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Wolfsballade

Buch Eins- Neumond
von

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Neumond

„Neumond“
 

Mit tosendem Verkehrslärm und einer unruhigen Menschenmasse, die sich wie eine Welle unaufhaltsam vorwärts bewegte, kündigte dieser … neue Tag, sich lautstark an. Wie in einem Ameisenstaat, wuselten die Leute umher, bemüht ihren Bus, die U-Bahn oder ein Taxi rechtzeitig zu erreichen. Was sich als schwierig gestaltete.

Und inmitten dieser Menschen ging der junge Halbjapaner Ethan Ichikawa seines Weges. Die unruhige Nacht hing noch immer schwer an ihm. Nach der kalten Dusche, die er mitten in der Nacht nahm, hatte er einen halbherzigen Versuch gestartet, noch einmal zu schlafen. Aber es ging einfach nicht, sein Körper und vor allem seine Seele, kam einfach nicht zur Ruhe. Also beschloss er bei Zeiten, seinen Pflichten nachzugehen und sich um die Auftragsbeschaffung zu kümmern. Sein Weg führte ihn in eine kleine verwinkelte Seitengasse, die kaum von der Bevölkerung, Beachtung fand. Ohne Umschweife bog Ichikawa in ein kleines unscheinbar wirkendes Lokal ein. Von außen sah es, eher schmutzig und muffig aus und erweckte den Anschein, dass man hier nicht gerne gesehen war. Es wirkte mehr aus statt einladend und sollte wohl allzu neugierige Mitmenschen abschrecken. Und diese offenkundige Ausladung verfehlte ihre Wirkung bei weitem nicht. Doch dem Schwarzhaarigen kümmerte es längst nicht in welchem Zustand sich diese Spelunke befand. Unbeirrt dessen, wie schäbig die Lokalität wirkte, trat er an die Tür und öffnete diese. Ein zartes leises Glöckchen erklang und kündigte Besuch oder Kundschaft an, je nachdem wie man es deutete. Von innen sah der Laden noch heruntergekommener aus, als von außen. Eine ungesunde Mischung aus Räucherstäbchen- Rauch und Zigarettenqualm klebte förmlich in der Luft, die so dick war das man sie fast Löffeln konnte. Ichikawa ging langsam und gemächlich auf einen Tresenähnlichen Aufbau zu, auf dem sich allerlei Staub und Unrat angesammelt hatte. Prüfend ließ er den Blick im Laden umherschweifen und täuschte er sich, oder hat dieser Taugenichts von Ladenbesitzer tatsächlich etwas verkauft? Leicht überrascht über diese Sichtbare Tatsache hob der Halbjapaner eine Braue und klopfte beherzt auf den Tresen. Dabei hoffte er inständig, dass dieser nicht sofort zusammen brach, oder er vor lauter Dreck daran kleben blieb.

»Ja, doch!«, herrschte ihn eine Körperlose Bassstimme aus einem Hinterzimmer an. Da klopfte Ichikawa erneut auf die Holzplatte. »Heute die Ungeduld gefrühstückt, wie?!«

»Kundschaft.«, trällerte der Jüngere und lehnte sich am Tresen an. Irgendwie war ihm jetzt danach eine zu rauchen, obwohl der Nikotingehalt in der Luft eigentlich ausreichend sein sollte.

»Ichikawa?«, ertönte die Ältere Stimme überrascht und ein Mann ende Sechzig steckte überrascht den Kopf in den Türrahmen. »Hast dich lange nicht blicken lassen.«

»Ich hatte im Ausland zu tun.«, war die kurze Antwort Ichikawas und er wandte sich dem Besitzer entgegen. Dieser war nun ganz aus dem Türrahmen getreten und vor Ichikawa stand ein, kleiner, etwas aus der Form geratener Japaner, der selbst mit seinen Sechzig Jahren erstaunlich jung aussah. Langsam ging er auf seinen Kunden zu und legte die Hände flach auf die Holzplatte.

»Also, was führt dich her?«

»Das übliche.«

»Das Übliche?«, fragte der Mann verdutzt und hob eine Augenbraue. »Hast du mit deinen neuen Auftraggeber nicht genug um die Ohren?«

»Zur Zeit ist es recht ruhig und mein Aufenthalt in Europa war von Erfolg gekrönt.«, sagte der junge Mann.

»Hat es sich gelohnt?«

»Ich hab Fünf erwischt.«

Da grinste der Ältere verschwörerisch.

»Tja, da zeigt sich wer Tod im Blut hat, mein Junge.«, raunte er dunkel und zog eine kleine Schachtel unter dem Tresen hervor.

»Du kannst Gedanken lesen, mein Freund.«, sprach Ichikawa und ihm wurde die Schachtel gereicht.

»Es ist auch hier, in letzter Zeit, eigenartig ruhig. Die Geschäfte laufen allerdings nicht so wie sie sollten. Ryousaki- *sama ist etwas … wie sag ich es nett? Wütend.«

In der Zeit in der er sprach, zog Ichikawa eine Zigarette aus der Schachtel und steckte sich diese an. Den Ersten Zug inhalierte er tief und behielt diesen einen kurzen Augenblick in der Lunge, ehe er wieder ausatmete.

Rauchen war eine anstrengende und lästige Angewohnheit, die er aber irgendwie nicht ablegen wollte. Der Mensch ist ja bekanntlich ein Gewohnheitstier und alte Gewohnheiten wurde man schwer oder gar nicht los. Also warum aufhören mit rauchen?

»Wütend? Tja, er hat ja auch nur noch Stümper unter sich. Die könnten kleinen Kindern nicht einmal das Spielzeug abnehmen, geschweige denn Erwachsenen Männern das Geld.«, spöttelte der Jüngere und zog erneut an dem Glimmstängel.

»Wahr gesprochen. Also, …«, begann der stramm gebaute Japaner und lehnte sich mit den Ellenbogen auf die Holzplatte. »Du willst zurück zu den Wurzeln?«

»Wieso zurück, ich war nie weg.«, entgegnete Ichikawa.

»Kein Yakuza, heuert bei den Jägern an und führt ein derartiges Doppelleben, mein Junge.«, schmunzelte sein Gegenüber.

»Ausnahmen bestätigen die Regel. Also, gibt es Arbeit für mich, oder nicht, Ryo?«, fragte der Jüngere und schnippte ein Insekt weg, welches über den Tresen rannte,.

Dieser nickte kurz.

»Es hat vor ein paar Wochen ein neues Lokal in Ikebukuro geöffnet. Das Ganze ist dem *"Oyabun" ein Dorn im Auge, rate mal warum?«

»Tachibana?«, riet Ichikawa drauf los und das Nicken Ryos bestätigte seine Vermutung. »Die sind aber hartnäckig.«, stöhnte er genervt auf und steckte sich die Zigarette in den Mundwinkel, als Ryo ihn einen Umschlag reichte.

»Die haben auffällig viel Kundschaft, vor allem Ausländer besuchen das Lokal regelmäßig und zahlreich.«, erklärte der Ältere und deutete auf die Papiere, die Ichikawa nun in den Händen hielt. »Wie du unschwer erkennst, sind das Fotos die ein paar wenige der Besucher zeigen.«

»Unauffällig sieht anders aus.«

»Sieh dir den Laden mal an, vielleicht findest du was Interessantes heraus. Ryousaki- sama würde sich freuen, er hat Tachibana ohnehin auf dem Kieker und du könntest bei Gelegenheit eine klitzekleine Nachricht da lassen. Wenn du verstehst.«

»Und du meinst ich komme durch die Gesichtskontrolle?«, grinste der Jüngere schief.

»Wenn die Gestallten da rein kommen, dann wirst du das wohl auch schaffen. … Obwohl…«, prüfend musterte der den jungen Halbjapaner. »Ein wenig mehr Schlaf würde dir ganz gut tun, mein Junge.«

»Schlaf wird überbewertet.«

Schulterzuckend nahm Ryo das zur Kenntnis und schob Ichikawa einen Aschenbecher zu, der dabei eine Spur im Staub zurück ließ. Als dieser die Zigarette ausdrückte musterte er streng den Tresen.

»Ehrlich Ryo. Du solltest mal wieder staubwischen.«

»Das ist mein persönlicher Flair.«, feixte der Dickere und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.

Da musste Ichikawa schmunzeln und wandte sich zum Gehen.

»Junge!«, raunte Ryo plötzlich dunkel, da drehte sich Ichikawa noch einmal zu ihm um. »Zur Not, verschaff dir einfach Einlass, ich bin mir sicher, dass dein Schwertarm noch nicht eingerostet ist.«, und zwinkerte ihn ein weiteres Mal zu.

»Der funktioniert einwandfrei.«, entgegnete dieser und hinter ihm schloss sich die schwere beschädigte Holztür.

Ryo sah noch immer zu der geschlossenen Tür. Ein seltsames Gefühl machte sich in ihm breit, mehr eine Ahnung. Ichikawa war ohne Zweifel ein hervorragender Kämpfer und die viele Zeit im Ausland die er verbrachte, zeigten sich deutlich in seinem Auftreten und Verhalten, aber es beunruhigte ihn, dass der Junge sich zu tief in die Abgründe hinab wagte. Sich mit anderen Mafiosi anzulegen war eine Sache, aber mit Tieren? Monstern?!

Nun steckte sich der Ältere eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Langsam machte sich das schlechte Gewissen in ihm breit, immerhin hatte er ihn den Jägern empfohlen. Ob es das Richtige war, würde sich noch zeigen. Immerhin hatte keiner einen solchen Antrieb, den Biestern den Gar auszumachen, wie Ichikawa. Ein Sorgenbeladener Seufzer entwich Ryo.

Werwolfjagd war nicht lukrativ, aber es erleichterte die von Rache zerfressene und verstörte Seele ungemein.
 

»Jetzt warte doch mal!!«, rief ein Mann Ende der Zwanziger, mit blondem Haar und rannte unbeholfen einer anderen Person nach. »Wieso hast du es denn so eilig?«

Da blieb die angesprochene Person ohne Vorwarnung stehen und er wäre ihr fast in den Rücken gelaufen. Mit einem Ruck drehte sie sich um und sah ihn böse an.

»Besser?«, fragte diese. Es war eine junge Frau, ebenfalls Ende Zwanzig, mit kurzem wildabstehenden schwarzen Haaren. Ihre grauen Augen bohrten sich tief in die Blaugrünen ihres Begleiters.

»J-ja.«, stammelte dieser eingeschüchtert, denn ihr finsterer Blick, tat das Übrige. Da wandte sie sich wieder um und ging weiter.

»Jetzt sag schon warum du so hetzt, Jo.«, drängte ihr Begleiter.

»Hab ich dir das noch nicht gesagt, Taylor?«, fragte sie überrascht.

»Nein, du hüllst dich in Schweigen.«, sagte der Blonde genervt.

»Ok, ich bin ehrlich. Ich will einfach nur weg hier. Ich fühl mich hier nicht wohl.«, raunte sie und stapfte weiter.

»Woah, da hab ich eine Idee.«, sagte Taylor aufheiternd.

»Die da wäre?«

»Ein weinig Ablenkung. Wir müssen doch noch eine Weile hier bleiben, bis wir weitere Nachrichten bekommen. Was hältst du also davon, wenn wir uns heute Abend etwas amüsieren?«, schlug er vor und seine Augen funkelten vor lauter Vorfreude.

»Definiere "amüsieren".«, sagte sie streng.

»Naja, ausgehen, lass uns was trinken gehen. Ich hab gehört, dass hier ganz in der Nähe ein neues Lokal geöffnet hat. Viele Touristen zieht es dort hin. Und wo sich Touristen sammeln muss es ja was gutes geben.«

»Was für eine Schlussfolgerung, Sherlock.«, sagte sie desinteressiert.

Da griff sie der Blonde am Arm und zwang sie zum Stehenbleiben.

»Ach komm schon, wann sind wir denn schon in Japan? Das Land der aufgehenden Sonne und des Lächelns.«, sagte er breit Grinsend.

Da seufzte sie gedehnt und resignierte.

»Meinet wegen, aber vergiss vor lauter Begeisterung für diese Kultur, nicht den eigentlichen Grund unseres Ausfluges.«, mahnte sie.

»Ja, wie könnte ich das vergessen, wo du mich doch immerzu daran erinnerst.«, motzte er leise und blies eingeschnappt die backen auf, wie ein kleiner Schuljunge. Da sah sie ihn mit einem beschwichtigenden Blick an und lächelte sogar leicht.

»Komm schon, erst die Arbeit, dann das Vergnügen.«
 

Der Abend brach über den Stadtteil Ikebukuro herein. Der Himmel war Sternenklar und doch war kein heller Schimmer des Mondes auszumachen. Es war Neumond und das hieß, dass sich der natürliche Satellit der Erde, von seiner dunklen Seite zeigte. Wie passend, denn auch Tokyo schien sich gerade von seiner dunklen Seite zeigen zu wollen. Trotz der späten Stunde tummelten sich noch unzählige Menschen auf den Straßen. Mitten unter den Einheimischen, mischten sich Touristen unter das Volk und begutachteten staunend die Läden und Lokalitäten, die nun öffneten. Darunter das neue Lokal von dem Ryo sprach. Eher beiläufig musterte Ichikawa den Laden von außen, durch die große Scheibe sah er einen dunklen breiten Schatten. Vermutlich der Hauseigene "Rausschmeißer". Innerlich wappnete sich der junge Mann für seinen ersten Auftrag seit langem, den er für sein Oberhaupt erledigte. Eigentlich eine ganz einfache Sache. Reingehen, begutachten, Informationen sammeln, Botschaft hinterlassen und raus. Soweit der Plan. Aber die Probleme würden schon beginnen, wenn der "Türsteher" seine Nase nicht gefiel. Der Schwarzhaarige hatte schon eine Weile beobachtet, welche Art "Besuch" dort hinein ging und er war erstaunt darüber, dass es zum größten Teil Anzugträger waren, in Begleitung ihrer Schränke von Bodyguards. Die mit einer dunklen Sonnenbrille und Waffen, die unübersehbare Falten im Sakko warfen, ausgestattet waren. Er musste schmunzeln, Sonnenbrillen im dunklen, also wenn das mal nicht typisch billig Mafia war. Yakuza für Arme.

Als ein weiterer älterer Mann, der Amerikaner zu sein schien, den Laden betrat, machte sich auch Ichikawa bereit. Er selbst trug ebenfalls einen dunkelblauen Anzug und ein weises legeres T-shirt dazu, bei sich trug er noch einen länglichen Gegenstand, der in eine Art Stoff eingewickelt war und dessen Tragegurt über seine linke Schulter hing. Wer sich auskannte, sah sofort um was es sich handelte. Es war etwas womit sich eigentlich jeder Japaner früher oder später konfrontiert sieht. Ein Katana. Also erfühlte auch er das typische Yakuza- Klischee. Japaner im dunkeln Anzug. Mit Katana bewaffnet, in einer mysteriösen Spelunke. Bei diesem Gedanken hätte er beinahe losgelacht. Nicht jeder Yakuza-clan legte so viel Wert auf Äußerlichkeiten. Gerade die modernen hielten es eher unauffälliger. Aber sein Oberhaupt gehörte noch zur alten Schule. Also hieß es Kleiderordnung einhalten.

Mit einem Selbstbewusstsein, welches jede Skala sprengte, schritt er schließlich auf die Tür des Lokals zu. Als er die erste Tür geöffnet hatte stand er einem wirklich … großen und … breiten Landsmann gegenüber, der ihn kritisch beäugte.

»Wohin Bubbi?«, fragte dieser ihn und musterte ihn noch einmal gründlich.

»Na dreimal darfst du raten.«, konterte Ichikawa und sah ihn eindringlich an. Da huschte der Blick des breitschultrigen Mannes noch Mal über den jungen Mann und haftete an den Gegenstand den er mit sich führte. Ichikawa sah es ihm deutlich an, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, doch zu seinem Erstaunen machte der Türsteher einen einladenden Schritt zurück und ließ in tatsächlich eintreten.

Das ging etwas zu leicht. Dachte dieser misstrauisch und ging ein paar vorsichtige Schritte hinein. Der Laden war erstaunlich voll, mit Leuten aller Altersgruppen. Auch schien von jedem Kontinent eine Person anwesend zu sein. Und so viele Ausländer in einem geschlossenen Raum zu sehen, nun … Er konnte sich besseres vorstellen. Er war kein Rassist, aber bei ihm schrillten nun einmal die Alarmglocken besonders laut, wenn sich Europäer oder Amerikaner in der Nähe befanden. Sich bewusst, dass ihn die Bodyguards kritisch musterten und jeden seiner Schritte verfolgten, suchte er sich einen Platz am Rande, und der Platz am Fenster bot sich gerade zu an.

Flüchtig ließ auch er seinen Blick durch den Raum wandern, er musste für seine Bestätigung nur einen von Tachibanas Leuten sehen. Denn erst dann, könnte er eine unmissverständliche Nachricht hinterlassen, doch es zeigte sich keiner. Das wunderte ihn doch ein wenig. Es saß kaum, da kam ein junger Mann auf ihn zu und fragte ihn, ob er etwas Spezielles bestellen möchte. Aus Höflichkeit bestellte er sich ein Sake und ließ den Blick erneut wandern. So langsam wurde er doch etwas stutzig, wie eine Mafiosi- Hochburg wirkte das nun wirklich nicht. Abgesehen von Schwarzenegger, der an der Tür Wache schob.

Leicht enttäuscht fuhr sein Blick nun aus dem Fenster und hinauf in den klaren Nachthimmel.

Kein Mond.

Ein gutes Zeichen.

Neumond war immer gut.

Der junge Halbjapaner, der es sich in dem Lokal bequem gemacht hatte, musterte nach wenigen Minuten, mit flüchtigem Blick, erneut die anderen Gäste. Dabei sprang ihn einer förmlich ins Auge. Es war ein schlanker, drahtig wirkender Mann mittleren Alters, mit etwas längerem fast schwarzem Haar. Sein schwarzer Anzug sah teuer aus und der Blick der sein Gesicht zierte, sprach Bände. Es war auch ohne die Tätowierung, auf seinem rechten Handrücken, mehr als offensichtlich, dass er einer von Tachibanas Leuten war. Die Person unterhielt sich im gedämpften Ton, mit einem seiner Begleiter. Allem Anschein nach, war er dazu beauftrag worden, den Laden am Laufen zu halten und dafür Sorge zu tragen, dass alles glatt lief. Doch ein weiteres Merkmal zog die Aufmerksamkeit des jungen Mannes auf sich. Dem Yakuza fehlte der kleine Finger der linken Hand. Interessant, demnach hatte der gute Mann mal einen weniger gut laufenden Tag gehabt. Der Schwarzhaarige vermutete nach dieser "Entdeckung", dass der Mann nur hier war um den Aufpasser zu mimen, damit sein letzter Fehler irgendwie wieder wett gemacht werde konnte. Vermutlich würde er bei der Nächsten Pleite, nicht nur einen Finger lassen müssen.

Dieser Gedanke entlockte Ichikawa ein leichtes Lächeln. Man sah einigen Yakuza sofort an, wie viel sie wert waren.

Nach wenigen Minuten, wank Ichikawa die Bedienung zu sich um zu zahlen. Anstand hatte er, da ließ er sich nicht lumpen. Als der Kellner nach einer leichten Verbeugung wieder ging, erhob sich der Halbjapaner langsam und bedächtig von seinem Platz und beschloss, es nicht unnötig in die Länge zu ziehen. In dieser Hinsicht, war er wirklich ungeduldig. Langsam schulterte er sein eingebundenes Katana und erweckte den Anschein gehen zu wollen. Um zu dem Ausgang zu gelangen musste er unmittelbar, an Tachibanas Gefolgsmann vorbei. Wie günstig.

Er befand sich nur noch wenige Schritte, von dem Mann entfernt, da beugte sich einer seiner Untergebenen zu ihm herunter und flüsterte ihn etwas zu. Dabei deutete er leicht in die Richtung des jungen Yakuza.

Als der Ältere Ichikawa plötzlich direkt ansah und einen wissenden Blick hatte, sah sich Ichikawa gezwungen noch schneller zu handeln. Da ein paar umherstehende bereits die Hände zu ihren Taschen führten.

Ach Mist. Soviel zum Thema subtil., dachte er leicht genervt und ließ fast Zeitgleich, wie einer der Bodyguards seinen Arm hob um eine Waffe abzufeuern, sein Katana von der Schulter gleiten. Mit einer geschmeidigen Bewegung, entledigte er sich der Tasche, aber beließ das Schwert, vorerst in der Scheide.

»Handle nicht überstürzt. Das wäre nicht gesund für dich.«, sagte Tachibanas Gefolgsmann in einem Ton, der unmissverständlich klar machte, dass er sich in der weitaus besseren Position befand. Oder es zumindest glaubte.

Doch das entlockte dem jungen Mann nicht einmal ein halbherziges Lächeln. Er war leider nicht der Geduldigste und sich verbal mit ihm auseinander zu setzten, darauf hatte er gleich gar keine Lust.

»Wir können es auf die nette, oder auf die harte Tour zu Ende bringen, Junge. Du entscheidest.«, sagte er und faltete die Hände.

»Ich bin niemand der es sich gerne einfach macht.«

»Du scheinst mir etwas zu jung zu sein, um derart dick aufzutragen.«

Nun schenkten auch die anderen Gäste, dem Spektakel ihre Aufmerksamkeit. Doch das war dem jungen Mann ziemlich egal. Er gehörte nicht zu der Sorte die sich einschüchtern ließ, nur weil er in der Minderheit war.

»Du gehörst auch nicht zu den Schlausten, oder?«, bemerkte ein Untergebener spöttisch.

»Weil?«, frug Ichikawa trocken.

»Du kommst doch wirklich, total altbacken, mit einem Schwert zu einer Konfrontation mit Schusswaffen.«, sagte da ein anderer belustigt und das brachte ihn mehrere Zustimmungen ein.

Da huschte ein schiefes Lächeln über Ichikawas Lippen.

»Du kannst gerne herausfinden, wie "altbacken" ich wirklich bin.«, bot er an.

»Kröte.«, knurrte da der Mann beleidigt.

»Na, jetzt hast du mich aber neugierig gemacht, Junge.«, sagte der Gefolgsmann, dem ein Finger fehlte und er gab mit einer knappen Handbewegung, seinen Untergebenen das Zeichen zur Attacke.

Dieser verlor keine Zeit und schritt sofort auf den jungen Mann zu. Als der Hüne sich bis auf einen Meter genähert hatte und doch wirklich auf den Letzten Drücker seine Pistole zog, hatte Ichikawa bereits einen Ausfallschritt auf ihn zu gemacht, zog nun das Katana aus der Scheide und schwang nur einmal Seitlich, von links nach rechts, seinen Schwertarm durch. Der Hüne sah nicht so aus, als hätte er realisiert was gerade passierte. Verwirrt sah er den Jüngeren an, als er einen Schritt zurück weichen wollte, schoss plötzlich dessen Blut aus einer langgezogenen Wunde, die sich quer über den Torso zog. Es war ein sauberer tiefer Schnitt. Fassungslosigkeit spiegelte sich im Blick des Mannes wieder, als er spürte, wie sich seine Organe verschoben und langsam ein wenig aus der Wunde traten. Das Blut färbte seinen Unterleib dunkel und es lief an seinen Beinen hinab, um sich unter seinen Füßen zu sammeln. Noch immer auf seine eigenen Gedärme starrend, taumelte er schließlich zurück und presste sich die Hände gegen die Wunde, als wolle er ein weiteres Austreten seiner Innereien verhindern.

Ichikawa selbst stand aufrecht, vor dem nun am Boden kauernden Mafiosi, der nur noch leise glucksende Geräusche von sich gab und mit letzten Kraftreserven panisch versuchte seinen Darm an Ort und Stelle zurück zu drücken.

Langsam wandte sich der Halbjapaner dem Gefolgsmann Tachibanas zu. Sein Blick und seine Aura hatten sich nun Grundsätzlich verändert. Er wirkte reservierter und ernster als zuvor und eine gewisse Gnadenlosigkeit sprach aus seiner Körperhaltung. Er machte sich nicht die Mühe, das Schwert zurück in die Scheide zu schieben. Es zeigte weiterhin mit der Spitze gen Boden und die Schwerkraft sorgte dafür, dass das Blut des anderen, langsam auf den Boden tropfte und dort ebenfalls ein kleines Fleck bildete.

»Das war unklug, Kleiner <.«, raunte der Mann mit den neun Fingern, finster.

Die Umherstehenden sahen allesamt recht überrascht aus, dass ein Greenhorn wie er in wenigen Sekunden, einen erfahrenen Yakuza tötete.

Wenn die wüssten, womit er eigentlich seine Brötchen verdiente … .

Drei weitere Untergebene machten einige Schritte auf ihn zu.

Und nun fing die Sache an interessant zu werden. Ein weiteres kühles Lächeln, huschte über Ichikawas Gesicht. Also konnte er die Nachricht, doch noch überbringen.
 

Die junge Schwarzhaarige, die zuvor in Begleitung ihres Kumpels unterwegs war, hatte beschlossen, die Gegend alleine zu erkunden. Der Stadtteil Ikebukuro bot immerhin ziemlich viel. Aber Taylor war einfach zu aufgedreht und ungeduldig. Also schlug sie vor, dass er am besten alleine loszog. Zuerst war er nicht sonderlich angetan von der Idee, doch als er die nächstbeste Karaokebar erblickte, waren seine Bedenken hinfällig geworden. Seitdem lief sie alleine in der Gegend herum. Obwohl man eigentlich jeder jungen Frau dringend davon abriet, alleine zu gewissen Zeiten in einer fremden Stadt umher zu wandeln, genoss sie die fast Menschleere Straße. Da fiel es ihr plötzlich auf ….

Menschenleer …? Prüfend sah sie sich um, sie befand sich doch tatsächlich in einer eher unscheinbar wirkenden Nebengasse, auf der kaum Publikumsverkehr herrschte. Sich fragend am Kopf kratzend, wie sie hier gelandet war, ging sie einfach weiter. Es gab immer irgendwo eine Hauptstraße, nach der man sich richten konnte. Und selbst wenn nicht, sie fand schon wieder zurück zu Taylor.

Wenige Meter weiter, war es soweit. Bunte Beleuchtung und einige dunkle Schatten, von Personen zeigten ihr, dass sie sich einer relativ belebten Straße näherte.

Als sie um die Ecke bog, fand sie sich aber nicht wie erwartet an einer Hauptstraße wieder und so viele Leute wie angenommen waren auch nicht unterwegs. Spielten ihre Sinne ihr einen Streich?

Sich genauer umblickend, blieb Jordan einen kurzen Moment stehen und orientierte sich neu. Doch vorerst, schweifte ihr Blick zum Himmel. Leicht enttäuscht und mit einem leichten Anflug von Unruhe, hielt sie Ausschau nach dem Mond. Doch sie wusste es besser. Es war Neumond und er würde sich heute nicht zeigen.

Schwer seufzend richtete sie ihren Blick wieder auf die Straße.

Der Neumond war in jedweder Hinsicht ein Neuanfang, so sagt man. Eigentlich müsste es sie beruhigen und trösten. Aber es beruhigte oder tröstete sie nicht im Geringsten.

Als sie sich ein weiteres Mal umsah war es als würde sich die Atmosphäre ändern. Die Straße wirkte plötzlich eigenartig verlassen und düster.

Schnellen Schrittes ging sie weiter, auch sie machten gewisse Dinge nervös und als die lauten Stimmen in ihre Ohren drangen und ihr ein sehr vertrauter Geruch in die Nase stieg, verstärkte sich das ungute Gefühl.

Gerade als es mit einem Schlag eigenartig still wurde, lauschte sie ein weiteres Mal angestrengt und in dem Moment, zersprang direkt neben ihr die große Scheibe, eines Lokals und ein Japaner mittleren Alters fiel ihr direkt vor die Füße. Als sein Körper quasi vor ihr mit einem Platschenden Geräusch gelandet war, sah sie in die vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen, die leer und leblos in den Mondlosen Himmel starten.

Der Typisch metallische Geruch von frischem Blut klebte ihr in der Nase und erfühlte die kühle Nachtluft. Täuschte sie sich, oder fehlte dem Mann die linke Hand? Denn da, wo bekanntlich das Handgelenk begann, befand sich nichts mehr. Sie schien sauber abgetrennt worden zu sein und das Blut floss aus der offenen Wunde. Jordan vermutete, dass er Mann bereits tot war, sonst würde der rote Lebenssaft weitaus mehr Sauerei anrichten.

Ein knirschendes Geräusch lenkte ihre Aufmerksamkeit in Richtung des Lokals. Die Scheibe war vollständig zerbrochen und auch innen sah es nicht besser aus. Einige verängstigte Leute kauerten in einer der hintersten Ecken, während weitere Körper verstreut wie Getreide, auf dem ehemals gelben Teppich, lagen. Ein junger Japaner schien gerade einen länglichen Gegenstand weg zu stecken.

Mit offenstehendem Mund, sah sie zu wie der Japaner in dem dunkelblauen Anzug, sich nach etwas bückte und es kurz beäugte, ehe er es unliebsam und gleichgültig aus dem kaputten Fenster warf. Erst als es vor ihr auf dem toten Mann gelandet war und von seinem Bein abprallte und liegen blieb, erkannte sie um was es sich dabei handelte.

Boar, nee. Jungs ihr seid so abartig. So etwas schmeißt man doch nicht rum. Dachte sie und verzog angeekelt das Gesicht. Es war die fehlende Hand. Aber selbst der Hand schien ein Finger zu fehlen.

Ihr Blick schwang zurück zu dem jungen Japaner der sich nicht die Mühe machte und die Tür benutzte sondern direkt aus dem Scheibenlosen Rahmen kletterte, in dem sich zuvor ein großes Fenster befand. Verunsichert und zu tiefst beunruhigt wich sie einige Schritte zurück. Es schien diesen Kerl nicht im Geringsten zu interessieren, dass er gerade vor einem gefühlten Dutzend Zeugen, einen Mord begann hatte. Was war das nur für ein Spinner?

Doch nun konnte sie einen genaueren Blick auf seine Waffe erhaschen und stellte mit Schrecken fest, dass es sich um eines dieser Japanischen Schwerter handelte.

Dieser Typ wird doch nicht so ein "Samurai" oder so was sein?, schoss es ihr durch den Kopf.

Und plötzlich trafen sich ihre Blicke. Er schien sie erst jetzt wahrzunehmen. Ihr fuhr ein Frösteln durch Mark und Bein, seine dunklen Augen brannten sich förmlich in sie hinein. Sie kannte diese Art Blick.

Und diese Tatsache beunruhigte sie noch mehr.



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