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☾ Mikadzuki

von

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Ruhepause

Mit einer knappen Bewegung ließ Sesshômaru ein wenig Yôki in seine Fingerspitze fließen und verwandelte damit den roten Wachsfleck in ein unverfälschliches Siegel. Dann schob er das Papier ein Stück zurück, das Zeichen für den Diener, dass er es wegnehmen, zusammenrollen und verstauen konnte.

Sesshômaru erhob sich von seinem Schreibpult und trat ans Fenster.
 

Zwei Tage war der unsehlige Kampf gegen den Höllenwolf her, seine Wunden waren längst verheilt und sie alle zurück im Schloss. Die Dämonenjägerin und der Mönch waren samt der Nekomata und der Komori-Hanyô wieder ins Dorf zurück, der Rest, sprich InuYasha und Kagome, war geblieben.
 

Der Inuyôkai erlaubte seinen Gedanken zurückzukehren, zu der Nacht auf den Ebenen, vor zwei Tagen.

Er hätte seiner Mutter an die Kehle gehen können, dafür, dass sie ausgerechnet in diesem Moment auftauchen musste und nicht, wenn Natsu sich etwas erholt hatte. Mit Sicherheit hatte Chiyo sie die ganze Zeit über, auch auf dem Fürstentreffen, beobachtet. Sie hatte gewusst, wie knapp es für Natsu und das Kind gewesen war und trotzdem hatte sie die Vorstellung sofort gefordert.

Heute konnte er sagen, dass Natsu das Beste daraus gemacht hatte. Einmal mehr hatte sie bewiesen, wie wenig sie dem klassischen Bild einer Hime entsprach. Höflich hatte sie die üblichen Fragen nach Ausbildung – womit natürlich die üblichen Fähigkeiten einer Frau gemeint waren – , Abstammung und Verwandtschaft beantwortet, hatte nicht zu erkennen gegeben, wie schwer es ihr fiel, sich zusammenzureißen, nicht abzudriften.

Und es hatte gewirkt.

Chiyo hatte Natsu protokollgerecht für einen Moment den Fürstenmantel um die Schulter gelegt, jenen pelzverbrämten Umhang, den sie selbst demonstrativ immer trug. Sie hatte Natsu akzeptiert. Dass das gut daran liegen konnte, dass Natsu ihre traditionelle Aufgabe als Gefährtin mit der Geburt des Sohnes bereits erfüllt hatte, war schwerlich abzustreiten, aber das interessierte Sesshômaru im Moment wenig.

Er war nur froh darum, dass sie alle wieder ein wenig hatten zur Ruhe kommen können.

Mehr als einmal hatte er sich in den letzten Monden zurück gewünscht, auf die abgeschiedene Reise quer durch die Länder, seinetwegen auch mit Jaken und Rin. Manchmal hasste er das fürstliche Protokoll ebenso, wie diejenigen, denen er es durch sein eigenes Verhalten aufzwang. Aber ohne Regeln war ein Fürstenhaus eben nicht zu führen.
 

„Ihr habt mich rufen lassen, Fürst Sesshômaru?“, fragte da eine Stimme hinter ihm.
 

Sesshômaru hatte Aratas Näherung längst bemerkt, aber er drehte sich nicht um. Er wusste, der Alte hatte sich dennoch verneigt und selbst wenn nicht, so war Arata vermutlich der einzige, dem er das durchgehen lassen würde. „Rin soll lernen, sich zu verteidigen“, gab er nur nüchtern von sich.
 

„Natürlich, Herr. Aber ich wüsste nicht, wo ich so schnell einen menschlichen Lehrme-“
 

„Du wirst das übernehmen.“
 

„Taishô?“
 

„Du wirst ihr beibringen mit einer leichten Handwaffe und mit Shuriken umzugehen“, präzisierte Sesshômaru neutral.
 

Arata war klug genug, nichts mehr zu erwidern.

Sie beiden wussten, warum Arata gezögert hatte.

Aber Sesshômaru traute einzig seinem alten Lehrer zu, sich und seine Kraft so unter Kontrolle zu halten, dass Rin nicht schon in der ersten Trainingsstunde zu Tode kam. Nun drehte Sesshômaru sich doch um und seine bernsteinfarbenen Augen bohrten sich regelrecht in sein Gegenüber. „Du bist mir persönlich dafür verantwortlich, dass sie während des Trainings nicht über Gebühr verletzt wird, haben wir uns verstanden?“, fragte er kalt.
 

Arata nickte. „Wann soll ich mit dem Training beginnen?“
 

„Heute noch. Sobald dein anderer Schüler dich nicht mehr braucht“, erwiderte Sesshômaru entschieden. Der Wolfsjunge, den Arata im Moment unter seinen Fittichen hatte, war der ältere Schüler und hatte damit das Vorrecht, egal ob Rin im Rang höher stand oder dieser Ausbildungsbefehl direkt vom Fürsten kam. In der Akademie herrschten andere Regeln als bei Hofe, auch wenn beides sich in unmittelbarer Nähe befand.
 

„Sehrwohl, Taishô“, sagte Arata auch nur, neigte sich noch einmal kurz vor und ging.
 

Erst auf dem Gang erlaubte der alte Inuyôkai sich, den Kopf zu schütteln. Dann aber witterte er etwas.

Kôhei befand sich momentan in der Bibliothek und würde da auch bis um Abend bleiben.

Arata machte sich keine Illusionen, ob der Tatsache, dass Kôhei freiwillig früher zu einer Trainingsstunde erscheinen würde, als irgend nötig.

Also hatte er Zeit, sich die Ziehtochter seines Herrn ein wenig genauer anzusehen. Nach allem, was er bisher beobachtet hatte, war sie aufgeweckt und lebensfroh, hatte den Herrn aber auch auf Reisen begleitet. Also musste sie in gewisser Weise zäh sein. Nun, er würde sicher bald mehr erfahren. Seine Nase sagte ihm, dass sie nicht in ihrem Gemach war, also blieben vermutlich der Garten und die Ställe.
 

Arata schlug zuerst den Weg zum Schlossgarten ein. Schon von weitem hörte er die helle Stimme seiner Zielperson, aber sie schien nicht allein mit ihrer Zofe dort zu sein. Arisus Stimme klang anders als diese, die da gerade antwortete.

Arata brauchte einen Moment, um die Witterung der jungen Miko zu erkennen, die momentan Gast im Schloss war, gemeinsam mit dem Halbbruder des Fürsten.

Bis vor kurzer Zeit hätte Arata nie geglaubt, dass er den je zu Gesicht kriegen würde, aber jetzt trug der Hanyô sogar das Amulett.
 

Im vergangenen Jahr war viel geschehen – oder vielleicht schon zuvor? Sesshômaru-sama gab sich immer so verschlossen und zumindestens das hatte sich nach seiner Rückkehr vor etwas über vier Jahren nicht geändert.
 

„Sag, Kagome-sama, meinst du, Natsu-sama wird sich freuen, wenn sie auch in den Garten darf?“, erklang da gerade wieder die Stimme Rins.
 

Ein fröhliches Lachen war die Antwort. „Da bin ich sicher, Rin. Aber du weißt ja, es hat Gründe, dass sie es jetzt noch nicht soll. Noch weiß ja kaum einer, wer sie ist und dann als Löwin im Hundeschloss…“, gab die andere Stimme, die offenbar der jungen Miko gehörte, freundlich zurück, doch dann hörte Arata auch ein leises, unterdrückten Knurren, mehr missmutig als warnend und dennoch wusste er, dass es an ihn gerichtet war.

Er war entdeckt worden. Nun, störte ihn nicht. Er hatte ja nicht spionieren wollen.

„Guten Morgen, zusammen“, grüßte er daher und neigte etwas den Kopf, sowohl vor Rin, als auch vor dem Halbbruder des Fürsten. Er wusste, dass beide die Höflichkeitsregeln aus unterschiedlichen Gründen nicht verlangten, teils nichteinmal ernst nahmen und beließ es daher dabei, anstatt sich wirklich zu verneigen.

„Rin-hime?“, fragte er dann und das Menschenmädchen sah ihn aufmerksam an.

Ihre großen Augen blickten offen und keineswegs furchtsam zu ihm auf.

„Sesshômaru-sama schickt mich, mein Name ist Arata. Ich bin einer der Lehrer an der Akademie. Der Fürst möchte, dass auch Ihr lernt, mit einer Waffe umzugehen. Würdet Ihr mich begleiten, damit wir Euch eine passende Waffe heraussuchen können?“ Was genau da dahintersteckte, konnte er auch noch später mit ihr klären.
 

Aber er hatte die Rechnung ohne Rins Wissensstand gemacht.

Sie nickte nämlich nur und wandte sich wieder an ihre bisherigen Gesprächspartner.
 

„Hui, du sollst kämpfen lernen?“, bemerkte die Miko gerade.
 

„Ja, Sesshômaru-sama…äh… Chichi-ue hat es mir bereits gesagt. Ich lebe ja jetzt richtig hier und ich soll mich verteidigen können, wenn er mal nicht da ist“, bejahte Rin, ehe sie die Hand zu einem fröhlichen Winken hob und sich wieder Arata zuwandte.
 

Der hatte nur eine Augenbraue hochgezogen. Der Fürst hatte also ganz genau gewusst, dass Arata erst gar nicht versuchen würde, Einspruch einzulegen.

Das war dann wohl die Retourkutsche für den Spruch über Rins Gesprächsrunden mit dem Reitdrachen.

Aber Arata nahm es hin. Sollte die Kleine sich nicht völlig ungeschickt anstellen, sollte es kein Problem sein, ihr ein bisschen Verteidigung beizubringen. Sie braucht eine leichte Waffe, leicht und kurz, damit sie nicht so viel Kraft zum Zuschlagen aufbringen muss… dazu ist sie zu zierlich. Hmm… ein Kodachi könnte gehen…, dachte er derweil, während er den Weg zu den Trainingsplätzen einschlug.

Das leichte, einem Tachi ähnliche Kurzschwert mit der breiten Klinge war vermutlich tatsächlich die beste Wahl.
 

Er spürte noch einen Moment die Blicke der jungen Miko und des Hanyô im Nacken, dann wandten die beiden sich wieder dem Garten zu und setzten ihr Gespräch ohne Rin fort.
 

Das junge Menschenmädchen sprang derweil fröhlich neben ihm her und benahm sich wie alles, bloß nicht wie eine Prinzessin.

Hätte Arata nicht genau gewusst, dass sie anders konnte, er hätte sich doch sehr gewundert.
 

~*~
 

Sesshômaru hatte derweil sein Arbeitszimmer verlassen und überquerte den Gang in Richtung eines Gemachs, das bis vor wenigen Tagen noch leer gewesen war.

Bis auf Masa, Arata und eine Zofe wusste auch niemand, wer momentan darin residierte. Er verharrte kurz vor der Tür, machte sich aber nicht anderweitig bemerkbar, ehe er eintrat.
 

Natsu wirkte auch wenig überrascht, sie hatte ihn längst gehört.

Ihre schrägen Katzenaugen sahen ihm entgegen, während sie sich noch erhob und leicht verneigte.
 

Die Zofe kniete und hielt den Kopf gesenkt, mit einer Handbewegung schickte Sesshômaru sie fort. Rasch kam die zierliche Yôkai der Aufforderung nach.
 

„Wie geht es dir?“, fragte der Inuyôkai, kaum, dass Natsu und er allein waren.
 

„Besser. Ich konnte mich erholen“, gab sie zurück und das leichte Lächeln auf den Lippen entschärfte die neutrale Wortwahl.
 

Er ahnte jetzt schon, dass es nicht lange dauern würde, bis sie mit ihrer neuen Zofe ebenso freundschaftlich verbunden war, wie Rin mit der ihren. In diesem Punkt waren Natsu und Rin sich sehr ähnlich. Sie scherten sich nicht um höfische Regeln, wenn es nicht gerade sein musste – besonders auffällig war das beim Thema Redseligkeit.
 

Aber das störte ihn schon eine ganze Weile nicht mehr.

Ohne weitere Vorwarnung beugte er sich leicht vor und gab ihr einen leichten Kuss, aber bevor er dazu kam, ihn zu vertiefen, zuckte auf einmal, am helligten Tag und ohne das eine einzige Wolke am Himmel wäre, ein Blitz herab.
 

Im nächsten Augenblick stand eine Kuh auf dem Balkon vor Natsus Gastgemach. Eine dreiäugige Kuh.
 

Sesshômaru ließ sich nicht anmerken, wie wenig erfreut er von dem plötzlichen Besuch war, er begnügte sich mit einem eisigen Blick, der Tôtôsai schneller und uneleganter absteigen ließ, als es der Schmied vermutlich geplant hatte.
 

Rasch versteckte er sich hinter seinem Reittier, auch wenn er genau wusste, dass er dort nicht sicherer war.
 

„InuYasha ist im Garten“, bemerkte Sesshômaru trocken und trat einen Schritt auf den Schmied zu.
 

Der duckte sich nur mit zitternden Schultern noch mehr.
 

Neben Sesshômaru versuchte Natsu erst garnicht, das Schmunzeln zu unterdrücken. „Na prima. Jetzt residiere ich als Löwin in einem Hundeschloss, habe Füchse, Menschen, Nekomata und Hanyô von Hund und Fledermaus kennengelernt, habe einen Spatz als Zofe und eine Kuh auf dem Balkon – sonst noch Überraschungen in petto?“, wollte sie amüsiert wissen, auch wenn sie so leise sprach, dass Tôtôsai nichts verstand.
 

Sesshômaru sah sie kurz von der Seite an, beließ es aber bei dieser Reaktion. Er wusste, dass die Frage rhetorisch gemeint gewesen war. „Was willst du, Tôtôsai?“, wandte er sich stattdessen wieder an den verängstigten Schmied.
 

Der wagte, über den Widerrist seines Reittieres zu lugen. „D-das Schwert“, stotterte er.
 

Natsus Pupillen wurden schmal. „Warum kommen mir diese Worte bekannt vor?“, murmelte sie vor sich hin, ehe sie lauter fortfuhr: „Ashai-Ha ist in Ordnung.“
 

Tôtôsai runzelte die Stirn, ehe er in einem Anflug von Selbstbewusstsein patzig wurde: „Natürlich ist Ashai-Ha in Ordnung. Es hätte mich gerufen, wenn es nicht in Ordnung wäre! Ich meine das andere!“
 

„Ich besitze keine andere Waffe, als Ashai-Ha!“, gab Natsu zurück, verstummte aber, als Sesshômaru etwas die Hand hob.

„Tôtôsai!“, sprach er kühl und sofort wirbelte der Schmied herum und verlor sein Selbstbewusstsein ganz schnell wieder. „J-ja, Sesshômaru-sama?“

„Seit wann?“

Tôtôsai versuchte erst garnicht, zu leugnen, er ahnte, worauf Sesshômaru hinaus wollte. Der Inuyôkai wollte wissen, seit wann er, Tôtôsai, den Ruf hörte. „Z-zwei Tage, Sesshômaru-sama…“, antwortete er deswegen zögernd.
 

Der Hundedämon schien damit zufrieden, dennoch wusste der alte Schmied nicht so wirklich, warum sich die Angelegenheit als so zäh gestaltete. Zu seinem Glück wusste Sesshômaru das offenbar: „Sie kennt es nicht“
 

Tôtôsai kratzte sich am Kopf. Was wusste die Löwin nicht? Wie der Übertritt sich anfühlte? Was der Übertritt bedeutete?

Wäre der Hundedämon nicht anwesend gewesen, Tôtôsai hätte abgrundtief geseufzt. Stattdessen atmete er tief durch und versuchte es damit, Anleitung zu geben. „Habt Ihr den Schritt nicht gespürt? Dass…äh, Ihr bessere Kontrolle über Euer Yôki habt?“
 

Natsu legte den Kopf schief. Was genau wollte dieser seltsame Schmied von ihr? Damals, als Ashai-Has Scheide fast gespalten worden war, war es offensichtlich gewesen, aber jetzt? Und was meinte Sesshômaru mit seinen Andeutungen? Aber sie ahnte, dass er ihr auf eventuelle Fragen sowieso keine Antwort gegeben hätte. Also musste sie sich wohl oder übel an den Schmied halten, so kauzig der auch zu sein schien.

„Ein wenig…“, erwiderte sie also auf seine Frage.

Er hatte Recht, fiel ihr erst jetzt wirklich auf. Aber sie hatte angenommen, das läge daran, dass Sesshômaru die Bindung seines Sohnes mit übernommen hatte, sie wieder zu Kräften gekommen war. Offenbar gab es da aber einen anderen Grund.
 

„Na also!“, sagte der Schmied sichtlich zufrieden und musterte sie dabei ziemlich ungeniert, bis Sesshômaru ein knappes Knurren ausstieß und der Schmied sofort wieder in sich zusammen sank.

„J-ja. Ich weiß nicht, wie es nach dem ersten Impuls wieder zu rufen ist… mal sehen, hmm… konzentriert Euch mal auf Euer Yôki… fühlt Ihr etwas Neues, etwas, das dazugehört, aber irgendwie doch abgespalten ist?“
 

Etwas skeptisch folgte Natsu seiner Anweisung und schloss die Augen, um nachzuspüren. Fast hätte sie einen überraschten Laut ausgestoßen, als sie tatsächlich etwas entdeckte, dass auf die Beschreibung passte. Plötzlich spürte sie einen leichten Sog, einen Impuls, der ihr sagte, dass es etwas mit diesem leicht abgespaltenen Yôki auf sich hatte. Auf einmal fürchtete sie, diesen Sog zu verlieren, wenn sie die Augen wieder öffnete, also ließ sie es bleiben und nickte nur etwas.
 

So konnte sie nicht sehen, wie begeistert Tôtôsai offenbar davon war, dass seine ‚Unterrichtsmethode‘ funktionierte.
 

Auch Sesshômaru sagte diesmal nichts. Auch wenn es bei ihm in der akuten Situation weit instinktiver funktioniert hatte, wusste er doch, was in etwa gerade in Natsu vorging.

Unwillkürlich spannte er den linken Arm ein wenig an, während er abwartete.
 

Natsu schien nun keiner weiteren Instruktion zu bedürfen, im Zeitlupentempo aber vollkommen sicher streckte sie die eine Hand etwas zur Seite und schloss die Finger um etwas Unsichtbares, das in etwa den Durchmesser eines Schwertheftes hatte.
 

Sesshômaru ließ keinen Blick von ihr, als plötzlich eine blassgoldene Aura die Luft durchsetzte, pures Yôki um Natsus Unterarm zu wabern begann. Und langsam materialisierte sich etwas inmitten der Schemen, nahm die Form einer langen, sehr schmalen Klinge an, dann eines Schwertes.

Die Aura verblasste und Natsu schlug die Augen auf – sichtlich perplex.

Es schien nicht so, als habe sie damit gerechnet.

Das kam eben davon, wenn eine Hime nicht darauf vorbereitet wurde, eines Tages weiterzukommen, als die Stufe eines erblichen Daiyôkai. Natsu hatte es geschafft. Sie war eine wahre Daiyôkai geworden – und das Schwert war ihre Insignie.
 

Er nahm an, sie habe den Impuls nicht gespürt, weil sie nach dem endgültigen Schlag gegen den Höllenwolf zu geschwächt gewesen war – oder vielleicht war sie auch einfach wirklich nicht in der Lage gewesen, ihn zu erkennen.

Kurz nahm er sich Zeit, die Klinge zu mustern. Sie war hell, einzig die Spitze war wie rußgeschwärzt und ein matter, weißer, fünfsternförmiger Stein war in die Klingenspitze eingelassen. Das Heft war goldbraun und mit einem breiten, schwarzen Seidenband verziert, auf dem drei dunkelblaue Steine saßen.
 

„Himitsutsu“, ließ sich Tôtôsai vernehmen, der auf einmal wieder ganz in seinem Element war. Aus dem Nichts hielt er eine mehr schwarze als blaue Schwertscheide in der Hand, deren Ummantelung so geschickt ausgebleicht worden war, dass es wirkte, als säße an der Spitze ein Komet, dessen Schweif einen verblassende, weiße Schneise über die Scheide zog. Eine weiße Kordel im oberen Drittel vervollständigte das Bild.
 

Sesshômaru kniff ein wenig die Augen zusammen. Himitsutsu, geheimer Stern. Ganz klar Natsus Insignienwaffe. Ihre Fünfsterntechnik verbunden mit dem Schwert, vermutete er. Da sie die Waffe nicht direkt in einem Kampf entdeckt hatte, würde man sich beim Testen sicher in Acht nehmen müssen.

Für einen kleinen Augenblick zuckten seine Mundwinkel, dann sah er wieder emotionslos wie immer drein.
 

Tôtôsai wagte sich hinter seiner Kuh hervor und reichte Natsu, die sich von ihrer Überraschung noch immer nicht so ganz erholt hatte, die Schwertscheide.
 

Mechanisch nahm sie diese entgegen, steckte das Schwert hinein.
 

Einen Moment herrschte Stille, ehe Tôtôsai aufging, dass er nicht mehr erwünscht war – noch weniger als vorher. Rasch kraxelte er wieder auf den Rücken seiner Kuh und war im nächsten Moment verschwunden.
 

Erst dann trat Sesshômaru wieder an Natsu heran, in seinen Augen spiegelte sich seltenes Amüsement. „Du hast es immer noch nicht ganz verstanden“, konstatierte er ruhig.
 

Natsu machte sich nicht die Mühe, zu nicken. Stattdessen blickte sie fast fragend zu ihm auf.
 

„Himitsutsu ist deine Insignie. Du musst sie im Kampf gegen den Höllenwolf erreicht haben. – Du bist nicht mehr nur erblich eine Daiyôkai. Du bist eine wahre Daiyôkai.“
 

Natsu erstarrte sichtlich. In ihren grünen Augen glänzte Unglaube. „Aber… man hört nie, dass eine Hime-“, begann sie tonlos.
 

Sesshômaru legte ihr einen Finger auf die Lippen und brachte sie so zum Verstummen. „Eine Hime kann normalerweise auch nicht kämpfen, eine Hime beeindruckt ihren Gefährten normalerweise nicht, sondern profiliert sich durch ihre Abstammung und eine Hime setzt normalerweise nicht ihr Leben aufs Spiel um Dinge zu erreichen, die eine normale Hime nichts angehen – reicht das?“, dozierte er trocken, ehe er die freie Hand hob und nach der Insignie griff.
 

Natsu überließ sie ihm wiederstandslos, als er das Schwert einfach auf die Kleidertruhe legte, ohne seinen Finger von ihrem Mund zu nehmen. Dann beugte er sich herab und ersetzte seinen Finger durch seine Lippen.

Die RaionYôkai entspannte sich sofort und ließ zu, dass er fortsetzte, wobei er durch Tôtôsais ‚Besuch‘ gestört worden war.
 

~*~
 

Im Garten hob InuYasha plötzlich den Kopf und unterbrach damit das Gespräch, das er mit Kagome geführt hatte.
 

„Was hast du?“, wollte sie prompt wissen.
 

Er zuckte mit seinen Hundeohren. „Keine Ahnung. Wenn ichs nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, ich hab‘ diesen alten Zausel von Schmied gewittert“, antwortete er dann und senkte den Kopf wieder, zuckte die Schultern. „Frag‘ mich nicht, wie ich darauf komme.“
 

Kagome machte eine nachdenkliche Miene. „Tôtôsai und freiwillig hier im Schloss, solange Sesshômaru anwesend ist?“
 

„Ich sags ja, es ist unwahrscheinlich…“

InuYasha schüttelte etwas den Kopf und lenkte den Blick seiner Bernsteinaugen über das Geländer der schmalen, überdachten Brücke hinab auf die Lichtreflexe des Wassers.

Sie standen inmitten des Schlossgartens, wo ein wenig Ruhe herrschte, schlicht, weil die einfache Dienerschaft hier ohne ausdrückliche Erlaubnis keinen Zutritt hatte.

Da Arisu nach einer Weile Rin und Arata gefolgt war, waren Kagome und InuYasha nun gänzlich allein hier.
 

„Sag mal, was meinst du eigentlich, wie es weitergehen soll? Sesshômaru hat uns gebeten, zu bleiben, bis feststeht, wie die anderen Fürsten über die…äh, nicht wirklich zustande gekommenen Gespräche denken. Falls wir noch gebraucht werden.“
 

„Du meinst wohl eher, er hat es festgelegt“, berichtige InuYasha und knurrte gespielt beleidigt.
 

Kagome seufzte belustigt. „Wir werden es überleben… außerdem finde ich es schön hier. Ich hätte nicht gedacht, dass Dämonen so viel von Ästhetik verstehen. Klar, Fürstenhäuser sind etwas anderes, als normale Personen, aber so… ähnlich hätte ich es mir wirklich nicht vorgestellt.“
 

InuYasha antwortete nicht, aber sie ahnte, dass er ihr zustimmte.
 

„Weißt du, vielleicht solltest du die Zeit hier nutzen, ein bisschen mehr über deinen Vater herauszufinden. Ich meine… Sesshômaru ist ja nicht sehr redselig, aber dieser Arata eben, oder die Verwalterin, vielleicht findest du jemanden, der offen mit dir redet“, fuhr Kagome also fort, während sie den von Pflanzengrün fast gänzlich verdeckten, kleinen Wasserfall beobachtete, der den Bach speiste, der quer durch den Garten führte.

Gleichmäßig plätscherte das Wasser über die seit Jahrhunderten rund gewaschenen Steine.
 

InuYasha brummte nur vor sich hin, aber daran, dass er unwillkürlich eine Hand auf ihren Arm legte, merkte Kagome, dass er der Idee nicht einmal abgeneigt war. Spontan lächelte sie ihn an und lehnte sich rücklings gegen seine Brust, als er hinter sie trat und sie von hinten mit den Armen umfing. Entspannt atmete sie tief durch.

Wie viel hatten sie schon gemeinsam durchgemacht.

Nichts war mehr in der Lage, die Bande zu trennen, die InuYasha und sie verbanden.
 

Bei Sesshômaru und Natsu sah das anders aus.

Die beiden standen noch ganz am Anfang.
 

Und bei aller Ruhe, die Kagome hier im Garten empfand, so mutmaßte sie doch, dass es noch einiges geben würde, was versuchen würde, InuYashas Bruder und dessen Beinahe-Gefährtin auseinander zu bringen.

Die junge Miko konnte nicht ahnen, wie richtig sie mit ihrer Vorahnung lag…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein wenig wollen wir sie doch noch quälen, hm??
Was sagt ihr zu Himitsutsu?

Im nächsten Kapitel geht es dann um die Festigung bestehender und die Bildung neuer "Beziehungen" und das Hundeschloss bekommt eine Menge interessanten Besuch... Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Avialle
2014-09-03T16:19:44+00:00 03.09.2014 18:19
Hallöchen meine Liebe
Der Name des Schwertes ist für mich ein Zungenbrecher @.@
Aber nein, wirklich überrascht hat es mich nicht. Auch wenn ich nach unserer letzten "Unterhaltunten" hier von diesem Gedanken abstand genommen hatte
Fürs erste haben alle also eine Atempause, mit der Frau Mama hat es auch geklappt, alles so gut, wie es eben derzeit sein kann
Auch wenn du mich mit deinen Andeutungen echt noch in den Wahnsinn treibst!
Klar, Toran gibts auch noch, aber Himmel... Du folterst meine Nerven aufs übelste!
Antwort von:  Mimiteh
03.09.2014 18:52
Die Bedeutung passte halt gerade so gut...

Das war meine Intention^^


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