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Geisterhände

(OS für TUC)
von

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Geisterhände
 

Stumm fuhr sie hoch und bemerkte Stück für Stück, dass sie nur geträumt hatte.

Verzweifelt krallten sich ihre Hände in die weiße Bettwäsche, während sie spürte, wie Träne für Träne über ihre Wangen flossen und auf den hellen Stoff tropften.

Seit Tagen konnte sie nicht mehr gut schlafen, wobei sie nicht verstand warum sie erst nach Jahrzehnten, wenn nicht erst nach knappen hundert Jahren nun immer wieder die gleichen Bilder heimsuchten.
 

Hände, überall Hände, die versuchten sie zu erhaschen.

Abgehackte Hände, mit trockener, völlig brüchiger Haut, so als wären sie frisch über einem Feuer gedörrt worden.
 

Selbst jetzt, wo sie eindeutig wach war, glaubte sie wahrzunehmen, wie spröde Fingerkuppen über ihre Haut strichen.

Hastig beugte sie sich zu ihrem Schränkchen hinüber und wollte eben nach den Tabletten fischen, die sie nun seit Wochen in der Schublade aufbewahrte, da fiel ihr Blick auf ihr Handy.

Sie könnte ihn einfach anrufen, sagen, dass es ihr Leid tat, ihn um Verzeihung bitten.

Doch etwas in ihr wehrte sich dagegen.

Die Angst, die dunklen Augen geistig vor ihr zu sehen, wenn sie um Vergebung für den Wahnsinn und das Leid bitten würde.

Die Furcht, die Erinnerung an die hellen Narben auf der dunklen Haut in sich aufsteigend zu sehen und zu erkennen, auf welch grausame Weise sie ihn einst gezeichnet hatte.

Ein leichter Brechreiz kroch ihr sanft die Speiseröhre hoch, als sie an die Verletzungen dachte, die er immer noch trug.

Wie konnte sie es wagen, ihn nach all den Grausamkeiten, nach all den Ungerechtigkeiten, die ihr König und später ihr Land ihm angetan hatten, um Verzeihung zu bitten.

Hustend und würgend hielt sie sich die Hand vor dem Mund und grapschte mit der anderen nach ihrem Wasserglas, welches nach so vielen Nächten voller Alpträume, immer auf der Tischplatte bereits stand. Mit ein paar Schlucken bekämpfte sie erfolgreich den Wunsch sich zu übergeben und sortierte verwirrt ein paar blonde Strähnen aus dem, durch das Weinen verquollene Gesicht.

Warum holte sie die Vergangenheit nun ein?

Das Blut, das Leid, das Morden…

Es war schon seit langem aus dem Bewusstsein ihrer Kinder, wie auch ihrer Mitnationen verschwunden.

Niemand hob deswegen anklagend den Zeigefinger, noch wurde sie in einem Atemzug mit seinem Schicksal genannt.

Doch die Geister waren zu ihr zurückgekehrt und Nacht für Nacht suchten sie sie in ihren Träumen heim. Bestimmt drückte sie zwei Tabletten aus der Packung und schob sie sich in den Mund. Nach ein paar Schlucken Wasser, das nun einen schalen Geschmack auf ihrer Zunge zurück lies, legte sie sich wieder hin, aber bis der Schlaf sie, einem Knüppelschlag gleich niederstreckte, sah sie nur die dunklen Augen ihrer ehemaligen Kolonie Kongo vor sich, die sie anklagend, wie auch abschätzend musterten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Betagelesen von Sira_Cunningham Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2014-01-16T21:37:35+00:00 16.01.2014 22:37
Kommentarfieber

Erneut Hallo :3

Ich beginne wieder mit der Beschreibung und spreche dir heute wieder ein Lob aus. Deine Beschreibung erfüllt das, was eine Beschreibung erfüllen muss. Eine kleine und knappe Zusammenfassung der Geschichte und zusätzliche Infos, die der Leser eventuell gebrauchen könnte. Das gefällt mir sehr gut. Ein großes Lob an dich.

» Stumm fuhr sie hoch und bemerkte erst Stück für Stück, dass sie nur geträumt hatte. «
Auch hier würde ich, wie in "Narbenengel", entweder "erst + Zusatz" oder "Stück für Stück" schreiben.

»
Abgehackte Hände, mit trockener, völlig brüchiger Haut, so als wären sie frisch über einem Feuer gedörrt worden. «
Uhh~ Ich kann mir das gut vorstellen. So wie Trockenfleisch. Brr~ Gruselig.

Deine Geschichte hier gefällt mir wahnsinnig gut. Erst dachte ich, dass es richtig gruselig wird, aber es gleicht mehr einem Drama. Und ich liebe Dramen. Du hast die Situation und die Gefühle wirklich gut beschrieben. Man konnte die Schuldgefühle und den Stolz deutlich lesen. Selbst deine verschachtelten Sätze waren diesmal einfacher zu lesen.

Prima. Weiter so!
Wird man noch von dir erfahren, ob sie sich aussöhnen?

Liebe Schreibziehergrüße.
Frühlingsliebe ❤
Antwort von:  Sternenschwester
22.01.2014 15:04
Salute,

->Ich beginne wieder mit der Beschreibung und spreche dir heute wieder ein Lob aus. Deine Beschreibung erfüllt das, was eine Beschreibung erfüllen muss. Eine kleine und knappe Zusammenfassung der Geschichte und zusätzliche Infos, die der Leser eventuell gebrauchen könnte. Das gefällt mir sehr gut. Ein großes Lob an dich.<-
Nun ja Stück für Stück hebe ich dieses Defizit auf^^°…

Fehler sollten behoben sein.

->Deine Geschichte hier gefällt mir wahnsinnig gut. Erst dachte ich, dass es richtig gruselig wird, aber es gleicht mehr einem Drama. Und ich liebe Dramen. Du hast die Situation und die Gefühle wirklich gut beschrieben. Man konnte die Schuldgefühle und den Stolz deutlich lesen. Selbst deine verschachtelten Sätze waren diesmal einfacher zu lesen. <-
War nun mal wie so oft eine Verarbeitung von Doku und gerade dieses Thema liegt mir wegen seiner Schwere sehr am Herzen.

->Wird man noch von dir erfahren, ob sie sich aussöhnen?<-
Nun ja soweit ich weiß hat sich Belgien nie für die Gräueltat entschuldigt und die Beziehungen sind soweit ich weiß noch immer sehr angespannt. Zudem diese Thematik aus dem kollektiven Bewusstsein in Europa verschwunden ist.
Aber fein das ich offenbar für die Thematik Interesse wach gerufen habe^^.

Lg, Sternenschwester
Von: abgemeldet
2014-01-03T12:26:47+00:00 03.01.2014 13:26
~ Kommentarfieber ~

Hallo,
da bin ich schon wieder. Wie man, diesmal in der Kurzbeschreibung, erfährt, geht es hier um ein ernsteres Thema und ich bin sehr gespannt auf deine Umsetzung, hast du mich doch bisher eher zum Schmunzeln gebracht.

Stumm fuhr sie hoch und bemerkte erst Stück für Stück, dass sie nur geträumt hatte.
Das wird sich vermutlich um Geschmackssache handeln, aber ich finde "nach und nach" angenehmer, um etwas zu bemerken, als "Stück für Stück". Mit letzterem verbinde ich einfach eine andere Assoziation, aber das ist natürlich nur eine Anmerkung und keine Verbesserung. ;)

Seit Tagen konnte sie nicht mehr gut schlafen, wobei sie nicht verstand warum sie erst nach Jahrzehnten, wenn nicht erst nach knappen hundert Jahren nun immer wieder die gleichen Bilder heimsuchten.
Diesem Mammutsatz gehlen Kommas, glaube ich. Zum Beispiel nach "verstand", "Jahren". Sicher bin ich da aber nicht. Jedoch wäre meine Empfehlung, aus diesem langgezogenen Satz mehrere zu machen, da dann der Erzählfluss auch besser fließen kann. Empfinde ich zumindest so.

Ein leichter Brechreiz kroch ihr sanft die Speiseröhre hoch,
Liegt wahrscheinlich an mir, aber ist "sanft" eine gute Beschreibung für einen kriechenden Brechreiz? Wenn er sanft wäre, würde er ja nicht stören und ich empfinde ihn mehr als störend, wenn ich darunter leide.

Ein wenig hatte ich diesmal das Problem, Gefühle und Gedanken zuzuordnen. Wahrscheinlich, weil ich von den Ländern nicht viel Ahnung habe, von Geschichte oder Geografie. Aber ich fand es im vorherigen OS, den ich von dir las, nachvollziehbar.
Vielleicht hätte, gerade wegen des ernsten Themas, hier ein wenig mehr Umschreibung und Aufklärung Platz finden sollen.
An sich finde ich aber wieder, dass du deine Idee gut umgesetzt hast.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet
Von:  konohayuki
2014-01-02T00:52:35+00:00 02.01.2014 01:52
~Kommentarfieber~

Ein ernstes Thema, welches du hier in deinem One-Shot verarbeitet hast.
Die Panik kommt gut rüber, man weiß direkt, dass das, was sie geträumt hat, für sie die Hölle ist.

>Hände, überall Hände, die versuchten sie zu erhaschen.<
Erhaschen ist hier zwar richtig, mag aber für mich nicht so ganz stimmig klingen. Für mich ist erhaschen immer mit erblicken verbunden, in diesem Kontext würde ich dazu tendieren das Wort "ergreifen" zu benutzen.

>Die Frucht, die Erinnerung an die hellen Narben auf der dunklen Haut in sich aufsteigend zu sehen und zu erkennen, auf welch grausame Weise sie ihn einst gezeichnet hatte.<
Da hat sich ein kleiner Tippfehler eingeschlichen, ich gehe mal davon aus, dass es "Die Furcht" hätte heißen sollen. Belgiens Zwiespalt ist sehr gut dargestellt, man merkt, dass ihr Leid tut, was sie getan hat und das sie sich der Grausamkeit dessen sehr bewusst ist, und trotzdem ist sie nicht in der Lage, sich genau diesen Gefühlen zu stellen oder gar demjenigen, der den Hauptteil der Schmerzen und des Leides getragen hat.

>[...]legte sie sich wieder hin, aber bis der Schlaf sie, einem Knüppelschlag gleich niederstreckte[...]<
Den Vergleich finde ich hier nicht so gut gelungen. Der Knüppelschlag passt für mich einfach nicht. Das klingt so, als würde sie von einem auf den anderen Moment einschlafen, ich habe jedoch das Gefühl, dass sie in der Situation noch lange wach liegt und sich sehnlichst den Schlaf herbeisehnt, der aber nicht kommen will.

Ich weiß gar nicht, was ich groß schreiben soll, da das Thema durchaus ein schweres ist, und du es meiner Meinung nach gut umgesetzt hast. Belgiens Sicht wird sehr deutlich und bei mir hat die Geschichte Eindruck hinterlassen.

Liebe Schreibziehergrüße,

konohayuki
Antwort von:  Sternenschwester
09.01.2014 22:57
Salute,
Na dann möchte ich langsam die fehlenden Antworten abbauen^^...

->Ein ernstes Thema, welches du hier in deinem One-Shot verarbeitet hast.
Die Panik kommt gut rüber, man weiß direkt, dass das, was sie geträumt hat, für sie die Hölle ist.

Mhm wie schon erwähnt war dieser Os eine spontane Verarbeitung der zwei erwähnten Dokus und eben die Symbolik der Hände hat mich dabei sehr inspiriert.

->> Hände, überall Hände, die versuchten sie zu erhaschen.<
Erhaschen ist hier zwar richtig, mag aber für mich nicht so ganz stimmig klingen. Für mich ist erhaschen immer mit erblicken verbunden, in diesem Kontext würde ich dazu tendieren das Wort "ergreifen" zu benutzen.<-

Nun erhaschen wird bei uns vor allem mit eben man hat versucht es zu ergreifen benutzt, weswegen ich mich einst für dieses Verb entschieden habe.

->> Die Frucht, die Erinnerung an die hellen Narben auf der dunklen Haut in sich aufsteigend zu sehen und zu erkennen, auf welch grausame Weise sie ihn einst gezeichnet hatte.<
Da hat sich ein kleiner Tippfehler eingeschlichen, ich gehe mal davon aus, dass es "Die Furcht" hätte heißen sollen. Belgiens Zwiespalt ist sehr gut dargestellt, man merkt, dass ihr Leid tut, was sie getan hat und das sie sich der Grausamkeit dessen sehr bewusst ist, und trotzdem ist sie nicht in der Lage, sich genau diesen Gefühlen zu stellen oder gar demjenigen, der den Hauptteil der Schmerzen und des Leides getragen hat. <-

Tippfehler behoben, danke dafür^^


->> [...]legte sie sich wieder hin, aber bis der Schlaf sie, einem Knüppelschlag gleich niederstreckte[...]<
Den Vergleich finde ich hier nicht so gut gelungen. Der Knüppelschlag passt für mich einfach nicht. Das klingt so, als würde sie von einem auf den anderen Moment einschlafen, ich habe jedoch das Gefühl, dass sie in der Situation noch lange wach liegt und sich sehnlichst den Schlaf herbeisehnt, der aber nicht kommen will.<-

Nun es war eher ein Hinweis auf die radikale Wirkung der Schlaftabletten^_-

->Ich weiß gar nicht, was ich groß schreiben soll, da das Thema durchaus ein schweres ist, und du es meiner Meinung nach gut umgesetzt hast. Belgiens Sicht wird sehr deutlich und bei mir hat die Geschichte Eindruck hinterlassen.<-

Fein das der historische Kontext erfasst wurde und es was beim Lesen ausgelst hat… das ist für mich das höchste Lob^^.

Danke für das Kommi!

Lg,Sternenschwester




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