötig, wie meine Schwester!“, schmunzelte sie dann und gab Shippô einen Wink mit der Hand, ehe sie die Schiebetür aufschob und auf den Flur schlüpfte.
 

Der junge Kitsune, der sich in dem hochherrschaftlichen Gemäuer gelinde gesagt fehl am Platz fühlte, beeilte sich, ihr zu folgen.

Neue Seiten

Das Feuer warf zuckende Schatten auf Natsus schwarze Haare.

Die RaionYôkai lehnte an einem Baumstamm und versuchte nachzudenken. Leicht fiel ihr das allerdings nicht.

Sie wusste noch nicht so wirklich, was sie mit den Geschehnissen des Tages anfangen sollte.
 

Fest stand jedenfalls, dass der kleine Funke Yôki in ihrem Leib wieder loderte, warum auch immer.

Irgendetwas musste es mit Sesshômarus Schwert zu tun haben, aber sie konnte nicht nachvollziehen, was.
 

Ohne den Kopf zu heben, schielte sie zum Feuer hinüber.

Dort lag das junge Menschenmädchen, das ihr heute einige Kräuter hatte andrehen wollen, als sie Schmerzen hatte.

Offenbar kannte es Sesshômaru gut, sonst wüsste der weder den Namen der Kleinen, noch hätte er sie jetzt mitgenommen.
 

Sie war sich durchaus im Klaren darüber, dass er dem Mädchen damit – deren begeisterter Reaktion zu Folge – wohl einen großen Gefallen getan hatte, aber eigentlich andere Ziele verfolgte: Diese Rin sollte aufpassen, dass Natsu ihr Vorhaben nicht wiederholte.

Nun, sie hatte sowieso nicht vor, den Funken in sich erneut zu löschen. Das hätte ihren eigenen Tod zur Folge, so gut kannte sie Sesshômaru inzwischen.

Er wollte, dass das neue Leben sich entwickeln konnte, welchen Grund auch immer er dafür hatte.

Die Löwendämonin wagte nicht, der naiven Stimme ihrer eigenen Gefühle genauer Gehör zu schenken.
 

Stattdessen musterte sie weiter ihre kleine Wache.

Das Mädchen mochte zwölf, dreizehn sein, zierlich und schmal, Natsu konnte sich bei allen Göttern nicht vorstellen, wie dieses Kind an Sesshômaru geraten war.

Gleichzeitig wurde ihr schmerzlich bewusst, wie wenig sie eigentlich von ihm wusste.

Nun waren sie sich so nahe gekommen, wie sich zwei Wesen überhaupt kommen konnten und er war immer noch ein einziges Geheimnis.

Sie verzog missmutig das Gesicht und seufzte etwas.

Bis vor ein paar Wochen war ihr Leben noch so einfach gewesen, aber seit dieser Inuyôkai in ihr Leben getreten war, ging alles drunter und drüber. Tief in ihrem Herzen störte sie das aber rein gar nicht.
 

„Natsu-sama? Ist alles in Ordnung?“, riss sie da plötzlich die Stimme des Mädchens aus ihren Gedanken. Es war offenbar von ihrer Lautäußerung aufgewacht und blinzelte nun schläfrig zu ihr hinüber.
 

„Ja, alles gut, Mädchen“, gab Natsu schlicht zurück, nicht damit rechnend, dass Rin nicht ohne Grund nachfragte.
 

Im Widerschein des Feuers konnte Rin Natsus unglückliche Miene sehen und wollte nicht hinnehmen, dass jemand bedrückt war, wenn sie vielleicht etwas daran ändern konnte. Nur, was? Auf andere Gedanken bringen, ja, vielleicht ging das. „Hast du Jaken-sama und AhUhn schon kennengelernt, Natsu-sama?“, wollte sie daher wissen, frühlockte innerlich, als sie ein kurzes Schmunzeln über die Züge der Yôkai huschen sah. Dass das eher daran lag, dass Natsu sich über die Zusammensetzung von ‚du‘ und ‚-samai‘ amüsierte, konnte sie nicht ahnen.
 

Natsu schüttelte etwas den Kopf. „Nein, habe ich nicht“, antwortete sie ruhig.
 

„Schade. Weißt du, die beiden sind meine Freunde, Natsu-sama!“

Rin schob die Decke zurück, die Kaede ihr mitgegeben hatte und setzte sich auf.
 

„Deine Freunde? Sind es auch Menschen?“, fragte Natsu zurück, die in diesem Gespräch eine Möglichkeit sah, sich etwas abzulenken. Es brachte ja auch nichts, wenn ihre Gedanken trostlos auf der Stelle schwirrten.
 

Rin lachte auf einmal. „Aber nein! AhUhn ist ein ganz lieber Drache. Er trägt immer Maulkörbe, damit er niemanden abschießt, aber eigentlich frisst er nur Gras. Und er liebt es, gekrault zu werden!“, stellte sie richtig.
 

Natsu runzelte etwas die Stirn. Sprach dieses Kind etwa von Sesshômarus Drachen? Hörte sich beinahe so an.

„Sprichst du von dem Reitdrachen?“
 

Rin nickte heftig. „Natürlich!“, stellte sie klar, als wäre das so gar nicht unwahrscheinlich.

Die Haare, die ihr dabei ins Gesicht gerutscht waren, strich sie mit einer raschen Bewegung zurück.
 

„Dann kenne ich ihn doch, das heißt, ich habe ihn gesehen. Aber deinen Jaken habe ich nie gesehen. Wer ist das denn?“
 

Rin erhob sich und ließ die Decke liegen, um sich näher zu Natsu zu gesellen.

„Jaken ist lustig. Sesshômaru-sama sagt, er sei ein Krötendämon und er begleitet Sesshômaru-sama schon ganz, ganz lange. Immer sagt er Dinge, die er eigentlich nicht sagen will und plappert drauf los und gibt erst auf, wenn Sesshômaru-sama auf ihn drauf tritt. Und er hat einen Stab, größer als er, mit zwei Köpfen dran, von denen einer Feuer spucken kann. Deswegen soll Jaken-sama auch immer auf mich aufpassen, wenn Sesshômaru-sama unterwegs ist. Aber Jaken-sama mag keine Blumenketten und er verliert immer beim Fangen-spielen, weil er so kurze Beine hat. Und egal wie oft ich ihm erkläre wie es geht, Fische fangen wird er nie lernen. Und…“

„Stopp, Rin, nicht so schnell!“, hielt Natsu sie auf und musste sich ein Lächeln verkneifen.

Nun, was das Plappern anbetraf, stand dieses Menschenmädchen diesem Jaken sicher in nichts nach.

Aber die Kleine hatte eine geradezu erholsame, frische Unbekümmertheit.
 

„Entschuldige…“, kicherte sie eben und Natsu schmunzelte. „Möchtest du mir die ganze Geschichte vielleicht der Reihe nach erzählen?“, fragte sie.

Rin strahlte begeistert und rückte unwillkürlich ein bisschen näher.

Natsu ließ es zu. Hier, mehrere Meter vom Feuer entfernt, musste die Kleine frieren. Und so ließ sie Rin erzählen.
 

~*~
 

„So, Hachi, geh‘ mal runter, da hinten ist ein Dorf“, forderte Miroku und auch wenn es nach einer Bitte klang, wusste Hachiemon doch, dass es ein Befehl war.

Sofort setzte er zur Landung an, kam in einer Schonung, kaum zweihundert Meter vom Dorf entfernt auf.
 

Miroku rutschte sofort von seinem breiten, gelben Rücken und Riku und Renjiro – schon reichlich schlaftrunken – taten es ihm nach kurzem Zögern nach.
 

„Was gibt es hier?“, wollte Riku wissen.
 

Miroku ordnete sein Gewand und sah sich zu den beiden um.

„Wir werden um ein Nachtlager bitten“, sagte er knapp.
 

Der Jüngere runzelte die Stirn. „Als ob uns das jetzt noch jemand zusagen würde. Es ist stockduster und Geld haben wir auch keines“
 

Miroku wandte sich bereits wieder ab.

„Wisst ihr, ich bin lange genug durch die Gegend gezogen um zu wissen, wie ich an ein Nachtlager komme. Von euch verlage ich nur, dass ihr im richtigen Moment den Mund haltet. – Hachi, wir sehen uns morgen nach Sonnenaufgang am anderen Ende des Dorfes wieder!“

Der letzte Satz klang scharf.
 

Hachi, der sich längst zurückverwandelt hatte, beeilte sich, zu nicken und schlug sich dann in die Büsche. Einen Teufel würde er tun, morgen nicht an Ort und Stelle zu sein. Im Zweifelsfall konnte Miroku da sehr gewalttätig werden.
 

Miroku setzte sich derweil in Bewegung, rasch gefolgt von den beiden jungen Männern, die sichtlich rätselten, was seine Worte zu bedeuten hatten.

Miroku selbst dachte nicht einmal daran, sie ihnen näher zu erklären. Er hatte keine Lust auf ellenlange Diskussionen.

Mit großen Schritten hielt er auf den Dorfrand zu.
 

Es dauerte auch nicht lange, bis sie bemerkt wurden.
 

Sofort setzte Miroku eine besorgte Miene auf und ging den beiden Bauern entgegen, die auf ihn zuhielten. „Bringt mich zu Eurem Dorfvorsteher!“, verlangte er, absichtlich ohne Begrüßung, seine Stimme klang in jahrelanger Übung gehetzt.
 

Riku und Renjiro wechselten in seinem Rücken einen kritischen Blick, hielten aber den Mund.
 

Die beiden Dorfbewohner reagierten rasch. „Natürlich, Hoshi-sama. Folgt uns bitte!“, antworteten sie und liefen los.
 

Miroku folgte.

Gleich darauf hielten sie vor einem Gebäude, das er schon aus der Luft gesehen hatte. Kein Wunder, natürlich wohnte der Dorfvorsteher im größten und besten Haus des Dorfes.
 

Einer der Bauern hatte den Chef der Siedlung inzwischen herausgeholt.
 

Miroku verbeute sich rasch.
 

„Was führt Euch her, Hoshi-sama?“, fragte der Dorfvorsteher, der sichtlich schon mit einem Bein auf seiner Schlafstatt war.
 

Miroku lächelte halb verzagt, halb gewinnend. „Eine Ahnung nur, werter Dorfvorsteher. Mir ist, als würde eine düstere Atmosphäre über dem Dorf hängen. Habt Ihr in letzter Zeit Dämonen in der Nähe gesichtet?“
 

Augenblicklich war der Anführer der Dorfleute wieder hellwach. „Wie? Einen Dämon? Nein, seit Monaten nicht mehr. Aber… könnte es gefährlich sein, was sich hier herumtreibt?“, wie erwartet zitterte die Stimme des Dorfvorstehers etwas.
 

„Das kann ich nicht sagen, werter Herr. Aber es wäre nicht schwer, den Ursprung dieser dunklen Aura zu verjagen. Es bedarf nur eines kleinen Rituals“
 

„Das Dorf ist arm, wir leben von der Hand in den Mund. Wie könnten wir Euch entlohnen?“
 

Miroku riskierte einen kurzen Seitenblick auf das Haus des Dorfvorstehers.

So ganz glaubte er diese Aussage nicht, aber er sollte nicht kleinlich sein. Schließlich war er selbst nicht ganz ehrlich.

„Uns reicht ein Nachtlager und ein gutes Essen“, sagte er beruhigend und musste ein Schmunzeln unterdrücken, als er sah, wie sich die Miene seines Gegenübers aufhellte. Die Masche funktionierte doch immer wieder.
 

„Dann tut, was nötig ist“, sagte der Dorfvorsteher und blickte hoffnungsvoll zu Miroku und seiner Begleitung.
 

„Aber natürlich“, versichterte der Mönch glaubhaft und grinste innerlich.

„Kommt, ihr beiden. Wir haben Dämonen zu exorzieren“, forderte er Riku und Renjiro dann auf, ohne auf deren skeptische Blicke zu achten.
 

~*~
 

Etwas skeptisch sah Shippô an sich herunter.
 

Man hatte ihn in einen mattblauen Kimono gesteckt, nach dem Bad, und so wirklich wohl fühlte er sich damit nicht. Er hatte noch nie einen Kimono getragen, immer nur Haori und Hakama.
 

„Ist etwas nicht zu Eurer Zufriedenheit?“, fragte der junge Diener, der ihm die Kleidung gebracht hatte.
 

Rasch schüttelte Shippô den Kopf, besah ihn sich genauer.

Der junge Kitsune hatte etwas hellere Haare als er selbst und war kaum älter.

„Warum siezt du mich?“, wollte Shippô wissen.
 

Der Diener zuckte zusammen. „Ihr seid Gast der Fürstenfamilie! Es ist meine Pflicht, äußerste Höflichkeit zu wahren!“, beteuerte er rasch.
 

Shippô verzog das Gesicht, nahm es aber hin.

So war es nunmal bei Hofe, sofern er das einzuschätzen vermochte.
 

„Darf ich Euch nun zum Audienzsaal begleiten?“, fragte der Diener weiter.
 

Shippô nickte, allein schon um der beklemmenden Situation allein mit dem duckmäuserischen Diener zu entgehen.

Man musste wohl bei Hofe aufgewachsen sein, um damit klar zu kommen.

So aber folgte er dem kaum älteren Kitsune aus dem Trakt der Gemächer, zu einer großen Schiebetür.
 

Der Diener klopfte, wartete auf das Signal, eintreten zu dürfen, dann schob er die Tür auf und verbeugte sich tief.
 

Shippô ging an ihm vorbei, blickte sich um – und erstarrte unwillkürlich.
 

Ganz offensichtlich war tatsächlich die komplette Fürstenfamilie versammelt. Fürst Gin, die Fürstin, Tadashi, Kanaye, Akeno, zwei weitere Kinder – und Kyoko.

Sie hatte die Haare frisiert bekommen, violette Blüten hingen darin, und sie trug einen ordentlichen, lavendelfarbenen Kimono.

Unwillkürlich versuchte Shippô eine ungelenke Verbeugung, was Kyoko zum Kichern brachte und Fürst Gin dazu verleitete, ihn freundlich anzulächeln.

„Komm nur her, kleiner Mann. Wir beißen sicher nicht“, forderte er gelassen.
 

Shippô tat, wie ihm geheißen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass auch Fürst Gin dunkelsilberne Haare hatte, ebenso wie Kyoko.

Auf eine Geste Kyokos hin, setzte er sich neben sie, noch immer war ihm etwas flau in dieser Gesellschaft.
 

„Du bist also Kyokos Schulfreund. Und es waren deine alten Freunde, auf die ihr zufällig getroffen seit?“, fragte der Fürst da.
 

Shippô nickte. „Ja. Wir sind ihnen über den Weg gelaufen, ohne etwas zu ahnen. Ich wusste nicht, dass sie in dieser Gegend waren. Im Gegensatz zu uns wussten sie, wo wir uns befanden, aber sie konnte uns nicht sofort zurückbringen, weil sie einen wichtigen Auftrag hatten“
 

„Hat dieser Auftrag mit dem zu tun gehabt, was Kyoko da gefunden hat? Mit der Haru Tsume?“
 

„Erst ja. Aber dann kam noch etwas dazu. Sessô- Fürst Sesshômaru wollte es so. Dann ging es um die Sekai no Tia“

Gerade noch rechtzeitig erinnerte sich Shippô daran, wie er InuYashas Halbbruder besser betiteln sollte.
 

Gin hatte seinen Beinahe-Ausrutscher durchaus bemerkt und schmunzelte etwas.
 

Azarni hob ihren Fächer vors Gesicht um ihr Lächeln höfisch zu verbergen.
 

„Und wie kam Fürst Sesshômaru ausgerechnet auf deine alten Freunde?“
 

Shippô sah fragend zu Kyoko.

Hatte sie noch nicht erzählt, wer InuYasha war?
 

Unauffällig schüttelte sie den Kopf. Hatte sie also nicht.
 

Also versuchte Shippô zu erklären: „Wie es scheint, braucht es eine Miko, um die Sekai no Tia zu beherrschen. Da kam er wohl auf seinen Halbbruder, InuYasha. InuYashas… Gefährtin Kagome ist eine Miko“

Nur zögerlich nutzte Shippô die offizielle Betitelung, denn das ‚InuYashas Freundin‘, das man laut Kagome in der Neuzeit gesagt hätte, galt hier wohl kaum.
 

Fürst Gin schien ehrlich überrascht. „Sieh an, Taro-sans Sprößling hat also mehr als nur überlebt“, murmelte er vor sich hin.

„Weißt du, ich denke, ich würde diesen InuYasha gerne kennenlernen – und die Miko mit der Sekai no Tia natürlich auch. Gleich nach der Lagebesprechung im Schloss des Hundefürsten. Möchtest du solange hier bleiben oder soll dich morgen ein Bote wieder zu Akademie bringen?“, sagte er dann laut.
 

Shippô überlegte einen Moment.

Er war noch viel zu durcheinander, um sich jetzt schon wieder darauf zu konzentrieren, seine Maske in der Fuchsschule zu wahren. So würde er sicher nur Fehler machen. So unwohl er sich bei Hofe fühlte… „Ich würde gerne hier bleiben“
 

„Gut. – Paiji! Sorge dafür, dass unser Gast ein Gastgemach erhält“, rief Gin dem Diener zu, der noch immer an der Schiebetür kniete und offenbar nur darauf gewartet hatte. „So. Dann ruht euch erst einmal aus, ihr beiden Vagabunden. Morgen kannst du deinem Gast ja das Schloss zeigen, nicht wahr, Kyoko?“
 

Die Fuchsprinzessin nickte sofort. Sie war offensichtlich begeistert davon, dass Shippô blieb.
 

~*~
 

Sesshômaru war wütend.

Ausgerechnet jetzt.

Nicht das Jaken nicht sowieso nervte wo er ging und stand, aber musste diese Kröte ihn ausgerechnet jetzt aufspüren?

Nun, vermutlich war es ja eher Ah-Uhn gewesen, aber das war jetzt unwichtig.
 

Fest stand, dass ihn die Zeit jetzt noch mehr bedrängte.

Jetzt hingen ihm also auch noch sein kriecherischer Diener und die Dämonenfürsten im Nacken.

Als ob die Sache mit Natsu nicht schon schwerwiegend genug war.

Er musste jetzt wenigstens eins klären.
 

Also kehrte er zu der Lichtung zurück, auf der er Rin und Natsu zurück gelassen hatte.
 

Als er ankam, sah er sich kurz um.

Rin lag nicht mehr am Lagerfeuer.

Er kniff die Augen zusammen, ehe er das Mädchen bei Natsu erkannte. Rin lag an der Seite der RaionYôkai und war offenbar eingeschlafen.
 

Unwillkürlich musste Sesshômaru schmunzeln, sein Ärger verflog, er setzte aber rasch wieder eine unbewegte Miene auf, als Natsu ihn bemerkte und den Blick hob. Ihre silbriggrünen Augen glänzten im Feuerschein.

„Komm!“, forderte er kühl.
 

Natsu blinzelte etwas überrascht, sah dann aber zu Rin und erhob sich vorsichtig, offensichtlich um das Mädchen nicht aufzuwecken. Dann ging sie zum Feuer und hob die Decke auf, um sie über Rin zu breiten, noch ehe sie zu ihm kam.
 

Wortlos nickte Sesshômaru und drehte sich um.

Einen großen Bogen um den Abschnitt des Waldrandes schlagend, wo er Jaken zurückgelassen hatte, schritt er einen Weile durchs Gehölz, ehe er sich umdrehte und stehen blieb.

Sein Blick ruhte auf der Löwendämonin. „Warum?“
 

Natsu senkte etwas den Kopf, als sie ebenfalls stehen blieb. Ihre Stärke schien gänzlich verschwunden. „Gomen nasai, Sesshômaru-sama, ich hätte niema-“
 

„Ich will wissen, warum du es getan hast“, unterbrach er sie harsch.

Eine Hand legte er unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen.
 

Natsus Blick flackerte. „Ich… ich glaubte, es gäbe nur Probleme, wenn ich es behielte. Der giftige Oni kam gerade Recht, ich… ich…“
 

„Du hast nicht nachgedacht“, schnitt er ihr abermals das Wort ab und ließ ihr Kinn los.

Ganz kurz strich sein Daumen dabei über ihre Wange. Eine unscheinbare, unwillkürliche Geste, kaum der Rede wert und doch erkannte er das kurze Schimmern in Natsus Augen.

Sie genoss seine Nähe, so wie er insgeheim die ihre genoss.
 

„N-nein…“, gab sie derweil stockend zu und wandte wieder den Blick ab.
 

„Eine Lösung findet sich nicht dadurch, dass man das Problem umgeht“, stellte er knapp klar.
 

Einen Moment war Stille zwischen ihnen, dann flüsterte Natsu: „Wie… wie habt Ihr es wiedererweckt?“
 

Sesshômaru legte eine Hand auf Tenseiga.
 

Natsus Augen folgten seiner Bewegung, sie riss die Augen auf. „Wie bei Rin, nicht wahr?“, fragte sie leise.
 

„Wie bei Rin“, bestätigte Sesshômaru ruhig.
 

„Sie… sie ist doch ein Mensch, oder? Und dennoch begleitet sie euch – wieder, wie mir scheint.“
 

Einen Moment war Sesshômaru überrascht über Natsus Nachfrage ob Rins Artzugehörigkeit.

Dann aber verstand er.

Sie war sich nicht sicher, ob Rin nicht vielleicht ein Hanyô in Menschengestalt war, so wie InuYasha, als Natsu ihn kennenlernte.

Er als Hundedämon konnte den feinen Unterschied zwischen Mensch und menschgewordenem Hanyô wittern, einer katzenartigen Dämonin war das nicht gegeben.
 

Dennoch antwortete er nur knapp: „Sie ist meine Ziehtochter.“

Besuch

Geh vor, Rin!“, forderte Sesshômaru das Mädchen auf, nachdem sie den Lagerplatz abgebrochen hatten.

Es war gerade hell geworden, Lichtpfeile brachen durch das lichte Laubwerk des Waldes.
 

Unbekümmert folgte Rin der Aufforderung und lief in das Unterholz hinein.
 

Sie hat sich kaum verändert…, ging es Sesshômaru durch den Kopf.

Er folgte ihr langsamer.
 

Es dauerte nicht lange, bis Rins begeisterte Stimme erklang: „Jaken-sama! AhUhn!“
 

Sesshômaru unterdrückte ein Schmunzeln. Das war zu erwarten gewesen. Nicht umsonst hatte er Rin vorgeschickt, wissend, dass Jaken sich des Nachts kaum von der Stelle gerührt haben würde.

Er beschleunigte seine Schritte, Natsu knapp hinter sich.
 

Als er zum Waldrand kam, hing Rin an AhUhns einem, schuppigen Hals, während der andere Kopf ihr die Wange leckte und ein reichlich verblüffter Jaken saß daneben und wusste nicht so ganz, was er mit der Situation anfangen sollte.
 

„Jaken! Wir ziehen weiter!“, machte der Inuyôkai sich bemerkbar und trat auf die Wiese hinaus.
 

Jaken sah auf, nur um gleich darauf vornüber zu kippen und unterwürfig vor sich hinzubrabbeln.
 

Sesshômaru hörte gar nicht hin, verzichtete aber ausnahmsweise darauf, den Krötendämon als Fußabtreter zu benutzen.

Stattdessen ging er an der Gruppe vorbei und es war AhUhn zu verdanken, dass Rin und Jaken nicht zurückblieben, denn er schob Rin auf seinen Rücken und packte Jaken am Kragen, ehe er hinter dem Daiyôkai hertrottete.

Jaken zeterte einen Moment, gab es dann aber resignierend auf, als AhUhn ihn spielerisch schüttelte und bemühte sich stattdessen ungeschickt, über einen Hals des Drachen auf seinen Rücken zu gelangen.
 

Fröhlich lachend half Rin ihm.
 

Natsu sah sich das mit zusammengekniffenen Augen an, ehe sie sich beeilte, zu folgen.

Vor ein paar Wochen hätte ich wohl noch Wetten mit mir selbst abgeschlossen, wie lange er dieses Chaos ignorieren kann, aber jetzt…
 

Ja, jetzt trug sie sein Kind unter dem Herzen und wusste nicht, was die Zukunft bringen würde. Sie hatte über schwerwiegendere Probleme nachzudenken.

Unwillkürlich legte sie eine Hand auf ihre Mitte.

Selbst wenn es ihm gelang, das ganze klarzustellen, ohne einen Krieg vom Zaun zu brechen… Natsu hatte das dumpfe Gefühl, dass ihnen noch einiges bevorstand.
 

~*~
 

„Ja, werter Herr, Ihr könnt mir glauben. Nichts mehr zu spüren von der dunklen Aura!“, beteuerte Miroku und warf einen kurzen Seitenblick zum Hauptportal des Dorfvorsteher-Hauses, an dessen Türstock links und rechts je zwei Bannzettel klebten. Das Haus war geradezu gepflastert, der Dorfvorsteher hatte sich als genauso besorgt erwiesen, wie er auf den ersten Blick gewirkt hatte.

Insgeheim gratulierte Miroku sich zu seiner Einschätzung, aber jetzt wollte er weiter.

Die Sonne war längst aufgegangen und Hachi brachte es fertig und machte sich aus dem Staub, wenn sie nicht rechtzeitig am Treffpunkt waren.
 

„Wir müssen jetzt auch weiter. Meine… Schüler und ich haben heute noch einen weiten Weg vor uns“, fuhr Miroku fort und nickte zu Riku und Renjiro hinüber, die ungeduldig am Weg standen.
 

Der Dorfvorsteher wirkte noch immer weder beruhigt noch begeistert, aber er sagte nichts mehr und ließ die drei ziehen.

Am Dorfrand wartete tatsächlich Hachi und so waren die drei bald wieder in der Luft.
 

„Was genau stört euch, hmm? Dass ich nicht ganz ehrlich war? Oder dass ich die Sutras verschwende?“, fragte Miroku schließlich über die Schulter und warf einen Blick zu den beiden Jüngeren.
 

Riku hob den Kopf. „Alles…“, gab er leise zurück.
 

Mit einem leichten Lächeln stand Miroku auf und setzte sich mit dem Gesicht zu ihnen wieder hin.

„Wisst ihr, manchmal gewöhnt man sich Dinge an, wenn man eine Weile lang ohne sie nicht überleben konnte.“
 

Nun geriet Interesse in die Mienen der beiden jungen Männer, die Skepsis schwand ein wenig.
 

Miroku hob den rechten Arm etwas und schob den Tekko ein Stück zurück. Auf der Handfläche wurde die kleine Narbe sichtbar, die von dem einst brandgefährlichen Kazaana zurück geblieben war.

Als er den Armschützer weiter zurückschob, zeigte sich auch die Linie auf der Haut, die bis zu seiner Schulter und weiter über die Brust führte. Hätte sie seinerzeit sein Herz erreicht, wäre es vorbei gewesen und er war sich auch heute noch bewusst, wie knapp seinerzeit alles gewesen war.

Aber das war jetzt nicht Thema.
 

„Ich habe bis vor wenigen Jahren mit einem Fluch gelebt, der mein Leben beinahe beendet hätte. Mein einziger Lebensgrund bestand darin, diesen Fluch zu besiegen, solange ich noch dazu fähig war. Ich war ständig auf Reisen und irgendwie musste ich mir mein Leben gestalten. Meine Fähigkeiten haben mich schlicht über Wasser gehalten und manchmal musste es eben reichen, wenn ich einen Dämon sah oder eine Aura spürte.“
 

Riku betrachtete die Narbe nachdenklich. „Was war das für ein Fluch?“
 

„Dort wo jetzt die Narbe ist, befand sich ein Kazaana, ein schwarzes Loch, das alles und jeden verschlang, das oder der ihm in die Quere kam. Nur mit Hilfe einer Bannkette konnte ich es einigermaßen kontrollieren. Aber es hätte mich beinahe das Leben gekostet“, erklärte Miroku bereitwillig.

Er war sich im Klaren darüber, dass die beiden vermutlich nicht im Ansatz durchschauten, was der Fluch des Kazaana und seine Geschichte bedeutet hatten, aber vielleicht würden sie zumindestens sein Verhalten tolerieren, ohne zu argwöhnen.
 

„Du bist… ungewöhnlich“, sprach Renjiro nach einem Moment.
 

Miroku blickte ihn direkt an. „Ich weiß. Das Leben formt einen“, sagte er gelassen.
 

„Aber wenn du immer auf Reisen warst, was hält dich dann in diesem Dorf? Du lebst doch dort, oder?“, wollte Riku wieder wissen.
 

Miroku lächelte etwas. „Ich sagte doch, das Kazaana hielt mich auf Trab. Seit es verschwunden ist, treibt mich nichts mehr pausenlos voran, auf der Suche nach seinem Verursacher. Aber was mich wirklich im Dorf hielt, nun, um es schlicht zu sagen… die Liebe.“
 

Renjiro blinzelte etwas. „Aber… du bist doch ein Hôshi, oder? Ich meine, dein Gewand, die Fähigkeiten…“
 

Nun lachte Miroku offen. „Seit wann schließt sich das aus? Außerdem wundert es mich, dass du so verblüfft bist. Was dachtest du denn, wer Sango ist?“
 

Riku und Renjiro rissen die Augen auf. „Sie ist-“
 

„Klar ist sie meine Gemahlin! Und die drei Kinder sind meine“, unterbrach Miroku ihn und schüttelte etwas den Kopf. „Meine Güte, ich mag ja manchmal unkonventionell sein, aber trotzdem hat euer ehemaliger Meister euch ziemlich im Dunklen gelassen, darüber, was euch später erlaubt sein wird und was nicht, stimmts? Klar, Klostermönche unterstehen schärferen Regeln, aber zu denen wollt ihr ja auch nicht, hab ich Recht?“
 

Nach kurzem Zögern nickten beide.
 

„Miroku-sama?“, mischte sich Hachi da ein.
 

Miroku sah sich um. „Ah, wir sind da. Da unten liegt Mushins Schrein.“
 

~*~
 

„Kôhei!“
 

Der junge Wolfsdämon zwang sich, nicht die Augen zu verdrehen. Nicht schon wieder…
 

Aber diesmal hatte der Rufer einen vernünftigen Grund, ihn aufzuschrecken. „Kôga-sama ist da! Er will uns sprechen – uns alle!“
 

Jetzt hob Kôhei doch den Kopf, blickte das hellbraun gekleidete Ookami-Mädchen an. „Ist Vater dabei?“
 

Sie schüttelte den Kopf, sichtlich überrascht, dass er nicht nur reagierte, sondern auch antwortete. „Nein, nur die beiden Wachen, die mit dem Fürsten so dicke sind.“

Es war ja nicht so, dass sie und ihre Alterskameraden Kôhei ärgern wollten, aber oftmals durchschauten sie einfach nicht, was in ihm vorging. Er war ein Sonderling, so hatten sie alle ihn abgestempelt und Kôhei tat auch nichts, dieses Status zu ändern, zumindestens kam es ihnen so vor.
 

Jetzt erhob Kôhei sich aber und folgte ihr zum Hofplatz.

Dort erkannte Kôhei Masa, die offenbar die Begrüßung übernommen hatte.

Er hatte ab und an ein paar Worte mit der Haushofmeisterin gewechselt, wenn er ihr in der Bibliothek über den Weg gelaufen war und konnte sich denken, dass Sesshômaru offenbar noch immer nicht wieder da war, wenn sie hier den Empfang übernahm.
 

Die anderen wölfischen Schüler standen bereits in der Nähe und etwas zögerlich gesellte Kôhei sich dazu.

Sofort bemerkte er, dass Ginta und Hakkaku ihn entdeckt hatten, ihn so aufmerksam musterten, dass die Verlobung Sayokos mit Kôgas Sohn inzwischen die Runde gemacht haben musste. Kurz nickte er ihnen zu, dann sah er wieder zu Kôga.
 

Der nickte gerade. „Ginta, Hakkaku, wir schlagen unser Lager da auf, wo die anderen auch sind. Sieht so aus, als ob Sesshômaru uns warten lässt“, wandte er sich an seine Begleiter und ignorierte, dass Masa das Gesicht verzog, weil er den Hundefürsten nur beim Namen nannte.
 

Die beiden Ookami, die stets in Kôgas Gefolge zu finden waren, grinsten nur, ehe sie sich abwandten. Wenn Kôga sie nicht binnen Sekunden wieder hinter sich lassen sollte, mussten sie eben zu Beginn einen Vorsprung haben.
 

Der junge Wolfsfürst setzte aber erst garnicht dazu an, zu folgen, stattdessen wandte er sich den jungen Wölfen zu.
 

Masa nutzte das um zu verschwinden, ohne unhöflich zu sein und ließ die Gruppe allein.
 

Kôga grüßte seine Rudelmitglieder und gab zwei schmale Schriftrollen weiter, Briefe der Eltern, nahm Kôhei an.

Als die anderen sich zerstreuten und Kôga zu ihm kam, sah Kôhei ihm aufmerksam entgegen. „Habt Ihr auch eine Nachricht für mich?“, fragte er ruhig.

Kôga nickte leicht. „Das auch. Aber eigentlich wollte ich mit dir reden. Oder hast du Training?“
 

Kôhei sah zum Himmel, schätzte den Sonnenstand ab. „Gleich“, gab er zurück.
 

Kôga schüttelte etwas den Kopf. „Wortreicher wirst du nie werden, oder? Du passt wirklich vorzüglich an Sesshômarus Schloss. Vielleicht solltest du hier bleiben“, kommentierte er und grinste, als Kôhei eine etwas entsetzte Miene aufsetzte. „Schon klar, kommt nicht in Frage. Du würdest deine Schwester nie allein lassen. Außerdem gab es meines Wissens nie einen Wolfsschüler, der länger als die Lehrzeit hier geblieben wäre.“
 

„Oh, da gab es tatsächlich nicht viele. Royakan, der treue Gefolgsmann des ehemaligen Inu no Taishô, aber der ist ja auch einer Nebenlinie der Ookami entsprungen. Aus den Rudeln aber… kaum. Nur an zwei erinnere ich mich“, mischte sich eine andere Stimme ein und die beiden Wolfsdämonen wandten sich um.
 

„Arata-sensei… mein Mentor“, stellte Kôhei gelassen vor und sah seinen Lehrer an.
 

„Das war noch vor dem Tod von Sesshômaru-samas Vater. Sie haben mit Sesshômaru-sama gemeinsam trainiert und sind dann als Krieger geblieben. Allerdings kamen sie aus einem kleinen Grenzrudel – und leider sind beide recht schnell umgekommen, in einem der unzähligen Scharmützel, die es damals gab. Dabei waren es begabte Nahkämpfer, nunja, so ist es eben…“, erzählte der gleichmütig und tat so, als habe er gar nicht mitbekommen, dass Kôgas Bemerkung nur scherzhaft gewesen war.
 

Kôhei sah etwas konsterniert drein und Kôga grinste offen.

Dann jedoch wurde er wieder ernster. Mit verschränkten Armen sah er zwischen Kôhei und dessen Lehrer hin und her. „Wie macht er sich?“
 

„Mit dem Tachi ganz gut. Mit dem Naginata wollte ich erst in ein paar Mondumläufen beginnen. Das ist ja nun eine gänzlich andere Kampftechnik“, antwortete Arata und beschloss für sich, dass die Gerüchte über den jungen Wolfsfürsten stimmten.

Wie ein Fürst verhielt er sich wahrhaftig nicht, aber er interessierte sich für die Belange seiner Rudelmitglieder und das war das Wichtigste.

„Macht Euch doch selbst ein Bild“, schlug er dann vor.
 

Kôga zog überrascht die Stirn kraus, schien aber nicht abgeneigt, während Kôhei zu Aratas Amüsement doch zusammenschrak.
 

Der alte Inuyôkai lächelte. Genau das hatte er bezwecken wollen.
 

~*~
 

Hachi landete derweil auf der Lichtung vor dem Schrein, in dem Mushin wohnte und wirbelte dabei eine Menge Staub auf.

Nachdem er sich zurückverwandelt hatte, schüttelte er sich kräftig um gleich darauf das Weite zu suchen. Er hatte seine Schuldigkeit getan.
 

Miroku sah ihm schmunzelnd nach, während Riku und Renjiro sich den Staub von den Gewändern klopften. Wie selbstverständlich half Riku seinem Bruder dabei, weil der seine eine Schulter noch immer nicht richtig bewegen konnte. Aber es wurde langsam besser.
 

Miroku ließ die beiden stehen und stieg die Treppenstufen zur Veranda des Schreins hinauf. „Mushin!“
 

Eine Schiebetür öffnete sich und der alte Mönch sah hinaus.

Trotz dem es erst Mittag war, hatte er sicher schon einige Schüsseln Sake intus, aber das war Miroku gewöhnt.

Er wartete einfach einen Moment, bis sein Ziehvater sich an das Sonnenlicht gewöhnt hatte und ihn blinzelnd erkannte. „Miroku! Du bist es.“
 

„Ja, ich bin es“, antwortete Miroku trocken. „Wer denn sonst?“
 

Mushin antwortete nicht, sondern kam bloß gänzlich hinaus. „Und wer sind die zwei? Seit wann hast du Schüler?“
 

„Hab‘ ich ja nicht. Dafür bin ich wohl kaum geeignet. Den beiden ist der Lehrmeister abhanden gekommen, wenn du so willst. Oder genauer… er hat sich aus dem Staub gemacht.“
 

Augenblicklich wirkte Mushin wieder gänzlich nüchtern. „Bitte was? Bist du dir sicher? Kein Mönch würde doch-“
 

„Dieser hier schon, Mushin. Der Onkel der beiden hat einen Wandermönch dafür bezahlt, dass er sie mitnimmt und ausbildet und kaum meinte er, die beiden wären bei uns im Dorf in Sicherheit, hat er sich wieder allein abgesetzt“, unterbrach Miroku ihn und begleitete seinen alten Lehrmeister die Stufen hinab.
 

„Frevler!“, schimpfte Mushin nur, ehe er sich die beiden jungen Männer näher besah. „Und jetzt hast du sie hierher geschleppt, damit sie bei mir bleiben, ja? Das hast du dir ja fein ausgedacht.“
 

„Ihre Familie will sie offensichtlich nicht haben, außerdem haben sie die Ausbildung bereits begonnen und es wäre sicher nicht gut, wenn sie einfach so fallenlassen, was ihnen bereits gegeben ist“, konterte Miroku.

„Riku… Renjiro“, stellte er die beiden dann vor.
 

Beide musterten den recht kleinen, rundlichen Mönch neben Miroku mit deutlichem Interesse. Viel hatte Miroku schließlich nicht erzählt.

„Ihr seid also Mushin-san?“, fragte Riku schließlich.
 

Mushin nickte. „Wie ich hier vor euch stehe. – Kommt rein, wir wollen mal sehen, wozu ihr taugt“

Mit einer Handbewegung winkte er sie hinter sich her, als er sich umdrehte.

„Sonst hast du niemanden mit?“, fragte er über die Schulter in Richtung Miroku.
 

Der folgte bereits auf dem Fuße. „Nein. Auf deine Putzkolonne musst du heute verzichten. Und Sango muss auf die Kinder aufpassen“, grinste er.
 

Mushin räusperte sich vernehmlich, ging aber dann nicht weiter auf den ersten Satz ein. „Ach ja, die Kleinen. Wie alt ist dein Jüngster jetzt?“
 

„Knapp acht Monate. Übrigens hättest du genausogut mal selbst vorbeigucken können. Hachi fliegt von hier nach Musashi nicht langsamer als andersherum“, gab Miroku zurück und schloss die Schiebetür hinter der Gruppe. „Kaede wird dich sicher nicht rausschmeißen“, schob er dann noch hinterher.
 

„Da wäre ich mir nicht so sicher, Junge…“, erwiderte Mushin mit etwas gequältem Gesichtsausdruck, als er sich auf einem sichtlich schon recht alten Futon niederließ.
 

„Sie hat dir bloß den Sake weggenommen, den du geschnorrt hast“, stellte Miroku klar, als er sich danebensetzte.
 

„Das ist fast dasselbe“, jammerte Mushin mit verschränkten Armen.
 

„Wenn du meinst…“, gab Miroku nur zurück und schüttelte schmunzelnd den Kopf.

Sein Ziehvater würde sich sicher nie ändern. Einmal war er tatsächlich in Musashi auf Stippvisite gekommen, danach jedoch nie wieder. Vermutlich aus dem eben benannten Grund.

Aber jetzt waren Riku und Renjiro wichtiger.

Miroku nickte in Richtung der beiden und sofort besann Mushin sich. „Äh, ja..könnt ihr Lesen? Schreiben?“
 

Riku zögerte. „Ein bisschen“, gab er zu.
 

„Also verbesserungswürdig“, wertete Mushin für sich und musterte die beiden. „Du hast auch ein Gewand?“, wandte er sich an Renjiro.
 

Der zeigte mit der Hand der gesunden Seite auf die Tasche, die Riku trug. „Dort drin. Ich bin bloß noch verletzt, Mushin-san.“
 

„Was hast du mit den beiden angestellt?“, fragte Mushin in Mirokus Richtung.
 

Der zog eine gespielt beleidigte Grimasse. „Sie gerettet“, sagte er sachlich, ehe er hinterschob: „Sie und der dritte Bruder wurden von einer Horde Oni angegriffen, giftiger Oni. Ihr Herr Lehrmeister hat lieber Fersengeld gegeben, als sie zu retten, war aber geistesgegenwärtig genug, noch Bescheid zu geben, ehe er zusammenklappte. Sango und ich haben die drei dann da raus geholt, aber der dritte Bruder ist leider gebissen worden. Er ist tot“, erzählte er die Begebenheit in Kurzform.
 

„Das tut mir Leid. – Buddha möge seiner Seele gnädig sein!“ Mushin hob die Hand zum Segenspruch, ehe er sich wieder auf Riku und Renjiro konzentrierte.

„Könnt ihr Auren fühlen?“
 

„Nicht wirklich. Viel Unterricht haben wir nicht erhalten. Unser zeitweiliger Lehrherr hatte offenbar weder Muße noch Talent dazu“, erwiderte Renjiro leise und man sah ihm an, wie unangenehm es ihm war, dieses Unvermögen zuzugeben.
 

Mushin tat, als würde ihm das nicht auffallen. „Allerdings. Nun, meinetwegen bleibt hier. Ich werde sehen, was ich euch beibringen kann. Erwartet allerdings nicht zu viel, ich bin schon alt-“

„-und versoffen“, beendete Miroku den Satz für ihn und zwinkerte ihm zu.
 

„Also wirklich, Junge, du-“

„-hast vollkommen Recht“, unterbrach Miroku wieder und sein verschmitzter Blick zeigte, dass er genau wusste, wer hier das Wortgefecht gewinnen würde.
 

Mushin wusste das auch, also gab er es auf. „Also, wie auch immer. Ihr könnt bleiben. – Übrigens, Miroku, das Dorf am südlichen Waldrand hat in letzter Zeit Probleme mit ein paar Wurmdämonen“, deutete er an.
 

Miroku seufzte theatralisch. „Aber natürlich, Mushin, ich werde so selbstlos sein, das zu übernehmen. Sind wir damit quitt?“
 

„Ich weiß gar nicht, was du wieder hast, Miroku, das Dorf da unten hat auch ein paar hübsche, junge Mädchen…“
 

„Mushin?“, das klang resignierend.
 

Der Alte sah zu ihm hinüber. „Ja?“
 

„Du solltest wissen, dass ich solcherlei Eskapaden nicht mehr nötig habe. Das Kazaana ist weg, mich treibt nichts mehr. Außerdem hat Sango mir einen Sohn geschenkt. Ich weiß, was ich an ihr hab‘ “, erklärte Miroku in oberlehrerhaftem Ton, ehe er sich erhob und seinen Shakujô aufhob, der neben ihm am Boden gelegen hatte.

„Ich werde mich dann auch verabschieden. Riku, Renjiro, lebt wohl. Ich werde zusehen, dass ich wieder zurückkomme. Wenn Hachi sich beeilt, sollte das noch vor morgen Mittag klappen – nicht wahr?“

Die letzte Frage war an den Tanuki gerichtet gewesen, der sich von der anderen Seite in den Raum geschlichen hatte, in der Hoffnung, etwas Sake von Mushin schnorren zu können und gleichzeitig nicht von Miroku bemerkt zu werden.

Der Plan war gründlich schief gegangen, das merkte er jetzt und seufzte tief. „Aber sicher, Miroku-sama“
 

~*~
 

„Riiiin!“ Jakens Stimme klang entnervt. „Hör endlich mit diesem Geträller auf. Es reicht schon, wenn du den Herrn ewig damit nervst, aber musst du auch noch unseren Gast so quälen?“

Sein jämmerlicher Tonfall zeigte, dass der einzige Gequälte hier, er war.
 

Natsu lächelte leicht. „Lass sie doch, Jaken. Mich stört sie nicht, im Gegenteil, ich finde das Lied sehr schön. Für wen singst du es, hm?“, ließ Natsu sich vernehmen und blickte dabei Rin an, die auf AhUhns Rücken saß, während der Reitdrache friedlich graste und dabei immer wieder, wie zufällig, da entlang trottete, wo Jaken stand oder saß.
 

„Für Sesshômaru-sama! Ich weiß, dass er noch nicht so lange weg ist, aber ich habe es früher oft gesungen, weißt du? Manchmal hat er uns den ganzen Tag allein gelassen, dann sollte Jaken mich beschützen“, erklärte Rin fröhlich, ehe sie ihren Singsang fortsetzte, während ihre Finger flink die bis vor kurzem gesammelten Blüten verwoben: „Auf den Wiesen, unter den Bäumen, bei den Riesen in meinen Träumen, ich denk‘ an dich, immerzu, oh, Sesshômaru, wann kommst du?“
 

Natsu beobachtete sie dabei.

Sie konnte sich denken, dass es eine ganze Weile gedauert hatte, bis Rin und Sesshômaru so zusammenfanden, wie sie es hatten, aber ohne es genau zu wissen, war sie sich sicher, eine richtige Sensation vor sich zu haben.

Nie hatte man gehört, dass Sesshômaru einem Menschen auch nur einen zweiten Blick geschenkt hätte und Rin bezeichnete er sogar einer anderen Yôkai – ihr – gegenüber als seine Ziehtochter.
 

Die Kleine war wirklich etwas Besonderes und kurzerhand zog Natsu ihr Instrument unter dem Hüfttuch hervor und versuchte Rins Melodie zu übernehmen.

Nach ein paar Versuchen gelang es ganz gut und während Rin nur noch begeisterter sang, sobald die feinen Töne sich unter ihr Lied woben, sah Jaken aus, als würde er sich am Liebsten Gras in die Ohren stopfen.

Du Aaaaarmer…, dachte Natsu ironisch, ohne ihr Spiel zu unterbrechen.

Wenn da nicht die quälenden Hintergedanken gewesen wären, hätte sie sich richtig wohl gefühlt.

Aber die Ungewissheit nagte boshaft an ihr. Sie waren inzwischen nahe der Grenze, morgen würden sie wieder den Osten betreten und gegen Abend am Schloss sein. Dann würde sich alles entscheiden.

Im Zweifelsfall würde der Funke Leben in ihrem Leib morgen darüber entscheiden, ob es einen erneuten Krieg zwischen Inu-Clan und Neko-Clan geben würde – oder nicht.

Rückkehr

InuYasha blieb stehen, als Kaedes Dorf am Horizont auftauchte.

Misstrauisch witterte er.

„Das gefällt mir nicht. Hier riecht es nach Oniblut. Ist zwar schon ein paar Tage alt, aber dennoch…“, er brach ab, als Kagome von seinem Rücken rutschte und neben ihn kam.

„Wird schon nichts Schlimmes sein. Komm…“ Sie fasste seine Hand und zog ihn hinter sich her.
 

Auch Kirara, die neben ihnen verharrt hatte, setzte sich wieder in Bewegung,

Kohaku und Katashi taten es ihr gleich.
 

Als sie den Dorfrand erreichten, war tatsächlich kaum etwas von Zerstörung zu erkennen. An einer der Hütten wurde das Dach etwas ausgebessert und die breiteste Gasse des Dorfes hatte eine aufgebrochene Schneise im Boden, wo sicherlich Sangos Knochenbumerang entlanggeschrappt war.

Ansonsten war alles friedlich – Noch.

Denn kaum wurden sie bemerkt, liefen die Dorfbewohner zusammen.

„InuYasha! Kagome-san! Kohaku-san! Ihr seit wieder da!“
 

„Keh! Offensichtlich…“, brummte InuYasha vor sich hin, machte aber gute Miene zum bösen Spiel und lächelte sogar ein wenig, als er sich durch die Menschen drängte, sorgsam darauf bedacht, niemanden versehentlich beiseitezustoßen. Er hatte inzwischen gelernt, wie sehr seine Kraft sich von der eines Menschen unterschied.

Es war Kagomes Verdienst, dass er nicht trotzdem rücksichtslos durch die Menge stapfte, aber es hatte viele, kritische Stimmen besänftigt, die ihn nicht im Dorf hatten sehen wollen.
 

Als sie endlich durch das ‚Empfangskomitee‘ hindurch waren, stellte sich ihnen der Nächste in den Weg.
 

„Yume!“

Kagome kniete sich zu dem Bakukind hinab, das auf dem Boden hockte und ihnen entgegen blickte.

Es war gewachsen, in den letzten Monaten, aber seine Bewegungen waren noch immer tapsig, als es näher kam und die Stirn an Kagomes Unterarm schmiegte. Allerdings ließ es schnell wieder von ihr ab.

„Na, bin ich dir zu gut gelaunt?“, fragte sie lachend und auch wenn Yume ihr kein Bild schickte, wusste sie, dass es genau das war. Yume lebte nun einmal von negativen Gefühlen.
 

Sie stand wieder auf und gesellte sich zu InuYasha, der ein paar Schritte entfernt gewartet hatte. Sie brauchten keine Worte um einander mitzuteilen, dass sie froh waren, wieder im Dorf zu sein.

Kurz fasste Kagome nach dem Kettenanhänger an ihrem Hals. Noch hatte Sesshômaru ja im Dunklen gelassen, was genau er mit ihr vorhatte, aber sie war entschlossen, aus der Zeit der Ungewissheit das Beste zu machen. Kurz entschlossen schob sie wieder ihre Hand in InuYashas und gemeinsam gingen sie zum anderen Ende des Dorfes, wo Sango und Miroku wohnten.

Kohaku und die beiden Nekomata waren bereits vorgegangen.
 

~*~
 

Kôga und Kôhei waren inzwischen am Rande des Trainingsplatzes angekommen.
 

Zwei der anderen, jungen Wölfe, die zu ihren Mentoren zurückgekehrt waren und gegeneinander kämpften, sprangen auseinander und sahen sich überrascht an.

Was tat Kôga hier?

Sie wechselten einen erstaunten Blick, als der junge Fürst der Wölfe sein Katana zog, das er sonst nie aus dem Waffengürtel nahm. Zumindest hatte das noch nie jemand gesehen oder erinnerte sich daran. Aber sie verstanden, was da vor sich ging.

Kurz flüsterten sie miteinander, dann blieb einer stehen und der andere rannte los. Keine Minute später hatten sich alle Wolfsschüler versammelt und auch andere fanden sich ein.
 

Kôga quittierte das nur mit einem Grinsen, während Kôhei wenig begeistert wirkte.

Aber er zog die Waffe, die Arata ihm geschenkt hatte und brachte sich in Stellung.
 

„Fang an!“, forderte Kôga ihn auf.
 

Kôhei taxierte ihn kurz, ehe er vorsprang. Die leichte, gebogene Klinge des Tachis zischte durch die Luft, als er auf Kôgas Hüfte zielte, aber der ältere Ookami hatte blitzschnell mit seiner eigenen Klinge abgeblockt.

„Nur weil ich selten mit dem Katana kämpfe, heißt das nicht, dass ich es nicht kann…“, sagte er leichthin und sprang zurück um gleich darauf selbst anzugreifen.
 

Gerade so gelang es Kôhei, den Schlag abzufangen und abzufälschen, aber er nutzte die entstandene Deckungslücke und setzte sofort nach.
 

Wäre Kôga nicht immer noch sehr schnell, auch ohne die Juwelensplitter, Kôhei hätte ihn getroffen. So aber hechtete er zur Seite, schlidderte ein Stück und wartete, bis Kôhei wieder bei ihm war.

Dann erst riss er das Katana hoch und tat so, als wollte er nach Kôheis Seite schlagen.
 

Wie erwartet reagierte der genau darauf und kippte das Handgelenk ab, um seine Klinge dazwischenzustoßen, aber da hatte Kôga schon die Schwerthand gedreht und mit dem Handrücken von unten gegen Kôheis Finger geschlagen.

Das Tachi flog durch die Luft und blieb zwei Meter entfernt in der Erde stecken.

Kôga sprang zurück und steckte seine Waffe weg.

„Nicht schlecht“, kommentierte er, während er den Schwertarm etwas ausschüttelte.

Dann klopfte er Kôhei auf die Schulter. „Du machst dich. – Ich weiß, was es dich kostet, dich gegen ein Katana zur Wehr zu setzen, auch wenn du selbst nicht mit einem kämpfen musst. Ayame hat mir die ganze Geschichte erzählt und außerdem ist der Spuk jetzt ein für alle Mal vorbei. – Meiyos letztes Opfer hat übrigens Glück gehabt. Sie ist nicht weiter geschädigt, Folgen hatten Meiyos Eskapaden auch nicht. Und ihr Bruder hat sie nicht verstoßen, sie wird also ein Auskommen haben, selbst wenn jemand sich von ihrer ‚Unreinheit‘ abhalten ließe, um sie zu werben.“
 

Kôgas Stimme war dabei ungewohnt ernst und als Kôhei, nachdem Kôga an ihm vorbei gegangen war, seine Waffe holen ging, meinte Arata für einen Moment Zufriedenheit auf dem Gesicht des jungen Ookami zu erkennen.
 

Gut so… Der Lehrer hatte zwar nur einen Teil von Kôgas Worten kapiert, weil er den Hintergrund nicht kannte, aber man sah Kôhei jetzt an, wie sehr ihn das beruhigt hatte.

Arata dachte an den Tag zurück, an dem der kleine Adoptivbruder von Kôhei ihm dessen Geschichte erzählte. Damals hatte er noch nicht wirklich durchblickt, wie tief sich dieses Trauma in Kôheis Verhalten gefressen hatte. Jetzt wusste er es.

Aber er wusste auch, dass Kôhei auf dem Weg der Besserung war – wenn er sich denn endlich mal richtig öffnen würde. Aber ob und wann dieser Schritt stattfand und wem Kôhei dann genug vertrauen konnte, das war Kôheis eigene Entscheidung. Arata konnte nur weiter sein Bestes geben, dieses Vertrauen zu gewinnen.
 

~*~
 

Shippô sah sich suchend um.

Dieses Schloss, nein, allein dieser Schlossflügel war so vermaledeit groß! Und unübersichtlich obendrein.

Da sah er eine Gestalt über den Gang huschen. Akenos Zofe! Wenn er Glück hatte, führte sie ihn zurück in den Trakt der Fürstenkinder, von da aus würde er sein Gästezimmer schon finden.
 

Aber schon, als er ihr um die dritte, verwinkelte Ecke folgte, konnte er sich denken, dass ihr Ziel ganz woanders lag. Außerdem drangen ihm langsam Essensgerüche in die Nase. Die Küche also, da wollte Aya hin.

Unwillkürlich wurde er langsamer. Es war unwahrscheinlich, dass er hier unten etwas zu suchen hatte.

Auch wenn man ihn vermutlich nicht rausschmeißen, sondern ihn äußerst höflich hinauszitieren würde – wie er diese erzwungene Höflichkeit doch verabscheute! – er sollte sich wohl besser nicht weiter hier unten herumtreiben.
 

Zögerlich blieb er stehen. Am Besten, er wartete hier, bis Aya zurückkam. Sicher konnte er sie dann fragen, wo er lang musste. Das war zwar ziemlich blöd, aber etwas anderes blieb ihm nicht übrig. Jetzt war er endgültig so tief im Schloss, dass er in hundert Jahren nicht allein hinausfand.
 

Allerdings musste er fast eine halbe Stunde warten, bis sich wieder etwas rührte.

Tatsächlich war es Akenos Zofe, die – jetzt mit einem feinen, silbernen Tablett samt Tee und dem passenden Zubehör – in seine Richtung kam.
 

Als sie ihn entdeckte, blieb sie überrascht stehen.

„Hat Akeno-sama euch geschickt? Ich… gomen nasai, dass es so lange gedauert hat.“
 

Shippô kicherte etwas. „Keiner hat mich geschickt. Ich bin so verwinkelte Gänge bloß nicht gewohnt. Ich habe mich verlaufen, wenn ich ehrlich bin.“
 

Ayas Mundwinkel zuckten, als sie ein Schmunzeln unterdrückte, dann senkte sie rasch wieder den Blick. „Dann folgt mir bitte, Shippô-san.“
 

Er verdrehte kurz die Augen, blieb ihr aber erleichtert auf den Fersen, bis sie Akenos Gemach erreichten.
 

Aya machte sich bemerkbar und trat dann ein, stellte das Teetablett auf den kleinen Tisch nahe der Schlafstatt.
 

Shippô blieb unschlüssig an der Tür stehen.

Akeno hatte sich als genauso unkompliziert erwiesen, wie die anderen Geschwister, aber er wusste nicht, ob er im Moment erwünscht war.
 

„Willst du da eigentlich stehen bleiben?“, riss ihn Akenos Stimme schließlich aus seinen Gedanken.
 

Shippô schüttelte rasch den Kopf und kam näher, kniete sich in Ermangelung einer besseren Idee, ihr gegenüber an den Tisch.
 

Akeno nickte ihm lächelnd zu. „Was hältst du davon, mir Gesellschaft zu leisten? Eigentlich treffe ich mich um diese Zeit ja immer mit meiner Schwester, aber die wurde von ihm Herrn Verlobten zu sich gebeten, das geht natürlich vor“ Das klang ein wenig ironisch.
 

Shippô grinste.
 

Aya goss etwas Tee in die Schalen auf dem Tablett und zog sich dann unaufgefordert zurück.
 

„Du bist ihr gefolgt, oder?“, fragte Akeno gleich darauf.
 

Shippô zuckte ertappt zusammen. „Ich… ich habe gehofft, dass sie mir den Weg weist. Ich werde mich in diesem Schloss nie zu Recht finden“
 

Akeno lachte hinter vorgehaltener Hand. „Und sie hat dich warten lassen, länger, als es zum Teeholen eigentlich nötig ist, stimmts?“
 

Jetzt hob Shippô doch den Kopf. „Woher…“
 

„Ich weiß schon, warum ich sie immer mit reichlich Zeit losschicke. – Ayas Verlobter arbeitet in der Küche. Und da unten ist genug los, dass niemand auf zusätzliche Anstandsdamen besteht, weil genug Augen zuschauen, das beide sittsam bleiben, wie man so schön sagt. Die Situation nutzt sie natürlich“
 

Auch wenn Shippô nur den halben Sinn der Einrichtung von ‚Anstandsdamen‘ verstand – immerhin hatten Kagome und Sango ihn oft genug davor bewahrt, von Miroku alles bis ins kleinste Detail erklärt zu bekommen – er ahnte jetzt, warum Aya so lange gebraucht hatte – und das Akeno das tolerierte.

Gerade wollte er nach seiner Teeschale greifen, innerlich betend, dass er sich dabei ordentlich anstellte, da wurde die Schiebetür aufgerissen.
 

Es war Shin, der jüngste Prinz.

„Ane! Chichi-ue ist wieder da!“, rief er, offensichtlich ohne zu merken, dass seine Schwester nicht allein war. Jedenfalls ignorierte er Shippô.
 

Akeno sah sofort auf, erhob sich allerdings gesittet. „Und? Gibt es Neues?“
 

Shin schüttelte den Kopf. „Kanaye sagt, sie hätten nichts erreicht, der Inu no Taishô ist noch nicht wieder da und wird wohl auch nicht in den nächsten Tagen zurückerwartet. Vater meint, das sähe Fürst Sesshômaru ähnlich, keine Ahnung, worauf er damit hinaus will“
 

Shippô hätte es ihm sagen können, aber er hielt den Mund. Shin hatte ihn offenbar immer noch nicht bemerkt.
 

Jetzt witschte der jüngste Prinz schon wieder davon.
 

Akeno schüttelte etwas den Kopf, dann ging sie zu der kleinen Kommode an der Wand, packte ein weißes Seidenband und fasste ihre Haare damit zusammen. „Na komm. Ich nehme an, Vater will gleich los zu deinem Dorf, sonst hätte er Kanaye nicht geschickt, uns Bescheid zu sagen“, forderte sie Shippô auf, der ihr nur zu bereitwillig folgte.
 

~*~
 

InuYasha und Kagome hatten inzwischen den Rand des Dorfes erreicht – und wurden sofort von den Zwillingen in Beschlag genommen.

Kagome nahm die eine der kleinen Mädchen auf den Arm und die anderen quengelte so lange, bis InuYasha auch sie hochnahm.

Er verzog das Gesicht, als sich prompt kleine Kinderhände nach seinen Ohren streckten.
 

„Hina! Lass das“, erklang plötzlich Sangos Stimme und obwohl mehr Freude über die Rückkehr der Freunde, als Ermahnung in den Worten mitschwang, ließ Hina die Hand sinken. Was ihre Mutter sagte war Gesetz – meistens wenigstens. So sagte sie auch nichts, als InuYasha sie absetzte, zumal auch ihre Schwester wieder auf eigenen Beinen stand.
 

Sango kam näher, sichtlich belustigt über das Verhalten ihrer Töchter.

Sie umarmte erst Kagome, dann InuYasha, ehe sie zurücktrat. „Freut mich, dass ihr wieder da seid. Kohaku sagte schon, dass ihr Erfolg hattet – Glückwunsch!“
 

Die beiden Rückkehrer lächelten nur. Sie hatten sogar mehr Erfolg gehabt, als zuvor geplant, aber das konnte warten.

„Wo ist Miroku?“, wollte Kagome schließlich wissen.
 

„Mit Hachi unterwegs. Ist eine lange Geschichte“, gab Sango schlicht zurück, ehe sie über die Schulter zurücksah, wo die beiden Nekomata lagen und zuließen, dass Yamato begeistert versuchte, abwechselnd auf ihre Rücken zu klettern. Es gelang ihm nicht wirklich, aber er gab auch nicht auf.

„Wer ist eigentlich der zweite?“
 

InuYasha warf nur einen kurzen Blick in die Richtung. „Keh! Kohaku sagte, er hat Kirara mal gerettet.“
 

Sango runzelte etwas die Stirn. „Kirara gerettet?“ Es war ihr anzusehen, dass sie genaueres wissen wollte.
 

Kagome erbarmte sich. „Auf der Reise musste Kohaku einmal alleine los, etwas besorgen. Er ging mit Kirara und kam dabei in ein Dorf, das Schwierigkeiten mit einer Oni hatte. Während des Kampfes ging etwas schief und Kirara geriet in Lebensgefahr. Der Kater hat sie im letzten Moment gerettet und tauchte ein paar Tage später dann plötzlich bei uns auf. Frag mich nicht, warum genau er bei uns geblieben ist“, erklärte sie, ehe sie zusammenzuckte, weil plötzlich Bilder in ihren Kopf gerieten.

Es dauerte einen Augenblick, ehe sie sich bewusst wurde, dass Yume plötzlich neben ihr stand und zu ihr aufblickte.

Sie konzentrierte sich auf die Bilder.

Zuerst der fremde Kater, dann ein Stück Holz, das zerfiel, sichtlich in längerer Zeit. Dann ein Felsblock, dem geschah nichts. Ein Knochen, der zerfiel und wieder der unberührte Felsblock.

Kagome runzelte die Stirn. „Wiederstand… Alter… Yume, was soll das?“
 

Das Bakukind verdrehte die Augen. Wieder zeigte es ihr den Felsblock und diesmal zerfiel auch der. Dann schüttelte es heftig den Kopf, dass der dünne Elefantenrüssel ihn gegen die Ohren schlug.
 

„Das also nicht… Yume, was meinst du bloß. Hmm… Entschlossenheit? Beständigkeit?“
 

Bei ihrem letzten Tipp nickte das Kleine heftig.
 

„Beständigkeit… Katashi. Ist das sein Name?“
 

Yume machte ein Gesicht, das eindeutig zu deuten war: Na endlich…
 

Kagome grinste entschuldigend und hockte sich ihn, um ihm leicht über den Kopf zu streichen, ehe sie aufsah.

„Tja, sieht so aus, als ob Kiraras neuer Begleiter Katashi heißt.“
 

~*~
 

Es war ruhig geworden, in der kleinen Reisegruppe rund um Sesshômaru, Natsu und den Reitdrachen samt Reitern.
 

Natsu hatte den Blick starr an Sesshômaru vorbei geradeaus gerichtet, dahin wo das Neko-Schloss war und das weniger entfernt, als sie es gerne gehabt hätte.

Dennoch merkte sie, dass der Inuyôkai momentan langsamer ging, als gewohnt. Auch er dachte also noch nach.
 

Der Rest der Gruppenmitglieder war still.

Rin hatte aufgehört zu singen und selbst AhUhn verzichtete darauf, seine Machtspielchen mit Jaken auszutragen und ließ sich brav von dem Krötendämon führen. Anspannung herrschte zwischen ihnen, jeder ging seinen Gedanken nach.
 

Plötzlich aber verharrte Sesshômaru.
 

Kurz darauf witterte auch Natsu, was den Daiyôkai störte.

Fremde Yôkai… Abtrünnige wahrscheinlich…

Sie spannte die Schultern an, versuchte unauffällig etwas näher an Sesshômaru heran zu kommen, um leiser sprechen zu können. „Wir sind zu nahe am Schloss. Wenn wir angegriffen werden, muss ich um Schutz bitten…“, murmelte sie dann leise.
 

Sesshômaru tat ungerührt, aber er verstand Natsus Anmerkung.

Am Schloss wusste ganz offenbar kaum jemand von ihren Kampffähigkeiten und man musste sie ja nicht noch mehr in die Diskussion bringen, als ohnehin schon.

Aber er hätte sie ohnehin beschützt – und das nicht nur, weil das Leben unter ihrem Herzen seines Blutes war.

Seine einzig sichtbare Reaktion bestand allerdings aus einem knappen Handzeichen.
 

AhUhn verstand trotzdem und stieg augenblicklich auf, einen protestierenden Jaken am Zügel unter sich baumelnd.

Mühsam kletterte der Krötendämon an einem Hals des Reitdrachen entlang und schnaufte erleichtert, als Rin ihm hilfbereit eine Hand reichte. AhUhn schwebte da schon still dreißig Meter über der Szenerie und rührte sich nicht von der Stelle.
 

Sesshômaru nahm das beruhigt zur Kenntnis. Er hatte bereits gehört, wie jemand eine Waffe aus einer Scheide zog, sie würden angegriffen werden.

Erst gemütskranke Oni und jetzt geisteskranke Banditen…

Er schüttelte sich innerlich, wirkte aber nach außen hin noch völlig unbedacht, als er weiterging.

Es dauerte nur wenige Schritte, da gingen die Yôkaibanditen ihm in die Falle – wenn auch im festen Glauben, ihn in eine Falle gelockt zu haben.

Blitzschnell hatte seine Energiepeitsche dem ersten Banditen eine tiefe Wunde im Arm zugefügt und einem zweiten das einfache Stahlschwert aus der Hand geschlagen. Mit zusammengekniffenen Augen ließ Sesshômaru den Arm sinken, musterte die beiden zurückzuckenden Yôkai. Sie waren dämlich genug gewesen, zu glauben, dass er sie nicht bemerkt hatte.

Aber er witterte auch, dass die Meisten Banditen hinter ihm waren – richtung Natsu. Und er begriff. Sie wusste nicht, wer er war, aber sie hatten in Natsu eine Prinzessin der Neko erkannt. Und jetzt versuchten sie, ihn von ihr zu trennen. Ohne sich auf ihre wahren Fähigkeiten zu berufen, würde sie mit fünf Angreifern nicht fertig werden.

Er zog Bakusaiga, hielt es dem ohnehin verletzten Banditen drohend unter die Nase. Giftig umwaberte die türkisgrüne Aura die Klinge.
 

Dem Banditen brachen die Knie ein, er sank zu Boden, sein Kumpan tat es ihm rasch nach – die waren vorerst ungefährlich.
 

Also wirbelte der Inuyôkai herum und sah den Ring, der die anderen um Natsu gebildet hatten.

Zum Glück war Rin in Sicherheit, auf die musste er nicht achten.

Rasch sprang er vor, stieß Bakusaiga einem Yôkai, der mit dem Rücken zu ihm stand, in den Leib und wartete erst garnicht, wie er zusammenklappte, ehe er mit einem Überschlag über die Runde hinweg setzte und seine Klinge dem einzigen Mitglied der Banditengruppe an den Hals legte, der einen Harnisch trug – der Anführer vermutlich. Dafür sprach auch, dass dieser Yôkai geschickt genug war, sich abzuducken und seitwärts zu drehen, aus der Affäre zu ziehen.

Sesshômaru setzte ungerührt nach, wehrte die Schläge des Banditenchefs ab, ohne einmal in Bedrängnis zu geraten. Da ist ja InuYasha schneller…

Mit einer raschen Drehung seines Schwertes prellte er die ungefinierbare Klinge aus der Hand seines Gegenübers und hielt ihm, wie seinem Gruppenmitglied zuvor, Bakusaigas Aura unter die Nase.
 

Aber der Banditenanführer hielt der Drohung einen Moment stand – bis plötzlich von den Hügeln her ein yôkigeladener Speer heranzischte und einen der Banditen zu Boden schickte, die noch auf Natsu eindrangen.
 

Sesshômaru witterte, ohne seine Klinge abzusenken. Nein, keine weitere Gefahr. Stattdessen nahm er Neko-Geruch wahr, außerdem die Witterung von Metall. Wachen des Schlosses. Sie kamen zur Hilfe – etwas, was ihm eigentlich weniger behagte, als eine eventuelle, weitere Gefahr.

Er knurrte missmutig – und der Banditenanführer bezog das auf sich.

Jetzt brach der doch in die Knie, sich sehr bewusst, dass, wer auch immer da vor ihm stand, ihn nicht so leicht begnadigen würde, wie seine beiden Gruppenmitglieder.
 

Tatsächlich legte Sesshômaru prompt die Breitseite des Schwertes auf seinen Nacken.
 

„Wer… wer seid ihr?“, fragte der Yôkai mühsam.
 

„Ich bin der, der perfekt tötet“, antwortete der Inuyôkai kalt, ehe er zuschlug und dem Banditenchef präzise das Genick brach.

Dann sah er hoch.
 

Inzwischen hatte ein zweiter Speer einen weiteren Banditen an den Boden genagelt, nur einer stand Natsu jetzt noch gegenüber – bis sie rasch über ihn hinweg sprang.

Wissend, was das bedeutete, zog sich Sesshômaru ein paar Schritte zurück. Dann hörte er die junge Löwendämonin bereits wispern. Augenblicke später loderten die Yôkiwände hoch.

Nicht annähernd so stark, wie sie könnte…, dachte Sesshômaru bei sich, in Gedenken an das Schneemonster in Kuraikos Fallengarten. Tatsächlich war von dem Banditen sogar noch ein reichlich verkohlter Überrest übrig.
 

Dann waren bereits die Wachen heran, drei an der Zahl.

Zwei kamen sofort zu Natsu, die die Schultern etwas vorgezogen hatte und heftig atmete.
 

Sesshômaru zog eine Augenbraue hoch. Das spielte sie, er ahnte es, aber wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er ihr das Schauspiel abgenommen.
 

Die dritte Wache kam auf ihn zu, ließ sich auf ein Knie nieder, den Kopf gesenkt. „Im Namen unserer Fürsten entschuldigen wir uns vielmals für den Angriff auf Neko-Gebiet“, sagte er protokollgerecht.
 

Sesshômaru unterdrückte ein Grollen.

Er wusste, dass er diese Worte nur zu hören bekam, weil er in Natsus Begleitung war und er wusste auch, was da zwischen den Zeilen stand. Der Dank galt nicht nur dem Schutz, er galt auch abschließend. Die Wachen würden Natsu zurückbegleiten. Und er konnte nichts dagegen sagen, ohne ihnen den Grund zu nennen – und das wiederum war unmöglich. Wenn überhaupt, durfte das alles nur an die Ohren der Panthergeschwister gelangen und Tôran würde selbst dann an die Decke gehen.

Eigentlich ist es das sogar wert… aber das ist mir im Moment soetwas von egal…, dachte Sesshômaru, ehe er die Wache knien ließ, wo sie war und sich Natsu und den anderen Wachen näherte.

„Euch gebührt ein Dank für Eure wegweisende Arbeit. Der Plan kann nun fortgeführt werden“, sagte er mit einem Kopfneigen.
 

Natsu reagierte sofort mit einer höfischen Verbeugung, aber in ihren Augen glomm kurz ein Feuerwerk an Gefühlen auf, die Sesshômaru sogar nachvollziehen konnte. Er war politisch handlungsunfähig – vorerst. Sie war nun auf sich allein gestellt. Von ihr hing es ab, ob sie überlebte, ob das Kind überlebte und ob der Frieden überlebte.
 

Der Inuyôkai sah ihr nach, als die drei Wachen mit Natsu richtung Schloss abzogen.
 

Die überlebenden Banditen waren längst geflohen, jetzt kam auch AhUhn wieder auf den Boden zurück.
 

Sesshômaru beachtete das nicht, er sah Natsu hinterher, deren zusammengesunkene Haltung diesmal sicher nicht gespielt war. Kein Wunder, auf ihren Schultern lastete eine unglaubliche Aufgabe, die sicherlich niemals eine Hime im Alleingang hatte bestehen müssen. Aber so war das nunmal mit der hohen Politik. Sie bestimmte das Leben – aber sie konnte ebenso martialisch, ja, tödlich sein. Der Daiyôkai drehte sich um und setzte sich wieder in Bewegung. Seine Gedanken aber verharrten. Wenn es je eine Hime gegeben hat, die diese Aufgaben bewältigen kann, dann du… Natsu…
 

~*~
 

Shippô sah sich derweil aus der Luft um. Er saß wieder auf Tadashis Arm, während Kyoko diesmal von ihrem Vater getragen wurde.

Kanaye und die anderen waren im Schloss zurück geblieben.

„Da entlang“, sagte Shippô schließlich und zeigte zu der Wiese, auf der man den knochenfressenden Brunnen erkennen konnte, wenn auch in der Dämmerung nur schwach. „Hinter der Waldzunge ist das Dorf“, fügte er hinzu.
 

Seit der Akademie hatte er es übernommen, den Weg zu erklären und gemerkt, wie viel schneller sie auf dem richtigen Luftweg waren. Seine Rosa-Ball-Illusion war bei weitem nicht so schnell, selbst in wahrer Form wäre er schneller, aber die hatte er bisher selten geübt. Seine Eltern waren nicht mehr dazu gekommen, sie ihm vernünftig beizubringen.
 

Kurz darauf setzte Tadashi knapp neben seinem Vater auf dem Boden auf und setzte Shippô ab.

„Wir wollen ja keine Panik riskieren“, erklärte er lächelnd und der kleine Fuchsjunge verstand sofort, worum es ging. Vier Kitsune auf einmal, waren sicher auch für Kaedes Dorf zu viel des Guten, auch wenn man die Präsenz von Yôkai – und Hanyô – dort inzwischen gewohnt war.
 

Ohne, das man ihn hätte auffordern müssen, setzte er sich in Bewegung und suchte sich einen Weg durch den Wald.

Als sie an Goshinboku vorbei kamen, blickte Shippô kurz nach oben. Nein, hier waren InuYasha und Kagome nicht. Verständlich. Vermutlich waren sie eben erst angekommen und waren bei Sango und Miroku anzutreffen.
 

Über ihnen glitt ein großer Schatten entlang, trotz der Baumkrone deutlich zu erkennen.

Shippô legte den Kopf in den Nacken, erhaschte noch den Blick auf etwas Gelbes. Hachi?

Er beschloss es vorerst zu ignorieren und ging weiter.
 

„Dieser Wald ist sehr urwüchsig. Seit wann sehen die Menschen davon ab, am Waldrand Bäume wegzunehmen?“, fragte Tadashi schließlich mehr sich selbst, als jemand anderen, aber Shippô antwortete trotzdem: „Der uralte Baum eben trägt den Namen Goshinboku. Er hat eine ganz besondere Geschichte, die übrigens auch mit InuYasha zusammenhängt. Aus Respekt vor Goshinboku rühren die Menschen von Musashi dieses Waldstück nicht an.“

Dann traten sie aus den Bäumen und gingen zwischen den Feldern hindurch, die Hügel hinab, auf das Dorf zu.

Längst war kein Bauer mehr bei der Arbeit, es war ja schon fast dunkel.
 

Shippô schlug einen Bogen um die Hütten herum und hielt direkt auf Sangos und Mirokus Hütte zu.

Als er näher kam, musste er grinsen.

Das scheint heute der bevorzugte Treffpunkt zu sein…
 

Nicht nur Sango und die Kinder waren da, auch InuYasha, Kagome, Miroku und Hachi, ja sogar Kaede saß bei den anderen. Nur Kirara, der Nekomatakater und Kohaku fehlten – und Rin.
 

„Kagome! InuYasha!“
 

Gin sah sich die bunt gemischte Gruppe, die da vor einer Hütte saß, interessiert an.

Zwei Menschen in Miko-Kleidung, ein Mönch, eine Frau im Kimono, ein sicher nicht einmal einjähriger Junge schlief in ihrem Arm, zwei nicht viel ältere Mädchen saßen neben dem Mönch und versuchten einander an den Haaren zu ziehen, bis der Mönch die Hand hob und die Mädchen trennte. Etwas in zweiter Reihe saß ein dicklicher Tanuki und zwischen den beiden Mikos erkannte Gin eine Gestalt, die er nicht nur per Ausschlussprinzip zuordnen konnte. Das muss InuYasha sein…
 

Sein Verdacht wurde bestätigt, als sich die jüngere der Mikos und jene rotgekleidete Gestalt umdrehten und die junge Miko den ihr entgegengelaufenen Shippô auffing.

Das war also Kagome. Der Fuchsfürst bemühte sich, sich noch keine Meinung über sie zu bilden, ohne ein Wort mit ihr gewechselt zu haben. Diese gemischte Gruppe war zu außergewöhnlich, als dass er davon ausgehen konnte, dass diese Menschen normal waren.
 

Der Mönch hatte sie inzwischen entdeckt, musterte sie interessiert, sicher spürte er die dämonischen Auren, auch wenn ihn das ganz offensichtlich nicht störte.
 

„Guten Abend“, grüßte Fürst Gin und trat näher, sodass ihn jetzt jeder sehen konnte.

Tadashi blieb etwas schräg hinter ihm, Kyoko war längst zu Shippô gelaufen und begrüßte gerade die junge Miko.
 

Die Alte, die nur noch ein gesundes Auge besaß, runzelte ein wenig die zerfurchte Stirn, regte sich aber weder auf, noch schien sie sonderlich beeindruckt von dem ‚Besuch‘.

Die direkteste Reaktion kam da noch von dem rotgekleideten Hanyô, der sich jetzt gänzlich umdrehte und offenbahrte, wie viel er von seiner väterlichen Familie geerbt hatte. Die tiefbernsteinfarbenen Augen waren unverkennbar.

„Was gibt das, Shippô? Erst deine kleine Freundin und jetzt noch mehr von der Sorte?“
 

Fürst Gin erkannte, dass Shippô und Kyoko einen verschmitzten Blick wechselten.
 

„Das ist Gin“, stellte Shippô dann vor und setzte ein spitzbübisches Gesicht auf, als er hinzufügte: „Oder sollte ich besser sagen… Fürst Gin, Herr der Kitsune und Fürst des Südens – Kyokos Vater. Und das hinter ihm ist der zweitälteste Prinz, Tadashi.“
 

Inuyasha entgleisten sämtliche Gesichtszüge, während der Mönch sich als erster höflich erhob und verneigte, die alte Miko tat es ihm gleich, spielerisch auch die kleinen Mädchen. Die jüngere Miko nahm sich ein Beispiel an ihrer älteren Kollegin und die Frau im Kimono neigte freundlich den Kopf, stand aber wegen des Kindes in ihrem Schoß nicht auf.
 

Einzig InuYasha schien nicht daran zu denken, Höflichkeit zu zeigen.
 

Gin wusste nicht so recht, was er davon halten sollte.
 

„Gomen nasai, Fürst Gin, es tut mir schrecklich Leid. InuYasha-sama ist nicht sonderlich ausführlich höfisch erzogen worden. – InuYasha-sama, bitte verneigt euch ebenfalls. Euer Vater und jetzt Euer Bruder… nein, schon gut… Halbbruder mag der Hundefürst sein, dennoch steht Fürst Gin im Range über Euch“, erklang auf einmal die gehetzte Stimme Myôgas.
 

„Keh! Als ob mich interessiert, wer oder was Sesshômaru ist“, gab InuYasha nur von sich, deutete aber auf einen bittenden Seitenblick Kagomes hin wenigstens eine Verneigung an, ehe er sich wieder zu den anderen setzte.
 

Jetzt musste Fürst Gin doch schmunzeln. InuYasha war schon durch seine Abstammung etwas besonderes, aber ganz offensichtlich war auch sein Wesen eines zweiten Blickes wert.

Aber Fürst Gin war auch wegen etwas anderem gekommen. „Miko Kagome?“, fragte er in Richtung der jungen Miko.
 

Die nickte etwas.
 

„Ihr tragt nun also die Sekai no Tia?“
 

Ehe Kagome antworten konnte, mischte sich Myôga wieder ein. „Oh ja, es ist ihr gelungen sie zu bändigen und das mit Bravour. Kago-“ „Halt die Klappe, Flohopa. Kagome kann für sich selber sprechen!“, schnappte InuYasha dazwischen und sofort verstummte Myôga, der in InuYashas Reichweite auf Kaedes Schulter saß und lieber nicht ausprobieren wollte, wie nachgiebig der Hanyô im Moment gerade drauf war.
 

Tadashi, der bisher still hinter seinem Vater gestanden hatte, beobachtete das Geplänkel amüsiert.

Da fiel ihm auf, dass Shippô und Kyoko leise flüsterten. Er spitzte die Ohren.
 

„So ist es also, wenn InuYasha richtig aufdreht?“, fragte Kyoko gerade.
 

Shippô kichterte. „Das ist gar nichts. Er läuft heute Abend noch richtig auf Sparflamme. Du hättest ihn früher erleben müssen, als Kagome ihn – wenn auch manchmal unbeabsichtigt – mehr gereizt als beruhigt hat. Und wenn Miroku und Sango mit ihrem ständigen Hin- und Her dann noch für dicke Luft gesorgt haben, dann ist InuYasha richtig in die Luft gegangen. – Das hier, das ist gemäßigter Normalzustand!“
 

Tadashi legte etwas den Kopf schief, als er diese Worte hörte. Na, das kann ja heiter werden, wenn die Bande mit unter die Bannkreise kommt – aber bis dahin ist wohl noch eine ganze Weile Zeit.
 

Tadashi konnte nicht wissen, dass ausgerechnet der, der auf dem Jahrhunderttreffen noch der Meinung gewesen war, sie hätten noch ein paar Jahrzehnte Zeit, zu planen, bald jener sein würde, der den Grund für eine Beschleunigung lieferte. Denn in Kriegszeiten waren Diskussionen fast nicht führbar, unter den Dämonenfürsten, Dämonenkriege waren langwierig – und ein Kriegsgrund fand sich schnell… eine so essentielle Einigung wie die der Umsiedlung konnte da nicht getroffen werden. Bei den Spannungen, die immer irgendwo zwischen irgendwelchen Dämonenclans herrschten, eskalierte schnell mal etwas.

Man konnte nur hoffen, dass das nicht zu bald geschah. Nicht vor der Einigung.

Wie schlecht die Chancen für eine solche Hoffnung aber standen, das ahnte keiner der seltsamen Zusammenkunft am Rande von Kaedes kleinem Dorf…

Leben

Mit einer harschen Bewegung wrang Sango sich das Wasser aus den Haaren, ehe sie sich zu den anderen ans Feuer gesellte.

Sie hatten sich in Kaedes Hütte getroffen und wärmten sich am Feuer.

„Wenn das so weiter geht, versinkt das Dorf noch im Schlamm. Seit es aufgehört hat zu schneien, regnet es. Was denkt sich das Wetter bloß dabei?“, schimpfte sie vor sich hin und bugsierte ihren inzwischen gut anderthalbjährigen Sohn näher ans Feuer, damit seine Kleider trockneten.

„Wenn jetzt irgendwo ein Oni wäre, würdest du bedenkenlos wieder nach draußen rennen!“, neckte Miroku und hielt eines der Zwillingsmädchen davon ab, im Schlaf zu nahe am Feuer zu landen.

„Was dagegen?“, fragte Sango mit blitzenden Augen zurück, aber sie lachte dabei.

„Aber nein! Was wäre ich bloß ohne deinen Schutz, oh, große Taijiya?“, gab er theatralisch zurück, ohne darauf zu achten, dass Kagome sich ein Lachen nicht mehr verkneifen konnte.

Sango stimmte ein.

Längst beachtete niemand mehr das nasse, gewittrige Wetter, das seit Tagen nicht weichen wollte.
 

Bis, ja bis vor der Hütte aufgeregte Stimmen laut wurden. „He! Kaede-san!“

Automatisch spannten die Freunde sich an.

Kagome warf einen Blick über die Schulter, wo Kaede auf ihrem Lager lag und schwer atmend schlief. Das nasskalte Wetter setzte der alten Frau zu, sie hatte sich eindeutig erkältet. Keine gute Idee, sie zu wecken, wenn es nicht unbedingt nötig war.
 

Also erhob Kagome sich und trat an die Tür. „Was wollt ihr?“, fragte sie die Dorfbewohner, die sich dort aufgeregt plappernd versammelt hatten. Alle waren in verschlammte Decken und Mäntel gehüllt, mit denen sie versuchten, sich gegen den unfreundlichen Frühlingsanfang zu schützen, aber durchnässt waren sie trotzdem.

Jetzt sah eine der Frauen auf. „Am Dorfrand liegt ein fremdes Mädchen. Sie rührt sich nicht, wir konnten sie nicht wecken!“

Kagome zuckte zusammen. „Oh nein…“, hauchte sie, ehe sie sich zusammen nahm. „InuYasha!“, rief sie dann über die Schulter zurück.

Sofort stand der Hanyô hinter ihr. „Was wollen die?“

„Sie haben jemanden gefunden, bewusstlos wohl. Wir sollten sie holen“

„Sie?“

„Ja, ein Mädchen. Jetzt kommt schon!“ Sie zerrte den groben Mantel vom Türstock und bemühte sich, nicht das Gesicht zu verziehen, als sie merkte, dass der Stoff noch immer klamm war. Langsam sollte sie sich doch daran gewöhnt haben, dass die Sachen bei diesem Wetter nicht richtig trockneten.
 

Dann lief sie hinaus in den Regen. Es war leicht, den Ort zu finden, an dem das Mädchen lag, denn die Dorfbewohner hatten sich dort versammelt und das konnte Kagome selbst durch die Regenschleier erkennen. Zwei Frauen hockten bei der liegenden Gestalt, versuchten noch immer sie zu wecken, offenbar ohne Erfolg.

„Wir nehmen sie mit ins Trockene. Hier draußen kann sie eh‘ nicht bleiben“, bestimmte Kagome auf den ersten Blick und InuYasha verstand die indirekte Aufforderung. Er beugte sich hinab und nahm das fremde Mädchen vorsichtig auf, folgte Kagome dann zurück zu Kaedes Hütte.

Die Dorfgemeinschaft schloss sich neugierig an, aber niemand sagte mehr etwas.

Die benehmen sich, als befänden wir uns auf einem Trauerzug…, dachte Kagome insgeheim, als sie InuYasha die Reisstrohmatte aus dem Weg hielt, damit er das Mädchen in die Hütte bringen konnte. Nun, wenn sie schon lange da draußen liegt, hat sie wohl auch keine großartigen Chancen…
 

Rasch legte der Hanyô das Mädchen auf ein freies Lager, das hier immer für Notfälle bereitet war.

Sango und Miroku standen bereits bereit, zu helfen, aber Kagome schüttelte knapp den Kopf. Hauptsache, die Arme trocknete jetzt ersteinmal. Sie hatte gemerkt, dass die Fremde noch auffallend kräftig atmete, auch wenn sie tatsächlich nicht wach zu kriegen war.

Fieber hatte sie überraschenderweise auch nicht. Kagome kniete sich neben die Fremde und zog die bereitliegende Decke über sie, nahm ihr den völlig verdreckten Mantel ab und wickelte sie in den wärmeren Stoff. Viel mehr konnte sie im Moment nicht tun.
 

Erst dann merkte sie, dass InuYashas Blick ihr im Nacken hing. „Was ist?“, wollte sie wissen, ohne aufzusehen.

„Sie kommt mir komisch vor“, bemerkte er leise.

Kagome runzelte die Stirn und betrachtete das Mädchen genauer.

Es hatte schwarze Haare, die ihr nun nass an Wangen und Schultern klebten, trug Haori und Hakama in hellen Tönen, etwas ungewöhnlich, aber einer Reisenden doch angemessen. Gleichzeitig war es seltsam, dass ein Mädchen, offenbar jünger als sie selbst, allein unterwegs war.

„Meinst du, sie hat Begleiter gehabt? Begleiter, die abhanden gekommen sind?“

„Keine Ahnung. Aber das meine ich nicht… schau dir die Geschichtszüge an. Kommen die dir nicht bekannt vor?“

„Schon… aber das muss nichts heißen. Manchmal meint man Dinge wiederzuerkennen, die man noch nie gesehen hat…“

„Ich weiß. Aber seltsam ist es trotzdem. Auch ihre Witterung ist komisch. Sie riecht ein bisschen nach Salz, vielleicht kommt sie von der Küste, aber da ist auch der Geruch von klarer Nachtluft und der verfliegt normalerweise bei dem Regen“

„Aber sie ist ein Mensch?“, fragte Kagome erfahrungshalber vorsichtig nach.

InuYashas deutlich hörbares, erneutes Wittern zeigte, dass er sich da selbst nicht so ganz sicher war. „Ich denke… schon…“, erwiderte er dann zögernd, ehe er sich zurückzog.

Kagome folgte ihm gleich darauf zurück ans Feuer, wandte aber den Blick nicht von der Fremden. InuYashas Anmerkung hatte sich nachdenklich gestimmt.
 

~*~
 

Im Schloss des Ostens – oder zumindestens in einem Seitenflügel – herrschte derweil Aufregung.

Noch einmal erklang ein tierisch anmutender Schrei, dann war Stille. Die anwesenden Diener verharrten angespannt. Alle Blicke gingen in dieselbe Richtung, als sich wenig später eine Schiebetür öffnete und die in einen hellen Kimono gehüllte Gestalt der Wehmutter erschien.

Mit zu Schlitzen verengten, rotgoldenen Augen musterte sie den Volksauflauf, ließ sich dann aber zu einem knappen Nicken herab, ehe sie an der Dienerschaft vorbei marschierte.

Einem Laufburschen gelang es, kurz durch die noch offen stehende Schiebetür zu schielen, ehe sie ihm vor der Nase zugeschoben wurde, aber viel erkennen konnte er nicht. Er zuckte mit den Schultern, als die neugierigen Blicke nun ihn trafen.

Enttäuscht verstreuten die Diener sich wieder.

Sie alle wussten genau, wessen Gemach hinter dieser Tür war und das dort in dieser Nacht ein neues Leben das Licht der Welt erblickt hatte. Aber sie hätten gerne mehr erfahren. Nun, sie würden sich offenbar gedulden müssen.
 

Natsu hob müde den Kopf, als Amaya sich neben sie kniete und ihr das Bündel übergab in dem das Neugeborene sich befand.

„Ein Sohn, Natsu…“, murmelte die junge Schamanin, ehe sie verstummte.

Natsu konzentrierte sich sowieso nur auf ihr Kind.

Ein flüchtiges Lächeln glitt über ihre erschöpften Züge.
 

Das Kleine hatte silberweiße Haare, aber einige Ponysträhnen zeigten meeresgrüne Spitzen, so wie ihre Schmucksträhne. Als es kurz blinzelte, konnte sie einen Blick auf silbriggoldene Augen erhaschen.
 

„Du weißt, was du zu tun hast?“, riss Amayas leise Stimme sie aus ihrer Betrachtung.

Natsu nickte langsam, ehe sie die Augen schloss. Sie musste ihren Sohn binden, also fühlte sie vorsichtig nach seinem Yôki – und prallte erschrocken zurück. Mit einem fassungslosen Keuchen riss sie die Augen wieder auf.

Amaya sah sie von der Seite an. „Was ist?“, wollte sie wissen.

Natsu versuchte mühsam, sich wieder zu sammeln, aber ihre Stimme zitterte, als sie antwortete: „Er… er ist unglaublich stark. Ich weiß nicht, ob es mir gelingt ihn… zu überwinden…“

Amaya schürzte etwas die Lippen, gab sich aber professionell. „Ich werde dir helfen“ Damit legte sie zwei Finger auf die Stirn des Neugeborenen, bereit ihre Schamanenkräfte einzusetzen.

Dankbar versuchte Natsu es erneut, konzentrierte sich auf die dämonische Kraft ihres Sohnes, schickte ihr eigenes Yôki dagegen und versuchte, es zu umhüllen, zu überwinden. Sie wusste, dass ihre erste Einschätzung richtig gewesen war. Ohne Amayas Hilfe wäre es ihr nicht gelungen, den Kleinen zu binden.

Endlich spürte sie, wie die Austrahlung ihres Sohnes zurückging, gemeinsam mit der ihren unterdrückt wurde. Sie hatte es geschafft.
 

Tief atmete sie durch. Das hatte sie noch mehr Kraft gekostet, als die Geburt sowieso schon. Erschöpft legte sie den Kopf zurück, stützte den Hinterkopf gegen die Wand, an der sie saß.

Dennoch fiel es ihr auf, dass Amaya sich absichernd umsah.

„Was hast du, Imouto?“, fragte sie, aber die Jüngere winkte bloß ab.

Dennoch wirkte sie nervös, so wie schon den ganzen Abend über, das wurde ihr erst jetzt klar, war es ihr doch zuvor nicht aufgefallen.

„Amaya… sag schon“

Die junge Schamanin seufzte, blickte noch einmal richtung Fenster, durch das der noch fast volle Mond hineinschien. Es war tiefste Nacht. „Es… die Wachen sind unruhig. Irgendwo auf dem Schlossgelände ist ein Eindringling, aber, wer auch immer es ist, er unterdrückt sein Yôki so gut, dass wir ihn weder erkennen, noch finden können“ Wieder blickte sie absichernd zu der Fensteröffnung.
 

Natsu hatte aufmerksam zugehört.

Ihr Herz tat einen Sprung, als sie unwillkürlich zu dem Kind in ihrem Arm blickte.

Könnte es sein… Sie gab sich der naiven Hoffnung hin und schloss erneut die Augen, konzentrierte sich, das fremde Yôki zu finden. Da, da war es. Sie fühlte genauer nach und unwillkürlich legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Er war gekommen. Er hatte an sie gedacht.
 

Erst da spürte sie, dass Amaya sie leicht an der Schulter rüttelte. „Natsu!“, rief sie leise.

Deren Lächeln erstarb nicht. „Keine Angst, Amaya. Der, den du Eindringling nennst, wird euch nichts tun“, wisperte sie ruhig.

Amaya machte eine überraschte Miene. „Du weißt, wer es ist?“, sicherte sie sich ab.

Natsu nickte leicht. „Ja. Ich erkenne das Yôki, weil ich den Besitzer gut kenne. – Es ist der Vater von dem Kleinen hier…“ Der letzte Satz kam leise, unsicher, aber unüberhörbar erfreut.
 

Jetzt strahlte Amaya erst recht Verblüfftheit aus. „Der Vater? Aber… damals, du hast doch gesagt, dein Kind wäre nicht…“, sie verstummte.

„Nicht freiwillig entstanden, ja, Amaya. Ich habe gelogen“, gab Natsu freimütig zu.

Amaya schnappte perplex nach Luft, bekam aber kein Wort heraus.

Natsu lachte trocken. „Ich habe es getan, um mich, ihn und mein Ungeborenes zu schützen. Tôran hätte mich gemeuchelt, wüsste sie um die Identität des Vaters“

„Aber wieso?“ Amayas Raubtieraugen, die ebenso silbergrün waren, wie die ihrer älteren Schwester, leuchteten in der Dunkelheit.

Natsu senkte den Kopf, sodass ihr die Haare ins Gesicht fielen. Das Glücksgefühl, das durch ihre Adern pulsierte, bekam wieder Gesellschaft von der Furcht, die sie die letzten Monate beherrscht hatte. „Dazu müsste ich dir sagen, wer es ist und das kann ich nicht“

„Warum nicht? Natsu, ich bin deine Schwester!“ Amaya schien entrüstet.

„Vor allem bist du die oberste Schamanin und den Fürsten zu absoluter Wahrheit verpflichtet“

„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass sie jetzt noch Fragen stellen!“

Natsu seufzte tief. „Tôran wird. Der Kleine sieht seinem Vater zu ähnlich“ Ihre Fingerspitzen glitten vorsichtig durch das weiße Haar ihres Sohnes.

Jetzt wusste Amaya erst Recht nicht weiter. „Komm schon, Natsu…“

Die seufzte nur erneut. „Gelobst du Stillschweigen gegenüber den Fürsten und vorallem gegenüber Tôran?“, fragte sie nach.

Amaya nickte, ohne zu Zögern. Bekräftigend legte sie zwei Finger auf ihr Schamanenamulett. Es gehörte zum Kodex der hohen Dämonen, nicht zu lügen. Aber wenn ein Schamane ein Gelöbnis brach, das er auf das Amulett geschworen hatte, dann bedeutete das den Tod.

Natsu wusste das und nur deswegen überwand sie sich. „Sesshômaru. Der Vater ist Fürst Sesshômaru, der Inu no Taishô und Fürst der westlichen Länder“
 

~*~
 

„Ich komme einfach nicht dahinter. Ich meine, Sesshômaru-sama war schon immer schwer zu durchschauen, aber diesmal verstehe ich ihn gar nicht. In den letzten Monden ist er regelrecht unkonzentriert, nein, eher… ruhelos“ Myôga patrouillierte unruhig auf dem Zweig, auf dem er sich befand.

„Das kitzelt“, brummte Bokusenô bloß, worauf der Flohgeist verharrte. „Ich ahne etwas. Aber ich mag‘ mich nicht festlegen“, fügte er dann ernster hinzu und seine schmalen Augen fixierten den Flohdämon.

Der kratzte sich am Kopf. „Willst du nicht einmal etwas andeuten?“

„Ich habe ihm nicht umsonst ausgerechnet jetzt den letzten Nachlass Oyakata-samas anvertraut. Er hat InuYasha in seiner Nähe geduldet und er war bereit zu beschützen. Ich habe das Gefühl, er ist erwachsen geworden – und vielleicht ist er dabei, auch die letzte Lektion Oyakata-samas zu verstehen. Du weißt, was seine letzte Frage, an Sesshômaru-sama war?“

„Natürlich! Ich war dabei“, schimpfte Myôga ungeduldig.

„Schon gut, mein Lieber. Jedenfalls… mir scheint, er hat diesen bestimmten Jemand gefunden. Und mit dem hängt jetzt wohl auch seine Unruhe zusammen – nehme ich jedenfalls an“
 

Myôga dachte nach. Rin konnte Bokusenô nicht meinen, das war ihm klar, denn Rin hatte Bokusenô nie explizit kennengelernt. Rin war als schwaches, menschliches Geschöpf vermutlich eher die Lehrmeisterin gewesen, die Sesshômaru-sama den Weg gewiesen hatte, die Frage seines Vaters zu beantworten. Natürlich schützte er sie – immerhin galt Rin inzwischen am Inu-Schloss hochoffiziell als seine Ziehtochter, egal, wie schief die halbe Belegschaft geguckt hatte. Die Dienerschaft hatte seit diesem Tag zwei Mitglieder weniger, aber das war längst vergessen. Aber Bokusenô meinte jemand anderen.

Kagome… nein, da ist eher InuYasha-sama zuständig…

Da fiel bei Myôga der Groschen. „Meinst du wirklich?“, wollte er von Bokusenô wissen.
 

Sie kannten sich gut genug, um die Gedankengänge des anderen annähernd nachvollziehen zu können. „Ich bin mir sogar ziemlich sicher. Wenn du dich nicht mal wieder aus dem Staub gemacht hättest, als es brenzlig wurde, dann wüsstest du, dass er ziemlich erschrocken ist, als das Onibi seine Reisebegleitung angreifen wollte. Und damit meine ich ganz bestimmt weder InuYasha-sama noch die neue Trägerin der Haru Tsume“

Der Flohgeist runzelte die Stirn. „Aber das würde bedeuten…“, er sprach nicht weiter, aber Bokusenô und er waren sich einig, dass das nicht nur eine Sensation, sondern auch ein ziemliches Problem wäre, sowohl emotional, als auch politisch. „Wenn dem so ist, hat sich der junge Herr wieder einmal den schwierigsten Weg ausgesucht den es gibt“
 

Bokusenô stieß ein Schnaufen aus. „Mag sein. Aber wenn er sich auf die besinnt, die hinter ihm stehen, dann hat er auch die beste Unterstützung, die er haben kann. Er muss sich nur überwinden und um Hilfe bitten“

Myôga lachte trocken auf: „Nur! – Bokusenô, du bist lustig. ‚Um Hilfe bitten‘, ehe Sesshômaru-sama das tut, freundet er sich lieber mit den Menschen an“

„Er hat bereits eine menschliche Ziehtochter und eine menschliche…hmm… Schwägerin“, hielt Bokusenô dagegen, aber auch er klang ernst.

Sie wussten, dass die Situation, wenn sie sie richtig einschätzten, sehr, sehr heikel war.

Jetzt kam es darauf an, ob Sesshômaru die richtigen Schritte setzte.
 

~*~
 

Es war schwerlich zu übersehen, wie Amaya zusammenzuckte.

Nur mühsam unterdrückte sie eine erstaunte Nachfrage. Natsu hätte das nicht gesagt, wenn es nicht stimmen würde. Dennoch hörte es sich unglaublich an.

Andererseits… der Zeitraum passte. Die Reise um der Sekai to Tia Willen.

Nein, Natsu sprach bestimmt die Wahrheit.

„Und… er ist also hier, ja?“

„Ja. Er muss irgendwie mitbekommen haben, dass es soweit ist. Was sollte er sonst ausgerechnet jetzt hier und verborgen noch dazu. Wenn er zu den Fürsten wollte, könnte er durchs Tor spazieren“ Natsu hielt noch immer den Kopf gesenkt, um zu verbergen, wie sehr ihre Augen leuchteten. Sie war glücklich, dass sie Sesshômaru tatsächlich nicht egal war, geworden war, denn obwohl sie so tat, sie kannte ihn ja kaum. Zu wenig Zeit hatten sie noch gehabt.
 

Amaya hatte nicht mehr geantwortet, dachte sie nur ihren Teil zu den Dingen. Die ganze Szenerie wirkte noch immer unwirklich, dennoch drängte sich jetzt etwas anderes in ihr Bewusstsein.

Zögernd erhob sie wieder die Stimme: „Übrigens, Natsu, du weißt schon, dass der Kleine hier nicht lange überleben wird, oder? Du bist niemandes Gefährtin, niemand wird ihn adoptieren, ihm nur einen Namen geben. Früher oder später werde ich ihn töten müssen“ Ihre Stimme klang rau, während ihre Finger fast automatisch zu dem kleinen, reingoldenen Dolch wanderten, den sie als oberste Schamanin trug, einzig um solch rituelle Tötungen durchzuführen.

Natsu spannte sich an, nahm sich aber sichtlich zusammen. „Ich weiß, Amaya. Aber ich will noch nicht darüber nachdenken. Er ist mein Sohn, wie soll ich da über seinen vorgeschrieben Tod grübeln? Das will ich nicht, ehe es nicht soweit ist“ In ihrer Stimme lag fast etwas wie Tränen.

Dann aber hob sie auf einmal ruckartig den Kopf. „Amaya?“

Die Schamanin sah ihre ältere Schwester aufmerksam an. Was war ihr noch eingefallen?

„Kannst du mir einen ganz besonderen Gefallen tun?“

Amaya zog eine Augenbraue hoch. „Der da wäre?“

„Ich… ich möchte, das er wenigstens für mich, im Stillen, einen Namen hat. Kannst du… wenn er das Schloss wieder verlässt, kannst du dann zu Sesshômaru gehen und ihn um einen Namen für seinen Sohn bitten?“

Die Jüngere nickte zwar, war aber auch viel zu perplex, irgendetwas anderes zu tun. Mit einer solchen Aufforderung hatte sie nicht gerechnet, auch wenn sie das eigentlich hätte tun müssen. Zu gut kannte sie ihre Schwester. An der Beruhigtheit, die ihre Zustimmung in Natsu hervorrief, erkannte Amaya auch nur zu gut, wie wichtig dieser Auftrag Natsu war.

Der Kleine scheint ihr wirklich wichtig zu sein… und sein Vater auch. Oh, wenn ich doch nur etwas tun könnte, dem Kleinen das Leben zu retten… es wird ihr das Herz brechen. Fünf Monde Galgenfrist hat sie noch, aber das wird es nur verschlimmern…
 

Dennoch war Amaya fest entschlossen, die Bitte ihrer Schwester tatsächlich zu erfüllen. Aber noch befand sich Sesshômaru irgendwo auf dem Schlossgelände. Langsam erhob Amaya sich. „Schlaf jetzt, Natsu, du kannst es brauchen. Du wirst viel Kraft brauchen, deinen Sohn zu beherrschen… ich habe seine Stärke gespürt“, sagte sie und legte ihrer Schwester noch einmal kurz die Hand auf die Schulter, ehe sie das Zimmer verließ. Sie war vollkommen durcheinander.

Auftrag

Das Gefühl von anschwellendem Yôki in ihrer Nähe ließ Kagome erwachen.
 

Sie war am vergangenen Abend zu keiner Lösung bezüglich der Fremden gekommen, also hatten InuYasha und sie beschlossen, in Kaedes Hütte zu bleiben, um in der Nähe zu sein, wenn sie gebraucht wurden.
 

Kagome runzelte etwas die Stirn, noch ehe sie richtig wach war.

Es war doch gar nicht Neumond gewesen. Diese Empfindung hatte sie sonst immer, wenn InuYasha nach einer Neumondnacht wieder in seine echte Gestalt schlüpfte. Aber sie hatte das Gefühl, dieser Yôki-Anstieg hier sei schwächer, deutlich schwächer sogar.

Sie schüttelte etwas den Kopf und öffnete die Augen, richtete sich halb ins Sitzen auf.
 

InuYasha war nicht mehr neben ihr, aber das war ihr herzlich egal, als sie sah, was am Behelfslager der Fremden geschah.

Die Haare des Mädchens waren nicht länger schwarz, sie färbten sich langsam hell, weiß mit einem feinen, blauvioletten Stich.

Kagome riss die Augen auf. „Ich glaub’s nicht…“, flüsterte sie, streifte rasch die Decke von ihrem Körper und zog sich an, ehe sie zum Lager des Mädchens stürzte.

Die Fremde hatte sich in der Nacht auf die Seite gedreht und als sie jetzt die Lider öffnete, leuchteten Kagome amethystfarbene Augen entgegen.

„Shiori… was zur Hölle tust du hier?“, flüsterte sie mehr zu sich, als zu der Liegenden vor sich, aber die hatte es dennoch gehört.
 

„Ich musste… fliehen… Tián, er… er ist noch…“ Shiori hustete, setzte erneut zum Sprechen an, aber Kagome unterband den Versuch mit einem Kopfschütteln.

„Das hat Zeit. Du brauchst erst einmal etwas zu trinken und saubere Kleidung. Dann kannst du immer noch erzählen, was dich so plötzlich hierher führt – oder sind wir in akuter Gefahr?“
 

Shiori schüttelte lahm den Kopf und atmete tief aus.

Sie schien aufs Tiefste erleichtert.
 

Scheint so, als ob sie sich nicht sicher war, ob sie hier richtig ist…, dachte Kagome, ehe sie sich erhob.

Ein Blick zu Kaede zeigte ihr, dass die alte Miko noch schlief. Hoffentlich tut sie das auch gleich noch, trotz aller Erfahrung wird sie wohl erschrecken, wenn plötzlich eine fremde Halbdämonin in ihrer Hütte liegt…

Rasch erhob Kagome sich und verließ die Hütte in Richtung von der, die normalerweise InuYasha und sie bewohnten.
 

In der Nacht hatte der Regen endlich aufgehört, aber noch immer war der Schlamm zentimetertief.

Als sie einen hellen Kimono aus der Kleidertruhe zog, die an der Wand stand, musste sie etwas lächeln. Früher hatte sie sich buchstäblich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, das Miko-Gewand anzuziehen, das sie jetzt fast nur noch trug. Erst, weil InuYasha sie damals, am Fluss so harsch angefahren hatte, später dann, weil sie wusste, dass sie darin Kikyô noch ähnlicher sah.

Inzwischen war ihr das egal. Ihr komplettes Umfeld – und besonders wichtig: InuYasha – hatte längst kapiert, dass es genug Unterschiede zwischen ihr und Kikyô gab und verhielt sich danach.

Erst jetzt, im Nachhinein, war ihr klar, wie sehr die am Ende abstruse Tändelei zwischen InuYasha und Kikyô auch ihr Vertrauen in den Hanyô eingeschränkt hatte. Inzwischen wusste sie, dass er sich mit Haut und Haaren für sie entschieden hatte.
 

Sie legte sich den Kimono über den Arm und machte sich auf den Rückweg.

Shiori war schon wieder weggedämmert, das erkannte sie mit einem Blick, also legte sie den Kimono neben die Halbdämonin und hängte den kleinen Kessel über das Feuer, in dem bereits Wasser war. Dann ließ sie ein paar Kräuter hinein fallen. Einen Tee konnte Shiori sicher gebrauchen, was auch immer ihr geschehen war. Ihre Andeutungen waren ja nicht gerade beruhigend.
 

~*~
 

Fauchend wich Kirara in der Luft zurück und ließ sich zur Seite wegkippen.
 

Kohaku krallte sich mit einer Hand in das dichte Nackenfell seiner Kampfpartnerin und schwang mit der anderen Hand die Waffe herum, die Tôtôsai einst für ihn gefertigt hatte.

Die messerscharfen Klingen schnitten in die speckige Haut des Dämons vor ihm und hinterließen tiefe Wunden. Aber noch war der Kerl nicht erledigt.

Kohaku kniff die Augen zusammen.

Sein Gegner sah aus wie eine missglückte Kreuzung aus Marienkäfer und Schlange und war reichlich zäh. Außerdem konnte er ihn nicht hier erledigen, er musste ihn weglocken. Wenn das Vieh auf den Schrein des Dorfes fiel, würde es ihn zerstören.
 

Er hielt Kirara erneut an, rückwärts zu fliegen und duckte sich eng auf ihren Rücken, um dem Vorstoß des Oni zu entgehen.

Dann riss er erneut seine Waffe hoch, traf den Bauch seines Gegners. Eine Zacke der Waffe verhakte sich unter einer Rippe des Oni und Kohaku nutzte das, um seinen Gegner praktisch an die Leine zu nehmen. Wenn die Rippe brach, würde die Waffe den Oni bis zur Kehle aufschlitzen und töten – und das wusste der Oni auch.

Sich windend, aber gezwungenermaßen folgsam kam er dem Zug der rückwärtsfliegenden Kirara nach.

Kohaku hielt seine Waffe eisern fest, aber seine Arme erlahmten.

Der Kampf war lang gewesen, mitten in der Nacht hatte ein abgerichteter Falke ihn aufgesucht und jetzt war es schon früher Morgen, langsam ermüdeten seine Muskeln.
 

Zum Glück erreichten sie jetzt den Rand des Dorfes und mit einem Ruck löste Kohaku seine Waffe aus dem Körper des Oni.
 

Fast beglückt, machte der einen Schlenker, begab sich außerhalb der bisherigen Reichweite.
 

Kohaku hatte dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Der Oni war schon zu schwer verletzt, das Imponiergehabe sah nicht wirklich ernstzunehmend aus. Aber er konnte das Vieh nicht einfach verbluten lassen, in seinem Todeskampf würde es doch noch das Dorf zerstören.

Also griff Kohaku in seinen Rücken, wo wie immer die gute, alte Kusarigama im Waffengurt hing.

In einer einzigen Bewegung hatte er sie heraus gezogen, nachgefasst und die Klinge von sich geschleudert. Butterweich durchschnitt die altbewährte Waffe den Körper des geschwächten Oni, der zu überrascht und angeschlagen war, um noch auszuweichen.

Mit einem letzten Brüllen fiel er zweigeteilt in sich zusammen, schwarzes Blut breitete sich in einer Lache um ihn aus und begann sich gleichzeitig zu zersetzen.
 

Kohaku keuchte, als Kirara auf dem Boden ankam. Kurz stützte er sich im Nacken seiner Partnerin ab, ehe er von ihrem Rücken glitt und an ihrer Seite zurück ins Dorf marschierte.
 

Dort empfing ihn bereits eine Menschentraube. Erstaunte, anerkennende Blicke trafen ihn von allen Seiten, doch das von Erleichterung getragene Geflüster verstummte, als der Dorfvorsteher auf Kohaku zutrat.

„Ihr habt uns einen großen Gefallen erwiesen, Taijiya-san“, sagte er mit einer leichten Verbeugung.

Kohaku neigte sich ebenfalls etwas vor, ein Lächeln strich über seine Züge. Es tat gut, wieder als Taijiya bezeichnet zu werden.

Zwar arbeitete er schon seit Jahren in diesem Beruf, aber anscheinend schien man ihn langsam ernst zu nehmen. In diesen Gegenden schienen die Dörfer in regem Kontakt zu stehen, so hatte es sich wohl herumgesprochen; seit des gerade noch gewonnene Kampfes gegen die ‚kleine Schwester von Lady Tausendfuß‘, wie er jene Dämonin immer noch nannte, schien er sich hier einen Namen bemacht zu haben, man rief ihn öfters. Es konnte ihm nur Recht sein.

„Ich habe meine Arbeit getan“, betohnte er deswegen und der Dorfvorsteher nickte rasch.

„Ich nehme an, Sie wollen sich umziehen?“, fragte er dann.
 

Kohaku zog nur die Augenbrauen hoch und schlängelte sich geschickt an dem etwas dicklichen Mann vor sich vorbei, bemüht, in nicht zu berühren.

Er hatte von Kindheit an gelernt, sich nicht vor dem Blut niederer Oni zu ekeln, aber jeder andere Mensch fand es einfach wiederwertig, das war ihm klar. So zog er sich in einer leeren Hütte rasch um, wischte mit einem groben Tuch das Oniblut von seinen Waffen und steckte die Kusarigama wieder in den Waffengurt. Dann räumte er seinen blutverkrusteten Kampfanzug zusammen und verließ die Hütte. Er trug nun wieder die einfache, grauviolette Kleidung, die er immer getragen hatte. Sango tat ihm seit ein paar Jahren den Gefallen, die Kleider an seine Größe anzupassen, wenn er wieder einmal bei ihr vorbeisah.

Er wusste, er sah jetzt – abergesehen von den Waffen in seinem Rücken – nicht mehr anders aus, als jeder x-beliebige Dorfbewohner.
 

Als er wieder aus der Hütte kam und erneut zu dem Dorfvorsteher trat, hielt der bereits einen Stoffbeutel in der Hand. Kohaku wusste, dass Proviant darin war, mit dem er gut eine Woche über die Runden kommen würde, außerdem eine der Süßwasserperlen, die in einem nahen See wuchsen und von den Bewohnern einiger Dörfer in dieser Gegend geerntet wurden. So war es ausgehandelt gewesen.

Die Perle hatte mit Sicherheit einen guten Verkaufswert, aber er hatte etwas anderes damit vor.
 

Jetzt aber nahm er nur den Beutel entgegen und ließ den erneuten Dank über sich ergehen. Er freute sich ja, dass seine Arbeit anerkannt wurde, aber man konnte es auch übertreiben. Außerdem war er erschöpft. Es war nicht leicht, einen so großen Oni allein zu besiegen.

Insofern kam es ihm ganz Recht, dass Kirara ungeduldig fauchte.

„Hast Recht, Mädchen, wir sollten los“, rief er in ihre Richtung, mit dem Ergebnis, dass die Leute auseinanderwichen und ihn hindurchließen.

Wer es gewagt hatte, dem Kampf zuzuschauen, hatte Kirara kämpfen sehen und sie hatten ebensoviel Respekt vor ihr, wie vor ihm, wenn nicht noch mehr.

Mit einer geschmeidigen Bewegungen zog er sich in ihren Nacken, hob noch einmal grüßend die Hand und gab der Nekomata dann das Zeichen, aufzufliegen.
 

Kaum waren sie außer Sichtweite des Dorfes, rutschte er weiter nach hinten, lehnte sich vor und kreuzte die Arme in Kiraras Nacken. Das war für Kirara das gewohnte Zeichen, das ihr die Richtungswahl überlassen war, er wollte sich ausruhen.

Ehe er wegdämmerte, glitt noch ein Schmunzeln über seine Züge. Er hatte erkannt, wohin Kirara flog.
 

~*~
 

Shiori erwachte, als Kagome sie leicht anstieß. Blinzelnd öffnete sie die violetten Augen, richtete sich etwas auf.

Unbarmherzig schlugen die Erinnerungen über ihr zusammen, nahmen ihr beinahe die Luft zum atmen. Sie schlug die Lider erneut nieder, im Versuch, die Tränen zu unterdrücken.

Kaum merkte sie, dass Kagome die Teeschüssel wegstellte und sie in ihre Arme zog.

Sie war nur froh um den unwillkürlichen Trost.
 

Nach einer Weile hatte sie sich wieder gefangen.

Kagome gab sie frei und reichte ihr den Tee.

Vorsichtig nahm Shiori einen Schluck, ehe sie den Blick hob, Verlegenheit schimmerte darin.
 

„Also langsam will ich wirklich wissen, was man dir angetan hat. Aber komm ersteinmal zur Ruhe. Hier, der Kimono ist von mir, mit etwas Glück passt er halbwegs. Ich gehe derweil InuYasha suchen. – Die Miko da hinten ist Kaede. Wir sind hier in ihrer Hütte, aber sie wird dich schon nicht rausschmeißen. Sag ihr einfach, dass du zu uns gehörst, sollte sie aufwachen, während ich weg bin.“ Aufmunternd lächelte Kagome und Shiori brachte ein mattes Lächeln zu Stande.

Es rührte sie, dass Kagome sie so selbstverständlich wieder willkommen hieß, sich ihrer annahm. Aber das änderte nichts an den düsteren Gedanken, die in ihrem Kopf herumspukten.
 

Die Flucht hatte sie gerettet, ja, Tián hatte sie abermals gerettet, indem er ihr zur Flucht verhalf. Aber sich begab er damit noch mehr in Lebensgefahr, als sowieso schon.

Wenn sie gewusst hätte, auf was für eine Tragödie es hinauslaufen würde, dass sie ihn in seine Heimat begleitete, sie wäre niemals mitgegangen. Und jetzt stand sie da, in der Ungewissheit.

Tián könnte jetzt schon tot sein…, hallte es in ihrem Kopf. Sie seufzte, als sie erneut die Teeschale hob, aber nur daran nippte. Und wer ist wieder einmal daran schuld? Mein verdammter Herr Großvater…
 

Kagome war derweil auf dem Weg zum Rand des Dorfes. Wenn InuYasha auf der Jagd gewesen war, schaute er sicher auch bei Sango und Miroku vorbei, um ihnen einen Teil der Beute zu bringen. So machte er es immer.

Und wenn er anderweitig unterwegs war, dann konnte sie Sango und Miroku trotzdem berichten, wer da gestern bei ihnen aufgetaucht war.

Also watete sie vorsichtig durch den Schlamm.

„Sango!“
 

„Pssst. – Die Kleinen schlafen noch, alle drei“, erwiderte Sangos Stimme leise, als sie aus der Hütte schlüpfte und Kagome entgegen kam.
 

Die grinste nur etwas. Kein Wunder, das Sango das beibehalten wollte, es konnte sicher ganz erholsam sein.

Die Zwillinge hatten das draufgängerische, eigenwillige Wesen ihrer Mutter voll übernommen und auch Yamato begann langsam seine Grenzen auszutesten.

„Wo ist Miroku?“, fragte sie stattdessen leiser.
 

„Mit InuYasha unterwegs. Noch vor Sonnenaufgang kam jemand aus einem nahen Dorf, die haben Probleme mit einem Tyo. Ich nehme an, sie werden bald zurück sein, so etwas ist ja ein einfaches Scharmützel, nichts Besonderes.“

Dass sie den letzten Satz nur sagte um Kagome ein wenig zu beruhigen, wussten beide. Denn beide erinnerten sich nur zu genau daran, dass auch der Dämon, der InuYasha zum ersten Mal so in Yôkaiform gezwungen hatte, dass der überhauptnichtmehr gewusst hatte, wo oben und unten war, ein Tyo-Yôkai gewesen war. Aber sie wussten ebensogut, dass InuYasha seit damals um ein Vielfaches gereift und erfahrener geworden war. Er war nicht in Gefahr, aber die unwillkürliche Besorgnis blieb.

Kagome zwang sich, an etwas anderes zu denken.

Mit einem Kopfnicken bat sie Sango, ihr zu folgen und ihre Freundin trat hinter ihr her.

„InuYasha hat übrigens Recht gehabt. Die Fremde ist nicht irgendwer…“
 

~*~
 

Es waren Stunden vergangen, als das so unterdrückte Yôki tatsächlich unverrichteter Dinge den Schlosshof verließ.
 

Amaya, die die Wartezeit über im Fenster ihres Gemachs gesessen hatte, machte sich erst gar nicht auf den Umweg durch das halbe Schloss, sondern sprang einfach aus dem Fenster. Weich kam sie auf dem Boden auf, weicher noch als es jede andere Yôkai-Art getan hätte.

Sie atmete erleichtert auf. Ganz offensichtlich hatte Natsu Recht gehabt: Der Eindringling wollte nicht angreifen.

So folgte sie rasch, ehe sie die Spur verlohr.

Es war selbst für eine Schamanin schwer, so unterdrücktem Yôki eine längere Zeit zu folgen und Sesshômaru machte keine Anstalten anzuhalten. Als er einen Wald erreichte, wählte Amaya den Weg über die Bäume. So kam sie schneller voran.
 

Endlich holte sie ihn ein, setzte sich auf einen Ast und musterte ihn.

Er saß unter dem nächsten Baum, den Kopf an den Stamm zurückgelehnt und hielt die Augen geschlossen.

Amaya erinnerte sich, ihn ein einziges Mal gesehen zu haben, als sie noch ein Kind gewesen war. 300, 350 Jahre war das sicher her, Fürst Sesshômarus Vater hatte da noch gelebt.
 

„Glaubst du, ich bemerke dich nicht?“, fragte seine kühle Stimme plötzlich und Amaya wäre vor Schreck beinahe von ihrem Ast gekippt, fing sich aber noch und sprang deutlich eleganter hinab.

Innerlich schalt sie sich ihrer Unaufmerksamkeit, richtete den Blick aber auf den Inuyôkai, der die Augen inzwischen geöffnet hatte, sie aus kühl-bernsteinfarbenen Iriden unverwandt ansah.
 

Aber er schwieg, ganz offensichtlich sollte sie beginnen.
 

Also verneigte Amaya sich etwas. „Ich grüße Euch, Fürst Sesshômaru. Mein Name ist Amaya, ich bin Schamanin am Hof der Neko.“
 

Keine Regung seinerseits, obwohl er ihre Jugend bemerkt haben musste.
 

„Natsu ist meine ältere Schwester“, fuhr sie fort und jetzt meinte sie für einen kleinen Moment etwas in den so kalten Augen vor sich zu erkennen, aber sie konnte sich auch getäuscht haben.
 

Seine Worte hörten sich nämlich nicht so an, als ob ihre Verwandtschaftsverhältnisse ihn in irgendeiner Weise interessierten: „Was soll mich das angehen?“
 

Amaya wäre beinahe zusammengezuckt. So viel Gleichgültigkeit hatte sie noch keine Stimme ausstrahlen gehört. „Sie gab mir eine Botschaft für Euch mit“, setzte Amaya hinzu.
 

Von Sesshômaru kam nur ein scheinbar abfälliger Laut.
 

Amaya überlief ein eisiger Schauer. Warum war er hier gewesen, wenn nicht wegen Natsu?

Sie versuchte es eindringlicher: „Es ist Euer Sohn, den sie in der Nacht zu Welt brachte.“
 

Nichts deutete darauf hin, dass Sesshômaru ihr überhaupt zuhörte.
 

Amaya nahm sich zusammen. Sie hatte Natsu etwas versprochen, also fuhr sie eisern fort: „Er hat Euer weißes Haar und seine Augen tragen ebenso einen Goldton. Bevor Natsu ihn binden konnte, war er kurz in wahrer Gestalt… er ist sandfarbend, wie Natsu und ich, hat aber die Erscheinung eines Inu.“
 

Als sie kurz Luft holte, erhob Sesshômaru sich und trat an ihr vorbei, blieb von ihr abgewandt stehen. Kein Wort kam über seine Lippen.
 

Amaya zog die Konsequenz und kramte ihr letztes Argument heraus: „Und er ist stark, sehr stark sogar. Hätte ich ihr nicht geholfen, sie hätte Euren Sohn nicht binden können.“
 

Noch immer keine Regung.
 

Amaya schüttelte resignierend den Kopf, wandte sich mit einem tiefen Seufzen um.

Hatte ja doch alles keinen Sinn.

Schleppenden Schrittes machte sie sich auf den Rückweg. Wie sollte sie das bloß Natsu erklären? Es war nicht zu übersehen gewesen, dass Sesshômaru Natsu einiges bedeutete und dessen Eiseskälte nun…

Amaya schüttelte erneut den Kopf.
 

Da plötzlich hörte sie etwas hinter sich: „Sie soll ihn Kin nennen.“

Sorgen

Sesshoumaru hielt es nicht für nötig, der jungen Schamanin nachzublicken. Er konnte hören und wittern, dass sie, nachdem sie sich von ihrem Schreck erholt hatte, wieder richtung Schloss ging.

Ihre zunehmende Verzweiflung zu beobachten wäre fast amüsant gewesen – wenn er dazu gerade in der Stimmung gewesen wäre. Das war er allerdings nicht.

Er hatte ja nur angehalten, weil er mit einem stümperhaften Spion gerechnet hatte und den nicht bis auf sein eigenes Land im Nacken sitzen haben wollte. Als er dann aber die mit Blut eingefärbte Blüte im Haar, das unverkennbare Schamanenamulett gesehen hatte, hatte es ihn eines Besseren belehrt. Noch ehe sie sich vorstellte, hatte er geahnt, wer sie war. Natsus so geliebte Schwester.
 

Er musste innerlich kämpfen, seine Maske beizubehalten, nie war ihm das so schwer gefallen.

Die Gefühle tobten mehr denn je in ihm.

Ein Sohn. Sein Sohn. Stark.

Jeder andere hätte jetzt geseufzt.
 

Da hatte er nun einen Sohn, hatte eine Yôkai, die er liebend gern zur Gefährtin nehmen würde und dann stand ein ganzes Fürstenhaus dazwischen.
 

Daran musste doch zu rütteln sein! Es musste einfach! Verdammt, er war Sesshômaru! Er ließ sich doch nicht einfach unterkriegen!
 

Für einen ganz, ganz kleinen Moment verzog sich sein Gesicht zu einem Knurren, dann hatte er sich wieder im Griff. Er musste nicht hadern, er musste eine Lösung finden. Yôkai haderten nicht. Und er schon gleich garnicht!
 

~*~
 

Kohaku erwachte, als Kirara auf dem Boden aufkam. Vorsichtig richtete er sich auf, wissend, dass seine Schultern schmerzen würden, nach einem solchen Kampf.
 

„Kohaku, ein Glück…“
 

Der junge Taijiya blickte lächelnd auf.

Koume, war ja zu erwarten gewesen.

Seit Kirara – oder Katashi? – ihn mit dem jungen Mädchen bekannt gemacht hatte, verschaffte sie ihm manchmal Aufträge in der Umgebung – und war jedesmal sehr erleichtert, wenn er einigermaßen unverletzt zurückkehrte.
 

Zuerst kam aber Katashi bei ihm an, der sich hier im Dorf meistens wie eine gänzlich normale – wenn auch rotäugige und zweischwänzige – Katze verhielt und sich an Kohakus Knie abgestützt auf die Hinterbeine stellte um gekrault zu werden.
 

Kohaku tat ihm den Gefallen, ehe er von Kiraras Rücken rutschte.

Dann zog er die beiden Stoffbeutel – den mit seinem Kampfanzug und den mit der Bezahlung – von ihren Schultern und sie wechselte prompt in ihre kleine Form.

Er wusste, sie tat es aus Rücksicht auf die Dorfbewohner, Koume hatte ihm die ganze Geschichte erzählt.

Im Gegenzug hatte er ihr erklärt, zu was eine Nekomata sonst noch so fähig war und Kuroro war darauf eingestiegen, indem sie Koume anscheinend zum ersten Mal ihre große Form offenbahrt hatte.

Kohaku erinnerte sich gut, wie Koume zusammengezuckt war, ihre Furcht aber schnell überwunden hatte. Sie war eindeutig mutiger und unvoreingenommener als ihr Umfeld.
 

Inzwischen war auch sie bei ihm angenommen und Kohaku erwiderte ihre freundschaftliche Umarmung, ehe er zurücktrat.

Er zog ein kleines Ledersäckchen aus dem Proviantbeutel und drückte es Koume in die Hand.

„Für deine Vermittlerdienste“, sagte er schmunzelnd und beobachtete, wie ihre Augen ungläubig zu leuchten begannen, als sie die kleine, lachsfarbene Perle herauszog, die in dem Säckchen gewesen war. „Das kann ich nicht annehmen. Ich habe doch bloß ein wenig herumerzählt!“

Kohaku lachte. „Und mir damit in den letzten Monaten ein mehr als gutes Auskommen gesichert.“

Er zog zwei Streifen Trockenfleisch aus dem Proviantbeutel und reichte eines davon an Kirara weiter, die noch immer an seiner Seite stand. Sie brauchte es nicht, das wusste er, ihre Magie reichte, um sie sich wieder erholen zu lassen, aber sie mochte diese kleinen Leckereien.
 

Aus dem Augenwinkel beobachtete er dabei, wie Koume die Augen nicht von der kleinen Perle lassen konnte. Ihre großen Augen schimmerten fast schwarz, wenn sie glücklich war. Er blinzelte etwas. Sie war hübsch, keine Frage, aber sie war jünger als er und er lebte ein gefährliches Leben. Es gab keine Gemeinschaft der Taijiya mehr, kein Volk, das sich gegenseitig beschützte. Er brauchte erst gar nicht darüber nachzudenken, ob er sich in nächster Zeit jemanden suchen wollte.
 

„Kommst du mit zum Fluss?“, riss Koumes Stimme ihn aus seinen Gedanken. Er nickte und richtete sich auf. Gemeinsam schlugen sie den Weg hinaus aus dem Dorf ein, auf dem Fuße gefolgt von den beiden, kleinen Nekomata. Er hatte in Koume jemanden gefunden, der ihm zuhörte, der ihn ermunterte, wenn er nicht weiter wusste. Das Leben als Taijiya war sein Leben, niemals hätte er es aufgegeben.

Damals, bevor er wirklich gekämpft hatte, hatte er Angst gehabt.

Die war auch nie verflogen, aber er erinnerte sich nur zu gut an Sangos Worte damals. Dass alle Taijiya Angst hatten. Aber dass das gut war. Wichtig, lebenswichtig manchmal. Ohne Angst verlöhre man schnell den Respekt und damit die Vorsicht vor einem Gegner. Kohaku war inzwischen erfahren genug, um ihre Worte bestätigen zu können. Aber die Angst zu dämpfen, das gelang sonst nur dem Team und auch wenn Kirara die zuverlässigste Partnerin war, die er sich vorstellen konnte, sie war nicht das, was man brauchte um anderes zu erledigen als einzelne Oni. Dazu brauchte man wieder ein Dämonenjägervolk. Und das gab es nicht mehr. Manchmal schmerzte ihn das sehr, aber aufgeben wollte er deswegen noch lange nicht.

Aufgegeben hatte er sich nie, nichteinmal als es um weit schwierigere Schicksalsschläge ging.

Aber leicht war das nicht.

Koume hatte sich als sehr gute Stütze erwiesen. Und dafür mochte er sie. Inzwischen war er unglaublich froh, dass Kirara ihn seinerzeit nachdrücklich mitgenommen hatte, als sie Katashi zurückbegleitete.
 

~*~
 

„Ich glaube, da kommen sie“, meinte Kagome leise und brachte Shiori damit dazu, aufzublicken.
 

Tatsächlich wurde die Reisstrohmatte gleich darauf beiseitegenommen und InuYasha kam hindurch, gleich gefolgt von den begeistert vorstürmenden Zwillingsmädchen, zuletzt schlossen sich Miroku und Sango an, letztere mit ihrem Sohn auf dem Arm.
 

Shiori wirkte etwas überrascht und Kagome grinste in sich hinein. Sie hatte Shiori mit Absicht nicht gesagt, was sich zwischen Sango und Miroku verändert hatte, seit damals, als sie Shiori aus den Fängen ihres Großvaters retteteten.
 

„Hey, Shiori“ InuYasha tat erfolgreich so, als würde es ihn überhaupt nicht wundern, dass das Halbdämonenmädchen hier im Dorf anzutreffen war.

„Hallo InuYasha“, antwortete die matt und versuchte ein freundliches Lächeln in Richtung Sangos und Mirokus, aber es gelang ihr nicht wirklich.

Sango lächelte umso freundlicher zurück, als sie sich neben der alten Bekannten niederließ und ihren Sohn neben sich setzte.

Der schien inzwischen einigermaßen wach zu sein und betrachtete die für ihn Fremde ebenso neugierig wie seine Schwestern.

„Ich muss zugeben, ich hätte dich nicht wiedererkannt. Du hast dich sehr verändert“, setzte Miroku an und kniete sich daneben.

„Es sind viereinhalb Jahre vergangen. Ich bin nie anders gealtert als ein Menschenkind“, gab Shiori zurück, aber noch immer klang ihre Stimme nicht im Geringsten, als habe sie Freude an der Unterhaltung. Ihr Blick war ebenso düster umwölkt, wie ihre Gedanken.

Kagome merkte das nur zu gut und bemühte sich, das Thema dementsprechend zu lenken. „Und was führt dich jetzt auf einmal zu uns?“

Shiori ließ den Kopf wieder hängen und seufzte. „Das ich es bis hier geschafft habe, war Zufall. Ich habe einfach nach einer Zuflucht gesucht, nach der Flucht-“ „Flucht?“, fragte InuYasha dazwischen.

„Ja, ich… naja, um von vorne anzufangen… ich habe Tián zu seiner Familie begleitet, aufs Festland. Wenn ich gewusst hätte, was für eine Tragödie das gibt, ich wäre hier geblieben. So aber ging alles schief.“

„Aber warum das denn?“, wollte Sango verständnislos wissen.
 

„Wegen mir. Nicht, weil ich eine Hanyô bin, ich glaube, das hätten sie sogar noch hingenommen, aber es störte sie zutiefst, was für eine Hanyô ich bin“, gab Shiori leise zurück und zupfte unbehaglich an einer Strähne ihres hellen Haares.

„Tián hatte mir vorher seine Geschichte erzählt, die Geschichte seiner Familie. Sie kommen hier aus Japan, wurden aber – wie viele andere Komori-Familien auch – vor Jahrhunderten verjagt. Damals war Tián vielleicht so alt wie ein siebenjähriges Menschenkind. Der Flucht ging ein blutiges Massaker voraus, bei dem unter anderem auch Tiáns kleiner Bruder Yuan getötet wurde, ein gerade anderthalbjähriges Dämonenkind – das entspricht einem neunmonatigen Menschenkind.

Schließlich also zog sich der Rest seiner Sippe mit drei anderen Familien fluchtartig übers Meer zurück und siedelte sich an der Festlandküste wieder an.

Man akzeptierte sie dort, sie konnten in Ruhe leben.

Aber die erwachsenen Yôkai pochten auf Rache. Und ausgerechnet Tiáns Familie, dessen Oberhäupter besonders strikt für Vergeltung waren, wurde zur Anführerfamilie gewählt. Die Ältesten der vier Familien flogen ab und an noch nach Japan zurück um mit dem Dortgebliebenen in Kontakt zu bleiben, bis auch das zu gefährlich wurde.

Seit dem waren die Überlebenden der japanischen Komorivölker vollkommen abgekapselt und brauten nur noch fröhlich an ihrer Racheaktion.

Tián als das älteste, überlebende Kind wurde zum Erben dieser Rache auserwählt und bekam dafür, als er etwa in einem Alter war, das man mit einem zehnjährigen Menschenkind vergleichen kann, sein Aikuchi.

Es ist das Symbol für den Plan der Komori, man nannte es Ekô – Echo. Seine Klinge ist aus normalem Metall, aber der Griff ist mit einem Stück Haut des großen Peinigers, wie sie ihn nennen, umwickelt und die Waffenscheide im Blut des großen Massakers gebadet. Mit diesem Aikuchi sollte Tián, wenn die Zeit gekommen war, den großen Peiniger und dessen Verwandtschaft auslöschen.“

Das junge Halbblutmädchen wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und schaute kurz hoch.
 

Die Erwachsenen hingen an ihren Lippen, den Kindern war die Erzählung zu langweilig geworden, berichtete Shiori doch kraftlos vor sich hin.
 

„Wollen wir wissen, wer jener große Peiniger ist?“, fragte Kagome schließlich nach einem Moment der Stille.

Shiori ließ die Hand sinken und seufzte tief. „Ihr wisst es, ihr wollt es bloß nicht wahrhaben, stimmts?“, fragte sie zurück, anstatt zu antworten.

Nach einer Weile nickte Kagome langsam. „Taigokumaru…“

Shiori bejahte müde.

„Und aus einem Stück von dessen Haut ist die Griffumwicklung?“, fragte Miroku etwas ungläubig.

„Ja. Aus einem Stück Flügelhaut, wenn ich das richtig verstanden habe – warum?“

„Weil Dämonenhaut sich normalerweise im toten Zustand rasch zersetzt. Wir Dämonenjäger mussten starke Banne legen, um die Dämonenreste zu konservieren, bis wir sie weiterverarbeiten konnten“, mischte Sango sich ein, die den Gedankengang ihres Mannes nachvollziehen konnte.
 

„Keine Ahnung, was man da gemacht hat, um es zu erhalten. Jedenfalls muss es tatsächlich die Haut meines Großvaters sein, das war auch der Grund, dass ich etwas zurückgezuckt bin, als ich das Aikuchi um ersten Mal in der Hand hatte. Tián erzählte, das dir das aufgefallen ist, InuYasha. Irgendwie muss ich einen kleinen Rest Yôki darin gespürt haben, Yôki, das mir bekannt vorkam. – Naja. Jedenfalls, dass Tián Taigokumarus letzte Verwandte mitbrachte, statt sie getötet zu haben, gefiel seiner Sippe nicht.

Eine Weile feindeten sie mich nur an, aber nachdem sie gemerkt hatte, wie einträchtig Tián und ich miteinander umgingen, meinten sie wohl ich hätte ihn irgendwie beeinflusst, verhext oder was weiß ich. Jedenfalls passten sie einen Moment ab, in dem ich allein war, nahmen mich gefangen und setzten mich gefesselt in einer unterirdischen Höhle fest. Tián wusste nichts davon, er erfuhr es erst später und ist dann wohl ziemlich Sturm gelaufen. Mit dem Ergebnis, dass sie ihren Verdacht nur bestätigt sahen und sogar der Meinung waren, ich hätte ihn bezirtzt. Was ich in meinem Verlies an Wortfetzen mitbekam, warfen sie ihm sogar vor, er müsste sich doch nicht um eine Nachkomme des großen Peinigers bemühen, nur weil die ihm ein Kind unterschieben wolle…“ Shiori verstummte, als sie die aufgerissenen Augen ihrer Zuhörer sah.

„Wie kamen sie denn da… ich meine… bist du…“ Kagome wusste offensichtlich nicht, wie sie beginnen sollte.

Shiori winkte aber auch sofort ab, obgleich sie etwas rot geworden war.

„Schwachsinn. Natürlich bin ich nicht schwanger, die Behauptung war völlig haltlos. Ich… ich nehme an, sie haben es daraus gezogen, dass Tián eben mein Leben schützen wollte, keine Ahnung. Jedenfalls hat er dann gar nichts mehr gesagt, weil er merkte, dass er nicht mehr weiter kam. Ich… ich habe stundenlang in meinem Verlies gestanden, die Hände weit über dem Kopf mit magischen Fesseln gesichert, sodass ich ganz gestreckt da stand. Ich hatte fürchterliche Angst, das muss ich zugeben. Und das steigerte sich nur, als ich feststellte, dass dieses Höhlengefängnis wohl Zugang zum Meer haben musste, denn das Wasser stieg. Mir wurde klar, dass sie mich ertränken wollten.

In der Nacht, als das Wasser mir schon bis zu den Hüften stand, kam dann plötzlich eine verhüllte Gestalt zu mir.

Tián.

Nach langem Suchen hatte er mein Gefängnis gefunden. Ironischerweise nutzte er ausgerechnet Ekô um die Fessel durchzuschneiden, ehe er mir den Weg hinaus zeigte, hinunter zur Küste. Eindringlich bat er mich, zu fliehen, aber ich wollte erst nicht, wollte, dass er wenigstens mitkäme. Aber er wusste, dass das nicht möglich war, nicht, bevor er nicht noch so einiges geklärt hatte. Man würde ihn verfolgen, jetzt wo sie wussten, dass die Verwandtschaft des großen Peinigers bis auf mich ausgelöscht war.

An… an der Küste erwartete uns eine seiner Cousinen, ich hatte schon gemerkt, dass er seinen Cousins und Cousinen mehr vertraute, als allen anderen. Besagte Cousine sollte mich also übers Meer bringen. Inzwischen war der Ausbruch bemerkt worden, man hörte Rufe und näher kommende Schritte. Es musste alles unheimlich schnell gehen. Ich konnte mich kaum mehr verabschieden, da packte Tiáns Cousine mich und flog los.

Ich sah nur noch, wie Tián sich seiner Sippe entgegen stellte.

Bestimmt einen ganzen Tag verbrachten wir über dem Meer, dann setzte Tiáns Cousine mich an der hiesigen Küste wieder ab und flog direkt zurück.

Ich war einfach fertig mit den Nerven. Irgendwoher erinnerte ich mich an Andeutungen, die ihr irgendwann einmal über die Lage dieses Dorfes gemacht hattet und ging einfach los, durch die Stürme und Unwetter der letzten Tage, hoffend, dass ich dieses Dorf finden und erreichen würde, bevor meine Nacht der Schwäche käme. Ich habe einfach gehofft Zuflucht zu finden, weil ich nicht mehr weiter wusste.“
 

Die Freunde sahen betroffen drein. Das war ja wirklich keine schöne Geschichte, kein Wunder, das Shiori so durch den Wind war.

Unwillkürlich hatte Sango nach der einen Hand des Halbdämonenmädchens gegriffen und sie leicht gedrückt.

Shiori lächelte zaghaft und auch wenn es ihre Augen noch immer nicht erreichte, war klar, dass das Erzählen ihr gut getan hatte. „Ich verstehe nur nicht, wie man so verbohrt sein kann. Ich meine, ich bin eine Hanyô und außerdem habe ich wiederum meine Geschichte dort erzählt, sie wissen wie meine Eltern waren und vorallem, dass ich ebenso von Taigokumaru drangsaliert wurde. Warum behandeln sie mich so?“

„Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, warum Hanyô im Allgemeinen geschmäht werden“, gab InuYasha brüsk zurück.

„Das ist etwas anderes, InuYasha. Ihr Hanyô seit Wesen zweier Welten. Für die einen zu mächtig, für die anderen zu schwach, die einen haben Angst, die anderen verachten euch – und auch wenn euer Erbe kein Grund dafür ist, so ist es doch eine Grundlage. Das, was Shiori wiederfahren ist, ist ungleich starrköpfiger und haltloser“, gab Miroku zu bedenken.

InuYasha brummte nur vor sich hin, aber er schien verstanden zu haben.
 

„Und jetzt?“, fragte Kagome schließlich sanft und blickte wieder Shiori an.

„Wenn… wenn ich darf, würde ich gerne eine Weile hier bleiben. Ich hoffe immer noch, dass Tián es schafft, mir zu folgen, dort alles zu klären, dass sie ihn wenigstens gehen lassen.“

Die Freunde sahen sich an.

„Von mir aus gerne. Aber sagtest du nicht, Sesshômaru sagt dir irgendwann einmal Bescheid, was genau er von dir will und dann musst du nach seiner Pfeife tanzen?“, sprach Sango schließlich aus, was alle abwägten.

Kagome grinste schief. „Naja, ich hoffe mal, ihm fällt noch eine genaue Verwendung für mich ein, solange ich noch lebe. Wer weiß, wie gut er sich mit der Lebensspanne eines Menschen auskennt. Aber davon mal ganz abgesehen… selbst wenn wir umziehen müssen, um es mal vorsichtig auszudrücken, was spricht dagegen Shiori – und Tián – dann einfach mitzunehmen?“

„Sesshômarus Plan gilt für die Fürstentümer“, warf Miroku ein.

„Die Komori waren einst das neunte, organisierte Dämonenvolk. Außerdem… zwei Bewohner der Inseln mehr oder weniger…“, entgegegnete Shiori, sichtlich erleichtert, dass sie nicht gleich wieder vor die Tür gesetzt wurde und bewies damit, dass sie den Gesprächen während der Reise durchaus gelauscht hatte, auch wenn sie sie nicht wirklich etwas angingen. Dennoch unterdrückte sie nun nur mühsam ein Gähnen.

„Das ganze Geschehen hat dich ausgezehrt, oder?“, fragte Kagome prompt.

Shiori nickte etwas.

„Na, dann schlaf noch ein wenig. Ich muss jetzt sowieso zu Jinenji – bei Gelegenheit stelle ich ihn dir mal vor, er ist auch ein Hanyô, weißt du? Jedenfalls… wenn du etwas brauchst, frag‘ Kaede, sie war vorhin wach, weiß, wer du bist. Und wenn nicht, dann frag‘ dich zu Sango und Miroku durch, die beiden wohnen am Dorfrand“, erklärte Kagome noch, ehe die vier mit den Kindern im Schlepp Kaedes Hütte verließen.
 

Wurde Zeit, dass sie ihren Tagesgeschäften nachgingen und vorallem das erledigten, was während der zähen Regentage liegen geblieben war. Kagomes Kräuterunterricht zum Beispiel.

So schlugen InuYasha und sie also den Weg zu Jinenji ein, während Sango und ihre Familie ihrer Wege gingen.
 

~*~
 

Im Fenster ihres Zimmers im Schloss des Westens saß derweil eine schmale Gestalt und blickte über die Ebene, jenseits der Schlossmauern. Glänzende, dunkle Augen beherrschen das noch etwas kindliche Gesicht und doch schien das Mädchen nicht so ganz hierher zu passen.

Der Grund dafür war einfach: sie war ein Mensch. Und das Schloss war ein Dämonenschloss. Daran störte Rin sich aber nicht im Geringsten. Sie sang fröhlich vor sich hin und beobachtete dabei den Schlossgarten, der um diese Jahreszeit langsam wieder aus dem Winterschlaf erwachte.
 

„Ihr habt mich rufen lassen, Herrin?“, erklang eine scheue Stimme neben ihr.

Rin unterbrach ihr Lied und wandte rasch den Kopf. „Lass diese Scheu, Arisu. Ich habe dir doch schon gesagt, dass du mich mit Namen anreden kann, wie jeder andere auch“, gab sie zurück und kletterte vom Fensterbrett.

Die junge Yôkai vor ihrer Nase neigte den Kopf noch tiefer. „Wie Ihr wünscht, He-…äh… Rin?“

„Schon besser“, befand Rin lachend. „Und jetzt steh auf. Sag mal, wer soll hier eigentlich wem Benimm beibringen?“

„Ich soll Euch die Benimmregeln bei Hofe beibringen, so verlangte es der Taishô.“

„Mag sein. Aber wenn ich sage, du brauchst nicht weiter da unten zu knien, dann gilt das doch auch, oder?“

„Natürlich. Solange der Herr-“

„Sesshômaru-sama ist nicht da. Außerdem wird er sicher nichts dagegen sagen, wenn ich möchte, dass du in meinem Gemach nicht so tust, als sei es die Höhle eines blutrünstigen Wolfes.“

„Seid Ihr da sicher?“

Wieder lachte Rin fröhlich. „Er hat es mir höchstpersöhnlich versichert. Hier in meinem Gemach habe ich das Sagen – solange er nicht grundsätzlich etwas anderes sagt und ich es nicht auseinander nehme.“

„Wozu wohl kaum die Gefahr besteht“, bemerkte die Yôkai trocken und wagte nun, aufzublicken.

„Ganz recht. Ich finde es viel zu schön hier drin. Aber trotzdem möchte ich gerne raus in den Garten. Und solange Jaken beschäftigt ist, brauche ich anderweitig Begleitung, stimmts?“

„So besagen es dir Regeln, ja.“

„Siehst du. Ich kenne den Benimm inzwischen, aber ich kann doch trotzdem ich bleiben, oder?“

„Sicher, He-… Rin.“
 

Rin verkniff sich diesmal das Lachen und winkte die junge Yôkai, die ihre Zofe sein sollte, hinter sich her. Die folgte sofort.

Sie gingen die Zimmerflucht entlang, in der sich auch Sesshômarus Gemächer, sein Arbeitszimmer und einige weitere Räume befanden und liefen dann die breite, halbrund geschwungene Treppe hinab, die erst auf die Galerie und von dort in den großen Saal führte, in dem vor etwa einem Jahr noch das Jahrhunderttreffen der Dämonenfürsten gewesen war.

Dahinter befanden sich die Pforten auf den Schlosshof, richtung Ställe, Hinterhof – und Schlossgarten. Dorthin wandte Rin sich zielsicher.

Sie war schon oft hier gewesen, liebte die bunten Anlagen, die sie nun schon in Sommer, Herbst und Winter kannte. Der Frühling, der gerade begann, fehlte dagegen noch.

Außerdem war es hier schön ruhig, niemand blickte ihr komisch nach.

Der seltsame Mix aus Respekt – immerhin galt sie als Ziehtochter des Fürsten hier als Hime, auch wenn ihr das nicht wirklich bewusst war – und Verachtung – ein Menschenmädchen im Dämonenschloss – war nicht immer leicht zu ertragen, so unbefangen Rin auch war.
 

Daran verschwendete sie jetzt aber keinen Gedanken, sondern schlüpfte nur durch das reich geschmückte Tor und lief in das Grün hinein.

Arisu folgte langsamer, sichtlich nicht wissend, was sie vom Verhalten ihrer Dienstherrin halten sollte.

Kurzerhand packte Rin die Hand der Yôkai und zog sie mit sich, während sie spielerisch über die Kieswege tanzte.

Erst kam Arisu nur zögerlich hinterher, dann aber schien sie ebenfalls Spaß an der Sache zu finden und als Rin nach einer Weile lachend und keuchend ins noch spärliche Gras sank, setzte Arisu sich daneben. „Ihr seid verrückt!“, befand sie und japste ebenfalls ein wenig nach Luft.
 

Rin lachte nur noch lauter, drehte sich auf die Seite und blickte ihre ‚Zofe‘ an. „Ich bin ich. Und ich bin froh, dass ich bei euch so sein kann. Die Menschen haben es mir früher nie erlaubt“, antwortete sie leichthin und der kleine Funken Melancholie in ihren Augen verschwand sofort wieder hinter ihrer üblichen Unbefangenheit.

Arisu sah erstaunt drein. „Aber die Menschen… das ist Euer Volk, Eure Art!“

„Irgendwie ist es schon lange nicht mehr so. Ich bin ein Waisenkind, weißt du, Arisu. Meine Eltern und Geschwister wurden von Banditen gemeuchelt, da war ich gerade sechs. Ich musste es mit ansehen, aber ich habe überlebt. Mein Dorf nahm mich auf, doch ich musste alle möglichen Dienste erledigen und durfte im Gegenzug nichts. Wollte ich für mich selbst sorgen – manchmal, wenn es nicht anders ging, dann auch dadurch, das ich stahl – wurde ich geschlagen, getreten, sowas. Dann lernte ich Sesshômaru-sama kennen. Er duldete mich bei sich, beschützte mich, behandelte mich gerecht. Ich bin dankbar.“

Arisu sah nachdenklich aus. „Der Taishô ist, sofern ich das beurteilen kann, die Ehrerfüllung in Person. Aber die anderen Dämonen hier, Ihr wisst schon, dass sie Euch nur akzeptieren, weil sie Angst vor Sesshômaru-sama haben, oder?“

Rin lächelte etwas. „Und du? Respektierst du mich auch nur, weil Sesshômaru-sama das von dir verlangt?“, fragte sie zurück.

Arisu zögerte. „Nein… ich… ich habe Euch kennengelernt. Ich glaube, Ihr seid etwas Besonderes.“

„Na siehst du. Haben die anderen dazu je Gelegenheit gehabt?“

„Sicher, dass sie das überhaupt wollen? Der Taishô ist jetzt seit Tagen weg. Wer sagt Euch, dass niemand die Gelegenheit nutzt, Euch aus dem Weg zu schaffen?“
 

Rin ließ sich zurück auf den Rücken fallen und verschränkte die Arme unter dem Kopf, beobachtete die Wolken. „Das glaube ich nicht, Arisu. Was habe ich ihnen denn getan, das einen Angriff rechtfertigen würde?“

Die Sika-Yôkai sagte nichts mehr. Als Sesshômaru-samas Ziehtochter seid ihr eine Hime, ein Mensch, der höhergestellt ist, als die meisten Yôkai in diesem Schloss… wenn das Mal nicht Grund genug ist… Arisu musterte ihre Dienstherrin. Sie selbst war als Sika auch nicht gerade der typische Bewohner dieses Schlosses, sie war froh ob ihres Postens, neidete diesem Menschenmädchen vor sich nichts. Aber sie kannte selbst in der Dienerschaft genug, die dies taten.

Ihr lebt gefährlich… Herrin…

Hilfsangebote

Scheinbar völlig ungerührt stand Sesshômaru derweil auf einem Hügel nicht weit von seinem Schloss.

Aber er gedachte noch nicht, zurückzukehren.

Hier draußen konnte er besser nachdenken.
 

Da fiel ihm auf einmal eine Witterung auf, die sich näherte, langsam, ruhig. Er brauchte nur einen Atemzug um Arata zu erkennen, jenen Inu, der ihm seinerzeit das Kämpfen gelehrt hatte und noch einiges mehr.

Und er wusste, wenn er Arata wittern konnte, dann konnte der auch ihn wittern. Der Alte war selbst ein wahrer Daiyôkai, ein erfahrener Krieger, der durchaus auch Spionagequalitäten besaß.

Für Vater wäre er durchs Feuer gegangen…, schoss es Sesshômaru durch den Kopf, dann setzte er sich langsam in Bewegung. Vielleicht sollte er es nutzen, dass er den Alten hier draußen antraf. Im Zweifelsfall war sein alter Lehrer der einzige, dem er vertrauen konnte, wirklich vertrauen konnte. Und die letzten Monate hatten gezeigt, dass er allein zu keiner Lösung kam. Schließlich war es jetzt noch dringender: fünf Monate Galgenfrist, ein Wimpernschlag für jeden Dämon.
 

Als er den alten Inuyôkai an einem kleinen Waldtümpel fand, wirkte der keineswegs überrascht.

„Ihr sucht Rat, Sesshômaru-sama, habe ich Recht?“, empfing er ihn mit ruhiger Stimme, neigte sich im Umdrehen etwas vor.
 

Sesshômaru nickte jetzt ohne zu Zögern. „Der Krieg zwischen den Neko und den Inu, wie ist er entstanden?“, wollte er kühl wissen.
 

Arata sah ihn an. „Ursprünglich meint Ihr? Nun, leiden konnten die beiden Clans sich noch nie, dafür ist ihre Lebensweise zu unterschiedlich. Aber wirklich Krieg… lasst mich überlegen, die erste Schlacht war vor gut 6000 Jahren, da war selbst ich noch lange nicht auf der Welt. Damals herrschten noch die… Saru-Yôkai über den Osten. Gleichzeitig kam zum ersten Mal ein LöwenYôkai bei den Neko an die Macht, Ihr wisst, die einzige Nekoart, die sehr viel von Gemeinschaft versteht. Jedenfalls gelang es jenem Fürsten, die Nekovölker zu einen. Als er starb, übernahm sein Sohn die Macht – und führte die geeinten Neko gegen die Inu, wollte den Westen erobern. Dass er nicht die Kitsune oder die Ookami angriff, ist vermutlich reiner Zufall, liegt an den üblichen Reibereien, oder daran, dass die Inu die jüngste Dämonenart sind, keine Ahnung. Jedenfalls verlohren die Neko nach fast zwanzigjährigem Krieg nur knapp. Dennoch drifteten die einzelnen Stämme auseinander, wollten wieder eigenständig sein und nur ein schneller, gemeinsamer Sieg konnte sie beisammen halten, das wusste der damalige Fürst. Also wandten sie sich gegen den Osten, gewannen und setzten sich dort fest. Die Saru waren seitdem verstreut und sind heute fast ausgestorben. Fast tausend Jahre war Ruhe, der Fürst hatte seine Geltungssucht vorerst gestillt und durch das neue Gebiet waren auch die meisten Stimmen ruhiggestellt, die mehr wollten.

Aber vergessen hatte man die Niederlagen auf westlichem Gebiet natürlich nie. Und schließlich kamen wieder kleine Grenzgefechte auf, Flächenbrände entwickelten sich und seit dem liegen die Neko und die Inu endgültig im Klinsch, es kommt bloß auf die jeweiligen Fürsten beider Seiten an, ob der Funke ein Feuer entfacht oder nur unter der Erde vor sich hin lodert. Ohne das Durchgreifen Eures Vaters hätte es vor fünfhundert Jahren wieder eine jahrzehntelange Schlacht gegeben, da bin ich sicher. Damals war alles sehr knapp, zumal die Neko in den letzten paar Jahrhunderten ja immer wieder meinten, sich auf den kleinen Festen hier im Westen wieder einrichten zu müssen – zeitweise wenigstens“
 

Sesshômaru hatte reglos zugehört. Der Auslöser war also rein imperialistisch und ist einfach nie beigelegt worden…, resümierte er für sich und schüttelte innerlich den Kopf. Der Grund war zu einfach, um ihn auszuräumen. Weiterhelfen tat ihm das aber auch nicht, auch wenn die Neko im Moment wieder einigermaßen friedlich auf ihr Gebiet zurückgekehrt waren.
 

„Das wolltet Ihr gar nicht wirklich wissen, oder? Worauf wollt Ihr hinaus, Sesshômaru-sama? Warum interessieren Euch die Neko plötzlich so?“, mischte Arata sich in seine Gedanken ein, die dunkelgrünen Augen des Alten leuchteten im matten Sonnenlicht heller als gewöhnlich.
 

„Die Raion“, korrigierte Sesshômaru emotionslos.
 

Er hatte allerdings übersehen, dass Arata ihn schon seit seiner Kindheit kannte.

Die Raion, die Euch auf Eurer Reise begleitete?“, formulierte der ältere Hundedämon spitzfindig um, sodass die Äußerung eine völlig andere Bedeutung bekam.
 

Sesshômaru unterdrückte ein Knurren und nickte stattdessen.
 

Arata hatte ihn durchschaut. „Was ist mit ihr?“, schob Arata hinterher.
 

Sesshômaru beschloss, reinen Wein einzuschenken. „Ihr Sohn ist meinen Blutes“, gab er zu Protokoll.
 

Damit hatte Arata nun doch nicht gerechnet, denn seine Augen bekamen kurz einen ungläubigen Ausdruck, dann schüttelte er den Kopf. Oh, Sesshômaru…

„Ihr könntet sie nachträglich zeichnen. Es gibt ein Ritual dafür“, sagte er, als er seine Sprache wiedergefunden hatte.
 

Sesshômaru konnte zwischen den Zeilen lesen, dass Arata die Problematik bereits erfasst hatte. „Tôran“, knurrte er deswegen nur.
 

„Eine Heirat zwischen zwei Dämonenclans ist Außenpolitik, da hat Fürstin Tôran nichts zu melden. Dennoch wird sie intrigieren, zumal sich diese Löwenprinzessin am Neko-Hof befinden, nicht wahr?“
 

Sesshômaru nickte knapp. Genau das war die Schwierigkeit.
 

„Ihr braucht Unterstützung. Jemanden, der große Stärke besitzt, der sich aber keine Hoffnungen auf einen höheren Posten macht, wenn er bevorzugt wird. Pläne, die die hohe Politik unterlaufen sollen, kann man nicht alleine schmieden.“
 

Sesshômaru wusste, dass Arata auf Chiyo, seine Mutter, anspielte, aber er dachte nicht daran, die um Rat zu fragen. Aber hatte er Alternativen?

Er verschränkte die Arme – und plötzlich erinnerte er sich an den Brief seines Vaters, an das, was dabeigelegen hatte. Wenn einer keinen Wert auf einen hohen Posten legt, dann der. Aber ob ich ihm vertrauen kann?, fragte Sesshômaru sich unwillkürlich.

Ihm war durchaus bewusst, dass er noch bis vor kurzer Zeit nicht einmal in Erwägung gezogen hätte, InuYasha irgendwie ins Vertrauen zu ziehen. Aber vielleicht war das wirklich die einzige Möglichkeit, die er hatte.
 

„Ihr habt eine Idee?“, deutete Arata Sesshômarus ausnahmsweise mal nicht gänzlich gleichgültigen Blick richtig.
 

Der jüngere Inuyôkai antwortete jedoch nicht.
 

Arata schüttelte erneut den Kopf. „Wenn Ihr erneut meinen Rat wünscht… Ihr wisst, wo ich zu finden bin. Ich muss mich jetzt wieder um meinen Schüler kümmern. – Übrigens, dankt Eurer Ziehtochter. Wenn sie nicht immer mit Eurem Reitdrachen reden würde, als könnte er ihr konstruktive Antworten geben, dann hätte ich mir nicht schon längst Gedanken über Eure Situation gemacht...“

Der alte Inuyôkai erlaubte sich ein Zwinkern, ehe er an Sesshômaru vorbei zurück richtung Schloss ging.

Er ließ einen selten paralysierten Sesshômaru zurück.
 

~*~
 

„Weißt du, was ich mich frage?“
 

Kohaku sah auf, als Koume ihn fragend anblickte. „Woher sollte ich?“, gab er zurück und musterte sie von der Seite.
 

„Du bist so dankbar, dass ich dir ein paar Aufträge verschaffe, dabei hat einst dein ganzes Volk von diesen Aufträgen gelebt. Wie kann das sein?“
 

Kohaku legte den Kopf in den Nacken, während er zurückdachte. „Wir hatten überall unsere Kontaktmänner und eine Meldekette aus Jagdfalken. Oft genug waren es aber einfach Boten, die uns riefen. Damals war es bekannt, das es uns gab und was wir konnten“
 

„Und seit der Zerstörung eures Dorfes ist das anders?“
 

„Die Taijiya gelten als ausgestorben“, antwortete er bitter und sah sie wieder an. Seine Augen blickten unergründlich.
 

Koumes Hand glitt geistesabwesend durch Katashis Fell, während sie sichtlich überlegte.

„Sie gelten als ausgestorben – aber ihr seid es doch nicht!“, stieß sie dann hervor, so heftig, dass der kleine Kater mit gesträubtem Nackenfell aufblickte.
 

Kohaku stieß sarkastisch die Luft aus. „Meine Schwester und ich – nennst du das ein Volk?“
 

„Nein. Aber ein Nichts ist es auch nicht“, konterte Koume und sah ihn durchdringend an.
 

Kohaku spürte Unbehagen in sich aufsteigen. Er sprang auf und wandte sich brüsk ab, den Blick starr auf das Wasser im Bachbett gerichtet, das im Sonnenlicht hell glänzte.

„Du verstehst das nicht, Koume. Du bist nicht in dieser Situation!“, gab er bitter zurück.

Sie hatte zielsicher seinen wunden Punkt getroffen und es rief mehr als wiedersprüchliche Gefühle in ihm wach, dass sie ihn inzwischen so gut kannte.
 

„Und wie gut ich das verstehe, Kohaku. Ich merke doch, was dich plagt. Meine Güte, ich kann langsam nicht mehr mitansehen, wie du dich quälst!“
 

Kohaku verspannte sich. „Was willst du mit deiner Ansprache erreichen, hm? Warum tust du so, als gäbe es noch eine Chance, die Tradition der Taijiya wiederzuerwecken?“
 

„Weil es sie noch gibt. Gami, solange du und deine Schwester noch wissen, das es bedeutet, ein Dämonenjäger zu sein, was spricht dagegen, dieses Wissen zu pflegen?“
 

Vom Boden her war ein zustimmendes Piepsen zu hören, Kohaku wusste auch ohne hinzusehen, dass Kirara dort stand.

„Was treibt dich? Warum wendest du so viel Kraft auf, mich anzufeuern?“, fragte Kohaku matt.
 

Da plötzlich spürte er Koumes Hand auf der rechten Schulter. „Das habe ich schonmal gesagt. Ich kann nicht mitansehen, wie du leidest.“
 

Er wandte etwas den Kopf, musterte aus dem Augenwinkel ihre zierlichen Finger. Aus einem plötzlichen Impuls heraus hob er die linke Hand und legte sie auf Koumes. „Das ist lieb, Koume. Aber das ist etwas, was ich mit mir selbst ausmachen muss...“
 

Koume trat um ihn herum. „Mag sein. Aber… wenn du mich brauchst, sei sicher, das ich da sein werde! – Komm, Katashi!“

Sie sah ihm noch einmal fest in die Augen, dann wandte sie sich ab und ging, dicht gefolgt von dem dämonischen Kater, zurück richtung Dorf.
 

Kohaku blickte ihr nach. Vielleicht hast du Recht, Koume… vielleicht sollte ich mich endlich wieder darauf besinnen, warum ich eigentlich kämpfe…
 

~*~
 

Als es Abend wurde, bei Musashi, trafen sich die Freunde auf dem kleinen Wiesenstück vor Sangos und Mirokus Zuhause. Kagome hatte auch Shiori überredet, mitzukommen und inzwischen war die junge Halbdämonin froh darum. Ein bisschen Zerstreuung konnte sie sicherlich gebrauchen.
 

Doch plötzlich hob InuYasha den Kopf. „Was macht der denn hier?“, wollte er leise wissen und blickte über Kagomes Schulter zum Waldrand hinüber.

Die anderen folgten seinem Blick.
 

Dort schwebte, ein Stück über dem Boden, wie ein Geist, eine helle Gestalt zwischen den Bäumen. Die Arme in die Haoriärmel gesteckt, das Gesicht ausdruckslos, völlig unbemerkt war Sesshômaru aufgetaucht.

„Wie schön, dass du mich diesmal bemerkst, kleiner Bruder“

Das klang ungefähr so ironisch, wie an dem Abend, als Kagome Sesshômaru kennenlernte.
 

Unwillkürlich verspannte der Hanyô sich. Diese Stimmung seines Halbbruders behagte ihm ganz und gar nicht. „Was willst du?“
 

„Mit dir reden… ein kleines Gespräch unter Brüdern“, kam es zynisch zurück.
 

InuYasha sprang auf. „Was. Willst. Du?“, knurrte er.
 

Sesshômaru blieb eine ganze Weile still. Seine Augen leuchteten unergründlich in der hereinbrechenden Dunkelheit. „Ich habe dir etwas zu geben. Von Vater“, sagte er dann ernst.
 

Darauf wusste InuYasha so rasch nichts zu erwidern. Er starrte seinen älteren Halbbruder nur an, unfähig zu reagieren.
 

Schließlich war es Kagome, die ihn wachrüttelte. „Wenn er dir etwas geben will, dann geh‘ mit ihm. Er scheint es dir nicht in unserer Gegenwart geben zu wollen“, forderte sie ihn auf und erhob sich.
 

Doch zu ihrer Überraschung kam Sesshômaru nun näher. „Schick‘ deine Leute weg… deine Gefährtin darf bleiben!“, befahl er kühl.
 

Kagome blinzelte überrascht. Seit wann sprach Sesshômaru sie denn so an? Sie konnte nicht ahnen, dass Sesshômaru witterte, dass InuYasha und sie inzwischen das Lager teilten.
 

InuYasha runzelte derweil die Stirn, seine Hundeohren zuckten verständnislos, aber die anderen hatten bereits verstanden.

Ohne auf eine Aufforderung zu warten, machten Sango, Miroku und Shiori sich davon.
 

Zurück blieben nur drei Gestalten, auf dem kleinen Wiesenstück. Einen Moment lang beäugten sie sich nur, dann trat Sesshômaru noch ein Stück näher. „Damals, kurz vor seinem Tod gab Vater dir einen Namen, erkannte dich damit als seinen Sohn an, das weißt du“, konstatierte er scheinbar gelassen. Nichts zeigte, wie sehr es ihn anstrengte, dieses Gespräch zu führen, welche Überwindung ihn sein Tun kostete.
 

„Und was soll mir das sagen?“, fragte InuYasha wenig begeistert zurück. Als ob sein Halbbruder hier angetanzt war, um ihm etwas mitzuteilen, was selbst er längst wusste.
 

„Er hat dich genauso als seinen Sohn gesehen, wie mich, und hätte er überlebt, wäre er dir sicher mehr Vater gewesen, als mir“, fuhr Sesshômaru fort, als habe es den Kommentar des Hanyô nie gegeben.
 

„Keh! Er hat es aber nicht überlebt. Ist es das, was du mir wieder auf die Nase binden willst? Dass er meinetwegen gestorben wäre?“
 

„Nein. Er wäre auch so in dieser Nacht gestorben. Der Geruch des Todes haftete bereits an ihm, als ich ihn das letzte Mal sah, an jenem Abend. Ich habe jedoch erst vor kurzem erfahren, dass sein Erbe an dich aus mehr bestand, als aus Tessaiga.“
 

Jetzt war InuYasha doch perplex. „Hä?“
 

Auch Kagome schaute ungläubig drein. Noch bis vor wenigen Jahren hatten die beiden Halbbrüder sich um Tessaigas Willen aufs Blut bekriegt und jetzt gestand Sesshômaru InuYasha noch mehr des Erbes zu?

Sie erwartete nicht ohne Grund eine Einschränkung und Sesshômaru lieferte auch direkt eine: „Allerdings liegt es an mir, ob ich es dir aushändige. Ich stelle eine Bedingung.“
 

Wieder zuckten die Hundeohren auf InuYashas Kopf. „Und was soll das schon wieder sein?“

Es war deutlich, dass er glaubte, Sesshômaru wolle im Gegenzug nun doch Tessaiga fordern.
 

Kagome hatte allerdings ein Stück weitergedacht. „Hör ihn doch wenigstens an. Ich glaube nicht, dass das, was er hier gerade tut, ihm sonderlich leicht fällt.“
 

„Mir doch egal“, brummte InuYasha, aber wie um seiner eigenen Worte Lüge zu strafen, blickte er fast neugierig zu Sesshômaru.
 

Der verengte etwas die Augen. „Ich verlange, dass du mir Loyalität schwörst. Ich verlange, das du einen Eid ablegst, von nun an auf Seiten der Inu zu kämpfen – und somit auf meiner Seite!“
 

Selbst InuYasha hörte aus diesen Worten die vertiefte Ernsthaftigkeit heraus und verkniff sich eine leichtfertige Antwort. Musternd glitten seine Augen über den Daiyôkai, ehe er an jenen Iriden hängen blieb, die seinen so ähnlich waren.

InuYasha schloss die Augen. „Was kriege ich dafür?“, wollte er dann wissen.
 

Kagome verzog das Gesicht, als hätte sie sich am Liebsten vor die Stirn geschlagen, unterließ es aber gerade noch. Manchmal besaß InuYasha wirklich das Einfühlungsvermögen einer Planierraupe.
 

Sesshômaru verzog allerdings keine Miene, stattdessen nahm er die Arme aus den Haoriärmeln, eine Hand hatte er fest um etwas geschlossen, das so nicht zu erkennen war.

„Was ich hier in der Hand halte ist die größtmögliche Anerkennung, die unser verehrter Herr und Vater einem wie dir hätte verschaffen können“
 

Es blieb unklar, ob InuYasha die darin versteckte Beleidigung nicht herausgehört oder einfach überhört hatte, jedenfalls wirkte der weißhaarige Hanyô nicht mehr halb so angesäuert, wie zuvor.
 

Kagome lächelte bei dieser Beobachtung, sah dann zwischen den Halbbrüdern hin und her.
 

Keiner rührte sich mehr.

Schließlich wurde es dem Inuyôkai ganz offensichtlich zu dumm. „Auf die Knie“, forderte er.
 

InuYasha holte schon wieder Luft um zu protestieren, da legte Kagome ihm eine Hand auf den Arm. „Zum Schwur. Er will, dass du den Eid vernünftig leistest“, flüsterte sie, im Wissen, dass Sesshômaru sie dennoch hörte.
 

Zögernd ließ InuYasha sich auf ein Knie nieder.
 

„Und jetzt eine Hand auf den Boden und die andere aufs Herz. Und den Blick senken“, instruierte Kagome weiter, die zum ersten Mal seit langem wirklich froh darüber war, dass sie seinerzeit wenigstens ab und an in der Schule gewesen war. Die Gelöbnis-Haltung eines Getreuen vor seinem Herrn war schließlich Teil des Geschichtsunterrichtes gewesen.
 

InuYasha tat, wie von ihm verlangt, wenn auch sichtlich unzufrieden mit seiner Rolle in diesem Possenspiel. Selbst er hatte längst durchschaut, dass Sesshômaru nicht allein wegen dieses Schwurs hier war und dass er, InuYasha, so lange nur eine Spielfigur war, bis sein Halbbruder mit dem eigentlichen Grund seines Kommens herausrückte.

Mühsam kratzte er die wenigen Erinnerungen an Beobachtungen während seiner Kinderzeit zusammen.

„Ich, InuYasha… äh, Hanyô von Geburt, schwöre Sesshômaru-“
 

„Fürst“, unterbrach besagter Yôkai ihn und seine Augen funkelten in der Dämmerung.
 

„… schwöre Fürst Sesshômaru, dem Inu no Taishô, die Treue“, vollendete InuYasha etwas schwerfällig.
 

„Steh auf und dreh‘ dich um“, sagte Sesshômaru nur, während er die bisher zur Faust geschlossene Hand etwas öffnete.

Geschliffene, schwarze Edelsteine blitzten zwischen seinen Fingern.
 

InuYasha folgte der Aufforderung ungewohnt gehorsam.

Er spürte, das Sesshômaru nah hinter ihn trat und über ihn hinweg griff, dann lag plötzlich etwas Kühles an seinem Hals. Schmale Finger berührten seinen Nacken, als Sesshômaru die Kettenglieder mit etwas Yôki verband. Unwillkürlich griff InuYasha zu dem Amulett an seiner Brust, fühlte feinen Kristall.

„Was ist das?“, wollte er ehrlich neugierig wissen.
 

„Vaters Familienzeichen, die lichtrote Triskele. Diese Kette ist ein Vaterlinie-Amulett. Mit dieser Gabe erkennt Vater dich nicht nur als Sohn, sondern als wahres Mitglied der Familie an, ohne dass meine Mutter dem zustimmen müsste. Und in seinem Namen, tue ich es auch – InuYasha“, erklärte Sesshômaru und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, meinte Kagome aus seiner Stimme einen Hauch Freundlichkeit heraus zu hören.

Sie war mehr als gespannt, was Sesshômaru offensichtlich so wichtig war, dass es ihn zu solch einem Verhalten trieb.
 

InuYasha hatte sich derweil wieder umgedreht und blickte zu seinem Halbbruder auf. In seinen Augen glänzte eine neue Freude, die Kagome noch nie bei ihm gesehen hatte. Ihr wurde bewusst, wie viel InuYasha dieses Geschehen bedeutete, wie sehr er sich insgeheim nach dieser – wenn auch offensichtlich zur Hälfte erzwungenen – Anerkennung gesehnt hatte.

Damals, auf der Jagd nach dem Shikon no tama, da wollte er ein voller Dämon werden, erst um einfach stark zu sein, dann um uns zu beschützen – aber ich glaube, er wollte es auch, um von dem bisschen Familie, was er hat, anerkannt zu werden… schon immer wollte er das…

Sie lächelte etwas. „Ich freue mich für dich, InuYasha. Er hat dir einen großen Wunsch erfüllt, oder?“, fragte sie leise.
 

InuYasha drehte den Kopf. „Ja, das hat er“, gab er offen zu, so offen, wie er früher nie geredet hätte. Dann zog er Kagome ohne ein weiteres Wort in seine Arme, barg das Gesicht in ihren Haaren.
 

Die junge Miko schmiegte sich an ihn. Jeder andere hätte vor lauter Glück geweint, dies hier war für InuYashas Verhältnisse ein ebenso großer Gefühlsausbruch.

Ihre Augen wanderten zu Sesshômaru. „Arigatou, Sesshômaru“, formte sie mit den Lippen und erkannte überrascht, dass er ihr zunickte, sie nicht ignorierte.
 

Plötzlich aber fuhr InuYasha auf, legte eine Hand an Tessaiga. Das Schwert pulsierte leicht.

Ein unwillkürlicher Blick zu Sesshômaru, gleiches galt für Tenseiga.

InuYasha grinste etwas.

Er hatte die Botschaft seines Schwertes verstanden.

Die Zwillingsklingen freuten sich.

Ihre Träger waren nicht länger nur Herren verwandter Waffen, nein, sie waren nun wirklich zu Brüdern geworden…

Pläneschmieden

Dieses Szenario wird immer seltsamer…, befand Kagome für sich, während sie Sesshômaru musterte, der stoisch gelassen in Sangos und Mirokus Hütte an der Wand lehnte. Nun, zu befürchten hatte der Kerl schließlich nichts, aber das er sich so anstandslos dazu herabließ, mit in die Menschenbehausung zu kommen, war schon seltsam.
 

Auch Sesshômaru überlegte im Hinterkopf, warum er sich so kooperativ gab, aber eigentlich wusste er es ganz genau.

Noch nie war ihm etwas so wichtig gewesen, als jetzt das Leben jener beiden Wesen zu schützen, um die es einzig ging. Dafür hätte er momentan alles getan.

Außerdem wusste er, dass Arata Recht gehabt hatte: Er brauchte einen starken Verbündeten und er brauchte jemanden, mit dem er einen Plan schmieden konnte.

InuYasha ging inzwischen durchaus als stark durch, aber zum Pläneschmieden war er zumeist wenig geeignet. So ungern er es zugab, da war schon eher von Kagome oder diesem Mönch etwas zu erwarten. Auch wenn sie alle beide nur Menschen waren.
 

Dennoch tat er so, als würde er nur zu InuYasha sprechen, als er die Stimme erhob: „Du kennst Tôran. Du bist schon mit ihr aneinandergeraten, wie ich auch – oft genug. Nur steht mir und dem gesamten InuClan jetzt vielleicht eine Konfrontation bevor, wie es sie seit Jahrhunderten nicht mehr gab. Es könnte Krieg geben.“
 

InuYasha verengte die Augen, blieb aber weiterhin ungewohnt aufmerksam.
 

Auch alle anderen Blicke lagen auf dem Inuyôkai, als er fortfuhr: „Und wenn wir Pech haben, dann bin einzig ich Schuld daran.“

Man hörte ihm ausnahmsweise an, wie schwer es ihm fiel, dies auszusprechen.
 

Die Anwesenden wechselten vielsagende Blicke. Da musste ja einiges geschehen sein, wovon sie keinen blassen Schimmer hatten.

Was Sesshômaru aber als Nächstes sagte, ließ InuYasha nach Luft schnappen. „Tôran und mit ihr der gesamte NekoClan wird niemals hinnehmen, dass ich eine andere Neko zu meiner Gefährtin mache.“
 

„Gefährtin? Du? Seit wann denn das?“, fragte InuYasha entgeistert.

„InuYasha…“, rief Kagome ihn im Flüsterton zur Ordnung, da mischte sich bereits Miroku ein. „Ich weiß nicht, was du hast InuYasha. Es sollte doch jedem erlaubt sein, das Glück der Lie-“

„Halt einfach die Klappe, Miroku!“, wies Sango ihren Ehemann scharf zurecht und zog mit einer beiläufigen Bewegung die Decke über ihren Töchtern zu Recht. „Ich nehme doch sehr an, dass das Problem ein anderes ist. … Soll uns doch ersteinmal egal sein, seit wann dein Halbbruder sich in den Kopf gesetzt hat, sich eine Gefährtin zu nehmen, InuYasha. Fest steht, dass einiges gegen seine Wahl spricht, einiges, was er nicht hinnehmen wird – habe ich Recht, Sesshômaru-sama?“
 

Dass sie die Höflichkeitsanrede benutzte, schien den Daiyôkai darüber hinweg sehen zu lassen, dass zwischenzeitlich über ihn gesprochen worden war, als sei er nicht da, denn er ließ sich zu einem Nicken herab.
 

InuYasha dagegen schien noch nicht ganz überzeugt. „Und nur weil du beschlossen hast, dir plötzlich eine Gefährtin zu nehmen, da soll ich-“
 

„Du hast mir Loyalität geschworen, InuYasha. Vergiss das nicht“, unterbrach Sesshômaru ihn und aus seiner Stimme sprach plötzlich wieder ein bisschen des alten Drohens.
 

Da mischte sich plötzlich Kagome wieder ein, die die ganze Zeit über nachdenklich geschwiegen hatte: „Es ist Natsu, nicht wahr? Es ist Natsu, für die du dich entschieden hast.“
 

Sesshômaru wandte ihr den Blick zu, seine tiefgoldenen Augen sahen sie fest an, dann schloss er die Lider, lehnte den Kopf in einer fast erschöpft wirkenden Geste an die Wand zurück. „Ja“, erwiderte er knapp.
 

Bis auf Kagome waren alle überrascht. „Ich frage mich, was diese Natsu so für Qualitäten hat, wenn sie selbst Se-“

„Miroku!“ Sango unterbrach das Sinnieren des Mönchs mit bedrohlich erhobener Hand.

„Du lernst es auch nie, Miroku…“, murmelte Kagome leise vor sich hin, aber ebenso wie bei Sango zuckten ihre Mundwinkel etwas. Beide wussten – ähnlich wie die anderen Anwesenden – dass Miroku eindeutig schonungsloser sein konnte.
 

„Es ist, weil sie in Euch hineinsehen kann, nicht wahr? Weil sie zwar nie um Worte verlegen war, aber immer eine magische Grenze eingehalten hat. Weil sie so sonderbar ist, dass sie Euch mehr als eines Blickes wert war. Und weil sie so offen und freundlich ist, so interessiert an Dingen, die andere Dämonen – inklusive Euch, wenn ich das so sagen darf – einfach verachten“, erhob sich da plötzlich Shioris leicht hallende Stimme, ihre violetten Augen waren nur halb geöffnet, aber sie sah Sesshômaru dennoch an.

Augenblicklich lagen alle Blicke auf ihr, nur Sesshômaru behielt die Augen geschlossen.

„Und weil das Kind, das sie bis vor zwei Tagen unter dem Herzen trug, auch das meine ist“, ergänzte er schlicht.
 

~*~
 

„Ist das wahr, Sensei?“ Shippôs Augen blitzten ungläubig.
 

Der alte Kitsune, der neben ihm auf den Stufen der Akademieveranda saß, lächelte etwas. „Ganz Recht, Kleiner. Ich denke, du bist bereit für die erste der drei Hauptprüfungen.“
 

Der halbwüchsige Fuchs strahlte, doch seine Züge wurden bald wieder ein klein bisschen ernster. „Was… was bedeutet das dann genau? Ich meine, ich weiß noch, dass diese drei Prüfungen den endgültigen Fortschritt hier an der Akademie dokumentieren. Aber sonst… meine Eltern kamen nicht mehr dazu, mir das genauer zu erklären.“
 

Der Lehrer sah nachsichtig auf ihn herab. „Nach der ersten Prüfung hört das reine Streichespielen auf. Du wirst auch lernen, deine Fähigkeiten ernsthaft einzusetzen und, wenn du magst, auch mit einer einfachen Waffe umzugehen, das heißt mit dem Bogen oder dem Katana. Dann kommt die zweite Prüfung, danach lernst du, Illusionen rein im Kopf zu bilden. Du brauchst dann keine Träger mehr, sondern kannst alles mit einem immer gleichen Hilfsmittel erledigen, die meisten Kitsune oder Tanuki nehmen ein Blatt dazu. Und nach der dritten Prüfung, naja, dann bist du fertig mit der Ausbildung“, erklärte er gelassen.
 

Shippô blickte zu seinen Schulkameraden, die sich nicht weit entfernt auf den nächsten Streich vorbereiteten. Wenn er das Geflüster heute Morgen richtig mitgehört hatte, dürfte die arme Yuuna wiedereinmal dran glauben. Er verzog etwas das Gesicht, sagte aber nichts dazu.

Stattdessen wandte er sich erneut an den Lehrer. „Ist sonst noch jemand bereit?“, wollte er wissen.
 

„Etsuko und Kyoko“, antwortete der Ältere bereitwillig.
 

Shippô riss die Augen auf. Etsuko war bestimmt hundert Jahre älter als er und Kyoko… naja, die war eine Daiyôkai. Was für eine Gesellschaft!

Unwillkürlich war er stolz, so sehr ihm diese Tatsache wieder einmal sein Anders-Sein vor Augen führten. Aber egal. Wenn er ausgelernt hatte, konnte er sich wieder geben, wie er war.

Bis dahin… sollte er sich wohl einfach freuen.
 

~*~
 

„Ich mache mir Sorgen“, murmelte Ayame leise und blickte zum Mond auf, der hell und klar über den Berggipfeln hing.
 

„Warum? Weil Sesshômaru gerne hätte, das die Dämonenclans umziehen?“, fragte Kôga und folgte ihrem Blick.
 

Die rothaarige Wolfsdämonin lächelte etwas. „Nein. Ich glaube, darüber können wir uns andermal Gedanken machen. Du sagtest doch selbst, selbst Sesshômaru war nicht ganz bei der Sache, als er am Schloss war“
 

„War er ja auch nicht, um das zu sehen, kenne ich ihn nun schon gut genug. Gleichgültig wie immer, aber nicht so kalt“, antwortete Kôga und fasste nach ihrer Hand.

„Was ist es, was dich sorgt?“
 

„Kenta. Er ist der wichtigste Berater, den wir haben, war meinem Großvater immer treu ergeben und kennt alle Geheimnisse der Ookami. Eigentlich wäre nichts gegen ihn zu sagen. Aber um diese Jahreszeit ist er jedesmal unberechenbar. – Sayokos Geburtstag ist fünf Monde her“, deutete sie an.
 

Kôga zog eine Grimasse. „Der Todestag seiner Gefährtin.“
 

„Genau. Und es ist das erste Mal, dass Kôhei nicht hier ist. Ich kann nicht einschätzen, wie die beiden damit klarkommen, diese Tage allein überstehen zu müssen“, sagte Ayame und lehnte sich etwas an den Schwarzhaarigen.
 

Der ließ ihre Hand los und legte ihr den Arm um die Schulter. „Wird schon alles werden“, murmelte er, aber lange hielt es ihn nicht in dieser ruhigen Haltung.

„Wo ist die Ayame, die ich kenne? Du bist melancholisch“, bemerkte er.
 

Die Rothaarige sah ihn von der Seite an. „Ich bin Fürstin, Kôga. Und ich bin Mutter.“
 

„Du hast schonmal bessere Wiederworte gegeben“, konterte Kôga trocken und sprang auf.
 

„Ach ja?“
 

„Ja, allerdings“ Kôga grinste und sprang zur Seite, als Ayame nach seinem Arm greifen wollte.

„Zu langsam“, neckte er.
 

Nun sprang auch Ayame auf die Füße. „Das glaubst auch nur du!“
 

„Ne. Ich sehe es“, provozierte er weiter.
 

Ihre grünen Augen schimmerten im Mondlicht mit den gefärbten Reißzähnen ihrer Halskette um die Wette.
 

Kôga kniff die Augen zusammen, während er sie musterte. Da war sie wieder, die burschikose Ayame, die ihm vertraut war.

Er deutete einen Schritt auf sie zu, an, ein vielsagendes Schmunzeln auf den Lippen.
 

Prompt wandte sie sich scheinbar resolut zur Seite. „Nichts da“, knurrte sie mit blitzenden Augen.
 

„Außer?“, fragte Kôga, der ihre Spielchen inzwischen zu Genüge kannte.
 

„Außer du kriegst mich!“, schnappte sie verspielt und sprang nach hinten weg, kaum, dass er noch einen Schritt näher machte.
 

„Das dürfte nicht schwierig werden“, gab er ebenso fröhlich zurück und setzte ihr urplötzlich nach.
 

Darauf war Ayame allerdings vorbereitet gewesen. „Das wäre ja wohl zu einfach.“
 

„Du lässt es mich immer noch spüren, dass du um meine Aufmerksamkeit hast kämpfen müssen“, brummte er beleidigt, während er abzuschätzen versuchte, wohin sie das nächste Mal springen würde.
 

Ayame wiegte sich von einem Fuß auf den anderen. „Was ja wohl nur legitim ist“, grollte sie grinsend und wich seinem Vorpreschen nach oben aus, landete geschickt auf einem Felsvorsprung, ein paar Meter weiter oben.
 

Kôga sah ihr gespielt verstimmt nach. „Na warte“, wisperte er leise, ehe er hochschnellte und sie nun nachdrücklicher kreuz und quer über die Felswand scheuchte.

Er wusste, dass er ohne die Juwelensplitter nur ein klein wenig schneller war, als sie, aber gerade so machte es ja Spaß. Ein Spiel war nur dann amüsant, wenn der Gewinner nicht von vorneherein feststand, da waren sie beide sich schon immer einig gewesen.
 

~*~
 

Über dem Nekoschloss verdeckten derweil dicke Wolken den Mond. Einzig ein fader Schemen war zu erkennen.

Die Augen der jungen Dämonin, die in einem Seitenflügel an der Fensterbrüstung stand, erschienen dunkel im matten Licht.

Natsu seufzte leicht. Sie fühlte sich müde, obgleich eine Daiyôkai wie sie eigentlich nicht oft schlief, schlafen musste. Aber das Binden ihres Sohnes brauchte fast ihre gesamte Kraft.

Wenn er mich nach nichteinmal zwei Tagen schon so ausgelaugt hat, wie soll das dann in den nächsten Monden werden?, fragte sie sich in Gedanken und warf einen Blick zurück in Richtung ihres Lagers, wo der Kleine lag und schlief.

Früher oder später blieb ihr nichts anderes übrig, als Amaya erneut um Hilfe zu bitten. Die Schamanenkräfte ihrer Schwester waren die einzigen in Reichweite, die ihr Yôki ohne Nebenwirkungen unterstützen konnten.
 

Auf einmal hörte sie die Schiebetür hinter sich aufgleiten, drehte sich gänzlich herum.

Wie auf Kommando stand Amaya dort, ein verschmitztes Grinsen auf den Lippen. „Mir ist da etwas zu Ohren gekommen.“
 

Natsu blinzelte etwas und kam ihrer Schwester entgegen. Sie wusste nicht, worauf die Jüngere hinaus wollte.
 

„Du weißt doch, dass Fürst Shô und Fürst Daikuma Boten geschickt habe, oder?“
 

Natsu nickte etwas.
 

„Beide haben die Schnauze voll von den neuen Menschendörfern und den kranken Oni. Sie drängen auf ein weiteres Treffen, jetzt wo die Sekai no Tia wieder zur Verfügung steht. Und Tôran besteht darauf, dass es hier stattfindet“, berichtete Amaya triumphierend.
 

Natsu zog eine Augenbraue hoch, kam aber nicht ganz hinter den Grund der Euphorie ihrer Schwester. „Und?“
 

Amaya schüttelte den Kopf, sodass die blutgefärbte Blüte beinahe aus ihrem Schopf fiel. Rasch steckte die Schwarzhaarige sie wieder fest. „Naja, zu einem solchen Treffen werden sicher nicht nur Daikuma und Shou aufkreuzen, sondern notgedrungen auch die anderen Fürsten“, stellte sie klar.
 

Augenblicklich begannen Natsus Augen etwas zu leuchten. Sie hatte verstanden. „Gomen nasai, Amaya. Der Kleine fordert mich ganz schön“, entschuldigte sie sich matt, aber es lag ein flüchtiges Lächeln auf ihren Lippen.
 

Amaya blickte mitfühlend drein. „Er wäre eindeutig ein Fall für eine Doppelbindung, oder?“, fragte sie.
 

„Mit Sicherheit“, bestätigte Natsu und trat zu ihrem Lager um sich auf den Futon zu setzen.

Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, streckte sie sich neben ihrem Sohn aus, dessen kurze, weiße Haare im matten Licht gespenstisch schimmerten. „Sesshômaru hat einfach eine unglaubliche Stärke. Obwohl ich selbst eine erbliche Daiyôkai bin, reiche ich nicht einmal annähernd an seine Macht heran“, murmelte sie leise.

Amaya setzte sich zu ihr.
 

Doppelbindung, das hieß, die zweite Kontrolle über den Vater des Kindes; wurde normalerweise nur praktiziert, wenn ein Daiyôkai eine normale Yôkai zur Mutter seiner Kinder machte. Es war weithin bekannt, dass sämtliche Kinder des Fuchsfürsten doppelgebunden gewesen waren, aber ansonsten wurde diese Praxis selten nötig.
 

Was denke ich eigentlich darüber nach… es gibt doch sowieso keine Chance, mir auf diese Weise zu helfen… ich kann froh sein, wenn ich Sesshômaru noch ein paar Mal aus der Ferne zu Gesicht bekomme… Wieder floss ein Seufzen über Natsus Lippen.
 

Milde lag in dem Blick Amayas, als sie ihre Schwester musterte. Sie konnte sich denken, was der durch den Kopf ging.

„Vorerst kann ich dir auch helfen. Wenigstens ein bisschen“, wisperte sie und legte zwei Finger der einen Hand auf ihr Amulett, zwei Finger der anderen auf die Stirn des schlafenden Yôkaikindes. Es erwachte nicht. Amaya spannte sich an, als sie ihre Schamanenkräfte Natsus Kräften beimischte und war zum ersten Mal froh über ihre starke Magie.

Bisher hatte sie das nur in Schwierigkeiten gebracht, doch diesmal gab nur das ihr die Möglichkeit, ihrer Schwester vernünftig zu helfen. Eine einfache Schamanin hätte nicht die Kraft besessen, hier etwas Nennenswertes auszurichten.

Langsam hob sie eine Hand, packte ein einzelnes ihrer Haare und zupfte es aus, knotete es vorsichtig um das schmale Handgelenk ihres Neffen. Mein Neffe, wie sich das anhört…, schoss es ihr unwillkürlich durch den Kopf, aber sie lächelte.

Dann hob sie erneut die Hand und tupfte mit Daumen und Ringfinger kurz auf Natsus Stirn. Augenblicklich entspannte ihre Schwester sich.

Ich weiß, du wirst nicht begeistert sein, wenn du wieder wach wirst, aber nur so kann ich dir etwas Ruhe gönnen. Keine Angst, bis du wieder erwachst, schaffe ich es schon, ihn zu kontrollieren. Du muss Kraft tanken und das geht am Besten im Schlaf. Auch wenn du nicht ganz freiwillig eingeschlafen bist…
 

~*~
 

War InuYasha zuvor einfach nur perplex gewesen, entgleisten ihm jetzt alle Gesichtzüge.

„Dein Kind?“, vergewisserte er sich konsterniert. Seine Hundeohren hingen verdattert herab.
 

„Wage es nicht!“, zischte Sango, als Miroku schon wieder den Mund öffnete und hielt ihm rasch den Mund zu.

Das war Miroku nuschelte, hörte sich dennoch deutlich nach ‚Reife Leistung‘ an.

Niemand beachtete ihn sonderlich.
 

Gleich darauf schüttelte der Mönch Sangos Hand aber ab. „Mal ernsthaft. Wo genau liegt das Problem, Sesshômaru-sama? Ihr habt doch schon einmal gegen Tôran gewonnen, oder?“
 

Sesshômaru rührte sich nicht. „Mehr als einmal“, stellte er klar, ehe er scheinbar gleichgültig fortfuhr: „Die Schwierigkeit liegt dabei, dass Natsu nicht gezeichnet ist. Ihr Kind kann unsere Verbindung dennoch legitimieren, aber dazu muss ich beweisen, dass es mein Sohn ist. Und dazu muss ich sie zu mir holen.“
 

„Und das wird vermutlich schwer“, unterbrach InuYasha prompt.
 

Sesshômaru erwiderte nichts, aber das galt als Zustimmung, dessen waren alle sich sicher.
 

„Und was hast du jetzt vor?“
 

„Die vernünftigste Gelegenheit ist das nächste Fürstentreffen“, gab der Daiyôkai knapp zurück, erhob sich geschmeidig.

Dann wandte er sich der Tür zu.

„Jaken wird dich in vier Tagen abholen und zum InuSchloss bringen. In acht Tagen ist das Fürstentreffen. Bring deine Leute mit, InuYasha. Ich… werde jede Hilfe brauchen können...“

Dass ihm der letzte Satz schwer gefallen war, war mehr als deutlich.
 

Aber niemand hielt den Inuyôkai zurück, als er nach draußen trat und Sekunden später in der Luft war.
 

InuYasha fixierte die noch schwankende Strohmatte an der Tür. „Mir gefällt das nicht“, brummte er.
 

„InuYasha! Was glaubst du, was es Sesshômaru gekostet hat, dich so bedingungslos anzuerkennen. Meinst du nicht, du bist ihm eine Gegenleistung schuldig?“, mischte sich Kagome sanft ein.
 

InuYasha zuckte mit den Ohren. „Keh! Das meine ich nicht. Aber… in acht Tagen… die Nacht darauf ist Neumond!“

Die Uhr tickt

Was ist, Jaken?“

Sesshômarus Stimme klang gewohnt kalt, als er seinen Diener am Morgen schon vor der Tür des Arbeitszimmers abfing.
 

Sofort duckte der KrötenYôkai sich und verbeugte sich mehrfach. „Da ist eine Botin, die Euch zu sprechen wünscht!“, brachte er schließlich einermaßen zusammenhängend hervor.
 

Sesshômaru kniff die Augen zusammen.

Weibliche Boten waren selten, weil Boten meist allein unterwegs waren. Was hat das zu bedeuten?

„Wer?“
 

„Sie sagt, sie käme von Amaya-hime, Prinzessin und Schamanin der Neko“, beeilte Jaken sich zu berichten.
 

Natsus Schwester…

Sesshômaru erkannte den Namen sofort wieder. „Bring sie her!“, befahl er und wandte sich ab um sein Arbeitszimmer zu betreten.
 

Als Jaken Minuten später einer dunkelhäutigen Oyamanekoyôkai die Schiebetür öffnete, die den dunklen Schamanenkimono der Neko trug, saß er hinter seinem Schreibpult und sah der Besucherin abwartend entgegen.

Wenn eine Schamanin kam, ging es sicher um etwas Besonderes.

Und Sesshômaru konnte sich nur eine besondere Sache vorstellen, die mit Amaya zu tun haben konnte. Natsu…

Er verbot sich den sentimentalen Gedanken. „Schamanin“, grüßte er emotionslos.
 

„Inu no Taishô“, erwiderte die Luchsdämonin ehrerbietig und verbeugte sich tief. Es war offensichtlich, dass sie nicht vorhatte Unruhe zu stiften.
 

„Man sagte mir, Amaya-hime schickt dich“, fuhr der Inuyôkai fort.
 

„Jawohl, die oberste Schamanin schickt mich. Sie erbittet ein Gespräch… unter vier Augen.“
 

Sesshômaru zeigte nicht, dass er überrascht war.

Ihm war zwar aufgefallen, wie gut das Verhältnis zwischen Amaya und Natsu zu sein schien, so verzweifelt wie Amaya durch sein abweisendes Verhalten gewesen war, aber was genau trieb die junge Schamanin jetzt zu ihm? Eine Nachricht von Natsu? War sie in Schwierigkeiten? Natsu war eindeutig klug genug, nicht das Risiko einzugehen, den Kontakt zu ihm ohne guten Grund zu suchen. Oder kam Amaya aus eigenem Antrieb?

Er wollte es hoffen, wenn er ehrlich zu sich war.

„Jaken!“
 

Sofort schlüpfte der Krötendämon ins Arbeitszimmer, verneigte sich in gewohnter Manier.
 

„Mach AhUhn fertig. Masa soll die Audienzen übernehmen“, befahl er und einen Wimpernschlag später war Jaken davongewieselt.

Sesshômaru konnte allerdings seine demütigen Beteuerungen noch hören, da musste Jaken längst am anderen Ende des Traktes angekommen sein.

Innerlich schüttelte er den Kopf. „Wo?“, wandte er sich wieder an die Neko.
 

„Bei den drei kleinen Seen, nicht weit von der Grenze“, antwortete die pflichtbewusst.
 

Sesshômaru nickte knapp. Auf neutralem Gebiet. Dumm war Natsus Schwester nicht.

„Geh!“, forderte er und folgte der Schamanin dann hinaus auf den Flur und auf den Schlosshof.
 

Dort wartete bereits der gesattelte Reitdrache, auch wenn Jaken nirgends zu sehen war.

„Steig auf“, forderte Sesshômaru die Schamanin auf, die ihn kurz überrascht anblinzelte, dann aber in AhUhns Sattel stieg.

Sesshômaru fasste nach den Zügeln des Reitdrachen und ging los. Jenseits des Tores stieg er in den Himmel auf, als würde er eine unsichtbare Treppe hinauf laufen. Auch wenn er fliegen konnte, hatte er AhUhn nicht ohne Grund mitgenommen. Er hatte keine Lust, stundenlang für den Weg zu brauchen und diese Schamanin war selbst nicht stark genug, aus eigener Kraft längere Strecken zu fliegen.

In der Luft ließ er AhUhns Zügel los. Der Reitdrache würde auch so folgen. Bei allen Macken, die dieses Vieh hatte, es war folgsam.
 

Kaum eine halbe Stunde später erkannte er die drei kleinen Seen, direkt an der Grenze, von denen die Schamanin auf AhUhns Rücken gesprochen hatte.

Und dort saß, auf einem Felsen am Ufer auch Amaya.

Gemeinsam mit dem Reitdrachen landete Sesshômaru und ging auf die junge Löwendämonin zu, als wäre nichts Besonderes dabei, sich im Geheimen mit einer Vertreterin des eigentlich recht verfeindeten Clans zu treffen.
 

Besagte Yôkai hatte ihn inzwischen entdeckt, verneigte sich leicht, deutlich geringer als ihre Botin.
 

Sesshômaru nickte ihr knapp zu, warf dann einen Seitenblick zu der Oyamaneko, die noch immer auf AhUhns Rücken saß. Nachdem sie am Anfang noch sichtlich Probleme gehabt hatte, sich dort auszubalancieren, schien sie sich inzwischen ganz wohl zu fühlen. Tja, das kommt davon, wenn ihr Nekos keine Reitdrachen habt – überhaupt wenige Reittiere habt…, dachte er zynisch.
 

Amaya hatte seine Andeutung allerdings verstanden. Immerhin war es ihre Bitte gewesen, ein Gespräch unter vier Augen bewilligt zu bekommen. Da AhUhn eindeutig nicht zählte, musste nur die andere Schamanin aus dem Weg.

„Nori, du kannst gehen. Danke für deine Dienste, ich komme nun allein zurecht.“
 

Die mit Nori angesprochene rutschte von AhUhns Rücken, zögerte aber. „Seid Ihr sicher, Amaya-donno?“
 

„Ja, Nori. Ich weiß, was ich tue.“
 

Noch immer alles andere als beglückt, aber gehorsam gab die Oyamaneko ihr Yôki frei, verwandelte sich in ihre wahre Gestalt und lief in richtung Osten davon.
 

Sesshômaru beobachtete das nur aus dem Augenwinkel, ehe er sich wieder auf Amaya konzentrierte. „Worum geht es?“
 

„Um meine Schwester. Euer Sohn verlangt ihr viel ab. Die Galgenfrist besteht in fünf Monden, das ist Euch sicher bekannt. Aber bis dahin würde sie nicht durchhalten. Fürstin Tôran ist nicht länger die schlimmste Gefahr, es ist Euer Sohn, der ihr Leben bedroht“, kam die junge Löwendämonin auf den Punkt.
 

Sesshômaru spürte einen Stich im Herzen, den zu ignorieren ihm nicht ganz gelang. Er fühlte plötzlich Angst um Natsu.
 

„Mit meiner Hilfe hält sie vielleicht noch zehn Tage durch, maximal. Das einzige, was ihr langfristig helfen kann, wäre eine Doppelbindung Eures Sohnes. Und die einzige Möglichkeit rechtzeitig an die beiden heranzukommen, dürfte für Euch im nächsten Fürstentreffen bestehen. Ich weiß nicht, ob die Boten Euch bereits errei-“
 

„Haben sie“, unterbrach Sesshômaru und war jetzt auch froh, dass er die beiden mit positiver Antwort zurück geschickt hatte. So blieb ihm tatsächlich diese eine Chance.
 

„Gut. Jedenfalls… Fürstin Tôran lässt es sich nie nehmen, einen großen Ball aus so einer Verantstaltung zu machen. So könnte es ein Vorteil sein, dass auch Begleitung mitkommen darf. Ich denke, es wird ähnlich sein wie bei einem dieser Jahrhunderttreffen. Nur, um die Gruppe zu nutzen, braucht Ihr Verbündete, ich weiß ni-“
 

„Ich habe Leute, denen ich eine solche Aufgabe anvertrauen kann“, schnitt Sesshômaru ihr wieder das Wort ab.

Die beiden Schwestern sahen sich nicht nur ähnlich, sie waren auch gleich redselig.
 

„Erfreulich. Aber Ihr bräuchtet jemanden, der während des Banketts und des Balles unverfänglich Kontakt zwischen allen halten kann, einen Diener vielleicht oder eine anderweitige Begleitung.“
 

Der Inuyôkai überlegte nicht lange. Wenn es jemanden gab, der für so eine Aufgabe perfekt geeignet war und zudem keine unangenehmen Fragen stellen würde, dann diese Person. „Rin“, konstatierte er nur.
 

„Rin?“
 

„Meine Tochter.“

Jetzt hatte er es zum zweiten Mal ausgesprochen.

Aber er wusste, dass Amayas schockiert aufgerissene Augen einen anderen Grund hatten.

Einen Moment lang erwägte er, sie in dem Glauben zu lassen, der sie jetzt offenbar befallen hatte, aber dann schob er das beiseite. Er konnte sich nicht erlauben, dass sie die Seiten wechselte. Als Insiderin war sie unersetzbar.

„Ziehtochter. Natsu kennt sie“, setzte er deswegen hinzu und beobachtete innerlich amüsiert, wie Amaya aufatmete.

Er wandte sich einem der Seen zu. „Wie lautete der Plan?“
 

~*~
 

Zwei Tage später rüstete die Gruppe rund um InuYasha zum Aufbruch.
 

Es war Jinenjis Mutter zu verdanken, dass Sango und Miroku sich tatsächlich der Gruppe anschließen wollten und konnten. Kaede war noch nicht wieder ganz gesund und nachdem sie bei einem Besuch ‚zufällig‘ von der Geschichte gehört hatte, hatte Jinenjis Mutter sich sofort angeboten, mit auf die Kinder zu achten. Die ruppige alte Dame liebte die Abwechslung eben noch immer. Yamato und seinen Schwestern standen also einige ‚Hexentage‘ bevor, wie InuYasha es respektlos nannte, aber alle waren dankbar.
 

Sie genossen es, zu wissen, dass sie einmal wieder gemeinsam unterwegs waren.
 

Gerade als Sango hinter die Hütte ging um ihren Hiraikotsu zu holen, landete neben ihr eine Nekomata.

Kirara hatte so weich aufgesetzt, dass selbst Sango sie erst einen Moment später entdeckte. „Kirara? – Kohaku? Was tut ihr denn hier?“
 

Der junge Taijiya sprang vom Rücken der Säbelzahnkatze und ließ sich von seiner Schwester in den Arm nehmen. „Ich wollte dich um Rat fragen.“

Er sah ihr nach, als sie ein paar Schritte weiterging und den Knochenbumerang an sich nahm. „Huch. Du hast einen Auftrag? Ich dachte du arbeitest wegen der Kinder im Moment nicht!?“
 

Sango blieb wieder bei ihm stehen. „Tue ich auch nicht. Das hier ist ein… Sonderauftrag. – Aber einen Moment Zeit habe ich noch. Was willst du wissen?“
 

Kohaku lächelte, aber seine Augen blieben ernst. „Ich hab‘ dir doch erzählt, das ich Kuroros Herrin kennengelernt habe, als Kirara darauf bestanden hat, das wir Katashi gemeinsam zurück bringen.“
 

Sango nickte. „Koume, ja. Ich kenne sie ja. Aber was ist mit ihr?“
 

Kohaku zögerte etwas. „Sie hat mir ein paar Aufträge verschafft, in der Gegend, und… sie wünscht sich, dass ich sie ausbilde“, rückte er dann heraus.
 

„Da sieh einer an“, kommentierte Miroku, der eben heran kam.
 

Kohaku wirkte nicht sehr begeistert, sichtlich hatte er mit seiner Schwester allein reden wollen.

Miroku merkte das durchaus. „Bin gleich wieder weg. – Sango, beeil dich. Jaken ist da, samt dem Reitdrachen. InuYasha hat ihn in gewohnter Manier ruhiggestellt, aber frag‘ mich nicht, wie lange das anhält. Ich glaube nicht, dass es günstig wäre, Sesshômaru einen völlig verprügelten Diener zurückzubringen...“
 

Die Dämonenjägerin nickte, ehe sie sich wieder ihrem jüngeren Bruder zuwandte. „Und? Willst du sie ausbilden?“
 

Kohaku bejahte. „Ehrlich gesagt… ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass es die Taijiya eines Tages wieder geben wird“, gab er dann leise zu.
 

Sango lächelte und legte ihm einen Arm um die Schulter. „Weißt du, aufgegeben habe ich auch nie. Schon damals, als diese beiden jungen Ninja-Mädchen im Dorf aufkreuzten, ist mir klar geworden, dass wir, die Taijiya, noch immer in den Köpfen der Menschen existieren.“
 

„Aber du hast den beiden doch die Ausbildung verweigert!“
 

„Ja, aber aus gutem Grund. Erstens haben sie mich belogen, zweitens war ich mitten auf der Jagd nach Naraku, drittens haben sie gestohlen und viertens wollten sie nur ausgebildet werden, weil sie glaubten, damit den letzten Wunsch ihres verstorbenen Vaters auszuführen. Mir ist erst spät klargeworden, dass die beiden auf dem falschen Weg waren, aber schließlich haben auch sie es kapiert.“
 

Kohaku hatte aufmerksam gelauscht. „Ich verstehe. – Naja, trotzdem habe ich ein Problem. Ich denke, Koume meint es ernst mit ihrem Wunsch. Wenn sie also richtig ausgebildet werden soll, dann braucht sie einen Kampfanzug und eine Waffe. Ich glaube, ich habe bereits den richtigen Rohstoffliferanten im Auge, aber ich habe nie gelernt, wie das sichern und verarbeiten geht. Und da dachte ich…“
 

„Dass du eine ältere Schwester und vor allem einen spirituell begabten Mönch zum Schwager hast. Ich verstehe schon“, beendete Sango seinen Satz schmunzelnd und überlegte. „Hmm, wir sprechen uns noch einmal, wenn ich von dieser Geschichte hier wieder da bin. Bis dahin kannst du ja schon anfangen, ihr Bewegungsabläufe und den Umgang mit dem Wakizashi beizubringen. Dann siehst du, ob sie es ernst meint.“
 

Kohaku lachte unwillkürlich auf.

Oh ja, er kannte die Anfänge des Schwerttrainings, die langwierigen, oft fruchtlosen Übungen mit stumpfen Stöckern noch zu Genüge.

„Das ist eine gute Idee“ Er blinzelte etwas. „Danke, Aneue!“
 

„Immer wieder gern, Ototo-chan“, lächelte sie, nahm ihren Hiraikotsu und ging zu ihren Freunden.

Hinter sich hörte sie Kirara wieder abheben.

Er ist richtig erwachsen geworden… kein Wunder, fast siebzehn Winter zählt er jetzt… mein kleiner Bruder…, dachte sie lächelnd, als sie zu den anderen trat.
 

Miroku sah sie fragend an, verkniff sich aber sichtlich eine Nachfrage, Kagome verstaute gerade einen Stoffbeutel an AhUhns Sattel, in dem sich ein blitzsauberes MikoGewand befand. Wenn sie es richtig einschätzte und Sesshômaru sie in ihrer gegebenen Rolle als ‚die Miko mit der Sekai no Tia‘, wie Fürst Gin sie vor ein paar Monden betitelt hatte, vorstellen wollte, sollte sie auch dementsprechend aussehen. Momentan trug sie allerdings einen hellblauen Kimono.

InuYasha stand daneben und behielt Jaken im Blick, der unter solchart Kontrolle nicht aufzumucken wagte. Die Beulen auf seinem Kopf waren eindeutig noch zu frisch.

Shiori machte sich derweil mit dem Reitdrachen bekannt, der sie ebenso zu mögen schien, wie jeden anderen auch.
 

Schließlich war alles bereit, Kagome kletterte mit InuYashas Hilfe auf AhUhns Rücken, streckte Shiori die Hand entgegen, um sie hinaufzuziehen.

Jaken kraxelte ungelenk hinterher.
 

Damit begann allerdings das Problem. AhUhns Rücken war besetzt. Wenn die anderen liefen, konnte es mehr als anderthalb Tage dauern, bis sie am Schloss waren.
 

„Aneue!“, hörte sie da plötzlich Kohakus Stimme von oben.
 

Sie legte den Kopf in den Nacken, begegnete seinem heiteren Blick.

Er hob zwei Finger an die Lippen und pfiff gellend.

Von nicht weit entfernt kam eine andere Nekomata durch den Himmel angaloppiert. Katashi.

„Ich wusste dass er uns nach ist“, lachte Kohaku nur, während er den dämonischen Kater neben sich winkte und mit einem geschickten Manöver in der Luft von Kiraras Rücken überwechselte zu dem Kater.
 

Kiraras rote Augen funkelten ihn gespannt an.
 

„Na geh‘ schon, Kirara. Geh‘ mit Sango“, forderte Kohaku sie auf und prompt ließ die Nekomata sich aus der Luft fallen und setzte neben Sango auf.

Ihre Augen leuchteten etwas. Seit kurz nach dem Sieg über Naraku war sie Kohakus Kampfpartnerin, aber Sango war noch immer ihre Freundin und wenn sie helfen konnte, dann tat sie es gern. Kohaku würde auch ein paar Tage ohne sie auskommen, Beschäftigung hatte er ja, zumal wenn Katashi ihn zurückbrachte.

Auffordernd raunzte sie und spürte erfreut, wie Sangos Hand in ihr Nackenfell griff und die Taijiya sich in Kiraras Nacken schwang, so wie früher oft.
 

Miroku stieg dahinter auf, verschränkte die Arme samt Shakujo vor Sangos Taille.

Alles wirkte wie früher, nur reagierte Sango jetzt nicht mehr allergisch, als Miroku ganz unauffällig noch ein wenig näher an sie heran rückte.

Kirara, die das natürlich spürte, kommentierte das Geschehen mit einem tiefen Schnurren, dann stieß sie sich mit einem Sprung ab.
 

Kohaku war mit Katashi längst verschwunden und jetzt folgte ihnen auch AhUhn in die Luft und übernahm die Führung ohne auf Jakens Lenkversuche zu achten.

Die Freunde tauschten vielsagende Blicke, dann sahen sie wie auf ein geheimes Kommando alle nach vorne.

So vertraut es war, gemeinsam unterwegs zu sein… was sie erwartete, war vollkommen neu und niemand konnte einschätzen, was da auf sie zu kam…

Im Schloss

Es dämmerte gerade erst, da riss plötzliches, reges Treiben Rin aus ihrer Konzentration. Das Kanji, an dem sie gerade geschrieben hatte, geriet krumm und schief, aber sie kümmerte sich wenig um die Grimasse ihrer Zofe und Lehrerin.

„Sie sind da!“, informierte sie nur und stürmte bereits aus dem Raum.
 

Arisu beeilte sich, hinterher zu kommen. „Halt! Rin, Ihr könnt doch nicht einfach…“

Kopfschüttelnd brach die Sika-Yôkai ihren Ruf ab, weil Rin bereits die Schiebetür aufgerissen hatte, die zu Sesshômarus Privatgemächern führte.
 

„Sesshômaru-sama! Sie sind da!“, jubilierte ihre helle Stimme.
 

„Ich weiß“, antwortete Sesshômarus kühle Stimme bloß, keinerlei strafender Ton lag darin.
 

Arisu wagte, hinterherzukommen.
 

Der Fürst stand auf dem Balkon seines Gemachs und blickte in den Hof hinunter, Rin direkt neben sich.

„Arisu!“, sprach Sesshômaru sie an, ohne den Kopf zu wenden.
 

„Ja, Herr?“, fragte sie pflichtbewusst zurück.
 

„Begleite Rin hinunter. Sie wird ihre Freunde begrüßen wollen“
 

„Natürlich, Herr. – Wenn ich bitten darf, Rin-hime?“ In Sesshômarus Gegenwart wagte Arisu dann doch nicht, ihre Herrin beim Vornamen allein anzureden.
 

Mit einem fröhlichen: „Oh danke, Sesshômaru-sama!“, wirbelte Rin herum.
 

„Rin! Warte“
 

Sofort erstarrte das junge Mädchen in der Bewegung, wie früher so oft, balancierte auf einem Bein.
 

„Richte InuYasha aus, das ich ihn und seine Miko zu sprechen wünsche, im Arbeitszimmer. – Geh jetzt“, trug der Inuyôkai ihr noch auf, Rin nickte heftig und stürmte so urplötzlich davon, dass Arisu einen Moment brauchte, um sie einzuholen.
 

Erst als sie am Hauptportal waren, verlangsamte Rin ihre Schritte, ordnete im Gehen ihren Kimono.

„Richtig so, Arisu?“, fragte sie verschmitzt.

„Ja, Herrin“, gab die Sika-Yôkai zurück und erlaubte sich ein Schmunzeln, als Rin natürlich nicht auf die Wachen wartete, sondern die große Flügeltür eigenmächtig aufstieß und hinaus trat. Einige Diener, die herumwieselten, verbeugten sich rasch, aber Arisu brauchte nicht einmal genau hinzusehen, um den Wiederwillen der Yôkai zu erkennen. Sie versuchte es zu ignorieren, zumal ihre arglose Herrin wieder einmal tat, als habe sie nichts bemerkt.
 

Stattdessen lief sie jetzt dem Tor in der Schlossmauer entgegen, vor dem eine ganze Gruppe aufmarschiert war.

Erstaunt erkannte Arisu, das mehrere Menschen darunter waren und zwei… Hanyô? Die einzigen Dämonen waren Jaken, AhUhn und eine kräftige Nekomata, die zwei der Menschen trug.

Seltsame Bande…, beschloss sie für sich, blieb aber knapp hinter Rin, als die das erst zu einem Spalt geöffnete Tor nutzte um hindurch zu schlüpfen und zu der Gruppe zu rennen. Unbefangen umarmte sie eine junge, schwarzhaarige Menschenfrau im hellblauen Kimono, dann eine weitere im altrosa-gemusterten Kimono. Unschlüssig blieb Arisu stehen.
 

Rin war derweil vor InuYasha stehen geblieben. „Sesshômaru-sama will dich und Kagome sprechen. Komm, ich zeige euch den Weg zum Arbe-“
 

„Halt, halt, Rin, langsam. Lass uns erst einmal ankommen“, bremste Miroku sie und glitt von Kiraras Rücken.

Die Nekomata mauzte belustigt, ehe sie sich in ihre kleine Form verwandelte.
 

„Genau, Rin. Es ist eine Schande, dass du keine Geduld lernst. Wenn Sesshômaru-sama wüsste, dass du dich nie im Griff haben kannst, er wür-“
 

„Ich weiß es, Jaken“, erstickte Sesshômaru die Litanei des Krötendämons, indem er ungerührt über ihn hinüber lief.
 

Der Krötendämon nuschelte etwas Unverständliches in den Erdboden und blieb dann geplättet liegen.
 

Sesshômaru drehte sich wieder halb zum Schloss um.

Da seine Dienerschaft offenbar nicht erkannt hatte, mit wem sie es bei den Gästen zu tun hatten – obwohl die Gerüchteküche seit Tagen heißlief – musste er eben doch persöhnlich für Disziplin sorgen.

Dabei ignorierte er die neugierigen Blicke von InuYashas Bande, wusste er doch, dass sie ihn nie im Kimono und ohne die Rüstung und die Schwerter gesehen hatten.

„Willkommen, InuYasha, auf dem Schloss deiner väterlichen Familie…“, ließ er dann demonstrativ verlauten und verkniff sich ein Schmunzeln, als die Diener auseinanderstoben.

Nur wenige waren geistesgegenwärtig genug, stattdessen Haltung anzunehmen und die gaffenden Blicke sein zu lassen. Sesshômarus Mimik ließ wie so oft nicht verlauten, welche Mischung aus Belustigung und Ärger die nicht vorhandene Ordnung in ihm hervorrief.
 

InuYasha kommentierte sein Verhalten nur mit einem ungläubigen Blick, ehe er das riesige Gemäuer musterte. Er wirkte, gelinde gesagt, erschlagen.

Auch die anderen versuchten nicht einmal ihr Staunen zu verbergen.

Einzig Jaken, der sich gerade schwankend wieder aufrappelte, störte das Bild.
 

Der Inuyôkai wartete einen Moment, ehe er sagte: „Arisu, zeige den Gästen den Besuchertrakt. Dort sind drei Gemächer vorbereitet. – Rin, du kannst AhUhn wegbringen. – Jaken? Such‘ Arata und bestell‘ ihn zu Masa“ Dabei dachte er nicht daran, dem Krötendämon zu erklären, was er mit letzterer Anweisung bezweckte, aber alle anderen schienen zufrieden.

Inklusive AhUhn, der sein Buhlen um Rins Aufmerksamkeit jetzt endlich erfüllt sah.
 

„InuYasha, Kagome. Lasst euch den Weg zu mir weisen, sobald ihr euch eingerichtet habt“, schob der Daiyôkai dann noch nach und wandte sich ab. Mit einem einzigen Sprung war er wieder auf dem Balkon seines Gemachs gelandet.
 

Kagome starrte ihm nach. „Hat er mich gerade ersthaft vor versammelter Mannschaft beim Namen genannt?“, fragte sie entgeistert.
 

~*~
 

„Ich glaub‘s einfach nicht, ich hab’s tatsächlich geschafft!“ Jubelnd tanzte Shippô im Kreis.
 

Kyoko warf lachend den Kopf in den Nacken, als er sie mit sich zog. Sie selbst hatte schon am Morgen die Bestätigung erhalten und war wieder etwas zur Ruhe gekommen, aber jetzt freute sie sich für Shippô mit.

Er hatte es verdient, die Prüfung geschafft zu haben, ebenfalls in den zweiten Rang aufgestiegen zu sein. Jetzt hörte das immer gleiche, pure Streichespielen auf.
 

Etsuko, die dritte Geprüfte heute, saß in der Nähe. Auch sie hatte bestanden, wenn auch nur knapp, aber sie wirkte weniger begeistert, als ihre Schulkameraden.
 

Kurzerhand ließ Shippô Kyoko mit einer Hand los und hielt die freie Hand Etsuko hin. „Na komm!“
 

Doch das ältere Kitsunemädchen schüttelte den Kopf und blieb sitzen.
 

Shippô zuckte die Schultern. Wer nicht will, der hat schon…

„Na komm, Kyoko“, rief er stattdessen und zog die heimliche Prinzessin mit sich aus dem Akademiegebäude und auf die Wiese hinaus.

Dort ließ er sich keuchend und lachend ins Gras sinken. „Ich kann’s immer noch nicht glauben!“, japste er.
 

„Glaub’s ruhig. Ab Morgen hast du das Zertifikat“, lachte Kyoko und warf sich neben ihn ins Frühlingsgrün.

Als sie etwas Atem geschöpft hatte, setzte sie sich auf. „Aber nimm Etsuko ihr Verhalten nicht übel, die Arme hat ihre Gründe. Ihr älterer Bruder ist der bisher Jüngste, der die Prüfungen geschafft hat, bei Bestehen der ersten Prüfung war er, glaube ich, noch zwei Jahre jünger als du jetzt. Sie wird zuhause kein Lob bekommen, sondern nur vorgehalten kriegen, wie langsam sie doch ist“
 

„Wäh, das ist ja schrecklich“, gab Shippô zurück und setzte sich jetzt auch auf, seine Stimme klang nicht mehr ganz so selig.
 

„Ich weiß. Aber was sollen wir machen. Ich hab ihr Gemurmel nur manchmal mitgekriegt, deswegen weiß ich es überhaupt. Ehrlich gesagt glaube ich, jeder hier hat so seine Geheimnisse, die er zu verbergen versucht. Du deine Freunde, ich meine Abstammung, Etsuko ihre lieblose, ehrgeizzerfressene Familie. Wir Kitsune glauben immer, wir müssen neckisch und albern sein und vergessen, das auch wir ein ganz normales Leben haben, das nicht immer schön ist“

Kyoko achtete nicht darauf, dass Shippô sie ansah, als sei sie von einem anderen Stern, ihre Stimme klang ernst.

Dann aber verzog sie das Gesicht zu einem Schmunzeln. „Aber wie dem auch sei, ich hab‘ eine Überraschung für dich! Vater hat versprochen, dass wir, wenn wir die Prüfung bestehen, mit zum Fürstentreffen dürfen – beide!“
 

~*~
 

Amaya verharrte im Lauf, als sie Tôrans harsche Stimme vernahm.

Gleich darauf antwortete Shuran, nicht weniger heftig.

Amaya runzelte die Stirn und blieb stehen.
 

„Es wäre die perfekte Gelegenheit! Wann willst du es sonst machen?“, schnappte Tôran gerade wieder.
 

„Beruhige dich, Onee-san. Ich habe dir versprochen, dass ich ihn anspreche, aber jetzt überlass es gefälligst auch mir, wann ich es tue“

Selten hatte Amaya den einzigen Mann des Fürstenquartetts so grimmig gehört. Agressiv, ja, bestimmt, ja, aber so kiebig?

Sie spitzte die Ohren, als das Gespräch leiser weitergeführt wurde. „Tôran, deine Spielchen fallen langsam ein paar Level zu hoch aus. In weniger als drei Jahrzehnten geht es um die Macht unserer Rasse, wir können uns nicht leisten den Verdacht zu wecken, du würdest dich in Themen einmischen, die dich nichts angehen. Tôran, Katzenrecht hin oder her, die Außenpolitik untersteht mir“
 

Amaya wusste, was der Fürst da ansprach. In drei Jahrzehnten würde wieder das große Turnier stattfinden, das in regelmäßigen Abständen darüber entschied, welcher Katzenclan für den nächsten Zeitabschnitt die Fürstenposten besetzen würde. Und diesmal konnte es eng werden, für die Panther, denn die Luchse hatten einen vielversprechenden Kandidaten.
 

Tôran schien das aber wenig zu interessieren, als sie zurückgab: „Aber die Wahl meines Gefährten obliegt mir!“
 

„Nicht wenn du jemanden aus einem anderen Clan willst und schon gar nicht, wenn du jemanden aus diesem Clan willst, verdammt nochmal!“
 

Amaya biss sich auf die Unterlippe. Sie konnte unschwer nachvollziehen, von wem da die Rede war.
 

„Drei Jahrzehnte sind nicht viel, ja, Shuran. Aber sie wären genug, die Lage zu stabilisieren, wenn du dich endlich mal beeilen würdest!“, konterte Tôran gerade.

Keine Antwort des Fürsten, es war still im Arbeitszimmer.
 

Amaya verspannte sich. Sah ganz so aus, als habe Tôran den Bogen überspannt. Unwillkürlich wich sie ein wenig von der Schiebetür von Shurans Arbeitszimmer zurück. Dort herrschte noch immer Stille.

Und dann sagte Shuran ein Wort, zischend wie ein zum Angriff geduckter Kater: „Raus!“
 

Amaya wartete lieber nicht mehr, bis Tôrans wütende Schritte ertönten. Sie sah lieber zu, dass sie weg kam.

Oh, Natsu, jetzt haben wir noch ein Problem mehr. Um dein Leben und das Leben deines Sohnes Willen, bete, das es mit der Selbstbeherrschung des Hundefürsten so weit her ist, wie man immer sagen hört…
 

~*~
 

„Und dir geht es gut hier?“, fragte Sango in Rins Richtung.
 

Das junge Mädchen sah sie an. Ihre fröhliche Miene sagte alles, ohne das sie den Mund aufmachen musste.
 

Sango lächelte etwas. Ja, Rin war glücklich hier, das sah man.
 

„Ich habe es dir gesagt. Sesshômaru ist für sie ein zweiter Vater, ihre Familie. Wenn sie sich in seiner Nähe weiß, ist sie selig“, flüsterte Miroku an ihrer Seite und erhob sich. „Was hast du denn in den letzten Monden alles gemacht, hm?“, fragte er dann.
 

„Arisu hat mir das Schreiben beigebracht!“, antwortete Rin fröhlich und zeigte dabei auf die Sika-Yôkai, die in der Nähe der Tür kniete.
 

„Also hast du eine Freundin gefunden, ja?“
 

Rin nickte. „Eigentlich ist sie ja meine Zofe“, fügte sie dann hinzu, aber ihre lachenden Augen zeigten, dass sie das nicht ganz so ernst nahm.
 

„Ihr solltet Euch Gästen gegenüber nicht so freigiebig verhalten“, ließ sich eine sanfte Stimme vernehmen.
 

„Warum denn, Arisu? Das sind meine Freunde, genau wie du. Außerdem haben sie sich in den letzten Jahren um mich gekümmert!“
 

„Das habt Ihr mir bereits erzählt, Hime“, antwortete Arisu und stand auf um näher zu kommen.

„Aber sofern ich vorhin richtig gehört habe, gehört auch ein Familienmitglied des Fürsten zu dieser Gruppe hier, oder?“
 

„InuYasha, ja und?“ Rin schien etwas ausgebremst.
 

„Dann sind sie alle sicher nicht ohne Grund hier, oder?“
 

„Natürlich nicht. Aber… gomen nasai, Arisu, aber darüber darf ich selbst dir nichts sagen“, erwiderte Rin ernsthaft und für einen Moment war der Schalk aus ihren Augen verschwunden.
 

Sango und Miroku wechselten einen vielsagenden Blick und Shiori, die am Fenster stand und den stummen Zaungast spielte musterte die Szenerie ebenso aufmerksam wie Kirara.
 

„Ich verstehe schon, Hime. Aber dass der Fürst – dieser Fürst – menschlichen Besuch auf dem Schloss empfängt, ist – abgesehen von Eurer Ankunft – noch nie geschehen. Die Dienerschaft hat sicher längst dafür gesorgt, dass die Wände Ohren haben“, sagte Arisu und zog sich dann wieder auf den Platz zurück, der ihr als momentan einziger Bediensteter im Raum zugewiesen war.
 

„Wir könnten das ja verhindern, aber damit erregen wir nur Aufmerksamkeit. Besser, wir zähmen unsere Zungen wirklich, Rin. Einverstanden?“, nahm Miroku den Faden wieder auf.

Seine unwillkürliche Handbewegung zu den Falten seines Gewandes, während Arisu sprach, hatte gezeigt, dass er seine Bannzettel meinte. Die würden vorwitzigen Dienern ein Lauschen sicher schnell verleiden.
 

Rin nickte allerdings und auf ihrem Gesicht breitete sich schon wieder ein Lächeln aus. „Wir könnten in den Garten gehen! Da sind wir ungestörter!“, schlug sie vor und als die Freunde nickten, strahlte sie schon wieder.
 

„Ich bleibe hier. Ich kann InuYasha und Kagome ja dann sagen, wo ihr seid“, meinte Shiori nur und drehte sich zum Fenster des Gemachs herum, stützte sich auf das breite Fensterbrett.
 

Sango blickte einen Moment mitfühlend in ihre Richtung, ehe sie sich den anderen anschloss. Sie wusste, im Moment konnte niemand Shiori wirklich helfen. Ungewissheit konnte niemand heilen. Das ist ein Problem, das momentan viele haben…

Die letzten ruhigen Minuten

Du solltest dich auf andere Dinge konzentrieren“, ermahnte Sango ihren Ehemann, während sie ihren Kampfanzug am Hals schloss.

Ich weiß gar nicht, was du meinst…, sprach Mirokus Blick, der wie üblich auf den Körperregionen ruhten, die durch den hautengen Anzug besonders betohnt wurden.

„Miroku, das hier wird kein Spiel. Das hier sind keine niederen Oni, das ist nicht einmal ein Naraku. Wenn es hart auf hart kommt, haben wir es mit echten, hochrangigen Yôkai zu tun. Und zwar von Angesicht zu Angesicht“, fuhr sie ernst fort, während sie das Schwert in das schmale Hüfttuch steckte und seinen Sitz prüfte.
 

Miroku sah sie jetzt nüchtern an.

„Ich weiß, Sango. Ich weiß es sehr gut“, erwiderte er fest.

Sango spürte die Sorge in seiner Stimme, aber auch die Bestimmtheit.

Die unbefangene Stimmung der letzten drei Tage, die sie nun schon hier am Schloss verbrachten, war verschwunden.
 

Da würde die Schiebetür aufgeschoben und Shiori, Kagome und InuYasha schlüpften herein.

Die Komori-Hanyô hatte sich Haori und Hakama erbeten und trug diese jetzt, InuYasha war in seinen üblichen Suikan gekleidet, das so bedeutungsträchtige Amulett hing diesmal nicht im Kimonohemd verborgen, sondern schimmerte offen an seiner Kehle. Er hatte Tessaiga ebenso bei sich wie Shiori ihr Schwert.
 

Kagome hatte das mitgebrachte Miko-Gewand angezogen, aber was Sangos Blick auf sich zog, waren der Bogen und der Pfeilköcher, die sie bei sich hatte.

Kagome grinste ein wenig, als sie den Blick bemerkte. „Frag‘ mich nicht, was Sesshômaru dazu bewegt, mich auszustatten, aber offenbar passt mein alter Bogen nicht zu dem Bild, das ich darstellen soll...“

Sie nahm die neue Waffe von der Schulter und zeigte sie genauer.
 

"Nicht schlecht“, bemerkte Sango beeindruckt und strich kurz über das glatte, fast weiße Holz, aus dem der Bogen gefertigt war.

Das Griffstück war zurechtgeschnitzt, sodass es wirkte, als hielten zwei zierliche Hundeköpfe den Rest des Bogens fest.
 

„Die Yôkai, die diesen Bogen und die Pfeile gefertigt hat, ist auf ihren Gebiet mindestens so ein Genie, wie Tôtôsai bei Schwertern!“, ließ sich auf einmal Myôgas Stimme vernehmen und der alte Flohgeist hüpfte auf InuYashas Arm. Ausnahmsweise versuchte er aber erst gar nicht, zuzustechen sondern verharrte.
 

„Und weißt du auch, was ihn auf die Idee bringt, ihn mir zu geben?“, wollte Kagome interessiert wissen.
 

Myôga zuckte die Schultern. „Ganz einfach. Erstens gehört dieser Bogen sowieso zur hiesigen Waffenkammer und zweitens will er damit indirekt klar machen, dass du seinem Befehl unterstehst. Weniger dir gegenüber als für die anderen Fürsten.“
 

„War ja eigentlich klar, dass eine Art Berechnung dahinter steckt“, kommentierte Miroku gelassen und Sango und InuYasha nickten.

Alles andere hätte auch nicht zu Sesshômaru gepasst.
 

Da glitt die Schiebetür erneut auf und die Freunde wichen auseinander. Vor ihnen standen zwei junge Diener, beides Inuyôkai und sichtlich überrascht über den Anblick. Sie verneigten sich fahrig, aber ganz offensichtlich waren sie etwas perplex. Wer Inuyasha war, hatte sich inzwischen überall herumgesprochen, aber Kagome im Miko-Gewand war neu und dass es sich bei einer der anderen jungen Frauen um eine Taijiya handelte, hatte bisher niemand geahnt.

Offiziell wenigstens nicht.
 

„Was führt euch her?“, meldete sich Miroku schließlich zu Wort und riss die beiden aus ihrer Erstarrung.
 

Sie hoben die dunklen Stoffballen an, die sie trugen. „Der Herr verlangte, dass ihr die hier bekommt“, antwortete der eine und beide legten die Stoffe ab, ehe sie blitzschnell verschwanden.

Sie schoben nicht einmal die Tür wieder richtig zu.
 

Sango schüttelte etwas den Kopf, während Shiori schon die zwei Schritte machte und das aufhob, was die Diener zurückgelassen hatte. Der Stoff entpuppte sich als grober als gedacht. Es waren drei weite Umhänge.
 

„Da denkt einer mit“, kommentierte Sango und nahm den Umhang entgegen, den Shiori ihr hinhielt.
 

Miroku tat es ihr nach. „Vor allem ist da einer sehr engargiert“, fügte er hinzu und grinste halb verschmitzt, halb anzüglich.
 

Sango räusperte sich nur vielsagend und warf sich ihren Umhang um die Schultern, fasste nach ihrem Knochenbumerang. „Wir sollten aufbrechen“, sagte sie, worauf Kirara sofort an ihre Seite kam.

Alles bereit…
 

~*~
 

„Verzeiht, Inu no Taishô“

Rasch duckte der Diener sich, als Sesshômaru ihm den eiskalten Blick zuwandte. Aber als er nichts sagte, beeilte sich der Diener, die Rüstung diesmal ordnungsgemäß zu schließen. Heute war mit dem Fürsten wirklich nicht zu spaßen – nun, genau genommen war es das nie, aber selten war er so hypersensibel.
 

Kaum war der metallene Brustpanzer geschlossen, trat Sesshômaru einen Schritt vor.

Er hatte davon abgesehen, den Diener zu strafen, weil er wusste, dass er im Moment selbst Schuld war, an manchen Fehlern seines Umfeldes. Er war nicht mehr wirklich bei der Sache – oder besser, er war zu sehr bei dieser Sache.
 

Er wandte den Kopf, als er hörte, wie der Diener, der ihn eben noch angekleidet hatte, sich verneigte. Das konnte nur bedeuten, dass Rin gekommen war.

Tatsächlich kam das junge Mädchen gleich darauf an seine Seite. Sie wirkte aufgeregt, kein Wunder, immerhin würde es das erste, große Bankett werden, zu dem sie anwesend war.
 

Er musterte sie aus dem Augenwinkel. Arisu hatte ganze Arbeit geleistet. Rins nur schulterlange Haare waren kunstvoll geflochten worden und das junge Mädchen trug einen flammenfarbenen Kimono mit rot-weiß gemustertem Obi.

Wortlos griff er zur Seite und nahm eine Blüte auf, die auf einem Wandbrett gelegen hatte. Behutsam steckte er die weiße Lilienblüte mit den roséfarbenen Spitzen in Rins Frisur.

Aus leuchtenden Augen sah sie zu ihm auf, er erwiderte allerdings mit gleichgültigem Blick. Er wusste, sie freute sich über das kleine Geschenk, aber sie wusste auch, was es bedeutete. Sie war instruiert. Sie wusste, dass genau diese Blüte das Erkennungszeichen war.
 

„Wie wirst du mich auf dem Fürstentreffen nennen?“, prüfte er.
 

„Chichi-ue, Sesshômaru-sama!“, antwortete Rin ernsthaft und der Daiyôkai musste sich, ungeachtet der angespannten Lage, ein Schmunzeln mühsam verbeißen.

Dieses Mädchen war wirklich ein Unikat.
 

~*~
 

Neugierig musterte Shippô das Zugtier, das Diener gerade vor die Kutsche spannten.

Er hatte dieserart dämonische Pferde schon öfter gesehen, aber noch nie aus so einer Nähe. Dieses hier hatte schlicht braunes Fell, aber die mandelförmigen Augen leuchteten orangerot.
 

„Shippô!“ Das war Kyoko gewesen.
 

Rasch drehte er sich um und kam zu ihr gelaufen.

Dabei entging er mehrfach nur knapp einem Stolpern. Bei der Fuchsprinzessin angekommen, schüttelte er sich.

„Uah, ich werde mich nie daran gewöhnen, einen Kimono zu tragen“, kommentierte er seine Ungeschicklichkeit und folgte der lachenden Kyoko in das Innere der Kutsche.

Dort saßen bereits Akeno, Benika und Shin.

Tadashi und Kanaye würde bei dem Fürstenpaar in der vorderen Kutsche fahren vor die ein dunkelgraues Pferd gespannt war.

Alle drei waren ebenso belustigt über Shippôs Tollpatschigkeit wie ihre jüngere Schwester.
 

Er verzog das Gesicht, aber niemand verhöhnte ihn wirklich, das wusste er. Inzwischen kannte er die fürstlichen Geschwister ganz gut, hatte seine Scheu abgelegt.

Und dass Fürst Gin sich offensichtlich seiner angenommen hatte, zeigte sich in dieser Einladung. Er konnte noch immer kaum glauben, dass er einfach so mit zum Fürstentreffen durfte.

Gestern Abend noch hatten Kyoko und Akeno mit ihm ein wenig höfisches Benehmen geübt, aber er konnte dennoch nur hoffen, dass er sich und die anderen nicht blamierte.
 

„Hier, Shippô“, sprach Benika ihn plötzlich an und hielt ihm etwas entgegen, das zuerst wie eine bläuliche Kordel aussah. Auf den zweiten Blick erkannte – und spürte – er, dass es zu einer Schnur konzentriertes Fuchsfeuer war und er fühlte auch, von wem. Das Fuchsfeuer des Fürsten! Aber wozu?

Benika lieferte die Erklärung gleich mit, während sie sein Handgelenk fasste und die Yôkischnur darum legte. „Wenn du von uns getrennt werden solltest, kannst du damit beweisen, dass du zu uns gehörst. Ein jeder der adeligen Gäste wird Otou-sans Yôki erkennen.“

Shippô blinzelte überrascht. Aber er hatte verstanden.
 

Ein Rucken ging durch die Kutsche, als sie anfuhr, rasch beschleunigte. Dämonenkutschen konnten um ein Vielfaches schneller sein, als solche, die von normalen Pferden gezogen wurden, aber im Innern bekam man nichts von der atemberaubenden Geschwindigkeit mit.
 

„Sag mal, wofür hast du dich eigentlich entschieden, Shippô? Katana oder Bogen?“, fragte Kyoko da.
 

Der halbwüchsige Fuchs wandte ihr den Kopf zu. „Katana“, antwortete er. Ein Bogen kann ich auch selbst sein…, kommentierte er seine Entscheidung in Gedenken an den Kampf gegen die Mörder seiner Eltern mit Galgenhumor. „Aber du hast den Bogen gewählt, oder?“, fragte er dann zurück.
 

Kyoko nickte. „Wie die meisten von uns. Nur Otou-san hat das Katana, Kanaye und Akeno. Benika, Tadashi, Shin und Okaa-san haben sich auch für den Bogen entschieden“, zählte sie auf, aber dann fuhr sie plötzlich zusammen.

Ihre Hand zuckte kurz zu dem weißledernen Scherpenband vor ihrer Brust, in dem, in einer verborgenen Tasche, die Haru Tsume verstaut war.

Fürst Gin war sich nicht sicher gewesen, wie genau das Artefakt mit dem Schicksal seiner Tochter zusammenhing und hatte die Scherpe deswegen anfertigen lassen, damit sie die Federkralle versteckt bei sich tragen konnte.

„Was hast du?“, wollte Akeno wissen.

Kyoko zuckte etwas die Schultern und ließ die Hand wieder sinken. „Keine Ahnung. Das Ding hat kurz gepocht, aber jetzt spüre ich nichts mehr“, antwortete sie.
 

Die anderen entspannten sich wieder, nur Shippô blinzelte aus dem mit halbdurchsichtigen Tüchern verhangenen Fenster der Kutsche.

Er hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Wenn die Monate unterwegs, auf der Suche nach dem Shikon no tama, ihn eines gelehrt hatten, dann, das diese Artefakte oft ziemlich intelligent waren.
 

~*~
 

Sesshoumaru landete derweil vor den Schlossmauern des Nekoschlosses.

Hinter ihm kam AhUhn auf, InuYasha und Kagome sprangen vom Rücken des Reitdrachen und gesellten sich zu ihm. Der Inuyôkai ließ Rin los, die er bei sich mitgenommen hatte und sie trat fügsam einen Schritt zurück, blieb schräg hinter ihm stehen. So wenig sie das manchmal zeigte, sie hatte bei Arisu einiges gelernt.

Sesshômaru bestätigte für sich, dass er in der Sika-Yôkai als Rins Zofe wohl die richtige Wahl getroffen hatte. Auch wenn er einige hundeblütige Bedienstete seines Schlosses damit wohl ziemlich vor den Kopf gestoßen hatte – solcherart Brüskieren hatte ihn aber schließlich noch nie gestört.

Außerdem war jetzt anderes wichtig.
 

Er musterte das Gemäuer vor sich mit scheinbar gleichgültigem Blick.

Kurz verharrte er und jeder, der ihn kannte, wusste, dass das schon eine deutliche Geste der Unsicherheit war, ehe er auf das Tor zutrat.

Im Gegensatz zum Jahrhunderttreffen gab es hier keine besonderen Rieten, erwarten tat ihn einzig ein dafür abgestellter Bediensteter. Dessen rötliche Katzenaugen lagen skeptisch auf Sesshômarus Begleitung und er konterte nur mit einem eiskalten Blick, sodass der Diener sofort die Augen niederschlug. Er hatte verstanden.
 

Der Inuyôkai ließ den Blick schweifen.

Nicht weit von der Schlossmauer war der Stützpunkt der Boten, das wusste er noch von früher, ansonsten war wohl alles hinter den Hauptgebäuden.

Amaya hatte ihm eine gute Beschreibung geliefert. Gut so.

Außerdem erkannte er Nikko dort, jenen Boten, den sie in Kuraikos Feuerfalle ‚getroffen‘ hatten.

Der hochgewachsene, schwarzhaarige Pantherdämon verneigte sich, als er Sesshômarus Blick bemerkte und der vergolt das mit einem Nicken. Immerhin war der Kerl vernünftig.

Wenn doch nur alle Katzen so währen…, dachte er kurz, aber er schob den Gedanken beiseite.

Hadern brachte einen niemals weiter.
 

Scheinbar gelassen schritt der Daiyôkai jetzt auf das offen stehende Schlossportal zu und dann hindurch, den recht düsteren Flur entlang. Die Katzen hatten schon immer damit prahlen müssen, dass sie im Dunklen noch besser sahen, als andere Dämonenvölker.

Er verkniff sich ein Kopfschütteln und zitierte InuYasha mit einer knappen Geste an seine Seite.
 

Ungewohnt folgsam kam der Hanyô der Aufforderung nach.
 

Sesshômaru prüfte noch einmal die Luft.

Ja, die anderen drei waren samt der Nekomata außerhalb, aber in der Nähe des Schlosses. Bisher lief alles nach Plan.

Um Natsus und seines Sohnes Willen hoffte er, dass es dabei bleiben würde, aber sein Verstand sagte ihm, dass das Vorhaben noch viele Punkte hatte, an denen es scheitern konnte.

Ganz kurz krallte sich seine Hand in die Fellboa um seine Schulter, dann hatte er sich wieder im Griff.
 

Mit emotionslosem Blick marschierte er durch das vor ihm geöffnete Portal in den Bankettsaal, der, im Gegensatz zum Großteil des Schlosses, recht hell war. Der Boden bestand aus hellem, bläulichem Marmor, die Wände waren mit hellfarbenen Teppichen behangen. Einer der Teppiche zeigte eindeutig Kuraiko, soviel erkannte Sesshômaru sofort.

Á propos, es wundert mich, dass sie noch nicht zurückgekehrt ist…
 

Wenn sie es wäre, dann hätte das genug Wirbel gegeben und dieses Treffen hätte vermutlich nicht einmal stattgefunden, das konnte er sich denken. Insofern konnte er wohl ganz froh sein, das die Urkönigin der Panther offenbar ihre Reiselust wieder entdeckt hatte. Sonst wäre die Zeit für Natsu sehr knapp geworden.
 

An einem Seitenportal entstand Aufregung.

Er witterte kurz, verkniff sich eine Grimasse. Tôran und die anderen sind im Anmarsch…

Sesshômaru drehte ein wenig den Kopf. „InuYasha!“
 

Der Hanyô sah auf.
 

„Benimm dich.“
 

InuYasha senkte den Kopf wieder. „Keh! Natürlich!“
 

Sesshômaru wusste es nicht, aber in diesem Moment schoss ihm der gleiche Gedanke durch den Kopf wie Kagome: Na hoffentlich!

Eskalation

Als Shippô als letzter die Kutsche verließ, stellte er sich um einiges geschickter an, als beim Einstieg.

Das mochte aber auch daran liegen, dass er jetzt weniger herumalberte. Nach außen hin gaben sich die Füchse schließlich auch adelsgerecht und ernst, hier in den hohen Etagen zumindest.
 

Fürst Gin sammelte seine Kinder – und Shippô – kurz um sich, ehe sie gemeinsam auf das Schlossportal zu traten.
 

Shippôs türkise Augen musterten das trutzige Gemäuer vor seiner Nase.

Der blauschwarze Stein und die spitz zulaufenden Zinnen machten den Anblick nicht gerade einladend, einzig die überwiegend abgerundeten Strukturen wirkten freundlicher.

Das war ein ganz anderer Stil als das luftig wirkende Fuchsschloss.

Unwillkürlich hielt er sich inmitten der anderen, als sie das Hauptgebäude betraten und einem langen, geraden Flur folgten.

Der Weg war deutlich, deswegen gab es wohl auch keinen Diener, der sie führte, aber nach allem, was Kyoko und ihre Geschwister ihm über aristokratische Höflichkeit erzählt hatten, war es doch ein ganz schöner Affront, die Gäste so allein zu lassen. Immerhin das Portal zum Saal wurde vor ihnen geöffnet und sie betraten einen helleren, offenen Raum, durch dessen viele Fenster Licht hineinflutete.

Allerdings würde es wohl stockduster sein, sobald die Sonne unterging, denn er sah nirgends Halterungen für Lampen oder auch nur Fackeln.
 

Plötzlich aber wandte Fürst Gin ihm den Kopf zu. „Schau mal dort hin, Shippô. Täusche ich mich, oder ist das deine Miko-Freundin?“, fragte er ruhig und zeigte mit einem Wink seines Kopfes zu einem der Fenster.
 

Shippô folgte der Geste mit den Augen – und glaubte seinen Augen nicht zu trauen.

Was bitte tat Kagome auf einem Fürstentreffen? Und InuYasha war ja auch da! Und das nicht einmal zwei Meter von Sesshômaru entfernt. Hatte der die beiden etwa mitgebracht?

„Das ist Kagome“, antwortete er erfreut und wollte bereits hinübergehen, da hielt Kyoko ihn unauffällig am Kimonoärmel zurück. „Hier bleiben. Wir müssen erst die Neko-Fürsten begrüßen, sonst gibt es Ärger. Danach können wir machen, was wir wollen“, murmelte sie leise und rasch ordnete Shippô sich wieder ein. Schließlich hatte er sich vorgenommen, die Kitsune-Fürstenfamilie nicht zu blamieren.

Stattdessen blickte er jetzt zu dem kleinen Podest, auf dem die vier hochrangigsten Neko standen.
 

Ein einziges Mal hatte er die vier gesehen und daran hatte er nicht gerade angenehme Erinnerungen. Genau genommen waren es mehr als brenzlige Stunden gewesen.
 

Alle vier hatten sich nicht die Mühe gemacht, sich irgendwie herrichten zu lassen, trugen ihre normalen Anziehsachen und Fürst Gin musste sich auch erst höflich räuspern, ehe sie ihn ansahen. Dann aber verbeugten sich Karan und Shunran knapp und die anderen beiden nickten grüßend.

Fürst Gin und Kanaye nickten ebenfalls, der Rest – inklusive Shippô – verneigte sich. Dabei wurde kein einziges Wort gewechselt.

Dann wandte die Fuchsfamilie sich ab, Shuran nahm das Gespräch wieder auf, das er mit einem nach Schlange aussehenden Yôkai geführt hatte und die anderen drei Neko starrten wieder Löcher in die Luft – zumindest kam es Shippô so vor. Er schüttelte etwas den Kopf, ehe er sich darauf besann, wen er hatte begrüßen wollen. Kyoko wie selbstverständlich im Schlepptau hielt er auf Kagome und InuYasha zu, die noch immer in der Nähe der Fenster standen.
 

~*~
 

Das Bankett hatte längst begonnen, als sich noch einmal das Portal des großen Saals öffnete.
 

Sesshômaru brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer da kam. Er konnte es wittern. Sie…

Unauffällig sog er ihren Duft ein, rührte sich aber nicht von seinem Platz an einem der Fenster weg, an dem er seit einer ganzen Weile stand.

Nur aus dem Augenwinkel beobachtete er die Dreiergruppe, die den Saal betreten hatte. Natsu und ihre Eltern, Amaya fehlte. Ganz nach Plan. Während sich die beiden älteren Löwendämonen rasch unter das Geschehen mischten, blieb Natsu am Rande und allein zurück. Wie die meisten anderen Neko in Sichtweite war sie in keinster Weise besonders gekleidet, Sesshômaru erkannte den dunklen Kimono mit der weißen Raubkatzen-Silhouette an der Seite, den sie schon damals getragen hatte, als er sie zum ersten Mal zu Gesicht bekam.

Ein Moment verging, sie blieb allein.

Sesshômaru konnte sich denken, warum niemand auf sie zuging. Die Neko hatten keine Zeichnung bei Ehrverlust, wie es genannt wurde, aber dennoch wusste das Umfeld sicher, dass Natsu ein Kind aber keinen Gefährten besaß und solcherart Nachrichten verbreiteten sich schnell. Klatschmäuler gab es überall.

Sesshômaru schloss kurz die Augen. Natsu sollte wenigstens wissen, dass der Plan lief. „Rin!“, sagte der Inuyôkai leise.
 

Sofort war das junge Mädchen an seiner Seite. „Hai, Chichi-ue?“, fragte sie höflich um keinen Verdacht aufkommen zu lassen.
 

Liebe, gute, Rin…

„Du kannst dich unter die Leute mischen“, erwiderte der Weißhaarige nur und prompt wandte Rin sich ab und lief unbefangen zwischen den Yôkai hindurch.

Dabei schien sie nicht einmal mehr einen Bogen um Kôga und dessen Gefährtin zu machen, Wolfsdämon hin oder her.
 

„Alles klar?“, fragte jemand an seiner Seite und Sesshômaru wandte den Kopf. Da lehnte InuYasha an der Wand, Kagome stand in der Nähe.

Sesshômaru sagte nichts, nickte aber knapp. Bisher benahm InuYasha sich ja zum Glück.

Er sah wieder zum Fenster hinaus. Irgendetwas störte ihn, etwas, das er nicht deuten konnte.

Und wenn er sich nicht sehr irrte, dann lag auch in Kagomes Witterung ein wenig Anspannung.

Was geht hier vor?
 

~*~
 

Mehr als ein Fürst hatte das Gespräch zwischen Sesshômaru und seiner menschlichen Begleitung mit skeptischer Miene beobachtet.

Einzig Kôga wirkte wenig interessiert, aber er kannte Rin ja nun auch zu Genüge. Nur schien sein Desinteresse den anderen aufzufallen.
 

Zuerst kam dann Daikuma, der Bärenfürst, auf ihn zu, die meisten anderen schlossen sich neugierig an.

„Ihr wirkt wenig überrascht von der Begleitung des Inu no Taishô, Kôga-san.“
 

Der Wolfsdämon sah ihn gleichgültig an, zuckte dann die Schultern. „Ich kenne Rin schon eine ganze Weile. Mich wundert es wenig, dass er sie jetzt bei sich hat“, antwortete er.
 

„Fürst Sesshômaru und eine menschliche Begleitung?“
 

Kôga lachte trocken. „Er wird sicher nicht leichtfertig sagen, dass sie seine Ziehtochter ist. – Er hat sie schon vor Jahren bei sich gehabt, da war Rin noch ein kleines Kind. Sie hat ihn auf den letzten Monaten seiner Reisen begleitet“, erklärte er und wandte sich dann Ayame zu, die in seiner Nähe stand und ziemlich belustigt dreinsah.

Es amüsierte sie, wie sehr Kôga plötzlich auf seine Worte achtete.

Ein kurzer Seitenblick zeigte ihr, dass auch Sesshômaru das mitbekommen hatte und – für seine Verhältnisse – erfreut wirkte, dass Kôga nicht mehr als nötig hinter seinem Rücken über ihn redete.

Du bist geschickter geworden, auf dem fürstlichen Parkett, Kôga…, kommentierte sie schmunzelnd und packte dann seine Hand um ihn mit sich zu ziehen, richtung Kagome. Die Fürsten würden ihn sonst sicher bald richtig in die Mangel nehmen.
 

~*~
 

Ein paar Kilometer entfernt vom Nekoschloss verzog sich ein Gesicht zu einem feisten Grinsen.

Ein schwarzgrauer Schopf hing der Gestalt in die pechschwarzen Augen und auch ansonsten sah er nicht wirklich adrett aus.

Er hob eine Hand, an der die Klauen deutlich blitzten und prompt zischten einige Shinidamachu heran, ihre diffusen, schwarzen Körper umschlängelten ihn. Er lauschte.

„So, die letzte Fürstenfamilie ist also eingetroffen, ja?“, fragte er leise und einer der Seelenfänger zischte zustimmend.

Das Grinsen der Gestalt wurde breiter.

„Gut so.“
 

Er hob die andere Hand, fixierte den pechschwarzen Stein, der in einen schmalen Ring eingelassen, an seinem Zeigefinger glänzte. Tief in dem schwarzen Material glomm ein pulsierender Funke, der heftiger pochte, als die Gestalt die Hand nach Nordosten ausstreckte. „Wie schön, dass du so eine Nebenfähigkeit hast, Akuma shinju“, wisperte die Gestalt und senkte die Hand wieder. Oh ja, eines seiner beiden Artefakte hatte einige interessante Neigungen, soviel stand fest.
 

„So, meine Freunde, es ist Zeit… die Rache naht…“, fügte er dann hinzu und ließ auch die Hand wieder sinken, um die die Shinidamachu gekreist waren.

Sofort schlängelten die schlangenähnlichen Wesen sich davon, nahmen ihren Weg wieder auf. Ihr Zischen vermischte sich in der Luft zu einem gruseligen Gesang: Akuma no seikatsu – Der Teufel lebt – Akuma no seikatsu – Der Teufel lebt…
 

~*~
 

„Sesshoumaru-san?“

Der Inuyôkai wandte den Kopf, als Shuran sich zu ihm gesellte. Der massige Pantherdämon, der manchmal so debil wirken konnte, sah diesmal ernst drein. „Seit unserer letzten Konfrontation hat sich das Verhältnis der Panther und der Inu wieder etwas entspannt, denke ich“, bemerkte Shuran.
 

Sesshômaru gab keine Antwort. Er sah das anders, aber wozu wiedersprechen. Sollte der Nekofürst doch denken, was er wollte.
 

„Ich möchte Euch daher einen Vorschlag machen… gehen wir ein paar Schritte?“
 

Sesshômaru verengte die Augen, folgte dem Pantherdämon aber. Es war deutlich, dass der sich nicht wirklich wohl fühlte, dabei, sein Anliegen vorzubringen. Sonst hätte der niemals darum gebeten, abseits der anderen mit ihm sprechen zu können. Shuran war eher der poltrige Typ.
 

„Nun?“, wollte Sesshômaru schließlich wissen, als sie bereits das andere Ende des Saals erreicht hatten.
 

„Ihr wisst, dass sich das Recht der Neko und das Recht der Inu in vielen Punkten unterscheiden“, begann Shuran wieder.
 

Sesshômaru unterdrückte ein ungeduldiges Knurren. Er war nicht in der Stimmung dazu, stundenlang zu warten, bis sein Gesprächspartner auf den Punkt kam.
 

Immerhin das schien Shuran bemerkt zu haben, denn er straffte die Schultern und sprach rasch weiter. „Um es kurz zu machen… meine Schwester Tôran, Fürstin der Neko, Tochter der Urkönigin der Panther, bittet um Eure Hand, Inu no Taishô.“
 

Sesshômarus rechte Hand verkrampfte sich augenblicklich.

Unwillkürlich schoben sich seine oberen Reißzähne über die Unterlippe, ehe er seine Beherrschung zurückhatte. Was untersteht sich diese wahnsinnige Katze? In seinen Augen lag eine Eisigkeit, die es mit Tôrans Macht hätte aufnehmen könnten. Das Gold sah fast weiß aus.
 

Shuran wich automatisch einen Schritt zurück, ehe er beschwichtigend die Hände hob. „Ihr wisst, dass diese Anfrage ihr nach Katzenrecht erlaubt ist“, fügte er leise hinzu.
 

Sesshômaru erwiderte nichts, sondern wandte sich ab.

Aus dem Augenwinkel konnte er Tôran erkennen, die zu ihrem Bruder trat, sich scheinbar keiner Schuld bewusst. Idiotische Katze!, fluchte Sesshômaru innerlich, da berührte ihn plötzlich etwas am Arm.

Aus dem ersten Affekt heraus, wollte er unwirsch zuschlagen, ehe ihm Rins süße Witterung in die Nase kam.
 

„Ist etwas, Chichi-ue?“, wollte sie fast besorgt wissen.
 

Sesshômaru zögerte einen Moment, dann wandte er den Blick wieder von seiner Ziehtochter ab. „Nein, Rin. Nichts“, antwortete er gleichgültig.
 

„Sesshômaru?“, sprach ihn da schon der nächste an.

InuYasha war ihm entgegen gekommen.
 

„Was?“
 

„Kagome will dich sprechen. Ich glaube, es ist etwas mit der Tía.“
 

Habe ich doch Recht gehabt… Sesshômaru schob Tôrans Dreistigkeit vorerst beiseite und folgte seinem Halbbruder durch die anderen Gäste.
 

Kagome lehnte am Fenster und blickte angestrengt nach draußen.

Als der Daiyôkai wortlos neben sie trat, richtete sie den Blick zu ihm. „Ich weiß nicht genau, was es ist, aber hier liegt eine Aura in der Luft, die mich stört. Und die Tiá pulsiert immer wieder, ganz, als ob sie mich auf etwas aufmerksam machen will. Ich weiß ja nicht, was für Fähigkeiten sie alles hat, aber ich glaube, sie warnt.“
 

Sesshômaru fragte nicht, wovor.

Es war offensichtlich, dass Kagome nur aus einer unbestimmten Ahnung sprach. Aber er schätzte sie inzwischen als erfahren genug ein, keine Kinkerlitzchen zu melden.

Also witterte er selbst, schloss dann kurz die Augen um nach einem eventuellen, fremden Yôki zu fühlen.
 

Und plötzlich spürte er etwas, kein normales Yôki, sondern eine andere Präsenz, diffus wie dichter Nebel – und gar nicht weit entfernt.
 

Für einen Augenblick spannten sich seine Muskeln an, als ihm Worte seines Vaters durch den Kopf schossen. Damals war er noch ein Kind gewesen.

Yôki war schon immer die dunkle Kraft, das dunkle Gegenstück zum hellen Genki der Götter. Aber wenn du jemals ein Yôki fühlst, das nicht mehr klar zu erspüren ist, sondern unklar und nebulös, dann sei dir sicher, dass dein Gegenüber sein Ehrgefühl verloren hat...
 

Sesshômaru wandte sich vom Fenster ab und suchte mit dem Augen nach Shuran. Er hatte nicht die Absicht, dem Panther eine konstruktive Antwort auf dessen Gesuch zu geben, er wollte ihn eher warnen.

Es waren zu viele Begleiter und Kinder auf diesem Treffen, als das sie einen Angriff riskieren könnten, einen Angriff, den sogar eines der Artefakte als wert zu melden sah.
 

Aber er wurde einer Warnung enthoben, denn plötzlich flog das Portal auf und zwei Wachen stürmten herein, sichtlich durch den Wind. „Angriff! Fürstin Tôran, Fürst Shuran, das Schloss wird angegriffen!“, riefen sie.
 

Augenblicklich war Stille im Saal.
 

Zu spät…, kommentierte Sesshômaru nur in Gedanken und spürte kurz etwas wie Beklemmung, als er daran dachte, was dieser Angriff für den Plan bedeutete, den Plan zur Rettung seines Sohnes und seiner potentiellen Gefährtin.
 

In diesem Moment tat Tôran das einzige, wozu sie – das gab Sesshômaru gerne zu – durchaus fähig war: Routiniert begann sie die Situation zurück in kontrollierte Bahnen zu lenken: „Ruft die Krieger zusammen. Wer unbewaffnet ist, aber kämpfen kann und will, soll ausgerüstet werden. Zwanzig Wachen in den kleinen Saal, die kleinen Kinder und Wehrlosen unter ihren Schutz!“, befahl sie fest.
 

Sofort drehten sich die Wachen um und rannten zurück um die Befehle weiterzugeben.

Im Saal stand noch immer die Zeit still.

Sesshômaru kannte diese Stimmung. Der Krach würde gleich kommen. Dies hier war die Ruhe vor dem Sturm.

Die Fürsten sahen sich an, dann zu den Panthergeschwistern, die in gewohnter Manier zusammengekommen waren.
 

Dann nickte zuerst Yuudai, der Schlangenfürst, fest, fasste sein Naginata, das ebenso geschuppt war, wie die Haut des Fürsten, fester und trat zu den Neko-Fürsten.
 

Fürst Gin drehte sich zu seiner Gruppe um, orderte Shin, Kyoko und Shippô in Richtung der Verbindungstür zum kleinen Saal und trat dann ebenfalls zu den Panthern, den Rest seiner Familie im Schlepptau.
 

Es folgten anwesende Adelige der Neko, darunter auch Natsus Vater – und Natsu.
 

Sesshômaru verengte die Augen zu Schlitzen. Bist du daseinsmüde?, fragte er in Gedanken.

Natsus Vater wirkte auch nicht begeistert, aber jetzt war keine Zeit zu diskutieren.
 

Sesshômaru war trotzdem wenig froh gestimmt.

Er konnte wittern, wie ausgezehrt sie war, wie geschwächt durch die Kraft ihres Sohnes und obendrein trug sie keine Rüstung. Was sie in den Kampf trieb war keine Vernunft, das war Mutterinstinkt.

Und in ihrer Situation, konnte sie das umbringen.
 

Entschieden trat Sesshômaru vor und gesellte sich zu den anderen, die beschlossen hatten, die Panthergeschwister zu unterstützen. Er wusste, dass Tôran das wieder falsch verstehen würde, aber das war ihm im Moment egal. Ihm ging es darum, Natsu zu schützen.
 

Keinen Atemzug später stand plötzlich InuYasha an seiner Seite, die Hand an Tessaiga, dahinter Kagome, eine Hand am Bogen.

Rin hatte sich wie selbstverständlich zu den Kindern gesellt, hatte verstanden, dass er sie so nicht schützen konnte. Noch einmal schloss Sesshômaru kurz die Augen. Also gut…
 

„Vergiss es, Ayame“, erhob sich plötzlich Kôgas Stimme über der noch immer herrschenden Stille.

Gleich darauf antwortete Ayame, erschreckend ruhig ihre Stimme: „Nein, Kôga. Vergiss du mich aufhalten zu wollen. Im Gegensatz zu dir, kenne ich diese Präsenz. Das… das ist der Mörder meiner Eltern: Jigoku no Ookami!“

Vorhut

Neben Tôran beherrschte sich einzig Sesshômaru weit genug, um nicht erschrocken die Luft einzuziehen. Aber auch er verspannte sich ein wenig.

Der Name, den die junge Wolfsherrin da ausgesprochen hatte, war unter allen Dämonenrassen nur zu gut bekannt.

Vor sechshundert Jahren, als der Kerl gebannt worden war, war er selbst noch ein Kind gewesen, vom Erscheinungsbild her nichteinmal so alt wie InuYasha jetzt. Er hatte damals noch wenig von der Sache mitbekommen. Und er konnte sich gut denken, dass dieser Kampf nicht leicht werden würde.
 

Der sogenannte Höllenwolf galt als der stärkste Ookami aller Zeiten und als einer der stärksten Yôkai insgesamt. Yôkai, die sich dem Bösen verschrieben, waren zudem nocheinmal ein gutes Stück stärker, deswegen veränderte sich ihr Yôki ja auch. Außerdem sprach es für seine Stärke, wenn er sich aus eigener Kraft aus dem Bann hatte befreien können, denn geholfen hatte ihm sicher keiner.
 

„Der Höllenwolf sollte gebannt sein. Er muss sich befreit haben und sinnt jetzt auf Rache. An Fürst Gin, an Vater, am Vater der Panthergeschwister, an Fürst Yuudai und dem gesamten Ookami-Volk“, erklärte er knapp, im Wissen, dass InuYasha sonst nicht wüsste, mit wem er es gleich zu tun bekam.

Es läuft schließlich kein wildgewordener Stückwerk-Hanyô mehr frei herum…, dachte er zugleich sarkastisch und ein Seitenblick zeigte ihm, dass InuYasha offenbar an dieselbe Begebenheit dachte. Der letzte Gebannte, der frei geworden war, war befreit worden.

Und hat InuYasha beigebracht das Bakuryuuha zu benutzen… Sesshômaru hatte sich inzwischen bei Tôtôsai schlau gemacht, wie InuYasha Ryūkotsusei hatte besiegen können. Immerhin war es diesem Drachenviech seinerzeit gelungen, ihren Vater, den großen Hundedämon, schlussendlich tödlich zu verletzen. Aber das war jetzt nicht Thema.
 

Nebenbei hörte er Shunran leise murmelnd durch die angespannten Reihen gehen, fragen, welche Waffen von den Helfern gewünscht waren.

Wer sich bisher noch nicht entschlossen hatte, den Neko zu helfen hatte sich bei Erwähnung der Identität des Angreifers schnell auf Seiten der kurzzeitigen Allianz geschlagen.

Auf dem Flur näherten sich die Wachen, die die Kinder schützen sollten.
 

Sesshômaru blickte kurz zu der Gruppe, die sich an der Tür zum kleinen Saal zusammengerottet hatte.

Er unterdrückte ungeachtet der Situation ein Schmunzeln, als er sah, dass der kleine Kuma-Erbe vor Angst wie Espenlaub zitterte und Rin sich mir nichts dir nichts zu ihm begeben hatte und ihn unbefangen zu trösten versuchte. Verrücktes Menschenkind…, kommentierte der Daiyôkai, aber dann blieb ihm keine Zeit weiter zu überlegen.
 

In dem Moment, in dem vor den Mauern des Nekoschlosses die Hölle losbrach wurde auch dem letzten klar, dass dieser Angriff vollkommen geplant gewesen war.

Er wusste, dass hier ein lockeres Treffen stattfindet und er hat genau gewartet, bis mit Fürst Gin der letzte seiner Kandidaten eingetroffen war, gute Spione muss er haben und ein übergroßes Selbstbewusstsein noch dazu. Als ob wir von der Sorte nicht schon genug erlebt haben…, dachte er in Gedenken an Naraku und dessen Hölleninsekten.

Dann folgte er entschlossen den ersten losstürmenden Yôkai, die Hand bereits fest um Bakusaigas Heft geschlossen.
 

So viele Yôkai, auch Daiyôkai, hier zusammenkämpften, das würde kein Spaziergang werden. Der Höllenwolf war nicht zu unterschätzen und sie alle waren unkoordiniert und nicht an einen gemeinsamen Kampf gewöhnt, eine chaotische Gruppe zusammengesetzt aus Wesen, deren Kampfstile unterschiedlicher nicht sein könnten.
 

Und auf einmal war er froh, InuYasha, Kagome, die Dämonenjägerin und den Mönch auf seiner Seite zu wissen.

Deren Façon kannte er, auf die konnte er sich verlassen.

Und das würde nötig sein.
 

~*~*~*~*~
 

Rin und die Yôkaikinder hatte man derweil in dem kleinen Saal zusammengedrängt, vier Wachen spannten mithilfe ihrer Waffen einen festen Bannkreis vor dem Fenster nach draußen, dann teilten sie sich auf, jeweils kleine Gruppen im Auge zu behalten. Rin hatte auf ihren Streifzügen über das heimische Schlossgelände – mit dem ewig schimpfenden Jaken im Schlepptau, verstand sich – genug über die Arbeit von Wachen und Vorhuten aufgeschnappt, dass sie erkannte, wie gut diese Nekoyôkai arbeiteten. Jeder Schritt war durchgeplant, sie waren gut ausgebildet.
 

Und auch wenn sie eine Hand auf den schmalen Unterarm des kleinen Bärendämons neben sich gelegt hatte und sich nichts anmerken ließ, so spürte sie dennoch Besorgnis.

Sie kannte ihren Ziehvater gut genug um zu wissen, dass auch er nicht unbedacht in diesen Kampf zog.

Er fürchtete den Gegner nicht, aber er nahm ihn auch nicht auf die leichte Schulter. Und das war ihres Wissens zuletzt bei Naraku so gewesen.

Über vier Jahre her… Sie lächelte still vor sich hin. Sie wusste, dass Sesshômaru alles tun würde, um die, für deren Schutz er sich einmal entschieden hatte, auch wirklich zu schützen, dessen war sie sich schon vor Jahren sicher gewesen, damals, als dieser Flötendämon sie gefangen gehalten hatte, aber sie wusste ebensogut, dass dieser Gegner dort draußen weitaus mehr zu bieten hatte, als dieser Entführer damals.
 

Sie konnte nicht ahnen, dass, bei allen Gedanken, die sie sich machte, ihr leichtes Lächeln die meisten Yôkaikinder um sie herum beruhigte. Wenn ein Mensch noch lächeln konnte, warum sollten sie sich dann fürchten? Für die nächste Zeit würde das ihr Motto sein.

Denn dieser Kampf würde sicher nicht in ein paar Momenten erledigt sein. Im Gegenteil, dieser Kampf konnte langwierig und zermürbend werden, dessen war Rin sich plötzlich sicher.
 

~*~*~*~*~
 

Draußen tobte derweil bereits der Kampf – gegen eine Horde scheinbar unverwundbarer, schwarzer, fliegender Viecher, die nicht jeder der einfachen Krieger auf den Mauern einordnen konnte.
 

Die meisten Fürsten erkannten sie allerdings auf den ersten Blick.

Überall lag Geknurrte, Gezische und Gefauche in der Luft, immer wieder sprach jemand aus, wer da angriff, als ob es nicht längst jeder wüsste: „Shinidamachu!“
 

Sesshômaru knurrte ungeduldig.
 

„Warum kommt mir das alles gerade wahnsinnig bekannt vor?“, fragte InuYasha an seiner Seite.
 

„Weil Naraku genau das gleiche Prinzip gefahren ist. Erst die Schergen vorschicken und selbst auftauchen, wenn sie alle dahingemetzelt sind und der Gegner bereits erschöpft ist. Nur das die Shinidamachu mit Waffen wenig bis garnicht besiegbar sind. Nur weiß das nicht jeder. Der will uns ermüden, um dann leichteres Spiel zu haben. So wie Naraku genau wusste, dass er mich mit den Hölleninsekten aus dem Spiel nehmen konnte“, dozierte plötzlich jemand hinter ihm und InuYasha fuhr herum.

„Als ob ich das mit Naraku nicht selbst wüsste!“, schnappte InuYasha, hielt aber die Klappe, als Sesshômaru sich umdrehte. Im Gegensatz zu den umstehenden Yôkai hatte er nämlich zugehört, was der plötzliche Neuankömmling sagte. „Was killt sie?“

Miroku blickte ihn kurz an, dann fasste er in die Falten seines Gewandes und zog ein paar Bannzettel heraus. „Spirituelle Kräfte“, antwortete er im Wissen, dass Sesshômaru keinen Vortrag wünschte.

Sesshômaru nahm das zur Kenntnis.
 

Inzwischen war auch der Eidechsenfürst ganz in der Nähe auf Miroku aufmerksam geworden und verengte die Augen. „Was tut ein Hoshi hier?“, fragte er scharf.
 

Sesshômaru hätte am Liebsten die Augen verdreht. Als ob sie im Moment nichts Besseres zu tun hätten.

Aber InuYasha fuhr bereits auf: „Er gehört zu mir, also Klappe, verstanden?“

Es war wohl nur der Tatsache geschuldet, dass der Tokage-Fürst kein Daiyôkai war und Sesshômaru direkt hinter InuYasha stand, dass der Eidechsendämon sich nicht über die rüde Behandlung beschwerte.
 

Miroku grinste nur, ehe er die Bannzettel vor die Augen hob, die Lider schloss und etwas murmelte, so nuschelnd und leise, dass selbst Sesshômaru Schwierigkeiten hatte, es zu verstehen. Dann schleuderte Miroku die Bannzettel aus dem Handgelenk davon. Zielsicher trafen die beschriebenen Papierfetzen auf zwei der herumzischenden Shinidamachu und ließen sie in hellblauem Licht erglühen, ehe die schlangenähnlichen Wesen einfach verschwanden.

„Seid Ihr jetzt davon überzeugt, dass ich hilfreich sein kann, Herr?“, fragte Miroku mit einem Lächeln und einer Verbeugung, ehe er den verblüfften Eidechsendämon einfach stehen ließ und sich unter die Menge der bisher noch wartenden Fürsten mischte.

Nur zwischendurch hob einer seine Waffe und zerteilte einen Shinidamachu, der unbehelligt davonzischte.
 

Die schwarzen Seelenfänger griffen hier hinten niemanden an, sie hatten es auf die Krieger auf den Mauern abgesehen, von denen im Gewimmel bereits die ersten verletzt worden oder abgestürzt waren.

Einige hatten das Pech von schwarzen Seelenfängern umschlungen zu werden und sanken Atemzüge später mit fast nicht mehr vorhandenem Yôki zusammen.

Ihre Kameraden hatten keine Zeit, auf die Liegenden zu achten, achtlos wurde über sie herüber getrampelt.
 

Es waren spärlich bewaffnete, aber blitzschnelle Boten, die die Verletzten von der Mauer holten.

Sesshômaru wunderte sich wenig, dass Nikko den Rettungstrupp selbst anführte. Der hochgewachsene Botenanführer war ihm schließlich von Anfang an als verantwortungsbewusst und vernünftig aufgefallen – wenn er nicht gerade von Rauchgasen benebelt war.

Der Hundedämon selbst beobachtete ebenso wie alle anderen nur aus dem Hintergrund. Die erfahrenen Fürsten hielten sich von selbst zurück, die jüngeren nahmen sich ein Beispiel daran.

Jeder wusste, dass der große Schlag noch ausstand. Ihr Gegner war noch nicht eingetroffen.
 

„InuYasha“, sagte Sesshômaru, während er das Geschehen auf der Mauer beobachtete.

Der Hanyô sah zu ihm auf.

„Such‘ deine Gefährtin und haltet Ausschau nach Schamanen der Neko. Auch ihre Kräfte sind annähernd spiritueller Natur“, trug der Daiyôkai ihm auf und betrachtete seinen Halbbruder dabei nur aus dem Augenwinkel.

Das Amulett hatte der Halbdämon wieder unter das Kimonohemd gesteckt, damit es im Kampf nicht störte, aber so schien er sich dessen Bedeutung erstaunlicherweise bewusst zu sein: er gehorchte. Rasch machte er sich auf den Weg.
 

~*~*~*~*~
 

InuYasha fand Kagome unterhalb des Fensters des kleinen Saals. „Da bist du ja!“
 

Kagome drehte sich ihm zu. „Klar“, erwiderte sie knapp.
 

Der Hanyô packte sie wortlos am Ärmel und zog sie auf seinen Rücken.

Instinktiv hielt Kagome sich fest. „Wohin jetzt?“

„Schamanen suchen. Miroku sagt, ihre spirituellen Kräfte können auch etwas gegen diese Seelenfängerviecher ausrichten“, antwortete InuYasha.
 

Kagome duckte sich unter einem Angriff eines der erwähnen Wesen und runzelte die Stirn. Wie sollte Miroku über die Kräfte von Schamanen bescheid wissen? Soweit sie von Kaede wusste, waren das die religiösen Beamten der Yôkai.

Dann begann ihr zu dämmern, dass der Auftrag vermutlich eher von Sesshômaru kam.

Ein Schmunzeln glitt über ihr Gesicht. In Sturheit stehst du ihm jedenfalls nicht nach…, dachte sie trocken und hob den Kopf wieder um Ausschau zu halten.

Bei den Menschen war es so, dass religiöse Persönlichkeiten besondere Kleidung trugen. Vielleicht würden sich auch dämonische Schamanen anders kleiden als ihre kriegerischen Kumpane.
 

Das war der Moment, in dem sie in einem Fenster eines Seitenflügels eine Gestalt erkannte, die einen schmucklosen, dunklen Kimono mit einem spärlichen, aufgestickten Muster aus blutroten Rhododendronblüten trug. In ihrem dunklen Haar steckte eine ebenso blutig aussehende, echte Rhododendronblüte.

„InuYasha, schau mal da. Meinst du, das ist einer?“, rief sie, worauf der Hanyô stehen blieb und ihem Blick folgte.

Er zuckte die Schultern. „Woher soll ich das wissen?“ Aber er hatte verstanden, worauf sie hinaus wollte. „He!“
 

Die potentielle Schamanin sah nach unten und musterte den Rufer, dann die Miko an seiner Seite und erst da wurde ihr Blick offener. Nun, Kagome war die einzige Miko in Reichweite und jeder wusste vermutlich, weswegen sie hier war und mit wem.

Geschmeidig sprang die Schamanin auf das breite, steinerne Fensterbrett und dann zu ihnen hinunter. Sie schien noch jung, ihr Haar war unspektakulär schwarz, aber ihre Züge wirkten beinahe neugierig.

„Was wollt Ihr, Miko?“, fragte sie und ignorierte InuYashas missmutiges Knurren.
 

„Wir haben den Hinweis, dass, im Gegensatz zu jeglicher Klinge, Eure Schamanenkräfte eventuell etwas gegen die Shinidamachu ausrichten können. Es könnte helfen, wenn einige Schamanen mitkämpfen“, kam Kagome auf den Punkt, nachdem sie von InuYashas Rücken gerutscht war, hielt sich aber ebenfalls wenig mit Höflichkeitsfloskeln auf.

Sie fühlte sich nicht wohl in der geteilten Situation.

Auf den Mauern tobte der Kampf und der Schlosshof war vollkommen ruhig, wenn auch die Luft zum Schneiden dick war.
 

„Kagome? Da kommt die zweite Welle“, mischte sich da plötzlich InuYasha ein, der gewittert hatte und jetzt die erhobene Hand in Richtung eines eng bevölkerten Mauerabschnittes ausstreckte.
 

Kagome sah hin und stieß entnevt die Luft aus. „Konnten uns nicht wenigstens die erspart bleiben?“, fragte sie niemand bestimmten und verschwendete keinen weiteren Blick an die Oni, die aus dieser Richtung heranströhmten.
 

„Ganz meine Meinung. Jetzt fehlt nur noch das verdammte Pavianfell und es ist alles wie früher, nicht wahr?“ Miroku war neben ihnen aufgetaucht, offensichtlich angelockt von der Aura der Oni, seine Stimme klang zynisch.
 

„Bloß nicht!“, gab InuYasha zurück, aber die drei wechselten nur einen kurzen Blick.
 

„Ich würde sagen, Aufräumen ist angesagt“, kommentierte Kagome dann und wie auf Kommando liefen sie alle drei los, richtung Mauer.

Im Laufen nahm der Hanyô Kagome wieder huckepack und am Fuße der Mauer packte er Mirokus Kragen und zog den Mönch mit sich, als er auf die Mauerkrone setzte.
 

Sie ließen eine mehr als überraschte Amaya zurück, denn niemand anderes war die Schamanin ja, mit der sie geredet hatten. Ein eingespieltes Team… erstaunlich…
 

~*~*~*~*~
 

Derweil hatten auch die anderen den Wechsel der Angreifer bemerkt. Oder eher, die Ergänzung, denn die Shinidamachu blieben weiterhin, gaben ihre Bemühungen nicht auf. Mit einem Unterschied: Die Oni flogen über sie hinweg – und griffen die Kämpfer im Schlosshof an.

Und dann versank plötzlich alles im Chaos.

Ein jeder kämpfte nur noch für sich, für seine Leute.
 

Fürst Gin war mit seinem Ältesten Rücken an Rücken gewichen und säbelte jeden Oni entzwei, der ihm zu nahe kam. Sein Schwert hatte keine besonderen Kräfte, er konnte einzig sein Yôki darüber ausschicken, aber es war genug.

Doch plötzlich kam eine ungeheure Welle Yôki auf ihn zu und er rammte instinktiv sein Schwert in den Boden, um einen Bannkreis um sich herum aufzubauen. Keine Sekunde zu früh.
 

Gleich darauf wälzte eine türkisgrüne Energiewoge über ihn hinweg, zersetzte alles, was nicht bei drei aus dem Weg war. Dann jedoch weiteten sich Gins Augen, als er erkannte, dass selbst nachdem die Welle an ihnen vorbeigeschossen war, jeder Oni in Fetzen gerissen wurde, der mit einem der direkt Getroffenen in Kontakt kam.

Gleich darauf erhielt er die Antwort auf seine unwillkürliche Frage nach dem Verursacher.

„Bakusaiga!“, hörte er einen klirrend kalten Ruf und gleich darauf wogte die nächste Angriffsflut heran – und riss nebenbei ein gutes Stück der Mauer ein.

Inmitten der entstandenen Staubwolken stand die ungerührte, hellgekleidete Gestalt von Sesshômaru, beobachtete den Effekt seines Angriffes kurz aus zusammengekniffenen Augen und setzte dann aus dem Stand auf die Mauerkrone um Ausschau zu halten.

Gin fragte sich unwillkürlich, wonach.
 

Er kam aber nicht zum Nachdenken, denn plötzlich schnellte eine rotgekleidete Gestalt heran, kam knapp neben Sesshômaru auf der Mauerkrone auf und schlug mit seinem eigenen Schwert zu. Die breite Klinge blitzte unverkennbar im Sonnenlicht. Tessaiga…, schoss es Fürst Gin durch den Kopf, dann glaubte er seinen Ohren nicht zu trauen.
 

„He, Sesshômaru, Pause? Bei Narakus Oni konntest du nie genug kriegen! – Kaze no Kizu!“

Beides, die offensichtliche Stichelei und der Angriffsruf kamen fast in einem Atemzug. Und auch dieser Angriff räumte mit einer Kraft auf, die Gin tief einatmen ließ.
 

„Ich glaub’s einfach nicht…“, stöhnte auch Kanaye hinter ihm.

„Was? “

„Dass das da der Yôkai sein soll, dem die meisten Fürsten vorwerfen, nicht effektiv kämpfen zu können und der Hanyô, den niemand ernst nimmt“, gab der Erbprinz zurück.

„Nun, zum Glück tun wir es“, kommentierte Gin und zog sein Schwert aus dem Boden, ließ den schützenden Bannkreis fallen.
 

Innerlich war er aufgewühlter, als er tat. Er war selbst ein Daiyôkai, ein starker sogar, das zeigte unter den Kitsune allein schon seine silberne Haarfarbe. Aber das da, was er eben gespürt hatte, das lag mehrere Grade über ihm.

Man hatte schon vor gut tausend Jahren gemunkelt, dass der damalige Inu no Taishô mit seiner Wahl der Gefährtin die besten Voraussetzungen für einen Nachkommen mit nie dagewesener Stärke geschaffen hatte.

Seit diesem Moment, in dem Fürst Gin klar wurde, dass die drei Angriffe der Halbbrüder auf der Mauerkrone eine gute Hälfte der Oni plattgemacht hatte, leuchteten ihm diese Gerüchte auch ein. Sesshômaru war sicher nicht allmächtig und es wäre zu pathetisch, ihn als den stärksten Yôkai aller Zeiten zu sehen, aber der junge Hundefürst hatte eindeutig eine Stärke, die atemberaubend war.
 

~*~*~*~*~
 

Besagter Inuyôkai ignorierte den Spott seines Halbbruders mühsam und schloss die Augen um zu fühlen.

Nein, er hatte sich nicht getäuscht.

„InuYasha, zieh‘ deine Leute zusammen. Du solltest sie im Sichtweite haben“, befahl er dann, doch diesmal stellte der Hanyô sich gewohnt stur. Tessaiga in der einen Hand, im Anschlag falls noch Oni auftauchen sollten, stand er da.

„Warum?“, wollte er patzig wissen.
 

Sesshômaru straffte die Schultern und steckte Bakusaiga weg.

Er sah InuYasha nicht an, als er kühl bemerkte: „Er kommt“

Jigoku no Ookami

Mit zusammengekniffenen Augen schnellte Kôga vor und zog sein Goraishi quer durch die heranstürmenden Oni. Dutzende wurden filettiert.
 

Er setzte auf dem Boden auf und wollte schon erneut aufspringen, da hielt ihn ein Ruf zurück: „Bleib unten, Wölfchen!“
 

Er fuhr herum. „Halt die Klappe, Pinscher!“, konterte er in gewohnter Weise.
 

„Ich glaube es nicht. Jetzt bekriegen sich Sesshômaru und InuYasha nicht mehr darum, wer zuerst zuschlagen darf und ihr beide haltet an eurem Spielchen fest? Meine Güte, Kôga, die wahre Gefahr steht noch aus. Lass InuYasha aufräumen, du kannst dich heute sicher noch genug profilieren!“, mischte Kagome sich ein und verschränkte die Arme.
 

Kôga ließ die Hand sinken, aber überzeugt wirkte er noch nicht.
 

„Sie hat Recht. Da kommt er“, erklang eine andere Stimme und Ayame wirbelte eine Staubwolke auf, als sie schliddernd neben Kagome aufkam.
 

Kôga gab es auf und nickte InuYasha zu.

„Dann mach‘ schon. Aber wehe du zögerst zu lange!“, konnte er sich nicht verkneifen.
 

Der Hanyô sah ihn vielsagend an und hob Tessaiga. Wer es sehen konnte, erkannte bereits den Windwirbel rund um die Klinge.

„Kaze no Kizu!“, brüllte der Halbdämon und schlug zu, grell leuchtend bahnte die ausgelöste Energiewelle sich ihren Weg, riss noch ein gutes Stück der Mauer ein und machte sämtliche übrigen Oni dem Erdboden gleich. Von einem auf den anderen Moment herrschte Stille.
 


 

„Und da sage nocheinmal einer, ich wäre gewalttätig. Meine armen, wehrlosen Oni…“, erhob sich eine süßlich triefende Stimme und auf dem einzig unbeschädigten, noch stehenden Teil der Mauer, erschien eine Gestalt, die fast harmlos aussah. Sie war schwarzhaarig und schmächtig, die hageren Schultern von einem gräulichen Umhang bedeckt. Der Haori war ausgefranst, die Hakama sah schäbig aus, Schuhe trug die Gestalt keine.

Dennoch erkannte jeder sie instinktiv.
 

„Jigoku no Ookami…“, knurrte Ayame bitterböse und prompt fixierte die Gestalt sie.

„Ach, sieh‘ an, wenn das nicht die kleine Prinzessin ist. Ich weiß nicht, was du hast. Ich habe dich doch am Leben gelassen, damals. Und deinen Herrn Großvater auch. Deine Eltern dagegen haben ja geradezu darum gebettelt, dass ich sie…hmm… in ihre Einzelteile zerlege“, sprach er zuckersüß.
 

„Sie haben versucht mich zu schützen!“, grollte Ayame wütend.
 

„Weißt du, Prinzesschen, die Gründe interessieren mich nicht. Das haben sie noch nie. Sie haben sich mir entgegengestellt – und das war ihr Fehler“, erklärte der Schwarzhaarige oberlehrerhaft.
 

Das war zu viel.

Ayame wollte vorspringen, aber jemand hielt sie hart zurück.

„Die Krieger werden sich um ihn kümmern“, sagte Shuran und ließ den Arm der Wolfsdämonin los.
 

„Verzeiht, mein Fürst…“, mischte sich jemand ein. Nikko kniete plötzlich neben dem Nekofürsten.
 

„Was willst du?“
 

„Die Hälfte der Krieger ist lahmgelegt, ebenso wie die beiden Heerführer. Und der Rest kämpft noch mit den Seelenfängern“, berichtete der Botenanführer und hielt dabei den Kopf gesenkt, auch wenn ihm diese schutzlose Haltung in der derzeitigen Situation sicher nicht behagte.
 

Shuran verzog die Mundwinkel zu einem ärgerlichen Fauchen, da kam ihm jemand anderes zuvor.

„Nicht mehr lange“, erklärte eine ruhige Stimme und augenblicklich teilte sich die Menge rund um zwei in dunkle Umhänge gehüllte Gestalten.

Niemand sah, wer daruntersteckte aber jeder der die Stimme nicht erkannt hatte, wunderte sich über die Ruhe darin.
 

„Wer seit ihr?“, wollte der vorwitzige Eidechsenfürst wissen, aber er erreichte nicht viel damit.
 

„Unwichtig. – Fest steht, dass diese Seelenfänger jetzt gleich Geschichte sind“, erwiderte die Gestalt trocken und zog mit einer langsamen Bewegung etwas unter dem Umhang hervor, das die Fürsten zurückweichen ließ. Eine solche Waffe hatte kaum jemand je gesehen und sie musste stark sein, wenn ihr Besitzer sich so ruhig gab. Die vermummte Gestalt hob die Hand, die Waffe. Ein Arm in hautengem, schwarzem Ärmel wurde sichtbar, scheinbar zu schmächtig um die wuchtige Waffe zu heben.

Auf der bleichen Oberfläche klebten Bannzettel.

Die Gestalt holte mit einer ausholenden Bewegung Schwung und schleuderte die Waffe in einem flachen Bogen davon. Zielgerichtet sauste sie über die Mauerkrone und traf tatsächlich jeden einzelnen Seelenfänger in Reichweite. Blau erglühend verabschiedeten die schwarzen Shinidamachu sich.
 

Einzig die schmächtige Gestalt des Höllenwolfes entkam mit einem raschen Sprung.
 

Dann kehrte der riesige Bumerang zu seinem Ausgangspunkt zurück.

Die Gestalt fing ihn mühelos wieder auf.
 

Die Fürsten waren noch immer sprachlos. Mehr als einem lag es auf der Zunge, die Frage des Eidechsenfürsten zu wiederholen, das war deutlich.

Schließlich wurde es Sesshômaru zu dumm. „Zeigt euch!“, befahl er und die beiden Vermummten sahen sich zu ihm um. Zuerst aber verneigten sie sich leicht, auch wenn das Ganze verdächtig nach Possenspiel aussah.

Dann schlugen sie die tiefen Kapuzen zurück, streiften die groben Mäntel ab.

Von der Seite trat eine weitere Gestalt heran, von der anderen sprangen InuYasha und Kagome dazu.

Kirara löste sich von Sangos Nacken, wo sie wie eine Pelzverzierung ruhig gelegen hatte und verwandelte sich im Sprung auf den Boden in ihre große Form.
 

Kôgas Augen weiteten sich, als er die ganze Gruppe gemeinsam sah, bereit sich, wie früher, jedem Hindernis bis zum letzten entgegenzustellen.

Fürst Gin zog eine Augenbraue hoch. Er hatte insbesondere die Dämonenjägerin erkannt.

Sesshômaru gab sich ungerührt.

Die restlichen Fürsten waren sprachlos. Zur Hälfte aus Überraschung, zur Hälfte aus Entsetzen: Was hatte so eine Flickengruppe, was hatten Menschen in ihrer Mitte zu suchen?

Der Eidechsenfürst sah Miroku an und murmelte etwas, das sie wie ‚Du schon wieder‘ anhörte.
 


 

„Sollte ich beleidigt sein, dass sich keiner mehr für mich interessiert?“, fragte da plötzlich die dunkelhaarige Gestalt, die wieder auf der Mauerkrone stand und zu ihnen hinunterblickte.

Es schien, als würden sich die Fürsten jetzt erst wieder auf den eigentlichen Angreifer besinnen.
 

Die ganze Situation wirkte abstrus. Niemand stürmte los, kein Angriff jagte los, kaum einer hatte überhaupt sein Yôki offen. Einzig sarkastische Floskeln wurden ausgetauscht. Und nicht nur einer fühlte sich mehr als unwohl in seiner Haut.
 

Schließlich war es Tôran, die sprach: „Keine Angst. Du hast unsere volle Aufmerksamkeit“

Das klang zynisch und ausnahmsweise stimmte Sesshômaru ihr zu.
 

~*~
 

Im Schloss des Westens ahnte niemand etwas von der Gefahr, in der das Fürstentreffen zu versinken drohte.
 

Und obwohl Arata erfahren hatte, welchen Plan Fürst Sesshômaru bezüglich seines eigentlichen Problems verfolgte, hielt ihn das nicht davon ab, sich seinen Schüler auch heute vorzuknöpfen.

Es war Zeit für einen weiteren Schritt.

Kôhei hatte gelernt, sich auf das Tachi einzustellen, er kämpfte damit, kämpfte sogar gut. Aber er zeigte nach wie vor keine Leidenschaft, keinen Ehrgeiz.
 

Tja, mal sehen, ob wir dich hiermit etwas aufrütteln können…, dachte der alte Lehrer und drehte sich in die Richtung, aus der er die näherkommende Witterung seines Schülers vernahm.

Pünktlich und pflichtbewusst, das war Kôhei, das konnte ihm niemand abschreiben.
 

Mit einer Handbewegung streifte Arata die einfache, schwarzbemahlte Scheide von der Klinge jener Waffe, die er in der Hand hielt. Die längliche, leicht gebogene Klinge glänzte matt im Sonnenlicht. Die war auch schonmal besser gepflegt… aber hierfür wird es reichen…, dachte der Inuyôkai und musterte die näherkommende Gestalt des jungen Ookami.
 

Der war kurz erstarrt, als er die Waffe erkannte, kam jetzt aber ohne zu Zögern näher.

„Es ist also soweit…“, murmelte er ruhig.
 

Arata nickte freundlich lächelnd. „Ja. Es ist Zeit, dass du lernst, mit dem Naginata umzugehen – Dieses hier ist alt und sicher schon ein wenig stumpf, aber zum ersten Üben wird es reichen“
 

Kôhei nickte nur und fasste nach dem Holzschaft, den Arata ihm entgegenhielt. Die Waffe war durch ihre Länge schwerer auszubalancieren und einen Moment sah es so aus, als würde sie dem jungen Wolfsdämon wieder aus den Fingern rutschen. Aber er fasste gerade noch rechtzeitig nach, musterte das Kampfinstrument.
 

Arata betrachtete mit gemischten Gefühlen das kurze, grimmige Lächeln, das Kôhei über die Lippen huschte, bitter und zittrig zugleich. Aber er konnte nicht einschätzen, was seinem Schüler durch den Kopf ging. So ganz sicher, ob er es überhaupt wissen wollte, war er sich aber auch nicht.

Jetzt aber trat er ein paar Schritte zurück. „Also. Zuerst musst du lernen, ein Gefühl für die lange Waffe zu bekommen. Versuche sie auszubalancieren, probiere ein paar Schläge, was gerade passt. Du wirst sehen, es ist ganz anders als mit dem Tachi oder einer anderen, kurzen Waffe“, forderte er gelassen und war wenig überascht, als Kôhei dem ohne ein weiteres Wort nachkam, sorgfältig ausprobierte, wo er die Hand am Schaft haben musste, damit die Waffe sich in eine Richtung dirigieren ließ, ohne das sie Schlagseite bekam.
 

~*~
 

Am Nekoschloss hatte die schwarz gekleidete Gestalt auf der Mauerkrone sich inzwischen auf den Boden bewegt und kam ein paar Schritte näher, ganz, als rechne er nicht mit einen Angriff.
 

Aber jeder der kampferfahren Fürsten erkannte die Anspannung in den Bewegungen des Gegners, wusste, dass er bis in die letzte Nervenfaser aufmerksam war.

Den würde man nicht mit einem Überraschungsangriff erledigen können.
 

Der Schwarzhaarige hatte sich inzwischen dem Kitsune-Fürsten zugewandt. „Sieh‘ einer an. Überraschend, dass ich zwei meiner Zielpersonen sogar noch persöhnlich antreffe. – Meine seelenfangenden Freunde haben mir verraten, dass die anderen längst von uns gegangen sind. Nicht einmal läppische sechshundert Jahre haben sie es ausgehalten auf meine Rache zu warten, wie … armselig“, sprach er mit provozierend sanfter Stimme.
 

Sesshômaru spürte aufwallendes Yôki, als Karan ganz in seiner Nähe vor Wut zu beben begann. Auch ihre Geschwister hatten die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Natürlich, die Beleidigung war gegen ihren Vater gegangen.

Und gegen seinen, dessen war der junge Hundefürst sich durchaus bewusst, aber er dachte nicht daran, irgendeine Regung Preis zu geben. Sollte sich dieser dumme Wolf doch die Zähne an ihm ausbeißen, er würde sich nicht provozieren lassen.

Demonstrativ steckte er die Arme in die Haoriärmel und musterte abwartend das Gebaren des noch so friedlich tuenden Angreifers.
 

Der war inzwischen in lockerem Schritt wieder etwas auf Abstand gegangen. „Nun, da also nur noch zwei da sind, die es betrifft… die anderen können gehen“ Die Ankündigung schlug ein wie ein Blitz, auch Sesshômaru zog eine Augenbraue hoch. Was war das denn für eine seltsame Strategie?
 

„Was ist denn das?“, hörte er plötzlich Kagomes Stimme neben sich flüstern.
 

Automatisch folgte er ihrem Blick und erkannte das schwarze Dodekaeder in der Hand des Höllenwolfes, kaum faustgroß und unscheinbar. Dākuhāto…

Sesshômaru begriff. Dieses Ding war eines der beiden Artefakte, die der Höllenwolf besaß. Und im Gegensatz zu dem anderen, das ein reiner Detektor war, hatte dieses hier beachtenswerte Fähigkeiten für den Kampf.

„Seine schärfste Waffe“, antwortete er aber nur.
 

Inzwischen war Sesshômaru nicht mehr der einzige, der erkannt hatte, über was der Höllenwolf wieder verfügte, obwohl man es bei seiner Niederlage nicht mehr bei ihm gefunden hatte. Man hatte angenommen, er habe es zerstört, ehe es in fremde Hände fallen konnte. Aber offenbar hatte er nur ein Versteck dafür gehabt, das geschlagene sechshundert Jahre lang niemand gefunden hatte.

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Fürsten, keiner dachte mehr daran, tatsächlich den Rückzug anzutreten. Sie wussten jetzt alle ganz genau, wenn sie das taten, dann hatten sie gleich Dākuhātos Macht im Rücken.
 

Jigoku no Ookami merkte schnell, dass seine Falle entschäft war, aber er hatte nicht als ein spöttisches Lächeln dafür übrig. „Ihr habt es nicht anders gewollt…“, kündigte er süffisant lächelnd an, ehe er mit großer Geste zurücksprang und einen kurzen Wink mit der Hand gab.

Augenblicklich stürzten sich Massen von Oni vom Himmel, die bisher anscheinend in einer so hohen Luftschicht gehangen hatte, dass niemand sie gespürt hatte. Und diese hier waren schon weit kränker, wahnsinniger als die erste Armee.
 

Der eine oder andere der Fürsten stöhnte genervt auf. Aber die Oni hielten sich brav hinter dem Höllenwolf, der bisher noch nicht eine Geste gemacht hatte, die seinen Beinamen gerechtfertigt hätte.
 

Für einen Moment herrschte wieder Stille, dann war es erneut Ayame, die die Stimme erhob: „Jigoku no Ookami, bah. Das ich nicht lache. Bisher machst du nicht einmal deinem eigentlichen Namen Ehre – Akuma“ Das klang abwertend. „Du bist nicht besser als der letzte Unruhestifter dieser Gegend“, fügte sie hinzu und spuckte demonstativ aus.
 

Kagome, die so eine grobe Geste von Ayame noch nie gesehen hatte, schluckte etwas.

Sie begann langsam zu verstehen, was für einen tiefen Hass die rothaarige Wolfsdämonin auf diesen Yôkai haben musste.

InuYasha neben ihr hielt die Hand bereits an Tessaiga. Bisher hatte er sich zurückgehalten, aber schon das erneute Auftauchen der Oni hatte ihn in Alarmbereitschaft versetzte.
 

„Unruhestifter nennst du mich, Prinzesschen?“, fragte der Schwarzhaarige da drohend, trat einen Schritt vor, die eine Hand so erhoben, das niemand mehr freie Sicht auf sein Artefakt hatte, ehe fast etwas wie Neugier in seine Augen trat. „Obwohl… mich würde schon interessieren, mit wem du mich da vergleichst. Wenngleich er wohl bereits tot ist, nehme ich an?“
 

Nun hielt es InuYasha nicht mehr länger an seinem Platz. „Jawohl, das ist er, mausetot sogar. Und er war genau so ein verdammter Feigling, wie du!“, rief er hitzig.
 

Die Augen des Schwarzhaarigen schwangen zu ihm herum.

Plötzlich verzerrte ein Knurren die Züge des dunkel Gekleideten. „Es reicht. Schimpf mich alles, aber keinen Feigling! – Hanyô“, grollte er gefährlich leise und ehe irgendeiner der Umstehenden reagieren konnte, schleuderte er das Dodekaeder in InuYashas Richtung.

Noch im Flug begannen sich auf einmal wie Lava glühende Linien an den Kanten entlang zu ziehen.
 

InuYasha verengte die Augen aber ausweichen konnte er nicht mehr. Und dann plötzlich ertöhnte ein ohrenbetäubender Knall und der faustgroße, scheinbare Stein explodierte noch im Flug. InuYasha wurde meterweit zurückgeschleudert und kam hart auf dem Boden auf, richtete sich aber sofort wieder auf.

Seine Augen weiteten sich.

Das Dodekaeder lag wieder als unscheinbarer Stein da, ganz, als könne es kein Wässerchen trüben. Aber von ihm ausgehend hatte sich eine Feuersbrunst auf dem Schlosshof ausgebreitet, die nicht zu verachten war.
 

Sie erlosch schnell wieder, weil sie auf dem sandigen Boden keine Nahrung fand, aber mehr als ein Fürst hatte sich abgewendet um Gesicht und Hände zu schützen, darunter auch Sesshômaru.

„Bastard!“, zischte er jetzt leise, sodass es nur InuYasha verstand, aber hätten es andere gehört, sie hätten sofort gewusst, was der Inuyôkai meinte.

InuYashas Provokation war zu viel und der Angriff mit dem Dākuhāto nur die Vorhut gewesen. Im Schutze der Feuerwelle hatte der Höllenwolf das Zeichen gegeben, dass die Oni angreifen ließ.

Mit voller Kraft.

Augenblicklich kehrte das Chaos zurück.
 

Sesshômaru hielt sich die Oni mit seiner Energiepeitsche vom Leib, bis er Bakusaiga gezogen hatte, dann warf er sich der Masse entgegen.

Er hatte schon einmal erlebt, was geschah, wenn diese kranken Viecher einen einkesselten und das musste vermieden werden.

Zurückhaltung ist ein Fremdwort, Halbblut…, dachte er dabei, während er Bakusaiga in einem wütenden Schwung herumführte und dessen Macht in die Oniherde jagte.
 

Neben ihm schrillte der Angriffsruf einer anderen Stimme: „Tetsu no Ame!“
 

Fast wäre Sesshômaru in der Bewegung gestockt, als er die Stimme erkannte. Natsu…
 

Augenblicke später fielen zig Oni nicht weit von ihm in sich zusammen, jeder einzelne von einem oder sogar mehreren nadelspitzen Metallsplittern getroffen. Der Inuyôkai erlaubte sich einen Seitenblick und erkannte gerade noch, wie Natsus Schwertklinge sich unter leichtem Glühen wieder selbst reparierte.
 

Das also ist Ashai-Has eigene Macht…, stellte er für sich klar, aber er hatte ebensogut erfasst, wie verkrampft Natsu dastand. Sie kämpfte bereits mit ihrer Reserve, ihr Yôki war niedrig und es fehlte vermutlich nicht viel, dass sie vor Schwäche gezittert hätte.

Sesshômaru kniff die Lippen zusammen, konnte ihr aber nicht beispringen, weil die Oni die Lücke vor ihm wieder geschlossen hatten – und weil Tôran direkt neben ihm kämpfte. Sicher nicht ohne Absicht.

Gerade materialisierte sie einen weiteren ihrer scheinbar unerschöpflichen Eisspeere in ihrer Hand und schleuderte ihn den Oni entgegen, die sofort als Eisklumpen zu Boden stürzten und dort klirrend zerbrachen, als seien sie aus Glas.

Er schleuderte eine weitere von Bakusaigas Energiewellen in die Oni, ehe er mit einem hohen Satz zurücksprang, in der Luft versuchte, einen Überblick zu gewinnen.
 

Es dauerte eine ganze Weile, bis er die schmächtig wirkende Gestalt des eigentlichen Gegners inmitten der Oni ausmachte.
 

Die Rufe, mit denen viele der Kämpfer ihre Waffen anfeuerten, klangen wild durcheinander, der sich überschlagende ‚Hiraikotsu‘-Schrei der Dämonenjägerin mischte sich mit InuYashas Gebrüll, der inzwischen von der Windnarbe auf Kongosoha umgestellt hatte.
 

Jigoku no Ookami hatte sich ganz offensichtlich sein Artefakt wiedergeholt, denn immer wieder prallten Ringe aus Yôkai zurück, wenn Dākuhāto wieder einmal in die Luft ging.
 

Die Fuchsfamilie bildete einen schützenden Halbkreis um den zweitältesten Prinzen, dessen Oberarm offenbar von einer dieser Explosionen arg angegriffen worden war, jedenfalls hatte er dort tiefe Wunden, die bis auf den Knochen sehen ließen.
 

Dennoch ging es keinen Schritt weiter und keinen zurück.

Die gegnerischen Massen rieben sich aneinander auf und niemand hatte einen Vorteil.

Die alles andere als geeinte Masse der adeligen Yôkai wirkte ebensowenig effektiv wie die unkoordinierten, wahnsinnigen Oni.

Einzig InuYashas Gruppe hielt einen Abschnitt des Hofes fast onifrei, aber diese Bande war auch aufeinander eingespielt: Tessaiga erledigte die grobe Arbeit, Bannzettel, Seelenpfeil und Knochenbumerang wechselten sich mit der Feinabstimmung ab. Und was dann immer noch nicht besiegt war, landete entweder zwischen den Säbelzähnen der Nekomata oder in den Klauen dieser Komori-Hanyô.
 

So geht das nicht weiter… man muss diesen verdammten Höllenwolf selbst erledigen… sein vermaledeiter Ring sorgt dafür, dass er genau weiß, wo er immer neue Oni herrufen kann, das ist fruchtloser als bei Naraku… genau! Die Artefakte müssen weg!

Kurzerhand landete Sesshômaru und machte sich mit einem einzigen Schwung Bakusaigas den Weg zu InuYashas Bande frei.
 

Man hatte beim Shikon no tama gesehen, dass die Artefakte nicht auf normalem Wege zerstört werden konnte. Jedes einzelne hatte eine ganz spezielle Aufgabe und erst nach Beendigung eben jener verschwand es.

Aber es gab noch eine andere Möglichkeit, als sie kaputt zu machen.

Es reichte ja schon, wenn Jigoku no Ookami keinen Zugriff mehr darauf hätte.
 

Besiegen ohne zu töten… - „InuYasha!“
 

Überraschenderweise reagierte der Hanyô sofort, schlug noch einmal mit Tessaiga zu, kam dann aber auf ihn zu.
 

„Jigoku no Ookami’s Artefakte müssen weg. Das Meido, InuYasha“, befahl er knapp.
 

Für einen Moment sah es so aus, als wollte InuYasha protestieren, dann aber fasste er das Heft seines Schwertes fester. „Seit wann vertraust du mir, dass ich das richtige tue?“, fragte er.
 

Sesshômaru sah ihn nicht an. „Seit es um Vaters Ehre geht. Chichi-ue war einer der vier Yôkaifürsten, die den Höllenwolf seinerzeit bannten“, erwiderte er bereitwillig.

In diesem Moment fragte er sich nicht einmal, warum er so gesprächig war. In diesem Moment ging es um etwas, das hoffentlich sie beide nachvollziehen konnten.

Tatsächlich schien InuYasha zu verstehen.

„Miroku!“

„Hai?“

„Kannst du dieses dämliche Artefakt finden?“

Der Mönch kannte InuYasha gut genug, um zu kapieren, wovon der Hanyô sprach. Wortlos zog er einen Bannzettel hervor und murmelte einige Worte. Der Bannzettel glomm schon zwischen seinen Fingern bläulich auf, ehe Miroku ihn davonschleuderte.

„Kommt!“, brüllte InuYasha nur, ehe er dem fliegenden Papierfetzen folgte.

Sesshômaru blieb ungerührt stehen.

Das war jetzt eine Sache der Koordination von InuYashas Bande.

Aber er behielt die Aktion im Auge, denn der Kampf dauerte ihm schon bei weitem zu lange. Im unrentablen Kampf gegen diese Oni verlohr man schnell die Zeit aus den Augen. Es dämmerte bereits.
 

Sango hatte Kagome hinter sich auf Kirara gezogen, damit die Miko nicht zurückblieb, solange sie mitten durch die Onimasse sprengten, aber so musste sie sich allein auf Kiraras Fähigkeiten auszuweichen verlassen. Es war ihr kaum möglich, mit dem Hiraikotsu auszuholen, solange Kagome hinter ihr saß.

Miroku wäre es gewohnt, sich wegzuducken, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, die junge Miko war das nicht.

Zum Glück war Kirara durch ihre Arbeit mit Kohaku in guter Form, sie geriet nicht einmal in Gefahr, gebissen zu werden. So konzentrierte Sango sich darauf, was InuYasha an der Spitze trieb.
 

Er hielt Tessaiga aktiviert, schlug aber keinen Angriff, sondern benutzte momentan die blanke Klinge. Hier im Gewimmel war es auch besser so. Zu groß war das Risiko, dass einer der Yôkai getroffen wurde und das sicher nicht gutheißen würde – wenn er es denn überlebte.

Schon die recht schwache Windnarbe aus InuYashas Anfängen hätte Sesshômaru umgebracht, hätte Tenseiga ihn nicht geschützt, das wussten sie inzwischen alle.
 

Endlich gab der Bannzettel vor ihnen seinen Zickzackkurs auf und flog nun geradeaus – bis er auf der Stirn des Höllenwolfs pappen blieb.

Für einen Augenblick verharrte InuYasha überrascht, dann zog er die Konsequenz. War ihm doch egal, ob der Höllenwolf sein Artefakt in der Hand hielt.

Der Halbdämon schloss halb die Augen.
 

„Zurück! Alle zurück!“, schrie Kagome über die Menge hinweg und wohl mehr aus Überraschung, als aus wirklichem Gehorsam machten die nahestehenden Dämonenfürsten und ihr Gefolge Platz.

Besser so.

Wer wusste, wohin Tessaigas Macht sich ausbreitete.
 

Dann erst fiel ihr auf, wie tief die Sonne bereits stand. Der Schreck bohrte sich wie eine kalte Nadel in ihr Herz, aber es war zu spät, InuYasha aufzuhalten.

Er hat nicht viel mehr als diesen einen Schlag… er muss nicht nur die Artefakte durch das Meido schicken, sondern auch diesen Höllenwolf, sonst ist es vorbei…

Sie schluckte hart, musterte mit angstvoll zusammengekniffenen Augen Tessaigas Klinge, die sich bereits nachtschwarz verfärbt hatte.
 

In dem Moment, in dem Jigoku no Ookami noch stutzte, schlug InuYasha zu: „Meido Zangetsuha!“

Dutzende, halbmondförmige Weltentore schossen auf den Höllenwolf zu, aber sie waren zu schwach, zu langsam.
 

Er wich reflexartig aus und nur wenige trafen ihn. Eines verschluckte zwar tatsächlich das seltsame Dodekaeder und ein anderes riss ihm ein durchscheinendes Loch in die Seite, aber das war auch alles.

Der Höllenwolf stand noch aufrecht und InuYasha war erstarrt, den Blick auf die letzten Sonnenstrahlen gerichtet, die über den Horizont leckten.

Er spürte die aufkochende Wut des Höllenwolfs, schlug aus der Verzweiflung heraus noch einmal mit Tessaiga zu, eine nicht nennenswerte Windnarbe löste sich von der Klinge und erstarb noch, bevor sie den Höllenwolf erreichte.
 

Der lachte triumphierend, während sich seine Augen wutrot färbten. Energiewirbel strichen heran, wirbelten sein Haar auf und umschlossen ihn.
 

Gleichzeitig verwandelte sich auch InuYasha, in entgegengesetzter Richtung allerdings. In dem Atemzug, in dem plötzlich ein mehrmetergroßer, schattenschwarzer Wolf auf dem Schlosshof stand und auch dem letzten Anwesenden klar wurde, woher dieser Angreifer seinen Beinamen hatte, in dem Moment in dem der den letzten Mauerrest unter einer Hinterpfote zertrümmerte, in dem stand ihm nur noch ein schwarzhaariger, menschlicher InuYasha gegenüber – und in dessen Augen leuchtete seltene Angst.

Der menschgewordene Hanyô wusste, was diese Situation für ihn bedeutete: Den sicheren Tod.
 

Schon setzte Jigoku no Ookami zum Sprung an, er stieß sich ab und schnellte auf InuYasha zu, die Kiefer unbarmherzig aufgerissen.
 

Dann geschah alles auf einmal.
 

Eine helle Gestalt schoss heran, eine Schwertklinge zerschmetterte einen Eckzahn des Wolfsdämons und schlug ihm die Lefze blutig, während InuYasha derb beiseitegestoßen wurde.
 

Er fiel hin, überschlug sich und blieb dann reglos liegen.
 

Gleich darauf setzte Kirara neben ihm auf und Kagome sank neben InuYasha auf den Boden, legte ihm die Arme um die Schultern. „InuYasha!“, rief sie halb besorgt, halb außer Atem.
 

Mühsam stemmte der menschgewordene Hanyô sich hoch. „Schon… gut… es geht schon…“, keuchte er, hustete krampfhaft.

„Wer… wer was das?“, wollte er dann schwer verständlich wissen.
 

„Sesshômaru. Sesshômaru hat dich zur Seite gestoßen, als er gesehen hat, was vor sich geht“, antwortete Sango, während sie sich ebenfalls neben InuYasha kniete und jetzt genau in seine erstaunten, braunen Iriden starrte.

Sie grinste matt, kam aber zu keinem weiteren Kommentar, denn Miroku mischte sich ein, der neben Kirara stand. „Schaut mal!“

Die Freunde sahen auf – und rissen die Augen auf.
 

Der Höllenwolf wälzte sich gerade herum, doch Sesshômaru, den er damit hatte abschütteln wollen, war längst zur Seite gesprungen und schlug mit Bakusaiga zu – mit purem Yôki.
 

Jigoku no Ookamis Fell hing bereits in Fetzen und dort wo InuYashas Meido ihn noch getroffen hatte, klaffte ein Loch in seinem riesigen Körper, aber der Kampf war dennoch ebenbürtig.
 

Allerdings war auch Sesshômaru verletzt, der zersplitterte Reißzahn musste ihn an der Schulter getroffen haben, denn die Wunde dort war zu großflächig um von einem intakten Zahn zu stammen.
 

Keiner der anderen Yôkai rührte sich, die restlichen Oni waren plötzlich verschwunden.

Alle Augen lagen nur auf dem Duell inmitten der Trümmer der Schlossmauer.
 

Und dann reagierte Sesshômaru ein Mal zu langsam.

Die stumpfen Klauen an der rechten Hinterpfote des Höllenwolfes trafen ihn heftig in die Seite und der Inuyôkai wurde zur Seite geschleudert, überschlug sich in der Luft und kam auf den Füßen auf, allerdings nur um gleich darauf auf ein Knie niederzugehen.

Sein Haori war an der Seite blutgetränkt.
 

„Oh, Scheiße!“, fluchte InuYasha und wollte sich unwillkürlich aufrappeln.

Das Verhältnis zwischen ihm und Sesshômaru war zwar nie so besonders geschwisterlich gewesen, aber er wollte dennoch nicht, dass sein Halbbruder gemeuchelt wurde, nur weil er ihn beschützt hatte.
 

Kagome hielt ihn allerdings nachdrücklich am Kragen zurück. Dass sie dabei in die Kette fasste, war sicher kein Zufall, denn auch wenn es lange nicht mehr die Bannkette war, das altbekannte, leicht würgende Gefühl ließ InuYasha parieren. Er sank zurück und begnügte sich mit einem missglückten Knurren.
 

Jemand anderes hatte allerdings nicht das Glück, zurückgehalten zu werden.
 

Inmitten der Versammlung erglühte plötzlich ein Yôkiwirbel und abrupt erhob sich ein weiterer, riesiger Körper über den anderen Yôkai. Es war der Leib einer mehrmetergroßen, sandfarbenen Löwin mit hellem, fast goldenem Rückenfell.

Offensichtlich mehr automatisch als durchdacht, setzte sie mit einem Sprung über die Menge hinweg und stellte sich in dem Moment zwischen Sesshômaru und den Höllenwolf, als letzterer erneut zuschlug, mit der Vorderpranke diesmal.

Die Löwin wurde an der Brust getroffen, aber sie hatte ihre mächtigen Klauen tief in die Erde gegraben und verlohr keinesfalls den Halt. Dennoch schwankte sie etwas.
 

Kagome und die anderen sahen sich an. „Sagt mir nicht, dass das Natsu ist…“, wisperte die junge Miko erschüttert, ohne die Augen von dem abstrusen Szenario zu lassen.
 

„Doch, ich fürchte, das ist sie…“, bestätigte Miroku trocken.
 

„Leichtsinnige Idiotin“, brummte InuYasha mit zusammengebissenen Zähnen und traf damit fast genau den Wortlaut, der Sesshômaru durch den Kopf ging, als ihm bewusst wurde, warum der finale Schlag ihn nicht getroffen hatte.
 

Der Inuyôkai knurrte auf. Es reicht!

Er ignorierte seine Verletzung so gut es ging und gab sein eigenes Yôki frei.

Richtungsloser Wind hüllte ihn ein, sein Körper wandelte sich um und gleich darauf stand eine dritte, riesige Gestalt inmitten der Trümmer: ein monströser, weißer Hund.

Oder eher… rot-weiß, denn die Wunden waren deswegen nicht verschwunden.

Sesshômaru grollte tief in der Brust, giftige Säure troff aus seinem Maul und grub tiefe Kuhlen in den Boden.
 

Natsu wich zur Seite weg, besaß noch genug Vernunft um zu erkennen, dass Sesshômaru diesen Kampf selbst beenden wollte, Verwundung hin oder her.
 

Der weiße Hund setzte zum Sprung an, da erstarrte er in der Bewegung.

Die rautenförmigen, leuchtend roten Augen glitten zu Natsu. Nein, ich täusche mich nicht…, dachte Sesshômaru doch etwas verblüfft.

Sein Yôki, das ihn umzüngelte wie eine ungefesselte Flamme, leckte in Richtung von Natsus Yôki, wollte sich mit ihrem verbinden – und die Stellen, an denen beide Yôki sich berührten strahlten eine stärkere Aura aus, als einer von ihnen im erholten Zustand aufgebracht hätte.

Es war seltsam.

Normalerweise stießen sich die Yôki von nichtverwandten Yôkai aufs Heftigste ab, vermischten sich niemals.

Ob das an ihrem gemeinsamen Sohn lag?

Sesshômaru wusste es nicht, aber etwas anderes war ihm völlig klar: Das ist die Chance…
 

Kurzerhand packte er mit den Reißzähnen vergleichsweise vorsichtig Natsus Nackenfell, hinderte sie am Rückzug.
 

In der Meute der Yôkaifürsten erklang ein empörtes Fauchen, sicher ihr Vater.

Der hatte sicher nicht erkannt, was vor sich ging, Sesshômaru hatte sogar das dumpfe Gefühl, das das nur für ihn und vielleicht Natsu fühlbar war.
 

Sie sah ihn jedenfalls nur reglos aus dem Augenwinkel an.
 

Unpassenderweise fiel ihm gerade jetzt auf, dass ihre Augen auch in wahrer Form Silbergrün blieben, während die seinen ja ihre Bernsteinfarbe verloren und blutrot leuchteten.

Dann aber konzentrierte er sich wieder auf den Gegner.
 

Jigoku no Ookami hatte fast spöttisch abgewartet, er schien Natsu nicht ernstzunehmen und einen so schwer verletzten Sesshômaru auch nicht.
 

Der Inuyôkai spürte auch, wie der Blutverlust ihn langsam schwächte.

Er musste handeln – jetzt!

Rasch ließ er Natsus Nackenfell los, stellte sich noch ein Stück näher neben sie, das Blut aus seiner Wunde besudelte ihr helles Fell, aber darauf achtete keiner von beiden.
 

Natsu hatte offenbar kapiert und fixierte den Höllenwolf, ehe sie sich zum Sprung anspannte.
 

Vollkommen gleichzeitig setzten Hund und Löwin vor, verbissen sich in den Schultern des verdutzten Höllenwolfs und warfen ihm alles Yôki entgegen, was sie noch aufbringen konnten.

Blitze zuckten und eine grelle Lichtexplosion fegte über das Gelände, ein bestialischer, mehrstimmiger Aufschrei mischte sich hinein, dann war Stille – Totenstille.
 

Als die ersten wieder die Augen öffneten, lag am Kampfplatz nur noch ein schäbiger, grauer Fetzen, der einmal Jigoku no Ookamis Umhang gewesen war…

Die Reaktion der Anderen

Ist er… hat er sich geopfert?“, fragte Kagome fassungslos, allerdings instinktiv so leise, dass nur ihre Freunde sie hörten.
 

„Ich fürchte… schon“, gab Sango zurück und obwohl gerade sie ja ein sehr ambivalenten Verhältnis zu Sesshômaru gehabt hatte, klang ihre Stimme rau.
 

„Quatsch“, fuhr InuYasha auf.

Sein Tonfall war noch immer matt, sodass nicht herauszuhören war, ob er sich nur selbst beruhigen wollte oder ob er das ernst meinte.
 

Kagome runzelte die Stirn.
 

„So leicht lässt Sesshômaru sich nicht unterkriegen!“, schob er nach.
 

„InuYasha, hast du diese Kräfte gespürt, die da eben gewirkt haben? Allein die Aura kann einem den Atem rauben. Es ist sicher kein Spaziergang, inmitten des Ganzen zu stehen. So eine Macht habe ich noch nie gespürt. Das war sogar mehr als an dem Tag, an dem Sesshômaru Bakusaiga fand“, mischte sich Miroku ein und seine Stimme klang fast ehrfürchtig.
 

„Mag sein. Aber dann wäre Tenseiga noch da. Ich glaub‘ eher, er hat sich aus dem Staub gemacht, damit er nicht vor aller Augen zusammenbricht. Schwer verletzt ist er sicher…“, sagte InuYasha.
 

„Meinst du wirklich?“, fragte Sango zweifelnd.
 

„Also, ich bin mir auch nicht sicher, ob er das überlebt haben kann…“, gab Kagome langsam zu.
 

InuYasha brummte vor sich hin. „Ich doch auch nicht. Aber es ist ebenso unklar, ob er tot ist“, lenkte der menschgewordene Hanyô ein und rappelte sich mühselig auf.
 

„Wenn, dann hat er die Situation sicher genutzt und Natsu mitgenommen. Vielleicht… vielleicht sollten wir einfach so tun, als ob der Plan geglückt wäre…“, mischte Shiori sich flüsternd ein.
 

Alle sahen sie an, dann zuckte Kagome hilflos mit den Schultern.

„So kommen wir jedenfalls nicht weiter. Und weg müssen wir sowieso… ich fürchte Tôran ist nicht sonderlich gut auf dich zu sprechen, InuYasha.“
 

Der Schwarzhaarige folgte ihrem Blick und sah genau in die vor Wut blitzenden Augen der Pantherdämonin.

„Keh! Vermutlich macht sie mich dafür verantwortlich. Ihr ärmster Sesshômaru – und das alles nur wegen mir…“

InuYasha sprach so sarkastisch, dass die Freunde sich ein Lachen verbeißen mussten.

Aber er traf den Nagel vermutlich auf den Kopf.
 

„Sango, hol‘ du Rin. Wir sehen zu, dass wir an AhUhn herankommen“, sagte Miroku rasch und ohne ein weiteres Wort glitt die Taijiya in Kiraras Nacken und dirigierte die Nekomata zu dem Fenster des kleinen Saals, in dem die Kinder zusammengetrommelt worden waren.

Sie wollte hindurchklettern, prallte aber zurück. „Der Bann wirkt noch. Sie wissen noch nicht, dass der Kampf vorbei ist!“, rief Sango hinunter.
 

Kagome reagierte sofort.

Blitzschnell hatte sie den am Boden liegenden Bogen ergriffen und einen Pfeil eingespannt. Hellviolett leuchtend sauste das Geschoss an Kirara vorbei und bohrte sich in den unsichtbaren Bannkreis.

Ohne großartigen Wiederstand brach der zusammen.
 

„Entwarnung!“, rief Sango rasch, ehe einer der Wächter sie mit einem Speer abwerfen konnte. „Rin, komm! Fürst Sesshômaru sagte, wir gehen“, sagte sie dann, um keinen Verdacht zu erwecken.
 

Das Mädchen reagierte sofort. Sie sprang auf und kam zum Fenster gelaufen.

Höflich half ein Wächter ihr auf das Fensterbrett hinauf, woraufhin er einen überraschten Blick von Sango erntete, dann zog die Taijiya Rin hinter sich auf Kirara und ließ die Nekomata zurück zu Boden sinken.
 

Kaum aufgekommen sprang Rin ab und lief zu AhUhn hinüber, der von Shiori gerade herangeführt wurde. Es war erstaunlich problemlos gelaufen, ihn aus den Ställen zu holen.

Nun, die Wachen hatten in den letzten Stunden sicher auch besseres zu tun gehabt, als ein paar Reittiere im Auge zu behalten.

Geschickt zog Rin sich auf den bloßen Rücken des Reitdrachen – zum Satteln war keine Zeit mehr geblieben, aber der Verlust des Sattelzeugs ließ sich verschmerzen.

Jetzt erwies sich diese Tatsache sogar als großer Vorteil, denn auf diese Weise hatten mehr Leute auf AhUhns breitem Rücken Platz. Hinter Rin stieg Kagome auf, InuYasha folgte und zuletzte kletterte Shiori dazu.

Miroku saß längst wie gewohnt hinter Sango.

Das alle geschah in wenigen Augenblicken, waren große Teile des Teams doch perfekt aufeinander eingestellt.
 

Ehe einer der Fürsten Anstalten machen konnte, sie aufzuhalten, waren sie bereits in der Luft und auf und davon.

Das Nekoschloss entschwand schon bald ihren Blicken und plötzlich umfing sie nur noch klare Nachtluft. Es war warm in dieser Nacht, dafür, dass es gerade erst Frühling wurde und langsam beruhigten sich ihre Gemüter, atmeten sie wieder ruhiger.

Sie alle aber hofften in stummem Einvernehmen, dass der ganze Plan nicht vollkommen nach hinten losgegangen war.
 

~*~
 

„Das war doch Sango, oder?“, brach Kyokos Stimme schließlich das Schweigen im kleinen Saal und doch hielt sie ihre Stimme leise, sprach einzig mit Shippô.
 

Der halbwüchsige Kitsune nickte etwas. „Ja, das war Sango. Und der Pfeil kam von Kagome!“, bestätigte er und stand auf.
 

„Wo willst du hin?“, hielt Kyoko ihn zurück.
 

„Nachschauen, wie es den anderen geht. Sango hat doch gesagt, der Kampf sei vorbei. Ich bezweifle, dass sie lügt. Fürst Sesshômaru würde sie meucheln, wenn sie Rin noch einmal in Gefahr bringt-“
 

„Die Tür ist aber auf der anderen Seite…“, unterbrach Kyoko ihn kichernd.
 

Shippô zuckte mit den Schultern. „Na und? Also, ich für meinen Teil nehme den kurzen Weg – komm schon!“

Mit einem Satz war er auf dem Fensterbrett.
 

Die Fuchsprinzessin lachte leise, als sie folgte.
 

„Halt dich an meinen Schultern fest – Shin, du auch“, murmelte Shippô, der genau gehört hatte, wie Kyokos jüngster Bruder ihnen folgte.
 

„Warum?“, wollte der Fuchsprinz skeptisch wissen.
 

„Mach‘ einfach. Oder willst du springen?“, fragte Kyoko leichthin, die ihre Hände längst auf Shippôs Schultern platziert hatte.

Mit hochgezogenen Augenbrauen tat Shin es ihr gleich.
 

Im nächsten Moment sprang Shippô, zog beide mit sich und verwandelte sich.

Keinen Atemzug später saßen die beiden anderen Fuchskinder auf einem riesigen, rosaroten Ball, der langsam gen Boden sank.
 

„Jetzt überzeugt?“, wollte Kyoko von ihrem Bruder wissen, aber der antwortete nicht.

Mit großen Augen starrte er zu der Stelle des Hofes, an der der Rest der Fuchsfamilie versammelt war.

Er hatte Tadashi entdeckt – und dessen Wunde.

Jetzt hatte es auch Kyoko gesehen, erstarrte – und stürzte.
 

Shippô hatte es auch bemerkt – und sich vor Schreck zurückverwandelt, gut zwei Meter über dem Boden.

Eine Entschuldigung murmelnd rappelte er sich wieder auf, aber beide anderen Fuchskinder achteten nicht weiter auf ihn.
 

Sie waren bereits besorgt auf dem Weg zu ihrem Bruder.
 

Für einen Moment blieb Shippô zögernd stehen.
 

Das war die Fürstenfamilie, das war Kyokos und Shins Familie – nicht seine.

Der Verletzte war Kyokos und Shins Bruder – nicht seiner.
 

Er beobachtete, wie die Fürstin sich herabbeugte und ihre beiden Jüngsten kurz erleichtert an sich drückte, ehe sie sich wieder aufrichtete.

Fürst Gin sagte etwas, woraufhin Kyoko und Shin das Gesicht verzogen und weniger besorgt als unglücklich wirkten.
 

Shippô machte einen Schritt rückwärts.

Er war kein Teil dieser Familie, so gut es sich angefühlt hatte das zu glauben.
 

Da plötzlich hob Kanaye den Kopf, blickte sich suchend um. Als er Shippô entdeckte, berührte er seinen Vater leicht am Arm.

Der Fuchsfürst folgte dem Blick seines Ältesten – und lächelte Shippô aufmunternd zu.

Eine Geste mit der Hand bedeutete ihm, näher zu kommen.
 

Zögernd kam der halbwüchsige Fuchs auf die Fürstenfamilie zu.
 

„Was tust du denn so allein da hinten?“, wollte Akeno wissen, ehe Fürst Gin etwas sagen konnte und Shippô sah sie an. Freundliche Wärme glänzte in ihren Augen.

„Ich…“, setzte er stockend an, aber er sprach nicht weiter. Seine Zweifel kamen ihm auf einmal lächerlich vor.

Also lächelte er stattdessen offen zurück.

Warum hatte er eigentlich gedacht, er gehöre nicht dazu?

„Ist die Wunde schlimm?“, fragte er an Tadashi gewandt.
 

Der versuchte ein Lächeln. „Angenehm ist sie nicht. Aber es wird heilen, Shippô. Ich fürchte, andere hat es nicht so glimpflich getroffen…“, erwiderte er erschöpft und nickte hinüber zu einem noch halb stehenden Stück der Mauer, in deren Windschutz Nikko und sein selbsternannter Rettungstrupp die Krieger abgelegt hatten, die sie nicht mehr hatten retten können.

Es waren bestimmt anderthalb Dutzend und es waren auch ein oder zwei darunter, die die Uniform der Boten trugen. Sie mussten ihre Rettungsmission mit dem Leben bezahlt haben.
 

„Und ich fürchte, auch Fürst Sesshômaru hat es erwischt“, fügte Fürst Gin hinzu und Shippô glaubte echte Traurigkeit aus diesen Worten herauszuhören.
 

Dennoch durchfuhr ihn ein Schock.
 

Sesshômaru war lange ihr Gegenspieler gewesen, aber gegen Byakuya, Magatsushi und Naraku hatten sie gemeinsam gekämpft, immer mal wieder war Shippô auf den Hundedämon getroffen, wenn der Rin besuchen kam.

Shippô hatte gelernt, den Inuyôkai zu achten.

Dass der jetzt tot sein sollte, behagte ihm gar nicht.

„Wo…“, begann er zögerlich.
 

Fürst Gin schüttelte etwas den Kopf. „Es muss ihn zerrissen haben. Ihn und diese Löwenadelige, in dem Moment, in dem sie beide den Höllenwolf in die ewigen Jagdgründe schickten. Als es vorbei war, waren alle drei verschwunden“, erwiderte er und erst jetzt merkte Shippô, dass Fürst Gin, genau wie der Rest der Familie ebenso ermüdet war wie Tadashi.
 

Der Kampf war lang gewesen.
 

„Wir sollten nach Hause. Das Fürstentreffen können wir sowieso vergessen. Die Neko werden ersteinmal damit beschäftigt sein, die Toten zu bedauern und die Schäden am Schloss und der Mauer zu beheben“, schlug Kanaye schließlich vor.
 

Fürst Gin nickte. „Die Pferde sind getürmt, wir werden anders reisen müssen – Shippô, kannst du deine wahre Form annehmen?“
 

Der halbwüchsige Fuchs zögerte. „Ich… ich weiß nicht. Aber… ich bin ja auch kein Daiyôkai, ich bin viel kleiner, als ihr alle. Wie sollte ich da mithalten?“, gab er zu Bedenken.

Ihm entging das leichte Lächeln der Fürstin.
 

„Auch wieder wahr. Nun, das wird kaum ein Problem sein – Tadashi, ich nehme an, du reitest auch lieber?“
 

Der zweitälteste Prinz nickte. „Auf drei Beinen würde ich euch nur aufhalten.“
 

„Gut. Shippô, dann komm zu mir. Kanaye, du nimmst deinen Bruder mit, nicht wahr?“, sagte der Fürst.
 

Der Erbprinz nickte und schloss die Augen, ließ sein Yôki erwachen.

Gleich darauf stand er als riesiger, rotgoldener Fuchs da.

Rasch legte er sich nieder, damit Tadashi aufsteigen konnte und der wenig Jüngere setzte sich in den Nacken seines Bruders.

Inzwischen hatten sich Benika, Akeno, Shin und auch Kyoko verwandelt, zwei rötliche Fähen, ein rotgoldener Rüde und eine silbergraue Füchsin, annähernd gleich groß.

Zuletzt wechselte Fürst Gin selbst in seine Tôshin-Form und legte sich ebenso nieder, wie sein Sohn zuvor.
 

Shippô beeilte sich, in seinen Nacken zu kraxeln, trotz dessen dass der Fürst lag, war es eine ziemliche Kletterpartie.

Zu seiner Überraschung merkte er, dass sich gleich darauf noch jemand hinter ihn setzte, ein Blick über die Schulter erfasste die Fuchsfürstin, die sich im eleganten Seitensitz hinter ihm niedergelassen hatte.
 

Azarni schien die stumme Frage zu erahnen. „Hat dir denn noch niemand gesagt, dass ich keine Daiyôkai bin?“, fragte sie schmunzelnd, auch wenn sie die Antwort längst wusste.
 

Shippô gab auch keine Replik, was aber daran lag, dass Fürst Gin sich mit Schwung aufgerichtet hatte und Shippô gerade noch rechtzeitig in das dichte Nackenfell greifen konnte, ehe er vom Rücken des Fuchsfürsten gepurzelt wäre.
 

„Vorsicht!“, rief Tadashi von Kanayes Rücken herüber und in seiner etwas gequälten Stimme lag schon wieder ein Lachen.
 

Shippô nickte bestätigend.

Das war knapp gewesen.

Aber er verdaute den Schreck schnell.
 

Viel mehr beschäftigte ihn der Gedanke an InuYasha und die anderen.

Ganz offensichtlich waren InuYasha und Kagome mit Sesshômaru hier gewesen.

Sangos, Kiraras Anwesenheit sprach dafür, dass die ganze Gruppe anwesend gewesen war. Sicher nicht ohne Grund.

Wenn Sesshômaru nun tot war… er hatte das dumpfe Gefühl, das das alles zunichte gemacht hätte.
 

Aber wenn er ganz ehrlich war, dann glaubte Shippô nicht daran, dass Sesshômaru tot war.

Dieser Kerl hatte die Windnarbe (dank Tenseiga) überlebt, er hatte den Verlust eines Arms überlebt, er hatte überlebt, als Magatsushis geliehener Körper ihn gänzlich eingeschlossen und durchbohrt hatten. Sesshômaru hatte überlebt, als Naraku ihn hatte absorbieren wollen, Sesshômaru hatte offenbar mehrere Dämonenkriege überlebt.
 

Shippô gab zu, dass er weder den Höllenwolf, noch den Kampf gesehen hatte, aber dennoch traute er Sesshômaru durchaus zu, überlebt zu haben.
 

Shippô konnte nicht ahnen, wie viel Recht er mit seiner Ahnung hatte.
 

~*~
 

Inmitten der Schwefeldämpfe, in seiner Behausung schreckte derweil Tôtôsai aus dem Schlaf.
 

Der Boden unter seinen Füßen bebte, allerdings nicht wie bei einem Erdbeben, sondern nur ganz zart.

Die unfertigen Schwerter, die an den Wänden lehnten, sangen ein vorfreudiges Lied, ein hohes Sirren, das die Luft erfüllte.
 

Tôtôsais Pupillen wurden ein wenig größer, als sie normal waren.

Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet du es irgendwann einmal schaffst…, dachte er bei sich, als er die Botschaft entschlüsselt hatte, die die Waffen um ihn herum vor sich hin sangen.

„Mô-Mô!“, rief er dann und augenblicklich kam die dreiäugige Kuh in sein Blickfeld, offenbar war sie nicht weggewesen, sondern hatte nur in der Nähe an den vereinzelten, schwefligen Gräsern geknabbert, denn sie kaute noch.

Tôtôsai rappelte sich etwas mühsam auf und schulterte seinen Hammer.

Es gab da jemanden, dem er schnellstens einen Besuch abstatten sollte.
 

~*~
 

Das Erste, was Natsu wieder spürte, war angenehme Wärme, direkt in ihrer Nähe, Körperwärme, nahm sie an.

Gleich darauf registrierte sie die Witterung, die über ihr war, allgegenwärtig fast. Sesshômaru…?
 

Entgeistert schlug sie die Augen auf und erkannte weißes Fell über sich, das weiche Kehlfell eines dämonischen Hundes.

Jetzt merkte sie auch, dass das, woran sie lehnte, eine riesige Pfote war.
 

Da kehrte die Erinnerung wieder.

Ja, in dem Moment, in dem der Höllenwolf sein Leben aushauchte, hatte Sesshômaru seine letzte Kraft zusammengenommen und war in Energieform davon gesaust, noch ehe die Yôkiexplosion ganz vollendet war.

Sie hatte er einfach mitgezogen, mehr wusste sie nicht mehr. Sie musste so schwach gewesen sein, dass sie das Bewusstsein verlohren hatte – und auch jetzt war sie alles andere als erfrischt.

Sie wusste auch ganz genau, woran das lag.

Ihr Sohn war so weit von ihr entfernt, dass es ihr noch mehr Kraft als sonst abverlangte, ihn über die Distanz unter Kontrolle zu halten.
 

In diesem Moment erst fiel ihr auf, dass sie nicht einmal genau wusste, wo sie waren.

Einzig, dass es noch immer Nacht war, konnte sie erkennen und anscheinend hinter der Grenze, sonst würde Sesshômaru niemals so ruhig daliegen.
 

Jetzt schien er bemerkt zu haben, dass sie erwacht war, denn er legte etwas den Kopf auf die Seite, sodass er zu ihr herunterschielen konnte.

Etwas erschrocken erkannte Natsu, dass die Farbe seiner Augen blass wirkte. Ein Zeichen von Schwächung.

Er war schwer verletzt gewesen, das hatte sie bemerkt, deswegen waren ihr ja alle Sicherungen durchgebrannt und sie war ihm zur Hilfe geeilt, Tarnung und Vernunft zum Trotze.
 

„Ich danke Euch, das Ihr mich nicht zurückgelassen habt“, murmelte sie leise, fast nur, um überhaupt etwas zu sagen.
 

Der große Hundekopf über ihr wurde wieder angehoben, Sesshômaru blickte wieder über die Ebene. Seine Lefzen erzitterten in einem tonlosen Knurren.

Auch wenn er in Tôshin-Form nicht in der Lage war, zu sprechen, verstand sie doch, was er meinte.

Hätte er sie zurückgelassen, wäre das ihr Todesurteil gewesen und damit das ihres Kindes.

Man hätte von ihr eine Erklärung für ihr Eingreifen verlangt und sie hätte nicht mehr lügen können. Solange sie nicht gezeichnet war, wäre sie in diesem Falle hingerichtet worden, egal ob man ihr dann glaubte oder nicht. Entweder für den Frevel einer Lüge, die die Politik durcheinanderbrachte, oder für das Vergehen ihm ein Kind unterschieben zu wollen, denn niemand würde für bare Münze nehmen, dass es in Einvernehmen geschehen war.

Nun, genau genommen war es ja auch ein Unfall… und warum er sich so für mich einsetzt, weiß ich immer noch nicht…
 

~*~
 

AhUhn und Kirara näherten sich etwa zugleich der Grenze zwischen den östlichen Ländern und dem neutralen Gebiet in der Mitte der Fürstentümer.
 

Kagome wandte den Kopf, als sie InuYasha hinter sich fast belustigt grummeln hörte.

„Ich hab’s ja geahnt. – Und sein Selbstvertrauen lebt auch noch mehr als. Kaum ist er ein paar Meter über die Grenze, schon hat er es nicht einmal mehr nötig, sich zurückzuverwandeln…“, murmelte der Schwarzhaarige und deutete an Kagome vorbei in Richtung einiger Seen, deren Oberflächen das Sternenzelt glasklar spiegelten.

Rund herum standen hohe Ahornbäume, die gerade auszutreiben begannen und bereits einen recht guten Blickschutz boten. Allerdings sah man das weiße Fell des Dämonenhundes dennoch – wenn man darauf achtete.
 

Kagome konnte nicht verhindern, dass sie erleichtert war.

Es wäre nicht Recht gewesen, wenn Sesshômaru so gestorben wäre, nicht, wenn er sich einmal überwand und InuYasha vor den Augen anderer Dämonen rettete.
 

Inzwischen war auch Rins Blick InuYashas Fingerzeig gefolgt und ihre Augen begannen zu strahlen.

Zwischendurch war sie sehr still gewesen, seit sie gemerkt hatte, dass Sesshômaru nicht bei der Gruppe war, aber jetzt freute sie sich umso mehr.

Zwar hatte sie ihren Ziehvater erst ein einziges Mal in wahrer Form gesehen, aber das hinterte sie nicht daran, AhUhn mit einem deutlichen Zug am Zügel, direkt in die Richtung steuern zu lassen.
 

Der zweiköpfige Drache gehorchte willig und setzte am Ufer eines der Seen auf.

Kirara tat es ihm gleich.
 

InuYasha machte sich direkt auf den Weg zu seinem Halbbruder. „Na, Unauffälligkeit war ja noch nie deine Stä-“, er stockte.

Der Anblick, der sich ihm bot, hatte ihm die Sprache verschlagen.
 

Sesshômaru kauerte reglos in Dämonenform auf der Ebene, seine Seite und seine Schulter glänzten noch vor Blut – und zwischen seinen Vorderpfoten ruhte Natsu. Dass sie lebte, zeigte die Tatsache, dass sie nun etwas den Kopf drehte und sich nach dem Sprecher umsah, aber es war viel bezeichnender, welch‘ schützende Geste Sesshômarus Haltung ausmachte.
 

InuYashas braune Menschenaugen wurden groß, als ihm bewusst wurde, was das aussagte. Sie bedeutet ihm wirklich etwas…

Langsamer und ohne seine Stichelei fortzusetzen, trat er näher.
 

Rin hatte da weniger Berührungsängste.

Sie sauste wie ein Irrwisch an InuYasha vorbei und blieb erst direkt vor der riesigen Hundeschnauze stehen. „Sesshômaru-sama! Ihr seid wohlauf! – Natsu-sama, ihr auch?“, juchzte sie.
 

Sesshômaru senkte etwas den Kopf und sah sie aus seinen roten Augen an ohne sie zu berühren. Angesichts des Giftes in seinem Maul wäre das wohl auch keine gute Idee gewesen.
 

Natsu dagegen, neben der Rin sich nun hinkniete und sie begrüßte, erwiderte den Händedruck gern.

„Danke der Nachfrage, Rin. Es geht…“, antwortete sie matt.
 

Sesshômaru sah inzwischen den anderen entgegen, die hinter InuYasha aufmarschiert waren, nicht weniger überrascht über den Anblick, wie der.

Shiori entlastete einen Fuß, Kirara hatte eine paar kleinere Wunden abbekommen und InuYasha wirkte noch angeschlagen, aber ansonsten waren sie noch recht heile.
 

Sesshômaru überlegte kurz. Er war noch immer verwundet, die Wunden nur unzulänglich geschlossen. Jigoku no Ookamis Zähne und Klauen waren tief gedrungen und hatten zudem ein paar Rippen beschädigt.

Um sich zu regenerieren, brauchte er Ruhe und die hatte er nicht, solange er in Tôshin-Form war, denn da kostete es mehr Kraft sein Yôki zu verbergen und außerdem machte es der tierische Instinkt schwer, wirklich auszuspannen.

Wenn er ehrlich zu sich war, war er nur in dieser Form geblieben, weil er Natsu so wärmen konnte und diese Wärme hatte sie bitter nötig.

Auf die Distanz raubte es fast all ihr verbliebenes Yôki, das Band zu ihrem Sohn aufrecht zu erhalten und sie konnte kaum mehr ihre Körpertemperatur stabil halten.
 

Da fiel ihm der dunkle Umhang auf, den diese Komori-Hanyô noch unter dem Arm trug. Die anderen beiden mussten am Nekoschloss zurückgeblieben sein, aber einer reichte ja auch.

Ohne Vorwarnung reckte er den Hals, ignorierte den Schmerz, der dabei durch seine Schulter jagte und packte den groben Stoff mit einem Eckzahn, zog leicht daran.

Eine wortlose Geste, ein Wink mit dem Zaunpfahl – zum Glück verstand die Halbdämonin. Sie ließ den Stoff los und

Sesshômaru zog den Kopf zurück und ließ den Umhang über Natsu fallen.
 

Dann zog er die Pfoten näher an den Körper und stemmte sich mühsam ins Sitzen. Es war erschreckend wenig Energie, die ihn einhüllte, als er sich zurückverwandelte, wieder in menschenähnlicher Form dastand.

Nur ein rascher Seitschritt bewahrte ihm sein Gleichgewicht, sein Haori war an einer Seite zerfetzt und blutdurchtränkt, Haut und Fleisch darunter sahen nicht viel besser aus. Nach dem Verlust seines Arms war es schlimmer gewesen, aber auch das hier entsprach nicht gerade seiner Wunschvorstellung.

Er merkte bereits, wie sein Blick sich etwas eintrübte und konzentrierte sich rasch um bei Sinnen zu bleiben. Er konnte es sich jetzt wahrlich nicht leisten, zusammenzuklappen.

Beruhigt erkannte er, dass auch Rin seine Geste verstanden hatte und Natsu half, sich aufzurichten, den Umhang überzustreifen. So würde die Dämonin wenigstens nicht ganz auskühlen. Im Moment war Natsu nicht viel stärker als ein Mensch.
 

Da erst bemerkte er, dass Kagome ihn aufmerksam musterte, abwartend, den Blick aber immer wieder auf seinen Wunden.
 

Knapp schüttelte er den Kopf.

Sie begannen sich bereits zu schließen, entzünden würden sie sich nicht, er brauchte keine Hilfe – nur Ruhe.
 

Dennoch war sein Gang etwas hölzern, als er – scheinbar ohne den Rest der Gruppe weiter zu beachten – an ihnen vorbei trat und sich mit – ebenso scheinbar – emotionslosem Gesichtsausdruck an den Stamm eines der Ahornbäume setzte.

Den Kopf etwas zurückgelehnt schloss er die Augen und sammelte sich.
 

Es war nicht der erste harte Kampf und nicht die erste schwere Verwundung, die er erlebte, aber es war das erste Mal, dass er gleichzeitig die tatsächliche Verantwortung für so viele andere getragen hatte.

Die alten Verbündeten seines Vaters, die ab und an darum gebettelt hatten, ihn unterstützen zu dürfen, die zählten nicht. Er gab sich zu, dass er erleichtert war, dass die anderen vergleichsweise unbehelligt aus dem Kampf heraus gekommen waren.
 

Jetzt blieb nur noch die Frage offen, wie man an Natsus und seinen Sohn herankam – und das bevor die Löwendämonin ihre letzten Kräfte verbrauchte. Viel Reserve hatte sie nicht mehr übrig, das spürte er selbst jetzt, wo er sich alles andere als auf sie konzentrierte.

Und gleichzeitig wusste er, dass sein Sohn in allerhöchster Lebensgefahr schwebte. Wenn Tôran sich zusammenreimte, warum Natsu ihm da in diesem Kampf gegen den Höllenwolf beigesprungen war… sie würde Kin nach dem Leben trachten. Und eine einfache Zofe oder Kinderfrau konnte der Pantherdämonin sicher nichts entgegensetzen.
 

Sesshômaru unterdrückte ein Seufzen. Schon wieder etwas, um das er sich Sorgen machen musste.

Ohne Natsu war sein Leben sehr viel einfacher gewesen.

Auf der anderen Seite war er sich sehr bewusst, wie greifbar sie ihm gefehlt hatte, in den letzten Monden.

Nein, er würde keine halben Sachen machen. Er hatte sich entschieden – für sie.

Wieder zusammen

Es vergingen nur wenige Minuten, dann war die Routine wieder da.

Während InuYasha sich einen Felsen suchte um Wache zu halten, Menschenform hin oder her, gingen Sango und Kirara Holz sammeln.

Rin und Shiori machten sich auf, etwas Essbares zu finden und Kagome half Miroku, einen passenden Platz für ein Lagerfeuer zu finden.

AhUhn bewegte sich grasend zu einem der Teiche und begann zu saufen, sichtlich froh, dass er dabei von keinem ungeschickt Fische fangenden Jaken aufgescheucht wurde.
 

Rin fand nicht weit entfernt etwas, was sie gebrauchen konnten. Die paar essbaren Wurzeln waren nicht viel, aber es war besser, als gar nichts.

Bei Tageslicht war es vielleicht möglich Fische zu fangen – jedenfalls wenn sich einer der anderen geschickter anstellte, als Jaken. Das war allerdings auch nicht weiter schwer.

Ungeachtet dessen, dass ihr Kimono weit wertvoller war, als alles, was sie während ihrer Reisen getragen hatte, ließ sie sich auf die Knie nieder und grub die Wurzeln aus.
 

Mit der spärlichen Ausbeute machten Rin und Shiori sich schließlich auf den Weg zurück zu den anderen. Sie steuerten direkt auf den Fuß des ältesten Ahorns zu, wo der Boden sandig war und die anderen sich bereits hingesetzt hatten.
 

Sango war gerade dabei, ein paar größere Holzscheite um die dünnen Ästchen herum aufzustapeln. Dann begann sie geschickt, das Feuer zu entzünden, zu nähren, bis das Lagerfeuer munter loderte. Orangeschimmerndes Licht erhellte schemenhaft die nähere Umgebung.
 

„So ganz ist der Plan ja nicht gelungen…“, bemerkte Shiori schließlich, als sie das Essen beendet hatten.
 

Inzwischen war auch InuYasha – angelockt von der Aussicht auf etwas Essen – zu ihnen gekommen, wenn er auch etwas enttäuscht über die Art der Mahlzeit war. Aber er nahm es hin.

„Stimmt. Das Kind fehlt“, antwortete er jetzt.
 

„Ich frage mich, wie es Natsu geht. Sie scheint zwar nicht halb so schwer verletzt zu sein, wie Sesshômaru, aber sie kam mir schon die ganze Zeit so schwach vor“, fügte Kagome hinzu.
 

„Ist sie auch, Kagome-sama! Das ist das Kind, sagt Sesshômaru-sama“, mischte Rin sich ein, „Sesshômaru-sama sagt, ein so junges Dämonenkind kann sein Yôki noch nicht selbst im Griff haben. Die Mutter muss ihm helfen.“
 

„Und bei den Eltern ist es kaum verwunderlich, wenn das Kind sehr stark ist“, sagte Miroku, der verstanden hatte, was Rin hatte ausdrücken wollen.
 

Kagome nickte etwas. „Da magst du Recht haben. Aber… was meint ihr, warum veranstaltet Sesshômaru das ganze Theater? Ich meine, so wie man ihn sonst kennt, könnte es ihm doch eigentlich egal sein.“
 

„Keh! Tja, scheint so, als sei es nicht nur sein Fleisch und Blut um das es geht“, schaltete InuYasha sich trocken ein.
 

„Sei’s ihm gegönnt“, gab Kagome zurück, ehe InuYasha wieder anfangen konnte, zu spotten.

Der machte allerdings den Eindruck, als habe er das gar nicht vor.

Stattdessen sah er zu Natsu, die noch immer an Ort und Stelle saß.

„Ich glaube, sie macht sich Sorgen.“
 

Etwas überrascht, dass er auf soetwas achtete, folgten alle seinem Blick, sahen aber rasch wieder weg. Sie wollten nicht aufdringlich wirken.
 

„Ich kann es verstehen, InuYasha. Einer Mutter erste Sorge ist es, wie es ihrem Kind geht. Ich meine, ich weiß, dass meine drei bei Kaede und Jinenjis Mutter in guten Händen sind, aber was weiß Natsu denn? Sie hat ihren Sohn Hals über Kopf zurücklassen müssen und das nicht gerade in der friedlichsten Umgebung. Ich glaube kaum, dass sie da viel anders denkt, nur weil sie eine Dämonin ist. Ich glaube eher, in diesem Falle ist sie in erster Linie Mutter“, sagte Sango nach einem Moment, während sie Kiraras Nackenfell kraulte.
 

Die Nekomata, die es sich auf dem Schoß ihrer alten Freundin bequem gemacht hatte, schnurrte genüßlich, hörte aber gleichzeitig ganz offensichtlich aufmerksam zu. Jetzt piepste sie zustimmend. Offenbar gefiel ihr Sangos Erklärung.
 

„Dann wird er jetzt wohl alles dran setzen, seinen Sohn da raus zu holen. Ich glaube, so schnell kommen wir nicht wieder nach Hause“, sagte InuYasha schließlich und es war klar, dass er wieder von Sesshômaru sprach. Seine Stimme klang dabei fast amüsiert.
 

Kagome zog die Füße unter den Körper und lehnte sich mit verschränkten Armen rücklings an den Stamm des Ahornbaumes. „Irgendwie ist es schon seltsam, dass er uns plötzlich so einfach akzeptiert hat. Ich meine, erst das mit der Sekai no Tía, dann das Amulett für InuYasha und jetzt vertraut er uns genug um uns um Hilfe zu bitten, wenn es um seinen Sohn, vielleicht seine Familie geht. Er hat sich sehr verändert, findet ihr nicht?“
 

„Warum? Also ich finde, er war schon immer nett!“, mischte Rin sich ein, die Kagomes Nachdenklichkeit in diesem Punkt sichtlich nicht nachvollziehen konnte.
 

Unwillkürlich musste die junge Miko schmunzeln.

Den Blick, den sie mit ihren Freunden tauschte, sprach Bände: Zu dir, ja!
 

~*~
 

Ein gutes Stück entfernt, in Musashi hatten sich derweil auch Kaede und die Kinder zur Ruhe gebettet.
 

Jinenjis Mutter war wieder zu ihrer Hütte am Kräuterfeld zurückgekehrt, hatte aber gesagt, sie käme am Morgen wieder, so wie in den letzten Tagen auch.

Keine der beiden alten Frauen störte sich daran, dass es jetzt schon über eine Woche her war, dass die Gruppe samt Sango und Miroku abgereist war.
 

Kaede drehte sich auf die andere Seite und musterte die drei Kinder, die eng beieinander auf einer Tatamimatte lagen, bereits friedlich träumend. Die alte Miko lächelte etwas. Kaum zu glauben, wer die Eltern der drei sanft schlafenden Kleinkinder waren.
 

Noch vor ein paar Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass aus der rebellischen Dämonenjägerin und dem lüsternden Mönch jemals ein festes Paar werden könne, obwohl es unübersehbar gewesen war, dass sie ineinander verliebt waren.

Ganz ähnlich war es mit Kagome und InuYasha gewesen. Die zuerst so ängstliche Miko, die keine Ahnung von ihren Kräften hatte und obendrein aus einer anderen Zeit stammte und der verbitterte Hanyô, der so ruppig und manchmal angsteinflößend sein konnte, das hatte auch lange nicht zusammengepasst.

Auch wenn Kaede von Anfang an gewusst hatte, dass diese beiden im Team stark genug sein konnten, das Problem des Shikon no Tamas ein für alle Mal zu lösen, so war doch viel Zusammenraufen nötig gewesen, bis sich beide dem anderen gezeigt hatten, wie sie wirklich waren.

Kaede wusste auch nur zu genau, dass Kikyôs alte Bannkette da einen wertvollen Beitrag geleistet hatte, so oft sie auch zu hitzigen Diskussionen geführt hatte. Beide hatten sich erst kennenlernen müssen – und wenn Kaede sich nicht sehr täuschte, dann waren die beiden jetzt auch endgültig Gefährten geworden, mochte es auch nie eine Zeremonie gegeben haben. Allerdings war das vielleicht auch ganz gut so. Kagome ging in ihrer Rolle als Miko langsam auf und sie hatte Kräfte, die zu verschwenden ein Frevel gewesen wäre. Würde sie heiraten, wäre das mit dem Miko-Stand schwierig zu erhalten.
 

Hat Kikyô mich damals wohl aus diesem Grunde richtig ausgebildet? Ein Dorf braucht keine zwei Mikos. Aber hat sie mich gelehrt, weil sie darüber nachdachte, mit InuYasha zusammenzukommen… so richtig? Oder ahnte sie nur, dass das Shikon no Tama ihr einen frühen Tod bescheren wird?

Kaede seufzte. Sie wusste genau, das sie auf solcherart Fragen niemals Antwort finden würde. Aber in letzter Zeit kamen diese Gedanken wieder öfter auf. Nun, vielleicht werde ich Kikyô bald fragen können…, dachte die alte Miko. Sie spürte schon lange, dass ihr Körper langsam abbaute. Sie hatte eben längst das sechzigste Lebensjahr überschritten, nicht viele wurden überhaupt so alt. Aber ein bisschen Zeit hatte sie noch, das wusste sie.
 

Damit schloss sie das gesunde Auge und versuchte einzuschlafen – aber dazu kam sie noch nicht.

Unwillkürlich zuckte sie zusammen, als sich plötzlich etwas gegen sie lehnte, auch wenn das freundlich-grunzende Geräusch wenig gefährlich klang.

Sie schlug das Auge wieder auf und versuchte blinzelnd etwas zu erkennen.
 

Die Gestalt war tierartig, etwa kniehoch und zottig. Im selben Moment erkannte sie das verwunschen schimmernde, flammenfarbene Band um den Hals des Wesens. Das Flammenhalsband der Kaji-Yôkai, dass Kirara bei ihrer Rückkehr weitergegeben hatte.
 

„Yume?“, fragte Kaede überrascht.
 

Das Wesen brummte wieder freundlich und schmiegte sich mit einem Ruck fester an sie.
 

Kaede stieß ein raues Lachen aus. „Willkommen zurück, Kleiner!“

Sie war wenig überrascht, dass das junge Baku wiedergekehrt war. Vor einigen Monden, kurz nach dem letzten Oni-Angriff auf Musashi hatten so viele der Kinder Albträume gehabt, dass ein fremder Baku angelockt worden war. Yume hatte Anstalten gemacht, sein Revier zu verteidigen, aber statt es ihm streitig zu machen, hatte der Fremde ihm angeboten, ihn in die Lehre zu nehmen. Yume hatte zugestimmt und war davon gegangen.

Offenbar brauchte er den Mentor jetzt nicht mehr.

Es war nett von dem jungen Kerl, zu ihnen zurückzukehren, obwohl er wissen musste, dass Kirara im Moment nicht hier war.

Aber das sollte ihr im Moment egal sein. Kaede war müde. Damit schloss sie das Lid wieder und war bald weggedämmert.
 

~*~
 

Natsu hatte sich aufgesetzt und den Umhang fester um sich gezogen, beobachtete das wohlabgestimmte Geschehen halb interessiert, halb belustigt.

Als ob sie nicht langsam wüsste, dass diese Gruppe sich nie aus der Ruhe bringen ließ, nicht von zwei hochrangigen Yôkai in der Nähe und nicht davon, dass einer von beiden schwer verletzt war. Nun, sie waren es wohl langsam gewöhnt.

Nur, dass zuletzt sie verletzt gewesen war und Sesshômaru heile.

Jetzt war es andersherum.

Mühsam erhob sie sich und setzte sich in der Nähe des Inuyôkai wieder hin.

Er schien tief in sich versunken, aber Natsu sah, dass er die Augen nicht ganz geschlossen hatte.

„Ihr seid nachdenklich“, stellte sie leise fest.
 

Sesshômaru rührte sich nicht. „Es gibt einiges, das es wert ist, darüber nachzudenken“, gab er emotionslos zurück.
 

Natsu atmete tief durch. „Unser Sohn“, konstatierte sie.
 

Sesshômaru nickte leicht. Das hatte im Moment höchste Priorität.
 

„Tôran weiß nicht, wer sein Vater ist. Ich… ich habe damals gesagt, ich sei entehrt worden. Ich nehme an, sie rechnen damit, dass es einer der Banditen war. Außer meiner Schwester kennt niemand die Wahrheit“, murmelte die RaionYôkai vor sich hin, mehr um sich selbst zu beruhigen.
 

Dennoch wandte Sesshômaru den Kopf und öffnete die Augen, sah sie an. „Die Wahrheit?“, wollte er ruhig wissen.
 

Dass er damit nicht auf seine Vaterschaft anspielte, war ihr vollkommen klar. Ihn interessierte der erste Teil ihrer Aussage.
 

Natsu senkte unwillkürlich den Blick. „Ich… ich habe es nicht als Entehrung empfunden. Ich… war ja einverstanden“, wisperte sie zögernd.
 

Gleich darauf spürte sie seine schmalen Finger unter dem Kinn, hob den Kopf wieder, wie es die Geste dezent von ihr verlangte. In ihrem Gesicht waren die wiederstreitenden Gefühle deutlich zu sehen. Es tat gut ihn wieder in ihrer Nähe zu wissen, seine Berührung tat gut. Aber ohne sie wäre er nicht in diese Situation gekommen. Mehr als einmal schon war er jetzt wegen ihr nur knapp daran vorbei geschrammt, den angespannten Frieden zwischen den dämonischen Fürstentümern zu zerstören. Das Bündnissystem war kompliziert. Wenn die Neko und die Inu sich wieder in einen richtigen Krieg verwickelten, dann würden noch sehr viel mehr in den Kampf ziehen. Das konnte man doch sicher kaum gegeneinander aufwiegen.
 

„Sieh mich an“, forderte er da und erst jetzt merkte Natsu, das sie zwar den Kopf gehoben hatte, die Lider aber noch niedergeschlagen hatte. Zögernd versuchte sie, seinen Blick zu erwidern – und erkannte voller Überraschung Wärme in dem sonst so kühlen Gold.
 

„Wirst du mit mir kommen?“, fragte er.
 

Natsu blinzelte etwas.

Er musste wissen, dass das nicht in ihrer Entscheidungsgewalt lag. Er konnte sie mit sich nehmen oder vor der Grenze zurücklassen. Er war der Höherrangige von ihnen beiden.
 

Sie ahnte, dass er ihre Zweifel spürte. Und es war selten empathisch von ihm, dass er darauf reagierte: „Ich werde dich nachzeichnen.“
 

Natsus Augen weiteten sich. Er… wollte sie wirklich zur Gefährtin nehmen? Ganz offiziell? Das wäre fast zu schön um wahr zu sein. Die Unsicherheit nagte hartnäckig an ihr.

Sie hätte seine Ankündigung einfach hinnehmen können, aber… „Warum?“, wollte sie fast tonlos wissen.
 

Statt einer Antwort spürte sie, dass seine Hand in ihren Nacken glitt und sie zu ihm zog. Der Kuss war federleicht und warm, ganz anders als der harte, fordernde in jener Nacht. Und doch sagte dieser hier mehr als tausend Worte, sandte unzählige, angenehm prickelnde Spuren durch ihren Körper.
 

„Du wirst diese Worte nur dieses eine Mal von mir hören…“, sagte Sesshômaru ruhig, als er sich von ihr löste und sprach dann so leise weiter, dass sie ihn kaum verstand.

Was er aber sagte, brannte sich tief in ihr Gedächtnis, unwillkürlich fuhr sie auf, blickte ihn ungläubig an. Sie brauchte ihn nicht fragen, ob er das ernst meinte. Sesshômaru sagte nie etwas, was er nicht ernst meinte, so viel wusste sie inzwischen von ihm. Dennoch waren seine Worte kaum zu glauben. Aber die aufflammende Wärme in ihrer Brust machte ihr bewusst, wie gerne sie einfach daran glauben wollte.
 

Und plötzlich war es ganz selbstverständlich, dass sie sich nach vorn sinken ließ, sich an ihn lehnte, den Kopf an seine unverletzte Schulter bettete, vorsichtig darauf bedacht, seine verwundete Seite nicht zu berühren.
 

„Watashi mo“, wisperte sie sacht. „Watashi mo… Aishiteru, Sesshômaru.“

Aufgespürt

Die Stunden vergingen.
 

InuYasha hatte sich stur wieder auf seinen Beobachtungsposten verzogen, ungeachtet dessen, dass er in dieser Nacht kaum der aufmerksamste Wachposten war.

Dabei bekam er Gesellschaft von Shiori, die zum einen nicht müde war und zum anderen schon in den vergangenen Nächten nur unruhig geschlafen hatte. Ihre Gedanken waren noch immer in Aufruhr. Der Rest hatte sich am Lagerfeuer zusammengerollt, schlief längst.
 

Es war fast Mitternacht, der Himmel war rabenschwarz, kein Mond, nur wenige Sterne.
 

Sesshômaru blickte aus dem Augenwinkel auf Natsu herab, die noch immer an seiner Schulter lehnte. Vermutlich wusste sie, dass sie beinahe das einzige Wesen war, dem er das erlauben würde.

Er atmete tief durch. Seine Wunden waren auf dem Weg der Besserung. Mit etwas Glück, könnten sie das Kind morgen holen. Dann war er wieder auf dem Damm und auch InuYasha wieder einsatzfähig.

Sesshômaru gab sich zu, dass er froh darum war. Vielleicht hatte sein Vater auch diesmal recht gehabt. Vielleicht konnte er InuYasha als Teil seiner Familie sehen – Hanyô hin oder her.
 

In diesem Moment hörte er Schritte, entfernt noch, aber in ihre Richtung unterwegs. Er witterte, konnte aber seltsamerweise keinen Geruch wahrnehmen, der nicht sowieso um ihn herum war.

Jetzt sprang hinter ihm auch die Komori-Hanyô auf, sie hatte es also auch gehört.

Sesshômaru rührte sich nicht.
 

~*~
 

Unwillkürlich etwas geduckt rannte die Gestalt dahin.

Sie wusste, dass es nicht gefahrlos war, was sie hier tat. Aber sie wusste ebenso gut, dass es noch gefährlicher wäre, alles beim Alten zu lassen, auch für sie selbst. Denn man würde herausfinden, dass sie ganz tief mit drin hing und dann würde auch ihr Stand sie nicht mehr schützen.
 

Sie drückte das Bündel, das sie in den Armen hielt, noch ein wenig fester an sich und beschleunigte ihre Schritte, als ihr endlich die Witterung in die Nase stieg, die sie suchte. Wenn sie die wahrnehmen konnte, war sie schon recht nah. Eine RaionYôkai wie sie war nicht mit dem besten Geruchsinn gesegnet.

Eine Windböe zerrte an ihr und löste auch noch den letzten Rest dessen, was einmal ein Zopf gewesen war. Sie beachtete es nicht.

Etwas sagte ihr, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte.

Das Bündel in ihren Armen kühlte aus, auch es war geschwächt. Und das bedeutete, dass seine Mutter vollkommen abgekämpft sein musste.

Der Kampf war Selbstmord, Onee-chan…, dachte sie verzweifelt und beschleunigte ihre Schritte noch einmal – nur um im nächsten Moment schliddernd zum Stehen zu kommen.
 

Jemand hatte ihr den Weg vertreten, in den Schatten kaum richtig zu erkennen, selbst mit Katzenaugen. „Verschwinde…“, sagte der Jemand barsch.
 

Amaya verzog das Gesicht. Warum ausgerechnet musste sie auch noch aufgehalten werden?

Dann erst bemerkte sie, dass ihr Gegenüber zwar ein Schwert trug, aber keine Anstalten machte, es zu ziehen. Wollte er wirklich nur, dass sie einen Umweg machte? Aber dann würde sie vielleicht die Spur verlieren und das konnte sie sich auch nicht leisten.
 

Am Himmel zog eine Wolke weiter und gab ein Sternenfeld frei, das ihr ein bisschen Licht schenkte.

Jetzt konnte Amaya mehr erkennen.

Ihr Gegenüber kam ihr bekannt vor.

Der rote Suikan, den hatte sie schon einmal gesehen. Aber da war sein Träger weißhaarig gewesen und hatte goldene Augen gehabt, jetzt waren die Haare schwarz und die Augen braun. Sie stand einem Menschen gegenüber!
 

Einen Moment lang zögerte Amaya, dann beschloss sie, dass alles andere ungefähr genausoviel Zeitverschwendung wäre. „InuYasha?“
 

Die Gestalt legte wie ein Hund fragend den Kopf schief. „Woher kennst du mich?“
 

Also hatte sie sich doch nicht getäuscht.

Unwillkürlich atmete Amaya auf. Vielleicht war sie ihrem Ziel näher als gedacht.

„Ist dein Bruder hier?“, fragte sie anstatt Antwort zu geben.
 

Sie konnte nicht ahnen, dass es in etwa dem achten Weltwunder glich, dass InuYasha nicht gegen das ‚Bruder‘ protestierte, sondern einfach über die Schulter zeigte. „Da hinten. Gemeinsam mit seiner Löwin. – Was willst du denn nun?“
 

Wieder erwiderte Amaya nichts, sondern lockerte nur den Griff um das Bündel in ihrem Armen und hielt es InuYasha ein Stück entgegen, sodass er sehen konnte, was darin war.
 

Die braunen Menschenaugen weiteten sich überrascht, dann drehte InuYasha sich um. „Komm!“
 

~*~
 

Kagome erwachte, als InuYasha ans Lagerfeuer trat. „Was ist…?“, wollte sie schläfrig wissen. Sie wusste, dass er seinen Wachposten nicht einfach so verlassen hätte, egal wie (un-)brauchbar er heute Nacht dafür war.
 

„Wir sind aufgespürt worden. Frag‘ mich nicht, wer sie ist, aber sie erleichtert uns einiges“, antwortete der menschliche Hanyô und rüttelte Miroku ein wenig an der Schulter, damit auch er aufwachte.

Sango war längst wach und Rin blinzelte sich gerade den Schlaf aus den Augen.
 

„Mein Name ist Amaya“, mischte die herankommende Gestalt sich ein und im Widerschein des Feuers glitzerten ihre Katzenaugen deutlich.
 

„Amaya-sama? – Du bist Natsu-samas Schwester, oder?“, meldete Rin sich zu Wort und setzte sich langsam auf.
 

Die Katzenaugen richteten sich auf sie. „Und du musst Rin sein, habe ich Recht?“
 

Rin nickte. Die Lilienblüte, die die ganze Zeit über erstaunlicherweise in ihrem Haar geblieben war und – wäre der Plan jemals richtig angelaufen – als Erkennungszeichen zwischen Rin und Amaya hätte dienen sollen, löste sich und fiel zu Boden.

Rin klaubte sie wieder auf, während Amaya sich hinkniete.

Man sah ihr die höfische Erziehung an, auch wenn ihr nach Schamanenart schlichter Kimono starrte vor Dreck.

Sie senkte den Blick auf das Bündel in ihren Armen.

„Ich habe ihn aus Natsus Gemach geholt. Ich fürchte, lange wird es nicht mehr dauern, bis Fürstin Tôran drauf kommt, wie das heutige Geschehen mit all dem zusammenhängt. Und ich fürchte, ich werde auch Natsus und meinen Eltern reinen Wein einschenken müssen, sonst glauben sie noch, Natsu wäre tot und das würde es endgültig verkomplizieren. Um niemanden unabsichtlich in Gefahr zu bringen, sollte ich meiner Schwester aber nicht zu nahe kommen. Ihre Witterung würde man sofort an mir erkennen. Aber bitte… sagt ihr, dass ich ihr alles Gute wünsche, egal wie lange es dauert, bis wir uns wieder sehen. Und sagt ihr, dass ich alles versuchen werde, meinen Neffen doch noch vor Fürstin Tôran zu schützen.“

Damit legte sie das Bündel einfach in Kagomes Schoß.
 

Die junge Miko schloss unwillkürlich die Arme darum.

Als sie wieder aufsah, war Amaya bereits verschwunden. Als wäre sie nie dagewesen.

Kagome sah auf das Bündel hinab, betrachtete das noch so junge Kind darin. Sie wusste ja bereits von Kôgas Sohn, dass Dämonenbabys nicht viel anders aussahen, als Menschenbabys, aber diesem hier sah man dennoch vorallem den Vater deutlich an. Die weißen Haare leuchteten regelrecht und die Augen hatten einen deutlichen Goldton. Ihre Form entsprach aber eher Katzenaugen. Spontan schlich sich ein Lächeln auf Kagomes Lippen. Niedlich war der Kleine.
 

Rin schien da ganz ähnlicher Meinung zu sein. „Süß!“, stellte sie fest, als sie näher an Kagome heranrückte und einen Blick auf das Dämonenkind erhaschte.
 

Selbst InuYasha schaute mild drein.
 

„Du solltest ihn seiner Mutter bringen. Die Wärme des Feuers scheint ihm nicht zu reichen, ich nehme an, er braucht Körperwärme“, mischte sich da Sango ein, die zwar auch sanft lächelte, das Ganze aber etwas pragmatischer sah.
 

Rasch nickte Kagome und erhob sich.

Als InuYasha ihr jedoch folgen wollte, verneinte sie schnell. „Bleib‘ ruhig hier. Sesshômaru wird mich kaum fressen, solange ich seinen Sohn auf dem Arm habe!“

Damit machte sie sich auf den Weg zu dem Baum ein paar hundert Schritt entfernt, an dem Sesshômaru sich niedergelassen hatte.
 

InuYasha blieb etwas unwillig zurück, setzte sich wieder hin.

Es war ein seltsames Gefühl gewesen, Kagome mit einem Baby auf dem Arm zu sehen. Dieser Anblick hatte etwas in ihm ausgelöst, das gänzlich neu war. Mehr denn je hatte er sie beschützen wollen.

InuYasha ignorierte Mirokus wissenden Seitenblick mühsam und sah nachdenklich zu den spärlichen Sternen auf.
 

Sesshoumaru blickte auf, als er Kagome näher kommen hörte. Er hatte das Gespräch am Feuer mitgehört und spürte nun doch eine gewisse Vorfreude, seinen Sohn endlich zu sehen. Es war eine sehr positive Wendung in all dem Chaos, dass Amaya den Kleinen aus dem Schloss geholt hatte. Es erleichterte vieles.

„Gute, gute Imouto-chan“, hörte er Natsu flüstern, als die sich etwas aufrichtete und ebenfalls Kagome entgegenblickte.
 

Die junge Miko arbeitete sich nun geschickt durch ein dürres Gebüsch – und verharrte einen Moment.
 

Kagome glaubte ihren Augen nicht trauen zu können. Sie hätte nicht erwartet, die beiden Yôkai so nah beieinander sitzen zu sehen, nicht, solange sie und die anderen in der Nähe waren. Aber sie zuckte nur unauffällig mit den Schultern und trat näher.

Sie wusste, dass beide längst mitbekommen hatten, warum sie hergekommen war, zu genau lagen der bernsteinfarbene Blick Sesshômarus und die silbergrünen Katzenaugen Natsus auf dem Bündel in den Armen der jungen Miko. Also kniete Kagome sich hin und übergab das Dämonenkind an seine Mutter.
 

Fast interessiert musterte sie dabei den Gesichtsausdruck der jungen Raionyôkai, der plötzlich, bei aller Müdigkeit in den Zügen, ganz weich wurde.

Sango hat Recht gehabt… in erster Linie ist sie Mutter…, dachte Kagome bei sich, ehe sie sich erhob.
 

Gleichzeitig erhaschte sie gerade noch einen Blick auf Sesshômarus Miene – und musste sich sehr zusammennehmen, sich nicht anmerken zu lassen, wie erstaunt sie war. Für den Bruchteil eines Augenblicks waren die Züge des Inuyôkai ebenso weich geworden, wie die Natsus. Jetzt sah er allerdings wieder ebenso gleichgültig drein, wie immer.

Kagome machte sich auf den Rückweg und zog eine Grimasse, kaum dass sie außer Sichtweite der beiden war. Das war ja wiedereinmal typisch Sesshômaru: Bloß nicht offen zeigen, welche Emotionen der Anblick seines Sohnes in ihm auslöste. Seines Sohnes, dessen Mutter er ja offenbar sehr mochte.
 


 

Tatsächlich blieb Sesshômarus Miene nur mühsam reglos. Dieses kleine Wesen – sein Sohn.
 

Der noch rationale Teil seiner Gedanken wollte sich aber nicht ganz so kampflos abschalten lassen. „Deine Schwester hatte keine Witterung. Wie ist das möglich?“
 

„Das sind ihre Schamanenkräfte. Jeder Schamane kann seine Witterung unterdrücken, wie andere Yôkai ihre Dämonenenergie. Wenn sie sich nicht rühren, können sie sich sogar zugleich unsichtbar machen“, erklärte Natsu prompt, aber ihre Stimme klang abwesend.

Ihre Konzentration galt nun einzig ihrem Sohn. Dass sie ihn nun wieder nah bei sich hatte, tat ihr gut, sowohl emotional, als auch kräftemäßig, weil es ihr zumindest ein bisschen leichter fiel, ihn nicht über die Distanz hinweg unter Kontrolle halten zu müssen.

Aber sie war fast am Ende, das war ihm klar.
 

Er konnte sie jetzt noch nicht nachzeichnen, wie er es versprochen hatte, aber er konnte ihr helfen.
 

In einer fließenden Bewegung hob er eine Hand und legte zwei Finger sacht auf die Stirn des Dämonenbabys.

Natsu sah ein wenig auf, begriff aber und ließ ihn machen, als Sesshômaru die Augen schloss und sich konzentrierte.

Behutsam schickte er sein Yôki in den Mantel, den Natsu um die Energie ihres Sohnes gelegt hatte. Ihr so beizustehen, war einzig ihm als Vater möglich, jedes andere Yôki wäre abgestoßen worden. So aber konnte er seine Macht darunterweben.
 

Natsu nahm ihre Kraft in gleichem Maße zurück und entkrampfte sich spürbar dabei. Mit seiner Hilfe war eine große Bürde von ihr genommen worden.
 

Sesshômaru öffnete die Augen wieder, als er spürte, wie sie sich wieder an ihn lehnte.

Augenblicklich war Natsu weggedämmert, mit der Entspannung war sie in der Lage gewesen, ihre Erschöpfung anzunehmen und endlich Kraft zu tanken.

Vermutlich hatte Amayas Aktion ihr das Leben gerettet. Ihr und dem Kind.
 

~*~
 

„Was ist? Wollte er dich doch fressen?“, empfing Miroku die junge Miko spöttisch, als sie sich wieder ans Feuer setzte.
 

InuYasha, dem dieser Seitenhieb sicher gegolten hatte, ließ nur sein übliches „Keh“ hören.
 

Kagome schüttelte allerdings den Kopf. „Das nicht. Aber ihr hättet sein Gesicht sehen sollen. Er liebt seinen Sohn jetzt schon – aber zeigen will er es natürlich nicht“, gab sie zurück und streckte die Arme über dem Kopf. „Also ich möchte noch eine Mütze Schlaf bekommen – wer noch?“, fügte sie hinzu, doch zum Antworten kam keiner mehr.
 

„Ich fürchte daraus wird nichts. Natsus Schwester scheint nicht die einzige zu sein, die uns ihre Aufwartung machen will“, ging Shiori dazwischen, die bisher am Wachposten verharrt hatte und sich nun zu ihnen gesellte.
 

InuYasha senkte den Blick wieder. „Keh! Gibt’s bei uns was umsonst?“, brummte er mürrisch.

Es war offensichtlich, wie wenig ihm gefiel, dass hier so ein Betrieb war, solange die Sonne nicht wieder aufgegangen und er nicht wieder ein Hanyô war.
 

„Beruhige dich, InuYasha. Wer weiß, wer das ist. Ich wüsste niemanden mehr, der uns wohlgesonnen ist. Wir sollten wachsam sein“, warf Miroku ein und fasste vielsagend nach seinen Shakujô, der nicht weit von ihm entfernt im Gras lag.

Kirara war aufgesprungen und überlegte sichtlich, ob sie sich verwandeln sollte oder nicht. Das gab den Ausschlag, dass sich auch die anderen anspannten. Sie alle wusste, wie verlässlich der Instinkt der Nekomata war.
 

Plötzlich strich Wind heran, konzentrierte sich an einer Stelle, nicht weit entfernt, Funken mischten sich hinein, eine Säule entstand.

Hätte Kagome nicht inzwischen auch gelernt, Yôki zu erahnen, sie hätte an einen Wirbelsturm geglaubt. So aber zog sie nur misstrauisch die Augenbrauen zusammen, die Hand so fest um den Griffteil des Bogens gekrallt, dass die Fingerknöchel ganz weiß waren. Ihr schwante bereits, dass, wer auch immer da kam, nur so eine Inszenierung veranstaltete, weil er oder sie es sich leisten konnte.

Kirara grummelte etwas mit gesträubtem Nackenfell vor sich hin.

Sango hockte bereits, jederzeit bereit wegzuspringen in der lebenslangen Routine der Taijiya.

Rin hatte sich instinktiv an den Baumstamm zurückgezogen, ganz wie Sango ihr das in den letzten Jahren beigebracht hatte. So war es unmöglich, sie von hinten anzugreifen.
 

Zu Wort melden tat sich aber jemand ganz anderes: „Es würde auch genügen, wenn Ihr halb so viel Theater machtet.“ Diese Worte waren ruhig und emotionslos gesprochen und keiner machte sich die Mühe, sich nach dem Sprecher umzuschauen. Sesshômarus Tonlage war unverkennbar.
 

Der Verursacher der Leuchtsäule ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. „Ich glaube kaum, dass du in der Stellung bist, mir Vorschriften zu machen. Im Moment bist du auf mich angewiesen… Musuko.“
 

Sohn?!
 

Die Gruppe fuhr zusammen. „Deine Mutter?“, fragte InuYasha entgeistert.
 

„Still!“, konterte Sesshômaru scharf und trat noch einen Schritt vor, dem Funkenregen entgegen. „Es wundert mich, dass Ihr mich hier aufsucht“, fügte er dann scheinbar gelassen hinzu.
 

„Es sollte dich nicht wundern, immerhin entspricht es dem Protokoll, dass ich dich auf ein Fürstentreffen begleite. Stattdessen schleppst du Menschen mit.“ Das klang herablassend.
 

Sesshômaru ließ sich nicht narren. „Es ist mein gutes Recht. Euch mitzunehmen, dazu zwingt mich nur das Protokoll eines Jahrhunderttreffens.“ Innerlich aber verdrehte er die Augen. Hätte seine Mutter denn nicht auftauchen können, wenn sie zurück im Schloss waren?
 

Die Leuchtsäule verblasste derweil und ließ wieder Dunkelheit zurück. Außer Sesshômaru und Shiori vermochte keiner zu erkennen, dass dort eine Gestalt in der Dunkelheit stand, zumal jene die Augen geschlossen hielt. Erst jetzt schlug sie die Lider auf und das Feuer begann sich in bernsteinfarbenen Augen zu spiegeln, bernsteinfarben wie Sesshômarus, bloß ein wenig heller.

„Du solltest es dir nicht mit mir verscherzen. Das Gelingen deines Vorhabens hängt von mir ab“, sprach sie mit ebenso höflich unterkühlter Stimme wie ihr Sohn.
 

Sesshômaru schloss sich innerlich InuYashas Knurren an.

„Dein Vater lebt nicht mehr, also obliegt es mir, die Verbindung abzusegnen“, fuhr sie fort.
 

Für einen Moment herrschte Stille. InuYasha und seine Gruppe bekamen jetzt zum ersten Mal einen Einblick in dämonische Politik und Kagome überlegte ernsthaft, warum sich die Menschen in der Neuzeit über die verqueren Regeln ihrer Politik aufregten.
 

Da meldete sich plötzlich eine andere Stimme zu Wort: „Aber das kann doch nicht richtig sein!“

Rin war aufgesprungen und ihre Stimme perlte hell durch die Nacht.
 

Chiyos Augen verengten sich, als sie das Mädchen wiedererkannte. „Doch, Menschenkind. Es entspricht dem Protokoll, ergo ist es richtig.“
 

„Dann ist eben das Protokoll falsch!“, konterte Rin.
 

Selbst Sesshômaru musste bei diesem Auftreten seiner Ziehtochter ein Schmunzeln unterdrücken. „Rin!“, rief er sie dennoch zur Ordnung. Das gehörte sich nicht, auch wenn er ihr liebend gern zugestimmt hätte.

Als er weitersprach, klang seine Stimme auch nichts weniger als begeistert:

„Kommt mit. Ich werde sie Euch vorstellen.“

Ruhepause

Mit einer knappen Bewegung ließ Sesshômaru ein wenig Yôki in seine Fingerspitze fließen und verwandelte damit den roten Wachsfleck in ein unverfälschliches Siegel. Dann schob er das Papier ein Stück zurück, das Zeichen für den Diener, dass er es wegnehmen, zusammenrollen und verstauen konnte.

Sesshômaru erhob sich von seinem Schreibpult und trat ans Fenster.
 

Zwei Tage war der unsehlige Kampf gegen den Höllenwolf her, seine Wunden waren längst verheilt und sie alle zurück im Schloss. Die Dämonenjägerin und der Mönch waren samt der Nekomata und der Komori-Hanyô wieder ins Dorf zurück, der Rest, sprich InuYasha und Kagome, war geblieben.
 

Der Inuyôkai erlaubte seinen Gedanken zurückzukehren, zu der Nacht auf den Ebenen, vor zwei Tagen.

Er hätte seiner Mutter an die Kehle gehen können, dafür, dass sie ausgerechnet in diesem Moment auftauchen musste und nicht, wenn Natsu sich etwas erholt hatte. Mit Sicherheit hatte Chiyo sie die ganze Zeit über, auch auf dem Fürstentreffen, beobachtet. Sie hatte gewusst, wie knapp es für Natsu und das Kind gewesen war und trotzdem hatte sie die Vorstellung sofort gefordert.

Heute konnte er sagen, dass Natsu das Beste daraus gemacht hatte. Einmal mehr hatte sie bewiesen, wie wenig sie dem klassischen Bild einer Hime entsprach. Höflich hatte sie die üblichen Fragen nach Ausbildung – womit natürlich die üblichen Fähigkeiten einer Frau gemeint waren – , Abstammung und Verwandtschaft beantwortet, hatte nicht zu erkennen gegeben, wie schwer es ihr fiel, sich zusammenzureißen, nicht abzudriften.

Und es hatte gewirkt.

Chiyo hatte Natsu protokollgerecht für einen Moment den Fürstenmantel um die Schulter gelegt, jenen pelzverbrämten Umhang, den sie selbst demonstrativ immer trug. Sie hatte Natsu akzeptiert. Dass das gut daran liegen konnte, dass Natsu ihre traditionelle Aufgabe als Gefährtin mit der Geburt des Sohnes bereits erfüllt hatte, war schwerlich abzustreiten, aber das interessierte Sesshômaru im Moment wenig.

Er war nur froh darum, dass sie alle wieder ein wenig hatten zur Ruhe kommen können.

Mehr als einmal hatte er sich in den letzten Monden zurück gewünscht, auf die abgeschiedene Reise quer durch die Länder, seinetwegen auch mit Jaken und Rin. Manchmal hasste er das fürstliche Protokoll ebenso, wie diejenigen, denen er es durch sein eigenes Verhalten aufzwang. Aber ohne Regeln war ein Fürstenhaus eben nicht zu führen.
 

„Ihr habt mich rufen lassen, Fürst Sesshômaru?“, fragte da eine Stimme hinter ihm.
 

Sesshômaru hatte Aratas Näherung längst bemerkt, aber er drehte sich nicht um. Er wusste, der Alte hatte sich dennoch verneigt und selbst wenn nicht, so war Arata vermutlich der einzige, dem er das durchgehen lassen würde. „Rin soll lernen, sich zu verteidigen“, gab er nur nüchtern von sich.
 

„Natürlich, Herr. Aber ich wüsste nicht, wo ich so schnell einen menschlichen Lehrme-“
 

„Du wirst das übernehmen.“
 

„Taishô?“
 

„Du wirst ihr beibringen mit einer leichten Handwaffe und mit Shuriken umzugehen“, präzisierte Sesshômaru neutral.
 

Arata war klug genug, nichts mehr zu erwidern.

Sie beiden wussten, warum Arata gezögert hatte.

Aber Sesshômaru traute einzig seinem alten Lehrer zu, sich und seine Kraft so unter Kontrolle zu halten, dass Rin nicht schon in der ersten Trainingsstunde zu Tode kam. Nun drehte Sesshômaru sich doch um und seine bernsteinfarbenen Augen bohrten sich regelrecht in sein Gegenüber. „Du bist mir persönlich dafür verantwortlich, dass sie während des Trainings nicht über Gebühr verletzt wird, haben wir uns verstanden?“, fragte er kalt.
 

Arata nickte. „Wann soll ich mit dem Training beginnen?“
 

„Heute noch. Sobald dein anderer Schüler dich nicht mehr braucht“, erwiderte Sesshômaru entschieden. Der Wolfsjunge, den Arata im Moment unter seinen Fittichen hatte, war der ältere Schüler und hatte damit das Vorrecht, egal ob Rin im Rang höher stand oder dieser Ausbildungsbefehl direkt vom Fürsten kam. In der Akademie herrschten andere Regeln als bei Hofe, auch wenn beides sich in unmittelbarer Nähe befand.
 

„Sehrwohl, Taishô“, sagte Arata auch nur, neigte sich noch einmal kurz vor und ging.
 

Erst auf dem Gang erlaubte der alte Inuyôkai sich, den Kopf zu schütteln. Dann aber witterte er etwas.

Kôhei befand sich momentan in der Bibliothek und würde da auch bis um Abend bleiben.

Arata machte sich keine Illusionen, ob der Tatsache, dass Kôhei freiwillig früher zu einer Trainingsstunde erscheinen würde, als irgend nötig.

Also hatte er Zeit, sich die Ziehtochter seines Herrn ein wenig genauer anzusehen. Nach allem, was er bisher beobachtet hatte, war sie aufgeweckt und lebensfroh, hatte den Herrn aber auch auf Reisen begleitet. Also musste sie in gewisser Weise zäh sein. Nun, er würde sicher bald mehr erfahren. Seine Nase sagte ihm, dass sie nicht in ihrem Gemach war, also blieben vermutlich der Garten und die Ställe.
 

Arata schlug zuerst den Weg zum Schlossgarten ein. Schon von weitem hörte er die helle Stimme seiner Zielperson, aber sie schien nicht allein mit ihrer Zofe dort zu sein. Arisus Stimme klang anders als diese, die da gerade antwortete.

Arata brauchte einen Moment, um die Witterung der jungen Miko zu erkennen, die momentan Gast im Schloss war, gemeinsam mit dem Halbbruder des Fürsten.

Bis vor kurzer Zeit hätte Arata nie geglaubt, dass er den je zu Gesicht kriegen würde, aber jetzt trug der Hanyô sogar das Amulett.
 

Im vergangenen Jahr war viel geschehen – oder vielleicht schon zuvor? Sesshômaru-sama gab sich immer so verschlossen und zumindestens das hatte sich nach seiner Rückkehr vor etwas über vier Jahren nicht geändert.
 

„Sag, Kagome-sama, meinst du, Natsu-sama wird sich freuen, wenn sie auch in den Garten darf?“, erklang da gerade wieder die Stimme Rins.
 

Ein fröhliches Lachen war die Antwort. „Da bin ich sicher, Rin. Aber du weißt ja, es hat Gründe, dass sie es jetzt noch nicht soll. Noch weiß ja kaum einer, wer sie ist und dann als Löwin im Hundeschloss…“, gab die andere Stimme, die offenbar der jungen Miko gehörte, freundlich zurück, doch dann hörte Arata auch ein leises, unterdrückten Knurren, mehr missmutig als warnend und dennoch wusste er, dass es an ihn gerichtet war.

Er war entdeckt worden. Nun, störte ihn nicht. Er hatte ja nicht spionieren wollen.

„Guten Morgen, zusammen“, grüßte er daher und neigte etwas den Kopf, sowohl vor Rin, als auch vor dem Halbbruder des Fürsten. Er wusste, dass beide die Höflichkeitsregeln aus unterschiedlichen Gründen nicht verlangten, teils nichteinmal ernst nahmen und beließ es daher dabei, anstatt sich wirklich zu verneigen.

„Rin-hime?“, fragte er dann und das Menschenmädchen sah ihn aufmerksam an.

Ihre großen Augen blickten offen und keineswegs furchtsam zu ihm auf.

„Sesshômaru-sama schickt mich, mein Name ist Arata. Ich bin einer der Lehrer an der Akademie. Der Fürst möchte, dass auch Ihr lernt, mit einer Waffe umzugehen. Würdet Ihr mich begleiten, damit wir Euch eine passende Waffe heraussuchen können?“ Was genau da dahintersteckte, konnte er auch noch später mit ihr klären.
 

Aber er hatte die Rechnung ohne Rins Wissensstand gemacht.

Sie nickte nämlich nur und wandte sich wieder an ihre bisherigen Gesprächspartner.
 

„Hui, du sollst kämpfen lernen?“, bemerkte die Miko gerade.
 

„Ja, Sesshômaru-sama…äh… Chichi-ue hat es mir bereits gesagt. Ich lebe ja jetzt richtig hier und ich soll mich verteidigen können, wenn er mal nicht da ist“, bejahte Rin, ehe sie die Hand zu einem fröhlichen Winken hob und sich wieder Arata zuwandte.
 

Der hatte nur eine Augenbraue hochgezogen. Der Fürst hatte also ganz genau gewusst, dass Arata erst gar nicht versuchen würde, Einspruch einzulegen.

Das war dann wohl die Retourkutsche für den Spruch über Rins Gesprächsrunden mit dem Reitdrachen.

Aber Arata nahm es hin. Sollte die Kleine sich nicht völlig ungeschickt anstellen, sollte es kein Problem sein, ihr ein bisschen Verteidigung beizubringen. Sie braucht eine leichte Waffe, leicht und kurz, damit sie nicht so viel Kraft zum Zuschlagen aufbringen muss… dazu ist sie zu zierlich. Hmm… ein Kodachi könnte gehen…, dachte er derweil, während er den Weg zu den Trainingsplätzen einschlug.

Das leichte, einem Tachi ähnliche Kurzschwert mit der breiten Klinge war vermutlich tatsächlich die beste Wahl.
 

Er spürte noch einen Moment die Blicke der jungen Miko und des Hanyô im Nacken, dann wandten die beiden sich wieder dem Garten zu und setzten ihr Gespräch ohne Rin fort.
 

Das junge Menschenmädchen sprang derweil fröhlich neben ihm her und benahm sich wie alles, bloß nicht wie eine Prinzessin.

Hätte Arata nicht genau gewusst, dass sie anders konnte, er hätte sich doch sehr gewundert.
 

~*~
 

Sesshômaru hatte derweil sein Arbeitszimmer verlassen und überquerte den Gang in Richtung eines Gemachs, das bis vor wenigen Tagen noch leer gewesen war.

Bis auf Masa, Arata und eine Zofe wusste auch niemand, wer momentan darin residierte. Er verharrte kurz vor der Tür, machte sich aber nicht anderweitig bemerkbar, ehe er eintrat.
 

Natsu wirkte auch wenig überrascht, sie hatte ihn längst gehört.

Ihre schrägen Katzenaugen sahen ihm entgegen, während sie sich noch erhob und leicht verneigte.
 

Die Zofe kniete und hielt den Kopf gesenkt, mit einer Handbewegung schickte Sesshômaru sie fort. Rasch kam die zierliche Yôkai der Aufforderung nach.
 

„Wie geht es dir?“, fragte der Inuyôkai, kaum, dass Natsu und er allein waren.
 

„Besser. Ich konnte mich erholen“, gab sie zurück und das leichte Lächeln auf den Lippen entschärfte die neutrale Wortwahl.
 

Er ahnte jetzt schon, dass es nicht lange dauern würde, bis sie mit ihrer neuen Zofe ebenso freundschaftlich verbunden war, wie Rin mit der ihren. In diesem Punkt waren Natsu und Rin sich sehr ähnlich. Sie scherten sich nicht um höfische Regeln, wenn es nicht gerade sein musste – besonders auffällig war das beim Thema Redseligkeit.
 

Aber das störte ihn schon eine ganze Weile nicht mehr.

Ohne weitere Vorwarnung beugte er sich leicht vor und gab ihr einen leichten Kuss, aber bevor er dazu kam, ihn zu vertiefen, zuckte auf einmal, am helligten Tag und ohne das eine einzige Wolke am Himmel wäre, ein Blitz herab.
 

Im nächsten Augenblick stand eine Kuh auf dem Balkon vor Natsus Gastgemach. Eine dreiäugige Kuh.
 

Sesshômaru ließ sich nicht anmerken, wie wenig erfreut er von dem plötzlichen Besuch war, er begnügte sich mit einem eisigen Blick, der Tôtôsai schneller und uneleganter absteigen ließ, als es der Schmied vermutlich geplant hatte.
 

Rasch versteckte er sich hinter seinem Reittier, auch wenn er genau wusste, dass er dort nicht sicherer war.
 

„InuYasha ist im Garten“, bemerkte Sesshômaru trocken und trat einen Schritt auf den Schmied zu.
 

Der duckte sich nur mit zitternden Schultern noch mehr.
 

Neben Sesshômaru versuchte Natsu erst garnicht, das Schmunzeln zu unterdrücken. „Na prima. Jetzt residiere ich als Löwin in einem Hundeschloss, habe Füchse, Menschen, Nekomata und Hanyô von Hund und Fledermaus kennengelernt, habe einen Spatz als Zofe und eine Kuh auf dem Balkon – sonst noch Überraschungen in petto?“, wollte sie amüsiert wissen, auch wenn sie so leise sprach, dass Tôtôsai nichts verstand.
 

Sesshômaru sah sie kurz von der Seite an, beließ es aber bei dieser Reaktion. Er wusste, dass die Frage rhetorisch gemeint gewesen war. „Was willst du, Tôtôsai?“, wandte er sich stattdessen wieder an den verängstigten Schmied.
 

Der wagte, über den Widerrist seines Reittieres zu lugen. „D-das Schwert“, stotterte er.
 

Natsus Pupillen wurden schmal. „Warum kommen mir diese Worte bekannt vor?“, murmelte sie vor sich hin, ehe sie lauter fortfuhr: „Ashai-Ha ist in Ordnung.“
 

Tôtôsai runzelte die Stirn, ehe er in einem Anflug von Selbstbewusstsein patzig wurde: „Natürlich ist Ashai-Ha in Ordnung. Es hätte mich gerufen, wenn es nicht in Ordnung wäre! Ich meine das andere!“
 

„Ich besitze keine andere Waffe, als Ashai-Ha!“, gab Natsu zurück, verstummte aber, als Sesshômaru etwas die Hand hob.

„Tôtôsai!“, sprach er kühl und sofort wirbelte der Schmied herum und verlor sein Selbstbewusstsein ganz schnell wieder. „J-ja, Sesshômaru-sama?“

„Seit wann?“

Tôtôsai versuchte erst garnicht, zu leugnen, er ahnte, worauf Sesshômaru hinaus wollte. Der Inuyôkai wollte wissen, seit wann er, Tôtôsai, den Ruf hörte. „Z-zwei Tage, Sesshômaru-sama…“, antwortete er deswegen zögernd.
 

Der Hundedämon schien damit zufrieden, dennoch wusste der alte Schmied nicht so wirklich, warum sich die Angelegenheit als so zäh gestaltete. Zu seinem Glück wusste Sesshômaru das offenbar: „Sie kennt es nicht“
 

Tôtôsai kratzte sich am Kopf. Was wusste die Löwin nicht? Wie der Übertritt sich anfühlte? Was der Übertritt bedeutete?

Wäre der Hundedämon nicht anwesend gewesen, Tôtôsai hätte abgrundtief geseufzt. Stattdessen atmete er tief durch und versuchte es damit, Anleitung zu geben. „Habt Ihr den Schritt nicht gespürt? Dass…äh, Ihr bessere Kontrolle über Euer Yôki habt?“
 

Natsu legte den Kopf schief. Was genau wollte dieser seltsame Schmied von ihr? Damals, als Ashai-Has Scheide fast gespalten worden war, war es offensichtlich gewesen, aber jetzt? Und was meinte Sesshômaru mit seinen Andeutungen? Aber sie ahnte, dass er ihr auf eventuelle Fragen sowieso keine Antwort gegeben hätte. Also musste sie sich wohl oder übel an den Schmied halten, so kauzig der auch zu sein schien.

„Ein wenig…“, erwiderte sie also auf seine Frage.

Er hatte Recht, fiel ihr erst jetzt wirklich auf. Aber sie hatte angenommen, das läge daran, dass Sesshômaru die Bindung seines Sohnes mit übernommen hatte, sie wieder zu Kräften gekommen war. Offenbar gab es da aber einen anderen Grund.
 

„Na also!“, sagte der Schmied sichtlich zufrieden und musterte sie dabei ziemlich ungeniert, bis Sesshômaru ein knappes Knurren ausstieß und der Schmied sofort wieder in sich zusammen sank.

„J-ja. Ich weiß nicht, wie es nach dem ersten Impuls wieder zu rufen ist… mal sehen, hmm… konzentriert Euch mal auf Euer Yôki… fühlt Ihr etwas Neues, etwas, das dazugehört, aber irgendwie doch abgespalten ist?“
 

Etwas skeptisch folgte Natsu seiner Anweisung und schloss die Augen, um nachzuspüren. Fast hätte sie einen überraschten Laut ausgestoßen, als sie tatsächlich etwas entdeckte, dass auf die Beschreibung passte. Plötzlich spürte sie einen leichten Sog, einen Impuls, der ihr sagte, dass es etwas mit diesem leicht abgespaltenen Yôki auf sich hatte. Auf einmal fürchtete sie, diesen Sog zu verlieren, wenn sie die Augen wieder öffnete, also ließ sie es bleiben und nickte nur etwas.
 

So konnte sie nicht sehen, wie begeistert Tôtôsai offenbar davon war, dass seine ‚Unterrichtsmethode‘ funktionierte.
 

Auch Sesshômaru sagte diesmal nichts. Auch wenn es bei ihm in der akuten Situation weit instinktiver funktioniert hatte, wusste er doch, was in etwa gerade in Natsu vorging.

Unwillkürlich spannte er den linken Arm ein wenig an, während er abwartete.
 

Natsu schien nun keiner weiteren Instruktion zu bedürfen, im Zeitlupentempo aber vollkommen sicher streckte sie die eine Hand etwas zur Seite und schloss die Finger um etwas Unsichtbares, das in etwa den Durchmesser eines Schwertheftes hatte.
 

Sesshômaru ließ keinen Blick von ihr, als plötzlich eine blassgoldene Aura die Luft durchsetzte, pures Yôki um Natsus Unterarm zu wabern begann. Und langsam materialisierte sich etwas inmitten der Schemen, nahm die Form einer langen, sehr schmalen Klinge an, dann eines Schwertes.

Die Aura verblasste und Natsu schlug die Augen auf – sichtlich perplex.

Es schien nicht so, als habe sie damit gerechnet.

Das kam eben davon, wenn eine Hime nicht darauf vorbereitet wurde, eines Tages weiterzukommen, als die Stufe eines erblichen Daiyôkai. Natsu hatte es geschafft. Sie war eine wahre Daiyôkai geworden – und das Schwert war ihre Insignie.
 

Er nahm an, sie habe den Impuls nicht gespürt, weil sie nach dem endgültigen Schlag gegen den Höllenwolf zu geschwächt gewesen war – oder vielleicht war sie auch einfach wirklich nicht in der Lage gewesen, ihn zu erkennen.

Kurz nahm er sich Zeit, die Klinge zu mustern. Sie war hell, einzig die Spitze war wie rußgeschwärzt und ein matter, weißer, fünfsternförmiger Stein war in die Klingenspitze eingelassen. Das Heft war goldbraun und mit einem breiten, schwarzen Seidenband verziert, auf dem drei dunkelblaue Steine saßen.
 

„Himitsutsu“, ließ sich Tôtôsai vernehmen, der auf einmal wieder ganz in seinem Element war. Aus dem Nichts hielt er eine mehr schwarze als blaue Schwertscheide in der Hand, deren Ummantelung so geschickt ausgebleicht worden war, dass es wirkte, als säße an der Spitze ein Komet, dessen Schweif einen verblassende, weiße Schneise über die Scheide zog. Eine weiße Kordel im oberen Drittel vervollständigte das Bild.
 

Sesshômaru kniff ein wenig die Augen zusammen. Himitsutsu, geheimer Stern. Ganz klar Natsus Insignienwaffe. Ihre Fünfsterntechnik verbunden mit dem Schwert, vermutete er. Da sie die Waffe nicht direkt in einem Kampf entdeckt hatte, würde man sich beim Testen sicher in Acht nehmen müssen.

Für einen kleinen Augenblick zuckten seine Mundwinkel, dann sah er wieder emotionslos wie immer drein.
 

Tôtôsai wagte sich hinter seiner Kuh hervor und reichte Natsu, die sich von ihrer Überraschung noch immer nicht so ganz erholt hatte, die Schwertscheide.
 

Mechanisch nahm sie diese entgegen, steckte das Schwert hinein.
 

Einen Moment herrschte Stille, ehe Tôtôsai aufging, dass er nicht mehr erwünscht war – noch weniger als vorher. Rasch kraxelte er wieder auf den Rücken seiner Kuh und war im nächsten Moment verschwunden.
 

Erst dann trat Sesshômaru wieder an Natsu heran, in seinen Augen spiegelte sich seltenes Amüsement. „Du hast es immer noch nicht ganz verstanden“, konstatierte er ruhig.
 

Natsu machte sich nicht die Mühe, zu nicken. Stattdessen blickte sie fast fragend zu ihm auf.
 

„Himitsutsu ist deine Insignie. Du musst sie im Kampf gegen den Höllenwolf erreicht haben. – Du bist nicht mehr nur erblich eine Daiyôkai. Du bist eine wahre Daiyôkai.“
 

Natsu erstarrte sichtlich. In ihren grünen Augen glänzte Unglaube. „Aber… man hört nie, dass eine Hime-“, begann sie tonlos.
 

Sesshômaru legte ihr einen Finger auf die Lippen und brachte sie so zum Verstummen. „Eine Hime kann normalerweise auch nicht kämpfen, eine Hime beeindruckt ihren Gefährten normalerweise nicht, sondern profiliert sich durch ihre Abstammung und eine Hime setzt normalerweise nicht ihr Leben aufs Spiel um Dinge zu erreichen, die eine normale Hime nichts angehen – reicht das?“, dozierte er trocken, ehe er die freie Hand hob und nach der Insignie griff.
 

Natsu überließ sie ihm wiederstandslos, als er das Schwert einfach auf die Kleidertruhe legte, ohne seinen Finger von ihrem Mund zu nehmen. Dann beugte er sich herab und ersetzte seinen Finger durch seine Lippen.

Die RaionYôkai entspannte sich sofort und ließ zu, dass er fortsetzte, wobei er durch Tôtôsais ‚Besuch‘ gestört worden war.
 

~*~
 

Im Garten hob InuYasha plötzlich den Kopf und unterbrach damit das Gespräch, das er mit Kagome geführt hatte.
 

„Was hast du?“, wollte sie prompt wissen.
 

Er zuckte mit seinen Hundeohren. „Keine Ahnung. Wenn ichs nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, ich hab‘ diesen alten Zausel von Schmied gewittert“, antwortete er dann und senkte den Kopf wieder, zuckte die Schultern. „Frag‘ mich nicht, wie ich darauf komme.“
 

Kagome machte eine nachdenkliche Miene. „Tôtôsai und freiwillig hier im Schloss, solange Sesshômaru anwesend ist?“
 

„Ich sags ja, es ist unwahrscheinlich…“

InuYasha schüttelte etwas den Kopf und lenkte den Blick seiner Bernsteinaugen über das Geländer der schmalen, überdachten Brücke hinab auf die Lichtreflexe des Wassers.

Sie standen inmitten des Schlossgartens, wo ein wenig Ruhe herrschte, schlicht, weil die einfache Dienerschaft hier ohne ausdrückliche Erlaubnis keinen Zutritt hatte.

Da Arisu nach einer Weile Rin und Arata gefolgt war, waren Kagome und InuYasha nun gänzlich allein hier.
 

„Sag mal, was meinst du eigentlich, wie es weitergehen soll? Sesshômaru hat uns gebeten, zu bleiben, bis feststeht, wie die anderen Fürsten über die…äh, nicht wirklich zustande gekommenen Gespräche denken. Falls wir noch gebraucht werden.“
 

„Du meinst wohl eher, er hat es festgelegt“, berichtige InuYasha und knurrte gespielt beleidigt.
 

Kagome seufzte belustigt. „Wir werden es überleben… außerdem finde ich es schön hier. Ich hätte nicht gedacht, dass Dämonen so viel von Ästhetik verstehen. Klar, Fürstenhäuser sind etwas anderes, als normale Personen, aber so… ähnlich hätte ich es mir wirklich nicht vorgestellt.“
 

InuYasha antwortete nicht, aber sie ahnte, dass er ihr zustimmte.
 

„Weißt du, vielleicht solltest du die Zeit hier nutzen, ein bisschen mehr über deinen Vater herauszufinden. Ich meine… Sesshômaru ist ja nicht sehr redselig, aber dieser Arata eben, oder die Verwalterin, vielleicht findest du jemanden, der offen mit dir redet“, fuhr Kagome also fort, während sie den von Pflanzengrün fast gänzlich verdeckten, kleinen Wasserfall beobachtete, der den Bach speiste, der quer durch den Garten führte.

Gleichmäßig plätscherte das Wasser über die seit Jahrhunderten rund gewaschenen Steine.
 

InuYasha brummte nur vor sich hin, aber daran, dass er unwillkürlich eine Hand auf ihren Arm legte, merkte Kagome, dass er der Idee nicht einmal abgeneigt war. Spontan lächelte sie ihn an und lehnte sich rücklings gegen seine Brust, als er hinter sie trat und sie von hinten mit den Armen umfing. Entspannt atmete sie tief durch.

Wie viel hatten sie schon gemeinsam durchgemacht.

Nichts war mehr in der Lage, die Bande zu trennen, die InuYasha und sie verbanden.
 

Bei Sesshômaru und Natsu sah das anders aus.

Die beiden standen noch ganz am Anfang.
 

Und bei aller Ruhe, die Kagome hier im Garten empfand, so mutmaßte sie doch, dass es noch einiges geben würde, was versuchen würde, InuYashas Bruder und dessen Beinahe-Gefährtin auseinander zu bringen.

Die junge Miko konnte nicht ahnen, wie richtig sie mit ihrer Vorahnung lag…

Beziehungen

Schaut, so müsst Ihr die Finger um das Heft schließen“ Arata hielt sein Katana knapp vor sich und zeigte die Fingerhaltung, die seine neue Schülerin nachmachen sollte.

Im Gegensatz zu Kôhei war sie ja nun noch nie mit einer Waffe in Kontakt gekommen, sie musste alles von Anfang an lernen. Begonnen bei der Haltung. Aber sie stellte sich ganz geschickt an.

„Genau so“, kommentierte er Rins nächsten Versuch, das aus grobem Holz gefertigte Heft des alten Übungsschwertes zu umfassen.

Er stellte sein Katana mit der Spitze auf den Boden. „So, jetzt versucht gegen die Klinge zu schlagen. Einfach so, Ihr sollt bloß merken, wie sich der Schwung ausbreitet“, wies er das junge Mädchen an und Rin tat wie ihr geheißen, ohne das Lächeln auf den Lippen zu verlieren. Sie war wie bei allem mit Feuereifer dabei.

Ihr erster Schlag traf ganz gut, beim zweiten aber drehte sie das Handgelenk so weit, dass die Breitseite des Übungsschwertes auf sein Katana traf und ein Ruck durch die Klingen ging.
 

Etwas erschrocken ließ Rin los und rieb sich das Handgelenk.
 

Arata konnte ihr nicht verdenken, dass es schmerzte. Ein Mensch war da schließlich viel empfindlicher als jeder Dämon.

Aber er brauchte erst gar nichts zu sagen, da griff Rin schon tapfer nach dem heruntergefallenen Schwert und versuchte es weiter. Mit der Zeit gelangen ihr die Schläge immer besser Schneide auf Schneide.
 

Sie ist mit Hingabe dabei, der komplette Kontrast zu Kôhei… oh, wenn man vom Schüler spricht… Arata hatte gewittert, dass Kôhei sich näherte.

Pünktlich wie immer, aber keine Minute zu früh.

„Es ist gut für heute. Wir sehen uns morgen wieder“, sagte der Inuyôkai an Rin gewandt und hob sein Katana an, um es wegzustecken. Für Kôhei würde er es heute nicht brauchen, momentan waren sie noch dabei, die Bewegungsabläufe mit dem Naginata richtig zu üben.
 

Rin hatte den Neuankömmling inzwischen auch entdeckt.

Als sie die Tracht erkannte, meinte Arata sie kurz zurückzucken zu sehen, aber sie fing sich wieder und blickte zu ihm auf. „Wer ist das?“

„Er heißt Kôhei. Ich trainiere ihn auch – wenn Ihr nichts anderes zu tun habt, könnt Ihr gerne zusehen“, erwiderte Arata.

„Er ist ein Wolfsdämon, oder?“, wollte Rin wissen.

Arata nickte. „Ja, er ist ein Ookami“, bestätigte er und musterte die Miene von Sesshômarus Ziehtochter, in der sich kurz Furcht und Neugierde gegeneinander aufwogen, ehe letzteres die Überhand gewann.

Gewohnt fröhlich sah Rin dem jungen Ookami entgegen, grüßte heiter.
 

Kôhei sah sie kurz an, antwortete aber nicht, stattdessen griff er zu dem Naginata, das bereits neben Arata an einem Felsblock lehnte.
 

Der alte Lehrer verdrehte die Augen, konzentrierte sich dann aber auf das Training.
 

Rin beschloss derweil, tatsächlich zuzusehen.

Sie hatte nichts anderes zu tun und das Wetter war schön. Also lehnte sie sich mit dem Rücken gegen den Felsblock und sah zu.

So sah es also aus, wenn jemand übte, der schon ein bisschen mehr drauf hatte. Die Bewegungsabläufe waren schnell und geschmeidig, auch wenn sie deutlich einstudiert aussahen.

Ab und zu aber erhaschte sie einen Blick auf die unbewegte Miene des anderen Schülers. Intuitiv erkannte sie, dass sich dort weder Konzentration, noch Verbissenheit spiegelten, sondern die Züge eher desinteressiert waren.

Ohne es recht zu merken, griff sie nach dem Futteral der Naginataklinge und spielte gedankenverloren daran herum.

Dieser andere Schüler war seltsam. Warum schien es bloß so gar keinen Spaß an der Sache zu haben? Es war doch spannend, kämpfen zu lernen und außerdem konnte man doch froh sein, wenn man anderen nicht zur Last fiel, nur weil sie einen beschützen mussten.

Ob er wohl schon lange hier war?

Und wo kam er überhaupt her, wo die Wölfe doch zum Großteil ganz woanders lebten?

Sie würde Arisu fragen müssen, die sie unterrichtete.
 

So in Gedanken versunken, bemerkte sie gar nicht, dass die Zeit verging.
 

Schließlich beendete Arata das Training, nickte Kôhei zu. „Morgen hast du frei, der Fürst bat mich zu einer Unterredung und das ist in diesem Falle wichtiger. Wenn es übermorgen mit den Bewegungen genauso klappt, sollten wir mal schauen, wo wir einen vernünftigen Trainingspartner für dich herbekommen. Ich denke, du bist bereit, den Kampf zu lernen“, erzählte er.
 

Kôhei erwiderte das Nicken und blickte sich dann nach der Klingenscheide um, die er vorhin einfach im Gras hatte liegen lassen.

Schließlich entdeckte er sie in der Hand dieses Mädchens. Einen Moment zögerte er.

Vorhin hatte es so geschienen, als würde Arata auch sie trainieren und wenn er sich recht entsann, dann wusste er auch wieso. Das musste die Ziehtochter des Fürsten sein, kein anderer Mensch und schon garkein Mädchen würde doch sonst an der Akademie ausgebildet werden.

Mit wenigen Schritten ging er hinüber und streckte auffordernd die Hand aus. „Gebt Ihr mir das bitte?“
 

Rin wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Kôhei sie ansprach. „Was?“

„Ob Ihr mir bitte die Klingenhülle gebt“, wiederholte Kôhei neutral.

Rin sah nun vollendst auf und blickte ihn offen an, ehe sie ihm rasch gab, was er haben wollte.

Es brauchte einen kleinen Moment, ehe Kôhei zupackte und sich wieder aufrichtete. Der ehrliche Blick ganz ohne Scheu, der Rins Züge beherrschte, hatte ihn für einen Herzschlag gefangen genommen. So etwas hatte er noch nie erlebt. Flugs wandt er sich ab und drückte Arata das Naginata mit nun wieder geschützter Klinge in die Hand, ehe er machte, dass er davon kam. Diese Aufrichtigkeit in den tiefbraunen Augen, die war ja schon fast unheimlich!
 

~*~
 

Es dämmerte bereits, als die kleine Gruppe vorsichtig die Grenze überquerte. Alle Sinne waren angespannt, sie wussten, sie befanden sich auf Feindesland. Und wenn sie von einer Grenzpatrouille erwischt wurden, konnte es gefährlich werden.
 

„Und du bist sicher, dass er niemanden auf uns hetzen wird, Musume? Es kann ihm doch nur Recht sein, wenn er mehr Geiseln hat“
 

Die vorangehende Gestalt verharrte in der Bewegung, duckte sich hinter ein bisschen Buschwerk.

„Ja, das bin ich. Ich habe Euch bereits gesagt, dass er sie nicht als Geisel hat, Chichi-ue. Aber ich kann Euch auch nicht den wahren Grund sagen, denn ich habe meiner Schwester Stillschweigen gelobt“, wisperte sie entschieden.
 

Von der Dritten im Bunde erklang ein unterdrückter, unglücklicher Laut. „Meine arme Tochter. Erst wird sie entehrt und dann verschleppt…“
 

„Haha-ue!“ „Haruko!“, wurde sie von zwei Seiten zurechtgewiesen.

Amaya seufzte, ehe sie sich aufrichtete und sich ihrer Mutter zuwandte. „Eines kann ich versichern. Natsu wurde nicht entehrt, die wahre Geschichte ist weit komplizierter. Aber alles Weitere soll sie euch selbst erzählen. Ich bin sicher, niemand wird sie daran hindern, mit uns zu reden“, versuchte sie erneut, beruhigend zu klingen.

Dabei war sie selbst aufgeregt. Sie hatte keine Ahnung, was geschehen würde, sie konnte nur hoffen, dass jemand aus der Begleitung des Hundefürsten ihm mitgeteilt hatte, dass sie ihren Eltern die Wahrheit sagen würde und dass der Hundefürst sich dann daraus den richtigen Schluss gezogen hatte. Nämlich, dass sie kommen würden. Nur nicht, um Natsu zurückzuholen, wie ihr Vater sicher noch immer glaubte.

Aber genaueres wollte sie eben nicht sagen.

Ihr Schwur galt zwar in Wahrheit nur für die Fürsten, aber das brauchte ja keiner zu wissen.
 

Da spürte sie plötzlich etwas, was ihr so gar nicht behagte. Yôki, schwaches Yôki. Oni. Allerdings gesunde. Seit ein paar Tagen hatten auch die Patrouillen in der Umgebung des Nekoschlosses berichtet, dass die kranken Oni von selbst wegstarben und wieder mehr gesunde auftraten. Amaya vermutete schwer, dass das mit dem Tod des Höllenwolfs zu tun hatte, der ja offenbar der Drahtzieher der ganzen Chose gewesen war.

Sie konzentrierte sich auf die Oni in ihrer Nähe. Sie hätte sie verjagen können, aber sie durfte ihr Yôki nicht offenlegen, sonst wäre auch ihre Witterung nicht mehr unterdrückt, dann würde man sie noch schneller aufspüren. Noch waren sie zu nahe an der Grenze.

Instinktiv griff sie in den Ärmel ihres Kimono, spürte die drei Wurfmesser zwischen ihren Fingern. Viel würde sie damit nicht ausrichten können, zumal ihre Mutter unbewaffnet war, ihr Vater nur ein einfaches Katana trug.

Mit zu Schlitzen verengten Augen versuchte sie herauszufinden, wo die Oni waren. Nah schon, links von ihnen. Aber es waren nur ein paar wenige. Sollte sie es wagen?
 

Doch die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als sie nicht weit entfernt Schritte hörte. Ein leises, schleifendes Geräusch, ganz als würde jemand ein Schwert aus der Scheide ziehen.

Amaya duckte sich wieder ab, spitzte aber die Ohren.

Da erklang eine klare Stimme: „Lass Tessaiga weg, InuYasha. Das lohnt sich nicht“

„Keh!“, war die Antwort, aber das Schwert wurde hörbar zurückgesteckt.

Dann erkannte Amaya von ihrem Versteck aus die Silhouette einer jungen Frau, eines gespannten Bogens. Helles Licht sammelte sich an der Pfeilspitze, als das Geschoss lossauste. Es zog einen Lichtschweif hinter sich her, der die dämmrige Umgebung nachhaltig erhellte. Lautlos starben die Oni, die ihren Bezwinger vermutlich nicht einmal richtig bemerkt hatten.
 

Amaya dagegen erhob sich geschmeidig.
 

„Musume! Was soll das?“, fauchte ihr Vater leise.
 

Amaya konnte seine Zähne im verblassenden Licht des Pfeilschusses blitzen sehen.

„Habt Ihr den Namen nicht gehört, Chichi-ue? InuYasha. Das ist der Halbbruder des Inu no Taishô. Wenn er hier draußen ist, weiß Sesshômaru längst, dass wir hier sind. Ich bin sicher, die beiden sollen uns abholen“

„Die beiden?“

Amaya seufzte. „Ja, Chichi-ue. InuYasha und seine Miko. Ihr habt doch sicher die Kraft dieses Seelenpfeils eben gespürt, oder?“, fragte sie über die Schulter und ließ vorsichtig einen Teil ihrer Witterung frei.

Hoffentlich hatte InuYasha sich diese gemerkt oder konnte sie davon ableiten, dass sie Natsus ähnlich war. Sonst würde die Konfrontation wohl in einem Eklat enden.

Aber zum Glück tat er es.
 

„Da ist sie, Kagome“, erklang seine Stimme und prompt wandte die junge Miko sich um, senkte den Bogen und sah sich um. „Wo, InuYasha?“

„Da, bei den Büschen. Aber… sie ist nicht allein“

„InuYasha! Sesshômaru hat doch gesagt, dass sicher die Eltern dabei sind. Natsus Schwester würde nicht ohne sie kommen, hätte doch auch keinen Sinn“

„Keh! Das meine i-… ach, egal“
 

Während des kurzen Dialogs, war InuYasha zu Kagome aufgeschlossen, beide waren nun deutlich zu sehen.

Ebenso wie Amaya für sie.
 

Einen Moment standen sie sich gegenüber, dann trat Kagome einen Schritt vor, den Bogen wieder über der Schulter. Es war noch immer der kunstvolle, weiße Bogen, den Sesshômaru ihr für das Fürstentreffen gegeben hatte.

„Amaya, richtig? Ich nehme an, Sesshômaru lag richtig damit, dass ihr zu Natsu wollt?“, fragte sie gelassen und ignorierte die zusammengekniffenen Augen der beiden anderen Yôkai hinter Amaya.
 

„Das wollen wir, ja. Es wird Zeit, dass meine Schwester einiges aufklären kann“, erwiderte die junge Schamanin.
 

Kagomes Augen zeigten Verständnis.

Sie hatte durchschaut, dass Amaya bisher mit der entscheidenden Hälfte der Geschichte hinter’m Berg gehalten hatte. „Na, dann kommt mit“, forderte sie die ‚Gäste‘ nur auf und zog sich dann mit einer geübten Bewegung auf InuYashas Rücken.
 

Abwartend blickte der Hanyô die drei Löwendämonen an und als Amaya nickte, setzte er sich in Bewegung.
 

Die drei Yôkai folgten, wenn auch zwei davon etwas verwirrt waren.

„Eine Miko, ein Hanyô gehören zum Gefolge des Inu no Taishô…“, murmelte Amayas Vater vor sich hin, woraufhin seine Tochter, die nun wieder etwas hinter ihm lief, ihn ansah.

„Wisst Ihr was, Chichi-ue? Die beiden da sind nur der Anfang. Ihr werdet nicht glauben, wen man in ihrem Gefolge noch so alles antrifft“, konterte sie süßlich und dachte dabei an Mönch, Dämonenjäger und weitere Hanyô.

Sie hatte die Gruppe schließlich schon getroffen…
 

~*~
 

Im Schloss klopfte Rin derweil leise an die Tür des Gastgemachs, in dem Natsu momentan untergebracht war.
 

Prompt zog Moe, die zukünftige Zofe Natsus, die Tür auf und ließ Rin hinein.

Als Suzume hatte sie auch nicht gerade den besten Geruchssinn, aber dafür ein melodisches Gehör, das selbst Schrittfolgen so gut unterscheiden konnte, wie Liedmelodien.
 

Rin schenkte der jungen Yôkai ein strahlendes Lächeln, ehe sie zu Natsu blickte, die auf ihrem Lager saß und ihren Sohn offenbar gerade gestillt hatte, denn sie zog noch den Kimono wieder zu recht.

„Sesshômaru-sama schickt mich. Ich soll auf Kin-chama aufpassen und dir Gesellschaft leisten, Natsu-sama!“
 

Die RaionYôkai erwiderte Rins Blick ein Moment lang still, dann erhob sie sich langsam, trat näher und legte Rin das Baby in die Arme.

Sie wusste, was das bedeutete, Sesshômaru hatte es ihr erzählt.

Ihre Eltern waren da.

Aber wenn alles nach Plan lief, würde sie die erst morgen zu Gesicht bekommen, dennoch… sie hatten gelernt, wie schnell ein Plan gründlichst nach hinten losgehen konnte: „Moe? Kannst du mich ein bisschen zurechtmachen?“, wollte sie dann von ihrer Zofe wissen.
 

Sofort war die auf den Beinen. „Natürlich, Herrin“
 

Rin kicherte vor sich hin, sagte aber nichts.

Stattdessen setzte sie sich auf einen Hocker in der Nähe, als Natsu vor dem Spiegel platznahm, der aus einer schon etwas angelaufenen Bronzeplatte bestand. Das hier war eben nur ein Gastgemach. Sofort machte die Zofe sich daran, Natsus Haare zu ordnen.

Rin schaute dem einen Moment lang still zu, während sie das Dämonenkind im Arm wiegte. „Sag mal, Natsu-sama, wenn Sesshômaru-sama dich jetzt zur Gefährtin nimmt, bist du dann auch so etwas wie meine Mutter? Soll ich dich dann Haha-ue nennen?“
 

Natsu wandte ihr im Spiegel den Blick zu. Sie musste zugeben, dass sie darüber noch nicht nachgedacht hatte.

Es war plötzlich alles so schnell gegangen und sie hatte andere Dinge im Kopf gehabt, als zu überlegen, wie Rin sie demnächst nennen sollte. Denn sie hatte Recht: Als Sesshômarus Ziehtochter war Rin bald auch ihre Ziehtochter – und das störte Natsu wahrlich nicht. Das junge Menschenmädchen war ihr von Anfang an sympathisch gewesen, in ihrer seltsamen Mischung aus kindlicher Naivität und einer Form von Erfahrung und seelenruhigem Vertrauen, die manche erwachsene Frau noch nicht besaß und nie besitzen würde. „Weißt du, Rin…“, begann sie schließlich langsam, „Du kannst mich nennen, wie du magst. Haha-ue oder Okaa-san oder nenn‘ mich einfach beim Namen, wie es dir passt, einverstanden?“
 

Rin nickte sogleich. „Hai, Natsu-sama!“

Dann blickte sie auf das Kind in ihrem Arm. Ohne ihr Lächeln abzubrechen, fuhr sie fort: „Und du bist dann Ototo-chan, nicht wahr?“
 

~*~
 

Fast im Kontrast zum Nekoschloss, war die Residenz des InuFürsten hell und offen angelegt. Die Mauern schienen filigran, dabei waren sie keineswegs dünner als die des Nekoschlosses, aber das weiße Mauerwerk und die schmaleren Zinnen förderten diesen Eindruck.

InuYasha blieb stehen und ließ Kagome zurück auf den Boden.

Die junge Miko brauchte nicht lange, um ihr Gleichgewicht zu finden, sie war das Manöver ja gewohnt.
 

Gleich darauf kam ihnen Masa entgegen, nebst ihrem Großvater eine der wenigen Eingeweihten.

Leicht verneigte sie sich vor den Raion-Adeligen und winkte sie dann durch.

„Seid gegrüßt. Der Fürst erwartet Euch schon“, sagte sie dann an den einzigen, männlichen Yôkai im Bunde gewandt und nickte befällig, als ihre höfliche Verneigung erwidert wurde. Immerhin wussten diese Neko sich zu benehmen. War ja auch nicht gerade Standard.

„Ich geleite Sie in das Arbeitszimmer des Fürsten“, fügte sie hinzu und wandte sich bereits ab.
 

InuYasha und Kagome waren längst im Schloss verschwunden, beide hatten ihre Schuldigkeit getan. Der Geleitschutz war ihr Part gewesen, jetzt hing es an Sesshômaru.
 

~*~
 

Minuten später standen die drei Löwendämonen vor dem Inuyôkai und grüßten, auch wenn keine von beiden Parteien den jeweils anderen einschätzen konnte.
 

Sesshômaru konnte wittern, dass die beiden älteren Löwen sich unwohl fühlten, in ihrer Haut, kein Wunder, bedachte man ihren Aufenthaltsort.

Nur Amaya war ruhig, aber die wusste auch, dass sie als Natsus Schwester und wichtige Helferin nichts zu befürchtet hätte.

Er blickte stur geradeaus, die Miene emotionslos wie immer. „Ihr seid wegen meinem Gast gekommen“, konstatierte er nach einer Weile.
 

Augenblicklich trat Natsus Vater einen Schritt vor. „Sehrwohl. Ich bin nicht bereit, zuzulassen, dass Ihr meine Tochter hier festhaltet“, stellte er klar.
 

Amaya verzog unauffällig das Gesicht, aber Sesshômaru hatte es dennoch gesehen.

Er ahnte nun, woran er war.

Amaya hatte nur das allernötigste erzählt. Nämlich das Natsu hier war.

Und der Vater hatte daraus die eindeutig falschen, wenn auch einleuchtenden Schlüsse gezogen.

Er wandte sich dem Fenster zu und blickte in den inzwischen nächtlichen Himmel. „Ihr werdet sie morgen sprechen können“, sagte er neutral. Er wusste, dass er sich auf schmalem Grat bewegte, wenn er die beiden so zappeln ließ, aber er konnte sich denken, dass Natsus Vater nicht mutwillig ein Duell riskieren würde.

Der Kerl war zwar ein Daiyôkai, aber mit Sicherheit nicht so kampferfahren, wie er selbst, sonst wäre ihm längst aufgefallen, dass Natsus Bewegungen oft nicht nur von der katzenhaften Eleganz ihrer Art, sondern auch von der Geschmeidigkeit einer geübten Kriegerin herrührten. Ihm fehlte offenbar das Auge dafür und Sesshômaru nahm an, dass der Kerl das wüsste.
 

Und zu melden hatten die beiden sowieso nichts, er brauchte nur einen Bürgen, der dem Ritual des Nachzeichnens beiwohnte und den hatte er.

Es hatte nicht vieler Worte bedurft, Arata dazu zu bewegen. Der Alte war eine treue Seele.
 

Hinter ihm erklang derweil keine Reaktion, zumindest keine verbale, also drehte Sesshômaru sich wieder um. Die Züge des Raion waren in stummer Wut verzerrt, aber er sagte nichts, hielt auch sein Yôki unter Kontrolle. Sein Verhalten war unhöflich aber nicht provokant.
 

Sesshômaru schüttelte innerlich den Kopf. Es schien eine übliche Eigenschaft der Katzen zu sein, dass sie sich immer erst in allerletzter Sekunde beherrschten.

„Jaken! Zeige unseren Gästen ihre Gemächer. Im Südflügel“, befahl er und der kurzbeinige KrötenYôkai, der bisher an der Tür gestanden hatte und das ausnahmsweise still, nahm sofort Haltung an.

„Natürlich, Herr, ich werde sofort eilen. Die Gemächer zeigen, ja, Herr, die G-“

„Jaken!“, wies der Inuyôkai ihn harsch zurecht und sofort brach dem grünen Wicht der Schweiß aus und er verneigte sich mehrfach in einer Geschwindigkeit, die dem Flügelschlag eines Kolibri sicher in nichts nachstand. „Jawohl, Sesshômaru-sama, jawohl!“

Damit watschelte er davon und Amaya folgte ihm ohne zu zögern, während die anderen beiden sich eher notgedrungen anschlossen.

Sesshômaru atmete tief durch. Das vermochte heiter zu werden.
 

~*~
 

Gegen Mittag des nächsten Tages führte ein Diener die drei Löwendämonen dorthin, wo Sesshômaru sie hinbestellt hatte.

Diesmal war es nicht das Arbeitszimmer, sondern der Audienzsaal.

Es war schließlich ein besonderer Anlass.
 

Sesshômaru war allerdings noch nicht anwesend, nur eine einzelne Gestalt saß auf der Stufe, die zum Podest hinauf führte, welches dem Schlossherrn vorbehalten war.

Sie trug einen blutroten Kimono. Der feine Stoff besaß einen matten Glanz und war an Ärmeln, Taille und Säumen mit filigranen, silbrigweißen Wellenmustern bestickt. Der Obi war schneeweiß.

Erst als sie sich nun erhob, wandte sie den Neuankömmlingen das Gesicht zu und die erstarrten, als sie sahen, wer da auf sie zu kam.
 

Selbst Amaya hätte ihre Schwester kaum erkannt, zumal an Natsu kein Hauch der Schwäche zu erkennen war, die sie noch bis vor ein paar Tagen geplagt hatte.

Allerdings ahnte die junge Schamanin, dass Sesshômaru seinen Sohn inzwischen mit an sich gebunden hatte, aber davon konnten ihre Eltern ja nicht wissen.

Im Moment war ihr das aber egal, sie kam ihrer Schwester nur mit ein paar raschen Schritten entgegen und umarmte sie.
 

Natsu drückte ihre jüngere Schwester an sich, nutzte das aber auch, um ihr ein „Ich danke dir für alles, Imouto-chan!“ ins Ohr zu flüstern.

Amaya nickte nur lächelnd, ehe sie zurücktrat, damit auch ihre Mutter Natsu in den Arm nehmen konnte.

Der Vater beließ es bei einem Mustern, ehe er die Hand auffordernd ausstreckte. „Er hat dich also gerettet“, bemerkte er.
 

Natsu schmunzelte etwas. „In mehr als nur einer Hinsicht, Chichi-ue“, antwortete sie gelassen.
 

„Gut. Dennoch sollten wir so schnell wie möglich wieder gehen. Ich glaube kaum, dass du als Raion im Hundeschloss langfristig erwünscht bist.“
 

„Sie bleibt“, mischte sich plötzlich eine kühle Stimme ein und wie aus dem Nichts stand Sesshômaru auf dem niedrigen Podest.

Auch er trug Kimono, in Weiß, wie üblich, doch mit rotem Obi. Die Farben seines Clans.
 

Die Löwenfamilie – mit Ausnahme von Natsu – fuhr erschrocken herum.

„Ihr wagt es…“, begann Natsus Vater drohend, aber er brach ab, weil es ihm nicht einmal wirklich gelang, den eisigen Blick des Hundefürsten zu erwidern.
 

Sesshômaru zeigte sich davon gänzlich unbeeindruckt. „Ihr solltet froh sein, wenn ich euch eure… unbotmäßige Tochter abnehme“, bemerkte er stoisch gelassen und ignorierte geflissentlich, wie Amaya und Natsu hinter den Rücken ihrer Eltern einen vielsagenden Blick tauschten.

Natsu kannte den Plan und Amaya schien ihn gerade durchschaut zu haben.

Er schmunzelte innerlich.
 

Der Vater schnappte derweil nach Luft. „Ihr wollt-“
 

„Sie hierbehalten, ja“, unterbrach Sesshômaru.
 

„Aber… sie ist trotz allem eine Hime. Ich könnte es nicht ertragen, sie als-“, begehrte Natsus Mutter auf, aber Sesshômaru schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab.
 

Er wusste, dass sie ‚Dienerin‘ oder vielleicht auch ‚Konkubine‘ hatte sagen wollen, aber man musste die Diskussion ja nicht unnötig verkomplizieren.

„Ich sehe keinen Grund für Euch, Euch darüber zu mokieren, wenn ich die… Mutter meines Sohnes zu meiner Gefährtin mache“, stellte er trocken klar und weidete sich für einen Moment an den entgeisterten Mienen der beiden Löwendämonen.
 

Dann jedoch schien Natsus Vater seine Beherrschung wiedergefunden zu haben. „Ihr scherzt!“
 

Sesshômaru sah ihn nur stumm an, dieser Vorwurf war ihm keine Antwort wert.

Stattdessen streckte der Inuyôkai etwas den Arm aus und ohne Zögern legte Natsu, die gerade in Reichweite stand, ihre Hand in seine und ließ sich auf das Podest helfen.

Er tat so, als seien die ‚Gäste‘ nicht mehr vorhanden. „Ich habe dich schon einmal gefragt, ob du bei mir bleiben wirst. Bleibst du bei deiner Antwort?“, fragte er protokollhalber und ohne, dass seiner Stimme irgendeine Regung anzumerken wäre.
 

Natsu nickte sofort.
 

Sesshômaru hob den Kopf. „Arata!“
 

Der ältere Inuyôkai, der draußen gewartet hatte und dem Szenario mit zunehmender Belustigung gelauscht hatte, kam rasch herein und seine Miene verriet fast ebensowenig, wie Sesshômarus.

Ausnahmsweise trug auch der Alte einen Kimono, ein Anblick, der fast noch seltener war, als Sesshômaru in einem ebensolchen.
 

Hinter ihm schlüpften InuYasha und Kagome in den Raum, knapp gefolgt von Moe, aber niemand beachtete die drei. Sie waren nur Zuschauer.
 

Natsus Vater fixierte auch eher den älteren Inuyôkai. „Was will er hier?“
 

„Er ist mein Bürge“, erwiderte Sesshômaru gelassen und jetzt endlich schien Natsus Vater zu dämmern, dass er die Szenerie wohl besser ernst nehmen sollte. Dennoch schien er nicht ganz glücklich damit.
 

Da hob Natsu den Blick. „Ich brauche auch noch einen Bürgen meines Volkes – Amaya?“

Es war unüblich, dass eine Verwandte diesen Posten übernahm, aber die Bitte galt eher Amaya der Schamanin und nicht Amaya der kleinen Schwester, das zeigte Natsus ernster Tonfall.
 

Die junge Schamanin wollte schon vortreten, da mischte sich aus dem Nichts eine andere Stimme ein: „Ich habe eine bessere Idee. – Ich werde für dich bürgen, Natsu-mei.“

Der Tonfall klang gleichzeitig süffisant und ernst und Sesshômaru kannte nur einen, dem es gelang, diese Stimmlagen zugleich zu benutzen.

Kuraiko.

Dass sie Natsu aber als ihre Nichte bezeichnete, war etwas ganz Neues. Und ihr Angebot war auch unerwartet, nun, ihr ganzes Auftauchen war es.
 

Natsu hatte die Sprecherin auch längst erkannte, zumal Kuraiko sich nun zeigte. Sie hatte geschickt im Schattenwurf eines Vorhangs gestanden, sodass man sie nicht sah, obgleich sie sich nicht im eigentlichen Sinne versteckte.

Wie üblich trug sie den schlichten, kirschblütenbestickten Kimono, ihre dunklen Haare waren zu einem strengen Zopf geflochten, strenger noch diesmal, als in der Höhle. Ihr Familienzeichen, das wirkte, wie ein schwarzes, fünfblättriges Kleeblatt mit roter Kontur, kam dadurch gut zu Geltung.
 

Als ob irgendjemand auf die Idee käme, ihre Identität anzuzweifeln…, dachte Sesshômaru bei sich, aber er rührte sich nicht.

Es war Natsus Entscheidung, wie weit sie ihrer entfernten Tante vertraute.

Wenn Kuraiko wollte, könnte sie ihr später aus dem Zugeständnis der Bürgschaft einmal einen Strick drehen, aber solcherart Befürchtungen schien Natsu nicht zu haben. „Das würde mich sehr freuen, Kuraiko-oba-san.“
 

Die nickte ihr leicht zu.

Sie hatte ihre Worte also tatsächlich ernst gemeint.
 

Sesshômaru wusste im Hinterkopf, dass da irgendetwas hintersteckte, aber im Moment war ihm das herzlich egal.

Er sah wieder zu Natsu. „So bist du bereit, von nun an an meiner Seite zu stehen?“, setzte er protokollgerecht fort.

Dass er den Ritualvers dabei abkürzte, hatte schlicht den Grund, dass er sich die obligatorische Frage nach der Bereitschaft einen Erben zu gebären, sparen konnte. Den hatte er ja schon.

Und da Natsu eben jenen noch gebunden hatte, würde auch er nachträglich gezeichnet werden, also nicht Zeit seines Lebens ohne ein Familienzeichen dastehen, wie es bisher gewesen war.
 

„Das bin ich“, erwiderte Natsu derweil und neigte dann etwas den Kopf zur Seite.
 

Sesshômaru hob die Hand und schob den Stoff des Kimono behutsam ein wenig über ihre Schulter, legte ihre Halsbeuge frei. Dann strich er sacht ihre Haare beiseite und beugte sich hinab.
 

Die Löwendämonin schloss die Lider und gab behutsam ihr Yôki frei, ebenso wie Sesshômaru es tat.

Mühelos drangen seine Reißzähne durch Natsus Haut.
 

Sesshômaru schmeckte für einen Augenblick ihr Blut auf der Zunge, ehe er zurückwich, den Kopf wieder hob.

Die Bissspuren in Natsus Haut verschwanden bereits wieder, aber im selben Tempo begann sich an ihrer Stelle etwas in ihrer Halsbeuge abzuzeichnen, dass erst nur eine Kontur war, dann Farbe bekam. Es waren nur wenige Herzschläge vergangen, dann prangte dort, wo seine Zähne ihre Haut durchdrungen hatten, der blaue Sichelmond seiner Familie.

Nun war sie wirklich seine Gefährtin.
 

Federleicht strichen seine Finger über das neue Mal, als er den Kimonostoff wieder zu recht zog, dann machte er Anstalten zurück zu treten, überlegte es sich aber doch anders.

Kurzerhand zog er sie an sich, Natsu kam ihm bereitwillig entgegen und ihre Lippen fanden sich.
 

Amaya lächelte stumm in sich hinein, als sie sah, wie konsterniert ihre Eltern dreinblickten, als ihnen klar wurde, dass das da über den obligatorischen Brautkuss weit hinaus ging.
 

Doch ganz plötzlich war es mit der friedlichen Stimmung vorbei.
 

Ein schriller Schrei erklang, gemischt aus Schmerz und Panik.

Augenblicklich fuhren Sesshômaru und Natsu auseinander.

Beide hatten die Stimme sofort erkannt: Rin.
 

Blitzschnell hatte der Inuyôkai sich abgewandt, beachtete die Gäste nicht mehr.

Er wusste, Rin hatte auf seinen Sohn aufpassen sollen, während des Rituals, deswegen war sie selbst nicht anwesend gewesen. Der Kleine konnte ihr nichts getan haben, nichts, das sie zu diesem Schrei verleitete, denn Natsu und er hielten ihn noch immer unter Kontrolle.

Er wusste in diesem Augenblick, dass Rin in Gefahr war.
 

Mit wenigen Schritten war er am Portal des Saals, dessen Tür Moe bereits geistesgegenwärtig aufgeschoben hatte. Er hastete hindurch und zu dem Gastgemach, in dem Natsu die letzten Tage verbracht hatte.

Die Schiebetür hier war zerfetzt, Papierschnipsel bedeckten den Boden.

Er achtete nicht darauf, sein Blick glitt rasch durch das Zimmer.
 

Da, da war Rin, sie kauerte in einer Ecke und hielt mit einer Hand den anderen Arm umklammert.

Blut lief zwischen ihren Fingern hervor, der eisenhaltige Geruch stach ihm in die Nase.

„Rin!“
 

Angstgeweitete Augen zuckten zu ihm hinauf, Rin erschauerte, vermutlich aus Erleichterung.

„Sesshômaru-sama!“, brachte sie hervor, ihre Stimme klang dünner als sonst.
 

Unwillkürlich wollte er sich zu ihr knien, sich ihre Verwundung anschauen, da fiel ihm auf, dass von seinem Sohn keine Spur zu sehen war. „Wo ist Kin?“
 

Rins Stimme bebte, als sie antwortete: „Die Yôkai hat ihn… sie hat ihn einfach mitgenommen, ist durchs Fenster raus.“
 

„Was für eine Yôkai?“
 

„Ich… ich weiß nicht. Sie hatte türkise Haare und-“ Rin musste Atem holen, aber das eine, genannte Attribut reichte Sesshômaru schon, um Bescheid zu wissen.

Tiefe Wut klang aus dem Knurren, das seiner Kehle entwich.

Er wusste, wer seinen Sohn entführt hatte: Tôran.

Vergeltung

Sesshômaru!“

InuYasha war der Erste, der hinter seinem Halbbruder durch die zerfetzte Tür stürmte.

Der Hanyô erstarrte, als er die Szenerie erfasste.
 

Dann war auch schon der Rest angekommen, Natsu drängte sich an InuYasha vorbei.

Sie brauchte keinen zweiten Blick um zu erfassen, was geschehen war. „Kin…“, hauchte sie erschrocken.
 

Sesshômarus Reaktion war nur ein Knurren.
 

Sie sah ihn an.

„Wer hat das getan?“, wollte sie wissen.
 

Die Augen den Inuyôkai wurden noch eisiger als sonst, fast weiß glommen sie. „Tôran“, konstatierte er, ohne sein Knurren zu unterbrechen.
 

Augenblicklich waren Natsus Augen nur noch Schlitze, sie unterdrückte mühsam ein Fauchen.

Ihr Herz verkrampfte sich in einer Art, als würde einer der Eisspeere der Genannten darin stecken. Sie hatte plötzlich panische Angst um ihren Sohn, doch das währte nur einen Augenblick. Dann machte die Furcht einer wütenden Leere Platz.
 

Damals, als man sie mit Sesshômaru auf die Reise schickte, da hatte Tôran ihr aufgetragen, den Inuyôkai auszuspionieren. Tôran hatte mehr erfahren wollen und auch wenn sie ihre wahre Intention nicht verriet, so war sie deutlich. Solange Natsu Sesshômaru nicht sonderlich gekannt hatte, hatte sie nichts dagegen gehabt. Im Gegenteil, es hatte nach Abenteuer gerochen.

Aber dann hatte ihre Einschätzung sich gewandelt. Sie hatte begonnen zu kapieren, wie wenig Tôran Sesshômaru verstand, wie wenig sie ihn respektieren würde. Und diese Erkenntnis hatte zu schmerzen begonnen. Bis sie verstand warum, hatte sie es längst aufgegeben, weiter Informationen sammeln zu wollen.

Als sie nach der Reise ins Nekoschloss zurückkehrte, war das angesichts des Banditenangriffs und später der Nachricht von ihrer angeblichen Vergewaltigung in Vergessenheit geraten. Jetzt erst dämmerte der Löwendämonin, wie ernst es Tôran wirklich mit dem gewesen war, dass sie zu ihrem Auftrag trieb. Und diese Einsicht ließ einen namenlosen Zorn in ihr erwachen.

Ohne Vorwarnung wanderten ihre Augen zu der nachtblauen Scheide ihres neuen Schwertes, das neben ihrem Lager lag, mit wenigen Schritten war sie dort, fasste nach der Waffe, die sie bisher nie erprobt hatte. Dennoch dachte sie kaum nach, als ein Sprung sie richtung Fenster brachte, sie wollte nur noch hinter Tôran her, wollte sie stellen, ohne dass sie wirklich über die Folgen nachdachte.
 

Aber als sie schon springen wollte, schloss sich eine Hand grob um ihren Unterarm, hielt sie derbe zurück.

„Nichts da“, knurrte Sesshômaru.
 

Für einen Augenblick überlegte Natsu, sich ihm zu wiedersetzen, aber das letzte bisschen Beherrschung hielt sie davon ab.

Dennoch fauchte sie unwillkürlich auf.
 

„Nichts da“, wiederholte Sesshômaru scheinbar unnahbar, „Du hast keine Rüstung und du kennst deine neue Waffe nicht“ Und Ashai-Ha käme nicht gegen Tôran an…, aber das sprach er nicht aus, stattdessen atmete er sichtlich tief durch. „InuYasha und ich werden gehen“
 

Der Hanyô spitzte unwillkürlich die Hundeohren. „Bitte was?“
 

Sesshômaru wandte ihm den Blick zu, ohne Natsu loszulassen. „Angst?“
 

„Keh! Das glaubst auch nur du! Als ob ich vor dieser dämlichen Katze Angst hätte!“, schnappte InuYasha zurück, die Hand demonstrativ an Tessaiga gelegt.

Dass seine Worte die restlichen Neko in Reichweite ziemlich brüskieren mussten, interessierte ihn sichtlich wenig.

Im Moment schien das aber auch niemand anderem aufzufallen.
 

Sesshômaru hatte auch nicht geantwortet. Er blickte wieder zu Natsu, seine Augen bohrten sich in ihre und für einen Moment hatten sie wieder ihre bernsteinfarbene Tönung zurück. „Du bleibst hier. Kümmere dich um unsere Tochter. Ich hole unseren Sohn zurück“, befahl er.
 

Nach kurzem Zögern senkte Natsu den Blick und nickte. Sie hatte nachgegeben.
 

„Sesshômaru-sama?“ Es war Rins dünn gewordene Stimme, die die entstandene Stille brach.
 

Der Inuyôkai drehte leicht den Kopf.
 

„Gomen nasai, Sesshômaru-sama. Ich hätte besser auf Ototo-chan aufpassen sollen“
 

„Unsinn, Rin. Gegen Tôran käme unsereins nicht an“, mischte Kagome sich entrüstet ein und drängelte sich an den anderen vorbei um sich zu Rin zu knien. Sie legte die Arme tröstend um das jüngere Mädchen. „Es ist nicht deine Schuld. – Na komm, wir sehen ersteinmal zu, dass wir irgendwo Verbandszeug auftreiben. Wo ist denn Arisu? Meinst du, die weiß, wo wir sowas finden?“ Damit zog sie Rin vorsichtig hoch und dirigierte sie richtung Tür.

Im Vorbeigehen nahm Kagome kurz InuYashas Hand und drückte sie leicht.

Zeig ihm, dass er dir nicht umsonst vertraut!, sagte ihre Geste und auch wenn InuYashas Ohrenzucken das scheinbar als belanglos abtat, wusste sie, dass er genau darauf achten würde.

Als sie noch einmal über die Schulter sah, waren die beiden Halbbrüder bereits durchs Fenster verschwunden.
 

Natsu sah ihnen nach, ihre um das Schwert verkrampfte Hand zeigte, wie mühsam sie sich zurückhielt, den beiden zu folgen, bis Amaya schließlich vortrat und ihr die Waffe sanft aber bestimmt aus der Hand wand.

Dann nahm sie ihre Schwester in den Arm. „Ich bin sicher, die beiden werden alles tun, Kin zurückzuholen. Fürst Sesshômaru wird seinen Sohn genausowenig im Stich lassen, wie InuYasha seinen Neffen“
 

Damit sprach die junge Schamanin Kagome aus der Seele, aber die junge Miko konzentrierte sich jetzt ersteinmal auf Rin.

Ihr war klar, dass Rin ziemlich durch den Wind sein musste, wenn sie schon glaubte, Sesshômaru würde ihr die Schuld an irgendetwas geben. Was Rin jetzt brauchte, war Beistand. Ebenso wie Natsu. Und solange sie, Kagome, nichts für die Rettung von Sesshômarus Sohn tun konnte, so konnte sie sich wenigstens um seine Tochter kümmern – um es mit seinen Worten zu sagen.
 

~*~
 

Besagter Inuyôkai und sein Halbbruder sprinteten derweil Seite an Seite dahin.

Keiner von ihnen verlohr ein Wort, Sesshômaru sowieso nicht und InuYasha hielt die Klappe, weil er die Bedeutung der Situation erkannte.
 

Sesshômaru hatte ihm von Tôrans ‚Gesuch‘ erzählt und InuYasha wusste sowieso, wie sein Halbbruder darüber dachte, in Bezug auf die Panthergeschwister waren sie beide sich ja schon seit einiger Zeit erstaunlich einig gewesen, aber der Hanyô hatte dennoch erkannt, dass Tôran den Bogen diesmal überspannt hatte.

Was auch immer sie mit Kin anstellen wollte, schon damit, dass sie Hand an den Kleinen gelegt hatte, hatte sie ihr Todesurteil unterschrieben, darüber war InuYasha sich im Klaren.

Er war sich nicht einmal sicher, ob Sesshômaru ihn überhaupt brauchte, um mit der Pantherdämonin fertig zu werden.

Die kalte Wut, die der Inuyôkai auf Meilen Entfernung ausstrahlte, verlieh ihm sicher noch mehr Kräfte als ohnehin schon.
 

Und in diesem Moment war InuYasha nicht nur unendlich froh, Sesshômaru nicht gegen sich stehen zu haben, sondern ihm wurde auch bewusst, dass Sesshômaru nie in einer ähnlichen Stimmung gegen ihn gekämpft hatte.

Zu Beginn, die zwei Male, wo nur Tenseiga ihm das Leben gerettet hatte, da hatte er ihn noch unterschätzt, nicht erst genommen.

Aber auch in den unzähligen Scharmützeln zwischendurch, war Sesshômaru nie so kaltblütig draufgewesen.

So hatte InuYasha ihn wahrlich noch nie erlebt.

Das ist dann wohl seine Art, sich für die einzusetzen, die er liebt…, schoss es dem Hanyô durch den Kopf, ehe ihm bewusst wurde, dass Sesshômaru ruckartig stehen geblieben war. „Was ist los?“
 

„Sie hat uns bemerkt“, antwortete Sesshômaru knapp und im nächsten Moment spürte InuYasha, dass sein Halbbruder nah hinter ihm stand und ihn am Kragen packte.

Bevor er protestieren konnte, hatte Sesshômaru ihn mit in die Luft genommen und sauste in vielfacher Geschwindigkeit los.
 

Bereits wenige Augenblicke später, ließ er InuYasha plötzlich los und der Hanyô konnte sich gerade noch drehen, kam auf den Füßen auf. „He, was soll das, verdammt?“, rief er hinter seinem Halbbruder her, aber der beachtete ihn schon nicht mehr.
 

Er hatte die Gesuchte erspäht und zog noch im Landen Bakusaiga. Die giftig leuchtende Aura umspukte die Klinge, als der Inuyôkai knapp vor Tôran aufkam.
 

Die Pantherdämonin sprang zurück, das Baby fest an sich gepresst, als wollte sie es hier und jetzt ersticken. Ihre Augen schimmerten tiefgründig.

„Da bist du ja“, sagte sie mit einer Stimme, die so ziemlich alles zwischen Freude und Wut abdeckte.
 

Sesshômaru rührte sich nicht von der Stelle. „Mein Sohn“, forderte er eiskalt.
 

Tôran lockerte ihren Arm etwas, als wollte sie sich das Dämonenbaby genauer ansehen.

Doch gleichzeitig lag ihr Blick noch immer auf Sesshômaru.

„Warum sollte ich, Sesshômaru? Ich weiß, warum ich noch keine Antwort auf mein Ersuchen bekommen habe. Er ist der Schlüssel. Er ist die Grenze zwischen uns, die ich durchbrechen muss – und werde“, kündigte sie an und eine seltsame Art der Vorfreude ließ ihre Stimme beben.
 

Sesshômarus Augen wurden eng. „Selbst wenn du ihn umbringst. Du würdest niemals gewinnen“, konstatierte er eisig und ließ das Schwert sinken.

„An seine Mutter binden mich Dinge, die du dir nichteinmal wünschen darfst!“, fügte er dann hinzu und kam mit langsamen Schritten auf die Pantherdämonin zu.
 

So wie sie im selben Tempo zurückwich, wirkte das Verhalten der beiden, als belauerten sich zwei rivalisierende Tiere.

Und beide näherten sich so immer mehr einigen schroffen Klippen.
 

Sesshômaru hatte das nun auch bemerkt und verharrte augenblicklich. Er ahnte, dass Tôran alles auf eine Karte setzen wollte. Wenn er ihr das Kind nicht überließ, würde sie kämpfen und das bis zum Äußersten. Sie würde darum kämpfen, sich ihn Untertan zu machen. Und an den Klippen konnte so ein Todesduell noch riskanter werden, als ohnehin schon.

Er unterdrückte ein Knurren. „Es reicht, Tôran. Beende dieses Posse und ich lasse dich laufen“
 

Die Pantherdämonin warf daraufhin nur den Kopf in den Nacken, ein spöttisches Blitzen in den Augen. „Niemals werde ich aufgeben, wo ich so nah am Ziel bin!“
 

„Du warst niemals weiter entfernt“, konterte Sesshômaru und nun lag das Knurren, das sich in seiner Brust zusammenkrampfte, auch in seiner Stimme.
 

Tôran hob eine Hand und zog sie mit einer harschen Bewegung durch die Luft.

Augenblicklich bildete sich aus dem Nichts eine zentimeterdicke Eisscheibe, auf der sie das Dämonenkind ablegte. Kin rührte sich nicht, auch nicht, als, von der Eisscheibe aus, Streben nach oben zu wachsen begannen und sich wie ein Vogelbauer um ihn schlossen. Das ganze Gebilde schwebte locker in der Luft.

Tôran würdigte es nun keines Blickes mehr. „Du willst also, dass ich aufhöre, zu spielen, ja? Gut. Dann mache ich jetzt Ernst“

Noch ehe sie zuende gesprochen hatte, sauste ein aus dem Handgelenk geschleuderter Eisspeer auf den Inuyôkai los.
 

Sesshômaru sprang ein Stück zurück und hieb mit Bakusaigas Klinge dagegen, sodass er zersplitterte.
 

Damit hast du dein Todesurteil unterschrieben…, dachte InuYasha, der zu diesem Zeitpunkt aufgeschlossen hatte und, ausnahmsweise seiner Vernunft gehorchend, sich erst einmal im Hintergrund hielt. Er ahnte, dass Sesshômaru sich dieses Duell nicht nehmen lassen würde. Das war seine Sache, seine Vergeltung.
 

Der Inuyôkai war nun vorgesprungen und zerschmetterte mit seiner Klinge einen Speer nach dem anderen, aber er wusste genausogut, dass das wenig brachte. Tôran war in der Lage, die Speere ebenso leicht nachzubilden, wie er seine Energiepeitsche hätte rufen können.

Aber er konnte sie in Sicherheit wiegen. Bei ihrem letzten Duell hatte er noch Toukijin besessen und er bezweifelte stark, dass Tôran während des Kampfes gegen den Höllenwolf auf die Macht seines Schwertes geachtet hatte. Tôrans Augen hatten einzig auf ihm selbst gelegen – so wie immer. Doch Bakusaigas wahre Macht war sein Trumpf, den würde er sicher noch nicht jetzt ausspielen. Sie standen erst ganz am Anfang.

Mit nichtssagender Miene und Schlägen voller Kalkül trieb er Tôran Schritt für Schritt rückwärts.

Er hatte einen leichten Zeitvorteil, dadurch, dass er seine Waffe durchgehend in der Hand behielt, aber dieser Vorteil war nicht groß genug, um ihr erwähnenswert beizukommen.

Im Gegenteil, sie bewegten sich immer weiter auf die Klippen zu.
 

Er zerschmetterte einen weiteren Eisspeer und sprang ein gutes Stück zurück, leitete ein wenig Yôki in Bakusaigas Klinge, um es ihr entgegenzuschleudern, da erkannte er, dass auch sie die Strategie gewechselt hatte.

Die Hand zur Faust geballt, streckte sie einen Arm in seine Richtung, öffnete die Finger dann ruckartig. Eisgespickte Windböen wirbelten auf ihn zu.

Sie veralbert mich…, schoss es ihm durch den Kopf, als er den linken Arm hob und seine Energiepeitsche auf sie zu zucken ließ.

Dass er dabei den Haoriärmel schützend vor dem Gesicht hatte, war nur ein – wenn auch beabsichtigter – Nebeneffekt. Ihr Eis in die Augen zu bekommen, war nicht sonderlich angenehm.

Ohne Vorwarnung sprang er ihr wieder entgegen, die Peitsche zuckte von einer zur anderen Seite und war durchlässig genug, dass ihre Klauen nichts auszurichten vermochten, als sie sich damit wehrte.

Doch ehe er sie zum wirksamen Schlag verstärken konnte, war sie zurückgesprungen und wieder auf Abstand gegangen.

Leider kannte sie ihn recht gut, wusste um seine Fähigkeiten, seine Techniken.

Aber nie wieder, das schwor er sich, nie wieder würde ein Kampf zwischen ihnen beiden unentschieden ausgehen.

Jetzt war der beste Zeitpunkt, um mit dem Siegen zu beginnen.

So setzte er ihr nach und schlug mit Bakusaiga zu, zielte auf ihren bloßen Oberarm – und traf. Die silbrig schimmernde Klinge riss eine leichte Wunde in ihre Haut, Blut rann über die bläulichen Markierungen der Pantherdämonin.
 

Sie fauchte auf, mehr aus Zorn, als aus Schmerz. Und dann tat sie etwas, was er sie schon lange nicht mehr hatte tun sehen: Sie zog ihr Schwert.

Es war ein Katana, aber wie die meisten Dämonen führte sie es trotz seiner Länge und Machart nur mit einer Hand.

Hell klirrend trafen die Klingen aufeinander, sie legte es darauf an, ihm Bakusaiga aus der Hand zu winden.
 

Aber das ließ Sesshômaru nicht so leicht mit sich machen.

Er zog sein Schwert zurück, hielt es quer vor sich um die Deckung zu wahren und stieß dann ohne Vorwarnung gegen Tôrans Hüfte.
 

Sie entkam nur knapp einer zweiten Verwundung, drehte sich auf der Stelle und versuchte Sesshômaru ihrerseits an der Seite zu erwischen. Als er auswich, drehte sie die Klinge etwas und murmelte einige unverständliche Worte. Augenblicklich überzog ein dünner Eisfilm die Waffe. Sie setzte ihm hinterher, vollführte einen weiten Schwung mit ihrer Klinge und wieder warf sich ihm Eiswind entgegen.
 

Sesshômaru verzog keine Miene und sprang schlicht in ihren Angriff hinein, die linke Hand erhoben zum Einsatz seiner Energiepeitsche.

Die nächste, ungleich heftigere Sturmböe erfasste ihn frontal und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Unsanft, aber auf den Füßen kam Sesshômaru auf, schlidderte ein Stück rückwärts. Der Boden war längst verharscht und glatt.

Für einen Herzschlag nur senkte er dabei den Blick und das war schon zu lang.
 

Tôran war ihm nachgesprungen, bildete in der freien Hand einen ihrer Eisspeere und rammte ihn vorwärts.
 

Ehe er reagieren konnte, bohrte sich die eisige Spitze tief in seinen linken Arm. Blut quoll heiß aus der Wunde, schmolz die Spitze des Eisspeeres, aber dennoch spürte der Inuyôkai, dass etwas nicht stimmte. Er brauchte auch nicht lange, um zu begreifen was es war. Heftiger Schmerz entflammte um die Wunde herum und unwillkürlich zog er den verwundeten Arm eng an den Körper – oder besser: er versuchte es. Der Arm war nämlich steif. Steifgefroren um es genau zu nehmen.
 

Unwillkürlich knurrte Sesshômaru, musterte aus dem Augenwinkel Tôran, die nicht weit entfernt von ihm aufgekommen war und ihn triumphierend musterte.

„Tja, das war’s dann wohl. So kannst du sicher kaum weiterkämpfen. Ich habe gewonnen…“, sagte sie und ein deutliches Schnurren untermahlte ihre Stimme.
 

Sesshômaru knurrte nur erneut.
 

InuYasha, nicht weit entfernt, zuckte ungläubig mit den Hundeohren.

Das durfte doch nicht wahr sein! Gab Sesshômaru etwa wirklich auf? Es hatte doch so gut ausgesehen. Er hatte Tôran gezwungen zuerst Blut zu vergießen, er hatte ihre Ausdauer angegriffen, indem er sie dazu gezwungen hatte immer neue Eissspeere zu bilden. Er war eindeutig im Vorteil gewesen. Und jetzt das.
 

InuYasha packte Tessaigas Heft fester, wollte das Schwert ziehen, zu Hilfe eilen, da erkannte er plötzlich, dass Sesshômaru zwar immer noch den Kopf leicht gesenkt hielt, sich seine Miene aber leicht verändert hatte. Das Knurren war verflogen, die Züge des Hundedämons waren wieder ausdruckslos.
 

Und dann richtete Sesshômaru sich auf. „Wenn du wirklich glaubst, du könntest mich so leicht unterbuttern, bist du zu bemitleiden“, bemerkte er kühl und es war ihm deutlich anzuhören, dass er ganz sicher nicht vorhatte, sich diesem Mitleid anzuschließen. „Du vergisst, dass ich diesen Arm lange Zeit nicht benutzen konnte, weil er schlicht nicht mehr da war. Bedank‘ dich bei InuYasha. Er hat dir deinen Triumpf genommen“

Ein süffisantes Blitzen zog durch seine Augen, ehe er urplötzlich wieder vorsprang, Bakusaiga in so rascher Folge auf Tôran herabsausen ließ, dass sie bald ihr Schwert verlor.
 

InuYasha hatte Tessaiga längst wieder losgelassen. Hatte er es doch geahnt. Sesshômaru ließ sich nicht unterkriegen.
 

Gerade hob der Hundedämon erneut seine Waffe, sauste auf Tôran zu, aber an ihr vorbei und zerstörte damit nicht nur erneut einen Eisspeer, sondern riss auch eine weitere Wunde in ihren Arm, durchtrennte dabei eine Sehne. Das würde heilen, aber nicht sonderlich schnell. Nun war dieser Arm für Tôran ebenso nutzlos wie sein eingefrorener für ihn.
 

Ihr wütender Schrei, als sie ihm eine wahre Flut von Eis entgegenwirbelte, verlohr sich in der Stille, als er einfach nach oben sprang und aus der Luft herablassend auf sie hinabblickte. „Gleiches Recht für alle“, kommentierte er trocken und verharrte an Ort und Stelle.
 

Tôrans Schultern bebten wütend, als sie zu ihm aufsah, dann biss sie plötzlich deutlich sichtbar die Zähne aufeinander. Sie rief die Sturmböen, die sie umwirbelten, zu sich zurück, konzentrierte ihr Yôki um sich – und wechselte in Tôshin-Form.

Anstatt der türkishaarigen Dämonin stand dort nun eine riesige, blausilberne Pantherdame. Ihr Körper war schlank und geschmeidig, das charakteristische, kaum sichtbare Leopardenmuster wirkte wie Marmor. In dieser Form war sie wunderschön, dass stand fest und daran änderte auch ihre nun schiefe Schulterhaltung nichts.
 

Aber Sesshômaru hatte sich davon noch nie sonderlich beeindrucken lassen.

Der Inuyôkai zog eine Augenbraue hoch. Er wusste aus leidiger Erfahrung, dass es nicht einfacher war, auf drei statt vier Beinen zu kämpfen, anstatt noch immer auf zweien zu stehen und eben nur einen Arm zum Kämpfen zu haben. Aber bitte, wenn sie so wollte.
 

Im Landen rief er sein Yôki auf, hell leuchtend umwölkte es ihn, als auch er in seine wahre Form überging. Die Erde erzitterte, als der riesige, weiße Hund aufkam und feine Risse zogen sich durch den Eispanzer, den Tôrans Kampftechnik über die nähere Umgebung gestülpt hatte. Sofort warf er sich auf die annähernd gleichgroße, blausilbrige Pantherdame, die vor ihm aufragte, seine stumpfen Hundekrallen prallten gezielt gegen ihre Verwundung und rissen das ohnehin fast nutzlose Bein unter ihrem Körper weg.
 

Tôran stürzte auf die Seite, wieder erzitterte die Umgebung, als sei ein Erdbeben im Gange, aber ihr Katzenerbe ließ sie sich abrollen und mühsam wieder auf die Beine kommen.

Sie fauchte lautstark.
 

Sesshômaru antwortete mit einem fast spöttisch zu nennenden Bellen, ehe er erneut vorsprang, mit voller Breitseite gegen ihre Flanke stieß und sie abermals von den Beinen holte. Er konnte sich auf die Zeit ohne linken Arm zurückbesinnen, sicherte sein Gleichgewicht geschickt über die drei intakten Beine, aber er hatte unterschätzt, dass das vierte Bein zwar steif aber jetzt vorhanden war und durchaus im Weg sein konnte. Als Tôran zu Boden ging – was ein erneutes Erdbeben verursachte – riss sie ihn mit und aus den beiden riesigen Dämonen wurde ein kämpfendes, geiferndes Knäuel, das sich wahllos Klauen und Zähne ins Fleisch schlug. Sesshômaru war da durch die giftige Säure in seinem Maul in klarem Vorteil, auch wenn Tôrans Katzenkrallen tiefer drangen und schon bald dampfte ihr Fell an unzähligen, verätzten Stellen.
 

Als er ihr Ohr erwischte und mit den Reißzähnen fast genüsslich aufschlitzte, brüllte sie schmerzerfüllt auf und kämpfte sich frei.

Doch als sie versuchte aufzustehen, verlagerte sie unbewusst ihr Gewicht auf das nutzlose Bein, es knickte ein und sie fiel erneut auf die Seite, schlidderte mit einer halben Drehung seitwärts weg.
 

Sesshômaru setzte ihr unbarmherzig nach, landete auf ihrem Brustkorb und der linken Schulter, ein ohrenbetäubendes Knacken zeigte das Brechen von Knochen an.
 

Ihr Schrei hallte weit, aber auch ihr Vergeltungsschlag war nicht von schlechten Eltern. Mit letzter Verzweiflung riss sie die Hinterpfoten hoch, bohrte die sichelförmigen Klauen von unten in Sesshômarus Brust.

Sie verfehlte sein Herz nur knapp.
 

Dennoch sprang er vorwärts und auf Abstand, erlaubte sich einen Moment zu verharren, ehe er sich zurückverwandelte. Für sie waren nur zwei Beine unnütz, so konnte sie nicht weiterkämpfen.

Sie war besiegt, konnte nur noch auf den Gnadenstoß warten.
 

Er würdigte sie keines Blickes mehr, sondern suchte mit den Augen nach dem Eiskäfig, in den sie Kin eingeschlossen hatte. Da schwebte er, nicht weit entfernt. Doch plötzlich geriet er in Schräglage, offenbar hatte Tôran ihre Magie zurückgezogen, die ihn hatte schweben lassen. Der Käfig stürzte ab, einige Streben brachen beim Aufprall auf den Boden, die Bodenplatte aber schlidderte über den gefrorenen Boden und geradewegs auf einen nahen Klippenrand zu.
 

Sesshômaru stockte der Atem, er setzte an, ihm nachzuhechten, da geriet ihm plötzlich eine leichte Brise von hinten in die Nase. Noch ehe er sich darüber wundern konnte, wehte der Wind doch eigentlich von vorn auf ihn zu, erkannte er instinktiv die Warnung darin.

In einer einzigen Bewegung hatte er Bakusaiga aus der Scheide gerissen, wirbelte herum und rief die Macht seiner Insignie ab: „Bakusaiga!“

Die türkisgrüne Welle bäumte sich auf – und stoppte den Strom aus purem Eis nur wenige Meter vor Sesshômarus Nase. Der Inuyôkai war für einen Moment wie erstarrt. Das war geradezu unheimlich knapp gewesen.
 

Eine weitere Brise umspielte ihn, von der Seite diesmal und so absurd es klang, er meinte etwas wie Freude darin zu wittern.

Etwas mitgetragenes berührte seine Hand und er packte unwillkürlich zu. Als er die Finger öffnete, lag eine kleine, weiße Feder auf seiner Handfläche.

Er kniff die Augen zusammen, als er zu begreifen meinte, wem er die Warnung in letzter Sekunde zu verdanken hatte. Kagura?
 

Wie als Antwort auf seine stumme Frage hin, bündelte sich die von der eigentlichen Windrichtung ungerührte Brise vor seine Nase in einer losen Spirale, ehe sie sich verflüchtigte. Zurück blieb eine ebenso stumme Replik: Deine Anwesenheit hat es mir ermöglicht, mit dem Tode frei zu sein. Du hast mir, die sich in diesem Moment nach nichts mehr als nach deiner Gegenwart sehnte, den Frieden und die Freiheit gegeben. Nun war es an mir, meine Schuld zu bezahlen…
 

Sesshômaru sah dem unsichtbaren Gruß einen Augenblick nach. Er wusste nicht so Recht, was er davon halten sollte.

Kagura – der Wind, der freie Wind… mein Dank gebührt dir…, entgegnete er dennoch stumm und meinte daraufhin ein ebenso glockenhelles wie lautloses Kichern zu vernehmen, ehe es in der Weite verklang.
 

Der Inuyôkai blickte dorthin, wo Bakusaigas Angriffswelle eine Schneise der Leblosigkeit geschlagen hatte.

Er hatte nicht geahnt, dass Tôran diese Macht besaß. Diese Eiswelle, die ihm nur einen Herzschlag später das Genick hätte zertrümmern können, war aus ihrem Maul gekommen wie Feuer aus dem Schlund eines Drachen, sie lag noch immer in Tôshin-Form auf der Erde, bewegungslos nun. Ein Schimmern hüllte sie ein und sie lag wieder in menschenähnlicher Form da. Bewundernswert wie gut sie Bakusaigas Macht überstanden hatte. Ihre Haut unter der Kleidung musste zwar samt und sonders blutig wund sein, aber sie war noch in einem Stück.
 

Gleich darauf begriff Sesshômaru aber, dass das nicht Tôrans eigener Verdienst war, denn eine Gestalt stand bei der Liegenden, etwas in der Hand, das ein Yari sein konnte. Die Klinge strich ohne weiter zu verletzen über Tôrans Brust, ihre Taille, ihre Beine und auf ihren Spuren bildeten sich aus dem Nichts feste Ranken, die links und rechts von Tôrans lädiertem Körper in der Erde versanken. Die Spitze des Yari wurde in den Boden gerammt und augenblicklich zogen sich die Ranken fest, so fest, dass Tôran trotz ihrer Ohnmacht aufstöhnte, fesselten sie an den Boden.
 

Dann sah die Gestalt auf und Sesshômaru erkannte die tiefgrünen Augen in einem Gesicht mit schwarz-rotem Familienzeichen. Kuraiko. Sie war ihm gefolgt und hatte ihrer Tochter bei seinem letzten Schlag das Leben gerettet. Aber sie fesselte sie.

Er kniff kurz die Augen zusammen. Aus der Urkönigin der Panther würde er wohl nie schlau werden.
 

Im selben Moment aber zog sich ihm der Brustkorb zusammen, als ihm wieder zu Bewusstsein kam, dass er nicht schnell genug gewesen war, seinen Sohn zu retten. Yôkai hin oder her, der Sturz von der Klippe musste selbst Kin alle Knochen samt des Genicks zerschmettert haben. Dennoch war es mit einem einzigen Sprung am Klippenrand.

Er konnte den Abrieb von Eis an einem Abschnitt der Kante erkennen, dort wo die Bodenplatte von Tôrans Eiskäfig hinübergeschrappt sein musste.

Mein Sohn…

Nur seine tiefe Selbstbeherrschung hielt ihn davon ab, dem Ausdruck zu verleihen, was er im Moment fühlte. Trauer, Zorn und endlose Hilflosigkeit brodelten in ihm, am Liebsten hätte er es herausgeschrien. Er, der bis vor wenigen Jahren noch gesagt hätte, er habe keine Gefühle, dem ein kleines Menschenmädchen beigebracht hatte, dass er sie eben doch hatte und der gerade erst gelernt hatte, wirklich zu lieben, er stand nun hier an der Klippe und würde fast von eben jenen Gefühlen überwältigt.

Wie muss es dann erst Natsu gehen, wenn sie diese Nachricht erhält…

Er übersah dabei, dass sie es längst wissen musste. Mit dem Tod des Kleinen war auch ihre Bindung zu ihm abgebrochen und im Gegensatz zu Sesshômaru hätte sie das deutlich gefühlt.
 

Nur mühsam überwand er sich, einen Blick hinab zu werfen – und taumelte wahrhaftig zurück, als ihm im selben Moment eine rote Gestalt entgegenschoss.
 

InuYasha prallte gegen ihn und warf den lädierten Hundedämon um, konnte sich selbst nur mühsam abrollen und wieder aufrappeln, zumal er nur einen Arm zum Abstützen gebrauchte.
 

Es dauerte einen, zwei Herzschläge, bis Sesshômaru gewahr wurde, wozu der Hanyô den zweiten Arm viel wichtiger benötigte.

Fest hatte er ihn um ein winzig erscheinendes Bündel geschlungen, barg es an seiner Brust.

Blitzschnell rappelte der Inuyôkai sich auf, Ungläubigkeit, Erstaunen, Erleichterung, alles mischte sich in seinen sonst so ausdruckslosen Augen und ließ sie regelrecht erstrahlen.

Es war InuYasha gelungen, Kin zu retten, der Kleine war in einem Stück und lebendig obendrein, Sesshômaru konnte, als er hoffnungsvoll lauschte, unter InuYashas angestrengten Atemzügen auch Kins flaches Luftholen hören.

Die goldenen Augen des Inuyôkai richteten sich auf InuYasha, der mit zuckenden Hundeohren dastand, den freien Arm, dessen Suikanärmel auf ganzer Länge aufgeschlitzt und blutig war, herabhängend.
 

Und dann tat Sesshômaru etwas, das hätten weder er noch InuYasha sich bis vor kurzem auch nur denken können:

Er nahm seinen Halbbruder fest in den Arm.

„Arigatô, Kyodai!“

Revanche

"Kuraiko“

Sesshômarus neutrale Ansprache ließ die Pantherdämonin aufblicken. „Ah, Sesshômaru“, erwiderte sie nur, ehe sie sich zur grenzenlosen Überraschung des Hundedämons doch tatsächlich höflich verneigte. „Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, die ausgerechnet die Neko Euch ausgerechnet an diesem Tag bereitet haben“, sagte sie dann noch und nun war das Erstaunen auch andeutungsweise in Sesshômarus Miene zu lesen.

Seit wann, bei allen Göttern, war Kuraiko ihm gegenüber so höflich?
 

„Warum tust du das?“, wollte er wissen und drehte den Spieß somit herum, indem er nun sie mit dem wenig höflichen ‚Du‘ ansprach.
 

Kuraiko ließ ihr Gehabe wieder fallen und zuckte einfach mit den Schultern. „Meine Tochter wird wohl noch eine Weile brauchen, bis sie das wieder selbst tun kann, also muss vorerst ich das übernehmen“, belehrte sie ironisch und wies mit einer leichten Handbewegung auf die jüngere Pantherdämonin, die inzwischen wieder bei Bewusstsein war. Allerdings zog sich nebst den drei Ranken, die sie grob an den Boden hefteten, noch eine vierte so über ihr Gesicht, dass sie als Knebel fungierte.

Wenn Blicke allerdings töten könnten, hätte Tôran das Duell vielleicht doch noch gewonnen, so sehr funkelten ihre Augen vor purem Hass.
 

Sesshômaru ignorierte das. „Du hast sie vor Bakusaigas Macht gerettet“, konstatierte er an Kuraiko gewandt, woraufhin die ihn wieder ansah.

„Ich habe nicht vor, meine Tochter in den Tod gehen zu lassen, ehe sie gelernt hat, was ihr Fehler war“, stellte sie klar. „Es gibt eindeutig Dinge, die es ihr besser beibringen, als Eure Reaktion auf ihren unehrenhaften Angriff zuletzt“
 

Sesshômarus Miene blieb mühsam reglos.

Kuraiko war auch die einzige, die es schaffte, höflich und ungehobelt zugleich zu sein. Denn auch wenn sie ihn wieder taktvoll siezte, so waren ihre Worte doch mehr Stichelei als irgendetwas anderes.
 


 

InuYasha sah sich den Plausch der beiden aus ein paar Metern Entfernung an. Er war noch etwas perplex nach diesem Gefühlsausbruch seines Bruders.

Dennoch lauschte er und als er hörte, was Kuraiko über Tôrans Strafe verlauten ließ, grinste er offen. Das war in der Tat besser, als diese verdammte Pantherin zu töten. Darunter würde sie mehr leiden, denn das würde ihren Stolz brechen, so wie sie es im Gegenzug mit Sesshômaru vorgehabt hatte – wenn sie auch gescheitert war.

InuYasha war froh darum. Es war nicht einmal einen Monat her, dass Sesshômaru ihn tatsächlich in die Familie aufgenommen hatte und erst wenige Minuten, dass er ihn das erste Mal ernsthaft als ‚Bruder‘ bezeichnet hatte. Dennoch erschien es ihm in diesem Moment unwirklich weit entfernt, dass es einmal anders gewesen war.
 


 

Sesshoumaru hatte derweil genug gehört, was Kuraikos Plan anbetraf.

Er wollte sich bereits abwenden, da sprach sie ihn erneut an.
 

„Sesshômaru“
 

Er verharrte ohne sie anzusehen.
 

„Eines muss ich meiner Tochter lassen, sie versteht sich auf lähmende Banne. Euren Arm werdet Ihr mit etwas Anstrengung heilen können, aber ich fürchte, das was sie mit Eurem Sohn angestellt hat, hinterlässt bleibenden Schaden. Diese, ihre Banne sind nur sehr schwer zu brechen. Man kann sie mit einem Fluch vergleichen“
 

Ein Schatten der Besorgnis huschte über Sesshômarus Gesicht.

„InuYasha“, zitierte er seinen Halbbruder heran.
 

Der Hanyô kam näher. „Was?“
 

Doch der Inuyôkai antwortete nicht, nahm seinen Sohn an sich und musterte das winzige Dämonenbaby, dann verschloss sich seine Miene wieder gänzlich. Ein einziger Blick auf seinen Sohn hatte ihm gereicht um zu verstehen, was Kuraiko meinte.

Erst hatte er geglaubt, was auch immer Tôran getan hatte, habe das Zeichen unkenntlich gemacht, doch das war klar zu erkennen – auch wenn Sesshômaru ihm Hinterkopf zugeben musste, dass er ein solches Zeichen noch nie gesehen hatte.

Es wirkte wie eine Kombination aus Natsus und seinem Familienzeichen, vorne die beiden meeresgrünen Krallen von Natsus Familie, dahinter, etwas blasser, sein blauer Sichelmond. Vielleicht lag das daran, dass der Kleine zwischen zwei gänzlich unterschiedlichen Dämonenclans gezeugt worden war, wer wusste das schon.

Außerdem war das, was Tôran stattdessen getan hatte, sehr viel schwerwiegender. Man konnte es in der Tat als Fluch bezeichnen.

„Und er ist nicht zu brechen?“, fragte er neutral.
 

„Ich fürchte nein. Ich kenne niemanden, der solche Gemütsflüche lösen könnte. Euer Sohn wird überleben, aber er wird niemals Euer Erbe sein können“, antwortete Kuraiko in seinem Rücken und aus ihrer Stimme klang diesmal echte Anteilnahme. Es schien ihr wirklich Leid zu tun, um das Kind.
 

Und plötzlich meinte Sesshômaru auch zu verstehen warum.

Natsu hatte erzählt, Kuraiko habe ihr vertraut, als sie nicht einmal mehr mit ihren Kindern sprach. Offenbar bedeuteten die beiden sich gegenseitig sehr viel. Und er glaubte nun auch zu wissen, wo Natsu ihre spitze Zunge her hatte, wer sie zu dieser Art Selbstbewusstsein erzogen hatte, das ihn erst auf die junge Löwendämonin aufmerksam gemacht hatte. Wenn er es so sah, hatte er Kuraiko sehr viel zu verdanken. Aber das behielt er für sich.

Außerdem war diese Nachricht nicht gerade schön. Mochte sein, dass dank InuYasha Kins Leben gerettet war, aber offenbar würde sein Sohn für immer ein wenig erstrebenswertes Andenken an Tôrans Klimbim behalten.

Er unterdrückte ein Seufzen und setzte sich in Bewegung. Wenn Kuraiko sich um Tôran kümmerte, war ihm das nur Recht. Er wollte jetzt zurück ins Schloss, seine Wunden auskurieren und keinen weiteren Gedanken mehr an die türkishaarige Pantherdämonin verschwenden. Demonstrativ wich er deren noch immer auf dem Boden liegendem Schwert auch nicht aus, sondern lief einfach darüber hinweg.
 

InuYasha hatte sich ebenfalls umgedreht und dem Schloss zugewandt, da hielt Kuraiko den Hundedämon abermals zurück. „Eins noch, Sesshômaru“

Der unterdrückte ein unwilliges Knurren und blieb erneut stehen. „Geh vor, InuYasha“, forderte er, ehe er einen Blick über die Schulter warf, stumme Aufforderung endlich mit dem rauszurücken, was ihr noch wichtig war, damit er sich entfernen konnte. Kuraiko ließ sich das nicht zweimal sagen.
 

~*~
 

Im Inuschloss hatte sich derweil eine Art angespannte Ruhe eingestellt.

Rins linker Arm war verbunden worden und sie ruhte nun mit dem Kopf in Natsus Schoß.

Deren Familie und auch Kagome hatten sich um sie herum in Rins Gemach versammelt und irgendwann war es Amaya gelungen, ihre Schwester dazu zu überreden, dass sie ihr Instrument hervorholte. Zuerst hatten die Töne zögernd und zittrig geklungen, doch dann kam Natsu langsam zur Ruhe und die Melodie wurde fließender, harmonischer.

Rin war davon eingeschlafen und auch der Rest kam dazu, durchzuatmen.
 

„Ich verstehe es immer noch nicht, Musume. Wie kommt es, dass du und der Hundefürst…“, begann Natsus Mutter schließlich langsam.
 

Natsu nahm ihr Instrument von den Lippen und sah ihre Mutter unergründlich an. „Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist, Haha-ue. Am Anfang war er mir gegenüber ebenso kalt und abweisend, wie er sich gegenüber jedem anderen verhält. Ich war seine Reiseführerin und er mein zeitweiliger Herr“

Sie schloss kurz die Augen und atmete sichtbar tief durch. „Tôran hat sich etwas dabei gedacht, mich mit ihm zu schicken. Sie wollte, dass ich mehr über ihn herausfinde, ihr seine Schwächen verrate, damit sie ihn für sich gewinnen könnte. Das hat sie wohl schon sehr lange gewollt. Irgendwann habe ich verstanden, wie falsch das war, was sie von mir verlangte. Sesshômaru… der Fürst liebt nichts mehr als seine Freiheit. Die Gerüchte, die man hörte, sie stimmen. Er ist beinahe die gesamte Zeit nach dem Tod seines Vaters und bis jetzt durch die Gegend gezogen, hat kaum hier vorbeigesehen. Ich weiß nicht genau, was er suchte, was er finden wollte, aber ich denke, dass das Gerede, er suche Macht, lange Zeit gestimmt hat. Und er hat eine Macht erlangt, die die seines Vaters noch übertrifft. Aber erst in den letzten Jahren hat er wohl wirklich wahrgenommen, was er will. Und sie hier ist nicht ganz unschuldig daran“

Natsus Hand strich leicht über Rins Wange, vorsichtig nur, um das schlafende Mädchen nicht zu wecken.
 

„Ein Menschenmädchen?“ Natsus Vater, der mit dem Rücken an der Fensterbrüstung stand und das ganze Geschehen bisher eher skeptisch beobachtete, meldete sich zu Wort.
 

Natsu lächelte schal. „Sie ist viel mehr als das. Ja, sie ist ein Mensch, aber sie hat es geschafft, das Herz des Fürsten zu erreichen, sie hat es geschafft, von ihm als Tochter gesehen zu werden und sie sieht ihn als Vater. – Rin ist ein Waisenkind. Ihre Eltern wurden von Banditen ermordet. Seit sie den Fürsten kennengelernt hat, vertraut sie Yôkai mehr als anderen Menschen. Und… wenn ich es richtig verstanden habe, lebt sie bereits ihr drittes Leben“
 

Natsus Vater kniff die Augen zusammen. „Drittes Leben? Wie meinst du das, Tochter?“
 

Die junge Löwendämonin sah zu ihm auf, ihre Augen waren nachdenklich. „Sie wurde von Wölfen getötet, da war sie vielleicht acht oder neun. Der Fürst hat sie wiederbelebt, als er sie zufällig fand. Rin konnte mir den Grund nicht nennen, sie ist wohl auch wenig objektiv, was das angeht, aber sie wusste, wie er es getan hat. Seine zweite Klinge, Tenseiga, sie ist in der Lage, Tote wiederzuerwecken. – Das zweite Mal war nach Rins Auskunft eine ‚hübsche, weißhaarige Hundedämonin‘ dafür verantwortlich – ich vermute fast, sie meint die Fürstinmutter. Aber den Anfang hat Sesshômarus Tenseiga gemacht. So hat er auch dafür gesorgt, dass Kin überhaupt zur Welt kommen konnte“

Der letzte Satz kam nur leise, fast tonlos.

Nur zu gut erinnerte Natsu sich an diesen Tag in Musashi, der Tag, an dem Sesshômaru ihr klargemacht hatte, dass er wollte, dass sie das Kind bekam.
 

„Warum denn das?“, wollte Amaya prompt wissen, die bisher stumm zugehört hatte. Diese Tiefe der Geschichte kannte sie schließlich auch nicht.
 

Natsu schluckte etwas. „Als… als ich merkte, dass ich neues Leben unter dem Herzen trug, sind mir die Sicherungen durchgebrannt. Ich wusste, dass es Probleme mit sich bringen würde, unsägliche Probleme sogar. Also habe ich versucht, den Lebensfunken auszulöschen“, berichtete sie zögernd. Ihre Handlungsweise war damals sicher alles andere als ehrenvoll gewesen, Natsu war wenig überrascht, als allen Zuhörern die Gesichtszüge entgleisten, selbst Kagome, die nur den stillen Zaungast spielte.

Natsu hatte das durchaus bemerkt.

Sie wandte der jungen Miko den Kopf zu. „Du siehst doch, was hier geschehen ist. Gäbe es Kin nicht, hätte der Fürst mich nicht zu sich geholt, was hätte Tôran dann machen können? Sie… wenn ich ehrlich bin, habe ich fast geahnt, dass sie dieses Geschehen nicht stumm mit ansehen wird. Ich habe geahnt, dass sie irgendwie auf eigene Faust handeln würde. Allerdings habe ich eher mit einer offiziellen Kriegserklärung gerechnet, oder einem Attentat auf mich. Warum sie ‚nur‘ Kin entführt, weiß ich wirklich nicht“
 

„Sie wollte Sesshômaru leiden sehen. Sie wollte so tun, als überließe sie es ihm ob das Kind überlebt. Als würde sie den Kleinen verschonen, wenn er sich ihr unterwirft“, mischte sich auf einmal jemand ganz nah hinter Natsus Vater ein und einzig Kagome erkannte den Schattenriss, zu dem die Gestalt im grellen Gegenlicht verkommen war, die lautlos auf das Fensterbrett gesprungen war.

„InuYasha! Du bist wieder da“, rief sie erfreut und strahlte erleichtert.
 

Natsus Vater wich etwas erschrocken zur Seite, er hatte sich auf seine Tochter konzentriert und somit nicht mitbekommen, was hinter ihm geschah.
 

Der Hanyô nutzte das, um in den Raum zu springen, er grinste Kagome kurz zu.
 

Die junge Miko war aufgesprungen, wollte ihn befreit umarmen, als sie in der Bewegung erstarrte. „Du bist ja verletzt!“
 

InuYasha zuckte mit den Hundeohren und winkte mit dem gesunden Arm ab. „Nichts Wildes, das heilt wieder. Sesshômaru hats heftiger erwischt und diese bescheuerte Katze kann froh sein, dass sie noch in einem Stück ist. Hat sie einzig ihrer Mutter zu verdanken“, winkte er flapsig ab, ehe er sich an Natsu wandte – und seine Miene plötzlich ernst wurde.

Er atmete sichtlich tief durch, ehe er weitersprach: „Sesshômaru hat Tôran rechtzeitig gestellt. Euer Sohn lebt – aber er wird wohl niemals Sesshômarus Erbe sein können“
 

Natsu, die die ganze Zeit über hoffnungsvoll zu ihm aufgesehen hatte und sichtlich nur wegen Rin nicht aufgesprungen war, zog scharf die Luft ein, in ihren Augen spiegelten sich Glück und Sorge zugleich. „Hat… hat das Zeichnen etwa nicht geklappt? Aber-“, sie verstummte, weil InuYasha den Kopf schüttelte. „Das ist es nicht. Euer Sohn trägt ein Zeichen, auch wenn es etwas sonderbar ist. Aber… Tôran muss beim Versuch ihn ruhigzustellen etwas in ihm zerstört haben. Es scheint, als sei er blind“
 

Die Augen der Löwendämonin weiteten sich erschrocken, sie spannte sich an, tastete unwillkürlich wieder nach Himitsutsu, das bisher neben ihr gelegen hatte.
 

„Lass es, Natsu. Sie ist genug gestraft“, sagte eine andere Stimme und ein jeder erkannte den emotionslosen Tonfall darin.
 

„Sesshômaru…“, flüsterte die Löwendämonin leise, ließ den Arm aber sinken und sah zu ihm auf.
 

Er stand auf dem Fensterbrett, mit dem Rücken an der Wand lehnend, ebenso nur ein Schattenriss wie InuYasha zuvor.
 

„Se-Sesshômaru-sama?... Sesshômaru-sama, Ihr seid wieder da…“, erklang da plötzlich Rins schläfrige Stimme, sie versuchte sich aufzurappeln, stützte sich dabei aber auf den verletzten Arm und verzog das Gesicht, verlagerte ihr Gewicht schnell auf den anderen Arm um sich ins Sitzen zu stemmen. „Ist…“, setzte sie an.
 

„Ja, Rin, dein kleiner Bruder ist in Sicherheit“, antwortete Natsu, noch bevor Rin zu Ende gesprochen hatte und strich dem Menschenmädchen eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe sie sich selbst erhob. Ihre Stimme klang dabei gefasst und ruhig, allerdings bei weitem nicht so gefühllos wie Sesshômarus.

Eine besorgte Wärme lag darin, als sie ans Fenster trat, den Blick fest auf den Inuyôkai gerichtet – und auf das, was er im Arm hielt.
 

Ohne dass seine Miene etwas verriet, reichte er ihr das Kind hinab. Blut rann dabei über seinen linken Arm, den er noch immer nur mühsam bewegen konnte, auch wenn er langsam auftaute. Blut hatte auch seinen Haori an der Brust durchtränkt, ebenso wie den Stoff, in den das Kind gehüllt war.

Aber niemand sagte etwas dazu.

Natsu wusste, auf die Frage nach seinem Befinden hätte sie sowieso keine Antwort bekommen und alle anderen wussten nicht so recht etwas mit diesem Szenario anzufangen.

Der Rest der Löwenfamilie erst recht nicht, denn niemand, der nicht näher mit ihm zu tun hatte, kannte diese sanfte, fast familiäre Seite an Sesshômaru. Sorgfältig hielt er sie normalerweise versteckt.
 

„Wenn Tôran noch lebt, wie lautet dann ihre Strafe für das, was sie unserem Sohn angetan hat?“, wollte Natsu leise wissen.
 

Alle Anwesenden erstarrten, als ihnen Sesshômarus Reaktion gewahr wurde.

„Hab‘ ich das gerade richtig gesehen? Hat er gelächelt?“, fragte Kagome tonlos.
 

InuYasha zuckte die Schultern. „So ähnlich“, gab er zurück, wobei ihm durchaus klar zu sein schien, wie es zu einem solchen Verhalten bei Sesshômaru kam.

„Kuraiko hat da eine sehr interessante Idee gehabt. Scheint so, als habe sie das Nekoschloss schon länger unter Beobachtung gehabt, ehe sie sich wieder irgendwo gezeigt hat. Tôran bleibt am Leben, ja. Aber ansonsten bekommt sie genau das Gegenteil von dem, was sie gerne gehabt hätte“, fuhr der Hanyô dann fort, weil er merkte, dass sein Halbbruder offenbar nicht in der Stimmung war, genauer zu erklären, was Kuraiko da geplant hatte.

„Das hat sie nun davon, dass sie Kin über die Klippen gestoßen hat. Es war pures Glück, dass ich ihn noch erwischt habe. Ein stabiler Felsvorsprung weniger und ich wäre stattdessen ebenfalls abgestürzt. – Und diese Schluchten sind tiefer als Tokajins“
 

Den letzten Einwand in InuYashas Worten verstand nur Kagome sich zu deuten und ihre Augen weiteten sich entsetzt, ehe ihre Aufmerksamkeit auf Natsu gelenkt wurde, die zu InuYasha herumgewirbelt war.

„Über… die Klippen?“, fragte sie tonlos und drückte ihren Sohn intuitiv fester an sich.

InuYasha ahnte, dass die Nachfrage rhetorisch gemeint gewesen war und antwortete nicht.

Dennoch war er vollkommen perplex, als Natsu plötzlich auf ihn zu kam. „Ich danke dir für deinen Einsatz“, sagte sie herzlich.

So kam InuYasha zu einer zweiten, dankbaren Umarmung in kurzer Zeit.

Er wirkte mehr als überrumpelt und als Natsu ihn wieder freigab, dauerte es einen Moment, ehe er sich genug gefangen hatte, dass er weiterreden konnte: „Äh, ja, jedenfalls… Kuraiko hat jemanden in der Hinterhand, an dessen Seite Tôran von nun an stehen wird – wenn auch zwangsweise“
 

„Eine Heirat?“, vergewisserte Natsus Vater sich unwillkürlich, „Mit wem?“
 

Sesshômaru hob ein wenig den Kopf. „Yukio“, konstatierte er kurz, woraus ersichtlich wurde, dass auch er von der Urkönigin der Panther nicht mehr als den Namen erfahren hatte.
 

Amaya verzog amüsiert das Gesicht, sagte aber nichts.
 

Die Erleichterung, die im Raum schwebte, ließ die Grenzen zwischen den Dämonenarten verschwimmen, selbst das Tôran Kin offenbar das Augenlicht geraubt hatte, wog in diesem Moment nicht so schwer, wie man hätte meinen können.

Niemand, nicht einmal Natsus argwönischer Vater glaubte mehr, dass Sesshômaru seine neue Gefährtin und seinen Sohn deswegen verstoßen würde.
 

„Sag mal, was hat Kuraiko dir da eigentlich noch gesagt, hm?“, wollte InuYasha schließlich nach einem Moment der Stille wissen.
 

Sesshômaru löste sich von der Wand und schwebte vom Fensterbrett ins Zimmer hinab.

Als er nach einem Moment antwortete, klang seine Stimme gewohnt gleichgültig, eigentlich völlig unpassend der gewichtigen Aussage: „Sie meint, solange sich Tôran nicht stabilisiert hat, habe sie wieder das Recht Entscheidungen zu fällen. Und sie sagt, sie sei einverstanden mit der Umsiedelung. Die Fürsten von Kitsune, Ookami und Tori haben von vorne herein nichts dagegen gehabt, die Kuma halten sich aus der Sache raus. Hebi und Tokage sind überstimmt, von nun an ist es beschlossene Sache: Die Dämonenvölker werden umziehen.“

Sayo's Lied

"Riiiin“

Jakens quäkende Stimme schallte quer über den Trainingsplatz.
 

„Hier bin ich doch, Jaken“, erwiderte das Mädchen und kam von der Seite her auf den kleinen Krötendämon zu.
 

Jaken schrak etwas überrascht zusammen, ehe er sich schüttelte und zu Rin aufsah.

Sie war gewachsen, im vergangenen Jahr, aber er hatte ja schon immer zu ihr aufsehen müssen.

„Was tust du denn noch hier draußen?“, wollte er wissen.
 

Rin lachte fröhlich. „Ganz einfach. Arata-sensei hat eine letzte Trainingsstunde angesetzt, ehe wir morgen aufbrechen“, erklärte sie lebhaft, ehe sie sich auf dem Absatz umdrehte und zurück in die Richtung lief, aus der sie gekommen war.
 

Jaken blickte ihr perplex nach. „Es ist unglaublich, dieses Mädchen. Im letzten Jahr ist sie noch unausstehlicher geworden, seit sie trainiert, oh, gami, das darf einfach nicht wahr sei-“

„Willst du meine Entscheidungen anzweifeln?“, unterbrach Sesshômarus kühle Stimme den Krötendämon.

„N-nein, Sesshômaru-sama! Niemals!“, beteuerte der Krötendämon sofort und warf sich zu Boden, verneigte sich mehrmals, Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. „Es… es ist nur… die Fürstin befahl mir, Rin zu holen, damit sie auf den Prinzen aufpasst“, fuhr er stockend fort.
 

Sesshômaru sah ausdruckslos auf ihn hinab. Wie er Natsu kannte, hatte sie Jaken eher gebeten, aber der nahm es mit derlei Einschätzungen nie so genau. „Geh und sag Rins Zofe, sie soll das übernehmen“, trug er dem Krötendämon auf und der hastete stolpernd davon.

Sesshômaru würdigte ihn keines Blickes mehr, stattdessen wandte er sich dem Tor in der Schlossmauer zu, wo Masa stand und alles koordinierte.

Die Inu-Schamanen standen um sie herum und lauschten.

Daneben wurden die Wachen eingeteilt, die schon heute aufbrachen und den Weg absicherten. Wenn Morgen alle aufbrachen, würden auch genug wehrlose Diener und Bedienstete mit im Zug sein.

Die goldenen Augen des Inuyôkai wanderten hinauf zum Himmel. Es war Frühsommer, ein schöner Tag. Etwas mehr als ein Jahr war nun Ruhe gewesen.

Seit die Zustimmung für die Umsiedlung durch war, war alles verblüffend schnell gegangen. In insgesamt fünf Treffen hatten die Fürsten abgeklärt, was abzuklären war. Morgen war es soweit. Mithilfe der jeweiligen Schamanen würden die Fürstensitze im Original auf die Inseln verfrachtet, die Bewohner zogen hinterher. Alle Fürstentümer würden es so halten und auch einige der nicht organisierten Dämonenvölker hatten sich angeschlossen, darunter einige Pferde, Rehe, Krähen und andere Vogelvölker, Wildschweine, Falter, Affen und einzelne Marderhunde. Ihn ging das wenig an. In diesem Sinne war jeder für sich verantwortlich.

Sein Blick wanderte zu dem Fenster hoch, hinter dem sich Natsus Gemach befand. Kurz überschatteten sich seine Augen. Er hätte glücklich sein können, hatte er sie nun doch offiziell an seiner Seite und niemand versuchte mehr etwas dagegen zu unternehmen. Offenbar hatte Kuraiko ihre Tochter gut im Griff, denn von Tôran war nichts mehr zu hören.

Aber Sesshômaru wurde dennoch jeden Tag aufs Neue an ihre Taten erinnert, mit jedem Blick, den er auf seinen Sohn warf. Kin war noch immer blind.
 

~*~
 

In ihrem Gemach, an ihrem Schreibpult kniete Natsu derweil und schrieb einen Brief. Sie und Amaya hielten so am Leichtesten Kontakt, auch wenn sie sich seit jenem Tag vor etwa vierzehn Monaten nicht mehr gesehen hatten.
 

Liebe Schwester,

ich bin froh, dass du inzwischen besser zurechtkommst. Tamoko hat dich gut vorbereitet, und Nori und Tadako haben ihr Werk fortgeführt. Wenn ich mir deine letzten Berichte so anschaue, machen sie das gut. Ich bin stolz auf dich, imouto-chan.

Oh, was ist in den letzten Monaten nur alles passiert. Wenn mir jemand vor nur drei Jahren erzählt hätte, dass du heute oberste Schamanin und ich Fürstin der Hunde mit Sohn und Ziehtochter sein würde – ich hätte ihn wohl für verrückt erklärt.

Oh, Amaya, manchmal habe ich immer noch das Gefühl, es nicht glauben zu können, auch wenn das Glück nicht ungetrübt ist.

Kin ist noch immer blind, der Fluch konnte nicht gebrochen werden. Seit du es damals versucht hast, habe ich immer wieder aufs Neue gehofft. Sogar Kagome hat es versucht, sie hat es wohl schon einmal geschafft, einen recht starken Fluch zu brechen. Aber gegen diesen hier kam sie nicht an. Mein Ältester wird wohl tatsächlich nie Erbprinz sein können, ganz so wie Kuraiko-oba-san das wohl damals schon prophezeihte. In diesem Punkt weiß ich nicht mehr weiter und es hält mich davon ab, wirklich befreit in die Zukunft zu sehen.

Dabei gäbe es so viel Dinge zu berichten, die nicht düster sind, sondern, im Gegenteil, sehr gut.

Seit Rin vor über einem Jahr mit dem Training bei Arata angefangen hat, hat sie viel gelernt. Sie ist dabei so euphorisch bei der Sache wie bei jeder anderen und hat es inzwischen geschafft, sich mit mehr Leuten als nur Arisu anzufreunden.

Sogar der zweite Schüler Aratas scheint etwas aufzutauen, seit sie ihn sich vorgenommen hat. Manchmal bleiben sie am Kampfplatz, wenn der jeweils andere trainiert. Ich glaube, aus den beiden könnten noch Freunde werden.

InuYasha geht hier ein und aus. Ich weiß noch, wie traurig ich es damals fand, dass Sesshômaru und sein Bruder so gar nicht miteinander klarzukommen schienen. Von Rin und Kagome habe ich inzwischen erfahren, dass es schonmal weit schlimmer war, als zu dem Zeitpunkt, als ich InuYasha kennenlernte. Aber inzwischen benehmen die beiden sich wirklich wie Brüder – auch wenn sie sich oft genug gegenseitig aufstacheln. Aber das wird sich vermutlich nie ändern.

Ja, viel ist geschehen, das sehe ich immer wieder, wenn ich so wie jetzt darüber nachdenke. Und wenn es nach mir geht, kann es gerne so friedlich bleiben.

Mit ein wenig Glück bekomme ich in ein paar Jahren einen zweiten Sohn, dann ist endgültig alles politisch korrekt. Wie sich das anhört! Aber deswegen wird Kin ja nicht weichen müssen.

Eigentlich sollte ich darüber lächeln können. Ausgerechnet Sesshômaru, der eiskalte Hund, der unter den Neko noch verschrieener war, als jeder andere Inuyôkai, ausgerechnet er sieht davon ab, seinen gehandicapten Sohn zu verstoßen. Auch wenn ich es nie erzählt habe, so kannst du dir sicher denken, dass ihn und mich mehr verbindet als sein Ehrgefühl ob dieser einen Nacht. Einmal hat er es ausgesprochen, ein einziges Mal nur. Seit dem weiß ich es. Dennoch bin ich unheimlich froh, dass sich alles so gefügt hat. Nun, genug der Nachdenklichkeit.

Liebste Schwester, drück‘ die Daumen, dass wir uns morgen sehen. Theoretisch müssten sich unsere Wege ja kreuzen. Ich freue mich, dich endlich wiederzusehen.

Deine Natsu
 

Die junge Löwendämonin legte den Schreibpinsel zur Seite.

Sie und ihre Schwester schrieben sich oft genug Briefe, sodass das Meiste auf diesem Papier sicher nichts Neues mehr für Amaya war, aber es war ein gutes Gefühl noch einmal Revue passieren zu lassen, was die letzten Monate geschehen war. Es war eine Umbruchsituation, nie hatten die Fürsten so einig beisammen gestanden und nie hatte so eine entscheidende Wendung in dem Leben der Yôkaivölker Einzug gehalten.

Sie ahnte, dass das nicht unbedingt von langer Dauer sein würde, aber solange es so war, war es erstaunlich. Und Morgen würden sie umziehen.
 

Hinter sich hörte Natsu, wie Moe, die inzwischen ihre offizielle Zofe war, ihre Kleidung für die Reise zu recht legte.

Natsu sah an sich hinunter. Im letzten Jahr hatte sie selten etwas anderes als einen Kimono getragen. Morgen würde sie sogar wieder eine Rüstung haben, Sesshômaru hatte ihr eine neue anfertigen lassen.
 

Sie wusste, dass einige Diener darüber tuschelten, Rin hatte, unbefangen wie sie war, oft genug ausgeplaudert, was Arisu ihr von der Gerüchteküche im Schloss erzählte. Aber weder das eine, noch das andere machte Natsu groß etwas aus. Im Gegenteil, ihr gefiel es, dass sie solcherart über die Geschehnisse im Schloss informiert war. Früher war sie das immer gewesen, aber ihr Kammerdiener, ein alter ToraYôkai, der seit einem Kampfunfall keine Gefahr für ihre Ehre mehr dargestellt hatte, und sie hatten ja auch mehr als dieses Geheimnis gehabt. Von ihm wusste sie alles, was sie kampftechnisch und strategisch drauf hatte. Gemeinsam mit Kuraikos… Verhaltensunterricht war sie zu einem Charakter geformt worden, der oft genug sauer aufgestoßen war, das wusste sie genau. Aber es interessierte sie recht wenig. Von denen, die ihr wichtig waren, war sie immer akzeptiert worden, wie sie war.
 

~*~
 

Rin war derweil zurück am Trainingsplatz.

Arata wartete schon auf sie, ganz in der Nähe stand auch Kôhei, lehnte am Stamm eines Baumes, ganz, als ginge ihn das alles nichts an.

Sein Blick ging sonstwohin, aber Rin kannte ihn inzwischen gut genug um zu wissen, dass an seiner Teilnahmslosigkeit nicht so viel dran war, wie er gerne glauben machen wollte. Also schenkte sie ihm ungeachtet seines abgewandten Blickes ihr üblich strahlendes Lächeln, sich sehr bewusst, dass er es aus dem Augenwinkel sehrwohl wahrgenommen hatte.
 

Auch Arata hatte die Geste gesehen und schmunzelte still in sich hinein, während er das einfache Übungsschwert aus der Scheide zog und es Rin hinhielt. Inzwischen war es eines mit metallener, wenn auch stumpfer, Klinge und wenn sie so weitermachte, würde er den Fürsten wohl demnächst ansprechen, damit Rin eine richtige Waffe bekam.

Mit amüsiert blitzenden Augen sah er zur Seite. Vielleicht sollte er danach mal versuchen, Kôhei und Rin gegeneinander trainieren zu lassen. Das wäre mit Sicherheit ein Anblick. Noch immer waren die beiden im Verhalten die vollkommen gegenseitigen Pole.

Kôhei, der stille, stets disziplinierte aber unlustige junge Dämon und Rin, das stets fröhliche, gesprächige Menschenmädchen, dass es mit der Disziplin nur dann genau nahm, wenn ihr gerade nichts besseres einfiel.

Aber jetzt sollte er sich erst einmal auf Rins eigenes Training konzentrieren.

Er nahm den Holzstab auf, den Rin treffen sollte. Wenn er selbst eine Klinge nähme, wäre die Gefahr zu groß, sie zu verletzen und das wäre fatal. Für Rin und für ihn, denn Sesshômaru hatte direkt zu Beginn deutlich klargemacht, was er davon gehalten hätte.

Sie war zwar im vergangenen Jahr schneller und gewandter geworden, ihre Statur war sehniger als zuvor – und erwachsener, weiblicher, nebenbei bemerkt –, aber sie war und blieb ein verletzlicher Mensch, den jede geschlagene Wunde mehr leiden ließ als jeden Dämon. Aber das war nun einmal Tatsache und er glaubte einen Weg gefunden zu haben, damit umzugehen.

„Na los, auf geht’s, Rin“, forderte er ruhig.

Solange sie allein auf dem Trainingsplatz waren, behandelte er seine Schülerin so, wie sie es wollte, das hieß, er sprach sie einfach nur mit Namen an. Wenn sie wollte, konnte sie sehr vehement protestieren, wenn man sie zu höfisch behandelte. Sie hasste diese Scheinheiligkeiten, hatte sich vielmehr damit arrangiert, wie kontrovers die Ansichten der Schlossbelegschaft über sie als menschliche Fürstentochter waren.
 

Sie hatte derweil den Schwertgriff nachgefasst und lief nun auf ihn zu.
 

~*~
 

Auch in Musashi wurden die Zelte abgebrochen. InuYasha übernahm es, den Reitdrachen, den Sesshômaru ihm interessanterweise geschickt hatte, zu bepacken. Es war nicht AhUhn, und dieser hier war deutlich weniger leutselig, dafür aber ebenso gehorsam.
 

Shiori achtete derweil auf Sangos und Mirokus Kinder.
 

Die Dämonenjägerin und der Mönch waren seit ein paar Wochen in geheimer Mission unterwegs und würden, der Planung nach, erst in ein paar Tagen zurückkehren.

Kaede würden sie ihnen dann hinterherschicken, denn die alte Miko hatte entschieden zu bleiben.

Frei nach dem Motto: „Alte Bäume verpflanzt man nicht“, hatte sie erst gar keine Anstalten gemacht, sich dem Umzug anzuschließen.
 

Aber sie half natürlich dennoch, reichte InuYasha manche Dinge an, die er dann auf dem Rücken des Reitdrachen festzurrte. Decken, Proviant, Stoffe, Kleidung, Saatgut, was die Dorfbewohner ihnen eben alles mitgaben. Nur die schweren Dinge holte er selber.
 

Yume, das seit seiner Rückkehr im Dorf geblieben war, stand dabei mehr im Weg herum, als das es half, aber das konnten sie alle verkraften.
 

Als sie fertig waren, setzten sie sich noch einmal vor der Hütte zusammen, die bisher Sangos und Mirokus gewesen war.

Kaede musterte die beiden, die von der bunt gemischten Truppe nur anwesend waren.

Auch Kagome fehlte.

Vor ein paar Tagen war sie von Jaken – der über diesen Auftrag alles andere als glücklich gewesen war – abgeholt worden und bereits zu den Inseln eskortiert worden, wo sie gemeinsam mit Schamanen aller Yôkaivölker erste Vorkehrungen für den Bannkreis treffen sollte.

Shiori gab sich ruhig, aber sie war sichtlich nicht besonders gut drauf. Es war über ein Jahr vergangen, seit ihrer Flucht, seit sie kein Lebenszeichen von Tián erhalten hatte und dennoch war sie sichtlich noch immer hin und hergerissen zwischen hoffen und aufgeben.

Auch Inuyasha war brummig, weil er Kagome vermisste, was er aber natürlich nicht zugab. Außerdem hielt er sich zurück, weil er wusste, dass Shiori es schwerer hatte. Er wusste wenigstens, wo Kagome war, dass sie in Sicherheit war und dass er sie bald wiedersehen würde.

Und Kaede war bei aller Bestimmtheit, mit der sie im Dorf bleiben wollte, auch bedrückt, wenn sie daran dachte, dass sie die bunte Gruppe gehen lassen musste.
 

Auch wenn sie schon einige Zeit gehabt hatten, sich auf diesen Tag vorzubereiten, ein Gespräch wollte nicht so richtig in Gang kommen und schließlich erhob InuYasha sich. „Ich geh‘ nochmal nach Jinenji schauen. Mal sehen, ob er sich entschieden hat, mitzukommen“, verkündete er und zuckte dabei doch etwas amüsiert mit den Hundeohren.
 

Sesshômaru hatte in gewisser Weise keinen Mucks gemacht, als Kagome darauf bestanden hatte, Sango, Miroku und deren Kinder mitzunehmen, aber jedes weitere Zugeständnis war ein Kampf gewesen, wenn auch nur verbal. Irgendwann hatte Sesshômaru dann aber zugestimmt, dass auch die beiden anderen Hanyô in InuYashas Bekanntenkreis mit auf die Inseln durften, sprich Jinenji und Shiori.

Shiori war froh darum gewesen. Es war offensichtlich, wie beruhigt sie gewesen war, als klar wurde, dass der Halt, den sie in Kagome und den anderen gefunden hatte, nicht auch wieder wegfallen würde.

Jinenji dagegen hatte sich gewohnt scheu gegeben, hatte noch keine klare Entscheidung gefällt. Nun, jetzt wurde es Zeit dazu.
 

~*~
 

„Gut, Rin. Lassen wir es damit gut sein“, sagte Arata und lehnte den deutlich eingekerbten Holzstab an einen nahen Felsen. „Wir sehen uns heute Abend bei der Feier“, verabschiedete er sie dann und nahm das Übungsschwert entgegen, dass sie ihm bereitwillig hinhielt.
 

Heute Abend würde ein kleiner Ball stattfinden, zu dem nur die höherrangigen Bediensteten mit eingeladen waren. Aber Arata gehörte ebenso wie seine Enkelin eindeutig dazu.
 

Rin schaute sich derweil um. „Huch… wo ist Kôhei denn hin?“, fragte sie dann mehr sich selbst als irgendjemand anderen.
 

Arata sah auf.

Tatsächlich, der junge Ookami lehnte nicht mehr an dem nahen Baum.

Arata runzelte die Stirn und witterte leicht. Dann nickte er hinüber zum jenseitigen Ende des Trainingsplatzes, wo sich eines der Botentore in der Schlossmauer befand. Wenn er seine Schüler mit hinaus nahm, gingen sie meist dort lang, schien als habe Kôhei diesen Weg genommen. Will er sich wieder abseilen? Wäre ja nicht das erste Mal, aber warum?, fragte der alte Inuyôkai sich unwillkürlich, sagte aber nichts mehr weiter.
 

Rin hatte sich seine knappe Geste auch so zu deuten gewusst.
 

Arata sah ihr schmunzelnd hinterher. Rin hatte es schon öfter geschafft, den verschlossenen, jungen Wolfsdämon zu öffnen und er vermutete insgeheim, dass sie inzwischen mehr über Kôhei wusste, als er.
 


 

Rin war derweil einfach durch das Tor marschiert.

Die Wachen hielten sie nicht auf, sie hier hinten kannten Rin recht gut.

Das junge Mädchen lief hinaus auf die Wiese, sah sich sorgfältig um. Sie kannte die geschützten Hügel, in die Kôhei sich gern zurückzog.
 

Plötzlich erklang ein Japsen neben ihr.
 

Intuitiv zuckte Rin zusammen, fuhr herum – und entspannte sich wieder.

„Miyu!“, begrüßte sie den weißen Vierbeiner, der da neben ihr stand.
 

Sie erinnerte sich noch genau, wie sehr sie erschrocken war, als Kôhei ihr die weiße Wölfin vorgestellt hatte. Zu wach noch war der Nachgeschmack ihrer Ermordnung gewesen. Aber langsam hatte sie begonnen, Miyu kennenzulernen. Die helle Fähe trug ihren Namen nicht umsonst, aber eigentlich gehörte sie zu Kôheis kleiner Schwester. ‚Lebendes Pelzkissen‘ hatte Kôhei sie einmal genannt und da hatte sie ihn zum ersten Mal etwas lächeln sehen. Rin wusste, wie sehr der junge Wolfsdämon seine kleine Schwester vermisste. Sayoko war alles für ihn, das hatte sie schnell kapiert.
 

Jetzt aber kniete Rin sich ersteinmal hin. „Kommst du Kôhei noch einmal besuchen, vor dem Umzug?“, fragte sie lächelnd und prompt leckte die helle Fähe ihr über das Gesicht.

Rin lachte noch mehr. „Wo ist er denn, hmm?“
 

Miyu japste auf und drehte sich um, jagte davon.
 

Rin beeilte sich, hinterherzukommen.

Als sie aufschloss, stand die weiße Wölfin bereits neben dem jungen Wolfsdämon und ließ sich die Wange kraulen. Sie wollte ihn ansprechen, verharrte aber in der Bewegung, als sie seine eingesunkene Haltung erkannte – und hörte, was er vor sich hin murmelte.

Nun, eigentlich war es eher ein SingSang, ein melancholischer SingSang.
 

„Still, still kleiner Stern, ich bin hier, wache über dich bei Tag und bei Nacht. Gleich was auch bald kommen mag, was das Schicksal wirkt und sich erdacht…“
 

Miyu winselte etwas, hielt aber still. Schien ganz so, als kenne sie das Lied, das Kôhei da sang.
 

„Du brauchst dich nicht zu verstecken. Ich weiß längst, dass Miyu dich hereskortiert hat“, erklang da plötzlich Kôheis Stimme, leise, rau.
 

Hätte Rin nicht genau gewusst, dass Dämonen das nur sehr selten taten, sie hätte angenommen, er würde weinen.

Langsam näherte sie sich, weit weniger heiter als zuvor. Sie konnte seine düstere Stimmung nur zu gut erkennen. Was ist denn jetzt schon wieder vorgefallen?, fragte sie sich stumm, sprach es aber nicht aus. Sie wusste inzwischen, dass er dann noch unwahrscheinlicher etwas gesagt hätte. Also setzte sie sich einfach neben ihn ins Gras und sah ihn von der Seite her an.
 

Die nachtblauen Augen des jungen Wolfsdämons blickten unergründlich, während er den Horizont anblickte.

„Ich bin ein Ookami. Ich gehöre zum Rudel des Fürsten, meine Familie ist dort“, sagte er schließlich leise.
 

Rin war sich im Klaren darüber, dass Familie insbesondere Sayoko bedeutete. Aber sie sagte weiterhin nichts.
 

„Aber umziehen werde ich mit euch, in der Gefolgschaft des Hundefürsten, ganz so, als gehörte ich nicht mehr zu meinen Leuten. Und meine kleine Schwester… ich bin nicht bei ihr, wenn es in die neue Heimat geht. Ich… es kommt mir vor, als würde ich sie im Stich lassen…“ Er seufzte tief.
 

Rin legte ihm unwillkürlich eine Hand auf den Arm.

Sie hätte nicht gedacht, dass jemanden der Umzug so traurig machen konnte. Nun, eigentlich war es ja nicht der Umzug selbst, sondern vielmehr die Struktur dessen, aber das kam auf dasselbe raus.

„Aber sie hat doch noch deinen Vater und deine Adoptivbrüder. Du lässt sie doch nicht im Stich, wenn du weiterlernst! Und hast du nicht mal gesagt, dass du gerade das nur für sie tust?“, wandte sie vorsichtig ein.
 

Kôhei senkte den Blick zu Boden. „Das stimmt auch. Sie ist Kôgas Sohn versprochen. Wenn sie in ein paar Jahren richtig verlobt werden, werde ich zum Wächter einer der beiden ‚heiligen‘ Waffen der Wolfsdämonen. Und bis dahin muss ich lernen mit dieser Art von Waffe, sprich, mit dem Naginata, auch umzugehen“
 

Es war nicht das erste Mal, dass Kôhei ihr das erzählte, aber Rin schwieg darüber. Immerhin brütete er nicht mehr stumm vor sich hin.

„Das Lied eben… du hast es für Sayoko gesungen, oder?“, fragte sie nach einem Moment der Stille.
 

Kôhei nickte wieder. Die Hand, die bisher Miyus Nacken gekrault hatte, raute deren dichtes Fell etwas auf. Darunter kam ein Halsband aus andersfarbigem Fell zu Tage. „Es ist wie ein Brief für die Ohren. Sayokos Amme hat es hergestellt, als ich ging. Miyu trägt so kleine Botschaften zwischen Sayoko und mir hin und her. Sayoko mag gerade so alt sein wie ein vierjähriges Menschenkind, sie versteht sich schon sehr gut darauf, Dinge zu kommentieren, die ich ihr berichte. Aber dieses Lied… Mutter hat es damals gesungen, seit kurz vor Sayokos Geburt. Als sie schon wusste, dass sie ihr Kind nicht lange erleben wird, hat sie das in diese Verse gekleidet. Sayoko kennt dieses Lied seit dem sie auf der Welt ist und – wer weiß – vielleicht auch schon früher. Es war Mutters einzige und letzte Botschaft an ihre Tochter. Das einzige, was Sayoko von ihr hat. Ich habe mir die Verse damals gemerkt, wenn ich bei Mutter war und ihr Gesellschaft geleistet habe“
 

Einen Moment lang wusste Rin nicht, was sie dazu sagen sollte. So sehr hatte Kôhei sich selbst ihr gegenüber noch nie geöffnet. „Es… es hörte sich sehr traurig an – aber zugleich irgendwie schön. Deine Mutter war eine gute Sängerin, oder?“
 

„Ja. – Sie hatte eine ganz weiche Stimme und sie hat gerne gesungen. Aber als sie dieses Lied zusammengedichtet hat, war sie schon sehr schwach. Manchmal war es mehr tonlos als melodisch“, gab er leise zurück und hob den Blick wieder etwas.

Und dann begann er, zu Rins Überraschung, das Lied sichtlich von vorne zu rezitieren, wieder in diesem leichten SingSang, melancholisch aber ganz mild:
 

„Still, still kleiner Stern, kleines Licht, dass noch unter meinem Herzen ruht.

Gleich wie tief die Nacht wohl auch ist, wird im Licht des Morgens doch alles gut. - Still, still kleiner Stern, der noch schläft, dort in mir geborgen all diese Zeit, hör was meine Stimme singt, mach dich bald für diese Welt bereit. - Still, still kleiner Stern, ich bin hier, wache über dich bei Tag und bei Nacht.

Gleich was auch bald kommen mag, was das Schicksal wirbt und sich erdacht. - Still, still, ach ich spür dein Herz, fühle deine Kraft von Tag zu Tag mehr.

Ist die Zeit denn nun schon nah und bringt dich so rasch hier zu uns her. - Still, still kleiner Stern, all mein Glück. Hör dies Lied und habe keine Angst.

Wild die Welt in die du gehst, doch dort sei nichts worum du je bangst. - Still, still kleiner Stern, denn dein Blut ist gesegnet von Legenden-Licht und erfüllt von Macht und Mut, die aus deines Vaters Herzen spricht. - Still, denn jede Tat alle Zeit, sei bewacht von meinem leisen Lied.

Auch wenn ich nicht bei dir bin sei es was doch niemals von dir flieht! - Still, still kleiner Stern, sieh‘ das Licht. Mein Weg endet wo nun deiner geht, doch wenn du die Augen schließt, stets der Wind mein Lied sanft zu dir weht. - Still, ich spüre Sturm und Wut, doch sei stark dein Weg ist längst bereit und mir schwindet bald die Kraft, still geliebter Stern nun ist es Zeit…“


 

Erst als Kôhei verstummte, merkte Rin, dass ihre Augen feucht waren.

Dieses Lied war tieftraurig aber tatsächlich unglaublich schön. Die Botschaft darin war so präsent, ebenso wie die tiefe Liebe, die Sayo trotz aller Schwäche und Schmerzen für ihre Tochter empfunden haben musste. Und doch war da auch die Gewissheit, dass es die einzige Botschaft sein würde. Mein Weg endet, wo nun deiner geht…, hallte es in Rins Kopf wieder.

Hingabe, das war das einzige Wort, dass Rin dazu einfiel und nun quollen die Tränen wirklich aus ihren Augen, rannen über ihre Wangen.

Rasch wischte sie sich mit dem Handrücken über das Gesicht, schluckte etwas. „Diese Verse sind wohl wirklich einmalig…“, murmelte sie vor sich hin und pflückte geistesabwesend eine kleine, orangene Blume, die neben ihr wuchs, drehte sie etwas zwischen den Fingern.
 

Erst einen Moment später merkte sie, dass Kôhei sie auf einmal ansah.

Als sie den Kopf hob und seinen Blick erwiderte, schüttelte er leicht den Kopf. „Du bist auch einmalig, weißt du das? Es gab nie jemanden, der mir so geduldig zugehört hat, wie du es nicht zum ersten Mal tust. Dabei bist du ein Mensch, bei eurer kurzen Lebensspanne ist diese Ruhe noch verwunderlicher“, bemerkte er sacht.
 

Rin blinzelte etwas, vergaß die Tränen. „Also ich finde das gar nicht verwunderlich. Gerade wir müssen doch so viel wie möglich erleben und kennenlernen, wenn wir schon nur so wenig Zeit haben. Nicht jeder hat das Glück wie ich, in den Erinnerungen anderer vielleicht Jahrhundertelang wach zu bleiben. Und schau dich doch um. Schau dir das schöne Wetter an, die Blumen. Schau, dort oben nisten Vögel. Die Welt hat viel mehr zu bieten, als wir kennenlernen könnten, auch wenn wir uns beeilen würden. Also warum dann nicht das genießen, was man vor der Nase hat? Augen offen; erleben! – Weißt du, als ich ganz klein war, hat mein Vater mal etwas zu mir gesagt, was ich damals noch lange nicht verstanden habe. Er hat gesagt, wenn er einmal nicht mehr da sein sollte, dann sollte ich nicht trauern. Ich sollte mich daran erinnern, was das Leben zu bieten hat, sollte mich auf mein Leben konzentrieren. Nur wenn ich es schaffen würde, mich ohne Trauer an ihn zu erinnern, dann wäre er froh darum. Sonst wäre er sehr, sehr traurig…“

Während ihrer kleinen Rede hatte Rin unwillkürlich die Hand gehoben und in die Umgebung gezeigt.
 

Die kleine Blume fiel ihr dabei aus der Hand und trudelte ein wenig durch die Luft, ehe sie genau vor Kôheis Nase im Gras landete.
 

Vorsichtig klaubte er sie auf, seine Züge waren plötzlich nachdenklich geworden. „Das ist deine Lebensphilosophie, oder? Das Leben nehmen wie es kommt und einfach erleben. Das ist bewundernswert, Rin, wirklich“
 

Rin schüttelte heftig den Kopf. „Jeder kann sich öffnen, Kôhei. Ich weiß, du tust immer so, als ob du von der Welt nichts wissen willst. Aber ist das denn wirklich so? Bist du nicht in Wirklichkeit einfach nur verprellt, durch das Erlebnis dessen, was man deiner Mutter angetan hat? Du hast doch erzählt, der Täter ist inzwischen bestraft worden. Warum nimmst du das nicht als Neuanfang? Öffne die Augen, Kôhei! Lebe!“

Sie merkte kaum, wie sehr sie sich in Rage geredet hatte und wie aufmerksam der junge Wolfsdämon sie dabei musterte.
 

Selbst ein jeder, der Rin schon länger kannte, hätte sie wohl jetzt mit offenem Mund angestarrt.

Ihre Worte sprachen genau von der Unbefangenheit und Lebensfreude, die sie immer zeigte, aber sie klangen zugleich auch richtig gewählt, ja, fast erwachsen. Sie mochte inzwischen über fünfzehn sein, so kannte man sie dennoch nicht.
 

Kôhei erschien auch wie erstarrt, es dauerte eine Weile, bis er ihre Worte verarbeitet hatte. „Meinst du wirklich, ich… könnte das?“, fragte er schließlich fast tonlos.
 

Rin sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. „Jeder kann das“, wiederholte sie im Brustton der Überzeugung. „Versuche es einfach. Nimm deine Umwelt wieder wahr“
 

Nach einem Moment nickte Kôhei etwas, ohne den Blick von ihr zu nehmen. Ehe er es sich versah, hatte er sie dankbar an seine Brust gezogen.
 

Rin lächelte leicht. Offenbar hatte sie ihn geknackt.

Als er sie wieder loslies, verharrte sie einen Moment, ehe sie sich wieder aufrichtete.

Wieder trafen sich ihre Blicke, flüchtig diesmal nur, aber in diesem Augenblick spürte sie auf einmal ein angenehmes Kribbeln, das sich nicht so schnell wieder verflüchtigte. Für ein paar Herzschläge schien die Zeit nicht mehr existent.
 

Und plötzlich beugte Kôhei sich noch einmal vor und gab ihr einen scheuen Kuss auf die Wange.

Im nächsten Moment aber zuckte er bereits zurück und sprang auf. „Entschuldige, Rin. Das… sollte ich nicht tun, ich… gehe wohl besser“, murmelte er und ehe Rin etwas einwenden konnte, war er bereits auf und davon.
 

Unwillkürlich hob sie eine Hand und fuhr mit den Fingerspitzen über die Stelle, die seine Lippen gestreift hatten, während sie ihm entgeistert nach sah.

„Was war das denn?“, fragte sie, in Ermangelung eines besseren Ansprechpartners, die weiße Wölfin, die noch immer neben ihr saß und sie fast andächtig beobachtete.

Miyu legte den Kopf nur noch ein wenig mehr schief, woraufhin Rin dann doch lächeln musste.

Was hatte sie denn auch erwartet, wenn sie selbst es schon nicht verstand. Weder Kôheis Verhalten, noch das seltsame, warme Gefühl im Bauch…

Schock

Als InuYasha sich dem Kräuterfeld näherte, auf dem Jinenji lebte, witterte er bereits, dass der andere Hanyô nicht allein war – und InuYasha kannte die Witterung. Was tut der denn hier?, wollte er für sich wissen, verlangsamte seine Schritte und blieb schließlich am Rande des Waldgürtels stehen.
 

Jinenji saß neben der Hütte, wie üblich ins Kräuterpflücken vertieft und direkt vor der Hütte saß seine Mutter und unterhielt sich mit einer Gestalt in graublauem Haori und ebensolcher Hakama.

Yutaka…

Offensichtlich waren sie in ein angeregtes Gespräch vertieft.
 

Langsam näherte InuYasha sich. Wenn Yutaka oder Jinenji etwas gegen seine Gegenwart hätte, hätten sie längst aufgeblickt, er dürfte für beide in Reichweite ihrer Sinne sein.

Und so konnte er das Gespräch mit anhören.
 

„Sie haben also bemerkt, dass ich ein Uma bin. Nun, nach allem was ich hörte, dürftet Ihr der Mensch sein, von dem man das am Ehesten erwarten kann“, Yutaka war sichtlich amüsiert und auch Jinenjis Mutter wirkte nicht halb so brummig wie sonst.

„Das will ich wohl meinen“, gab sie nur zurück.
 

InuYasha dachte kurz nach.

Uma. Pferdedämon. Ihm war das ja keine neue Erkenntnis. Aber er verstand nun. Jinenjis Vater war schließlich auch ein Pferdedämon gewesen, wenn er auch inzwischen verstorben war.
 

„Genau aus dem Grunde bin ich hier. Haben Sie schon gehört, wozu die Dämonen sich bereit machen?“, fragte Yutaka nun ernster.
 

„Sie ziehen um, ja. Mein Sohn wurde ja bereits gefragt, ob er mitgehen würde“
 

Nun schien der Dämon überrascht. „Wie kam es denn dazu?“
 

„Ganz einfach. Ich hab‘ gesagt, sie könnten mitkommen. – Hey, Yutaka“, mischte InuYasha sich ein.

Schien ja ganz so, als habe der Pferdedämon ihn nicht entdeckt, weil er anderweitig konzentriert gewesen war.
 

Jetzt zog Yutaka die Augenbrauen hoch. „InuYasha? So sieht man sich wieder“, kommentierte er trocken.
 

„Allerdings. – Hallo Jinenji!“, gab InuYasha zurück, setzte sich allerdings nicht zu den beiden anderen sondern blieb stehen.
 

„Hallo InuYasha. – Du kennst ihn?“, antwortete Jineji und sah nun auf, näherte sich ein Stück.
 

InuYasha unterdrückte ein Grinsen.

Schien ganz so, als sei Jineji der Besuch mal wieder nicht geheuer.

„Ganz Recht. Ich bin ihm schonmal über den Weg gelaufen. – Aber weswegen ich eigentlich hier bin, Jinenji: Hast du dich entschieden? Kommst du mit? Ich meine, wenn die Dämonen hier verschwinden, werden die Menschen in ein paar Jahrzehnten zu leugnen beginnen, dass es sie je gegegeben hat. Und dann hast du es noch schwerer“

InuYasha gab nicht zu erkennen, dass er als Argument eiskalt Miroku zitierte, aber die Begründung war ja auch logisch.

Allerdings ahnte er, dass ein anderes Argument vermutlich besser gezogen hätte, aber das sprach er dann doch nicht aus. Kagome würde sich sicher freuen…
 

„Ich wäre bereit, ihn im Auge zu behalten“, mischte sich zugleich Yutaka ein, den Blick weiterhin Jinejis Mutter zugewandt.

Die schien zu verstehen, was er meinte, war offensichtlich erfreut.
 

Inuyasha brauchte dagegen einen Moment, dabei war es eigentlich klar: Jinejis Mutter war alt, älter vermutlich als Kaede. Sie würde vielleicht noch ein paar Jahre mitmachen, aber lange nicht mehr. Ein Unterstützer war dann sicher nur recht, aber InuYasha konnte nicht so recht nachvollziehen, warum. Und das wollte er wissen. „Warum?“
 

Yutaka sah zu ihm, seine Augen waren unergründlich.

„Erstens kannte ich Naoki – Jinejis Vater. Aber darum geht es nicht. Du weißt, mit wem ich reise, InuYasha. Ich habe meine Herde verlassen, um mich ihm anzuschließen. Aber damals hielt mich nichts mehr bei meinen Leuten, denn ich war verschrien. Und das lag an meinem Sohn, der mir von klein auf nur Ungemach bereitet hat. Wenn mein jetziger Begleiter Recht hat, wirst du den Namen meines Sohnes kennen: Entei“
 

~*~
 

Rin war inzwischen wieder am Schloss, gerade half Arisu ihr den Kimono für den Ball anzuziehen.

Er war von der gleichen flammenfarbenen Tönung wie jener, den sie bereits auf dem Fürstentreffen zu Natsus Rettung getragen hatte.

Allerdings war Rin inzwischen gewachsen und auch ihre Haare waren nun länger, flossen weich über die Schultern hinab.
 

Vorsichtig steckte ihre Zofe ihr eine orangegelbe Chrysantheme in den Schopf. „Fertig, Rin“, sagte sie dann und inzwischen ging es der SikaYôkai leicht von den Lippen, ihre Herrin nur mit Namen anzureden, wenn sie allein waren.
 

„Danke, Arisu. Wenn du möchtest, kannst du gehen, ich gehe allein nach unten“, gab Rin zurück und lächelte ihre Freundin leicht an, ehe sie sich umwandte und aus dem Fenster sah.

Noch immer spukte es ihr im Kopf herum, was am Nachmittag geschehen war. Kôheis seltsames Verhalten am Ende hatte sie ziemlich durcheinander gebracht. Warum war er bloß so fluchtartig abgehauen?
 

In ihrer Nachdenklichkeit bekam Rin nicht mit, wie Arisu den Raum verließ und sich in richtung jener Räume begab, die der Dienerschaft Schlafmöglichkeit gaben, sofern sie das denn brauchten. Auch Arisu wollte ihr Habe noch zusammenpacken, wenn es auch nicht viel war.
 

Nicht weit entfernt, auf dem Gang, hatte jemand beobachtet, dass die Zofe sich entfernte, die Hime aber nicht sofort folgte. Ein leichtes Grinsen legte sich auf seine Lippen.

Das war seine Chance.

Diese Zofe passte ja sonst auf wie ein Schießhund, ließ ihre Herrin kaum aus den Augen, aber diesmal war sie unaufmerksam gewesen.

Langsam pirschte er sich an die Schiebetür heran und schob sich hindurch, vollkommen lautlos.

Erst im Zimmer setzte er die Füße etwas deutlicher auf.
 

Rin sah sich nicht um. „Ich habe doch gesagt, dass du gehen kannst, Arisu“, bemerkte sie nur gelassen, ohne vom Fenster wegzugehen.
 

Er grinste erneut. „Wer behauptet, dass deine dämliche Zofe zurück ist?“, fragte er feist und noch ehe das junge Mädchen erschrocken herumwirbeln konnte, packte er zu, zog sie ruckartig an sich, hielt sie fest.
 

Rin zuckte heftig zusammen, verhielt sich aber ansonsten ganz still. „W-wer…“, fragte sie stockend.
 

„Unwichtig. Glaubt mir, werteste Hime, Ihr braucht es nicht zu wissen…“, murmelte er schleimerisch, ehe er ihre Haare beiseite strich und die Lippen in ihren Nacken presste.
 

Rin versteifte sich, wand sich hin und her, versuchte instinktiv sich zu wehren, kam aber nicht gegen den harschen Griff an. Klauen bohrten sich in ihre Hüfte, als er fester zupackte.
 

Die Crysantheme fiel zerfleddert zu Boden, als Rin den Kopf zurückriss und panisch aufschrie.
 

Die Antwort war nur ein hämisches Lachen. „Es hört dich niemand, Liebste. Sie sind alle längst beim Bankett oder anderweitig beschäftigt – so wie wir“

Den letzten Worten hörte man das dreckige Grinsen regelrecht an.
 

Wieder versuchte Rin sich aus seinem Griff zu befreien, bekam eine Hand frei und versuchte ihn zu kratzen, aber da sie nunmal nicht die harten Klauen einer Yôkai besaß, brachte das nichts.

„W-was willst…“, setzte sie an, kam aber nicht dazu, die Frage zu Ende zu bringen.
 

„Weißt du das etwa wirklich nicht?“, wollte die Stimme in ihrem Rücken wissen und ein Handrücken strich mit abscheulicher Sanftheit über ihren Arm, sodass sie sogar durch den Kimonostoff ein Schauder durchlief.
 

Angstvoll keuchte sie auf, als sie endlich begriff, was sie nicht hatte wahrhaben wollen.

Die beständigen Warnungen Arisus kamen ihr wieder in den Sinn. Ihre Zofe und Freundin hatte also doch recht gehabt. Allein war sie hier nicht sicher. Das zeigte sich gerade nur zu gut.

Aber eine Chance hatte sie noch.

Mit einer heftigen Bewegung warf sie den Kopf herum und versuchte erneut um Hilfe zu schreien: „Sessho…chh“

Sie würgte entsetzt, als sich ihr eine Hand fest auf den Mund presste, ihren Ruf unterband.

Wenn die Panik sie bis jetzt noch nicht überwältigt hatte, dann tat sie es jetzt. Ein eiskalter Schauer nach dem anderen rann ihr über den Rücken und unwillkürlich traten Tränen der Furcht in ihre Augen, sie versuchte verzweifelt sich aus dem Arm zu winden, der um ihre Taille geschlungen war.
 

Der einzige Erfolg dessen war, dass ihr Peiniger sie vom Fenster wegzerrte und unbarmherzig zu Boden drückte.
 

Rin wand sich hin und her, entkam ihm aber nicht, er zog sie immer wieder zu sich zurück.

Dann gelang es ihr doch, sich herumzudrehen und zum ersten Mal sah sie das Gesicht ihres Angreifers. Dunkelblonde, fast graue Locken, ein längliches, jungenhaftes Gesicht, bräunlichgrüne Augen. Das war einer der einfachen Diener. Ein Inu, kein starker aber immer noch um ein vielfaches stärker als sie.

Rins Brustkorb bebte, aber sie wusste, dass sie keine Chance mehr hatte. Jetzt konnte er mit ihr anstellen, was er wollte. Und was er wollte, war mehr als deutlich. Sie versuchte jetzt nicht mehr, sich zu wehren, sondern kroch nur so gut es ging in sich zusammen, im absurden Versuch, sich so lange es ging, zu schützen, es hinauszuzögern, jede Minute erschien ihr kostbar, während die Tränen haltlos und heiß über ihre Wangen flossen.
 

Nie hatte sie sich so hilflos gefühlt.

Nichteinmal in einer der unzähligen Situationen, in denen sie in Lebensgefahr gewesen war. Immer war Sesshômaru im rechten Moment zur Stelle gewesen, oder wenigstens Jaken oder AhUhn.

Hier und jetzt konnte sie auf keine Hilfe hoffen. Es war zu spät.
 

Halbherzig versuchte sie den Kopf zur Seite wegzudrehen, als der Diener sich neben sie kniete und sie zu küssen versuchte, obwohl sie eigentlich wusste, dass das nichts bringen würde.

Unbarmherzige Finger packten ihr Kinn und hielten sie fest, während er seine Lippen hart auf ihre presste, die andere Hand war auf ihre Schulter gelehnt, hielt sie am Boden, so sehr sie auch strampeln mochte. Ein erneutes Würgen ballte sich in ihrem Hals zusammen, sie krümmte sich, versuchte zu treten, aber der junge Dämon ließ sich davon wenig beeindrucken, wenn sie überhaupt traf.
 

Schon packte seine Hand nach dem Kragen ihres Kimono, seine Klauen hinterließen blutige Striemen auf ihrer Haut, wie als Warnung. Er würde sicher auch nicht davor zurückschrecken, sie ernsthaft zu verletzen, wenn er nur seinen Willen bekam.
 

Zitternd versuchte Rin das Würgen herunterzuschlucken, kroch noch ein wenig mehr in sich zusammen, als seine Finger über ihre bloße Schulter, ihren Oberarm strichen.

Mutlos kniff sie die Augen zusammen, wollte wenigstens sein feistes Grinsen und das begehrliche Glitzern seiner Augen nicht mehr sehen, wollte nicht beobachten müssen, wie er den Kimonostoff quälend langsam weiter von ihrem Körper zerrte, ganz als wollte er genüsslich ein Geschenk auspacken.

Seine andere Hand strich nun ihren Schenkel hinab – und dann hörte sie nur noch ein ersticktes Aufkeuchen, einen gurgelnden Schrei und ein Poltern.
 

Unbewusst zog Rin die Beine enger an den Körper, rollte sich herum und kauerte sich zusammen. Niemand hielt sie mehr davon ab.

Dafür erklang nun ein kreischender Laut, wie von Metall, das an Metall entlangschrapte. Als sie vorsichtig die Augen öffnete, erkannte sie durch die Tränenschleier auch, was geschehen war.
 

Ihr Peiniger war aufgesprungen, an seiner Schulter nahe der Kehle pulste Blut aus einer tiefen Wunde.

Vor ihm stand eine weitere Gestalt, deren Klinge gerade mit der kleinen Silberskulptur aufgehalten worden war, die normalerweise auf einem Regalbrett stand. Offenbar hatte der eigentliche Diener wahllos zugegriffen.

Noch ehe Rin sich weiter rühren konnte, duckte die andere Gestalt sich ab, sprang vor, drehte sich und umging damit die stümperhafte Abwehrbewegung. Blut spritzte, als die Klinge ihres Retters diesmal die Kehle ihres Peinigers durchdrang und der gurgelnd zu Boden ging. Schon als sein Kopf aufschlug, war sein Blick gebrochen.
 

Rin wandte rasch den Blick ab, presste die Lider aufeinander, versuchte die unwillkürlich aufsteigenden, schlaglichtartigen Bilder ihrer Erinnerung zu verdrängen, die groben Klingen der Banditen, die ihrer Familie das Leben raubten.

So viele Jahre hatte sie Ruhe vor diesen Erinnerungen gehabt, jetzt, angesichts der schrecklichen Situation und des Kalküls, mit dem ihr Retter den tödlichen Schlag geführt hatte, kamen sie alle wieder hoch.

Mühsam versuchte Rin ihren Atem zu beruhigen. „Es ist vorbei… es ist vorbei…“, murmelte sie einem Mantra gleich vor sich hin und obgleich ihre Stimme dabei zitterte, beruhigte sie sich tatsächlich langsam wieder.
 

Doch plötzlich ließ ein tiefes Knurren sie erneut zusammenfahren, instinktiv öffnete sie die Augen, versuchte aber nicht auf die Leiche zu starren, die ganz in ihrer Nähe lag.

Das war auch gar nicht nötig.

Es war nämlich die auf ein Knie niedergegangene, wie eine Bogensehne angespannte Gestalt dahinter, die ihre Blicke auf sich zog.

Rin glaubte ihren Augen nicht zu trauen, als sie ihren Retter erkannte. „Kôhei…“, wisperte sie fassungslos, rappelte sich hecktisch auf.
 

Der junge Wolfsdämon hatte den Kopf gesenkt, sein Haar war offen, wallte auf, als ob Wind darunterfuhr. Aber es war vollkommen still, bis sein erneutes Knurren die Luft erzittern ließ.
 

In diesem Moment rückte alles in den Hintergrund, was in den letzten Minuten geschehen war.

„Kôhei!“, rief sie halblaut und ließ sich vor ihm auf die Knie sinken, rüttelte ihn leicht an der Schulter.
 

„Nie wieder… nie wieder lasse ich so etwas zu…“, knurrte Kôheis raue Stimme und Rin wusste wirklich nicht, woher sie die Stärke nahm, ihre Stimme fest klingen zu lassen: „Richtig so, nie mehr musst du soetwas zulassen. Aber ich bin in Ordnung, Kôhei, du bist rechtzeitig gekommen, ich bin in Ordnung…“

Seine angespannten Muskeln erzitterten, er knurrte erneut dumpf auf, Rin war sich für einen Augenblick nicht sicher, ob er ihre Stimme überhaupt erkannt hatte, ob er wusste, dass sie nicht auch sein Gegner war. Er wirkte ganz so, als sei er nahe dran, die Kontrolle zu verlieren.

Doch dann, einen endlosen Moment später entspannte sich sein Körper plötzlich, er ließ das Tachi fallen, an dem noch das Blut des Dieners klebte und schloss stattdessen die Arme um sie, zog sie an sich.

Trotz dessen, was sie gerade erlebt hatte, kam keinerlei ungutes Gefühl in ihr hoch, im Gegenteil, seine feste Umarmung, sein warmer Körper spendeten Trost und Sicherheit.

Und plötzlich brach der Schock mit voller Kraft über sie herein, zitternd sank sie in seinen Armen zusammen, wieder flossen Tränen, Tränen der Erleichterung, aber auch Tränen der durchstandenen Angst, des Entsetzens, das sie durchlebt hatte.
 

Kôhei zog sie noch ein wenig enger an sich. Ihr ohnehin zierlicher Körper wirkte auf einmal zerbrechlich und klein, völlig schutzlos. Wenn er daran dachte, wovon er diesen verdammten Diener gerade noch abgehalten hatte, drehte sich ihm der Magen um.

Mit einer vorsichtigen Bewegung zog er ihr den Kimono wieder über die Schulter, rührte sich aber ansonsten nicht, wartete nur, bis ihr Zittern abgeklungen war, ihre Tränen langsam versiegten.

Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, es war ihm auch völlig egal.

Zum Glück war er noch draußen gewesen, sodass ihr panischer Schrei ihn erreicht hatte. Als er gesehen hatte, wie dieser idiotische Bedienstete sie von der Fensteröffnung wegzerrte, war ihm sofort klargewesen, was der vorhatte. Zu gut kannte Kôhei diese schrecklichen Spielchen. Und zu gut kannte er die Folgen, die soetwas haben konnte.

Wenigstens war es bei Rin erst gar nicht so weit gekommen. Sie hatte Recht. Er war gerade noch rechtzeitig gekommen.

Wenn er schon damals, an diesem unsäglichen Tag auf dem Plateau noch ein Stück nördlich der Rudelhöhle, seine Mutter, seine ungeborene Schwester nicht hatte beschützen können, so war er wenigstens diesmal rechtzeitig zur Stelle gewesen.

Dieses grazile, junge Menschenmädchen, dem es schon so oft gelungen war, zu seinem Herzen durchzudringen, das ihm endlich klargemacht hatte, dass nur er selbst es war, der etwas an seiner Einsamkeit ändern konnte, das hatte er retten können.

Und ungeachtet der ekelerregenden Geruchmischung von Blut und Tränen, von Angst und erloschenem Begehren, spürte Kôhei plötzlich eine tiefe Ruhe in sich aufsteigen.

Vorsichtig löste er sich von Rin, sanft streiften seine Lippen ihre Stirn, ehe er sich erhob.

„Ich werde dich immer beschützen, Rin. Immer…“, flüsterte er leise, ehe er lautlos den Raum verließ.
 

Zurück blieb eine zusammengekauerte Rin, deren Kimonosaum sich langsam mit dem Blut des toten Dieners vollsog.
 

Und genau diese Szenerie erfassten die goldenen Augen, als angelockt von Rins Angstgeruch eine neue Gestalt in der Schiebetür erschien.
 

-
 

Sesshômaru krallte seine Hand fest in das helle Fell an seiner Schulter, unterdrückte nur mühsam ein Knurren voller Zorn.

Er war noch auf einem Rundgang am anderen Ende des Schlossgeländes gewesen, hatte die beunruhigende Witterung nicht mitbekommen.

Erst als er ins Schlossgebäude zurückkehrte, war sie zu ihm gedrungen und er hatte keine Sekunde mehr gezögert. So recht wusste er nicht, was er von der Szenerie vor seiner Nase halten sollte, aber sein Interesse galt auch nur der zusammengekauerten Gestalt seiner Ziehtochter, deren zarte Haut noch von Tränennässe glänzte.

Da hörte er plötzlich rasche Schritte hinter sich, er wusste sofort, wer sich da näherte.
 

„Sesshômaru! Was ist de… oh, gami! Rin! – Sesshômaru, was ist hier geschehen?“ Natsus Stimme überschlug sich fast, als sie sich an ihm vorbeidrängelte und sich ungeachtet des steifen Fürstenkimonos neben Rin auf dem Boden niederließ, ihre Ziehtochter in ihre Arme zog.
 

Rin ließ es geschehen, als sei sie eine kraftlose Puppe.
 

Kurz schloss Sesshômaru die Augen. Er ahnte, dass Natsus Frage rhetorisch gemeint gewesen war, sie konnte sich das vergangene Geschehen genausogut erschließen, wie er.

Doch als er die Lider wieder öffnete, entdeckte er die auf dem Boden liegende Klinge. Sie war von Blut verschmiert, beinahe war das blaue Schmuckeisenband nicht mehr zu erkennen, welches ihre stumpfe Seite schmückte. Sesshômaru kannte diese Waffe. Arata hatte sie seinem Schüler anfertigen lassen, aus welchem Grund auch immer.

Einen Moment brauchte der Inuyôkai, ehe ihm der Name einfiel. „Was hat dieser Kôhei damit zu tun?“, fragte er unwillkürlich.

Er erwartete keine Antwort und war doch etwas überrascht, als Rins noch schwache Stimme erklang: „Er hat mich gerettet, Sesshômaru-sama. Er hat mich vor dem Unaussprechlichen bewahrt…“
 

~*~
 

„Entei?“ InuYashas entsetzte Nachfrage glich fast einem Brüllen.

Ausgerechnet dieses Höllenross, dass Hakudoshis Reittier gewesen war sollte der Sohn von Kirins Begleiter sein?

So recht wollte InuYasha das nicht glauben. Aber nach dem Ruf, den Entei hatte, hatte Yutaka das sicher nicht zum Spaß behauptet.
 

Jetzt nickte der Pferdedämon, langsam, gewichtig. Seine Miene zeigte Schmerz und Trauer. „Du kannst mir ruhig glauben, InuYasha. Entei ist mein missratener Sohn gewesen – und der Mörder seiner Mutter“
 

InuYashas Augen weiteten sich noch weiter. „Muttermörder?“
 

Yutaka schlug die Augen nieder. „Ganz genau. Entei war schon immer bösartig und auf Macht aus. Er hat von mir, als auch von seiner Mutter eine gehörige Portion davon mitgekriegt, aber das hat ihm nicht gereicht. Schon als Kind begann er zu morden, die Yôki seiner Opfer zu absorbieren, dadurch dass er eine Kraft besaß, die mit Energie hantiert, war ihm das möglich. Eines Tages folgte meine Gefährtin ihm, wollte ihn zur Rede stellen, ihn davon abhalten. Er ließ sie von einer Feuersbrunst verschlucken und nahm sich auch ihre Macht.

Damals war er mit einem elfjährigen Menschenkind vergleichbar, kindköpfig, unvernünftig und doch zugleich mörderisch und blutrünstig. Das ist eine schreckliche Mischung.

Kurze Zeit später kam es heraus, er wurde von der Herde verstoßen. Sein erster Weg führte ihn zu einem bösartigen Yôkai in der Nähe, er wollte erfahren, wie er an noch mehr Macht käme, war bereit alles dafür zu geben. Schließlich auch seine menschenähnliche Gestalt. Daher kamen seine ungeheuren Kräfte und daher kam seine ausnahmslos tierische Gestalt. Er wollte ein Daiyôkai werden und hatte doch nie gelernt, dass das nur unter besonderen Voraussetzungen möglich ist. Entweder man wird als Daiyôkai – als erblicher – geboren oder man muss bestimmte Vorgaben erfüllen. Vorgaben, die Entei nie erfüllte“

Yutaka seufzte ein wenig, eingedenk der düsteren Erinnerungen, die Umstehenden schwiegen.
 

Selbst InuYasha, der düstere Schicksale ja nun gewöhnt war, war wie erschlagen.

Er hatte angenommen, die Legenden, die man sich über Entei erzählte, würden stimmen und vielleicht taten sie es auch auf eine gewisse Weise. Aber mit diesem Ursprung hatte er nicht gerechnet. „Warum erzählst du das gerade jetzt?“
 

„Ganz einfach. Damals, als ich von der Herde wegging, gab es einige wenige, die versuchten mich aufzuhalten, die mir noch wohlgesonnen waren. Naoki gehörte dazu. Als ich schon mit meinem jetzigen Begleiter unterwegs war, bin ich ihm noch manchmal über den Weg gelaufen. Naoki war eigen, ein Eigenbrötler aber friedlich wie kaum ein anderer. Dass er zu den wenigen Yôkai gehörte, die sich mit Menschen verstanden, war fast selbstverständlich.

Als ich ihn das letzte Mal sah, Wochen vor seinem Tod, da erzählte er mir von seinem Sohn. Seinem Sohn, der seine Sanftheit geerbt habe. Auch wenn ich wusste, dass die meisten Hanyô nicht lange überleben, freute ich mich für ihn. Ich, der von seinem eigenen Sohn so enttäuscht worden war, ich freute mich, dass wenigstens ein alter Bekannter mit seinem Nachkommen Glück gehabt hatte. Als ich vor ein paar Jahren hörte, dass Entei besiegt worden war, hatte ich das Gefühl endlich abschließen und neu anfangen zu können. Hätte ich geahnt, dass Jinenji bis jetzt überlebt hat, hätte ich ihn vielleicht schon damals besucht. Um zu sehen, was aus dem Sohn eines alten Freundes geworden ist. Ob er sich so entwickelt hat, wie Naoki sich das gewünscht hätte. – Und, ja, ich bin sicher, er hat es getan. Mein erster Eindruck zumindestens sagt mir, dass du, Jinenji, das sanfte, hilfsbereits Wesen und seine Liebe zu den Kräutern vollkommen übernommen hast“

Mit den letzten Sätzen hatte er sich zum ersten Mal direkt an Jineji gewandt, klargemacht, dass die gesamte Geschichte eigentlich mehr für den Pferdehalbdämon bestimmt gewesen war, der während Yutakas Erzählung Schritt für Schritt näher gekommen war.

Offenbar legte er seine Skepsis langsam ab.
 

Auch InuYasha nickte nun, zuckte aber gleich darauf mit den Hundeohren. „Es dämmert bald, ich muss zurück. Kaede wartet. Was ist nun, Jinenji, kommst du mit auf die Inseln? Wär‘ doch schade, wenn ich Sesshômaru umsonst die Erlaubnis abgerungen hätte“ Bei seinem letzten Satz grinste der weißhaarige Halbdämon.
 

Jinenji wiegte leicht den Kopf hin und her. „Kagome wird mit dir gehen, oder?“, wollte er dann leise, fast verlegen wissen.
 

InuYashas Ohren zuckten erneut. „Sie ist ja längst da“, kommentierte er lakonisch. „Ist das jetzt ein Ja?“
 

Jinenji nickte.
 

„Na also. Ich dachte schon, das wird nie etwas mit der sinnvollen Antwort“, brummte InuYasha.

Doch im gleichen Moment verspannte er sich etwas, witterte.

Was bitte wird das?
 

Auch Yutaka hatte den Kopf gehoben. „Ich höre es. – Witterst du genauer, InuYasha? Gefahr?“
 

InuYasha schüttelte den Kopf. „Menschen. Zum Großteil wenigstens. Aber ich habe trotzdem keine Ahnung, was das soll“

Er verriet nicht, dass er einige der Gerüche zu erkennen meinte. Erstmal wollte er abwarten.
 

*
 

Wenige Meter entfernt, im Unterholz rund um das Kräuterfeld duckten sich derweil drei Gestalten zusammen.
 

„Was meinte die Aijin wohl damit, dass wir das hier als Prüfung betrachten sollen?“, murmelte eine leise Stimme vor sich hin.
 

„Vermutlich dasselbe, was sie die ganze Zeit über meinte, wenn sie diese Worte nutzte: wir sollen uns beweisen“, antwortete eine andere, als habe sie nicht gemerkt, dass die Frage rhetorisch gemeint gewesen war.
 

„Baka! Hast du sie dir nicht angesehen? Irgendetwas ist anders“
 

„Ich sehe sie mir grundsätzlich nicht an, weil der Hoshi mich sonst erdolcht“
 

„Du meinst wohl, dich davor warnt, dass die Aijin dich danach erdolcht“
 

„Hai, itoko“, kam es treu amüsiert.
 

„Brav“
 

„Könnt ihr eure Spielchen nicht auf andermal verschieben? Übrigens… ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber das da vorne sind eindeutig keine Oni. Ob sie wohl herausfinden will, ob wir unseren bisherigen Job tatsächlich gut genug beherrschen um ihn erfolgreich auszuüben, solange die Zielperson nicht gerade sie ist?“, fragte jemand Drittes ernst.
 

„Unsinn. Sie hat doch wohl mehr als deutlich gemacht, was sie von dem hält, was unser ehemaliger Herr aus unserem Volk gemacht hat“
 

„Tja, deswegen nennt Onee-chan es eine Herausforderung. Ihr werdet schon sehen, was da so besonders ist. Und jetzt beeilt euch, sonst sind wir eher entdeckt, als wir handeln können“, meldete sich eine weitere Stimme zu Wort.
 

„Da habt Ihr wohl Recht, Kohaku-san“, gab der erste Sprecher zurück, nickte der Gestalt, die oberhalb von ihnen auf einem dicken Ast hockte, höflich zu.

Kohaku grinste in sich hinein. Nun, er war ja auch eingeweiht, in welche Falle seine Schwester ihre neuen Begleiter gerade tappen ließ.

Die drei unter ihm schoben sich weiter zum Waldrand vor, die Finger um ihre Dolche geschlossen.

Sie sind gut, das steht fest. Man hört sie kaum, sie wissen mit den Schatten zu verschmelzen. Mal sehen, wie sie zurechtkommen…, dachte er.
 

Der erste der drei glitt nun langsam auf das Feld hinaus, fixierte aus dem Schatten, in dem er sich unsichtbar wähnte, die Gestalt, die nahe einer kleinen Hütte stand und sich umsah.

Sie stand mit dem Rücken zu ihm, das Gesicht den beiden Personen zugewandt, die an der Hüttenwand saßen, eine alte Dame und ein Mann mittleren Alters mit ungewöhnlichen, rötlichen Haaren.

Er zog seinen Dolch und duckte sich ein wenig, als er sich weiter näherte. Seine Konzentration richtete sich auf die Gestalt, die mit dem Rücken zu ihm stand, weißes Haar leuchtete in der Dämmerung.

Noch jemand Altes? Aber die Haltung ist so gerade… Er runzelte etwas die Stirn, schlug seinen warnenden Instinkt aber in den Wind und stürzte vor.

Eine Hand ergriff den roten Stoff der Kleidung, die andere Hand wollte den Dolch an die Kehle setzen – und wurde noch vorher von eisernen Fingern abgefangen. Er unterdrückte ein schmerzhaftes Aufkeuchen, als ihm das Handgelenk zur Seite gebogen wurde, so sehr, dass er den Dolch fallen ließ.

Dann eine rasche Bewegung des rot gekleideten Kerls und plötzlich fand der ‚Angreifer‘ beide Arme auf seinem Rücken wieder, festgehalten von nur einer Hand.

Aus dem Augenwinkel erkannte er jemanden von seinen Kumpanen näher schleichen, offenbar um ihm zur Hilfe zu kommen. Er versuchte eine abwehrende Kopfbewegung zu machen, aber dazu kam es nicht mehr. Noch ehe sein Kumpan den Rotgekleideten berühren konnte, war dessen freie Hand zurück geschnellt und hatte mit dem Gelenk die Schläfe seines Kumpanen getroffen. Mit einem Stöhnen sank er benommen in die Knie.
 

Da legte sich plötzlich ein trotz der Dämmerung deutlich sichtbarer Schatten über den Rotgekleideten und eine neue Stimme erklang. „Es reicht, InuYasha. Geh‘ nicht zu grob mit ihnen um“
 

Angesprochener stieß belustigt die Luft aus. „Unter einer Bedingung, Sango. Du erzählst mir, was dieser Aufruhr soll. Jinenjis Mutter hat sich bestimmt zu Tode erschreckt“
 

Selbst der Mann in InuYashas Griff hörte heraus, dass der letzte Satz nicht ganz ernst gemeint war, ehe er gleich darauf erschrocken aufkeuchte, weil er vorwärts gestoßen und losgelassen wurde.

Im letzten Moment gelang es ihm, sich abzufangen und – wenn auch unelegant – auf den Beinen zu bleiben.

Sein Blick glitt automatisch nach oben, wo die Stimme hergekommen war, auf die der Rotgekleidete geantwortet hatte. „Aijin!“, sagte er entrüstet.
 

Benannte sah auf ihn hinab, während sie entspannt auf dem Rücken der schwebenden Säbelzahnkatze saß, nicht einmal im Kampfanzug sondern im Kimono und obendrein im damenhaften Seitsitz, als könnte sie kein Wässerchen trüben.

Ihre Augen blitzten amüsiert. „Beruhige dich, Sachio. Ich hätte euch nicht gehen lassen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass er euch längst bemerkt hat. Dann wäre es ohne Vorwarnung gefährlich geworden. So ist InuYasha keine Gefahr, dazu ist er viel zu lieb“
 

„Na danke auch, Sango“

„InuYasha! Wenn du dich so verhälst, brauchst du dich nicht wunde-“

„Warum kommen mir diese Worte gerade unheimlich bekannt vor?“

„Weil Kagome genau die gleichen wählte, als ich dich noch… skeptisch betrachtet habe, mein Freund“
 

Der Mann sah während des raschen Schlagabtausches etwas verwirrt zwischen beiden Parteien hin und her und erhaschte dabei zum ersten Mal einen genaueren Blick auf den, den er eben hatte angreifen wollen. Trotz der weißen Haare war das Gesicht jungenhaft und jetzt fiel ihm auch ein Detail auf, dass er bisher garnicht betrachtet hatte: Der Kerl hatte Hundeohren auf dem Kopf. Ein Dämon? Ein echter Yôkai? Davon hatte der Mann noch nicht viele zu Gesicht bekommen.
 

In diesem Moment setzte die Nekomata auf dem Boden auf, Sango blieb aber auf ihrem Rücken.

„Mal im Ernst, InuYasha. Lass‘ mir doch auch ein bisschen Spaß“
 

„Den Spaß andere gegen mich zu hetzen?“
 

„Du bist der Einzige, von dem ich weiß, dass er im Zweifelsfall vorsichtig genug mit ihnen umgeht, Hanyô-san“ Sie lächelte offen.
 

Dem jungen Mann entgleisten sämtliche Gesichtszüge. Hanyô?
 

„Sachio, Mund zu!“, meldete sich da eine andere Stimme und Miroku näherte sich, Kohaku und drei weitere junge Leute sowie Katashi im Schlepptau.

Verwirrte Stille machte sich breit, während Sango, Miroku und Kohaku InuYasha und die anderen nun richtig begrüßten, Koume und die vier Fremden sich etwas abwartend im Halbkreis darum herum aufstellten, auch der zwischenzeitlich von InuYasha ausgeknockte.
 

Schließlich hielt InuYasha seine Neugier nicht mehr zurück. „Und was soll das Ganze jetzt? Was machen die Fremden bei euch?“
 

Miroku schmunzelte, hielt aber den Mund.

Kohaku warf seiner Schwester einen vielsagenden Blick zu, überließ ihr das Sprechen.

Kirara legte daraufhin etwas den Kopf in den Nacken und stieß ein Brüllen aus, aus dem pures Glück klang.

Und Sango richtete sich auf dem Rücken der Nekomata vollendst auf und ihre Augen bekamen einen ganz neuen Glanz, als sie verkündete: „Das, InuYasha, das ist die neue Generation der Taijiya!“

Therapie

"Ich mache mir solche Vorwürfe, Ojii-san! Es war meine Aufgabe, auszuwählen, wer den Privattrakt bewacht und ich habe versagt“ Masa stieß ein unwilliges Knurren aus und ballte die Hände in ihrem Schoß zu Fäusten.
 

Arata legte besänftigend eine Hand darauf. „Du konntest nicht ahnen, dass er zu soetwas fähig ist. Rin ist so ein Sonnenschein, ein wunderbarer Charakter. Aber das muss nicht jedem gefallen. Ich fürchte, dieser Jungspund war eifersüchtig“, gab er ruhig zu bedenken.
 

Masa knurrte erneut, wütend auf sich selbst. „Natürlich. Oh, ich hätte auf Rins Zofe hören sollen. Arisu ist mehr als einmal zu mir gekommen und hat mich vorgewarnt, dass nicht jeder Diener es hinnehmen wird, einen höherrangigen Menschen vor der Nase zu haben. Es ist eine Schande, dass ich sie nicht ernst genug genommen habe!“
 

„Na-na, Mago. Hör‘ auf, dir Vorwürfe zu machen. Wir sollten lieber froh sein, dass es gerade noch gutgegangen ist“
 

Masa lachte trocken auf. „Ja. Weil dein Schüler so geistesgegenwärtig reagiert hat!“
 

Aratas tröstendes Lächeln gefror für einen Moment. „Ja, das haben wir nur Kôhei zu verdanken. Auch wenn ich nicht so ganz damit einverstanden bin, wie er den Diener getötet hat“
 

Masa hob etwas den Kopf und sah ihren Großvater unverständig an. „Wie meinst du das?“
 

„Du hast doch gehört, was an Kôheis erstem Tag geschehen ist, oder? Dass er durchgedreht ist? – Der Diener hatte nur zwei Wunden. Eine an der Schulter und eine durch die Kehle. Vom ersten Schlag an, war Kôhei darauf aus, ihn zu töten. Er hat an diesem Diener Rache für das genommen, was seiner Mutter angetan wurde. Ich habe dir die Geschichte ja in Kurzform erzählt, nicht wahr?“
 

Masa überlegte einen Moment und nickte dann langsam. „Á propos, wo ist er überhaupt?“
 

„Kôhei? Nicht hier. Er hatte sein Tachi in Rins Gemach zurückgelassen. Der Fürst persöhnlich hat es ihm zurückgebracht und ihm als Dank für sein löbliches Eingreifen einen Wunsch freigestellt. Kôhei bat darum, mit den Wölfen umziehen zu dürfen. Er wird erst in ein paar Tagen wiederkommen, wenn wir schon auf den Inseln sind“
 

Arata blinzelte etwas und sah seine Enkelin von der Seite an. „Du hast damals ganz Recht gehabt. Kôhei ist eine sehr eigene Persöhnlichkeit, verschlossen, traumatisiert. Es war Rin gerade gelungen, ihn ein wenig zu öffnen. Die beiden sind in den letzten Monaten richtige Freunde geworden – wenn nicht auf dem Weg zu mehr“
 

Masa kniff die Augen zusammen. „Mehr? Glaubst du das wirklich?“
 

Der alte Inuyôkai zuckte leicht mit den Schultern. „Kann gut sein. Jedenfalls tun sie sich gegenseitig gut. – Bloß muss jetzt ersteinmal Rin aus ihrer Erstarrung erwachen. Ich glaube, die Fürstin hat sie heute Nacht mit zu sich genommen, oder?“
 

„Ja, damit Rin aus dem Gemach raus ist, in dem es geschehen ist. Aber das arme Mädchen ist noch immer fertig mit den Nerven“, bejahte Masa.
 

„Das glaube ich gern. Ich kann es schlecht nachvollziehen, aber ich denke, es gibt kaum etwas Schlimmeres, oder?“, fragte Arata.
 

„Nichts, Ojii-san“, bekräftigte Masa schlicht und sah dabei ins Nichts.
 

„Du denkst an Mina, oder?“
 

Es dauerte eine Weile, bis die Verwalterin des Inuschlosses nickte.

Mina, ihre Kindheitsfreundin, der in noch recht jungen Jahren niemand rechtzeitig zur Hilfe geeilt war. Sie hatte den seelischen Gräuel nicht ausgehalten. Kaum einen Mond später war sie tot gewesen, hatte sich die Pulsadern mit den eigenen Klauen aufgeschlitzt.

„Aber Mina hatte niemanden, der ihr helfen konnte. Sie hatte keine Eltern mehr. Rin in dem Sinne auch nicht. Aber sie hat die Fürstin und den Fürsten, die sie als ihr Adoptivkind betrachten und die sie als Eltern sieht. Das wird ihr genug Halt geben“, sagte sie dann fest.
 

Arata blickte an seiner Enkelin vorbei richtung Fenster, wo die Schamanen Aufstellung nahmen.

Das Attentat auf Rin hin oder her, wegen dem gestern schon das Bankett abgesagt worden war, die Reise musste stattfinden. In wenigen Minuten würden sie aufbrechen.

Arata erhob sich, ohne den Blick wieder zu seiner Enkelin zu wenden. „Hoffen wir’s“, sagte er nur.
 

~*~
 

In Musashi ahnte niemand etwas von den dramatischen Entwicklungen am Inuschloss.
 

Die drei kleinen Kinder, die erst an diesem Morgen von der Rückkehr ihrer Eltern erfahren hatten, wuselten begeistert herum und bestürmten jeden mit unzähligen Fragen, der nicht bei drei auf den Bäumen war.

Kaede und alle anderen, die es gewohnt waren, nahmen es gelassen, die fünf Neuen wirkten leicht paralysiert. Allerdings durfte man auch annehmen, dass vier davon bisher nicht richtig geglaubt hatten, dass die, die sie mit Aijin – Herrin – ansprachen, tatsächlich dreifache Mutter war. Einzig Koume hatte es Kohaku geglaubt.
 

Während Shiori schließlich losging und den Reitdrachen holte, den sie gestern Abend hinter dem Haus angepflockt hatte, damit er des nachts grasen konnte, nahm InuYasha Sango beiseite. „Bleibt ihr nun doch hier? Ich meine, euch beide und eure Kinder hat Sesshômaru ja zugesagt, aber noch mehr von euch?“, fragte er.
 

Sango konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. „Im Gegenteil. Ich habe eine Idee…“, bemerkte sie und beugte sich vor um InuYasha etwas ins Ohr zu flüstern.
 

Der sah sie halb amüsiert, halb ungläubig an. „Keh! Na, wenn das mal gut geht“
 

~*~
 

„Rin! Rin-hime, bitte!“ Arisu zog eine verzweifelte Grimasse. Sie machte sich entsetzliche Vorwürfe, aber das musste sie im Moment zurückstellen.
 

„Lass es, Arisu. So hat das keinen Sinn. – Ach, Rin, komm her“ Natsu zog ihre Ziehtochter an sich, die bisher alles teilnahmslos über sich hatte ergehen lassen.
 

„Ja, Herrin“, antwortete Arisu und trat zurück, legte den Kimono, den sie Rin hatte anziehen wollen, wieder ab.

Dennoch wollte sie nicht ganz aufgeben, zu dem Menschenmädchen durchzudringen, dass ihr mehr Freundin als Herrin war. „Masa-donno hat mir übrigens eine Botschaft für den Fürsten aufgetragen, Natsu-sama. Sie sagt, Kôhei bedanke sich nocheinmal dafür, dass ihm seine Bitte gewährt wurde“, wandte sie sich gezielt an die Fürstin.
 

Und zum ersten Mal an diesem Morgen hob Rin etwas den Kopf. „Kôhei?“, fragte sie heiser von den unzähligen, vergossenen Tränen.

„Ja, Rin-hime. Der Fürst gewährte ihm als Dank für Eure Rettung eine Bitte“

„Welche?“

„Er wollte seine Schwester besuchen und mit ihr und den Ookami auf die Inseln umziehen“, antwortete Arisu pflichtbewusst, aber sie grinste innerlich. War es ihr also doch gelungen.

„Kommt… kommt er wieder?“

„Sicher, Rin-hime. Er wird doch seine Ausbildung nicht abbrechen“, versicherte sie neutral, diesmal verschwieg sie nichts. Von Kôheis Schutzversprechen wusste sie schließlich nichts.

„Gut…“, kam es von Rin zurück, alle Fröhlichkeit war aus ihrer Stimme gewichen aber ihr Ton war wenigstens wieder hörbar.
 

Dankbar nickte Natsu Rins Zofe zu und die erlaubte sich ein erfreutes Zurücknicken. In diesem Moment waren sie nicht Fürstin und Bedienstete, sondern ebenbürtige Wesen, die sich um jemanden sorgten, der ihnen beiden wichtig war.
 

Schließlich war es Natsu, die den Obi von Rins Yukata wieder schloss und sie vor sich aus dem Raum bugsierte.
 

„Was geschiet nun? In ihrem Zustand wird sie doch den langen Ritt auf dem Drachen nicht durchstehen, oder?“
 

Natsu schüttelte leicht den Kopf. „Ich fürchte nein. Sie ist noch vollkommen traumatisiert. – Der Fürst wird sie mitnehmen“
 

Arisu riss die Augen auf, während sie ihr einfaches, grobes Stoffbündel nahm, in dem ihre Habseeligkeiten verstaut waren. Sie hatte sich geschworen, ihrer Herrin nicht mehr von der Seite zu weichen. Als sie gestern von dem Vorfall gehört hatte, hatte sie geglaubt, ihr Herz würde stehen bleiben. Wie sehr hatte sie sich bemüht, genau so etwas zu verhindern. Sie hatte versagt, das war ihr klar und dafür hätte sie sich hart bestrafen können – wenn sie nicht gebraucht worden wäre.
 

Sesshômaru stand auf dem Flur vor Natsus Gemach und hatte gewartet, neben, hinter ihm stand Moe, Natsus Zofe, mit Kin auf dem Arm. Der blinde, kleine Prinz wirkte inzwischen wie ein nicht ganz neunmonatiges Menschenkind und verhielt sich wie immer sehr ruhig. Er war nie sonderlich agil gewesen. Nicht, seit seiner Erblindung. Und zu diesem Zeitpunkt war er ja gerade fünfzehn Tage alt gewesen.
 

„Alles bereit?“, fragte Natsu leise.
 

Sesshômaru, dessen nachdenklicher Blick auf Rin lag, nickte leicht.

„Arata, Masa und die anderen sind unterwegs“, sagte er ausdruckslos. Was dann soviel hieß, wie: Wir sind die letzten, die noch hier sind, abgesehen von den Inuschamanen, die draußen darauf warteten, das Schloss umziehen zu lassen.

Natsu nickte erneut stumm und folgte dem Inuyôkai dann hinaus, Rin vor sich her schiebend.

Das Mädchen ließ es geschehen.
 

Sesshômaru hielt sich mühsam davon ab, die Hände zu Fäusten zu ballen. Was war bloß in diesen wenigen, verhängnisvollen Minuten aus seiner stets heiteren, unbekümmerten Rin geworden? Wo war ihre Lebensfreude, ihr zwangloses Wesen, all das, was sie so besonders machte?

Mühsam eine schmerzvolle Miene unterdrückend schloss Sesshômaru die Augen, konzentrierte sich, kaum dass sie aus dem Schloss hinaus waren. Augenblicke später stand er als riesiger, weißer Hund da, legte sich hin.
 

Da Rin nur Löcher in die Luft starrte, packte Natsu sie kurzerhand fester und sprang hoch um das Mädchen in Sesshômarus Nacken zu setzen.

Die Nähe ihres verehrten Ziehvaters, das dichte, warme Fell, schienen zu Rin durchzudringen, denn unwillkürlich kuschelte sie sich hinein.

Natsu betrachtete sie kurz, ehe sie zurück auf den Boden kam um sich selbst zu verwandeln.

Arisu hatte das bereits getan, ein zierliches, rotgoldenes Reh stand neben ihnen, einzig Moe blieb in menschenähnlicher Gestalt und stieg rasch in AhUhns Sattel, Kin noch immer im Arm.

Der Reitdrache schaute bekümmert zu Sesshômarus Rücken auf, er schien zu spüren, dass etwas mit Rin nicht stimmte, aber das konnten sie jetzt nicht beachten. Sie mussten runter vom Schlossgelände, damit die Schamanen mit ihrer Arbeit beginnen konnten.
 

Also setzte Sesshômaru sich in Bewegung, erst mit langsamen Schritten, dann, als er spürte, dass Rin sich instinktiv in seinem Pelz festhielt, immer schneller.

Der Weg ins Unbekannte hatte begonnen.
 


 

Erst Stunden später rasteten sie an einem schmalen Flusslauf.

Rin ließ sich von Arisu überreden, ein wenig zu trinken und ein paar Beeren zu essen, starrte aber nach wie vor teilnahmslos in die Gegend.
 

„Sie wird es überwinden, sie braucht nur Zeit“, bemerkte Natsu behutsam, die neben Sesshômaru unter einem Baum saß und Arisus rührende Bemühungen im Auge behielt. Die Sikayôkai war wirklich ein Goldstück.
 

„Es wäre mir nur lieber gewesen, sie hätte diesen Schlag nicht abbekommen“, gab Sesshômaru ungewohnt offen zurück und jeder außer Natsu, der es hörte, tat rasch so, als habe er nichts mitbekommen, denn eine solche Ehrlichkeit des Fürsten war Privatsache.
 

Natsu aber nickte leicht, während sie nachdenklich die Lippen aufeinanderpresste. „Das wünschen wir uns alle. Ich bin mir aber sicher, dass sie nur einen Anstoß braucht, sich wiederzufinden. Das ist Schock, was sie so teilnahmslos macht. Sie ist lebensbejahend genug, sich nicht davon unterkriegen zu lassen. Aber im Moment kommt sie selbst nicht an sich heran. Vielleicht… vielleicht braucht sie einfach Nähe. Und wenn meine schon nicht hilft, dann vielleicht…“ Natsu ließ den Satz offen, aber sie wusste, dass Sesshômaru verstanden hatte.

Tatsächlich sah er sie kurz aus dem Augenwinkel an, ehe er wieder zu seiner Ziehtochter blickte. „Rin!“, rief er halblaut.
 

Tatsächlich hob sie den Kopf, blickte allerdings aus leeren Augen in seine Richtung, auch wenn sie sich erhob, die Aufforderung verstanden hatte. Kurz vor ihm blieb sie stehen.

Es war die Erinnerung an die alten Reisen, die sie hatte folgen lassen, nichts anderes.
 

„Komm zu mir“, forderte Sesshômaru sie gelassen auf und etwas zögerlich setzte sie sich neben ihn, ein paar Handbreit entfernt. Der Inuyôkai sah sie kurz an, ehe er kurzerhand ihren Arm nahm und sie behutsam näher an sich zog, bis sie an seiner Seite lehnte, den Kopf auf das weiche Fell um seine Schulter gebettet.
 

Rin wehrte sich nicht, im Gegenteil, sie entspannte sich fast augenblicklich. Und jetzt zeigte sich, dass sie des Nachts kaum geschlafen hatte, aus einem Albtraum nach dem Nächsten geschreckt war. Als sie einschlummerte, zeigte sich auf ihren Lippen ein zaghaftes Lächeln.
 

~*~
 

InuYasha und seine Gruppe hatten sich inzwischen endgültig von Kaede verabschiedet, was durchaus für ein paar Tränen gesorgt hatte – außer bei dem Hanyô natürlich – und befanden sich auf dem Weg.

Die drei kleinen Kinder saßen fröhlich zwischen all dem Gepäck auf dem Reitdrachen, Sango ritt mit Miroku auf Kirara, Kohaku hatte Koume hinter sich auf Katashi genommen und nebenher trottete Kuroro in der von ihr meist favorisierten, kleinen Form. Yutaka hatte sich bereiterklärt, dass Reitpferd für Jinejis Mutter zu spielen und so saß die nun auf einem weißen, dämonischen Pferd mit tiefroter Mähne, während Jinenji selbst, InuYasha, Shiori und der Rest der neuen Taijiya liefen.

Sie hatten keine Eile, für sie galt kein festes Programm, wann sie ankommen sollten. Das galt nur für die Fürstentümer, bei denen gleich ganze Schlossgelände mit umzogen. Noch hing jeder ob des Abschieds seinen eigenen Gedanken nach, es wurden nicht viele Worte gewechselt.
 

~*~
 

Als es dämmerte, verharrten Sesshômaru und seine kleine Gruppe noch immer an dem Flusslauf.

Rin hatte tatsächlich sehr ruhig geschlafen und er hatte sie schlafen lassen, im Wissen, dass es ihr gut tat. Menschen mussten nuneinmal schlafen, insbesondere, wenn sie es in der Nacht zuvor nicht getan hatten.

Als es dämmerte und sie im auffrischenden Wind zu frösteln begann, hatte er sein Fell etwas über sie gezogen, sich aber ansonsten nicht gerührt. Er wollte sie nicht stören.
 

Doch jetzt hob er den Kopf. Dieser Geruch in der Nähe, der gefiel ihm nicht. Ein tierischer Wolf, ein einzelner bloß, aber das bedeutete normalerweise entweder, dass er schwach oder aggressiv war – oder beides. Alle drei Optionen waren nicht sehr erstrebenswert.

Vorsichtshalber knurrte Sesshômaru unterschwellig, eine Geste der Warnung, die Wölfe genausogut verstehen mussten, wie Hunde.
 

Sofort erklang ein beschwichtigendes Japsen – und das schon ziemlich nah. Die Wölfin musste sich geschickt entgegen der Windrichtung genähert haben.

Roch sie nicht, dass hier Yôkai waren, Yôkai, die sie mit einem einzigen Klauenhieb filetieren konnten?

Oder interessierte es sie nicht?
 

Letzteres, vermutete Sesshômaru als sich kaum hundert Meter entfernt ein weißer Körper aus dem Unterholz schob, allerdings abgeduckt, abwartend verharrte. Dunkle Augen lagen fragend auf ihm.

Gleich darauf kam sie aber näher, leicht witternd, den Blick nun auf Rin gerichtet, die noch immer zu schlafen schien.

Skeptisch musterte Sesshômaru das ungewöhnliche Gebahren der Besucherin, die nun in einem recht kleinen Kreis um ihn herumstrich und dann erneut schnurgerade auf Rin zu kam. Drohend hob Sesshômaru die linke Hand, ließ die Dokka-so erwachen, nicht willends, Rin aus dem Schlaf zu reißen und sie dann auch noch ihrem Albtraum leibhaftig gegenüberstehen zu lassen. Sie hatte genug durchgemacht, der Angriff eines törichten Wolfs musste da nicht auch noch sein.
 

Zu seiner vollkommenen Überraschung hörte er da plötzlich Rins Stimme und sie klang alles andere als furchtsam. „Miyu?“
 

Die Wölfin hob etwas den Kopf, ließ die Zunge zu einem freundlichen Hecheln seitlich aus dem Maul gleiten und verharrte, den Blick nicht von Rin nehmend.
 

Etwas verschlafen hob Rin den Kopf, blinzelte. „Miyu“, wiederholte sie dann etwas fester, ohne sich weiter zu rühren.
 

Rin nennt einen Wolf ‚sanfte Schönheit‘. Dann muss sie ihn tatsächlich kennen…, beschloss Sesshômaru für sich und ließ probehalber die Giftklaue verschwinden, ohne allerdings die Hand zu senken. Auch die puren Klauen würden ausreichen, diese Wölfin notfalls in ihre Einzelteile zu zerlegen.
 

Aber die weiße Fähe rührte sich noch immer nicht, stand nur da, die Rute entspannt gesenkt, den Blick ruhig.
 

Sesshômaru stellte für sich fest, dass er nun gar nichts mehr verstand. Aber er hatte auch nicht vor, zu fragen.

Beim Anblick der Wölfin war ein leichter Glanz in Rins Augen getreten, der nichts mehr mit dem verräterischen Tränenschimmer oder der dunklen Leere des vergangenen Tages zu tun hatte.
 

„Miyu! Miyu, wo bist du denn? Miyuuuuuuuuu!“, rief da plötzlich eine eindeutig kindliche Stimme aus dem nahen Waldstück.
 

Sesshômaru hob den Kopf noch ein wenig mehr, witterte erneut. Wieder näherte sich Wolfsgeruch, aber diesmal dämonischer. Eine sehr junge Wolfsdämonin, wenn er sich nicht irrte.

Tat er nicht, denn gleich darauf preschte ein Dämonenkind auf die Wiese, das man vielleicht mit einem gut vierjährigen Menschenkind verglichen hätte. Es hatte honigfarbene Haare, die ab dem Nacken in unzählige, kleine Zöpfchen gewunden waren und strahlende, gelbgrüne Augen.

Ungeachtet der anwesenden Personen hastete es auf die Wölfin zu und fiel ihr so stürmisch um den Hals, dass die weiße Fähe beinahe umgekippt wäre.

Aber sie schien solcherart Begrüßung gewohnt zu sein, grollte nur freundlich vor sich hin und rührte sich ansonsten nicht. Erst nach einer Weile stupste sie das Kind auffordernd an, ehe ihr Blick sofort wieder zu Rin ging.

Das Kind sah auf, entdeckte nun erst Sesshômaru, erkannte den blauen Sichelmond auf dessen Stirn und kauerte sich an der Flanke der Wölfin zusammen, ohne vor Schreck ein Wort hervor zu bringen. Sie hatte bisher sichtlich nicht mitbekommen, vor wem sie da saß.
 

Sesshômaru sah darüber hinweg. „Wer bist du?“, wollte er emotionslos wissen, sodass die Kleine wieder aufsah und ihn aus geweiteten Augen anblickte.
 

Sie wurde einer Antwort enthoben, als sich erneut jemand näherte. „Imouto!“
 

Sofort rappelte die Kleine sich auf und lief dem weiteren Neuankömmling entgegen, drängte sich furchtsam und schutzsuchend an sein eines Bein. „Ani!“, murmelte sie sichtlich mit der Situation überfordert.
 

Jetzt erst sah der Dämon, der offenbar der ältere Bruder des kleinen Dämonenkindes war, sich um – und erkannte seinerseits, bei wem seine kleine Schwester gelandet war. Allerdings hatte er sich besser im Griff als die Kleine, seine Augen weiteten sich nur kurz, ehe er sich vorneigte. „Sesshômaru-sama“, grüßte er höflich.
 

Angesprochener nickte nur kurz, dafür regte sich nun Rin.

„Kôhei!“, rief sie und ihre Stimme klang um ein Vielfaches munterer, als noch vor ein paar Stunden.
 

Der junge Wolfsdämon sah wieder auf. „Rin? – Oh, entschuldigt bitte: Rin-hime?“, besann er sich gerade noch auf die bei den Inu so hochgelobte Höflichkeit.
 

Damit entlockte er Rin doch tatsächlich ein leichtes Schmunzeln. Sie schob Sesshômarus Schulterfell ein wenig beiseite und setzte sich auf. „Was machst du denn hier?“, wollte sie wissen.
 

„Eine Abordnung der Ookami lagert ganz in der Nähe. Vor ein paar Minuten ist Miyu abgehauen und Sayoko musste natürlich hinterher. Ich wollte sie nur wieder einfangen. Wo Miyu hinwollte, wusste ich nicht“, gab Kôhei ruhig zu Protokoll, ganz als würde es ihn gar nicht wundern, wie nah Sesshômaru das Menschenmädchen bei sich duldete, aber als er Rin kurz musterte, blitzte sorgenvolle Wärme in seinen Augen auf, die sich sicherlich nicht auf diese Nähe bezog.
 

Natsus Mundwinkel zuckten kurz, als sie das sah, aber sie verhielt sich ebenso ruhig wie die letzten Stunden über.
 

„Tja, sieht ganz so aus, als wollte Miyu sich nach meinen Befinden erkundigen“, sagte Rin schließlich nach einem Moment und die Wortwahl klang schon wieder ganz nach der alten Rin.
 

Über Kôheis Lippen glitt ein kurzes Lächeln. „Scheint so. – Und, wie ist das werte Befinden, Hime?“, erwiderte er und ein selten spitzer Ton lag in seiner Stimme.

Das schien genau das zu sein, was Rin aufmunterte.
 

„Besser, Kôhei-san. Um einiges besser“, formulierte sie ebenso höfisch und dann tat sie etwas, dass noch am Morgen desselben Tages undenkbar gewesen war: Sie lachte fröhlich.
 

Kôhei erwiderte das Lächeln, ehe er sich herabbeugte, seine kleine Schwester leicht von sich schob und ihre Hand nahm.

Sayoko sah erst zu ihm hoch, dann unsicher zu dem Hundefürsten und seiner Gruppe.

„Nun, Rin-hime, darf ich vorstellen? Meine kleine Schwester, Sayoko-hime“

Benannte sah zu ihrem großen Bruder auf. „Bin ich wirklich eine Prinzessin, Ani?“

Rin kicherte etwas, als Kôhei todernst meinte: „Für mich schon immer, Imouto“ Dabei ging er erst garnicht darauf ein, dass Sayoko ja eigentlich auch politisch eine Prinzessin war, seit sie dem Erben der Wölfe versprochen war. Dann jedoch straffte Kôhei die Schultern. „Wir sollten zurückgehen, Sayoko. Otou-san macht sich sonst noch Sorgen“

Die Kleine nickte heftig. „Otou-san soll sich keine Sorgen machen!“, bekräftigte sie rasch und schien ihre Befangenheit gegenüber dem Fürstenpaar längst vergessen zu haben.

„Ganz meine Meinung. – Kommst du auch mit, Miyu?“

„Miyu muss mitkommen!“, bestimmte Sayoko. „Klar, Sayoko. Das tut sie auch bestimmt. Nicht wahr? – Miyu!“
 

Die weiße Wolfsfähe ließ sich das nicht zweimal sagen. Allerdings kam sie noch kurz auf Rin zu und leckte ihr rasch übers Gesicht, ehe sie zu ihrer eigentlichen Herrin und deren Bruder zurückkehrte.
 

Rin kicherte erneut.
 

Kôhei hob kurz die freie Hand. „Dann entschuldigt die Störung, Inu no Taishô; Fürstin. Bis bald, Rin-hime!“

Damit verschwand er.
 

Rin sah ihm kurz nach, dann zuckte sie zusammen, als ihr Magen leise zu knurren begann. Fast verlegen zog sie etwas die Schultern hoch. „Entschuldige, Sesshômaru-sama“, murmelte sie vor sich hin.
 

Der Inuyôkai sah sie von der Seite an. Sie wirkte auf einmal wieder genauso lebensfroh wie früher. Soll es das schon gewesen sein?, fragte er sich unwillkürlich, aber nach außen hin wirkte seine Miene gewohnt ausdruckslos.

„Geh‘ dir etwas suchen“, forderte er das Mädchen auf, wie er es früher immer getan hatte und ebenso wie früher sprang Rin augenblicklich auf. Einen Moment später war sie schon auf dem Weg zum Flusslauf.
 

Arisu, die die kleine Verwandlung staunend und erleichtert beobachtet hatte, schloss rasch zu ihr auf. „Was habt Ihr vor, Rin?“, fragte sie.
 

Rin sah sie mit blitzenden Augen an. „Essen suchen. Ich habe Hunger“, verkündete sie locker.
 

Arisu musste beruhigt lächeln. „Nun, das kommt davon, wenn Ihr den ganzen Tag nur eine Hand voll Beeren gegessen habt“, kommentierte sie und erlaubte sich einen leicht tadelnden Unterton.
 

Rin ging nicht weiter darauf ein. „Kannst du Fische fangen, Arisu?“, wollte sie wissen.
 

Die Sikayôkai zögerte kurz. „Ich habe es nie versucht“, gab sie zu. Auch wenn sie eine Dämonin war, als Rehverwandte ernährte sie sich, sobald sie etwas zu Essen brauchte, vegetarisch.
 

Rin störte sich nicht weiter an dem Einwand. „Naja, besser als Jaken wirst du es sicher können“, verkündete sie unbefangen und setzte ihren Weg zum Wasser fort, wobei sie die Arme ganz wie früher leicht zur Seite wegstreckte.
 

Arisu folgte ihr kopfschüttelnd. Kaum zu glauben, dass das dieselbe Rin war, wie noch vor ein paar Stunden.
 


 

Ähnliche Gedanken gingen auch Sesshômaru und Natsu durch den Kopf.

„Sie ist wieder ganz die Alte“, bemerkte die Löwendämonin schließlich, während sie beobachtete, wie Rin den Saum ihres Yukatas hochkrempelte und ins flache Wasser watete.
 

Sesshômaru antwortete nicht, aber auch er beobachtete das ihm so bekannte Szenario und in seinen Augen war ein leichter Glanz, der fast einem Lächeln gleich kam. Auch er war sehr erleichtert, dass Rin zu ihrem wahren Wesen zurückgefunden hatte – und so schnell obendrein. Nicht jeder hätte solcherart Trauma so schnell überwunden.
 

Da meldete sich Natsu wieder zu Wort: „Meine Schwester würde sicher sagen, das Wiedersehen mit ihrem Retter war eine Therapie für Rin. Aber ich glaube ehrlich gesagt, da steckt mehr dahinter“
 

Sesshômaru sah sie von der Seite an, ohne etwas zu sagen.
 

Natsu schmunzelte etwas. „Na sag‘ bloß, das wäre dir noch nicht aufgefallen. Erst rettet er sie, dann macht er sich sichtlich Sorgen um sie und dann ist es offenbar auch noch er gewesen, der ihr die Angst vor Wölfen genommen hat. Und wenn ich mich des Rufes entsinne, den Kôhei im Schloss hat, verhält er sich selten so offen und aufgeweckt wie gerade eben“, zählte sie vielsagend auf.
 

Sesshômaru rührte keinen Muskel, aber insgeheim dachte er über Natsus Worte nach.

Rin und ein Ookami… ausgerechnet. Nun ja, Raion und Inu ist auch nicht weniger bemerkenswert…, fasste er für sich zusammen und auch um seine Mundwinkel zuckte er kurz, ehe er den Kopf zur Seite drehte.

Seine goldenen Iriden trafen auf die silbriggrünen von Natsu, beide leuchteten in der nahen Dämmerung. Er gab nicht preis, wie er über Natsus Detektivarbeit dachte, sondern beugte sich nur etwas vor und versiegelte ihre Lippen mit den seinen.

Für Natsu war das Antwort genug…

Ankunft

Am nächsten Nachmittag herrschte an der Nordspitze von Hokkaido reges Treiben.

Die wenigen Menschen, die hier oben lebten, wagten bei dieser plötzlichen Dämonendichte keinen Schritt vor die Haustür und sämtliche Hoshi und Miko der Gegend hatten mehr als genug zu tun, überall zur Stelle zu sein, wo man ihre Gebete zum Schutz erbat. Die Menschen hatten Angst.

Und diesmal machte nicht einmal Miroku sich einen Spaß daraus, die Menschen noch mehr zu verängstigen, denn diesmal war die Furcht in den Siedlungen berechtigt.

Diese einfachen Bauern und Handwerker konnten nicht wissen, dass hochrangige Yôkai, wie diese Reisenden, Menschen meist links liegen ließen, ihre Befüchtungen waren also verständlich.
 

Stattdessen machte die Gruppe rund um InuYasha einen großen Bogen um jegliches Dorf, weil sie sonst sehr viel Aufmerksamkeit erregt hätten. Am Einfachsten ging das, wenn sie in der Luft unterwegs waren und seit Hachi das Pech gehabt hatte, mit seiner Reisegruppe von drei anderen Tanuki der Bande über den Weg zu laufen, war klar, dass er wiedereinmal in Beschlag genommen wurde. Somit flog nun ein nicht weniger seltsam anmutender Konvoi aus Hachi, drei Nekomata und einem Reitdrachen durch den Himmel und holte inzwischen die ersten dämonischen Reisegruppen ein.
 

Die ‚Neuen‘ besahen sich die Yôkaimassen mehr als skeptisch und waren sichtlich froh, vermeintlich außer Reichweite zu sein.

Sango und die anderen sahen charmant davon ab, sie darauf aufmerksam zu machen, dass die meisten dieser Dämonen mindestens für kurze Zeit fliegen oder schweben konnten. Sango, Miroku und Kohaku waren solcherart Gesellschaft gewohnt aber sie wussten, dass ihre neuen Gruppenmitglieder das nicht waren und dass sie die Schritt für Schritt an das heranführen mussten, was sie von nun an umgeben würde. Mit InuYasha, Shiori und den Nekomata, nicht zuletzte Hachi in der Nähe, war der erste Schritt ja schon getan. Und bisher hatten die vier Neuen es bemerkenswert gut geschafft, sich damit zu arrangieren.
 

~*~
 

Gar nicht so weit entfernt zog eine lange Kolonne teils riesiger Füchse durch das Land.

Die Fürstenfamilie war ganz vorne mit dabei und unter ihnen befand sich, wie inzwischen gewohnt, auch Shippô. Er ritt diesmal in Tadashis Nacken. Die heftige Verletzung, die der zweitälteste Kitsuneprinz während des Kampfes gegen den Höllenwolf davon getragen hatte, war längst anstandslos verheilt, nichts mehr zeugte davon.

Shippô hatte die Reise genutzt, um die Umgebung zu betrachten. Dabei waren ihm mehr als einmal Gegenden aufgefallen, die er vage kannte, weil er sich schon mit InuYasha und den anderen bereist hatte, aber im Großen und Ganzen ging die Reise diesmal so schnell, dass er vieles nicht näher betrachten konnte. Sie waren inzwischen beinahe an der Küste angekommen.
 

~*~
 

Kouga und seine Delegation reisten dagegen in menschenähnlicher Form, sowohl Kôga, als auch Ayame verzichteten auf ihren Wirbelsturm und so kamen sie langsamer als die anderen Abordnungen voran, aber sie hatten ja auch den kürzesten Weg. Schließlich hatte das bisherige Ookami-Territorium am Weitesten im Norden gelegen.

Mit raschen Sprüngen setzten sie einen Hang hinab und warteten unten auf den Rest. Hier war es nicht mehr sonderlich steil, die meisten Kinder kamen von selbst hinab und die ganz Kleinen – wie beispielsweise Kiyoshi – wurden selbstverständlich vom Nächststehenden hochgehoben und getragen.
 

Während Kôga und Ayame vorweg gingen, bildete Kenta die Nachhut, gemeinsam mit seinem Sohn.

Kenta musste zugeben, dass er überrascht gewesen war, seinen Sohn am vergangenen Tag plötzlich wieder vor sich stehen zu haben. Er hatte angenommen, Kôhei würde mit den Inus umziehen und dass Kôhei ihm nicht erzählen wollte, wie es zu jener Begebenheit gekommen war, machte es auch nicht verständlicher. Aber es freute ihn, wie glücklich Sayoko über die Anwesenheit ihres geliebten, großen Bruders war und auch Miyu zog nicht mit den anderen, tierischen Wölfen inmitten des Rudels, sondern tobte allein um Sayoko und Kôhei herum. Ab und an sprang sie dabei auch Kai und Shinta an und beide spielten ebenso begeistert mit, wie Sayoko. Nur Kôhei wirkte wie immer sehr ruhig. Allerdings meinte Kenta diesmal eher Nachdenklichkeit als Verdrossenheit in den nachtblauen Augen seines Sohnes zu erkennen. Aber er fragte nicht nach. Kôhei würde schon kommen, wenn er reden wollte.
 

~*~
 

Sesshoumaru und seine Gruppe waren derweil auch schon ein gutes Stück vorwärts gekommen. Seit Rin wieder zu sich selbst gefunden hatte, bekam auch AhUhn wieder die Aufmerksamkeit, die er gerne hätte und er trug auch schon wieder eine Blumenkette, wie es früher fast Tradition gewesen war. Gerade bastelte Rin seelenruhig an einer Kette für den zweiten Hals, während sie seitlich auf dem Rücken des Reitdrachen saß und sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen ließ.

Arisu, die wieder in wahrer Form nebenher lief, wollte mehr als einmal unverständig den Kopf schütteln, aber sie unterließ es dann doch. Sie erinnerte sich an Rins Erzählungen von den Reisen, die sie mit dem Fürsten gemacht hatte, ehe der nach langer Abwesenheit ins Schloss zurückgekehrt war.
 

In diesem Moment tauchte vor ihnen der Rest der Inudelegation auf, wie bei den anderen Fürstentümern auch durchsetzt von Angehörigen anderer Dämonenrassen, aber immernoch mehr Hundedämonen als andere.

Als Erstes erkannten sie Arata, der die Nachhut bildete, gemeinsam mit einer losen Kette der anderen Akademielehrer die hintere Hälfte des Konvoi absicherte.

Vorne lief dann vermutlich Masa.
 

Wind brauste, als aus der riesigen, cremegoldenen Löwin und dem noch größeren, weißen Hund wieder die menschenähnlichen Gestalten des Fürstenpaares wurden und sich auch Arisu zurückverwandelte. Rasch knüpfte Rin die halbfertige Blumenkette zusammen und streifte sie über AhUhns bisher ungeschmückten Hals, ehe sie sich aufrechter hinsetzte. Auch wenn es ihr auf einmal weit weniger ausmachte, über das nachzudenken, was vor nicht ganz zwei Tagen geschehen war und das Ganze sie sicherlich noch eine ganze Weile begleiten würde, so löste das in ihr doch jetzt eher das Gefühl aus, sich nicht unterkriegen lassen zu wollen.
 

~*~
 

Sand stob auf, als Hachi etwas unelegant auf dem Boden aufkam, der Küstenboden war hier bereits sehr lose, nicht weit vor ihrer Nase ging er in groben Strand über. Sango und Kohaku, die gemeinsam mit den Nekomata die letzten Stunden auch auf Hachis Rücken geflogen waren, waren zuerst heruntergerutscht, dann folgte InuYasha mit einem hohen Sprung, schließlich Shiori und Jinenji, dessen riesige Gestalt nicht mehr tragen zu müssen Hachi sichtlich erleichterte. Yutaka folgte, danach Miroku, Koume und die neuen Taijiya und zuletzt Jinenjis Mutter, die sich bei aller Rüstigkeit doch etwas langsamer bewegte, als die anderen.
 

Im selben Moment wirbelte Shiori so schnell herum, dass sie fast gestolpert wäre. Sie wirkte aufs Tiefste überrascht.

InuYasha witterte fast automatisch, zuckte dann mit den Hundeohren. „Dämon, Salz, Wasser – und Blut. Viel Blut. Ich kann keine genauere Witterung aufnehmen“, fasste er zusammen, als er Shioris flackernd unsicheren, fragenden Blick in der Seite bemerkte. Dann setzte er sich ungefragt in Bewegung, rasch gefolgt von Sango und Miroku, in alter Routine.

Shiori war sofort an ihrer Seite.

Sie rannten durch den erneut aufgewirbelten Staub, als Hachi sich zurückverwandelte, über eine grobe Düne und zum Strand hinunter.

Dort hockte eine dunkle Gestalt zusammengekauert nahe der Brandung, den Kopf mit den dunklen Haaren gesenkt.
 

InuYasha stutzte kurz, dann blieb er rutschend stehen, erwischte Miroku am Gewand und hielt ihn mit sich zurück, Sango reagierte blitzschnell und kam nicht weit entfernt zum Stehen. Beide sahen den Hanyô fragend an, aber der nickte nur zu der Gestalt hinüber.
 

Die einzige von ihnen vieren, die nicht stehen blieb, war Shiori und ihre Schritte waren nun bestimmter, wer ihr Gesicht gesehen hätte, hätte das Strahlen darauf bemerkt. Keuchend blieb sie knapp hinter der Gestalt stehen. „Ich… ich kann’s einfach nicht glauben…“, japste sie.
 

Die Gestalt hob ruckartig den Kopf, drehte ihn aber nur langsam. „Trügen mich meine Sinne…“, murmelte sie fast tonlos vor sich hin, ehe die dunklen, ja tiefschwarzen Augen sich weiteten, die Gestalt aufsprang und in derselben Bewegung herumwirbelte.

Keinen Herzschlag später fand Shiori sich in den Armen des jungen Dämons wieder, spürte wie sich seine ledrigen Schwingen um sie legten, sie sanft einhüllten. „Oh, Tián… ich dachte, du wärst tot…“, murmelte sie mit zitternder Stimme und schmiegte sich leicht an ihn.

Tián lächelte etwas gequält, nahm sich aber die Zeit sie leicht von sich zu schieben und ihr einen sachten Kuss auf die Stirn zu tupfen, ehe er antwortete: „Das war ich auch fast“ Seine Stimme war leise und nicht sonderlich kräftig, im nächsten Moment schwankte er bereits.

Erschrocken packte Shiori automatisch fester zu und hielt ihn aufrecht, während sie ihn erst jetzt genauer musterte.
 

Tiáns Züge wirkten eingefallen, er trug keinen Umhang mehr und seine restliche Kleidung sah noch zerfetzter aus, als damals, als sie ihn aus dem Meer gezerrt hatte. Am Rücken wies sein Oberteil glatte Schnitte auf, darunter waren ebensolche Wunden zu erkennen, die erst halb zugeheilt waren. „Oh nein, was haben sie bloß mit dir gemacht…“, flüsterte sie erschüttert. „
 

Sie haben mich unter Arrest gestellt, befragt, teilweise mit Gewalt. Dann wieder haben sie mich wochenlang in Ruhe gelassen um mich zu zermürben. Es kam natürlich nichts bei raus, wie sollte es auch. Aber sie haben ein weiteres Argument dafür gefunden, dass du mich verhext hättest: Meine Wunden sind sehr schnell geheilt – für die Verhältnisse meines Volkes wenigstens. – Ich habe dir doch von dem Fluch erzählt, den dein Großvater angeblich über uns gelegt haben soll, nicht wahr? Ich glaube, ich weiß nun, wie der aussah. Er hat unsere Regenerationsfähigkeiten lahmgelegt, wir sind verwundbar wie Menschen. Als Kagome mich damals heilte, muss sie den Fluch bei mir komplett gelöst haben“, antwortete Tián mit erschreckender Gelassenheit, ehe seine Stimme schneidend kalt wurde: „Jedenfalls haben zwei meiner Familienmitglieder mit dem Leben dafür bezahlt, mir helfen zu wollen. Ein Cousin und eine Cousine sind gestorben, weil der Fluch bei ihnen noch wirkte. – Ausgerechnet Ming-Yue“

Er seufzte tief und sein Blick glitt über Shioris Schulter zu einer Stelle im Windschatten einiger Felsen, wo eine Gestalt in dunkelblauer Kleidung lag, reglos. Sie hatte hellgraue, fast farblose Haare, die nun aber von getrocknetem Blut durchtränkt waren.

„Ich habe sie noch mitgebracht, am Anfang lebte sie noch, ich hatte gehofft, rechtzeitig anzukommen, hoffte, Kagome könne auch sie retten. Es hat alles nichts geholfen. Noch bevor ich wieder hier in Japan war, ist sie in meinem Arm gestorben“, fügte er fast tonlos hinzu.
 

Shiori schluckte hart.

Ming-Yue, sie erkannte den Namen. Das war Tiáns Lieblingscousine gewesen – und obendrein jene, die sie seinerzeit übers Meer gebracht hatte. Sie hatten dieser jungen Yôkai so viel zu verdanken und nun hatte Ming-Yue das mit dem Leben bezahlt. Tränen brannten in ihren Augen, wollten aber nicht nach draußen dringen. Etwas hielt sie ab, die tiefe Erleichterung, fast Seligkeit, Tián wieder bei sich zu haben.

Weit über ein Jahr hatte sie mit der immer stärker werdenden Hoffnungslosigkeit gehadert; als sie vorhin meinte, sein Yôki zu erfühlen hatte sie geglaubt, sie sei schon dem Wahnsinn anheim gefallen, aber es hatte sich doch als wahr herausgestellt.
 

Plötzlich schwankte Tián erneut.

Shiori versuchte wieder, ihn zu stützen, aber diesmal gelang es ihr nicht rechtzeitig, der junge Komori ging in die Knie, rappelte sich wieder halb auf und sank erneut zusammen. Er schien völlig am Ende mit seinen Kräften.
 

Da war plötzlich Sango neben ihr. „Ist er das?“, fragte sie verschmitzt, wartete aber erst gar nicht auf eine Antwort, sondern packte gleich mit zu, half ihr, den jungen Komori zu stützen. „Na komm, wir bringen ihn nach oben. Keine Ahnung, wann Kagome auftaucht, aber Jinenji kann ihm sicher auch helfen. Der Kerl hat ja die Hälfte seines Kräuterfeldes mitgenommen“, forderte Sango die Halbdämonin dann auf, sichtlich erfahren darin, zu organisieren und mit völlig unvorhersehbaren Situationen klarzukommen.

Offenbar hatte sie das Gespräch mitbekommen – und im Gegensatz zu der endlos erleichterten Shiori spürte sie auch, warum Tián so viel Kraft darauf verwendet hatte, zu berichten, obwohl er sicherlich lieber geschwiegen und das Wiedersehen ebenso genossen hätte.

Der Kerl war, heilende Wunden hin oder her, völlig geschwächt und würde ohne Behandlung nicht mehr lange durchhalten. Er hatte auch nichts getan, etwas daran zu ändern. Anscheinend hatte er nicht geglaubt, Shiori wiederzusehen, vermutlich wäre er binnen der nächsten paar Tage hier neben seiner Cousine aus dem Leben geschieden.

Jetzt aber ließ Tián es wortlos geschehen, dass die beiden ihm aufhalfen. „Itoko-tan… Shizuka…“, murmelte er nur noch.
 

„Shizuka?“, wollte Shiori prompt wissen.
 

Tián lächelte matt. „Ihr japanischer Name. Sie war nicht viel jünger als ich, auch sie hatte noch einen japanischen Namen. Ming-Yue wurde sie erst genannt, als wir geflohen waren“, erklärte er mit leiser Stimme und während Shiori nach seiner Hand fasste und sie tröstend drückte, rief Sango die beiden anderen ihrer kleinen Gruppe zu sich. „Nehmt ihr sie mit? Sie soll ein ordentliches Grab erhalten, nehme ich an“, trug sie den beiden mit einem Wink auf die reglose Gestalt bei den Felsen auf. InuYasha machte sich rasch auf den Weg, sie zu holen.
 

Als die nun fünf zurück zu den anderen kamen, herrschte auf dem Küstenabschnitt, der die einzige direkte Verbindung zu dem darstellte, was bereits unter dem Bannkreis war, dichtes Gedränge. Es waren fast alle eingetroffen, alle Fürstenfamilien, samt Gefolge und alle anderen Yôkai, die mit in den Schutz des Banns schlüpfen wollten.

InuYasha legte den Leichnahm der jungen Komori in der Nähe des Ortes ab, wo seine Gruppe sich versammelt hatte, Shiori und Sango geleiteten Tián noch ein paar Schritte weiter und riefen dann Jinenji heran, der rasch verstand, was von ihm erwartet wurde. Mit einer Präzision, die man seinen riesigen Pranken nur dann zutraute, wenn man ihn kannte, kramte er Kräuter hervor und begann Tián zu behandeln.
 

~*~
 

Zuletzt fanden sich die Tokage ein, die den weiten Weg aus dem Süden laufend hatten zurücklegen müssen, war doch ihr Fürst kein Daiyôkai.
 

Und als wäre die Ankunft der letzten Abordnung ein Zeichen gewesen, schimmerte auf einmal die Luft über einem etwa vier Meter breiten Felsplateau, das etwas oberhalb des Strandes lag und löste sich dann auf. Dahinter zeigte sich eine kiesbedeckte Halbinsel und auf einem flachen Hügel standen zehn Gestalten. Jeweils der oberste Schamane jeder Dämonenrasse; daneben jemand, den nicht unbedingt jeder mal gesehen hatte, den aber alle erkannten: Kirin. Das verästelte Horn des japanischen Einhorns leuchtete matt, als Kirin Yutaka bei InuYashas Gruppe erkannte und ihm zunickte.
 

InuYasha achtete nicht darauf.

Sein Blick galt einzig der zehnten Person, die vor den anderen am Boden saß, die Arme vor der Brust verschränkt, trotz offener Augen offenbar tief konzentriert, jetzt aber aufsprang, als sie ihn und die anderen der Bande in der Menge erkannte: Kagome.

Ohne auf die anderen oder gar auf das Protokoll zu achten, kam er ihr entgegen, wurde aber nach wenigen Schritten von einem festen Griff am Kragen zurück gehalten. Unwillig setzte er zum Knurren an, unterließ es dann aber doch, als er merkte, dass es Sesshômaru war, der ihn aufhielt. Er wollte es sich nicht wieder mit ihm verscherzen.
 

Zufrieden damit ließ Sesshômaru ihn los und schritt mit ausdruckslosem Gesicht an InuYasha vorbei. Dabei tat er so, als wollte er sowieso zu dem Schamanen seines Volkes gehen, der ganz in Kagomes Nähe stand und sich nun leicht verneigte.

Sesshômaru nickte ihm zu, eher er beinahe erstarrt wäre. Diese Art von Witterung kannte er doch. Nachdenklich sah er Kagome von der Seite an.
 

Die junge Miko bemerkte seinen Blick und sah auf. Um ihre Mundwinkel lief ein Schmunzeln, als sie seinen Blick deutete. Dann hob sie einen Finger an die Lippen.
 

Ohne eine Miene zu verziehen, wandte Sesshômaru scheinbar desinteressiert den Kopf wieder ab.

„Deine Sache“, bemerkte er emotionslos und sah wieder zu dem Schamanen, als wäre nichts gewesen.
 

Dann war auch InuYasha heran und Kagome schlang die Arme um ihn, während um sie herum alle anderen Fürsten Sesshômarus Beispiel gefolgt waren und ihre jeweiligen Schamanen begrüßten.

Als sie sich wieder von InuYasha löste, entdeckte sie Kôga nicht weit entfernt.
 

Grüßend hob sie die Hand und Kôga lächelte ihr zu, ehe seine Gesichtszüge erstarrten und er sichtlich erneut witterte.

Huch?, fragte er sich innerlich.

Aber er sah Kagomes fast unmerkliches Kopfschütteln.
 

Ayame trat neben ihn, nachdem auch sie den Wolfsschamanen begrüßt hatte, ihr Blick war fragend, als sie seine Miene erkannte. „Ist etwas mit Kagome?“, wollte sie wissen.
 

Kôga verzog das Gesicht zu einem Grinsen, streckte den Arm zur Seite und zog Ayame an sich. Von hinten legte er ihr die Arme um die Taille und stützte das Kinn auf ihre Schulter.

„Nichts, außer dass ich InuYasha etwas voraus habe. Mir ist da etwas aufgefallen, das er noch nicht bemerkt hat. Es hat manchmal seine Vorteile, wenn man bestimmte Witterungswandel schon kennt“, bemerkte er amüsiert und legte eine Hand flach auf Ayames Bauch.
 

Die Rothaarige zog die Augenbrauen hoch. „Dann hab‘ ich mich also nicht geirrt. Ich meinte nämlich auch, etwas gewittert zu haben… naja. – Aber, Kôga? Halt die Klappe. Das ist Kagome-chans Sache“, sagte sie vorsichtshalber.
 

Kôga stieß entrüstet die Luft aus. „Natürlich. Du kennst mich doch“, bemerkte er spöttisch.
 

„Eben“, konterte Ayame trocken, grinste dann aber ebenfalls.
 

Kôga zog eine Schnute, ehe ein hinterhältiges Blitzen in seine Augen trat. „He, Pinscher!“
 

Der Hanyô wirbelte herum. „Was willst du, Wölfchen?“
 

Kôga setzte eine süffisante Miene auf. „Pass‘ mir ja auf Kagome auf!“, rief er, ehe er lachend zusammenzuckte, weil Ayame sich aus seinem Arm gewunden und ihm einen mahnenden Knuff in die Seite verpasst hatte.

„He!“, protestierte er.
 

Ayame machte gute Miene zum bösen Spiel und grinste nun ihrerseits.
 

InuYasha bedachte die beiden Wolfsdämonen mit einer halb verständnislosen, halb säuerlichen Miene, ehe er sich Kagome zuwandte, die bei diesem Szenario ein Lachen nicht hatte unterdrücken konnte. „Hab‘ ich was verpasst?“, wollte der Hanyô wissen.
 

Kagome antwortete nicht, sie lächelte ihn bloß an.
 

Und ehe InuYasha weiter nachhaken konnte, trat Kirin vor und verkündete mit feierlicher Stimme:

„Dämonenfürsten, unabhängige Dämonenvölker, im Namen aller heiße ich euch in eurer neuen Heimat Willkommen!“

Silberbann

Du willst also ein Auge auf ihn haben?“

Kirins Stimme klang wenig überrascht, während seine leicht gespaltenen Hufe sich in den Sand gruben.
 

Yutaka, der neben ihm über den Strand trottete, nickte etwas. „Naoki war ein guter Freund. Und Jinenjis Mutter wird vermutlich nicht mehr lange in dieser Welt bleiben. Sie ist und bleibt ein Mensch“, bemerkte er.
 

Kirin schüttelte seine Mähne, ohne den Schritt zu unterbrechen. „Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen, ehrlich gesagt habe ich es mir schon gedacht. – Eigentlich schade, dass niemand mehr weiß, dass auch in Mischpartnerschaften die Zeichnung möglich ist“ „Es ist selten nötig, Kirin-san. Die wenigen Paare, die sich aus Mensch und Dämon zusammensetzen… aber für eben jene wäre es schon ein großer Vorteil. Immerhin die Lebenszeit wäre dadurch angeglichen. – Á propos, wie ist das eigentlich mit dieser Miko? Kagome?“, wandte Yutaka ein.
 

Kirin antwortete einen Moment lang nicht, an seiner Brust schimmerte das sonst unsichtbare Medarión no Chié auf, als er auf es horchte.

Dann zeigte sich ein belustigtes Blitzen in Kirins Augen. „Um die brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Die Tía ist sehr zufrieden mit ihrer neuen Trägerin“, sagte er nur und Yutaka wusste sich diese Worte zu deuten. „Und was hast du nun vor?“, wollte er von seinem Begleiter wissen.
 

Kirin blickte kurz übers Meer, dann den Strandabschnitt entlang. „Ich denke, ich werde einen kleinen Rundgang machen. Kagome hat den Bannkreis wieder geschlossen, das heißt, die Schlösser sind inzwischen auch teleportiert. Die Fürstenfamilien sollten sich eingerichtet haben, wir werden nachschauen, wie es ihnen geht. – Oder willst du lieber zu deinem Schützling?“ Das klang belustigt.
 

Yutaka zog vielsagend eine Augenbraue hoch und winkte etwas ab. „Ganz Recht, Kirin, er ist vielleicht mein Schützling, aber ich nicht sein Schatten. So leid es mir tut, mein Freund, aber ich werde dich begleiten“
 

„Schaaade…“, seufzte Kirin gespielt enttäuscht, ehe er seine Schritte beschleunigte.

Er wollte keine Zeit verlieren.
 

~*~
 

Sesshoumarus Gruppe und InuYashas Reisegruppe hatten sich inzwischen zusammengefunden, während die Bediensteten schon wieder im verlagerten Schloss waren.

Momentan wagte niemand auch nur im Geringsten aufzumucken. Sie alle wussten, dass der Fürst noch immer angespannt war, nach dem, was seiner Ziehtochter angetan worden war und ein jeder nahm sich fest vor, nie wieder einen schiefen Blick oder ein falsches Wort auf dieses Menschenmädchen zu beziehen. Irgendwie hingen sie doch alle an ihrem Leben und ahnten, dass jenes nicht lange währen würde, wenn sich einer von ihnen noch einmal im Ton vergriff.
 

Sesshômaru saß allein auf einer kleinen Düne und blickte scheinbar emotionslos über das Meer. Seit zwei, drei Jahren war es Plan gewesen, sich hierher zurückzuziehen, jetzt war es geschehen. Obwohl er nicht darauf achtete, prickelte eine leichte Erwartungshaltung in ihm. Es hatte etwas von einem Neuanfang.
 

Doch dann spannte er sich etwas an, wandte halb den Kopf. „Was willst du?“, fragte er kühl. Er konnte die schlanke Gestalt trotz der fortgeschrittenen Dämmerung gut erkennen, ein Umstand, der allerdings nur auf Gegenseitigkeit beruhte, weil er weiß gekleidet war. Rasch ließ die Gestalt sich auf ein Knie nieder.
 

„Entschuldigt, Sesshômaru-sama, aber ich möchte Euch einen Vorschlag unterbreiten“ Sango hielt den Kopf gesenkt, während sie sprach, ihr Pferdeschwanz wehte leicht im Küstenwind und verfing sich im Kragen ihres Kampfanzugs. Sie verharrte still.
 

„Nun?“
 

Sango atmete sichtlich durch. „Ich möchte niemals anzweifeln, dass nicht auch die Dämonen ganz selbst mit jenen Oni fertig werden, die auch hier auf den Inseln leben, aber Oni vermehren sich buchstäblich so rasch wie Ratten. Und ebenso versteckt und hartnäckig. Es könnte den Dämonen… auf die Nerven fallen, nehme ich an“ Sie sprach ausgesucht höflich und doch klang gewisse Vorsicht aus ihren Worten.

Sie wusste nicht, wie Sesshômaru auf ihr Ersuchen reagieren würde, aber er war ihre einzige Chance. Die anderen Dämonenfürsten würden sie nicht einmal anhören. Und seit Kohaku sie überredet hatte, mit in den Süden zu kommen um die dort lebenden Taijiya – oder das, was sich dafür hielt – aufzusuchen, seit dem brannte auch in ihr wieder ein Feuer, nicht zulassen zu wollen, dass eine, dass die Chance zur Wiederauferstehung der Taijiya ungenutzt verstrich.
 

„Und?“, fragte Sesshômaru, der wieder nach vorne blickte, als sei nichts los.
 

„Wie wäre es, wenn Ihr die Aufgabe, die Oni im Zaum zu halten… uns überlasst?“, fragte Sango behutsam weiter.
 

„Euch“, wiederholte Sesshômaru nur das für ihn wesentliche.
 

Sango spürte instinktiv, dass er der Sache nichteinmal abgeneigt war. Vorsichtig hob sie den Kopf, bemerkte, dass Sesshômaru lautlos aufgestanden war, sich ihr zugewandt hatte und sie nun von oben herab ansah.

„Ja, Sesshômaru-sama. Uns – den Taijiya“, antwortete sie feierlich und so fest wie ihre vor Aufregung bebende Stimme es zuließ.
 

Als wäre das das Stichwort gewesen, setzten plötzlich alle drei Nekomata gleichzeitig hinter ihr auf, ihre Reiter glitten von ihen Rücken und sofort auf ein Knie nieder.

Miroku, Kohaku, Koume.

Auch das junge Mädchen trug inzwischen einen Kampfanzug, die Panzerungen schimmerten eisblau. Über den Rücken hatte sie ihre Waffe geschnallt, die einem s-förmigen Speer ähnelte.

Kohaku hockte direkt neben ihr, die große Waffe neben sich auf dem Boden, die Kusarigama im Gürtel des Kampfanzugs.

Miroku, natürlich im Mönchsgewand, legte gerade den Shakujô in den Sand.

Dahinter kamen vier weitere Gestalten an, nicht in Kampfanzügen, aber auch dunkel gekleidet, sanken ebenfalls in die Knie – sichtlich furchtsamer im Angesicht des weißgekleideten Dämons.
 

Sango spürte für einen Moment gemischte Gefühle in sich aufwallen. Den einen Unterarm auf das aufgestellte Knie gestützt, warf sie einen Blick herum.

Das letzte Mal, als sie in dieser Haltung gesessen hatte, andere Kämpfer um sich herum, da hatte ihr Vater noch an ihrer Stelle, an der Führungsposition gekniet. Jetzt war sie die Aijin, die Anführerin.

Sie unterdrückte das unwillkürliche Erschauern, als sie daran dachte, zu was die Szene in ihrer Erinnerung eskaliert war.

Nie wieder…, bekräftigte sie für sich und wusste, dass Kohaku in diesem Moment das Gleiche dachte.
 

Sesshômaru betrachtete die Gruppe einen Moment. Er wusste, dass diese Sango kämpfen konnte, er wusste, dass dieser Miroku kämpfen konnte und er kannte Kohaku. Wenn er den Rest einschätzen wollte, musste er diesen dreien vertrauen.

Taijiya. Dämonenjäger. Menschen, die es den Yôkai abnahmen, die niederen Oni zu verjagen. Eigentlich ein reizvoller Gedanke.

Aus dem Augenwinkel sah er InuYasha in der Nähe stehen, sichtlich wenig überrascht, sondern eher interessiert. Sein Halbbruder war also eingeweiht gewesen.

Er wandte sich wieder der Dämonenjägerin zu seinen Füßen zu. Er ahnte, wie sie auf ihre Idee gekommen war, denn soetwas hatte es vor langer Zeit gegeben, einen sogenannten Silberbund oder Silberbann zwischen Dämonen und Menschen, allerdings für Kriegsfälle oder als Schutzversprechen. Zumindestens gab es Legenden darüber – und auch die Eid-Formeln waren überliefert.

Wortlos hob Sesshômaru eine Hand, die Handfläche nach oben gekehrt, schloss die Augen und konzentrierte sich. Etwas Leuchtendes erschien, oval und schimmernd. Reines Yôki. Feine Lichtstrahlen kamen aus der Luft zusammen und fanden sich in diesem flachen Oval zusammen.

Dann verflog das Licht und eine kleine, silbrige Platte blieb zurück, auf der wie ein Schatten matt das Kanji für ‚Inu‘ schimmerte und darüber, wie eingebrannt die Kontur des Kanji für ‚Hito‘.
 

Sango blinzelte ungläubig, als sie es erkannte. Sie hätte nicht gedacht, dass Sesshômaru sie so direkt durchschaute – und bereit war, ohne weitere Diskussion darauf einzugehen. Aber sie bemerkte auch Sesshômarus abwartenden Blick.

Rasch straffte sie die Schultern. „Ich danke Euch“, sagte sie, ehe sie mit einer Handbewegung Kohaku zu sich winkte.

„Die Schwurformeln aus den Sagen, Vater hat sie auch dir beigebracht. Erinnerst du dich noch?“, fragte sie gedämpft.
 

Ihr jüngerer Bruder nickte nach kurzem Zögern, ehe er ohne auf die Aufforderung zu warten wie ein Schatten wieder an seinen Platz zurückkehrte.
 

Sango atmete tief durch. Sie beiden waren die einzigen, die die sagenhaften Worte kannten. Sie hatte nicht geglaubt, Sesshômaru so schnell darauf einstimmten zu können, dass ihr keine Zeit blieb, sie den anderen beizubringen. Sie konnte jetzt nur hoffen, dass die anderen beim zweiten und dritten Wiederholen die Wechselverse automatisch mitsprechen würden.
 

Doch jetzt senkte sie ersteinmal den Kopf, legte eine Hand aufs Herz, die andere auf das Heft ihres Schwertes und begann zuerst leise, dann zunehmend energischer die uralten Worte zu rezitieren: „Hell wie Sternenfunkeln, brennt der Stahl der Klinge, Silberbann erflammt auf diesem, unser’m Pfad. In der Welten Wandel streiten wir für Ordnung, denn wir sind das Licht im wilden Schicksals Rad“
 

Sesshômarus Stimme war gewohnt ausdruckslos, als er fortführte: „Wie der Stein der Berge, wie des Meeres Klippen weit, sind wir im wilden Sturme, doch beständig alle Zeit“

Er machte eine kurze Pause, ehe er hinzufügte: „Wir sind das Licht…“

Sango reagierte sofort auf die überlieferte, stillschweigende Aufforderung und setzte hinzu: „…das Licht, das aller Anfang schenkt“

Sesshômaru nickte knapp, ehe er sagte: „Wir sind der Ruf…“

„…der Ruf der Schicksalsklinge lebt“, konterte Sango, durch nichts zu erkennen gebend, wie sehr ihr erst jetzt auffiel, welche Huldigung jene Yôkai, die die Verse einführten, von den schwörenden Menschen gefordert hatten.

„Wir sind der Zorn…“

„… der Zorn der sich gerecht erhebt“

„Wir sind der Weg…“

„… der Weg, der silbern in uns lebt“, vollendete die Dämonenjägerin den letzten Wechselvers und setzte mit klarer Stimme hinzu: „Ehre, Mut und Treue leiten uns’re Wege…“

Und dann gleichzeitig mit dem Inuyôkai: „Seit‘ an Seite steh’n wir sicher in der Schlacht“

Sango hob den Kopf und richtete den Blick auf die kleine Silberplakette, ehe sie allein fortfuhr: „Vor dem Thron des Silber’n sind wir alle gleich, und jeder trägt sein Licht in dunklen Krieges Macht. Denn des Finst‘ren Wirken sei vertrieben und verbannt, in Silber flammend Morgen schnell wie Schatten verbrannt!“

Sesshômaru verzog noch immer keine Miene, als er wieder begann: „Wir sind das Licht…“

Sango kniff gequält die Augen zusammen, als Stille einkehrte. Es verging ein Herzschlag, zwei, dann erhob sich plötzlich eine einzelne Stimme. Kohaku. „… das Licht, dass aller Anfang schenkt“

Sesshômaru ließ sich von der Verzögerung nicht beeindrucken. „Wir sind der Ruf…“, setzte er fort.

Sango krampfte eine Hand um den Knochenbumerang, der vor ihr im Sand lag. „Miroku…“, bat sie fast tonlos und tatsächlich verstand ihr Mann, worum es ihr ging. „… der Ruf der Schicksalsklinge lebt“, setzte er rasch fort.

„Wir sind der Zorn…“

Diesmal kam die Antwort von Miroku, Kohaku – und Koume. Kohaku musste es ihr irgendwie verklickert haben, dass möglichst viele nun die Formeln sprechen mussten: „… der Zorn, der sich gerecht erhebt“

„Wir sind der Weg…“

„… der Weg, der silbern ins uns lebt“, sprachen diesmal alle. Auch die Neuen hatten verstanden.

Erleichterung untermalte Sangos Stimme, als sie wieder einsetzte: „Gerechtigkeit und Ordnung tragen uns’re Klingen, doch auch Zorn, der silber Funkenflug entflammt…“

Und diesmal war es Sesshômaru, der reagierte: „Chaos sei vertrieben, sei gejagt vom Morgen, von dem Licht, das alle Dunkelheit verbannt. – Wir das Licht…“ Und jetzt klappten die Wechselverse einwandfrei. Ohne Zögern sprachen alle sie mit.
 

Sango unterdrückte das selige Lächeln nicht mehr, als sie auf die Beine kam und eine Hand hob um sie vorsichtig auf die kleine Silberplatte in Sesshômarus Hand zu legen. Dass sie dabei auch die Finger des Inuyôkai berührte, ließ sich nicht vermeiden, aber keiner von beiden ließ sich etwas anmerken.

Stattdessen besiegelte Sango den Schwur ein letztes Mal mit festen Worten: „Hell wir Sternenfunkeln, brennt der Stahl der Klinge, Silberbann erflammt auf diesem, uns’rem Pfad…“

Ein Windstoß kam auf, der nicht nur Sangos Pferdeschwanz, sondern auch Sesshômarus Haare und Schulterfell leicht aufwirbelte und die Dämonenjägerin spürte ein kurzes Pulsieren an ihrer Handfläche. Als sie die Finger wegzog, ging von der kleinen Silberplatte ein bläulicher Schimmer aus.

Das Ritual, das seit Jahrhunderten zum ersten Mal wieder geschlossen worden war, war gelungen. Befreit lockerte Sango ihre Haltung. Vor einem Jahr noch war das Wiederauferstehen der Taijiya ein waghalsiger Traum gewesen, jetzt war es Realität geworden.
 

Da hörte sie plötzlich ein ersticktes Kichern, erkannte Koume. Ein wenig wandte Sango den Kopf, lächelte unwillkürlich, als sie erkannte was dort vor sich ging.

Kohaku hatte Koume in seiner Euphorie an sich gezogen und küsste sie.

Na endlich…, dachte Sango bei sich, die etwas in dieser Art schon eine ganze Weile erwartet hatte. „Süß, die beiden…“, bemerkte sie leise, woraufhin Miroku ihrem Blick folgte.

Er grinste verschmitzt. „Och, das kann ich auch…“, verkündete er mit gedämpfter Stimme, legte einen Arm um Sangos Taille und zog sie zu sich um sie seinerseits zu küssen. Einen Moment lang gab Sango sich mit genüsslich geschlossenen Augen dem Kuss hin, der sie – wie immer, wenn Miroku es darauf anlegte – dahinschmelzen lassen konnte, aber als Mirokus Hände vor aller Augen mal wieder auf Wanderschaft gehen wollten – anscheinend war ihr Kampfanzug noch immer eine zu große Herausforderung für seine Selbstbeherrschung – da schob sie ihn entschieden von sich. „Übertreib‘s nicht!“, rügte sie ihn und wusste doch ganz genau, dass er sich diese Ermahnung nicht sonderlich lange zur Herzen nehmen würde. Miroku war und blieb eben Miroku, auch wenn er nicht mehr jedem Rock hinterherjagte.
 

Als sie sich umsah, erkannte sie, dass Sesshômaru sich bereits abgewandt hatte, ein paar Schritte entfernt stand und übers dunkle Meer blickte, als ginge ihn die Sache längst nichts mehr an.

Das kleine Silberplättchen aber, auf das sie geschworen hatten, schwebte noch immer an Ort und Stelle in der Luft und sandte seinen bläulichen Schimmer aus.

Vorsichtig streckte Sango die Hand aus und nahm das kleine Silberoval an sich, steckte es dort an ihren Kampfanzug, wo die kleine, gold-rote Verzierung sie einst als Tochter des Anführers ausgewiesen hatte. Obwohl es in keinster Weise dort befestigt werden konnte, verband das Oval sich mit dem Anzug und hielt. Das bläuliche Licht blieb.

Ich habe es geschafft, Vater. Ich habe gekämpft, dich nicht zu enttäuschen, Vater, und ich habe es geschafft. Das Volk der Taijiya lebt wieder!
 

Sango erlaubte sich ein befreites Lächeln, als sie spürte, dass Kirara in ihrer kleinen Form auf ihrer Schulter landete und das Köpfchen an ihren Hals schmiegte.

Das Schnurren der Nekomata klang viel zu laut und kräftig für den winzigen Körper.

Sango kraulte ihre alte Freundin am Ohr und atmete tief durch.

Ja, sie hatten es geschafft. Der Bund war geschlossen.

Mit einem Lächeln in die Zukunft

Sesshômaru blickte über das Meer. Interessant, dass Sango ausgerechnet zu ihm gekommen war. Vermutlich hatte sie durchschaut, dass das Todesurteil, das er einmal über sie gesprochen hatte mit Rins Rettung, durch sie, erloschen war, aber dass sie genug Vertrauen besaß, sich und ihr Volk auf Generationen zu verpflichten, beeindruckte ihn doch. Denn der Schwur war erst aufgelöst, wenn beide Schwurpartner tot waren oder die Plakette zerstört wurde – und jene war Dämonensilber, fast unzerstörbar.
 

Da riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken: „Verzeiht, Sesshômaru-sama, ich hätte gerne ein paar Worte mit Euch gewechselt“
 

Sesshômaru brauchte sich nicht umzuwenden um Kirin zu erkennen.
 

Das japanische Einhorn war allein, als es nun neben ihn trat, ihn abwartend von der Seite anblickte. Das Mondlicht ließ die drachenschuppenartigen Anteile seines Körpers erschimmern.
 

„Nun?“
 

„Ich habe erst vor kurzem erfahren, was Eurem Sohn angetan wurde. Kagome-san erzählte mir auch, dass Ihr bereits versucht habt, den Fluch zu lösen?“
 

„Sie hat es versucht, ja. Worauf wollt Ihr hinaus?“, erwiderte der Inuyôkai kühl.
 

Kirin senkte ein klein wenig den Kopf. „Tôran muss ihren Fluch mit all dem Hass ausgesprochen haben, den sie für Euren Sohn empfand. Solche Gefühle kann man nicht brechen. Aber… es gäbe eine Möglichkeit, sie zu umgehen, sie abzukapseln“
 

In der Art, in der Sesshômaru den Kopf ruckartig hob, war die Hoffnung abzulesen, die Kirins Ankündigung in ihm entfachte. Dann jedoch kehrte seine Nüchternheit zurück. „Wo ist der Haken?“
 

„Nun… habt Ihr schon einmal von Junkan-Magie gehört?“
 

„Die Magie, die Hanyô kontrolliert“, antwortete Sesshômaru knapp.
 

Junkan-Magie, Kreislauf-Magie war es, die das Yôkai-Erbe eines Hanyô aufteilte und der Schwäche seiner menschlichen Hälfte anpasste. Eine sehr machtvolle Magie. Nur gegen starke Gefühlsregungen oder Instinkte war sie nicht gefeit.
 

„Ganz Recht, Sesshômaru-sama. Aber diese Art der Magie kann für noch mehr Dinge eingesetzt werden. Zum Beispiel um Flüche zu kontrollieren, die eine bestimmte Kraft einschränken, sei es das Yôki oder ein Sinn. Allerdings gibt es tatsächlich einen Haken dabei…“ Kirin atmete kurz durch, seine Augen schimmerten unergründlich. „Die Junkan-Magie, die Hanyô kontrolliert erreicht einmal im Mondumlauf ihre volle Macht, meist ist das die Mondphase, in der der jeweilige Hanyô geboren ist. So wie der Neumond bei Eurem Halbbruder. Dann ist ihr Körper für kurze Zeit vollkommen von dem ihnen innewohnenden Yôki getrennt. Die Junkan-Magie, die Flüche abkapseln kann, erlischt dagegen einmal im Mondumlauf. Ähnlich wie ein Hanyô würde Euer Sohn also, sollte die Magie überhaupt anschlagen, eine schwache Nacht haben, eine Nacht, in der er wieder blind ist“
 

Sesshômaru schloss kurz die Augen, ehe er zur Seite sah, hinunter zum Strand wo die anderen waren.

Auch Natsu saß dort mit Kin im Arm, daneben Rin, ihren Ziehbruder im Auge. Kin schlief offenbar friedlich. Nun, für ihn hätte es auch nicht viel zu erleben gegeben. Ein älteres Kind oder ein erwachsener Yôkai kamen im Zweifelsfall ganz gut mit einem Handicap zurecht, weil sie lernen konnten, damit zu leben, so wie er seinerzeit mit dem abgeschlagenen Arm. Aber in der jungen Kinderphase, wo Yôkaikinder fast hilfloser waren als Menschenbabies, da blieb ihnen in einem solchen Fall fast nichts anderes übrig, als vollkommen phlegmatisch zu werden.

Bekäme Kin sein Augenlicht zurück, würde sich das sicher schnell ändern.

Aber er würde in Hinsicht auf seine Augen wie ein Hanyô sein.

Das war in der Tat eine Einschränkung.

Aber konnte er um deren Willen seinem Sohn verwehren, sein Augenlicht grundsätzlich wiederzuerlangen?

Nein, eindeutig nicht.
 

Sesshômaru wusste, dass er seine Entscheidung schon getroffen hatte, bevor Kirin ihm den Haken erläutert hatte.

„Versucht es!“, bestimmte er neutral, worauf Kirin ihn einen Moment von der Seite ansah und dann hinter ihm vorbei und den Hang der Düne hinunterschritt. Die gespaltenen Hufe machten ihm das leicht.
 

Nur aus dem Augenwinkel beobachtete der Inuyôkai, was weiter geschah.
 

„Kirin-donno“ Natsus Stimme klang doch etwas überrascht, als sie das japanische Einhorn auf sich zusteuern sah.
 

Kirin senkte grüßend den Kopf und hob ihn wieder. „Ich habe gerade mit Eurem Gefährten gesprochen“, bemerkte er, allerdings ohne zu erwähnen, worum es gegangen war. Die stumme Aufforderung, Natsu noch nichts Näheres zu unterbreiten, hatte Kirin durchaus verstanden. Außerdem hatten ihm ein paar Minuten des Beobachtens hier und da ausgereicht um zu verstehen, was Sesshômaru und Natsu verband und dass seine Ahnung damals nach dem Kampf gegen die Oni durchaus richtig gewesen war.

„Würdet Ihr mich Euren Sohn sehen lassen?“, fragte er dann, während er näher trat.
 

„Natürlich“ Natsu hob die Arme etwas, damit Kirin besser schauen konnte.
 

Unauffällig konzentrierte Kirin sich, suchte nach dem Ort, an dem sich der Fluch festgesetzt hatte, versuchte herauszufinden, wie eben jener sich äußerte. Dann nickte er knapp. „Das müsste gehen…“, murmelte er vor sich hin, ließ Natsu aber keine Zeit für eine Nachfrage. „Tut mir den Gefallen und gebt das Kind eurer Ziehtochter – ich möchte etwas ausprobieren“, fuhr er fort, im Wissen, dass seine Magien nun einmal reiner Natur waren und Rin damit besser klarkommen würde.
 

Etwas verwirrt, aber bereitwillig reichte Natsu ihren Sohn an Rin weiter, die ihren Ziehbruder sofort in den Arm nahm, während ihre Augen unbefangen wie immer auf Kirin lagen.

Sie hatte das japanische Einhorn vorhin, bei der Ankunft, zum ersten Mal gesehen und war noch dementsprechend begeistert von der Bekanntschaft mit einem so legendären Wesen, aber aufgrund ihrer ‚Familienverhältnisse‘ war sie zugleich auch recht abgeklärt.
 

Kirin blinzelte ihr kurz zu, ehe er den Kopf senkte und die längste Hornspitze vorsichtig auf die Stirn des Dämonenkindes senkte, genau dort wo das eigenartig kombinierte Familienzeichen war. Dann schloss er die Augen, konzentrierte sich abermals. Da, da war der Fluch, zusammengeballt und stark aufgrund der Nähe an reiner Magie.

Kirin wusste, dass selbst er niemals in der Lage gewesen wäre, dieses Konstrukt zu läutern. Starke Gefühle waren nicht zu überwinden.

Aber er begann leise zu summen, seine Magie dabei auszuschicken, sie wie einen Mantel, Faden für Faden, um den Fluch herum zu weben.
 

Junkan no Mahō, gib‘ mir Kraft…, rief er innerlich, ehe er den Kopf hochriss und sich auf die Hinterhufe erhob.

Um ihn herum begann der Sand auf einer Kreislinie aufzuwirbeln, als löste Wind ihn vom Boden.

Kirin Augen schienen zu brennen und für einen kurzen Moment materialisierte sich seine magische Kraft als lodernde, elfenbeinfarbene Flammen an Beinen und Mähne, dann trat Stille ein.

Kirins Flanken bebten vor Erschöpfung, als er wieder zurück auf alle Viere kam, der Glanz der seinen Körper sonst umgab, war matt geworden, sein Horn leuchtete nicht. Junkan-Magie bewusst einzusetzen, war nur Kirin allein möglich und forderte selbst ihm beinahe seine gesamte Kraft ab.

Aus halb geschlossenen Augen beobachtete das Einhorn, was weiter geschah.
 

Während Natsu ihn noch etwas paralysiert ansah, war InuYasha, Kagome im Schlepptau, neugierig näher gekommen und besah sich das Zentrum der allgemeinenen Aufmerksamkeit – Kin – genauer.

Weil Rin noch immer im Sand kniete, musste InuYasha sich dafür vorbeugen.
 

Und dann geschah etwas, was noch nie geschehen war.

Kin blinzelte wie überrascht, ein neuer Glanz war in seine bisher matten Augen eingekehrt und dann hob er plötzlich eine seiner kleinen Hände und angelte nach InuYashas Hundeohren. Die hatte er immerhin noch nie gesehen.
 

Der Hanyô war sichtlich zu perplex um in gewohnter Manier zu protestieren, er ließ geschehen, dass sein Neffe ein Ohr zu fassen bekam und wenig sanft daran zog.

Kagome und Rin beobachteten das Geschehen mit gleicher Fassungslosigkeit, während Natsu unwillkürlich zu Kirin blickte.

Das japanische Einhorn hatte die Augen wieder vollendst geöffnet, ein warmes Lächeln lag in seinem Blick.

Und die RaionYôkai verstand. „Ihr habt ihm sein Augenlicht zurückgegeben. Ihr habt ihn geheilt. Kin-“

„InuKin“, unterbrach Sesshômarus Stimme sie.

Der Inuyôkai war langsamen Schrittes herangekommen und beobachtete innerlich amüsiert, wie es InuYasha nun doch zu viel wurde und er versuchte, sein Ohr wieder aus dem Griff des Yôkaikindes zu winden, was Kagome stumm vor sich hin lachen ließ. Rin begann leise zu singen, um ihren Ziehbruder abzulenken.

Dann richteten sich Sesshômarus goldene Augen wieder auf Natsu. „InuKin, Erbe der Inuyôkai“, setzte er fort und das sonst so kühle Gold seiner Augen bekam einen fast herzlichen Ton, als er Natsus tiefglücklichen Gesichtsausdruck sah.
 

~*~
 

An einem anderen Strand, auf einer anderen Insel, hatte sich derweil die Familie der Füchse versammelt, Shippô mitten unter ihnen. Das Dünengras, das bis eben noch als Wurfgeschoss hatte herhalten müssen, lag rund um Shin, Kyoko und ihn verstreut, während die drei Dämonenkinder lachend im Sand lagen.
 

Gin und Azarni standen nicht weit entfernt knapp außer Reichweite des leicht auf den Strand schwappenden Wassers und redeten leise.

„Er gehört schon fast dazu, Gin. Und für uns hätte es doch keinen Nachteil…“, bemerkte die Fürstin gerade.
 

Gin lächelte etwas. „So mag es scheinen ja. Aber er könnte Schwierigkeiten bekommen. Ich weiß, wie das ist“, konterte er ernst, wenn auch mit gedämpfter Stimme.
 

„Aber er ist der Jüngste, über ihm stehen mindestens vier, wenn nicht mehr Stufen. Wie sollte man ihm da Intrigen vorwerfen?“, wandte Azarni wieder ein.
 

„Wie hat man mir oder auch dir Intrigen vorwerfen können? Aus dem Nichts gegriffen, aber meistens beinahe logisch. Ich weiß nicht, ob wir ihm das zumuten sollten. – Obwohl ich zugeben muss, dass ich ganz ähnlich denke, wie du, Azarni. Ich zähle ihn längst mit dazu. Und er hat sich prima eingepasst, obwohl ihm das höfische Leben sehr fremd vorkommen muss. Seine Eltern waren doch, wenn ich das Recht in Erinnerung habe, einfache Leute, oder?“
 

Azarni nickte. „Patrone eines Dorfes. Aber du hast Recht, er hat sich schnell eingelebt. Wenn ich mir allerdings anhöre, was du über seine frühere Begleitung berichtet hast, wundert es mich wenig, dass er so leicht mit Neuem klarkommt. Und außerdem wird unsere Jüngste dazu einen wichtigen Beitrag geleistet haben“
 

„Oh ja, da könntest du Recht haben“, lachte der Fuchsfürst, ehe er wieder ernst wurde. „Also gut. Aber wenn, dann müssen alle zustimmen. – Kanaye, ruf‘ wenigstens deine Geschwister zusammen, wenn du schon die ganze Zeit mithörst“
 

Der Erbprinz grinste verschmitzt ob der versteckten Rüge und wandte sich um, um die anderen zu holen. War ja nicht so, dass er mit Absicht gelauscht hätte. Aber er wusste auch genau, dass sein Vater gewusst hatte, dass er in Hörweite stand. Insofern nahm er den Tadel nicht sonderlich schwer.
 

Kurz darauf waren die sechs Kinder um ihre Eltern versammelt, während Shippô allein ein paar Meter entfernt zurückgeblieben war.

Mit schief gelegtem Kopf beobachtete er den Familienrat. Noch vor knapp anderthalb Jahren hätte er sich jetzt ausgeschlossen gefühlt, jetzt nahm er es einfach hin. Manches gab es eben, das ging ihn nichts an. Er war ein Gast in dieser Familie, nichts weiter.
 

Da sah er, wie Kyoko sich als Erste wieder umdrehte, ihn strahlend anlächelte und mit einer Handbewegung aufforderte, näher zu kommen.

Verwundert kam Shippô der Aufforderung nach. Was ging denn jetzt vor sich?
 

Seine Verwirrung steigerte sich noch, als Fürst Gin sich plötzlich vor ihm auf ein Knie niederließ, wenn auch nur, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. „Inzwischen gehst du bei uns ein und aus, nicht wahr, Shippô?“, fragte er und der Fuchsjunge nickte fast automatisch. Ja, das tat er tatsächlich. Immer wenn Kyoko zwischendurch von der Akademie aus nach Hause gedurft hatte, hatte sie ihn mitgenommen und inzwischen kannte ihn fast das ganze Fuchsschloss als Freund der Familie. Shippô hatte sich daran gewöhnt.
 

Gin lächelte sanft. „Nun, was würdest du davon halten, nicht länger nur Gast der Familie zu sein?“
 

Shippô erstarrte, die Kehle wurde ihm aus mehr als einem Grund eng, als ihm die Tragweite dieser Frage klar wurde. „Ihr… ihr wollt mich…a-adoptieren?“, fragte er ungläubig. Seine Augen flackerten nervös.
 

Statt Gin antwortete dessen Gefährtin: „Wenn du damit einverstanden bist, Shippô“
 

„Ob… ob ich damit einverstanden bin?“, keuchte Shippô fassungslos. Er glaubte, sich verhört zu haben. Dieses Angebot war zu schön um wahr zu sein. Eine Familie! Er würde wieder eine Familie haben! Eltern, Geschwister. Und was für welche obendrein.

Der kleine Kitsune strahlte. „Ja! Ja, natürlich!“, rief er dann und fand sich im nächsten Moment in Gins Armen wieder.
 

~*~
 

„Ich nehme an, viele werden es für einen Neuanfang nutzen, diesen Umzug, oder?“ Yutakas Stimme klang nachdenklich, während er neben Kirin über den Strand lief. Nach dem Abstecher des Einhorns zu Sesshômaru und seinen Leuten, hatten sie sich wiedergetroffen.
 

„Oh, da bin ich sicher. Schau‘ dir die Tokage und die Hebi an. Sie leben wieder in einem Gebiet, wie vor langer Zeit. Nur deswegen gibt es doch wieder einen neutralen Bereich, der keinem untersteht“, erwiderte Kirin gelassen und musterte seinen Begleiter von der Seite.
 

„Das stimmt. Aber… ich meine auch Einzelne. Die letzten Jahre haben viele Umwälzungen gebracht“, bestätigte Yutaka und blieb für einen Moment stehen.

„Zwei der verfeindetsten Clans unter den Yôkai sind nun durch eine Heirat, ein Kind verbunden. Ein Hanyô wurde in eine Fürstenfamilie aufgenommen, ein Waisenkind in eine andere. Die Wölfe leben nicht mehr ganz so arg zerstreut. Der älteste Baumgeist dieser Lande hat seinen Standort gewechselt. – Ach, und Tôtôsai ist aus den Schwefelsümpfen heraus gekommen“, Kirin sprach mit einem Augenzwinkern.
 

„Ja, aber sein Skelett hat er trotzdem mitgebracht. Seine arme Kuh, die diesen Knochenhaufen mit teleportieren musste“
 

„Seine Werkstatt, Yutaka. Seine Werkstatt“, betohnte Kirin amüsiert, ohne stehenzubleiben.
 

Yutaka schloss sich ihm wieder an. „Ja, ja. Aber was ich viel interessanter finde, ist das, was wir über die Komori herausgefunden haben. Ich habe nicht gewusst, dass noch ein fester Clan existiert. Ich dachte, es wären nur noch die paar verstreuten Individuen, die man ab und an im Land trifft“
 

„Nun, jener Clan besteht aus vier rachsüchtigen Familien und lebt seit Jahrhunderten auf dem Festland. Sogar ihre Namen haben sie geändert, du hast es doch gehört. Biānfú nennen sie sich. Biānfú, nicht Komori“
 

„Was in der Festlandsprache vermutlich etwa dassselbe bedeutet. Aber du magst Recht haben, Kirin. Da ist wohl nur einer, der tatsächlich noch ein Komori ist“, lenkte Yutaka ein und zog die kurze Waffe hervor, die er in seinem Hüfttuch stecken gehabt hatte.

„Er hat es mir gegeben, ich sollte dich fragen, ob es eine Möglichkeit gibt, diesem Ding die Magie zu nehmen“
 

„Die Magie nicht. Dazu müsste man es komplett zerstören. Aber die Rachsucht kann man ihr austreiben. Wir werden es morgen früh Tôtôsai vorbeibringen, er weiß sicher, was zu tun ist“, erklärte Kirin ruhig, ohne mehr als einen Blick auf das Aikuchi zu richten, dass Yutaka in der Hand hielt.
 

Der Pferdedämon steckte es wieder weg. „Gut. Ich glaube, der Arme ist ziemlich fertig. Ich bin froh, dass wir ihm wenigstens diesen Wunsch erfüllen können“
 

Kirin blickte ernst drein. „Er hat seine Familie verlohren, nein, schlimmer, vermutlich hat er sie sich zum Feind gemacht. Er hat sein bisheriges Leben und das wofür er kämpfte verlohren. Seine Cousine ist seinetwegen gestorben, so wird er es wenigstens interpretieren. Und außerdem ist er geschwächt, nicht gerade leicht verletzt. Dein Schützling mag ihn aufpäppeln können, aber seine Stimmung wundert mich wenig“
 

„Er hätte sich aufgegeben, wenn man ihn nicht noch gefunden hätte“, bestätigte Yutaka.
 

„Oh ja, Tsukyomarus Tochter hat ihn vermutlich gerettet“

Kirin blieb auf einem Felsen stehen, an dem die Gischt hochpeitschte. Wie Perlen rannen einzelne Wassertropfen an den gepanzerten Stellen an Kirins Brust hinab.
 

„Und wir, Kirin? Werden wir hierbleiben?“, fragte Yutaka, als er folgte.
 

„Die wenigen Dämonen, die außerhalb der Bannkreise geblieben sind, brauchen mich, uns nicht. Und den Menschen zeige ich mich nur selten. Ja, Yutaka, ich denke, wir werden hier bleiben. Nicht ausschließlich, aber grundsätzlich“
 

~*~
 

Am nächsten Morgen spazierten Kagome und InuYasha Hand in Hand über die Insel, die von nun an die Heimat des Hundeclans war. Es war noch sehr früh, der Himmel war flammend rot im Sonnenaufgang und es versprach ein wirklich schöner Frühsommertag zu werden.
 

„Man merkt es Rin nicht an, oder?“, fragte Kagome schließlich aus heiterem Himmel.
 

InuYasha zuckte halb bestätigend, halb unbehaglich mit den Ohren. „Stimmt. Wenn Masa es nicht zufällig erwähnt hätte…“

InuYasha hatte sich gestern Nachmittag, wie in letzter Zeit öfter, mit der Verwalterin getroffen. Sie war eine ergiebige Informationsquelle und erzählte offenbar gerne über den ehemaligen Inu no Taishô.

Ihre Familie gehörte schon lange zur Gefolgschaft des Hundefürsten, ihr Großvater Arata leitete bekanntermaßen die Akademie, ihre Eltern waren hohe Tiere im Heer gewesen. Sie hatten Sonderaufträge ausgeführt, bis sie, als Masa noch ein halbes Kind gewesen war, einem starken Vogeldämon zum Opfer gefallen waren, Kyōra, einem der vier selbsternannten Kriegsgötter von Hōraijima. Das war so ziemlich das einzige, was sie von sich erzählt hatte.

Danach war es meistens um Taro, Sesshômarus und InuYashas Vater gegangen.
 

Kagome atmete die salzige Seeluft tief ein und blickte auf das vom Sonnenlicht in Glut verwandelte Meer hinaus. Der Bannkreis hatte auch die Klimaverhältnisse auf den Inseln geändert, auch wenn Kagome keine Ahnung hatte, wie das ging. Normalerweise wäre es hier oben samt und sonders tundrenartig und felsig gewesen, so aber war es weit angenehmer.

Die junge Miko atmete tief durch. Es hatte seinen Grund, warum sie so früh hier draußen unterwegs war, allein mit InuYasha.

Aber sie ahnte auch, dass er es noch nicht bemerkt hatte, ganz im Gegensatz zu Sesshômaru – und auch Kôga. Kagome war heilfroh, dass der Wolfsdämon den Mund gehalten hatte – halbwegs wenigstens.

„Bist du glücklich?“, fragte sie aus heiterem Himmel.
 

InuYasha sah sie sichtlich überrascht von der Seite an. „Warum fragst du?“
 

Kagome zuckte leicht mit den Schultern.

„Nur so“, behauptete sie, „Und? Bist du’s?“

Sie setzte sich in den Sand und forderte den Hanyô mit einer Geste auf, es ihr gleichzutun. Noch war der Sand kühl, aber im Laufe des Tages würde sich das ändern.
 

„Ich denke schon… ich… habe alles, was ich mir wünschen könnte…“, sagte InuYasha nach kurzem Nachdenken und legte einen Arm um Kagomes Hüfte um sie näher an sich zu ziehen.
 

Die junge Miko lehnte die Wange an seine Schulter. „Sesshômaru hat dich endlich als Bruder angenommen, du hast eine Schwägerin, einen Neffen, wenn man Rin mit einbezieht, eine Nichte. Du erfährst Sachen über deinen Vater, an die du früher nie herangekommen wärst. Und wir sind wieder beisammen: Sango, Miroku, Kirara, Shippô, du und ich“, zählte sie an seiner Stelle auf.
 

InuYasha lächelte ein wenig. „Da hast du wohl Recht. Aber das alles… das zählt nicht so viel wie du. Du allein bist es, die mir wichtig ist“, stellte er klar und wandte den Kopf, wollte ihr einen Kuss geben.
 

Kagome schob ihn allerdings ein Stück von sich und tippte ihm mit einem Finger auf die Nase. In ihren Augen tanzten belustigte Funken.

„Das will ich doch nicht hoffen!“, kritisierte sie.

InuYasha verstand sichtlich nicht, worauf sie hinaus wollte.

Kagome blinzelte etwas, dann fasste sie nach InuYashas Hand und zog sie auf ihren Bauch. „Ich will doch hoffen, dass wir dir wichtig sind…“, wisperte sie leise.
 

Für einen Augenblick war InuYasha wie zur Salzsäule erstarrt. „I-ist das wahr?“, fragte er tonlos.
 

Kagome gab keine Antwort, aber ihr Blick, in dem eine ganze neue Art von Wärme lag, war auch so deutlich genug.
 

Da begann InuYasha zu strahlen.

„Kagome…“, hauchte er leise und beugte sich vor, berührte mit den Lippen die ihren. Und diesmal erwiderte Kagome den Kuss, ließ zu, dass er sie dabei rücklings in den Sand drückte.

Sie hätte die Frage nach dem Glücklich-sein spätestens in diesem Moment ganz klar beantworten können: Ja.
 

Sie hatte InuYasha und sie trug obendrein sein Kind unter dem Herzen.

Und – das hatte Kirin ihr in den vergangenen Tagen erklärt – dank dessen, was sie als Trägerin der Sekai no Tía für die Yôkai tat, würde sie auch noch lange an InuYashas Seite bleiben können.
 

Ich bin dir Familie gewesen, als du mich gebraucht hast, habe meine eigene Familie hinter mir gelassen. Jetzt habe ich auch selbst bald wieder eine…
 

Oh ja. Sie konnte mit einem Lächeln in die Zukunft schauen…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel "Vorboten" bereitet sich das Hundeschloss auf das Fürstentreffen vor und Kirara macht eine etwas unfreiwillige Bekanntschaft... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, damit hat Kirara dann wohl nicht gerechnet. Wie die Reaktion aller anderen Beteiligten auf ihren neusten Schützling aussieht und wie es im Hundeschloss weitergeht, erfahrt ihr im nächsten Kapitel: "Treffen" Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das kleine Baku hat also nun einen Namen und - wenn es nach Kirara geht - auch eine Aufgabe. Wie es sich dabei schlägt werden wir im nächsten Kapitel "Gespräche" erfahren. Und auch Sesshômaru wird viel zu reden haben. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kirara verteilt fleißig ihr Wissen und Sesshoumaru erklärt sich bereit, Informationen zu sammeln. Ob beide wissen, was sie sich mit ihrem Vorhaben alles eingebrockt haben?
Im nächsten Kapitel, "Bilanz", geht es um Rätsel, Kinder und misshandelte Flohgeister. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Rätsel scheint gelöst. Aber Schein ist nicht gleichbedeutend mit Sein, das werden unsere Freunde bald lernen...
Im nächsten Kapitel "Pläne" machen wir Inuyasha eine Freude, bereitet Shippô einer Miko Verwirrung und auch Kôga kommt nicht ungeschoren davon. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich kann mich nur wiederholen... wenn die wüssten, was da alles auf sie zu kommt...
Im nächsten Kapitel "Aufbruch" gehen Leute auf Reisen, und andere erfahren etwas. Geheimnisse, Neuigkeiten, Prophezeihungen... es ist von allem etwas dabei ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Da wären sie also unterwegs... genau so, dass Myouga zielgerichtet an ihnen vorbei läuft und es eine Weile dauern kann, bis er sie aufspürt.
Nun, nach einem Zeitsprung von etwa vier Monaten, werden wir im nächsten Kapitel "Frühlingsbeginn" nicht nur erfahren, was es für Shippô bedeutet, mit Kyoko befreundet zu sein, sondern auch Sesshômaru wiedersehen. Der Gute macht sich nämlich auf den Weg, Fürst Gins 'Bitte' nachzukommen. Im Zuge dessen lernt er dann auch jemanden kennen... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Team Inu-Kago-Kohaku-Kirara funktioniert also anscheinend. Wir werden noch sehen, wie gut...
Und was Sess von seiner neuen Bekanntschaft hält... Natsu sollte sich vor ihm in Acht nehmen. Wird sie aber eh' nicht tun^^
Im nächsten Kapitel "Abschied und Wiedersehen" kommt wieder etwas Bewegung in die Sache, wir lernen eine spätere Drahtzieherin näher kennen und sehen eine alte Bekannte wieder. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So so, Shippô ist also an der Fuchsakademie, ja? Wer's glaubt...
Und Gruppe drei ist jetzt auch unterwegs. Viel spaß, Sess^^

Im nächsten Kapitel "Tián" lernen wir Shioris Bekanntschaft kennen und auch Shippô trifft jemanden - wenn auch nur kurz... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Gruppe um Kago und Inu ist also erweitert worden. Ob das wohl Folgen hat?

Im nächsten Kapitel "Ein Problem weniger?" lernen wir einen neuen Drahtzieher kennen, Natsu und Sess finden heraus, dass sie verschiedene Definitionen von 'Gespräch' haben und wir sehen einen weiten alten Bekannten wieder. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, manches ändert sich eben nie. Aber ein "Wir-haben-uns-alle-ganz-doll-lieb"-Club wäre ja auch langweilig, oder?

Im nächsten Kapitel "Bei Kôgas Rudel" lernt unsere Bande einiges über die Lebensweise der Wolfsdämonen, Tián trifft eine Entscheidung... und Natsu kommt doch noch zu ihrem Gespräch. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja, da haben sich unsere Leute wirklich den perfekten Tag rausgesucht, um bei den Wölfen reinzuschneien. Allerdings werdet ihr vermutlich später noch merken, dass mir die Geschichte rund um Meiyo nur Mittel zum Zweck war. Aber zu welchem Zweck verrate ich natürlich nicht^^

Übrigens... wer hat erraten, welches Instrument Natsu da spielt?

Im nächsten Kapitel "Diskussionen" bekommen Natsu und Sess etwas Bewegung und InuYasha darf lernen, wie nervenaufreibend eine hoffnungslose Diskussion sein kann. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, genug Wortakrobatik für heute.
Übrigens, wer außer Natsu hat Sess'... nun, sagen wir mal... codiertes Kampf-Fazit verstanden?

Im nächsten Kapitel "Stumme Pläne" können Inu und Co ihre Reise fortsetzen, Sess und Natsu erreichen ein Etappenziel und unser neuer Freund Kenta darf sich auch weiter Gedanken machen...

Wen es interessiert... Natsus Lied aus dem letzten Kapitel könnte sich in etwa so anhören: http://www.youtube.com/watch?v=1H0ynPEW0v8 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Na also. So langsam kommen wir weiter^^
Im nächsten Kapitel "Fragen über Fragen", setzt Kenta seinen Plan um, Natsu und Sess erreichen die dritte Falle und Kouhei seinen neuen Aufentaltsort. Außerdem lernen wir einen weiteren, wichtigen Bewohner des Inu-Schlosses kennen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja Arata, du wirst noch viel Spaß mit deinem Schüler haben. Und du, Kôhei, mit deinem Lehrer...

Im nächsten Kapitel "Neue Wege" setzt Arata seinen Plan um - oder versucht es zumindestens -, InuYasha und Kagome erörtern die Situation und auch Sess kriegt neuen Stoff zum Nachdenken^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, denk' mal scharf nach, Sessy^^

Im nächsten Kapitel "Familiengeheimnisse" erfährt Arata einiges über seinen Schüler, Sess bekommt ein Problem (noch eines) und dann wären da ja noch unsere kleinen Füchse... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Man sollte gespannt sein, was sich aus den neuen Informationen noch alles ergibt...

Das nächste Kapitel steht unter dem Motto "Unangenehm" und das gilt nicht nur für Sess. Außerdem wird InuYashas Gruppe getroffen... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Weise Erkenntnis, Kyoko. Und auch Sess scheint seine Situation endlich ernst zu nehmen. Nun, wir werden sehen, wohin das alles noch führt.

Im nächsten Kapitel begegnen wir dann "Kirin und zwei Yetis" und zwei Drittel dieser Konstellation werden das Treffen nicht überleben. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Uuups, da gab's wohl ein kleines Missverständnis.
Mit Folgen.
Im nächsten Kapitel "Erkenntnisse" erfahren wir dann auch, welche Folgen; Shiori lernt einiges über ihren verstorbenen Vater und Sesshômaru einiges über seine Begleitung. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nachdem Arata dann also erste Fortschritte mit seinem Schüler gemacht hat, steht es im nächsten Kapitel "Unentschieden".
Darin begleiten wir dann auch Sess und Natsu in die letzte Falle - und schauen mal nach jemandem, dem gewisse Annäherungen nicht wirklich recht sein dürften. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Oi, eine Erkenntnis! Oder sollten wir sagen... eine Erleuchtung? Wir sollten dem Kristallaal beinahe dankbar sein^^

Im nächsten Kapitel ist dann endlich "Neumond" und Sesshômaru bekommt es mit zwei ganz unterschiedlichen Arten von Nervensägen zu tun. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wir sollten uns, denke ich, ernsthaft Sorgen um Tôtôsais Gesundheit machen^^

Im nächsten Kapitel gibt es dann in Bezug auf InuYashas Gruppe ein "Böses Erwachen", wir schauen noch einmal, was im Néko-Schloss so läuft und Natsu wird wieder ein paar Dinge über Sess herausfinden - unter anderem, kommt sie nun doch zu ihrem heißersehnten 'Gespräch'. Man sollte allerdings bezweifeln, dass das so nach ihren Wünschen abläuft. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Da könntest du recht haben, Amaya...
Was Sess wohl so interessantes gewittert hat?

Im nächsten Kapitel gibt es dann ein... etwas aus dem Ruder laufendes "Treffen" zwischen zwei uns wohlbekannten Gruppen, Bokuseno macht sich Sorgen und wir werfen einen Blick auf Amayas Zeremonie. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Huh, wir machen Fortschritte, Sessy^^
Das Lied, das Natsu spielt ist übrigens dieses hier: http://www.youtube.com/watch?v=Lj5E6IeNMsE (zumindestens die ersten drei Minuten...)

Im nächsten Kapitel mischen wir unsere unfreiwillig zusammenreisende Truppe mal ein bisschen auf, Kagome rettet mit Instinkt und ihrer "Gewissheit" nicht nur sich das Leben und wir schauen mal, wie es Rin derweil ergeht. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das dürfte dann wohl unter die Kateorie 'Glück gehabt' fallen.

Im nächsten Kapitel heißt es dann "Augen auf", denn wir nähern uns Tiâns Geheimnis und beobachten ein paar Boten. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Huch?

Im nächsten Kapitel kommt es dann auf verschiedene Art und Weise zu "Teamarbeit", wir erfahren, was mit Shiori passiert und warum Sess bisher noch keinen Rundumschlag gestartet hat... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, nochmal zum Mitschreiben: Tiáns Japanisch-Kenntnisse und die... wie heißt das Wort? Ach ja, die Zusammenarbeit von Sess und Inu haben uns den Sieg beschert. Und jetzt?

Im nächsten Kapitel schauen wir dann mal, was der Kampf für Folgen hatte, widmen uns demnach der "Medizinische[n] Versorgung" und wir wagen einen kleinen Blick zu einem bisher noch verborgenen Feind... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
War das jetzt eine gute Idee, oder eher Selbstmord?
Erfahren werden wir das im nächsten Kapitel und wir sehen außerdem, dass auch andere Eigenschaften manchmal "Versteckt" erscheinen mögen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und mit diesem Cliffhanger lasse ich euch dann mal allein...

Was Kohaku und Kirara wiederfährt, erfahren wir dann im nächsten Kapitel und wir sehen auch, wer Kagome bei der Versorgung von Natsu mehr oder minder erstaunlicherweise "Unterstützung" leistet.

Kleine Info am Rande: Das "Medarion no Chié", das "Medaillon der Weisheit", ist eines der magischen Artefakte, eines der Reinen und Kirin besitzt es seit Urzeiten. Es ist ein Gedächtnis, das sich alles, aber auch wirklich alles merkt und bei richtiger Benutzung auch eine Art Lügendetektor - wie wir gesehen haben. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, Miroku und die üble Nachrede...
Zusammengefasst: Sesshômaru verhält sich immer seltsamer, Tiáns Geheimnis wird immer noch nicht gelüftet und Kagome hat genug eigene Probleme.
Kleiner Spoiler übrigens: Kiraras Retter ist nicht zum letzten Mal vorgekommen.

Im nächsten Kapitel wird Sess dann auch noch "Philosophisch", Kirin trifft eine Entscheidung und die Gruppe bricht wieder auf. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Na, ob sie da nicht ein wenig optimistisch ist?
Was haltet ihr von Sessys neuer 'Philosophie'?

Im nächsten Kapitel, erreichen wir dann wieder den Bannkreis, hinter dem es "Herausforderungen" zu bestehen gibt. Und vor dem Bannkreis, werden wir Zeuge eines (hoffentlich) interessanten Gespräches zwischen Kohaku und Shiori... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Blitze, Eis, jetzt Feuer... was fehlt noch?
Tja, ob Tián Kohakus Lebensweisheit wohl so unterschreiben könnte? Wir werden sehen...

Im nächsten Kapitel macht dann der eine oder andere in paar "Fortschritte", Kuraiko kommt wieder ins Spiel und unsere Reisegruppe ändert ihre Zusammensetzung ein wenig - dafür dürften sich auch einige Fragen klären... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Offenbar gilt das Briefgeheimnis auch in der Sengoku Jidai^^

Im nächsten Kapitel heißt es dann "Abwarten", sowohl für Sess, der ja lieber beobachtet, als zu helfen, als auch für Nikko, Natsu und den Rest der Gruppe. Nur Kirara bekommt etwas zu tun, die hat nämlich Besuch. Und wir schauen mal, wie weit die Kitsune-Suchtrupps gekommen sind... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Optimismus, Kagome, Optimismus^^

Im nächsten Kapitel werden so einige Charaktere von "Splitter[n] der Vergangenheit" eingeholt, unter anderem finden wir heraus, ob Sesshômaru im wortwörtlichen Sinne aufatmen darf und wir schauen mal, was Sango und Miroku so erleben. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Glück gehabt, Sessy...

Im nächsten Kapitel klären wir die Frage "Wer reist mit wem?", Myôga legt sich mit Sesshômaru an - unbeabsichtigt natürlich - und auch Sango und Miroku sind nicht untätig. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Myôga, Myôga... das war lebensmüde...^^

Im nächsten Kapitel sind wir dann wieder "Unterwegs", erfahren, wie es den jungen Mönchen erging, ob Nikko heil zurück am Katzenschloss ist - und natürlich auch, wo 'die Fledermaushalbdämonin und der Dämon mit dem zerrupften Umhang' abgeblieben sind. Am Hundeschloss wird derweil Sess' Rückkehr sehnsüchtig erwartet - aber der liebe Inuyôkai macht ja lieber einen Umweg. Mit Konsequenzen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Oje...

Was es mit dem Angriff des "Onibi" auf sich hat, erfahren wir im nächsten Kapitel. Außerdem lernt Riku Sango kennen - und Sesshômaru bekommt ein Geschenk... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Was ein einfacher Besuch bei Bokusenô nicht alles nach sich ziehen kann...

Im nächsten Kapitel schmiedet Miroku Reisepläne und Sesshômaru trennt sich mit Natsu wieder von der Gruppe. Dabei wird er gezwungen, eine Person anzuerkennen und über die "Anerkennung" einer weiteren Person zumindest nachzudenken... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich denke, das lassen wir unkommentiert...^^

Im nächsten Kapitel ergeben sich dann für so manchen einmalige "Chancen", Miroku bricht auf, die beiden Jungmönche zu Mushin zu bringen und Shippô und Kyoko erleben eine Überraschung, als sie zur Akademie zurückkehren... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Was Natsu wohl so umtreibt...

Im nächsten Kapitel wird es für sie nicht besser, denn Natsu macht eine "Unerwartete Bekanntschaft" und auch Shippô lernt eine Menge neuer Leute kennen. Außerdem gucken wir mal, wie es ein paar Wölfen geht... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und? Entsprach die Auflösung eurer Vorstellung? xD

Im nächsten Kapitel lernt Natsu dann noch einmal ganz "Neue Seiten" an Sess kennen, Shippô lernt die Fuchsfamilie kennen und unsere Jungmönche werden vermutlich in ihrer Skepsis über Miroku bestätigt^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Er hat es ausgesprochen! Das achte Weltwunder!

Im nächsten Kapitel bekommen sowohl Mushin, als auch Kôhei "Besuch", Miroku darf ein paar Sachen klären und Rin darf Jaken zur Weißglut treiben^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, während die einen ihre Probleme lösen, kriegen die anderen immer wieder welche dazu. Ich bin schon böse, hm???

Im nächsten Kapitel schauen wir, wie die "Rückkehr" von Inu und seiner Gruppe ins Dorf so läuft und was sie dort erwartet. Auch Natsu kehrt in ihre Heimat zurück und Shippô verläuft sich im Fuchsschloss. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tjaja, Hoffnung hat noch keinem geschadet^^

Im nächsten Kapitel - nach einem gewissen Zeitsprung - beschäftigen wir uns dann mit dem "Leben". Mit neuem Leben und mit dem Schicksal, das Leben bestimmt und Leute wieder zusammenführt, die glaubten, Abschied genommen zu haben. Ach und... warum macht Myôga sich Sorgen um Sess? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wer will es ihr verdenken?

Im nächsten Kapitel erledigt Amaya ihren "Auftrag", aber auch Kohaku hat einen solchen - und Kagome findet heraus, wer die Fremde ist...
Was Sess wohl zu seinem Sohn sagen wird? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ach du je, Nervenkitzel pur für die arme Amaya^^

Im nächsten Kapitel machen sich so manche Leute "Sorgen", wir erfahren, wie es Rin ergangen ist und wo Tián abgeblieben ist... zumindest halbwegs. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nun, wir werden sehen, wer am Ende Recht behält, Arisu oder Rin...

Das nächste Kapitel wird ganz unter dem Motto "Hilfsangebote" und -gesuche stehen. Wer jetzt allerdings wem... verrate ich nicht^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Na wenn das nicht der Beweis war, dass Natsu mit ihren Gefühlen nicht allein steht...

Im nächsten Kapitel schauen wir dann, wie sich Sesshômaru beim "Pläneschmieden" schlägt und werfen ein paar Blicke in die Runde, zu Shippô, aber auch zu den Wölfen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Na wenn das mal gut geht...

"Die Uhr tickt" im nächsten Kapitel, wir beschäftigen uns mit den Vorbereitungen für den Plan - und mit einer schlechten Nachricht für Sesshômaru... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, da sind'se wieder beisammen...

Im nächsten Kapitel befinden wir uns dann "Im Schloss" - sowohl bei den Inu, als auch bei den Neko. Und die Probleme werden nicht weniger... eher im Gegenteil, fürchte ich... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Da dürfte Sango Recht haben.
Im nächsten Kapitel beschäftigen uns dann „die letzten ruhigen Minuten“ bevor es ernst wird. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja diese Hoffnung können wir wohl alle unterschreiben. Aber Sess sollte Kuraiko nicht unterschätzen - und, nebenbei bemerkt, er kann froh sein, dass er seine kleine Rin hat, hm?

Im nächsten Kapitel beschäftigen wir uns dann mit Shippô, mit Rin und mit der "Eskalation" der Dinge... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Als ob wir nicht vorher schon genug Probleme gehabt hätten...

Im nächsten Kapitel lässt dann zumindest die "Vorhut" nicht lange auf sich warten, wir beschäftigen uns ein wenig mit der Vergangenheit und mit Rins Gott- äh... Sesshômaru-Vertrauen^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Oh ja, da werden doch Erinnerungen wach...

Im nächsten Kapitel mischen sich dann auch die bisher zurückgebliebenen ein und wir erfahren, wie ER denn so ist... Jigoku no Ookami... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich lasse das mal unkommentiert.

Im nächsten Kapitel schauen wir dann mal, wie "die Reaktion der anderen" ausfällt, namentlich die Tôrans, die der Füchse und die Tôtôsais... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Würfel sind gefallen, würde ich sagen...

Im nächsten Kapitel findet dann "wieder zusammen", was schon einmal zusammen war - oder mehr? - oder anders?
Man wird sehen... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wenn man jetzt noch weiß, dass "Watashi-mo" in etwa soviel heißt wie "Ich auch"...


Doch schon im nächsten Kapitel werden unsere Freunde "Aufgespürt" und das von mehr als einer Person... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Also ich bin da ganz Rins Meinung, aber... naja, Sengoku Jidai eben^^

Im nächsten Kapitel gönnen wir unserer gebeutelten Bande mal eine "Ruhepause" - und klären, was Tôtôsai letztens so aufgescheucht hat^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein wenig wollen wir sie doch noch quälen, hm??
Was sagt ihr zu Himitsutsu?

Im nächsten Kapitel geht es dann um die Festigung bestehender und die Bildung neuer "Beziehungen" und das Hundeschloss bekommt eine Menge interessanten Besuch... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Jetzt dürfte das Maß voll sein...

Im nächsten Kapitel dürfen wir erwartete und völlig unerwartete Formen der "Vergeltung" kennenlernen - und eine alte Bekannte mischt sich ein... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Er nennt ihn Bruder!
Glück gehabt.

Wie fandet ihr Kaguras Auftritt?

Doch im nächsten Kapitel zeigen sich die Langzeitfolgen dieses Konfliktes, denn ganz ist Kin nicht davongekommen. Andererseits bekommt aber auch Sess seine "Revanche" und wir kehren zu den Zurückgebliebenen am Schloss zurück. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kuraiko hat also wieder das Ruder in der Hand. Gefällt ihr sicher gut, die Entscheidung gefällt zu haben^^

Das ist Natsus Melodie aus diesem Kapitel: https://www.youtube.com/watch?v=Dya1AtAqqGk

Vor dem nächsten Kapitel gibt es ersteinmal 14 Monate Zeitsprung und dann darf Rin das Schloss unsicher machen - und "Sayo's Lied" lauschen... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Jetzt ist es wohl an Rin, nachzudenken...

Fragt sich nur, ob sie dazu kommen wird. Denn im nächsten Kapitel werden sich die Ereignisse überschlagen und nicht nur Rin ein "Schock" ereilen. Auch InuYasha wird von so mancher neuen Erkenntnis überrumpelt und nicht nur er...

Ach, das Lied von Kôhei habe übrigens nicht ich geschrieben, es heißt auch nicht Sayo's Lied, sondern "Stunde des Sturms" und stammt von Cuirina: https://www.youtube.com/watch?v=2DDzNAL6o6M Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
... und was es mit der auf sich hat, erfahrt ihr, in einer ausgelagerten Kurzgeschichte, die nächste Woche starten wird, während diese Geschichte hier für ein paar Wochen pausiert.

Wie Rin die Geschehnisse dieses Kapitels hier verkraftet hat, werdet ihr dann ebenso sehen, wie auch den Aufbruch einiger anderer Gruppen... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Beruhigt?

Was glaubt ihr eigentlich, ist Sangos Plan? Wilde Spekulationen werden gerne entgegengenommen^^

Das nächste Kapitel dreht sich dann um die "Ankunft" aller an der Nordostspitze Japans und um einige damit verbundene Überraschungen... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kôga kann es aber auch nicht lassen. - Was ihm und Sess wohl so brisantes aufgefallen ist?

Vermutungen zu Sangos Plan aus dem letzten Kapitel werden übrigens immernoch entgegen genommen^^
Die Auflösung gibt es dann im nächsten Kapitel, denn das dreht sich um den "Silberbann" Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und mit dieser positiven Bilanz endet das vorletzte Kapitel diesen Bandes.

Im nächsten Kapitel schauen wir uns noch einmal bei Hunden und Füchsen um und schauen, wer alles "Mit einem Lächeln in die Zukunft" gehen kann... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und mit diesem Schlusswort endet der erste Band dieser Geschichte nach über 400 Word-Seiten und mehr als zwei Jahren Herzblut seit der ersten Idee bis jetzt.
Ich möchte euch allen meinen Lesern noch einmal danken und würde mich natürlich über den einen oder anderen Schlusskommentar freuen.

Der zweite Band wird pünktlich zum Jahreswechsel unter dem Titel "Mikadzuki-ko" starten und ich freue mich über jeden von euch, den ich dort wiedersehe.
Bis dahin euch allen eine schöne, restliche Adventszeit und einen guten Rutsch! Komplett anzeigen

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Von:  Silberfrost
2015-12-13T12:56:48+00:00 13.12.2015 13:56
Shioris Waffe, wenn es denn eine neue ist, ist ja mal genial. Schallwellen für Fledermaus-han'you! Perfekt!
Ich bin sicher, Sess hat einen guten Grund dafür, mit Bakusaiga nicht alles zu planieren, aber vermutlich findet er es wahnsinnig ätzend, mit solchem Gewürm länger als nötig herumalbern zu müssen. Mich würde allerdings interessieren, wie er die Rückkehr seines Bruders in die Welt der Halbblute bewertet - und ob er sich ein wenig grämt, dass die Miko an seiner statt die gute Natsu gerettet hat. Fuu, Sessy, du wirst nachlässig.
Die traute Fuchsfamilie war mal interessant. Ein "Emporkömmling" auf dem südlichen Thron. Na zauberhaft =D Wenn das im Westen passieren würde, wüsste ich zumindest eine hohe Dame, die völlig austicken könnte - und das möchte man sicherlich nicht erleben. Für Nachwuchs hat er auf jeden Fall ausreichend gesorgt. Ich bin mal gespannt, wie das läuft, wenn seine Suchtrupps auch den Chaos-Trupp stoßen. Das kann doch nur Tumult geben. Aber sollten sie die Kinder nicht eh wieder in die Schule bringen? Schulpflicht und sowas? =D Mal sehen! =) Ich bleibe am Ball :D
Von:  Silberfrost
2015-12-11T21:14:24+00:00 11.12.2015 22:14
Ahhh, Natsu, ich muss so über dich grinsen! Ja, er rettet Menschen das Leben - und zufällig nicht nur einem. Wenn sie einmal Rin sieht, fällt sie wirklich aus allen Wolken - und Sessy büßt ein wenig seiner erhabenen Unantastbarkeit ein.
Es sieht so aus, als habe Inuyasha Tessaiga wieder benutzen können? Das wäre natürlich was! Dabei habe ich gerade angefangen zu genießen, dass sein großer Bruder auf seine verschrobene Art und Weise mal wieder seine ungeliebte Familie schützen will - warum sonst hätte Inuyasha sich heraushalten sollen? Wobei das bei diesem Massenansturm schwer realisierbar gewesen sein durfte, selbst wenn Inuyasha mal dem hätte folgen wollen, was andere ihm anraten - und darin ist er ja bekannter Weise nicht überragend.
Ich freue mich auf die Reise dieser kurios zusammengewürfelten Gruppe!
Von:  Mamesa
2015-12-06T23:37:48+00:00 07.12.2015 00:37
😢😭es ist so weit der moment wovor ich so angst hatte
Es ist fertig es war zu schön um endlos zu sein😂ich habe jetzt mehrere wochen darangelesen mein schlaf hat ziemlich darunter geliten(meine arbeit vieleicht auch)aber die story war es mir definitiv wert🎆🎇🎉🎊herzlche
Antwort von:  Mamesa
07.12.2015 00:38
Glückwunsch super story
☁☁☁☁☁☁☁
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Antwort von:  Mimiteh
08.12.2015 07:32
Freut mich sehr, dass es dir so gut gefallen hat.
Der zweite Band wird, auch weils mir neben dem Studium zu aufwendig ist, auf zwei Seiten aktiv zu sein, nur noch auf fanfiction.de hochgeladen, aber wenn du da weiter mitlesen willst... Username ist dort Donoma.
Antwort von:  Mamesa
08.12.2015 21:25
Super danke werd ich machen 😁
Von:  Sesshy500
2014-12-09T11:35:18+00:00 09.12.2014 12:35
Tja was soll ich großartig sagen??
Es ist eine Hammer FF.
Sie ist super, man versteht alles, Inu und Sess kämpfen nicht mehr gegeneinander.
Was will man mehr.
Und Inu wird Papa.
Das Kind wird bestimmt niedlich aussehen.
Außerdem fantastische Wendung, dass Sess´Baby jetzt sein Augenlicht wiederhat.
Ich freue mich auf jeden Fall auf den nächsten Band und werde ganz sicher auch weiter mit dabei sein.

Gruß Sesshy
Antwort von:  Mimiteh
10.12.2014 11:35
Deine Begeisterung freut mich sehr und ich gespannt, was du zum zweiten Band sagen wirst.
LG
Von:  Avialle
2014-12-08T19:26:29+00:00 08.12.2014 20:26
Mädel, du gehörst verboten... Wegen dir sitz ich vorm PC anstatt im warmen Bett zu liegen -_-
Seis drum, gelohnt hat es sich alle Mal
Für Kin ist ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen - im wahrsten Sinne des Wortes quasi^^
Doch, das ist erfreulich, wenn auch ein fader Beigeschmack bleibt. Aber genau deswegen gefällt es mir, es ist nicht zu perfekt
Auch ansonsten alls so... harmonisch. Ich brauch Insulin x.x
Da es einen nächsten Teil geben wird, vermute ich aber, dass es nicht so friedlich bleiben wird - also gönnen wir dend Lieben ihre wohlverdiente, schöne Zeit
Antwort von:  Mimiteh
08.12.2014 23:50
... die ersteinmal eine ganze Weile andauern wird, zum zweiten Band hin, gibts nämlich einen gewaltigen Zeitsprung, soviel sei verraten.
Kins... InuKins kleine Schwäche sollte eben genau das unterstreichen. Sein Erbe, die Eltern, die Besonderheit von deren Beziehung ist schon hochgreifend genug, da muss nicht auch er noch perfekt sein. Schön, dass das durchgekommen ist.
In diesem Sinne... bis zum zweiten Teil^^
Von:  Avialle
2014-12-03T16:57:07+00:00 03.12.2014 17:57
OK, darauf wäre ich ja nicht gekommen. Ist aber auch eine nette Idee
Noch eine Sache mehr, die geklärt ist^^
Aber schon das vorletzte Kap?
Ist irgendwie komisch, auch wenn man weiß, das es weiter geht...
Antwort von:  Mimiteh
04.12.2014 17:38
Ging es jetzt zu schnell aufs Ende zu?
Aber ich freue mich, dass ich auch eine aufmerksame Leserin wie dich überraschen konnte. Wenn alles durchschaubar wäre, wärs ja unschön.
Antwort von:  Avialle
04.12.2014 20:22
Tut es für Leser doch immer, so gefühlt ;)
Ne, aber so wie es ist, passt es schon
Und ob ich nach der Arbeit noch Aufmerksam bin sei mal dahin gestellt...
Von:  Avialle
2014-11-27T19:17:54+00:00 27.11.2014 20:17
Öhm
Das ist doch wohl sowas von offensichtlich
Im Gegensatz zu mir gönnst du InuYasha was, da steht Nachwuchs an
Hach, und Tian ist auch endlich da. Der Arme, aber für Shiori gut. Schade um seine Cousine, schien eine Liebe gewesen zu sein...
Nun sind sie also angekommen - hat Sess die zusätzlichen Menschen schon bemerkt?^^
Das ist hier die Frage...
Antwort von:  Mimiteh
27.11.2014 23:02
Wenn ichs nicht tun würde, würde meine Co-Autorin mir an die Kehle gehen. Die ist da ein wenig auf dem Friede-Freude-Eierkuchen-Trip. Aber was solls, kriegt er halt Familie. Man wird im zweiten Band sehen, was sich daraus ergibt.
Und Sess wird die erweiterte Menschenbande schon früh genug bemerken^^ Aber du hälst dich mit Vermutungen über Sangos Plan immernoch zurück - oder hast du wirklich keine Idee?
Von:  Avialle
2014-11-21T17:53:54+00:00 21.11.2014 18:53
Öhm
Ne, ich spekulier nicht, dafür war der Tag zu lang
Aber Mensch, hab ich mich gefreut als es hier weiter ging!
Ja, Rin hat offenbar nur den richtigen Anstoß gebraucht
Sess reagiert ja recht gelassen... Nunja, es könnte wohl schlimmer sein und der Gedanke doe Kombi betreffend ist auch nicht schlecht^^ Ja, der gute sollte wirklich nicht auf andere zeigen... :D
Antwort von:  Mimiteh
21.11.2014 20:53
Schade, ich hätte gerne gewusst, was du dazu zu sagen hast. Wenn dir später noch was einfällt, nur her damit^^
Ja, Rins Therapie ist geglückt und ich bin froh, dass Sess' Reaktion nachvollziehbar rüber kam. Immerhin, da hast du schon ganz Recht, hat er kapiert, dass er sich vor jeglichem Mokieren an die eigene Nase fassen müsste - wenn eine solche Geste einem Daiyôkai denn würdig wäre xD
Von:  Avialle
2014-10-09T16:38:34+00:00 09.10.2014 18:38
Ohoh, gerade noch gut gegangen
- Ich bin dagesessen und dachte nur: Nein, sie ist nicht so böse wie ich, nein ist sie nicht, neinneinnein...
Ein Glück war doch noch ein Retter in weißer Rüstung da :D
Der andere Teil des Kapitels war auch sehr aufschlussreich als auch amüsant
Nun denn, sonst noch was zu sagen?
Ja. Deine Ankündigung macht mir keine Freude o.o
Antwort von:  Mimiteh
09.10.2014 20:17
... oder ein Retter im Wolfpelz... aber das ist wohl ein wenig negativ belegt, hm? xD
Freut mich, dass auch der Rest gefallen hat - und ich hoffe, die Kurzgeschichte wird dir auch zusagen!
Von:  Avialle
2014-09-30T20:11:30+00:00 30.09.2014 22:11
Hachja, alles in Aufbruchstimmung...
Da wird sich so einiges ändern und wie ich das sehe, bahnt sich da auch schon eine andere, kleine Geschichte an... ;)
Schön so noch einen Einblick darauf zu erhalten, wie die letzten Monate für unsere Truppe waren
Die Sorge um Tian bleibt bestehen, Kin erst recht und deine Schlussworte machen auch nicht gerade Laune
Was hast du nur schon wieder vor du böses etwas?
Das Lied war übrigens überaus passend, wie für die Geschichte gemacht
Antwort von:  Mimiteh
30.09.2014 23:04
Nun, dieser Band hat nicht mehr viele Kapitel, aber eine kleine Gemeinheit habe ich noch in petto, ja^^
Und die Baustellen Kin, Tian und co... man wird sehen... ;)


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