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Wolfsballade

Buch Eins- Neumond
von

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Ikebukuro´s Geheimnis

Kapitel Zwei
 

"Ikebukuro´s Geheimnis"
 

Wie versteinert stand sie dem Japaner gegenüber, der überraschender Weise sogar größer war als sie. Sie war in der Hinsicht ziemlich Vorurteils belastet, was die Körpergröße von Asiaten anbelangte. Aber die brutale Realität riss sie aus ihrer Starre.

Jordan konnte es sich nicht erklären, aber sie hatte den Eindruck, dass dieser Typ sie irgendwie beunruhigend lange musterte. Und da schlich sich ganz sachte und subtil, ein weiterer vertrauter Geruch in ihre Nase. Einen von dem sie niemals gedacht hätte ihn in Japan zu riechen. Entsetzten machte sich breit.

Das darf doch nicht wahr sein., durchfuhr es sie und sie machte einige vorsichtige Schritte zurück.

Erst dachte sie, dieser Kerl würde sie vielleicht nicht so ohne weiteres gehen lassen. Aber er wandte sich desinteressiert von ihr ab und verließ mit einer Gelassenheit, den Tatort, wie es nur ein skrupelloser Killer tun würde. Die Leute, die noch immer wimmernd und klagend in der Ecke saßen, machten nicht einmal Anstalten, die Polizei zu benachrichtigen.

Wie vom Donner gerührt, stand sie inmitten der Scherben und direkt neben der Leiche. Irgendwie hatte sie den Eindruck, dass keiner der hier Überlebenden, jemals etwas brauchbares sagen würde. Ein eigenartiger Gedanke schlich sich in ihr Unterbewusstsein, war das vielleicht einer dieser berüchtigten "Mafia-wars", von denen man eigentlich nur von Hören-Sagen erfuhr? Die Japanische Mafia? Yakuza?

Noch völlig neben sich stehend, manifestierte sich dieser Gedanke immer weiter in ihrem Kopf. Aber es war zu unwirklich. Ausgerechnet hier die Yakuza? Und das so offensichtlich, dass es schon fast Spielfilmreif war?

Abgesehen von der Tatsache, dass der Kerl in den Anzug einen Mann in aller Öffentlichkeit tötete, er roch nach Gefahr. Wenn es möglich war, sollte sie es vermeiden ihm ein weiteres Mal zu begegnen. Denn der beißende Geruch, der ihn bekleidete, war nicht nur der Gestank des Todes, nein, … er roch nach Jäger.
 

Ethan Ichikawa war am Tag darauf, wieder im Laden von Ryo. Dieser empfing ihn mit einem breiten Grinsen. Hätte der Korpulente Japaner keine Ohren, würde das Grinsen einmal um seinen Kopf herum gehen.

Gut gelaunt präsentierte er einen Zeitungsausschnitt auf seinem Tresen und stieß mit den Zeigefinger immer wieder darauf.

»Keine Woche wieder im Lande und schon hat Tachibana die Hosen voll.«, sagte Ryo, durchaus zufrieden. »Also, du machst keine halben Sachen, dass muss man dir lassen.«

»Ich wollte die Schäden ursprünglich gering halten, aber es kommt immer anders als geplant.«

»Ach Unsinn. Dieser Dreckskerl kann sich ruhig etwas in seinem Bettchen umher wälzen. Immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es auch ihn irgendwann auf ähnliche Weise erwischen könnte.«

»Es gab zu viele Zeugen.«, sagte Ichikawa leicht beunruhigt.

»Zeugen?«, fragte der Ältere. »Die sagen ohnehin nichts. Die Meisten werden dich höchstwahrscheinlich nicht einmal genauer beschreiben können. In derartigen Stresssituationen sind Zeugenaussagen ziemlich unzuverlässig. Also, zerbreche dir darüber nicht den Kopf.«, sagte Ryo und klopfte den Jüngeren beherzt auf die Schulter. »Außerdem hat Ryousaki-sama schon das Ein oder Andere geklärt.«, und zwinkerte ihm koket zu.

»Der Oyabun? Ist er denn zufrieden?«, fragte der junge Mann überrascht.

»Zufrieden? Du scherzt, er ist seit langem mal wieder relativ gut gelaunt. Dieses Lokal hatte ihn ein paar unruhige Nächte beschert.«

»Dabei, war es nicht mehr, als eine Absteige. Es haben sich dort nicht mal die wirklich wichtigen Leute getroffen. Ich hab lediglich einen degradierten Gefolgsmann von ihm angetroffen und dessen bissige Hunde.«, sagte Ichikawa nun fast gelangweilt und ging um den Tresen herum. Als der Halbjapaner sich bückte um unter den Tresen zu spähen, hielt der Dickere ihn schon den gesuchten Gegenstand vor das Gesicht.

»Du solltest dir langsam aber sicher das Rauchen abgewöhnen. Oder dir selber welche besorgen.«, feixte Ryo und drückte ihn die Schachtel Zigaretten in die Hand.

»Ich hab mir erst heute Morgen eine Schachtel besorgt.«, sagte Ichikawa verlegen.

»Aber?«

»Die hat sich quasi von alleine geraucht.«

Da fing der Ältere lauthals an zu lachen.

»Jaja, der Wind war es. Schon klar, mein Junge.«

Als sich Ichikawa ein Nikotinstängel angezündet hatte, sah er in gedankenversunken, auf die rot glühend schimmernde Spitze und lehnte sich mit der Hüfte gegen den Tresen.

Sein Freund und Kollege sah ihn förmlich an der Nasenspitze an, dass den Jungen etwas beschäftigte.

»Sag mal, kann es sein das du unzufrieden mit dem gestrigen Abend bist?«, fragte Ryo, doch es klang eher nach einer Feststellung.

Da drehte der Jüngere ihn den Kopf entgegen.

»Nein, wieso?«

»Naja, du wirkst angespannt.«

»Das bildest du dir ein, alter Mann.«, brummte er und zog den Rauch tiefer ein. Er fühlte wie sich seine Lunge mit dem Gift fühlte und es ihn leicht kratzte. Wenige Sekunden hielt er die Luft an und entließ den Rauch durch die Nase.

»Komm schon, sag es dem alten Ryo.«, sagte dieser und sah ihn eindringlich an. »Ich verspreche, danach geht es dir besser.«, feixte er nun.

Kurz wog Ichikawa ab, ob er ihn davon erzählen sollte. Immerhin konnte es auch sein, dass er sich das Ganze auch eingebildet haben konnte. Zumal es nicht mehr als eine Ahnung war, eine reine Spekulation, auf die ihn sein Instinkt hinwies.

Als der Yakuza weiter schwieg seufzte der Ältere resignierend und schob ihn wie gewohnt den Aschenbecher zu.

Wie um aus der Asche die Zukunft heraus zu lesen, starrte Ichikawa auf den Aschenbecherboden.

»Ich glaube ich hab einen Lykantrophen gesehen.«, sagte der Jüngere schließlich sachlich.

Erst zeichnete sich Überraschung in Ryos Gesicht ab, dann Ungläubigkeit. Schließlich begann dieser dann nervös zu kichern.

»Ein Werwolf? Wo willst du den gesehen haben?«, doch das Lächeln wirkte angespannter, als er wollte.

Stumm tippte Ichikawa mit den Finger auf die Zeitung, auf dessen Titelblatt, das Ereignis vom Vorabend abgedruckt war.

»In dem Lokal?«, nun wurde der Ältere skeptisch. »Wie viel hattest du gestern intus?«

»Nicht im, sondern vor dem Laden. Ich hab ihr Tachibanas Mann quasi vor die Füße geworfen.«

»Ihr? Ein weiblicher Lykantroph? Jetzt mach dich nicht lächerlich.«, der Korpulente alte Mann machte sich offensichtlich lustig über ihn. »Wie vielen Weiblichen Werwölfen bist du denn schon begegnet?«

»Bei meinen letzten Auslandsaufenthalt waren es 2 von 5.«, stellte Ichikawa ernst klar. »Sie sind in der Transformation von ihren männlichen Artgenossen kaum zu unterscheiden, außer in der Größe und vielleicht in der Kopfform.«, erklärte der Jüngere.

»In der Kopfform?«

»Ja, sie haben weichere Gesichtszüge.«, sagte er nüchtern und drückte die Zigarette aus.

»Weißt du eigentlich wie verrückt du dich anhörst? Weichere Gesichtszüge?«

»Du warst selbst Jäger, jetzt tu nicht so überrascht.«, leicht gereizt darüber das Ryo sich so offensichtlich skeptisch zeigte, wandte er sich dem Älteren Mann ganz entgegen.

Dieser sah ihn eindringlich an.

»Mein Junge, jetzt mal abgesehen davon, dass du einen weiblichen Werwolf gesehen haben willst. Ganz ehrlich, … und das ist meine Meinung als Ex-Jäger, ein Werwolf in Japan und dazu auch noch in unserer Hauptstadt? Es ist wahrscheinlicher das einer dieser Monster Präsident der USA wird, als sich hier her zu verirren.«

»Wieso ist es so unwahrscheinlich? Wenn sie sogar in Kanada und noch weiter Nördlich gesehen worden sind.«

»Seit dem frühen Mittelalter und darüber hinaus, wird nur im europäischem Raum von "Werwolfsichtungen" gesprochen, der Mythos vom Werwolf, hält sich weit vor unseren Grenzen. Vereinzelt wurde auch von "Gestaltwandlern" in Amerika gesprochen, die dort heimischen Indianervölker waren ziemlich Naturverbunden, daher liegt das auch Nahe. Aber im asiatischen Raum ist mir etwas Vergleichbares, noch nicht zu Ohren gekommen. Und darüber findest sich auch nichts in irgendwelchen Archiven, oder alten Aufzeichnungen.«, sagte er nun ernst. »Ich habe erwartet, dass du dieses Hintergrundwissen besitzt.«

»Vielleicht bist du auch einfach nur zu lange aus der Jagd raus. Diese Informationen sind komplett veraltet. Frag zum Beispiel mal Pita. Sie selbst hat ein halbes Dutzend weiblicher Bestien getötet.«

»Ich will mich nicht mit dir streiten, Ichikawa-kun, aber …«, doch der Jünger fiel ihm ins Wort.

»Dann lass es.«, herrschte er den Älteren an.

Abwehrend hob Ryo die Hände und schüttelte den Kopf.

»Ok, dann frag ich anders. Wie hast du rausgefunden das sie, ein Lykantroph ist?«, fragte der Ältere interessiert.

»Ehrlich gesagt, war es eher eine … Ahnung, so ein Gefühl.«

»Oh, verlassen wir uns schon auf Ahnungen und Bauchgefühle? Mein Junge, ich lege dir nahe ans Herz, mal die Augen länger als nur 2 Stunden pro Nacht zu schließen. Der Schafmangel schleicht sich in dein Hirn und Urteilsvermögen. Du bist doch kaum noch Objektiv genug. Irgendwann tötest du alte Großmütterchen, weil du glaubst sie seien Werwölfe.«

Genervt und enttäuscht darüber, dass sein Freund und Mentor ihn nicht glaubte, seufzte Ichikawa schwer.

»Ich sag es nur ungerne, aber du hast dich da in etwas verrannt. Ich habe mehr und mehr den Eindruck, dass du als Jäger ungeeignet bist.«, sagte Ryo und es klang nicht böse, oder wie ein Vorwurf. Denn sein Ton war dafür zu führsorglich. Es war Sorge, die aus dem Älteren sprach. »Vielleicht hab ich einen Fehler begann, als ich dich zu den Jägern geschickt habe. Ich hätte es besser wissen müssen. Deine Vergangenheit lässt dich nicht los und das macht jeden Jäger auf kurz oder lang kaputt. Jede Auseinandersetzung, oder Konfrontation die du mit einem Werwolf Körperlich überstehst, hinterlässt weitaus tiefere und schwerere Wunden in der Seele. Deine Lebenserwartung ist bei der Yakuza, in der Hinsicht, höher. Arbeite lieber weiterhin für die Ryousaki- Familie und bleib in Japan.«

Leicht Fassungslos darüber, wie Ryo über ihn dachte, schüttelte Ichikawa den Kopf.

»Wenn ich sie finde und sich dann herausstellt, dass sie ein verdammter Werwolf ist, erwarte ich eine Entschuldigung, alter Mann.«

Da musste der Ladenbesitzer doch leicht lächeln und nickte kurz.

»Wenn du mir wirklich einen lebenden weiblichen Lykantrophen bringst, stopf ich ihn dir persönlich als Trophäe aus.«

»Lebend kann ich es nicht versprechen.«

»Halbtot, ist auch noch akzeptabel.«, sagte er gleichgültig und zuckte mit den Schultern. »Aber wie gesagt, ich glaube es nur, wenn ich es selbst gesehen und auf den Tisch auseinander genommen habe.« und plötzlich hatte der Ältere ein gehässiges Grinsen im Gesicht. »Aber warum, hast du sie eigentlich gehen lassen, wenn du dir so sicher warst?«

Doch auf diese Frage grummelte der Halbjapaner nur verärgert. »Ist ja gut, du bekommst das Miststück schon.«, brummte er ablenkend.

Da lachte Ryo wieder und klopfte ihn beherzt auf die Schulter.
 

Nervös ging Taylor im Hotelzimmer auf und ab. Er selbst war am Abend zuvor zwar auch reichlich spät zurück gekommen, aber seine Begleitung hatte er nicht im Hotel angetroffen. Es beunruhigte ihn, dass sie ohne eine Nachricht zu hinterlassen verschwunden ist. Der Blonde Mann ging noch ein paar Nervenzermürbende Schritte umher, als sich plötzlich die Hotelzimmertür öffnete.

»Bei allem was dir heilig ist, und das kann ja nicht viel sein, wo hast du gesteckt?«, platzte es aus ihm heraus. »Du hättest zumindest eine kurze Nachricht da lassen können, ich hab mir Sorgen gemacht.«, doch er verstummte augenblicklich als er seine Freundin sah. Sie wirkte gehetzt und irgendwie verstört.

»Jo? Was ist los? Ist was passiert?«, frug er besorgt. »Hat Aga sich gemeldet?«

Die Schwarzhaarige schüttelte den Kopf.

»Nein, hat sie nicht. Es …«, sie sah ihn eindringlich an. »Wir haben ein Problem.«

»Ein Problem? Wieso?«

»Ich bin gestern irgendwie in eine ziemlich unschöne Situation geraten.«

»Wie bitte!?«

Nervös beäugte er Jordan.

»Erklär dich, hat dich jemand gesehen? Hast du jemanden Geifer auf die Klamotten getropft? Na hoffentlich bekommt er deinen Sabber wieder raus«, versuchte er zu scherzen.

»Ich war nicht im Pelz unterwegs.«, stellte sie klar. »Irgend so ein Typ hat jemanden in einem öffentlichen Lokal eiskalt getötet und ich war zur falschen Zeit am falschen Ort.«

Da stand Taylor vor Perplexität der Mund offen stehen.

»Ein Mord, in einem öffentlichen Lokal? Wo genau war das?«

»Ich glaube in Ikebukuro. Ich bin dort etwas umher gelaufen und plötzlich schmeißt der mir eine Leiche vor die Füße.«, sagte sie angewidert.

Daraufhin wandte der junge Mann sich um und zog hektisch eine Zeitung heran, schlug diese auf und hielt seiner Freundin den Artikel unter die Nase.

»Hey, genau das ist der Laden.«, sagte sie. »Das ist aber schnell in der Zeitung gelandet.«

»Ja und auch noch in der Englischsprachigen.«, sagte Taylor.

»Also auf derartiges kann ich verzichten.«, sagte sie und schüttelte sich.

Doch Taylor schien ihr gar nicht zu zuhören. Sein Blick war tief in der Zeitung verschwunden, erst als sie sich räusperte, sah er kurz auf.

»Das scheint nicht das Einzige zu sein. Hier passieren in letzter Zeit, ein paar eigenartige Sachen. Ich lese die Zeitung schon seit wir in Japan sind. Und fast täglich steht ein anderer Mord drin. Nur, sind das keine normalen Morde.«

»Ach nein?«, sagte sie sarkastisch und hob eine Braue. »Kaum zu glauben, denn ich bin fast der Überzeugung, dass das gestern auch kein normaler Mord war. Der Typ erfühlte so ziemlich jedes Hollywood- Mafiosi- Klischee das ich kenne.«

»Mafia-kriege?«, fragte er verdutzt. »Wäre nicht das erste Mal. Aber das meine ich nicht. Es häufen sich Nachrichten von Zwischenfällen, bei denen die Leute, quasi zerrissen wurden. Ich lehn mich ja nur ungern so weit aus dem Fenster, aber das klingt für mich schwer nach Abtrünnigen

»Wenn du Recht behalten solltest, wimmelt es hier womöglich auch noch bald von Jägern. Das würde uns gerade noch fehlen.«

Was leider schon der Fall ist, ob ich es ihn sagen sollte? Aber wenn ich mich getäuscht habe und es nur ein Zufall war? Dann beunruhige ich ihn umsonst. Dachte sie.

»Das Einzige was uns etwas den Rücken stärk, ist die Historische Tatsache, dass es in Asien keine Aufzeichnungen von Werwölfen gibt. Ehe sie auf den Trichter kommen, dass es ein Wolf sein könnte, sind wir schon wieder weg.«, sagte der Blonde und legte die Zeitung bei Seite.

»Ja, aber irgendwann, werden sie Wind von der Sache bekommen. Das es natürlich ausgerechnet Abtrünnige sein könnten, die hier Fuß gefasst haben, beruhigt mich nicht im Geringsten.«

»Nun, jetzt wissen wir zumindest, warum Aga uns hier her geschickt hat.«

»Wir sind hier auf Verdacht. Und mehr als diese Spekulationen haben wir auch nicht. Oder hast du schon einen gerochen?«, fragte Jordan ihren Begleiter.

»Nein.«

»Na also. Vermutlich sind wir die Einzigen beiden im Umkreis von 8 000 Kilometern.«

»Ach Aga, will sicherlich, dass wir Ikebukuro´s Geheimnis lüften«, sagte Taylor heiter.

»Scheiß auf das "Geheimnis". Ich will hier wieder weg. Am Ende ist es nur ein stink normaler Irrer, so wie immer. Und da ist nichts geheimnisvolles dran.«

»Sie es doch mal von der Positiven Seite, so lernen wir die Stadt und das Land kennen.«

»Noch mehr kennenlernen kann man diese Metropole nicht. Diese Stadt ist viel zu Groß, zu hektisch, zu laut, zu bunt und es gibt viel zu viele Menschen.«, knurrte sie genervt.

»Ja, aber auch leckere Sachen.«

»Du denkst auch nur ans Essen, oder Taylor?«, sagte sie mit hochgezogenen Augenbrauen und der Blonde grinste sie nur frech an.
 

Die darauffolgende Nacht lag der Halbjapaner Ichikawa wach. Die Begegnung mit dieser Frau, egal wie kurz diese gewesen war, beunruhigte ihn. Er wusste selbst nicht warum er sich so darauf versteifte das sie ein Werwolf sei. Vermutlich war es nur eine Touristin die zur falschen Zeit am falschen Ort war, nicht mehr nicht weniger. Doch irgendetwas an ihr hatte bei ihm die Alarmglocken läuten lassen.

Nachdenklich fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht. Hatte Ryo am Ende doch Recht und es war einfach nur simpler Schlafmangel, der ihn dazu trieb an jeder Ecke einen Lykantrophen zu sehen? Vielleicht ging er wirklich irgendwann auf alte Mütterchen los. Ein langer gedehnter Seufzer entwich ihm. Eine innere Unruhe hatte ihn gepackt, Ryo konnte sagen was er wollte. Ichikawa wusste was er gesehen hatte, … was ihn einen Schauer über den Rücken jagte. Es gab nicht viel das dem jungen Yakuza eine Gänsehaut über den Nacken schickte, aber ein Werwolf gehörte mit Sicherheit dazu. Was dem jungen Mann am meisten ärgerte war, nicht das er sie hatte laufen lassen, obwohl er sich doch ziemlich sicher war, dass es sich bei ihr um einen Lykantrophen handelte. Nein ..., eher die Tatsache das ausgerechnet Ryo, der Omura Ryonosuke, einer der besten Werwolfjäger der letzten zwei Jahrzehnte, ihm nicht glaubte. Dabei wusste Ichikawa es besser, wär er nicht schon einigen weiblichen Werwölfen begegnet, hätte er es vermutlich auch als Unfug abgetan. Aber als er in Norwegen, mit Pita de Zosa, ein Rudel aufgespürt hatte, befanden sich ohne Zweifel, auch Frauen unter ihnen. Sie hatten sogar das ein oder andere Unterscheidungsmerkmal, auch wenn es noch so minimal war. Als diese schließlich tot vor den beiden Jägern lagen, verwandelten sich die leblosen Werwolfkadaver wieder in Menschen. Und ein nackter Körper konnte nicht lügen. Es handelten sich mit Gewissheit um zwei Frauen, zwei weibliche Lykantrophen. Das gewisse Informationen die die Jäger sammelten, nicht bei Ryo ankamen, wunderte den jungen Mann. Der Ex-Jäger konnte doch selbst jetzt noch die Berichte einfordern, … wenn er denn wollte. Leicht schnaufend, drehte sich Ichikawa auf den Rücken, die Diskussion mit dem Ladenbesitzer verunsicherte ihn und ließ ihn an sich selbst zweifeln. Aber er hatte die toten entstellten Körper der Frauen doch mit eigenen Augen gesehen.

Unruhig wälzte er sich umher. Sollte er vielleicht Zosa kontaktieren? Wenn es jemanden gab, der sich bestens damit auskannte und es ihm Zweifelsfall bestätigen konnte, dann die Mexikanerin Pita de Zosa.

Ichikawa hatte sich entschieden, mit einem Ruck erhob er sich und fuhr seinen Laptop hoch. Er musste unbedingt mit Zosa reden, egal wie, … egal wann. Der Yakuza brauchte dringend ihre Fachmännische Meinung. Wenn sie es nicht zu hundert Prozent wusste, dann wusste es niemand.
 

In dieser Nacht fand auch der junge Werwolf Taylor keinen erholsamen Schlaf, auch er wälzte sich unruhig in seinem Bett umher. Von wilden Träumen und Ahnungen gejagt, wandte er sich von einer Seite zur Anderen. Als er sich erneut umdrehte, öffnete er die Augen und starrte in die Dunkelheit des Hotelzimmers. So schlecht hatte er lange nicht mehr geschlafen. Wenn man das überhaupt schlafen nennen konnte. Genervt seufzend drehte er sich auf den Rücken, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah an die Decke. Die Vorkommnisse der letzten Tage beschäftigten ihn. Das es so viele ungeklärte Todesfälle gab und das in so kurzer Zeit und in allen Gesellschaftlichen Schichten, brachte ihn dazu mehr darüber nachzudenken. Die Geheimnisse Ikebukuro´s faszinierten ihn, gleichzeitig fürchtete er sich aber auch vor den Ergebnissen und Resultaten, wenn sich seine Vermutung bewahrheitete. Er war ja noch immer der Meinung, dass es sich um Abtrünnige handelte. Dass das wahre Geheimnis, darin lag, das es in Japan … in Tokio … im Stadtteil Ikebukuro, einen oder gar mehrere Wölfe gab. Für den Blonden gab es eigentlich nur eine plausible Erklärung die dagegen sprechen könnte. Die da war, das jemand ganz makaber war und seine Taten als einen Angriff wilder Tiere tarnte, oder aber, was er immer stärker annahm… es Tiere waren. Taylor wollte gar nicht darüber nachdenken, was es für eine Kettenreaktion auslösen würde, wenn sich herausstellte, dass es sich hierbei um Lykantrophen handelte. Tief in seinem Inneren hegte er noch immer die schwache Hoffnung das es Bären waren. Doch diese Denkweise war mehr als naiv. Langsam drehte er sich zur Seite und sah zu Jordan hinüber, zumindest sie schien schlafen zu können. Und das nachdem sie hautnah dabei war, als ein Mafiosi getötet wurde. Sie schien die Ruhe selbst zu sein, aber er kannte sie gut genug um zu wissen, dass dem nicht so war. Jordan hatte es zwar nicht offen ausgesprochen, aber auch sie schien etwas zu beschäftigen. Selbst wenn er seine Freundin direkt darauf ansprechen würde, eine ehrliche Antwort darauf würde er ohnehin nicht bekommen. Die Schwarzhaarige würde ihn mit keiner Silbe, mehr als nötig beunruhigen. Und genau das war es was Taylor so nervte. Es war keine Neugier die ihn dazu trieb Fragen nach dem Wohlbefinden seiner Begleiterin zu stellen, es war Sorge. Und wenn sie ihn in gewisse Dinge nicht einweihte, fühlte er sich übergangen und ausgeschlossen. Sorge hin oder her.

Langsam drehte er sich wieder auf die Seite und sah aus dem Fenster, der Himmel war Wolkenverhangen, also konnte er nicht nach dem Mond sehen. Dies wäre sowieso nicht richtig möglich gewesen. Taylor konnte die Silhouette des Mondes nur erahnen, es war schließlich Neumond und das was er jetzt sehen würde, wäre gerade mal das "Neulicht" … ein kleiner unscheinbar wirkender Rand der sich am Mond abzeichnete. Langsam schloss er die Augen und atmete konzentriert tief ein und aus. Er musste unbedingt etwas zur Ruhe kommen, der Blonde würde schon früh genug das Geheimnis von Ikebukuro herausfinden.
 

Am nächsten Morgen war die Schwarzhaarige bereits wach und angezogen, als Taylor die Augen öffnete, er hatte es doch tatsächlich geschafft einzuschlafen. Nachdem er sich ausgiebig gestreckt hatte wanderte sein Blick zu Jordan, die am Fenster saß und sich einen Kaffee genehmigte. Sie wirkte beunruhigt und nachdenklich. Und diese offensichtliche Tatsache beunruhigte automatisch den jungen Werwolf. Er hatte wie jeder andere Wolf auch, einen guten Instinkt für Gemütsveränderungen.

»Guten Morgen.«, brummte er und schwang die Beine über den Bettrand.

»Guten Morgen.«, antwortete sie und lächelte leicht, doch er sah das es aufgesetzt war und schnaufte kurz auf, als er sich erhob.

Stirnrunzelnd sah die junge Frau ihm nach, doch ehe er im Bad verschwinden konnte, sprach sie ihn an.

»Schlecht geschlafen? Du wirkst gereizt?«, frug sie.

Langsam drehte er sich zu ihr um.

»Und du wirkst besorgt, willst du mir nicht irgendetwas mitteilen?«, provokativ lehnte der Blonde sich am Türrahmen an und verschränkte die Arme vor der Brust.

Jordan ahnte worauf er hinauf wollte, sie konnte ihn nur schwer etwas vormachen. Dafür kannte Taylor sie einfach zu gut und das sie etwas beschäftigte, sah er ihr vermutlich an der Nasenspitze an. Er war sichtlich besorgt, wenn nicht sogar sauer, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagte. Sie hätte es besser wissen müssen. Er spürte das etwas nicht stimmte. Resignierend seufzte sie, stellte ihre Kaffeetasse bei Seite und erhob sich langsam von ihrem Stuhl.

»Mach dich fertig, ich erklär dir alles weitere unterwegs.«, sagte sie kurz angebunden. Jordan hatte eine Entscheidung gefällt, sie würde Taylor sagen was sie beunruhigte und abwarten wie er reagierte.
 

Nachdem Taylor sich frisch gemacht hatte, verließen die beiden das Hotel. Jordan sagte noch nicht wo es hin ging. Aber nach wenigen Straßenzügen wurde es ihm klarer und klarer.

»Wir sind in Ikebukuro.«, sagte er feststellend.

»Ja, genau. Ich will dir etwas zeigen und du sagst mir was du davon hältst.«

Jordan lag in dieser Nacht ebenso wach wie Taylor und hatte mitbekommen wie dieser sich in seinem Bett hin und her gewälzt hatte. Zumal sich auch das schlechte Gewissen in ihr gemeldet hatte, das sie ihm die Vermutung mit dem Jäger verschwieg. Also beschloss sie dies zu ändern. Die junge Frau hatte beschlossen ihren Begleiter mit zu dem Lokal zu nehmen, wo es zu dem Treffen gekommen war. Die Polizei war vermutlich schon längst dort und hatte die Lokalität verschlossen und nach Spuren abgesucht, doch Jordan wollte ihren Freund auf Spuren ansetzten, die Menschen nicht fanden. Zumindest nicht ohne die entsprechenden Spürhunde.

Nach wenigen Minuten kamen sie am besagten Lokal an. Taylor pfiff kurz auf und bestaunte das Holzbrett, welches sich nun im ehemaligen Fensterrahmen befand. Klopfte ein paar Mal gegen das sperrige Holz und wandte sich dann zu Jordan um.

»Wolltest du mir nur die kaputte Scheibe zeigen, oder was?«, fragte er sie und sah die Schwarzhaarige stutzig an.

»Streng dich mal an und sag mir deine Meinung dazu.«, sagte sie und tippte sich gegen die Nase. Er wusste sofort was sie damit sagen wollte und ging ein paar Schritte. Zog die Luft durch die Nase ein und versuchte die Gerüche voneinander zu trennen. Es war ein Gemisch aus getrockneten Blut und Alkoholischen Getränken. Zumal dies aber fast von dem beißendem Geruch den Ammoniak verbreitete, überlagert wurde.

»Hier war ja schwer was los. Einige konnten wohl ihre Blase nicht kontrollieren, als sie die Leiche gesehen haben.«, kommentierte Taylor trocken und schnupperte weiter. Es war nicht leicht, die übrigen Gerüche von einander zu unterscheiden, da sie sich auf offener Straße befanden und jeder Mensch, jedes Tier einen markanten Geruch zurück ließ, nicht auf Dauer, aber für einen bestimmten Zeitraum. Die Abgase der Fahrzeuge machten es nicht leichter und der Duft der Natur schien auch schwach durch sein Geruchsorgan.

Kurz ließ Jordan den Blick wandern, die wenigen Menschen die an ihnen vorbei gingen, würdigten den beiden nicht eines Blickes, … gut so. So fiel es nicht zu sehr auf was Taylor tat. Langsam ging dieser auf das kaputte Fenster zu.

Es roch nach Angst, wenn nicht sogar nach schierer Panik, … und Tod … doch da war noch etwas ganz anderes … etwas … gefährliches.

Erschrocken fuhr Taylor zu seiner Freundin herum.

»Das … das ist …«, stammelte er. »Das ist sicherlich nur … also, mein Geruchssinn ist nicht der Beste bei diesen Bedingungen. Die Straße, die Leute verfälschen alles. ... .Da passiert es schon mal das sie den gleichen Geruch verströmen wie … .«

Doch die Schwarzhaarige schüttelte langsam den Kopf.

An diesem Ort lag nicht nur der schwere Duft des Todes in der Luft und im Asphalt. Auch Taylor hatte es gerochen, direkt am Fenster, dort wo er stand.

»Ich hab es auch gerochen. Ich dachte auch erst, dass es einfach ein Zufall war. Du weißt schon. Killer haben alle irgendwie den gleichen Geruch. Aber hier war es anders.«, sagte Jordan ernst.

»Das hat uns gerade noch gefehlt. Ein Jäger, hier in Tokio. Ob sie bescheid wissen, oder war es einfach nur Zufall?«, fragte Taylor und sprach weiter. »Hast du ihn gesehen? Weißt du wie er aussieht?«

»Ja.«

»Du weißt es?!«, entfuhr es Taylor erleichtert.

Da nickte Jordan mit ernster Miene.

»Es war der Yakuza, der hier gewütet hat.«



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