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☾ Mikadzuki

von

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Beziehungen

Schaut, so müsst Ihr die Finger um das Heft schließen“ Arata hielt sein Katana knapp vor sich und zeigte die Fingerhaltung, die seine neue Schülerin nachmachen sollte.

Im Gegensatz zu Kôhei war sie ja nun noch nie mit einer Waffe in Kontakt gekommen, sie musste alles von Anfang an lernen. Begonnen bei der Haltung. Aber sie stellte sich ganz geschickt an.

„Genau so“, kommentierte er Rins nächsten Versuch, das aus grobem Holz gefertigte Heft des alten Übungsschwertes zu umfassen.

Er stellte sein Katana mit der Spitze auf den Boden. „So, jetzt versucht gegen die Klinge zu schlagen. Einfach so, Ihr sollt bloß merken, wie sich der Schwung ausbreitet“, wies er das junge Mädchen an und Rin tat wie ihr geheißen, ohne das Lächeln auf den Lippen zu verlieren. Sie war wie bei allem mit Feuereifer dabei.

Ihr erster Schlag traf ganz gut, beim zweiten aber drehte sie das Handgelenk so weit, dass die Breitseite des Übungsschwertes auf sein Katana traf und ein Ruck durch die Klingen ging.
 

Etwas erschrocken ließ Rin los und rieb sich das Handgelenk.
 

Arata konnte ihr nicht verdenken, dass es schmerzte. Ein Mensch war da schließlich viel empfindlicher als jeder Dämon.

Aber er brauchte erst gar nichts zu sagen, da griff Rin schon tapfer nach dem heruntergefallenen Schwert und versuchte es weiter. Mit der Zeit gelangen ihr die Schläge immer besser Schneide auf Schneide.
 

Sie ist mit Hingabe dabei, der komplette Kontrast zu Kôhei… oh, wenn man vom Schüler spricht… Arata hatte gewittert, dass Kôhei sich näherte.

Pünktlich wie immer, aber keine Minute zu früh.

„Es ist gut für heute. Wir sehen uns morgen wieder“, sagte der Inuyôkai an Rin gewandt und hob sein Katana an, um es wegzustecken. Für Kôhei würde er es heute nicht brauchen, momentan waren sie noch dabei, die Bewegungsabläufe mit dem Naginata richtig zu üben.
 

Rin hatte den Neuankömmling inzwischen auch entdeckt.

Als sie die Tracht erkannte, meinte Arata sie kurz zurückzucken zu sehen, aber sie fing sich wieder und blickte zu ihm auf. „Wer ist das?“

„Er heißt Kôhei. Ich trainiere ihn auch – wenn Ihr nichts anderes zu tun habt, könnt Ihr gerne zusehen“, erwiderte Arata.

„Er ist ein Wolfsdämon, oder?“, wollte Rin wissen.

Arata nickte. „Ja, er ist ein Ookami“, bestätigte er und musterte die Miene von Sesshômarus Ziehtochter, in der sich kurz Furcht und Neugierde gegeneinander aufwogen, ehe letzteres die Überhand gewann.

Gewohnt fröhlich sah Rin dem jungen Ookami entgegen, grüßte heiter.
 

Kôhei sah sie kurz an, antwortete aber nicht, stattdessen griff er zu dem Naginata, das bereits neben Arata an einem Felsblock lehnte.
 

Der alte Lehrer verdrehte die Augen, konzentrierte sich dann aber auf das Training.
 

Rin beschloss derweil, tatsächlich zuzusehen.

Sie hatte nichts anderes zu tun und das Wetter war schön. Also lehnte sie sich mit dem Rücken gegen den Felsblock und sah zu.

So sah es also aus, wenn jemand übte, der schon ein bisschen mehr drauf hatte. Die Bewegungsabläufe waren schnell und geschmeidig, auch wenn sie deutlich einstudiert aussahen.

Ab und zu aber erhaschte sie einen Blick auf die unbewegte Miene des anderen Schülers. Intuitiv erkannte sie, dass sich dort weder Konzentration, noch Verbissenheit spiegelten, sondern die Züge eher desinteressiert waren.

Ohne es recht zu merken, griff sie nach dem Futteral der Naginataklinge und spielte gedankenverloren daran herum.

Dieser andere Schüler war seltsam. Warum schien es bloß so gar keinen Spaß an der Sache zu haben? Es war doch spannend, kämpfen zu lernen und außerdem konnte man doch froh sein, wenn man anderen nicht zur Last fiel, nur weil sie einen beschützen mussten.

Ob er wohl schon lange hier war?

Und wo kam er überhaupt her, wo die Wölfe doch zum Großteil ganz woanders lebten?

Sie würde Arisu fragen müssen, die sie unterrichtete.
 

So in Gedanken versunken, bemerkte sie gar nicht, dass die Zeit verging.
 

Schließlich beendete Arata das Training, nickte Kôhei zu. „Morgen hast du frei, der Fürst bat mich zu einer Unterredung und das ist in diesem Falle wichtiger. Wenn es übermorgen mit den Bewegungen genauso klappt, sollten wir mal schauen, wo wir einen vernünftigen Trainingspartner für dich herbekommen. Ich denke, du bist bereit, den Kampf zu lernen“, erzählte er.
 

Kôhei erwiderte das Nicken und blickte sich dann nach der Klingenscheide um, die er vorhin einfach im Gras hatte liegen lassen.

Schließlich entdeckte er sie in der Hand dieses Mädchens. Einen Moment zögerte er.

Vorhin hatte es so geschienen, als würde Arata auch sie trainieren und wenn er sich recht entsann, dann wusste er auch wieso. Das musste die Ziehtochter des Fürsten sein, kein anderer Mensch und schon garkein Mädchen würde doch sonst an der Akademie ausgebildet werden.

Mit wenigen Schritten ging er hinüber und streckte auffordernd die Hand aus. „Gebt Ihr mir das bitte?“
 

Rin wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Kôhei sie ansprach. „Was?“

„Ob Ihr mir bitte die Klingenhülle gebt“, wiederholte Kôhei neutral.

Rin sah nun vollendst auf und blickte ihn offen an, ehe sie ihm rasch gab, was er haben wollte.

Es brauchte einen kleinen Moment, ehe Kôhei zupackte und sich wieder aufrichtete. Der ehrliche Blick ganz ohne Scheu, der Rins Züge beherrschte, hatte ihn für einen Herzschlag gefangen genommen. So etwas hatte er noch nie erlebt. Flugs wandt er sich ab und drückte Arata das Naginata mit nun wieder geschützter Klinge in die Hand, ehe er machte, dass er davon kam. Diese Aufrichtigkeit in den tiefbraunen Augen, die war ja schon fast unheimlich!
 

~*~
 

Es dämmerte bereits, als die kleine Gruppe vorsichtig die Grenze überquerte. Alle Sinne waren angespannt, sie wussten, sie befanden sich auf Feindesland. Und wenn sie von einer Grenzpatrouille erwischt wurden, konnte es gefährlich werden.
 

„Und du bist sicher, dass er niemanden auf uns hetzen wird, Musume? Es kann ihm doch nur Recht sein, wenn er mehr Geiseln hat“
 

Die vorangehende Gestalt verharrte in der Bewegung, duckte sich hinter ein bisschen Buschwerk.

„Ja, das bin ich. Ich habe Euch bereits gesagt, dass er sie nicht als Geisel hat, Chichi-ue. Aber ich kann Euch auch nicht den wahren Grund sagen, denn ich habe meiner Schwester Stillschweigen gelobt“, wisperte sie entschieden.
 

Von der Dritten im Bunde erklang ein unterdrückter, unglücklicher Laut. „Meine arme Tochter. Erst wird sie entehrt und dann verschleppt…“
 

„Haha-ue!“ „Haruko!“, wurde sie von zwei Seiten zurechtgewiesen.

Amaya seufzte, ehe sie sich aufrichtete und sich ihrer Mutter zuwandte. „Eines kann ich versichern. Natsu wurde nicht entehrt, die wahre Geschichte ist weit komplizierter. Aber alles Weitere soll sie euch selbst erzählen. Ich bin sicher, niemand wird sie daran hindern, mit uns zu reden“, versuchte sie erneut, beruhigend zu klingen.

Dabei war sie selbst aufgeregt. Sie hatte keine Ahnung, was geschehen würde, sie konnte nur hoffen, dass jemand aus der Begleitung des Hundefürsten ihm mitgeteilt hatte, dass sie ihren Eltern die Wahrheit sagen würde und dass der Hundefürst sich dann daraus den richtigen Schluss gezogen hatte. Nämlich, dass sie kommen würden. Nur nicht, um Natsu zurückzuholen, wie ihr Vater sicher noch immer glaubte.

Aber genaueres wollte sie eben nicht sagen.

Ihr Schwur galt zwar in Wahrheit nur für die Fürsten, aber das brauchte ja keiner zu wissen.
 

Da spürte sie plötzlich etwas, was ihr so gar nicht behagte. Yôki, schwaches Yôki. Oni. Allerdings gesunde. Seit ein paar Tagen hatten auch die Patrouillen in der Umgebung des Nekoschlosses berichtet, dass die kranken Oni von selbst wegstarben und wieder mehr gesunde auftraten. Amaya vermutete schwer, dass das mit dem Tod des Höllenwolfs zu tun hatte, der ja offenbar der Drahtzieher der ganzen Chose gewesen war.

Sie konzentrierte sich auf die Oni in ihrer Nähe. Sie hätte sie verjagen können, aber sie durfte ihr Yôki nicht offenlegen, sonst wäre auch ihre Witterung nicht mehr unterdrückt, dann würde man sie noch schneller aufspüren. Noch waren sie zu nahe an der Grenze.

Instinktiv griff sie in den Ärmel ihres Kimono, spürte die drei Wurfmesser zwischen ihren Fingern. Viel würde sie damit nicht ausrichten können, zumal ihre Mutter unbewaffnet war, ihr Vater nur ein einfaches Katana trug.

Mit zu Schlitzen verengten Augen versuchte sie herauszufinden, wo die Oni waren. Nah schon, links von ihnen. Aber es waren nur ein paar wenige. Sollte sie es wagen?
 

Doch die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als sie nicht weit entfernt Schritte hörte. Ein leises, schleifendes Geräusch, ganz als würde jemand ein Schwert aus der Scheide ziehen.

Amaya duckte sich wieder ab, spitzte aber die Ohren.

Da erklang eine klare Stimme: „Lass Tessaiga weg, InuYasha. Das lohnt sich nicht“

„Keh!“, war die Antwort, aber das Schwert wurde hörbar zurückgesteckt.

Dann erkannte Amaya von ihrem Versteck aus die Silhouette einer jungen Frau, eines gespannten Bogens. Helles Licht sammelte sich an der Pfeilspitze, als das Geschoss lossauste. Es zog einen Lichtschweif hinter sich her, der die dämmrige Umgebung nachhaltig erhellte. Lautlos starben die Oni, die ihren Bezwinger vermutlich nicht einmal richtig bemerkt hatten.
 

Amaya dagegen erhob sich geschmeidig.
 

„Musume! Was soll das?“, fauchte ihr Vater leise.
 

Amaya konnte seine Zähne im verblassenden Licht des Pfeilschusses blitzen sehen.

„Habt Ihr den Namen nicht gehört, Chichi-ue? InuYasha. Das ist der Halbbruder des Inu no Taishô. Wenn er hier draußen ist, weiß Sesshômaru längst, dass wir hier sind. Ich bin sicher, die beiden sollen uns abholen“

„Die beiden?“

Amaya seufzte. „Ja, Chichi-ue. InuYasha und seine Miko. Ihr habt doch sicher die Kraft dieses Seelenpfeils eben gespürt, oder?“, fragte sie über die Schulter und ließ vorsichtig einen Teil ihrer Witterung frei.

Hoffentlich hatte InuYasha sich diese gemerkt oder konnte sie davon ableiten, dass sie Natsus ähnlich war. Sonst würde die Konfrontation wohl in einem Eklat enden.

Aber zum Glück tat er es.
 

„Da ist sie, Kagome“, erklang seine Stimme und prompt wandte die junge Miko sich um, senkte den Bogen und sah sich um. „Wo, InuYasha?“

„Da, bei den Büschen. Aber… sie ist nicht allein“

„InuYasha! Sesshômaru hat doch gesagt, dass sicher die Eltern dabei sind. Natsus Schwester würde nicht ohne sie kommen, hätte doch auch keinen Sinn“

„Keh! Das meine i-… ach, egal“
 

Während des kurzen Dialogs, war InuYasha zu Kagome aufgeschlossen, beide waren nun deutlich zu sehen.

Ebenso wie Amaya für sie.
 

Einen Moment standen sie sich gegenüber, dann trat Kagome einen Schritt vor, den Bogen wieder über der Schulter. Es war noch immer der kunstvolle, weiße Bogen, den Sesshômaru ihr für das Fürstentreffen gegeben hatte.

„Amaya, richtig? Ich nehme an, Sesshômaru lag richtig damit, dass ihr zu Natsu wollt?“, fragte sie gelassen und ignorierte die zusammengekniffenen Augen der beiden anderen Yôkai hinter Amaya.
 

„Das wollen wir, ja. Es wird Zeit, dass meine Schwester einiges aufklären kann“, erwiderte die junge Schamanin.
 

Kagomes Augen zeigten Verständnis.

Sie hatte durchschaut, dass Amaya bisher mit der entscheidenden Hälfte der Geschichte hinter’m Berg gehalten hatte. „Na, dann kommt mit“, forderte sie die ‚Gäste‘ nur auf und zog sich dann mit einer geübten Bewegung auf InuYashas Rücken.
 

Abwartend blickte der Hanyô die drei Löwendämonen an und als Amaya nickte, setzte er sich in Bewegung.
 

Die drei Yôkai folgten, wenn auch zwei davon etwas verwirrt waren.

„Eine Miko, ein Hanyô gehören zum Gefolge des Inu no Taishô…“, murmelte Amayas Vater vor sich hin, woraufhin seine Tochter, die nun wieder etwas hinter ihm lief, ihn ansah.

„Wisst Ihr was, Chichi-ue? Die beiden da sind nur der Anfang. Ihr werdet nicht glauben, wen man in ihrem Gefolge noch so alles antrifft“, konterte sie süßlich und dachte dabei an Mönch, Dämonenjäger und weitere Hanyô.

Sie hatte die Gruppe schließlich schon getroffen…
 

~*~
 

Im Schloss klopfte Rin derweil leise an die Tür des Gastgemachs, in dem Natsu momentan untergebracht war.
 

Prompt zog Moe, die zukünftige Zofe Natsus, die Tür auf und ließ Rin hinein.

Als Suzume hatte sie auch nicht gerade den besten Geruchssinn, aber dafür ein melodisches Gehör, das selbst Schrittfolgen so gut unterscheiden konnte, wie Liedmelodien.
 

Rin schenkte der jungen Yôkai ein strahlendes Lächeln, ehe sie zu Natsu blickte, die auf ihrem Lager saß und ihren Sohn offenbar gerade gestillt hatte, denn sie zog noch den Kimono wieder zu recht.

„Sesshômaru-sama schickt mich. Ich soll auf Kin-chama aufpassen und dir Gesellschaft leisten, Natsu-sama!“
 

Die RaionYôkai erwiderte Rins Blick ein Moment lang still, dann erhob sie sich langsam, trat näher und legte Rin das Baby in die Arme.

Sie wusste, was das bedeutete, Sesshômaru hatte es ihr erzählt.

Ihre Eltern waren da.

Aber wenn alles nach Plan lief, würde sie die erst morgen zu Gesicht bekommen, dennoch… sie hatten gelernt, wie schnell ein Plan gründlichst nach hinten losgehen konnte: „Moe? Kannst du mich ein bisschen zurechtmachen?“, wollte sie dann von ihrer Zofe wissen.
 

Sofort war die auf den Beinen. „Natürlich, Herrin“
 

Rin kicherte vor sich hin, sagte aber nichts.

Stattdessen setzte sie sich auf einen Hocker in der Nähe, als Natsu vor dem Spiegel platznahm, der aus einer schon etwas angelaufenen Bronzeplatte bestand. Das hier war eben nur ein Gastgemach. Sofort machte die Zofe sich daran, Natsus Haare zu ordnen.

Rin schaute dem einen Moment lang still zu, während sie das Dämonenkind im Arm wiegte. „Sag mal, Natsu-sama, wenn Sesshômaru-sama dich jetzt zur Gefährtin nimmt, bist du dann auch so etwas wie meine Mutter? Soll ich dich dann Haha-ue nennen?“
 

Natsu wandte ihr im Spiegel den Blick zu. Sie musste zugeben, dass sie darüber noch nicht nachgedacht hatte.

Es war plötzlich alles so schnell gegangen und sie hatte andere Dinge im Kopf gehabt, als zu überlegen, wie Rin sie demnächst nennen sollte. Denn sie hatte Recht: Als Sesshômarus Ziehtochter war Rin bald auch ihre Ziehtochter – und das störte Natsu wahrlich nicht. Das junge Menschenmädchen war ihr von Anfang an sympathisch gewesen, in ihrer seltsamen Mischung aus kindlicher Naivität und einer Form von Erfahrung und seelenruhigem Vertrauen, die manche erwachsene Frau noch nicht besaß und nie besitzen würde. „Weißt du, Rin…“, begann sie schließlich langsam, „Du kannst mich nennen, wie du magst. Haha-ue oder Okaa-san oder nenn‘ mich einfach beim Namen, wie es dir passt, einverstanden?“
 

Rin nickte sogleich. „Hai, Natsu-sama!“

Dann blickte sie auf das Kind in ihrem Arm. Ohne ihr Lächeln abzubrechen, fuhr sie fort: „Und du bist dann Ototo-chan, nicht wahr?“
 

~*~
 

Fast im Kontrast zum Nekoschloss, war die Residenz des InuFürsten hell und offen angelegt. Die Mauern schienen filigran, dabei waren sie keineswegs dünner als die des Nekoschlosses, aber das weiße Mauerwerk und die schmaleren Zinnen förderten diesen Eindruck.

InuYasha blieb stehen und ließ Kagome zurück auf den Boden.

Die junge Miko brauchte nicht lange, um ihr Gleichgewicht zu finden, sie war das Manöver ja gewohnt.
 

Gleich darauf kam ihnen Masa entgegen, nebst ihrem Großvater eine der wenigen Eingeweihten.

Leicht verneigte sie sich vor den Raion-Adeligen und winkte sie dann durch.

„Seid gegrüßt. Der Fürst erwartet Euch schon“, sagte sie dann an den einzigen, männlichen Yôkai im Bunde gewandt und nickte befällig, als ihre höfliche Verneigung erwidert wurde. Immerhin wussten diese Neko sich zu benehmen. War ja auch nicht gerade Standard.

„Ich geleite Sie in das Arbeitszimmer des Fürsten“, fügte sie hinzu und wandte sich bereits ab.
 

InuYasha und Kagome waren längst im Schloss verschwunden, beide hatten ihre Schuldigkeit getan. Der Geleitschutz war ihr Part gewesen, jetzt hing es an Sesshômaru.
 

~*~
 

Minuten später standen die drei Löwendämonen vor dem Inuyôkai und grüßten, auch wenn keine von beiden Parteien den jeweils anderen einschätzen konnte.
 

Sesshômaru konnte wittern, dass die beiden älteren Löwen sich unwohl fühlten, in ihrer Haut, kein Wunder, bedachte man ihren Aufenthaltsort.

Nur Amaya war ruhig, aber die wusste auch, dass sie als Natsus Schwester und wichtige Helferin nichts zu befürchtet hätte.

Er blickte stur geradeaus, die Miene emotionslos wie immer. „Ihr seid wegen meinem Gast gekommen“, konstatierte er nach einer Weile.
 

Augenblicklich trat Natsus Vater einen Schritt vor. „Sehrwohl. Ich bin nicht bereit, zuzulassen, dass Ihr meine Tochter hier festhaltet“, stellte er klar.
 

Amaya verzog unauffällig das Gesicht, aber Sesshômaru hatte es dennoch gesehen.

Er ahnte nun, woran er war.

Amaya hatte nur das allernötigste erzählt. Nämlich das Natsu hier war.

Und der Vater hatte daraus die eindeutig falschen, wenn auch einleuchtenden Schlüsse gezogen.

Er wandte sich dem Fenster zu und blickte in den inzwischen nächtlichen Himmel. „Ihr werdet sie morgen sprechen können“, sagte er neutral. Er wusste, dass er sich auf schmalem Grat bewegte, wenn er die beiden so zappeln ließ, aber er konnte sich denken, dass Natsus Vater nicht mutwillig ein Duell riskieren würde.

Der Kerl war zwar ein Daiyôkai, aber mit Sicherheit nicht so kampferfahren, wie er selbst, sonst wäre ihm längst aufgefallen, dass Natsus Bewegungen oft nicht nur von der katzenhaften Eleganz ihrer Art, sondern auch von der Geschmeidigkeit einer geübten Kriegerin herrührten. Ihm fehlte offenbar das Auge dafür und Sesshômaru nahm an, dass der Kerl das wüsste.
 

Und zu melden hatten die beiden sowieso nichts, er brauchte nur einen Bürgen, der dem Ritual des Nachzeichnens beiwohnte und den hatte er.

Es hatte nicht vieler Worte bedurft, Arata dazu zu bewegen. Der Alte war eine treue Seele.
 

Hinter ihm erklang derweil keine Reaktion, zumindest keine verbale, also drehte Sesshômaru sich wieder um. Die Züge des Raion waren in stummer Wut verzerrt, aber er sagte nichts, hielt auch sein Yôki unter Kontrolle. Sein Verhalten war unhöflich aber nicht provokant.
 

Sesshômaru schüttelte innerlich den Kopf. Es schien eine übliche Eigenschaft der Katzen zu sein, dass sie sich immer erst in allerletzter Sekunde beherrschten.

„Jaken! Zeige unseren Gästen ihre Gemächer. Im Südflügel“, befahl er und der kurzbeinige KrötenYôkai, der bisher an der Tür gestanden hatte und das ausnahmsweise still, nahm sofort Haltung an.

„Natürlich, Herr, ich werde sofort eilen. Die Gemächer zeigen, ja, Herr, die G-“

„Jaken!“, wies der Inuyôkai ihn harsch zurecht und sofort brach dem grünen Wicht der Schweiß aus und er verneigte sich mehrfach in einer Geschwindigkeit, die dem Flügelschlag eines Kolibri sicher in nichts nachstand. „Jawohl, Sesshômaru-sama, jawohl!“

Damit watschelte er davon und Amaya folgte ihm ohne zu zögern, während die anderen beiden sich eher notgedrungen anschlossen.

Sesshômaru atmete tief durch. Das vermochte heiter zu werden.
 

~*~
 

Gegen Mittag des nächsten Tages führte ein Diener die drei Löwendämonen dorthin, wo Sesshômaru sie hinbestellt hatte.

Diesmal war es nicht das Arbeitszimmer, sondern der Audienzsaal.

Es war schließlich ein besonderer Anlass.
 

Sesshômaru war allerdings noch nicht anwesend, nur eine einzelne Gestalt saß auf der Stufe, die zum Podest hinauf führte, welches dem Schlossherrn vorbehalten war.

Sie trug einen blutroten Kimono. Der feine Stoff besaß einen matten Glanz und war an Ärmeln, Taille und Säumen mit filigranen, silbrigweißen Wellenmustern bestickt. Der Obi war schneeweiß.

Erst als sie sich nun erhob, wandte sie den Neuankömmlingen das Gesicht zu und die erstarrten, als sie sahen, wer da auf sie zu kam.
 

Selbst Amaya hätte ihre Schwester kaum erkannt, zumal an Natsu kein Hauch der Schwäche zu erkennen war, die sie noch bis vor ein paar Tagen geplagt hatte.

Allerdings ahnte die junge Schamanin, dass Sesshômaru seinen Sohn inzwischen mit an sich gebunden hatte, aber davon konnten ihre Eltern ja nicht wissen.

Im Moment war ihr das aber egal, sie kam ihrer Schwester nur mit ein paar raschen Schritten entgegen und umarmte sie.
 

Natsu drückte ihre jüngere Schwester an sich, nutzte das aber auch, um ihr ein „Ich danke dir für alles, Imouto-chan!“ ins Ohr zu flüstern.

Amaya nickte nur lächelnd, ehe sie zurücktrat, damit auch ihre Mutter Natsu in den Arm nehmen konnte.

Der Vater beließ es bei einem Mustern, ehe er die Hand auffordernd ausstreckte. „Er hat dich also gerettet“, bemerkte er.
 

Natsu schmunzelte etwas. „In mehr als nur einer Hinsicht, Chichi-ue“, antwortete sie gelassen.
 

„Gut. Dennoch sollten wir so schnell wie möglich wieder gehen. Ich glaube kaum, dass du als Raion im Hundeschloss langfristig erwünscht bist.“
 

„Sie bleibt“, mischte sich plötzlich eine kühle Stimme ein und wie aus dem Nichts stand Sesshômaru auf dem niedrigen Podest.

Auch er trug Kimono, in Weiß, wie üblich, doch mit rotem Obi. Die Farben seines Clans.
 

Die Löwenfamilie – mit Ausnahme von Natsu – fuhr erschrocken herum.

„Ihr wagt es…“, begann Natsus Vater drohend, aber er brach ab, weil es ihm nicht einmal wirklich gelang, den eisigen Blick des Hundefürsten zu erwidern.
 

Sesshômaru zeigte sich davon gänzlich unbeeindruckt. „Ihr solltet froh sein, wenn ich euch eure… unbotmäßige Tochter abnehme“, bemerkte er stoisch gelassen und ignorierte geflissentlich, wie Amaya und Natsu hinter den Rücken ihrer Eltern einen vielsagenden Blick tauschten.

Natsu kannte den Plan und Amaya schien ihn gerade durchschaut zu haben.

Er schmunzelte innerlich.
 

Der Vater schnappte derweil nach Luft. „Ihr wollt-“
 

„Sie hierbehalten, ja“, unterbrach Sesshômaru.
 

„Aber… sie ist trotz allem eine Hime. Ich könnte es nicht ertragen, sie als-“, begehrte Natsus Mutter auf, aber Sesshômaru schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab.
 

Er wusste, dass sie ‚Dienerin‘ oder vielleicht auch ‚Konkubine‘ hatte sagen wollen, aber man musste die Diskussion ja nicht unnötig verkomplizieren.

„Ich sehe keinen Grund für Euch, Euch darüber zu mokieren, wenn ich die… Mutter meines Sohnes zu meiner Gefährtin mache“, stellte er trocken klar und weidete sich für einen Moment an den entgeisterten Mienen der beiden Löwendämonen.
 

Dann jedoch schien Natsus Vater seine Beherrschung wiedergefunden zu haben. „Ihr scherzt!“
 

Sesshômaru sah ihn nur stumm an, dieser Vorwurf war ihm keine Antwort wert.

Stattdessen streckte der Inuyôkai etwas den Arm aus und ohne Zögern legte Natsu, die gerade in Reichweite stand, ihre Hand in seine und ließ sich auf das Podest helfen.

Er tat so, als seien die ‚Gäste‘ nicht mehr vorhanden. „Ich habe dich schon einmal gefragt, ob du bei mir bleiben wirst. Bleibst du bei deiner Antwort?“, fragte er protokollhalber und ohne, dass seiner Stimme irgendeine Regung anzumerken wäre.
 

Natsu nickte sofort.
 

Sesshômaru hob den Kopf. „Arata!“
 

Der ältere Inuyôkai, der draußen gewartet hatte und dem Szenario mit zunehmender Belustigung gelauscht hatte, kam rasch herein und seine Miene verriet fast ebensowenig, wie Sesshômarus.

Ausnahmsweise trug auch der Alte einen Kimono, ein Anblick, der fast noch seltener war, als Sesshômaru in einem ebensolchen.
 

Hinter ihm schlüpften InuYasha und Kagome in den Raum, knapp gefolgt von Moe, aber niemand beachtete die drei. Sie waren nur Zuschauer.
 

Natsus Vater fixierte auch eher den älteren Inuyôkai. „Was will er hier?“
 

„Er ist mein Bürge“, erwiderte Sesshômaru gelassen und jetzt endlich schien Natsus Vater zu dämmern, dass er die Szenerie wohl besser ernst nehmen sollte. Dennoch schien er nicht ganz glücklich damit.
 

Da hob Natsu den Blick. „Ich brauche auch noch einen Bürgen meines Volkes – Amaya?“

Es war unüblich, dass eine Verwandte diesen Posten übernahm, aber die Bitte galt eher Amaya der Schamanin und nicht Amaya der kleinen Schwester, das zeigte Natsus ernster Tonfall.
 

Die junge Schamanin wollte schon vortreten, da mischte sich aus dem Nichts eine andere Stimme ein: „Ich habe eine bessere Idee. – Ich werde für dich bürgen, Natsu-mei.“

Der Tonfall klang gleichzeitig süffisant und ernst und Sesshômaru kannte nur einen, dem es gelang, diese Stimmlagen zugleich zu benutzen.

Kuraiko.

Dass sie Natsu aber als ihre Nichte bezeichnete, war etwas ganz Neues. Und ihr Angebot war auch unerwartet, nun, ihr ganzes Auftauchen war es.
 

Natsu hatte die Sprecherin auch längst erkannte, zumal Kuraiko sich nun zeigte. Sie hatte geschickt im Schattenwurf eines Vorhangs gestanden, sodass man sie nicht sah, obgleich sie sich nicht im eigentlichen Sinne versteckte.

Wie üblich trug sie den schlichten, kirschblütenbestickten Kimono, ihre dunklen Haare waren zu einem strengen Zopf geflochten, strenger noch diesmal, als in der Höhle. Ihr Familienzeichen, das wirkte, wie ein schwarzes, fünfblättriges Kleeblatt mit roter Kontur, kam dadurch gut zu Geltung.
 

Als ob irgendjemand auf die Idee käme, ihre Identität anzuzweifeln…, dachte Sesshômaru bei sich, aber er rührte sich nicht.

Es war Natsus Entscheidung, wie weit sie ihrer entfernten Tante vertraute.

Wenn Kuraiko wollte, könnte sie ihr später aus dem Zugeständnis der Bürgschaft einmal einen Strick drehen, aber solcherart Befürchtungen schien Natsu nicht zu haben. „Das würde mich sehr freuen, Kuraiko-oba-san.“
 

Die nickte ihr leicht zu.

Sie hatte ihre Worte also tatsächlich ernst gemeint.
 

Sesshômaru wusste im Hinterkopf, dass da irgendetwas hintersteckte, aber im Moment war ihm das herzlich egal.

Er sah wieder zu Natsu. „So bist du bereit, von nun an an meiner Seite zu stehen?“, setzte er protokollgerecht fort.

Dass er den Ritualvers dabei abkürzte, hatte schlicht den Grund, dass er sich die obligatorische Frage nach der Bereitschaft einen Erben zu gebären, sparen konnte. Den hatte er ja schon.

Und da Natsu eben jenen noch gebunden hatte, würde auch er nachträglich gezeichnet werden, also nicht Zeit seines Lebens ohne ein Familienzeichen dastehen, wie es bisher gewesen war.
 

„Das bin ich“, erwiderte Natsu derweil und neigte dann etwas den Kopf zur Seite.
 

Sesshômaru hob die Hand und schob den Stoff des Kimono behutsam ein wenig über ihre Schulter, legte ihre Halsbeuge frei. Dann strich er sacht ihre Haare beiseite und beugte sich hinab.
 

Die Löwendämonin schloss die Lider und gab behutsam ihr Yôki frei, ebenso wie Sesshômaru es tat.

Mühelos drangen seine Reißzähne durch Natsus Haut.
 

Sesshômaru schmeckte für einen Augenblick ihr Blut auf der Zunge, ehe er zurückwich, den Kopf wieder hob.

Die Bissspuren in Natsus Haut verschwanden bereits wieder, aber im selben Tempo begann sich an ihrer Stelle etwas in ihrer Halsbeuge abzuzeichnen, dass erst nur eine Kontur war, dann Farbe bekam. Es waren nur wenige Herzschläge vergangen, dann prangte dort, wo seine Zähne ihre Haut durchdrungen hatten, der blaue Sichelmond seiner Familie.

Nun war sie wirklich seine Gefährtin.
 

Federleicht strichen seine Finger über das neue Mal, als er den Kimonostoff wieder zu recht zog, dann machte er Anstalten zurück zu treten, überlegte es sich aber doch anders.

Kurzerhand zog er sie an sich, Natsu kam ihm bereitwillig entgegen und ihre Lippen fanden sich.
 

Amaya lächelte stumm in sich hinein, als sie sah, wie konsterniert ihre Eltern dreinblickten, als ihnen klar wurde, dass das da über den obligatorischen Brautkuss weit hinaus ging.
 

Doch ganz plötzlich war es mit der friedlichen Stimmung vorbei.
 

Ein schriller Schrei erklang, gemischt aus Schmerz und Panik.

Augenblicklich fuhren Sesshômaru und Natsu auseinander.

Beide hatten die Stimme sofort erkannt: Rin.
 

Blitzschnell hatte der Inuyôkai sich abgewandt, beachtete die Gäste nicht mehr.

Er wusste, Rin hatte auf seinen Sohn aufpassen sollen, während des Rituals, deswegen war sie selbst nicht anwesend gewesen. Der Kleine konnte ihr nichts getan haben, nichts, das sie zu diesem Schrei verleitete, denn Natsu und er hielten ihn noch immer unter Kontrolle.

Er wusste in diesem Augenblick, dass Rin in Gefahr war.
 

Mit wenigen Schritten war er am Portal des Saals, dessen Tür Moe bereits geistesgegenwärtig aufgeschoben hatte. Er hastete hindurch und zu dem Gastgemach, in dem Natsu die letzten Tage verbracht hatte.

Die Schiebetür hier war zerfetzt, Papierschnipsel bedeckten den Boden.

Er achtete nicht darauf, sein Blick glitt rasch durch das Zimmer.
 

Da, da war Rin, sie kauerte in einer Ecke und hielt mit einer Hand den anderen Arm umklammert.

Blut lief zwischen ihren Fingern hervor, der eisenhaltige Geruch stach ihm in die Nase.

„Rin!“
 

Angstgeweitete Augen zuckten zu ihm hinauf, Rin erschauerte, vermutlich aus Erleichterung.

„Sesshômaru-sama!“, brachte sie hervor, ihre Stimme klang dünner als sonst.
 

Unwillkürlich wollte er sich zu ihr knien, sich ihre Verwundung anschauen, da fiel ihm auf, dass von seinem Sohn keine Spur zu sehen war. „Wo ist Kin?“
 

Rins Stimme bebte, als sie antwortete: „Die Yôkai hat ihn… sie hat ihn einfach mitgenommen, ist durchs Fenster raus.“
 

„Was für eine Yôkai?“
 

„Ich… ich weiß nicht. Sie hatte türkise Haare und-“ Rin musste Atem holen, aber das eine, genannte Attribut reichte Sesshômaru schon, um Bescheid zu wissen.

Tiefe Wut klang aus dem Knurren, das seiner Kehle entwich.

Er wusste, wer seinen Sohn entführt hatte: Tôran.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Jetzt dürfte das Maß voll sein...

Im nächsten Kapitel dürfen wir erwartete und völlig unerwartete Formen der "Vergeltung" kennenlernen - und eine alte Bekannte mischt sich ein... Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Avialle
2014-09-10T18:27:41+00:00 10.09.2014 20:27
Na toll
Erst alles Friede, Freude Eierkochen - Natsus Eltern sind ja auch einfach mal genial, über die könnt ich mich köstlich amüsieren
Überraschungsgäste inklusive
Und toll, schon ist Toran da... Doofes Ding, dabei mag ich Katzen eigentlich *Natsu knuddel*
Antwort von:  Mimiteh
11.09.2014 11:44
Nun, wie gut, dass Torans Schwesterlein Karan ja immer darauf besteht, die seien keine Katzen, nicht wahr?
Aber dass Toran noch bei der Sache mitreden will, war doch klar, oder?


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