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☾ Mikadzuki

von

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Vorboten

Es war schönes Wetter in dieser Nacht.

Nachdem es fast bis in die Dämmerung hinein heftig geregnet hatte, war es jetzt trocken und sternenklar.

Nur in der Luft hing noch ein wenig Feuchtigkeit und einige der Zierkirschen im Garten des großen Schlosses trugen noch silbern glitzernde Verzierungen aus Regentropfen, aber der Vollmond verteilte sein magisch anmutendes, elfenbeinfarbenes Licht ungehindert auf Mauern und Dächern.

Es war ein großes Anwesen, erbaut aus rötlich-weißem Gestein, dass so in einen überirdisch wirkenden Mantel gehüllt wurde.

Ruhig lag es in all diesem Glanz, keine Gestalt regte sich auf dem Schlosshof, bloß im Inneren des Hauptgebäudes herrschte Aufruhr.
 

Nur eine einzelne Gestalt stand draußen, inmitten den Schatten des Tores leuchtete sie fast von selbst. Lange, silbrigweiß glänzende Haare, bernsteinfarbene Augen, weißer Kimono – der Fürst dieses Schlosses. Aber trotz der Haarfarbe wirkte er nicht alt, im Gegenteil, er schien gerade erst die Schwelle zum Erwachsenenalter überschritten zu haben. Erst auf den zweiten Blick fielen die magentafarbenen Streifen an den Wangen, der blaue Sichelmond auf der Stirn, die klauenartigen Fingernägel auf und enthüllten, was er wirklich war: Ein Yôkai. Ein Geschöpf, das so viel mächtiger war, als es ein Mensch je sein könnte. Das erklärte auch die stoische Ruhe, mit der die einsame Gestalt dort stand, nicht einen Muskel regte. Er brauchte nichts zu fürchten. Und Wächter hätten außerdem dem Brauch widersprochen.

Denn heute war auch für ihn ein besonderer Tag – oder besser, eine besondere Nacht. Denn heute, seit hundert Jahren zum ersten Mal, trafen sich die Fürsten der stärksten Dämonenvölker um ihre Politik aufeinander abzustimmen.

Egal welche Fehden gerade herrschten, während des Treffens herrschte Frieden – das konnte in ein paar Tagen, auf dem Heimweg schon wieder ganz anders aussehen, aber das war ein anderes Thema und hatte den jungen Fürsten nicht zu interessieren. Momentan lag er mit keinem anderen Dämonenclan im Klinsch.

Und außerdem hatte er nicht vor, sich irgendwem zu beugen.

Seit drei Jahren hatte er seine wirkliche Macht nicht mehr gebraucht und es war ruhig geworden, rund um die westlichen Länder.

Momentan hatte er nicht vor, daran etwas zu ändern.
 

In diesem Moment, zum ersten Mal seit Stunden, rührte sich die weißgekleidete Gestalt, trat ein paar Schritte vom Schlosstor weg. Er hatte das erste, sich nähernde Yôki gespürt und es wurde Zeit, dem nächsten Schritt des Brauches Genüge zu tun.

So schloss er jetzt kurz die Augen, bis auf einmal scheinbar aus dem Nichts heftiger Wind um ihn aufstieg. Erst wirbelten nur seine Haare etwas hoch, dann hüllte ihn der selbst erzeugte Wind komplett ein, als sich seine Gestalt zu verändern begann. Nur ein paar Herzschläge später stand die zuvor beinahe menschlich anmutende Gestalt als mehrmeterlanger Hund da. Noch immer hatte er die strahlend silberweiße Farbe und auch das Sichelmondzeichen war noch vorhanden, doch die Augen leuchtenden nun blutrot und trotz geschlossenen Maules schimmerte es an den Lefzen giftgrün.
 

Kaum stand er so da, lösten sich Gestalten aus dem Nachthimmel, kamen vor ihm auf den Boden auf. Riesige Schwingen wirbelten Staub und Blätter auf, als sie beim Zusammenfalten kurz auf der Erde aufkamen, dann waren die Neuankömmlinge gut zu erkennen.

Unverkennbar, dass sie mit den Vögeln, den Greifvögeln verwandt waren, aber bei den riesenhaften Gestalten hätte niemand auf den ersten Blick erkannt, dass sie der Familie der Falken zugehörig waren, deren tierische Verwandte doch eher klein und schmal gebaut waren.

Die vier Obersten der Hayabusa-Familie, der momentan Herrschenden im Clan der Vögel. Fürst Shou, seine Gemahlin Cho, sein Sohn und Erbe Masaru und dessen Verlobte Suzu, letztere beiden deutlich erkennbar noch nicht ganz ausgewachsen.

Der weiße Hund musterte sie kurz, dann neigte er mehr grüßend als höflich den Kopf, eine Geste, die von den beiden männlichen Gästen genau imitiert wurde. Die beiden Falkendämoninnen dagegen verneigten sich deutlicher, sich durchaus bewusst, dass sie zu größerer Höflichkeit verpflichtet waren, wollten sie keine schmerzhafte Strafe herausfordern. Bei Sittenverletzung auf so einer großen Veranstaltung waren Dämonen nicht gerade zimperlich.

Dann erst traten die vier ein paar Schritte zurück, Sturmwind stieg auf, der die Umgebung noch mehr verwüstete, als sie sich alle gleichzeitig in ihre menschenähnlichen Formen zurückverwandelten und an dem weißen Dämonenhund vorbei Richtung Schlosstor marschierten, wo ein Diener sich ihrer annahm.
 

Der Schlossherr jedoch verharrte erneut regungslos, wartend auf die anderen Fürsten und ihre Begleitung. In der Ferne spürte er bereits das Yôki der nächsten Gäste und konnte deutlich die Witterung des Kuma-Clans, der Bären, ausmachen.

Aber er wusste, es konnte durchaus bis zum Morgengrauen dauern, bis alle hier eingetroffen wären.
 


 

Viel weiter im Osten prüfte derweil ein ganz anderer Yôkai die Luft. Das gelblich-cremefarbene Fell war im Dunkel der Nacht fahlgrau geworden und die Baumkronen über ihr hielten das Mondlicht von ihr ab.

Endlich bekam die Gestalt jene Witterung in die Nase, die sie gesucht hatte und triumphierend zuckten die beiden dicken Schwänze, sodass die flammenden Spitzen kurz die Umgebung erhellten.

Die Nekomata hatte gefunden, was sie suchte und dementsprechend setzte sie sich jetzt in Bewegung, sprintete durch den tiefdunklen Wald.
 


 

Sesshoumaru sollte mit seiner Einschätzung Recht behalten.

Tatsächlich stiegen bereits die ersten Sonnenstrahlen über den fernen Hügeln auf, lösten das Mondlicht ab und hüllten das Schlossgelände stattdessen in einen Lichtmantel aus Purpur, als der Hundedämon das Yôki spürte, dass er zuletzt noch erwartete.

Die Dämonin, die sich nun am Horizont zeigte, war sich durchaus bewusst, dass sie hier immer noch ein gewisses Hausrecht besaß und daher auf sich warten lassen konnte.

Und sie unterschied einiges deutlich von allen anderen bisher Angekommenen: Auch sie war eine Hundedämonin, auch sie zeichnete sich durch weißes Fell aus, auch sie trug den blauen Sichelmond auf der Stirn. Und in ihrer Hundegestalt war sie zwar zierlicher als der hiesige Fürst, aber reichte durchaus an seine Größe heran, was verriet, dass sie eine fast ebenbürtige Stärke besaß.
 

Nur knapp neigte sie den Kopf, dann verwandelten sich beide Yôkai zurück, der junge Fürst bot der weiblichen Yôkai pflichtbewusst den Arm zum Geleit. Die weißhaarige Dämonin, die ein weißes Fell wie einen Mantelkragen um beide Schultern trug, zeigte deutlich, dass sie sich ihren Ranges bewusst war, als sie ihre zierliche Hand hudvoll auf dem Unterarm des Schlossherrn platzierte.

„Ihr habt Euch Zeit gelassen, Haha-ue“, bemerkte er ruhig, erhielt aber keine Antwort.

Und die junge, dämonische Dienerin, die am Schlosstor wartete, um die Fürstinmutter zu ihren Gastgemächern zu geleiten, wie es ihre Kollegen schon mit allen anderen adeligen Gästen gemacht hatten, entschied für sich, dass sie nun wusste, woher der Fürst seine Schweigsamkeit hatte.
 


 

Im Osten hatte die cremefarbene Nekomata inzwischen den Ort gefunden, den sie suchte. Inmitten der zerklüfteten Hänge eines einsamen Berges zeigte sich ein Felsspalt, aus dem die gefragte Witterung strömte.

Kirara grummelte zufrieden und verlangsamte ihre Schritte um zu unterstreichen, dass sie in friedlicher Absicht kam.

Bakus kämpften zwar nicht gern, aber sie wussten sich durchaus zu verteidigen, wenn sie glaubten, es würde ein Anschlag auf ihr Leben stattfinden.

Langsam betrat sie den Höhlengang, der trotz der inzwischen aufgegangenen Sonne selbst im vorderen Teil vollkommen dunkel war. Nur das Feuer, das sich an Kiraras Schwanzspitzen und Pfoten schmiegte, zauberte ein wenig Licht an die roten Felswände. Schier endlos zog der Gang in den Berg hinein und würde Kirara hier drin nicht die Magie fühlen, sie hätte geglaubt, eigentlich längst auf der anderen Seite des Berges wieder herausgekommen sein zu müssen. So aber trottete sie tapfer weiter, ließ zu, dass die Schutzmagie sie nach ihrer Absicht abtastete.

Bakus kämpften wirklich nicht gern.
 

Endlich veränderte sich etwas, plötzlich flammten dünne Lichtfäden in den Rissen der Höhlenwand auf, dann wich der Gang auseinander, bildete ein niedriges, aber großes Gewölbe, dessen rotes Gestein nun hell leuchtete.

Und dort stand es: Das Baku, der hier lebte.

Diese Wesen lebten nie lange mit Ihresgleichen zusammen, unkooperativ waren sie deswegen noch lange nicht. So hatte Kirara es wenigstens gehört, denn es war Jahrhunderte her, dass sie das letzte Mal einem Baku gegenübergestanden hatte.

Leicht neigte sie nun den Kopf, musterte aus dem Augenwinkel das Tier. Vom Körper her sah es ihr ähnlich, fast wie ein Löwe, allerdings mit zu dunkel geratenem Fell. Doch sein Kopf war der eines Elefanten. Kluge Augen schauten sie an, dann erwiderte ihr Gegenüber die grüßende Geste, setzte sich nieder.

Nun war es an Kirara, es ihm gleichzutun, sie schloss halb die Augen und konzentrierte sich auf ihr Anliegen: Mehr darüber in Erfahrung zu bringen, wie viel die Menschen noch über das Gleichgewicht und die Wichtigkeit der magischen Artefakte wussten.

Kurz geschah gar nichts, dann kamen Bilder in ihren Kopf auf, zeigten die Artefakte, sechs davon klar. Drei der Reinen und drei der Bösen, soviel erkannte Kirara schnell. Die anderen Bilder waren unscharf.

»Legenden?«, fragte Kirara in Gedanken zurück. Das Baku nickte. Ja, so war das. Die restlichen Artefakte – und ausgerechnet auch die beiden übrig gebliebenen Zwiespältigen – waren nur durch Sagen und Geschichten überliefert, keiner wusste etwas Genaueres. Sie fauchte leise auf, ihre Säbelzähne blitzten im magischen Licht.

Dann konzentrierte sie sich auf ihre nächste Frage: » Wo und in wessen Hand befinden sich das Hōō Hōseki und die Haru Tsume?« Die beiden zwiespältigen Dinge waren im Moment das wichtigste. Das wusste auch das Baku, aber es verdrehte leicht die Augen, ehe es doch Antwort gab.

Hōō Hōseki, das Phönixjuwel, war noch immer da, wo es hingehörte, bei den letzten drei FeuerYôkai, den Nachkommen der ausgestorbenen PhönixYôkai.

Die Haru Tsume, die Federkralle, dagegen, war schon seit einigen Jahrzehnten verschollen. Diesmal fauchte Kirara lauter. Diese Nachricht war gar nicht gut. Sie schüttelte leicht den Kopf, als ihr Brüllen echoartig zu ihr zurückkam.

Dann jedoch spitzte sie die Ohren.

Da war nicht nur ihr Wutlaut, da hallte noch mehr durch das Gewölbe.

Und das war gar nicht gut.

War ihr Gastgeber etwa zu abgelenkt gewesen, den Eingang weiter zu schützen?

Das bezweifelte sie nun doch.

Und trotzdem, das fremde Brüllen, Fauchen und Keifen kam immer näher und es hörte sich gar nicht gut an.

Kirara war zu kampferfahren, um nicht herumzuwirbeln – und damit gerade noch dem Angriff eines wurmartigen Oni zu entwischen. Was bitte hatte der hier zu suchen? Schnell sprang sie erneut zur Seite um dem nächsten Angriff zu entgehen, dann ging sie selbst in die Offensive, schlug ihre Säbelzähne in den langen Leib und riss ohne zu Zögern ein Stück heraus. Sie hatte gespürt, wie sehr das ohnehin niedrige Yôki ihres Gegners flackerte und instinktiv begriffen, dass der nicht ganz bei Sinnen war. Sie musste ihn töten, sonst wäre es aus.

Außerdem hörte sie das schmerzerfüllte Jaulen des Baku und konnte sich denken, dass der mehr Probleme hatte, sich zu wehren. Direkter Kampf war nichts für seine Gattung, sie verteidigten sich eher mit Magie und auf Distanz. Erneut grub Kirara ihre Zähne in den übergroßen Wurm und riss mit einer schnellen Bewegung den Kopf ab. Sofort war Ruhe, der tote Dämonenkörper fiel zu Boden.

Die Nekomata atmete auf, wandte sich dann um.

Hier in der niedrigen Höhle würde sie kaum eingreifen können, nicht helfen können.

Doch das Bild, was sich ihr bot, erschütterte sie viel mehr.

Das Baku lag am Boden, wehrte sich nur noch schwach mit den Krallen, nicht mehr in der Lage, Magie gezielt einzusetzen. Sein brauner Körper war blutüberströmt.
 

Da erreichte Kirara plötzlich ein Bild. Sofort lenkte sie ihren Blick in die Ecke der Höhle, die es gezeigt hatte, erkannte den dortigen Spalt.

Da sie kaum glaubte, das Baku hätte es ihr als Versteck geraten, erkannte sie, dass irgendetwas dort wichtig war.

Sie nickte deutlich, spürte die Erleichterung ihres bisherigen Gastgebers, als der seine Kraft sammelte und all seine Magie gegen den triumphierenden Gegner warf. Der wurde zurückgeschleudert, landete an der Felswand und rutschte mit zertrümmerten Knochen daran herunter – tot. Kurz nur musterte Kirara das Baku, das seine letzte Kraft gegeben hatte, nur um irgendetwas zu schützen, dann wandte sie sich dem gezeigten Felsspalt zu.

Sie fürchtete zu wissen, um was es sich handelte, schon als die Lichtfäden an den Wänden erloschen, sie wieder in der Dunkelheit stand. Zielstrebig machte sie sich auf den Weg, schlängelte sich in den engen Spalt und ließ ihre Augen durch die kleinere Höhle dahinter gleiten.
 

Und sie erkannte das Nest in der Ecke, zu klein für ein ausgewachsenes Baku.

Wie zur Bestätigung tauchte eine kleinere Gestalt daraus auf, vielleicht etwas größer, als ihre eigene, kleine Gestalt. Ein Jungtier. Na prima. Baku-Kinder waren extrem selten und sie wusste jetzt, dass ihr Gastgeber sich für sein Junges geopfert hatte. Und mit ihrem Nicken hatte sie versprochen, sich des Kleinen anzunehmen.

Na hoffentlich würde das nicht für zu viel Aufruhr sorgen, hoffentlich hatte Kaede ihr Dorf darüber aufgeklärt, dass die Bakus nicht bösartig waren. Um Kohaku, Sango und die ganze Bande machte sie sich weniger Sorgen, die würden nicht erschrecken.

Vorsichtig kam die Nekomata einen Schritt auf das Jungtier zu, stieß einen weichen Laut aus, beruhigend und grüßend zugleich. Sie begrüßte es sehr, dass Bakus schon als Halbwüchsige den geistigen Horizont eines erwachsenen Tieres hatten und das Kleine sich daher reichlich wenig verschreckt zeigte. Es konnte spüren, dass Kirara nichts Böses wollte.
 

So kam es näher, blickte zu ihr auf. Sie wusste, dass es las, was geschehen war. Vom Tod seines Elterntieres, dem Versagen der Schutzmagie. Kurz senkte es den Kopf, seine Trauer war deutlich zu spüren, ging in schier sichtbaren, schwarzen Wellen von ihm aus. D

ann richtete es sich wieder auf. Ein Bild wurde Kirara entgegengeschickt, von ihnen beiden.

Sie nickte. Ja, sie würde das Kleine mitnehmen.

Auf das Risiko hin, ein Riesenchaos zu verursachen.

Aber sie hatte es versprochen.
 


 

Vielleicht eine menschliche Tagesreise entfernt, saß eine bunt gemischte Gruppe aus Menschen, einem Halbdämonen und einem halbwüchsigen Dämon am Ufer eines kleinen Sees, der von Schilfgestrüpp beinahe vollständig zugewuchert war.

Nur an dieser Stelle konnte man die im Sonnenlicht glitzernde Wasserfläche erkennen. Und das war für die drei Kinder in der Truppe eine willkommene Sensation. Was für seltsame Muster die Lichtstrahlen auf die leicht krause Seeoberfläche zauberten!
 

Die mehr oder weniger Erwachsenen saßen dagegen ruhig auf dem Wiesenstück am Ufer und unterhielten sich, während sie aus dem Augenwinkel auf die Kleinkinder aufpassten.
 

„Aneue?“, unterbrach der vielleicht Fünfzehnjährige in einfacher, graulila Kleidung schließlich das eigentliche Gespräch und sah zu der jungen Frau im rosa und rotviolett gemusterten Kimono.

„Was ist los, Kohaku?“, wollte sie wissen, wandte ihm den Kopf zu, strich sich die schwarzbraunen Haare hinter die Ohren.

„Hast du eine Ahnung, wieso Kirara das getan hat? Ich meine, sie war es schließlich, die mich hier abgeliefert hat. Ich weiß wirklich nicht, was sie so alleine vorhat“, wollte der Junge von seiner Schwester wissen.

Sango blickte nachdenklich zum See hinüber. „Ich kenne sie zwar ein paar Jahre länger, als du, aber ich kann es dir auch nicht erklären, Kohaku. Fest steht, dass es etwas Wichtiges sein muss, sonst hätte sie dich mitgenommen. Du weißt, was für eine treue Seele sie ist“

Der Junge nickte. „Ja, ich weiß. Aber verstehen tue ich es trotzdem nicht“, gab er zurück, woraufhin Sango ihm bloß eine Hand auf die Schulter legte. „Das musst du auch nicht. Kirara ist uralt. Was wissen wir schon, welche Verpflichtungen sie außer uns noch hat“, beruhigte sie ihn mit weicher Stimme.

„Auch wieder wahr“, lenkte er ein. Damit war das Gespräch beendet und die anderen wandten sich wieder ihren Themen zu.
 

Kohaku dagegen blickte auf den See und dachte über die vergangenen Jahre nach. Es war viel geschehen, seit derjenige eliminiert worden war, der ihn, Kohaku, zum Mörder seiner eigenen Familie gemacht hatte.

Inzwischen konnte er einigermaßen damit umgehen, dass er, kontrolliert durch dieses Mistvieh von Halbdämon namens Naraku, erst seinen Vater und die besten Krieger der Dämonenjäger umgebracht und später oft genug seine Schwester und deren Freunde angegriffen hatte. Dabei war er früher immer der Zurückhaltende gewesen, der nie wirklich gern gekämpft hatte. Und vor seinem ersten Einsatz, dem, der so vielen das Leben kosten würde, hatte er richtig Angst gehabt, schon ohne zu wissen, was geschehen würde.

Und inzwischen lebte er sein drittes Leben, eine Chance, die wohl noch niemandem gegeben worden war. Zuerst erweckt durch einen Splitter des inzwischen zerstörten Juwels der vier Seelen, dann wiederbelebt durch die Seele Kikyôs. Er hatte gelernt zu kämpfen und Kirara hatte ihm seit dem treu zur Seite gestanden, wie sie es zuvor bei seiner Schwester, ihrem Vater und Großvater und wer wusste schon, wem noch, getan hatte. Ja, sie war eine treue Seele und er wusste, dass sie zurückkehren würde. Bald.
 

Bloß wusste er nicht, dass sie nicht allein sein würde.
 

„Kohaku!“ Eine fröhliche Stimme riss den Jungen aus seinen Gedanken. Er erkannte die schwarzhaarige Gestalt im dunkelblau, weiß und magentafarben gemusterten Kimono, die sich vor ihm hingekauert hatte, sofort. „Was ist denn, Rin?“, fragte er nach. Er mochte das junge Mädchen, dass noch drei Jahre jünger war, als er selbst, aber deren Charakter so viel gefestigter war, unbefangen und stets fröhlich, weltoffen und verspielt. Auch sie war einmal beinahe sein Opfer gewesen, als er noch unter Narakus Bann gestanden hatte, aber das war Vergangenheit und sie hatte es ihm noch nie übel genommen, noch nicht einmal, als sie noch nicht gewusst hatte, dass er diesen Angriff nicht aus freien Stücken getätigt hatte.

„Ich habe Kaede-obaa-san versprochen, am Waldrand nachzuschauen, ob es schon die ersten Rosskastanien gibt. Kommst du mit?“, antwortete das Mädchen eben und sprang schon wieder auf. Still sitzen konnte sie nur selten und wenn er ehrlich war, wusste er nur eine Person, auf die sie vorbehaltlos hörte. Ihren Ziehvater Sesshômaru.

Aber das war ein anderes Thema und gehörte nicht ins hier und jetzt.

„Meinetwegen“, gab er zurück und erhob sich ebenfalls. Er trug weder seinen Kampfanzug, noch hatte er seine stärkste Waffe mit sich zum See genommen, aber vermutlich wollte Rin ihn auch weniger als Leibwächter, als vielmehr als Wegbegleiter mitnehmen.

Über mögliche Gefahren dachte sie generell selten nach. Und hier in relativer Nähe Musashis waren kaum Oni anzutreffen, zu genau wussten die niederen Dämonen, wie lebensgefährlich die Nähe von InuYasha, Kagome, Sango und Miroku für sie war.
 

So machten die beiden sich auf den Weg Richtung Waldrand. Die anderen sahen ihnen nur kurz nach, sich bewusst, dass gerade Kohaku sehr gut auf sich selbst aufpassen konnte.

Trotzdem witterte InuYasha einmal prüfend, dann spannte er sich an, die Hand wanderte instinktiv zum Griff seines Schwertes.

„Was ist? Ist es gefährlich, wo die beiden hingehen?“, wollte Kagome von der Seite wissen und richtete sich auf, nachdem sie zuvor entspannt im Gras gelegen hatte.

InuYasha zuckte mit den kleinen, weißen Hundeohren auf seinem Kopf. „Nein. Aber ich kann Blut wittern. Im Osten. Dämonenblut“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, damit hat Kirara dann wohl nicht gerechnet. Wie die Reaktion aller anderen Beteiligten auf ihren neusten Schützling aussieht und wie es im Hundeschloss weitergeht, erfahrt ihr im nächsten Kapitel: "Treffen" Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Avialle
2013-07-29T14:37:02+00:00 29.07.2013 16:37
Sess als vorbildlicher Gastgeber
Irgendwie muss ich bei der Vorstellung schmunzeln^^ Übrigens auch bei dem Abschnitt, bei dem die Dienerin feststellt, von dem Sess seine Schweigsamkeit hat
Kirara hingegen hat eine echte Glückssträhne *hust*
Ich mag das irgendwie richtig, dass sie mal eine so wichtige Rolle spielt.
Antwort von:  Mimiteh
29.07.2013 20:03
Sie wird eine treibende Kraft bleiben - und ab und an werden wir auch weiter aus ihrer Sicht erfahren, was passiert.
Aber die nervenstrapazierenden Vorkomnisse für Sess werden so schnell auch nicht aufhören^^
Von:  CheyennesDream
2013-07-29T13:55:59+00:00 29.07.2013 15:55
Ein schönes unterhaltsames Kapitel.
ich konnte mir ales sehr gut vorstellen, besonders Kiraras Handlungen. Ich mag es wie du die Katze beschreibst und reagieren lässt.

Auf den weiteren Verlauf freue ich mich

Chris



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