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Ein Traum aus Asche

Denn Blut ist auch dicker als Lyrium [Fenders]
von

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Hängen und gehängt werden

Es gab schon mehrere Situationen in Anders‘ Leben, in denen er die Hüfte von jemandem umklammert hatte.

Prägnant war da die liebgewonnene Erinnerung, wie er sich mit vierzehn einen Ringkampf mit einem älteren Novizen auf dem Boden der Schlafsäle geliefert hatte, weil ebenjener eine sehr schwach untermauerte These zur Verbreitung von Inzucht und Perversion in Anderfels zum Besten gegeben hatte. Anders hatte übrigens gewonnen, und wären Templer nicht ein so notorisch spaßloses Pack, hätte er auch noch eine formelle Entschuldigung aus dem Kerl herausprügeln können.

Als er erwachsen und erheblich mehr verdorben war als damals, hatte er Velanna Kraft seiner neugewonnenen Vernunft zurückgehalten, als sie dasselbe (oder Schlimmeres) mit einem Söldner tun wollte, der ihr an den Hintern gegriffen hatte – auch wenn diese Tat der Einsicht von ihm verlangt hatte, sich über den ganzen Tisch zu werfen und seine Robe mit Eintopf zu tränken, um die Dalish noch zu erwischen. Velanna hatte Verständnis für sein zeitgemäßes und besonnenes Einschreiten gehabt und ihm zum Dank mit dem Ellbogen die Nase gebrochen. Ohne dabei hinzusehen, und das war vielleicht das einzige Mal, das er Nathaniel jemals lachen gehört hatte. Leider war Anders selbst immer noch nicht so weit, es lustig zu finden.

Dann gab es natürlich noch solche Griffe der weniger brutalen Art, und wenn man Anders‘ Reputation glauben durfte, reichten seine intimen Eskapaden für ein ganzes Fresko in der berüchtigten ‚Perle‘ in Denerim. Und hätten es auch verdient, nebenbei.

Es gab eine Menge Personen, bei denen er sich hätte vorstellen können, sie ebenfalls zu dieser Liste hinzuzufügen.

Fenris gehörte nicht dazu.

Und doch fand Anders sich jäh in dieser Situation wieder, und der Elf stieß ein angestrengtes, grollendes Stöhnen aus. Anders umschlang ihn so fest, als hinge sein Leben davon ab.

Nun, das mochte daran liegen, dass es wirklich davon abhing. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

Fenis presste einen hässlichen Fluch auf Tevene heraus, von dem Anders nur die Hälfte übersetzen konnte, aber wenn es noch genug Atem zum Fluchen gab, konnte es nicht so schlimm um sie bestellt sein. Anders atmete flach und spürte das Gewicht an seinem linken Unterschenkel, wo sich Krallen panisch durch das dicke Leder seines Stiefels gruben, spürte das Reißen seiner Muskeln, spürte die entsetzliche Tiefe unter sich. Weit, weit unter ihnen brandeten die Wellen des Wachen Meeres mit zermalmender Gewalt gegen die Klippen. Klippen, an denen bereits ganze Galeonen zerschellt waren, und Körpern aus Fleisch und Blut würde es höchstwahrscheinlich nicht besser ergehen.

Und alles, was sie davon abhielt, war eine verdammte Qunari-Axt, die unter einen salzzerfressenen Stützbalken einer uralten und sinnlos in den Himmel führenden Brücke gehakt war. Fenris krallte sich am Griff seiner Waffe fest, die Anstrengung ließ die Stränge zäher Muskeln unter seiner olivfarbenen Haut hervortreten. Zum ersten Mal fand Anders sie wesentlich interessanter als die verschlungenen Bahnen von Lyrium. Und erheblich nützlicher.

„Das ist alles… Eure Schuld, Magier“, spuckte der Elf, auch wenn sein mörderischer Unterton dadurch gebremst wurde, dass er nach Atem schnappte. Anders spürte das Hämmern seines Herzens selbst durch das silbrige Metall des Brustpanzers, ein stures Pumpen.

Wäre er nicht gerade darauf angewiesen, sich irgendwie an Fenris‘ zu diesem Zweck nicht entwickeltem Gürtel und seinen typisch männlich-schmalen Hüften festzuklammern, hätte Anders ihm eingehend unter die Nase gerieben, dass es ihn einen Scheiß interessierte, denn Fenris waren gerade wortwörtlich die Hände gebunden, ihn dafür zu zerfleischen.

Warum fielen ihm diese schönen Kalauer eigentlich erst dann ein, wenn ihn ein kurzer Fall vom Verrecken trennte?!

Zu allem Überfluss hatte er seinen Stab verloren, versunken in der schäumenden Gischt unter ihnen. Anders argwöhnte, dass er entweder schwer hellseherisch oder schwer betrunken gewesen war, als er das Ding Ruf der Freiheit genannt hatte. Ausnahmsweise hatte er so gar keine Lust, diesem Ruf zu folgen.

„Halt durch“, knurrte er und grub seine Finger in den Gurt, der Fenris‘ Brustpanzer an seinem Rücken festschnallte. Und meinte damit nicht sein lebendiges Haltetau, sondern das Bündel nassen Fells, das sich unter anklagendem Miauen an seinen Stiefel genagelt hatte.

Fenris holte rasselnd Atem, und Anders machte den Fehler, aufzuschauen. Der Krieger war schweißüberströmt, und die Glieder seiner Kettenhandschuhe begannen, seine schwieligen Finger aufzureißen. Blut sickerte zwischen ihnen hervor und machte den Griff der Axt noch glitschiger.

Es war extrem besorgniserregend, dass Fenris ihn nicht einfach abgeschüttelt hatte wie einen optimistischen Kanarienvogel. Denn es bedeutete nicht, dass der Elf plötzlich seine Liebe zu Anders entdeckt hatte oder wenigstens ausnahmsweise mal jemand Anderem außer sich selbst den Arsch retten wollte – sondern dass er es nicht konnte, ohne selbst abzurutschen. Anders traute Fenris nicht weiter, als er den Elf werfen konnte (samt seiner dämlichen Axt, für die er plötzlich dankbarer war als jemals zuvor). Aber er traute den Überlebensinstinkten eines ehemaligen Sklaven, der einen mörderischen Dschungel überlebt hatte.

Etwas musste geschehen. Vorzugsweise, bevor sie in Hass vereint in einen schaumigen Tod stürzten.

„Ich brauche… meine Hände frei.“ Es kostete Anders Mühe, gegen die Trockenheit in seiner Kehle anzusprechen. Vielleicht riss der heulende Wind ihm die Worte von den Lippen, aber… Andraste sei gedankt für die langen Ohren von Elfen.

Das gutturale Knurren verschaffte ihm eine genaue Ahnung davon, was Fenris darüber dachte. Zwischen diesen langen Ohren befand sich nämlich das Solidaritätsdenken einer Seepocke.

„Schlingt Eure verdammten Beine um mich, Mann!“ Anders spürte, wie Schweiß seine Finger glitschig machte. Er konnte sich nicht lange halten, und auch wenn Fenris für einen reaktionären Granitschädel beschissen stark war, das Gewicht von zwei Körpern und eines fetten Fellknäuels überstieg auch seine Kräfte.

Er würde es nicht einsehen. Offenbar zerplatzte er lieber wie ein rohes Ei da unten, als sich von Magie retten zu lassen. Anders schloss die Augen und keuchte sämtliche Verwünschungen in sämtlichen Sprachen, die er kannte. Schien ihm eine gute Art zu sterben – fluchend und in inniger Umklammerung mit der Person, die er vielleicht nicht am meisten auf der Welt hasste, aber die nur gegen die Konkurrenz verloren hatte. Knapp.

Plötzlich schlossen sich schlanke schwarze Beine um seinen Brustkorb und pressten den Atem heraus, sodass der Strom an Flüchen mit einem ungrazilen ‚Uff!‘ endete. Wer auch immer Fenris‘ Bett teilte, man konnte ihn oder sie sicherlich daran erkennen, dass am nächsten Morgen alle Rippen gebrochen waren.

Anders lockerte seine Finger und rutschte ein erschreckend großes Stück ab, seine Robe schrammte gegen den Panzer, und er musste alle Selbstbeherrschung aufbieten, um sich nicht wieder festzuklammern. Fenris‘ nackte Zehen gruben sich in seinen Rücken, und seine Oberschenkel zitterten, als der Elf alles aufbot, was er sich noch abverlangen konnte. An diesem Punkt war es vermutlich nicht mehr Muskel-, sondern Willenskraft.

Anders zwang sich, die Magie zu rufen, sie durch seinen Geist fließen zu lassen, auch wenn jeder panische Gedanke sie zu blockieren versuchte. Es war nicht, wie einen Oger mit gesenkten Hörnern auf sich zustürmen zu sehen. Das war nicht die Hitze des Gefechts.

Es war eher: Wenn du nicht in den nächsten zwei Herzschlägen das bisschen Elementarmagie zusammenkratzt, was du hast, wirst du so krepieren, wie Oghren es immer gesagt hat: mit dem Gesicht im Schritt eines anderen Kerls und deinen Röcken über’m Kopf. Dürfte Spaß machen, Anders.

Die Magie antwortete ihm. Aber nicht nur sie. Fenris‘ Male glommen auf wie ein Netzwerk giftiger Ranken, das einen tosenden Strom Lyrium in die Ordnung von Anders‘ Zauber rammte.

Anders konnte nicht einmal schreien, als die schiere Wucht sie in die Tiefe riss.

Ein Kommandant zum Verzweifeln

Monate zuvor…

 

„Es ist geschlossen!“

Eine Klinik war nie wirklich geschlossen, aber Anders hatte begonnen, vorsichtiger zu sein. Nichts provozierte Templer so sehr zum Eintreten einer Tür, als wenn man vorgab, nicht da zu sein. Diejenigen, die seine Dienste als Heiler benötigten, kannten das Klopfzeichen.

Bitte nicht noch ein Fereldener mit einem Nierenriss. Anders war noch dabei, die Abschiedsgeschenke des Letzten von seinem Boden zu schrubben, und ganz davon ab war es nach Mitternacht. Er hatte mit der Idee kokettiert, demnächst ein wenig Schlaf zu bekommen, bevor Gerechtigkeit sich wie ein Skalpell in seine Gedanken bohrte und ihn erneut aufstehen ließ.

Jemand klopfte zwei Mal zart mit dem Fingerknöchel. Anders wischte sich mit dem Ärmel über die vor Müdigkeit brennenden Augen und warf den Lappen auf die splittrigen Dielen, die nur marginal sauberer waren als zuvor. „Ich sagte, es ist geschlossen!“

„Ich weiß. Du solltest in bessere Schlösser investieren – die Bezeichnung ‚geschlossen‘ ist kaum angemessen.“

Wie groß war die Chance, dass er einem Wachtraum erlegen war und seine Wahnvorstellung verging, wenn er sich einfach nicht umdrehte? Anders spürte, wie sein Nacken kribbelte. „In exakt drei Sekunden werde ich einen Feuerball beschwören.“

„Der diesen Bretterverschlag über deinem Kopf verbrennen würde. Seltsamerweise bin ich kaum erfreut, dass du immer noch theatralisch bist, Anders.“

Nein, es war kein Wahn. Anders spürte ein kurzes Aufflammen von Freude, das nicht zu ihm gehörte – sein eigenes Empfinden ging nicht in diese Richtung. Schon gar nicht, als er sich mit der Eleganz eines alten Mannes von den Knien auf die Beine mühte und seine Kniescheiben dabei hörbar knirschten. „Nate“, stellte er verdrossen fest. „Welch sauertöpfischer Glanz in meiner Krankenstation. Du kannst dich gern von mir untersuchen lassen, aber ich werde keinen Sinn für Humor bei dir feststellen können.“

Nathaniel Howe zeigte sich üblich vollkommen unbeeindruckt von der Begrüßung. Anders musste widerwillig zugeben, dass er hoheitsvoll wirkte, der Inbegriff eines Grauen Wächters: hoch aufgerichtet und stolz, nüchtern, mit glänzendem Wappen und bis an die Zähne bewaffnet. Er hatte immer noch diesen lächerlichen Bartflaum unter der Unterlippe und das Lächeln hatte er nach wie vor nicht gelernt, aber er bot einen durchaus erhabenen Anblick. Im Gegensatz zu seinem ehemaligen Waffenbruder, der auch im Stehen so aussah, wie Merrill ihn beschrieb: hager und zerrupft wie ein Vogel in der Mauser.

Kaum zu glauben, dass sie das nicht böse meinte.

„Gerechtigkeit ist bei dir?“ Nathaniel klang, als bezweifelte er das angesichts seiner Umgebung. Anders biss die Zähne zusammen.

„Natürlich. Aber dein zartes Stimmchen lockt ihn wohl nicht hinterm Ofen hervor.“ Tatsächlich spürte er das Zupfen an seinem Bewusstsein, als versuchte etwas, seine Gedanken hinabzusaugen. Es war noch nicht so stark, dass er es nicht hätte abwehren können, trotzdem ließ seine Konzentration nach. Wenn er es nicht in den Griff bekam, verlor er die Kontrolle über die Situation.

Falls er die überhaupt hatte.

Nathaniels Augenbrauen zogen sich unheilvoll zusammen. Zweifellos gab es dringendere Angelegenheiten, die ihn hierher bemüht hatten, und Zuneigung zu seinem ehemaligen Waffenbruder war wohl keine davon. Sollte Anders das in einem Anfall von Bewusstseinstrübung geglaubt haben, verflüchtigte sich das mit Nathaniels kühler Stimme.

„Ich habe Stroud getroffen.“

„Glückwunsch! Dann hat er dir sicherlich von seinem neuen Rekruten vorgeschwärmt – Carver ist ein wahres Goldstück, du wirst ihn lieben. Ihr könnt intensive Gespräche über Humorlosigkeit und Dauerschmollen führen.“

Nathaniel ließ sich bedauerlicherweise nicht von Anders‘ ätzendem Tonfall ablenken, und offensichtlich war er ärgerlich genug, um auch die Kritik an sich abperlen zu lassen. Anders wusste, warum er erleichtert gewesen war, als Hawke ihn nicht dazu gedrängt hatte, ein zweites Mal in die Tiefen Wege zu gehen, um den verlorenen Howe zu suchen. Obwohl er das Recht dazu gehabt hätte. Stattdessen hatte er riskiert, weitere seiner Gefährten und auch sich selbst mit der Verderbnis zu infizieren.

Anders schluckte leise und sammelte den Lappen auf.

„Er sagte, der Thaig sei, obwohl der Zugang geheim ist, Ziel einer Expedition von Händlern gewesen. Dein Freund Hawke hatte Karten. Wächter-Karten.“ Nathaniels Stimme war kalt und hart wie eine Eisscherbe. „Was, bei den verfaulenden Gebeinen des Erzdämons, habt ihr euch gedacht?“

Gerechtigkeit hatte ihm nicht widersprochen, als Anders den Entschluss gefasst hatte, mit den Karten zu verhandeln. Wo der Geist die Befreiung eines weiteren Unterdrückten gesehen hatte, hatte Anders gehofft, Karl retten zu können. Und die einzige Rettung hatte in einem Messerstich bestanden. Der Schmerz wühlte hartnäckig in seiner Brust und vertrieb die Müdigkeit. Selbst Gerechtigkeits Drängen trat zurück, und Anders schmeckte etwas Bitteres im Mund.

„Nichts“, sagte er leise. „Gar nichts. Lass mich in Ruhe.“

„Nachdem du uns glauben ließest, du seist tot? Genau wie Gerechtigkeit?“ Falls Nathaniel diese Bitterkeit bemerkte, war er nicht gewillt, sie zu tolerieren. „Wir haben eure Leichen bestattet, oder das, was so verbrannt war, dass wir es dafür hielten. Dein Name steht auf einer Gedenktafel in Vigils Wacht – stattdessen bist du davongerannt! Von wenigstens einem von euch hätte ich Besseres erwartet.“

„Geschieht euch recht. Ihr habt mir meine Katze weggenommen“, erwiderte Anders betont lapidar und goss das Putzwasser in einen Abfluss, dessen Gestank den Einsatz von Riechsalz völlig ersetzte. Und Brechmittel übrigens auch.

Es wäre fair, zornig zu sein und Anders mit einem Kinnhaken niederzustrecken, ihn anzubrüllen und Waffen zu ziehen, damit das hier den angemessen hässlichen Ausgang nahm. Ihn in der Luft zu zerreißen, weil er den Kodex der Wächter durch den Dreck zog, weil er die Ehre verlor, die er zweifelhaft damit errungen hatte, vergiftetes Blut zu trinken und neben Verbrechern, Säufern und Blutmagiern irgendwie redlich auszusehen. Dahinter gab es eine Welt von Schmerz, Enttäuschung und Nichtbegreifen, die sich in Zorn entladen musste.

Aber nicht Nathaniel. Das Schreckliche an ihm war, dass er viel zu fantasielos war, um die Beherrschung zu verlieren. Er verfiel nicht in Raserei, und er zielte mit Worten so gut wie mit Pfeilen. Vielleicht musste man seine Ehre dafür erst mal gründlich verlieren, um jetzt ruhig zu bleiben.

„Anders.“

Nathaniels Stimme war erstaunlich sanft. Nicht wirklich sanft, doch sie enthielt nicht den schneidenden Vorwurf, mit dem Anders gerechnet hatte, und an den Kanten war sie ein bisschen weich.

„Du kannst nicht beschließen, dass du kein Wächter mehr bist. Du hast einen Eid geschworen. Und du gehörst zu uns.“

Anders zuckte steif mit den Schultern. „Gerechtigkeit ist kein Wächter. Ich bin jetzt zur Hälfte autonom.“

„Du wirst mit mir zurückkehren.“ Nathaniel war unnachgiebig und vollkommen ruhig. „Die Festung braucht einen Geistheiler. Es gibt keinen mehr, erst recht niemanden von deinem Talent.“ Aus seinem Mund war das kein Kompliment, sondern eine Anklage, wie er seine Zeit überhaupt mit Flüchtlingen vertrödeln konnte.

Anders schloss die Augen und spürte die Erschöpfung tief in seinen Knochen. Er wusste nicht, wann er schlief; oder ob er schlief, wenn vielleicht Gerechtigkeit seinen Körper führte und ihm keine Ruhe gönnte. Er wusste nicht, ob er seit seiner Ankunft in Kirkwall jemals nicht müde gewesen war. „Zurück ist Amaranthine. Der Kommandant hat es niederbrennen lassen, er hat Unschuldige ausgemerzt wie Ungeziefer und Fackeln auf die Dächer werfen lassen, damit sie einstürzen und alles Lebendige begraben, während er dem Schreien den Rücken gekehrt hat. Verletzte, Frauen und Kinder, die ihn kannten und auf ihn gehofft haben wie auf Andraste höchstpersönlich. Die Grauen Wächter haben sie eingeäschert, anstatt sie zu retten, weil es den Aufwand nicht wert war… Du erwartest, dass die Menschen das vergessen? Dass ich das vergesse?“

Nathaniel betrachtete ihn gelassen, beinahe geduldig. Die Falte zwischen seinen Brauen war noch da, und seine Mundwinkel beschrieben einen kleinen Bogen nach unten, aber seiner Stimme fehlte die Verachtung. „Es gab keine richtige Entscheidung. Du weißt, dass er Amaranthine den Rücken kehrte, um Vigils Wacht zur Hilfe zu eilen – auch dir. Ich vertraute seiner Entscheidung, obwohl ich nicht wusste, ob meine Schwester rechtzeitig geflohen war.“ Aus seinen Worten sprach eine Unbeirrbarkeit, die Gerechtigkeit an ihm respektierte und die Anders fast befremdete. Er wusste nicht, ob er Nathaniel beneiden oder fürchten sollte.

„Es ist möglich. Es ist nicht einfach, es ist eine Herausforderung, doch das kannst du nicht anders erwartet haben.“ Nathaniel verschränkte die Arme mit einem leisen Schaben seiner Schulterplatten.

„Ich habe Hawke meine Hilfe versprochen.“

Anders glaubte, einen Funken Genugtuung in Nathaniels hellbraunen Augen zu sehen, was er zögerlich auf seine Müdigkeit schob. Eine Gemütsregung, die nicht ins Mürrische ging, war bei dem anderen Mann kein gutes Zeichen.

„Garrett Hawke ist nicht dein Vorgesetzter – ich bin Kommandant von Vigils Wacht.“

Oh, hurra. Anders grunzte abfällig. Seine Beziehung zu Autoritäten war schon immer mies gewesen. „Wirklich? Toll. Das sollten wir feiern. Im Gehängten Mann? Ich würde dich unter den Tisch trinken, wenn’s mir erlaubt wäre.“

Als Antwort musterte Nathaniel ihn leidenschaftslos. Kaum sichtbar bildeten sich kleine Falten an seinen Augenwinkeln, Sendboten der Nate-Art des Lächelns. Diesmal war es vielleicht auch eine optische Täuschung. „Was ist mit deinem Ohrring passiert?“

Autsch. Stirb auf einem Scheiterhaufen, Howe.

„Verkauft. Nicht gerade rosige Zeiten, weißt du? Oder wüsstest du, wenn du nicht Kommandant wärst. Heißt jetzt Lord Howe, Messere Howe für mich, oder doch eher ‚erlauchtigster Hochwohlgeboren der da steht in meiner bescheidenen Klinik und mir verdammt noch mal auf den Sack geht‘?“ Anders wedelte mit der Hand, als wollte er eine besonders aufdringliche Fliege verscheuchen. Solange er sich einredete, dass es auch so war, konnte er sich weniger mit dem Schlamassel beschäftigen, in dem er steckte.

„Kommandant Howe.“ Nathaniel war außerdem resistent gegen Sarkasmus. „Und dieser lächerliche Aufzug?“

Diesmal sträubte sich Anders geradezu das Fell, um nicht zu sagen die Federn. „Wenn du gekommen bist, um mit mir Modefragen zu erörtern, können wir das gern zu einer weniger perversen Zeit tun – es ehrt mich, dass du deinen Arsch extra hierhergeschleift hast, damit wir zusammen über zauberhafte Stiefel plaudern können wie zwei Laienschwestern!“

„Befleißige dich einer weniger auffälligen Garderobe.“ Die Kunst von Nathaniels Gedankensprüngen war unangefochten. Nur sein Gehabe war offensichtlich konstant. Anders funkelte ihn gereizt an. „Wenn du mich auffällig findest, solltest du Hawkes Freunde gar nicht erst kennen lernen. Es spielt keine Rolle. Ich gehe nicht zurück nach Amaranthine, ich habe hier zu tun.“

Ein würgendes Kichern kämpfte sich aus seiner Kehle, bevor Anders es herunterschlucken konnte. „Du weißt, dass ich feige bin, also musst du den Ersten Wächter nicht davon überzeugen. Niemand außer dir und Stroud weiß, dass ich noch lebe.“

„Und Carver Hawke.“ Es sollte nicht wehtun, dass Nathaniel ihm nicht dabei widersprach, ein Feigling zu sein, aber es tat es trotzdem. Der glorreiche Kommandant von Vigils Wacht sowie rehabilitierter Spross des mächtigen brontoknutschenden-Bastard-Rendon-Howe musterte Anders leidenschaftslos und in etwa so, als hätte dieser nichts gesagt, was gefährlich mit Eidbruch konkurrierte. Falls es nicht genügte, ein Deserteur zu sein.

„Ich erwarte, dass du in ein paar Tagen bereit bist, alles Weitere erfährst du zeitnah. Ich habe für Lyrium gesorgt, alles Andere musst du beschaffen.“ Mit einer knappen Handbewegung schnitt Nathaniel einen Einwand ab, den Anders noch nicht einmal ausgesprochen hatte. „Ich habe die Klinik analysiert, die Patientenzahlen sind stark rückläufig, die regelmäßigen Besucher von der Sorte, bei der er es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie nach einer Messerstecherei nicht rechtzeitig hergebracht werden. Alles Weitere sind Huren und Schmuggler, denen auch kostenpflichtige Alternativen offenstehen.“

Anders knirschte mit den Zähnen. „Wie lange hast du… Nein, du hättest mich nie so lange beschatten lassen, dafür nimmst du dich zu wichtig. Wer hat es dir verraten?“

„Fereldaner halten zusammen.“ Die Note von Selbstgefälligkeit war nur für jemanden zu erkennen, der Nathaniel kannte. Verdammt, fühlte der Kerl sich wohl in seiner Rolle. Anders fragte sich, wo Isabela mit ihren spontanen Überfällen von höchster Dringlichkeit war, wenn er sie mal höchst dringlich brauchte. Es musste doch in Kirkwall noch ein paar Geschlechtskrankheiten geben, die sie sich noch nicht zugezogen hatte!

„Du hast Lirene gegen mich aufgehetzt“, murmelte Anders tonlos. Ausgerechnet sie – er hatte einfach Pech mit Frauen.

Nathaniel ließ seine Augenbraue ein winziges Stück rucken. „Ich sprach von Carver.“

Mittlerweile wäre er sogar dankbar, wenn Fenris hier hereingestampft käme. Außer dass der Elf ihn niemals hier aufsuchte, wo sie allein waren – vielleicht um nicht in Versuchung zu kommen, ihm doch die Gedärme aus sämtlichen Körperöffnungen zu ziehen.

Anders stützte sich auf seinen Behandlungstisch und blinzelte gegen das erschöpfte Brennen in seinen Augen an. „Nate, ganz unter uns: wenn du dir nicht aus dem Kopf schlägst, mich mitzunehmen, werde ich dich trotzdem niemals angreifen; ich gewöhne mir nicht an, meine Freunde so zu behandeln. Aber ich werde schreien wie ein Mädchen, und es gibt ein paar Jungs in der Dunkelstadt, die dich dann bitten zu gehen.“

Er war Varric schon öfter dankbar gewesen für das, was Anders die ‚schnelle Eingreiftruppe‘ nannte, doch wohl noch nie so sehr wie jetzt. Es irritierte ihn, wie wenig er Gerechtigkeits Einfluss spüren konnte. Als hegte der Geist irritierend viel Vertrauen für Nathaniels Entscheidungskraft und Kompetenz. Früher wäre das möglich gewesen, allerdings hatte Gerechtigkeit mittlerweile viel Zeit in einem lebenden Körper verbracht, in einem See unruhiger Gedanken. Er tolerierte nichts mehr einfach so.

Nathaniel betrachtete ihn lange, die Arme verschränkt. Sein Bogen hing gespannt über seiner Schulter, der Pfeilköcher baumelte griffbereit an seinem Gürtel. Er würde einen Herzschlag brauchen, um einen Pfeil aufzulegen und zwei weitere, um ihn abzuschießen. Auf diese Entfernung musste er nicht mal zielen. Die harten Linien um seine Mundwinkel waren neu, aber seine Augen waren immer noch hart und klar, ohne einen Hauch der Müdigkeit, die Anders empfand.

„Es gibt einen Grund, warum du diesen Körper führst und nicht Gerechtigkeit.“

Nathaniels spröder Tonfall änderte sich nicht im Geringsten, sodass Anders seine Worte im ersten Moment nicht als besonders wahrnahm. Als er den Kopf hob, war sein Gesicht starr und seine Zähne waren gebleckt, doch was immer er hatte erwidern wollen, verlor sich noch auf seiner Zunge.

Ein schwaches blaues Funkeln geisterte indes durch die Luft.

„Proviant für mindestens zwei Wochen, Bewaffnung für leichtes bis mittelschweres Gefecht, Reisekleidung“, zählte Nathaniel auf, als sei nichts geschehen. „Und, Anders?“

Zwei Wochen reichten niemals bis in die Marschen, es sei denn, man flog auf einem Drachen. Und Hawke konnte den Drachen-Trick immer noch nicht, also gab es keinen Flug. Verwirrung wechselte sich erst ab mit Erleichterung, dann mit Sorge. Nathaniel hatte nicht Amaranthine im Sinn, sondern etwas in relativer Nähe. Erfreulicherweise schloss das die ganzen Tiefen Wege mit ein, und Anders liebte dreckige, Hurlock-verseuchte Tunnel ohne Sauerstoff und Tageslicht.

Zwei Wochen ergaben bei einer Maßgeschwindigkeit einer Gruppe leichter Ausrüstung ohne Versorgungskarren, dabei noch eingerechnet Proviantaufstockung und hügeligem Terrain ohne Pferde-

„Trag‘ Hosen.“

Anders‘ rechtschaffene Empörung prallte leider nur an einer geisterhaft verschlossenen Kliniktür ab.

 

Das ist Freikaufen, Schachern wie auf dem Basar. Warum widersprichst du mir nicht? Warum willst du gehorchen?

Die salzige, nach modrigem Fisch stinkende Brise der Docks traf Anders ins Gesicht, zerrte an seiner Konzentration. Aber er ließ es nicht los, nicht die Essenz seiner Gedanken, die sich anders anfühlte. Es war unendlich schwer geworden, sie noch zu unterscheiden. Als hätten sie alle dieselbe Farbe, die gleiche Schwere. Sogar den gleichen Klang.

Gerechtigkeit, du hast mich aufgehalten. Und sicher nicht, weil Nate jetzt Kommandant ist.

Langsam, wie träge Luftblasen, stieg etwas in seinem Geist empor, das Anders als fremd erkannte. Nur dass er zu vergessen begann, warum.

Nathaniel Howe ist gerecht.

Das kann nicht dein Grund sein!, grollte Anders.

Er appelliert an eine Schuld, Anders.

Er appelliert an eine Ehre, die ich nicht habe! Er hat den pestigen kleinen Bruder von Messere Hawke für seine Wächter bekommen, hast du eine Ahnung, was das wert ist?! Verdammt, es würde mich nicht wundern, wenn es in zwanzig, Scheiße, zehn Jahren Viscount Hawke heißt, und dann gehört Kirkwall halb den Wächtern! Die geben einen Scheiß auf Neutralität, seit Alistair König ist –  wäre nicht Meredith, hätte Nate hier längst einen Fuß in der Tür!

In dem wütenden Strom seiner Gedanken hatte Anders Gerechtigkeits Stimme längst verloren, und er glaubte nicht, dass das Zufall war – als hätte der Geist sich bewusst zurückgezogen und ihn seinem Zorn überlassen. Es war fast, als versuchte er nicht, Anders‘ Energie auf ein einziges Ziel zu lenken, sondern ließ ihn bewusst von seinem Entschluss abkommen. Um eines Freundes willen.

Vor ein paar Jahren hätte Anders das geglaubt. Bevor seine letzte Hilfe für einen Freund ein katastrophales Ende genommen hatte.

„Wenn du vorhast zu springen, hoffe ich sehr, dass du mittlerweile schwimmen gelernt hast.“

„Ich probe den Kniefall, Kommandant. Lass mich den Staub zu deinen Füßen küssen!“

Die Parade kam mit weniger Harnisch als erhofft, als ob etwas Anders‘ Tonfall ausbremste. Gereizt runzelte er die Stirn.

Es war sehr schwierig, wenn eine von zwei Persönlichkeiten der Meinung war, nicht wütend zu sein. Um genau zu sein war es unerträglich und nährte den Unmut, den er gegen Nathaniel hegte, auf eine schwer erklärbare Weise. Vielleicht wollte er nie wieder einen Kommandanten über sich haben, den die Welt anbetete. Jemandem, der Unschuldige verbrannte und auf dem Schlachtfeld weinte.

Nathaniel war heute dezenter gekleidet, ohne Panzer, nur der Griffon prangte nach wie vor auf seiner Brust. Bei Tageslicht gab es einen grauen Schatten an seinen Schläfen, und sämtliche impulsive Feindseligkeit perlte einfach an ihm ab.

„Es wird genügen müssen.“ Damit meinte er zweifellos Anders‘ Kleidung.

„Du hast mir ja keine passende Robe mitgebracht.“

Auch dieser Sarkasmus verlosch an einem nüchternen Blinzeln. „Ich bin im Bilde über dein Betragen hier.“

„Du möchtest nicht vor Merediths Augen einen Apostaten rehabilitieren.“

„So ist es.“

„Das ist mein alter Howe-Degen.“

„Komm.“

Seinen Tornister über eine Schulter geworfen, folgte Anders ihm und pfiff leise durch die Zähne. „Ich wusste nicht, dass du zu Größenwahnsinn neigst – nur wir zwei? Was sind wir, Agenten im Namen des Königs? Wo sind unsere schwarzen Umhänge und die goldenen Tressen?“

Nathaniels Mundwinkel zuckten nicht mal. „Der Rest wartet an einem unauffälligen Ort. Sei still, die Docks haben Ohren.“

„Ja, Varrics Ohren. Und Qunari, die sind immer ganz versessen auf Klatsch.“ Anders seufzte. „Wenn du schon den Eindruck vermittelst, mich an den Haaren zurück zu schleifen, solltest du wenigstens mit mir reden.“

„Ich habe dir aber nicht viel zu sagen“, erwiderte Nathaniel ruhig.

„Das macht nichts, ich rede. Das kann ich gut.“ Anders grinste und öffnete den Mund, als hätte er nichts gehört – und schloss ihn wieder, als er begriff, was er tat. Er versuchte, der Anders zu sein, an den Nathaniel sich erinnerte, oberflächlich und nie um eine Antwort verlegen, vornehmlich an seinem eigenen Wohl interessiert und zu jeder Schandtat bereit. Es gab diesen Teil von ihm nicht mehr, und er versuchte, ihn als Theaterspiel wiederzubeleben.

Anders wünschte sich, Hawke hätte ihn aufgehalten. Der Magier hatte ihn dafür in seinem Anwesen aufgesucht und war fast von diesem riesigen Mabari an den Teppich genagelt und abgeleckt worden. Doch sein wahrer Fehler hatte darin bestanden, die Wächter zu erwähnen. Anders hatte in dem Moment, als Hawkes Augen flackerten, begriffen, dass Leandra ihnen aus irgendeinem Nebenraum lauschte. Und Hawke hatte es nicht über sich gebracht, seinen kleinen Bruder ohne Unterstützung zu lassen, nachdem er ihn fast höchstselbst an die Schwelle zum Tod gebracht hatte.

Sie gab ihm die Schuld an dem Schicksal ihrer Zwillinge. Manchmal war Anders froh, dass seine Mutter ihm nur flüchtige, angenehme Erinnerungen hinterlassen hatte. Hawke hatte nicht auf seine Hilfe bestanden und ihm salopp versichert, er habe schon immer wissen wollen, wie es um Merrills Heilkünste bestellt sei. Anders hatte ihn nicht gedrängt.

„Es tut mir leid für deinen Freund.“

Anders spürte, wie sein Gesicht sich anspannte, während sie sich dem Stadttor näherten. „Von wem weißt du das schon wieder?“

„Ist das wichtig?“

„Sag du’s mir.“

„Du bist derjenige von uns, der seine eigene Bestattung verpasst hat.“

Den Rest des Weges schwiegen sie.

 

Die Verwundete Küste war noch nie ein Ort der angenehmen Überraschungen für Anders gewesen – und das änderte sich natürlich nicht an diesem Tag.

„Bitte sag‘ mir, dass es das als Dreingabe für einen Einkauf beim Huberts Luxuswaren gab.“ Er konnte nicht anders, als entgeistert zu klingen. „Das, oder ich habe die Finanzen der Grauen Wächter völlig falsch eingeschätzt.“

„Ich nehme das als Kompliment – wenigstens das mit den Luxuswaren.“ Der Elf lächelte Anders mit der Weichheit von Glasscherben zu. „Es ist mir eine unsägliche Freude, den Wächtern wieder zu dienen. Tag und Nacht.“

Nathaniel verlagerte das Gewicht und wählte Anders als geringeres Übel, und das kam wahrlich nicht zu oft vor. „Es besteht bereits ein Arrangement, ohne dass die Krähen von Antiva einbezogen sind. Daher wird auch nicht nach ihren Tarifen bezahlt.“

Zevran Arainai, die berühmteste sowie auch einzige überlebende abtrünnige Klinge, strahlte bei diesen Worten geradezu unschuldig. Dass er Isabelas Busenfreund war (im ganz wörtlichen Sinn) war nicht gerade eine Referenz, und Anders fragte sich, während der salzige Meereswind an ihnen zerrte, ob Nathaniel wohl sehr verzweifelt war.

„Ich mache einen – ah, wie sagt man? – Sonderpreis für den neuen Kommandanten von Vigils Wacht. Nachdem die ohnehin eine kurze Lebensdauer haben, wollte ich meine Außenstände möglichst schnell begleichen.“ Zevran rieb sich mit seinen maßgefertigten Wildleder-Handschuhen geziert das Kinn, ohne dass sein Lächeln einfror. Er hatte dieselbe raubtierhafte Art an sich wie Isabela, und das verriet Anders, dass er auch in etwa so promiskuitiv war wie sie. Vor einer gewissen Weile wäre das eine angenehme Chance gewesen. Jetzt musterte er den Mann mit der goldenen Haut, dem glatt zurückgekämmten Haar und den Dolchen am Gürtel und kam zu dem Entschluss, dass Zevran niemand war, der sich einfach so erpressen ließ.

„Wie viele Schulden treibst du eigentlich ein?“ Anders riss sich von den honigbraunen Augen los.

Nathaniel blickte sich um und antwortete ihm nicht. Offensichtlich warteten sie auf weitere Truppenverstärkung, und nach Zevran konnten sie alle nicht so schlimm sein. Obwohl sie sich dazu herabließen, sich zwischen Klippen herumzutreiben wie Schmuggler. Da er Carver als Faustpfand brauchte, bereitete dieser wohl gerade seinen großen Auftritt vor.

Zevran zwinkerte Anders zu und rieb seine Fingerspitzen lautlos aneinander.

„Oh, das ist mehr eine… Gefälligkeit. Ich bin nur die Beilage zum Hauptgang.“

Anders schwor, dass der Kerl seine Gedanken las. Das, oder Isabela ließ gelegentlich verlauten, was Anders über Sex mit ihr dachte. Nicht zuletzt deswegen hakte er nach: „Ist es denn ein guter Hauptgang?“

„Ooh, das will ich meinen!“ Zevran lachte plätschernd in seinem gekonnt beibehaltenen Akzent. „Eine fulminante, wunderschöne-“

„Der bemalte Elf sollte beizeiten lernen, den Mund zu halten, bevor sein Schädel als längst überfälliger weicher Matsch auf diesen Felsen landet.“

Das, was Anders für massiven Stein gehalten hatte, löste sich knirschend aus einer Felsspalte und ragte mit einem Mal mit glühenden Augen vor ihm auf. Die Sonne verdunkelte sich mit rapider Geschwindigkeit und überflutete Anders mit einem bedrohlichen Schatten.

„Der Golem spricht.“

Anders hatte schon ein paar Golems gesehen. In den Tiefen Wegen standen sie herum, bewegten sich nicht, und wenn sie sich doch bewegten, rannte man ganz schnell weg und versuchte, nicht von fliegenden Felsbrocken zerquetscht zu werden. Und wenn man dann noch Zeit hatte, konnte man Bemühungen unternehmen, es zu töten. In solchen Fällen war Anders so gar nicht traurig, dass man die Magier in die hinterste Gefechtreihe schickte.

Es mochte an dieser Taktik liegen, die er bis jetzt verfolgt hatte, aber noch nie hatte ein Golem mit ihm gesprochen.

Nun, eigentlich sprach der Brocken auch mit Zevran. Doch nun verlagerten sich die glühenden Lichtpunkte in den Höhlen auf ihn. Der Golem war an den Fesseln und dem Hals überzogen mit arkaner Schrift, und scharfkantige Feuerkristalle glitzerten auf den Schultern und Armen. Es war ein leicht beunruhigender Anblick, und die erklingende Reibeisenstimme mit dem Charme rasselnder Kieselsteine hatte nicht vor, daran etwas zu ändern.

„Es stellt auf überaus dumme Weise überflüssige Dinge fest.“ Der Golem musterte ihn betont neutral. „Kann es sein, dass es auch dumm und überflüssig ist?“

Anders war so verdutzt, dass er erst einen Moment später begriff, dass man ihn beleidigt hatte. Und noch einen Moment später kam er auf die Idee, dagegen etwas sagen zu müssen.

Zevran kam ihm zuvor (nachdem er auch diesen bedeutungsvollen Moment gewartet hatte). „Für Euch ist er vielleicht überflüssig, aber wir weichen, matschigen Kreaturen neigen dazu, heilende Magie ganz angenehm zu finden.“

Was auch nicht gerade die Verteidigung war, die Anders angebracht hätte, denn Zevran hatte nicht geruht, der Sache mit der Dummheit zu widersprechen.

Der Golem stieß ein grollendes Geräusch aus, das bei einem Mensch vermutlich ein Schnauben gewesen wäre. „Also ist es ein Magier.“ Und fügte bedächtig hinzu: „Ein gefiederter Magier.“

„Ich bin Anders“, brummte Anders, der es als schlechtes Zeichen wertete, wenn dauerhaft von ihm als Neutrum gesprochen wurde. Als bräuchte er noch jemanden in seiner Gegenwart, der exzessiven Hass auf Magier hegte!

„Jetzt verlangt es vermutlich meinen Namen“, stellte der Golem spöttisch fest und hielt dann inne, um den weitgehend unbeweglichen Kopf nach oben zu verdrehen, so weit es ging. Als das nicht genügte, stapfte er ein paar Schritte weiter. Das Gespräch schien kompromisslos beendet.

Zevran schmunzelte, als wären sie drei bereits jetzt beste Freunde. Nathaniel hatte sich elegant ausgeklinkt und beobachtete die Umgebung mit zusammengekniffenen Augen von dem erhöhten Punkt eines Steinbrockens aus. Also fiel es dem Assassinen zu, die Bekanntmachungen zu moderieren, was dieser mit dem Charme eines galanten Gastgebers übernahm.

„Das ist Shale. Shale ist ein männlicher Golem.“ Darauf legte Zevran einen so übertriebenen Wert, dass Anders an der Richtigkeit gezweifelt hätte – wenn Golems denn ein Geschlecht hätten. „Ihr solltet nicht versuchen, ihm Befehle zu geben, und der Kontrollstab ist meines Wissens hinüber, also sollte man ihn auch nicht wütend machen. Kommandant Howe bezahlt ihn regulär.“

Zevran blickte sich kurz nach Shale um, der schweigend wieder in ihre Richtung kam. Anscheinend machte es ihm nichts, wenn der Elf das Reden übernahm, solange dieser nicht wieder dabei abschweifte. Anders hatte selten ein ungleicheres Paar gesehen.

Zevran tippte gegen seine Brust und somit gegen das geschmackvolle Ensemble von besticktem Hirschleder mit einem Stich roten Zwirns. Anders hätte sich nicht gewundert, wenn das in Orlais demnächst der letzte Schrei war.

„Shale vertraut meiner Fähigkeit, meinen Schädel nicht zerquetschen zu lassen, außerdem halte ich das von ihm fern, was er nicht in seiner Nähe haben möchte, sprich das gefiederte Übel. Ihr werdet ihn lieben.“ Zevran grinste und zwinkerte erneut. „Shale zermatscht gern Gehirne, auf Wunsch aber auch den Rest.“

Shale brummte zustimmend und richtete seinen kritischen Blick dann auf Zevran. „Hier gibt es Möwen.“ Und, nahezu im selben Atemzug, wenn ein Golem atmen würde: „Und gefiederte Magier.“

Anders begann zu argwöhnen, dass es in Shales Gegenwart vielleicht nicht angeraten war, etwas mit Federn zu tragen. Zumindest wenn er nicht wollte, dass sein Schädel zermatscht wurde – das war vermutlich nicht mal für ihn reparabel. Andererseits waren die Bewohner von Anderfels für konsequent-renitente Dickschädeligkeit bekannt.

„Es haben schon ein paar Golems versucht, das Innere meines Schädels anzuschauen.“ Er bemühte sich um einen unbefangenen Tonfall. „Aber noch keiner hat mich so höflich vorher gefragt.“

„Und darauf ist es wohl stolz.“ Shale klang so neutral, dass es nur höhnisch gemeint sein konnte, doch er begnügte sich auch damit, sich wieder in den Schutz der Felsspalte zu kauern.

Verständlich, dass Nathaniel keinen Golem nach Kirkwall gebracht hatte. Ausnahmsweise hätte Anders sich dort allerdings sicherer gefühlt.

Zevran betrachtete ihn mit einer gewissen, nachdenklichen Sympathie. „Grämt Euch nicht, mein markanter Freund. In dieser Art spricht sie mit allen.“

Anders überging das nicht allzu subtil angebrachte Kompliment im letzten Moment und zog stattdessen eine Augenbraue hoch. „Sie?“

Zevran lächelte aalglatt. „Ihr müsst Euch verhört haben. Verzeiht mir, Eure Handelssprache macht mir manchmal Schwierigkeiten.“

Die Lüge war so dreist, dass sie niemandem entgehen konnte – die Krähen begangen nicht so offensichtliche Fehler, sie benutzten ihren Akzent in aller Regel dazu, mit arglosen Opfern zu flirten, ohne dabei Verständigungsfehler zu riskieren. Anders öffnete den Mund, um Zevran auf seine Worte festzunageln, als Nathaniel die Hand hob und von seinem Stein herunterstieg. Shale rührte sich nicht, doch das störte den Grauen Wächter nicht.

„Wir brechen gleich auf.“

Erst jetzt hörte Anders die Schritte eines Paars schwerer, nägelbeschlagener Stiefel, die auf dem sandigen Boden relativ guten Halt für einen Krieger boten. Er hatte Carver nicht mehr gesehen, seit sie ihn Stroud übergeben hatten, und da war der Junge fast krepiert. Er hatte sein Ritual überlebt, allerdings rechnete Anders nicht mit charakterlichen Verbesserungen. Das war bei ihm nicht passiert und würde auch nicht bei irgendwem sonst passieren. Das war das Problem mit der Verderbnis, dadurch wurde nichts besser, nur anders.

„Kommandant?“

Carver tauchte zwischen den Felsen auf, mittlerweile ausstaffiert mit einer Griffon-Rüstung und einem Beidhänder, der um einiges besser aussah als sein Alter. Die sauertöpfische Miene und der verkniffene Tonfall hatten sich dagegen nicht geändert, und das Nicken ging auch noch als Zuckung durch, nicht als respektvoller Gruß an einen Ranghöheren.

Anders begriff zu spät, dass er die Schritte gehört hatte, die auch tatsächlich zu hören waren. Das galt natürlich nur für Personen, die tatsächlich Schuhwerk trugen.

Und wie ein fleischgewordener Alptraum in Schwarz tauchte Fenris hinter Carver auf.

„Ihr seid mit den Konditionen einverstanden.“ Nathaniel sprach es nicht als Frage aus, auch wenn er in Fenris‘ Richtung sah. Die unnatürlich grünen Augen des Elfs bohrten sich kurz und ruckartig wie ein Stilett in ihn, bevor sie weiterwanderten und diese Prozedur bei den anderen Anwesenden wiederholte. Bei Anders einen Hauch länger.

Angesichts der Tatsache, dass Fenris wirklich Körperteile versenken konnte, fand Anders das auf mehr als eine Weise unangenehm. Carver nickte auch ihm zu, und falls das das Kommando war, mit dem er seinen tollwütigen Hund losließ-

„Ja.“

Fenris verschränkte die Arme und verharrte neben Carver, eine Wortlosigkeit, die Nathaniel offenbar zupass kam. Ohne weitere Erklärungen machte er sich an einem Winkel zerklüfteten Steins zu schaffen, wo er geschnürte Gepäckbündel verstaut hatte, und begann sie zu verteilen.

Zevran warf sich geübt sein blondes Haar über die Schulter und wischte eine Strähne aus dem Mundwinkel, die sich wie zufällig dort verfangen hatte. „Wie aufregend“, schnurrte er. „Wenn ich geahnt hätte, dass man das in Kirkwall unter einer käuflichen Klinge versteht, hätte ich viel eher…“

„Ist das dein Ernst?“

Anders kämpfte das Klopfen seines Pulses nieder, das untrennbar mit dem lebenden Lyrium verbunden war, das unter Fenris‘ Haut schimmerte. Er konnte nicht hören, was Gerechtigkeit hörte: den Gesang des Nichts und der Sehnsucht… Aber er spürte dieselbe Reaktion. Und spätestens das nahm ihn jedes Mal gegen Fenris ein. Wenn es denn sonst noch einen Grund gebraucht hätte.

Nathaniel gönnte ihm und seiner rechtschaffenen Empörung nur einen flüchtigen Blick und reichte ihm dann einen Trageriemen. „Du weißt so gut wie ich, dass mit den zunehmenden Spannungen mit den Qunari kaum mehr Söldner verfügbar sind. Geschweige denn Brauchbare.“

„Das ist deine Definition von ‚brauchbar‘?!“ Anders bleckte verächtlich die Zähne. „Für jeden Templer ist das ist ein Leuchtfeuer!“

„Das Letzte zumindest kann ich bestätigen“, ließ sich Zevran mit einem koketten Unterton vernehmen und entlockte Carver ein verlegenes Stirnrunzeln. Fenris, der einen Gutteil seines Lebens als betrachtbares Stück Fleisch verbracht hatte, war weniger verdattert. „Das sind große Worte für eine Abscheulichkeit, die selbst unter ihresgleichen nicht untertauchen kann.“

Nicht zum ersten Mal erweckte seine sonore, tiefe Stimme in Anders das Bedürfnis, ihn sofort wieder zum Schweigen zu bringen.

Carver richtete sich in seiner etwas zu großen Rüstung auf wie ein beleidigtes Murmeltier. Anders hatte arge Schwierigkeiten, seine vorgefasste Meinung zu Hawkes Bruder zu ändern, und ehrlich gesagt versuchte er es auch nicht. „Fenris würde nicht-“

„Als hätte Varric Euch keinen anderen hirnlosen Schläger vermitteln können – wenn Ihr so dringend Euren kleinen Mabari vorzeigen wollt, schickt das nächste Mal einfach Blumen, das hat noch jedes Elfenherz erweicht“, unterbrach Anders ihn ätzend und stellte mit Genugtuung fest, dass das blasse Gesicht des jungen Mannes hektische rote Flecken bekam. Der Grund dafür war ihm primär egal.

Fenris löste die Verschränkung seiner Arme, ein hoffnungsvoller blauer Funke huschte durch die Ranken unter seiner Haut. Wenn Hawke jemals davon erfuhr, würde vermutlich mal eine sehr bunte Geschichte daraus werden.

„Schluss damit.“

Wäre da nicht Nathaniel, die geborene Spaßbremse. Anders bemerkte erst jetzt, dass seine Hand bereits auf dem glatten Holz seines Stabes lag, bereit, ihn aus den Gurten zu ziehen. Der Kommandant trat einen bedächtigen Schritt in die Mitte des Geschehens und ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Carver errötete tiefer. Fenris blinzelte – das spezielle Blinzeln, das sagte ‚Ich gehorche, nur damit du deine Dummheit einsiehst‘. Er kommunizierte sehr vielsagend über sein Blinzeln, sagte Varric.

Und Anders schloss den Mund wieder und reckte das Kinn. Hawkes komplexbeladenen Bruder und den magierhassenden Köter hatte er noch nie gleichzeitig ertragen müssen, doch man wuchs mit seinen Aufgaben. Eine Einsicht, zu der Gerechtigkeit schwieg.

Nathaniel deutete mit einem kaum merklichen Ruck seines Kopfes auf Carver. „Sichert das Ende. Anders bleibt hinter mir. Ihr-“ Seine Augen hefteten sich kurz an Shale, „haltet Euch mittig. Die Krähe bildet die Vorhut. Fenris nimmt die Flanke.“

„Verrätst du mir überhaupt, wohin wir gehen?“ Anders nahm es hin, wenn man ihn ins Schlepptau abkommandierte wie das unerzogenste Kind in der Gruppe, aber er gab ungern vor Fenris zu, dass ihm diese Informationen überhaupt neu waren. Nathaniel wählte einen losen Verband als Marschordnung, allerdings ließ er Zevran den Weg bestimmen. Es gab also offenkundig Mitglieder, die nicht so ahnungslos waren.

Nathaniel prüfte mit dem Daumen die Sehne seines Bogens. „Ich ziehe es vor, wenn du nicht weißt, in welche Richtung ‚weg‘ ist, solltest du rennen“, sagte er mit eisigem Gleichmut und schulterte sein Bündel.

Wunderbar. Der Bodensatz der Hackordnung war gar nicht der frische Rekrut – es war der Heiler. Sollte Howe sich nur mal einen Speer fangen… Der Gedanke war einfacher zu ertragen als der, dass Nathaniel vielleicht nur das aussprach, was in ihm vorging.

Zevran kicherte leise und klopfte Shale auf den klobigen Arm. „Das wird über alle Maßen amüsant“, stellte er vergnügt fest. Der Golem maß ihn mit einem leeren Blick.

„Ich wüsste nicht, inwiefern.“

Zevran seufzte gutmütig. „Nur keine Sorge, ich werde alles erklären. Erinnert Ihr Euch an das, was ich über Männer und Ihren Kontrollstab sagte, hmm?“

 

A/N: Im Original duzen sich nur Familienmitglieder untereinander – ich habe das hier etwas gelockert, wahrscheinlich durch den finsteren Einfluss von Internetcomics.

Shale for Viscount.

Nächtliche Schrecken

Hätte Anders sich den Glauben an die Liebe bewahrt, wäre er gerührt gewesen. Hätte er es nicht, hätte er gekotzt. Da er prinzipiell wusste, dass es Liebe gab, sie aber nur für die bestimmt war, die dafür Zeit hatten, amüsierte es ihn eher.

Fenris marschierte mit einem steten Seitenblick auf Shale und sagte kein Wort. Shales Blickrichtung war unbestimmbar, doch er hatte aufgehört, sich nach Möwen umzuschauen, seit der Elf die küstennahe Flanke schützte.

Gegen Mittag wechselte Nathaniel mit Zevran die Position, ebenfalls ohne zu sprechen. Er veranschlagte auch keine Pause. Anders war sich nicht sicher, was das bedeutete – allerdings sicher nicht, dass sein Herr und Kommandant keine Eile hatte.

Zevran kehrte zur Gruppe zurück, erfasste mit einem Blick die Situation, schiss kurzerhand auf den Begriff ‚Marschordnung‘ und pflanzte sich neben Fenris.

Anders war nicht allzu bewandert in den Taktiken antivanischer Ballsäle, doch jede anständige Matrone verkündete damit: ‚So, ich spreche ihn jetzt für Euch an, Mädchen, und Ihr macht dann den Rest.‘

Das war übrigens auch die gängige Praxis von Puffmüttern.

„Ich habe noch nie einen Elf mit einer derart riesigen Axt gesehen.“ Zevran zog respektvoll die Augenbrauen hoch und schaffte es dennoch, eher belustigt zu wirken.

Fenris schaute an ihm vorbei. „Weil man sie Elfen nicht in die Hand gibt“, sagte er knapp. Der vermutlich abschreckend gemeinte Tonfall verfehlte seine Wirkung, um das zu wissen brauchte Anders sich nicht einmal umdrehen.

„Man gibt sie niemandem in die Hand, weil sie niemand heben könnte, ich auch nicht“, gab Zevran fröhlich zu. „Natürlich besitze ich auch nicht Eure martialischen Muskeln, dennoch, denkt Ihr, es ist eine Sache der Einstellung?“

„Nein.“ Fenris‘ Reaktion kam so bald, dass er sich den Satz vermutlich nicht mal zuende angehört hatte.

„Gut. Ich dachte fast, Ihr wärt ein Idealist, denn daran erinnert Ihr mich.“ Um das ernsthaft zu glauben, hätte man das Gottvertrauen des Prinzen von Starkhaven gebraucht, und das hielt Anders nicht für empfehlenswert.

Zevran machte gar nicht erst eine Pause, in der Fenris wohl ausgedrückt hätte, dass ihm die Unterhaltung bereits jetzt auf die Nerven ging. „Woher kommt das nur? Ihr seid ungemein… urtümlich. Und gleichzeitig elegant.“ Zevrans Augen blitzten. „Roh und aristokratisch, so wie einst Shartan.“

Shale knirschte, was vermutlich ein ‚Pah!‘ bedeutete, und Anders prustete kurz und vielsagend. Offensichtlich fand auch Fenris die Schmeichelei zu dick aufgetragen – oder sie bereitete ihm Unbehagen, weil Zevran ihn mit einem Sklavenrebellen verglich. Es war unmöglich zu sagen, ob dieser Treffer Zufall oder Kalkül war.

„Das ist lächerlich“, knurrte Fenris. Zevran lachte. „Damit enden die äußerlichen Ähnlichkeiten auch, er hatte nicht Euer Haar, und wenn ich mich recht erinnere, hat er mit einem Dreschflegel gekämpft. Ah, allein – wo ich weder Gast noch Eindringling bin, wo ich hingehöre und es mir auch gehört“, intonierte er leicht ironisch. „Das wäre Euch-“

„Das klingt wie der selbstverliebte schwülstige Quatsch, den mein Bruder in seiner Bibliothek sammelt“, murmelte Carver abfällig und meldete sich damit das erste Mal seit Stunden zu Wort. Zevran summte lobend, als sei er nicht gerade rüde unterbrochen worden, und Anders kämpfte mit seiner Neugier. Er ging immer noch ein Stück vor den anderen und folgte Nathaniels Silhouette. Der Kommandant war zu weit entfernt, um sein Gesicht zu erkennen, trotzdem fühlte Anders sich von ihm beobachtet wie von einem Lehrer, der einen trotzigen Zögling überwacht.

Anders war lange genug ein trotziger Zögling gewesen, um das zu spüren.

„Das mag daran liegen, dass man behaupten kann, Genitivi sei selbst ein selbstverliebter schwülstiger Quatschkopf. Das ist meine Meinung über die meisten Scholaren.“

Carvers Grunzen mochte Zustimmung oder Spott sein, oder er war einfach verlegen, weil Zevran ihn durchschaut hatte. „Und dann lest Ihr seine Gedichte über Shartan?“, erkundigte er sich, als bezweifelte er, dass Zevran mehr als ein Bilderbuch entziffern konnte.

Der Junge war unsicher. Anders verstand das. Was er nicht verstand, war warum Carver glaubte, in Zevran einen geeigneten Gegner gefunden zu haben.

„Es ist ein Rätsel, kein Gedicht. Nicht von Genitivi, sondern von Shartan.“

„Das tut man während Kreuzzügen – man denkt sich Rätsel aus und bewahrt sie für die Nachwelt auf“, brummte Carver. Er schien zu den anderen aufgeschlossen zu haben, zumindest war seine Stimme näher gekommen.

„Wenn man tot ist, hat man Zeit dafür.“ Zevran klang ekelhaft zufrieden darüber, dass er seinen Gesprächspartner auf den Gipfel seines abenteuerlichen Gespinsts gelotst hatte, indem er ihn durch Andeutungen antrieb. „Als wir ihn sahen, war er ziemlich tot. Und ziemlich… vergeistigt.“

Es war still, und Anders konnte hören, wie Carver mit sich rang. So phantastisch und albern Zevran auch klang, eine Geschichte war ewig verlockend. Gerade für einen jungen Mann, der unfreiwillig zu denen gestoßen war, die üblicherweise diese Legenden prägten.

Shale erkaufte Carver – vermutlich unabsichtlich – eine Denkpause, indem er verächtlich vorausstampfte und sich somit weigerte, als Erzähler in Zevrans Geschichte hineingezogen zu werden. Da er dadurch näher zu Anders aufschloss, musste der Magier sich zwingen, nicht selbst schneller zu werden.

„Ist das etwas Besonderes? Wenn es nicht mehr weich und matschig ist, redet es trotzdem ermüdend viel.“

„Ihr habt es Euch ausgedacht.“ Carver klang vage enttäuscht. Zevran seufzte bedauernd. „So wie ich mir den Held von Ferelden ausgedacht habe, mein junger Freund. Die Urne der Heiligen Asche. Ich bin mir sicher, selbst die Verderbnis ist ein Produkt meiner Fantasie.“

Carver schwieg verbissen dazu, sein Stolz verbot es ihm, darüber nachzuhaken. Und das, obwohl er zweifellos genauso begierig wie jeder Fereldener war, mehr über dieses Wunder zu erfahren. Der Wächter mochte verschwunden sein, aber seine Gefährten waren es nicht. Sie saßen auf einem Thron, intrigierten in der Politik und führten Armeen – oder sie trampelten sinnlos über diesen hässlichen Fleck Land, den der Erbauer wahrscheinlich in einem Niesanfall geschaffen hatte. Anders kam sich wenig glorreich vor.

„Die Toten gehören nicht in diese Welt. Ihr habt nichts als verdorbene Magie erlebt.“

Fenris‘ Wortmeldung kam überraschend; er hatte sich Zevrans Gesprächsführung entzogen, scheinbar zufrieden, wenn die Sprache nicht mehr auf seine Herkunft kam. Sein endgültiger Tonfall reizte Anders. Man mochte die gesamte Legende der Urne der Heiligen Asche abtun, doch wo andere religiösen Fanatismus sahen, sah Fenris Magie.

Zevran war nun im Besitz einer Steilvorlage über ‚verdorbene Dinge‘, aber ein unbestimmtes Gefühl von Gereiztheit hielt Anders davon ab, darauf zu warten. Die Toten gehören nicht in diese Welt. Es schien fast, als hätte Fenris einen empfindlichen Treffer bei Gerechtigkeit gelandet, und das nicht einmal bewusst. Früher hätte der Geist das problemlos verschmerzt.

„Für einen Mann Eures Alters ist es offen gestanden peinlich, dass Ihr versucht, die Welt in Schwarz und Weiß zu teilen.“ In Anders‘ Stimme lag eine Schärfe, die er Fenris gegenüber schon lange nicht mehr an den Tag gelegt hatte. Wenn man mit jemandem eine saubere Feindschaft unterhielt, sparte man diese Energie irgendwann ein. Der Reiz des Neuen verflog, dem Abkühlen einer Affäre nicht unähnlich.

Dass die Gefühle jetzt wieder aufblühten, war trotzdem nicht allzu erhebend. Wie ein Erdrutsch schienen ihm die Worte zu entgleiten, bevor er sie festhalten konnte.

„Hättet Ihr einen Funken Ehre im Leib, würdet Ihr Euch schämen, Euch so zu geben – vor einem Mörder und einem törichten Jungen.“

Vielleicht war Anders von allen am meisten von seinem angewiderten Tonfall überrascht. Während Zevran sich nicht angegriffen zu fühlen schien und weiter mit Shale Schritt hielt, stolperte Carver geradezu über seine Worte. Für einen Moment schien er nicht zu wissen, ob er sein Schwert ziehen oder der Beleidigung begegnen sollte. Vielleicht nur unbewusst richtete er seinen Blick auf die einzige Person, der er vertraute – Fenris. Fenris, der Anders lauernd beobachtete, als überlegte er, ob ihm seine Genugtuung den Verlust seiner Bezahlung wert war.

Anders grinste. „Erspart mir das Gekläff, das Ihr eh nur von hinter Eurem Wachhund aus abzugeben wagt.“

Carvers Schwert fuhr mit einem schabenden Geräusch aus der Scheide und schwang sirrend über seinen Kopf – und traf klirrend auf Stein. Shale verkantete die Klinge mühelos zwischen den harten Kristalldornen und nutzte seine Größe, um Carver das Schwert einfach aus der Hand zu winden. Mit einem leisen Klirren landete es im Sand. Der Golem seufzte, ein Geräusch wie raspelnder Bimsstein. „Jetzt hat es mich dazu gebracht“, stellte er ermattet fest. „Der bemalte Elf vergaß zu erwähnen, dass wir ein Kindermädchen brauchen.“

Zevran, der sich auf wundersame Weise näher an Anders befand, ohne dass er sich bewegt zu haben schien, hob entwaffnend die Hände. „Meine Herren, bitte. Ich-“

„- übernehme diese Aufgabe. Danke für Euer Eingreifen.“

Nathaniel war aus dem Nichts aufgetaucht – oder vielmehr hatte Anders vergessen, auf seine Silhouette zu achten. Obwohl sein Gesicht unbewegt war, wusste Anders, dass Nathaniel ungehalten war. Und er wusste auch, wer in der Gruppe dafür ohne Abendessen ins Bett geschickt werden würde.

Wenn er wenigstens zufrieden wäre. Stattdessen hatte Anders das Gefühl, sich wie ein zänkischer Idiot aufgeführt zu haben, ohne dass er dem zugestimmt hatte.

Nathaniel trat auf das Schwert, als Carver sich bückte, die Finger um den Griff geschlungen, um es aufzuheben. Das Gesicht des Jungen war fleckig errötet, und Anders wusste, dass er zuvor einen Nerv getroffen hatte. Nur dass er sich nicht erinnern konnte, das beabsichtigt zu haben; von all den Dingen, die er nicht ruhen lassen konnte, war die Antipathie zwischen ihnen völlig unbedeutend und kleinlich. Anders war nicht größenwahnsinnig – Fenris als erklärten Feind im Rücken zu haben reichte. Carver kam dem Elf an Gefährlichkeit nicht gleich, dafür hatte er jedoch vor seinem Beitritt mit dem Gedanken gespielt, ein Templer zu werden. Und jetzt, über den Boden gebeugt und unbewaffnet, hatten seine Augen jene gefährliche Glut.

„Ihr habt diese Waffe nicht erhalten, um sie gegen Eure Verbündeten zu richten. Es sterben genug von uns, ohne dass wir einander angreifen.“ Nathaniels Stimme war klirrend kalt. „Zieht dieses Schwert noch ein Mal gegen einen Wächter, und ich gebe Euch stattdessen eine Schaufel, mit der Ihr in den Schwarzmarschen Entwässerungsgräben ausheben werdet, Hawke.“

Carver biss bei dem Tadel die Zähne zusammen und starrte mit wildem Blick auf den Stiefel, den Nathaniel nun langsam von der Klinge zog. Mit dem Schwert in der Hand stürmte der jüngste Hawke wütend zum Strand hinab, und Zevran schlenderte gemächlich hinterher, als sei ihm diese Gemütsregung völlig entgangen. Fenris blieb; er hatte nichts übrig für Temperamentsausbrüche. Mit Ausnahme natürlich seiner eigenen.

„Legen wir eine Rast ein.“ Nathaniel hatte zu seiner alten Ausdruckslosigkeit zurückgefunden. „Seewärts ist der Untergrund fest, und es ist windstill.“ Also wäre den Möwen der Flug zu anstrengend, und die Nähe von Reisenden würde sie abschrecken. Shale trottete unbeteiligt strandwärts, doch er hatte gehorcht, ohne dass Nathaniel ihm einen Befehl erteilt hatte. Geister und Golems lagen dem Kommandanten offenbar, stellte Anders ironisch fest.

Fenris hatte sich nicht gerührt. Mit unbehaglicher Intensität starrte er Anders an, statt wie üblich durch ihn durchzusehen. Es sähe ihm ähnlich, die Auseinandersetzung jetzt fortzuführen, als wäre nichts geschehen, und Nathaniel mochte ihn bezahlen, doch er war nicht sein Befehlshaber. Für einen seltsamen Moment fragte Anders sich dennoch, ob Fenris ahnte, was in ihm vorging. Der Gedanke war besorgniserregender als der übliche Schlagabtausch zwischen ihnen.

Doch Nathaniel versuchte nicht, ihn wegzuschicken. Stattdessen wandte er sich an Anders. „Ich habe mit dir zu reden“, verkündete er und bedeutete dem Heiler, ihm zu folgen. Sich zu weigern wäre dumm gewesen, und Anders war müde genug, um sich disziplinieren zu lassen, solange dies im Sitzen geschah.

Nathaniel wählte eine Richtung weiter oberhalb des Wassers, wo selbst Elfenohren sie nicht hören würden. Als Anders über die Schulter blickte, stand Fenris immer noch regungslos. Ihre Augen begegneten sich kurz. Fenris spuckte in den Sand und marschierte zum Strand.

 

Anders war Standpauken gewohnt. Seine Lehrer hatten es immer zuerst damit versucht, bevor sie mit seiner Sturheit die Geduld verloren hatten oder die Templer sich einschalteten. Wenn man ein Grauer Wächter wurde, änderte sich daran nicht wirklich etwas, nur dass Anders zu sehr auf Stockschläge auf die Fingerkuppen und lichtlose Arrestzellen eingestellt war, um das ernst zu nehmen. Der alte Kommandant hatte das gewusst – aber entweder hatte er seinen Appell trotzdem gehalten, oder er hatte gehofft, seine Worte würden irgendwann zu Anders durchdringen.

Jetzt hockte Anders schicksalsergeben auf einem Stück Treibholz und wartete darauf zu erfahren, wie Nathaniel mit denen verfuhr, die seine Rekruten ärgerten. Frei nach der Überzeugung ‚Was man hat, hat man‘ aß er währenddessen etwas von seinem Proviant. Lebensmittel neigten zu einem besseren Geschmack, wenn sie noch nicht bei Wind und Wetter herumgeschleppt worden waren, außerdem kam er hier regelmäßiger zum Essen als in Kirkwall.

Nathaniel hatte ihn ein paar Minuten warten lassen. Jetzt setzte er sich Anders gegenüber und legte seinen Bogen quer über den Schoß, bevor er seine Handschuhe auszog. Gewissenhaft begann er, das Holz nachzufahren, mit den weicheren Hautpartien seiner Fingerzwischenräume zu überprüfen, wo der Bogen strapaziert war und Pflege brauchte. In Zeiten pausenloser Kämpfe waren seine Hände sonst durch Hornhaut abgestumpft, sodass er diese Überprüfung mit Wangen oder Lippen vornahm.

Varric hätte ihn verstanden. Kirkwall war noch in Sichtweite, und Anders begann trotzdem, den Zwerg zu vermissen.

„Du solltest dir auch einen Frauennamen für deinen Bogen überlegen, weißt du.“

Nathaniel sah nicht mal auf, während er nach Ausfransungen an der Sehne suchte. „Er gehört meiner Familie, nicht mir allein“, erwiderte er und zeigte sich blind für den eigentlichen Witz. Anders seufzte. „Wie wäre es mit Clarisse? Eugene? Odette? Fiadora? Lulu?“

„Du solltest es Carver nicht schwerer machen, als es ist.“

Na also, dazu hatte es kommen müssen.

„Er hat angefangen.“ Nur für einen Moment fragte Anders sich, ob er mit ‚er‘ wirklich Carver meinte.

Natürlich war ihm klar, worauf Nathaniel anspielte. Carver war nicht freiwillig ein Grauer Wächter geworden, und nun musste er den schwierigen Balanceakt zwischen zwei Welten meistern. Auf der einen Seite seine Waffenbrüder, deren Bestimmung er teilte und an deren Hierarchie er sich anpassen musste. Auf der anderen Seite diejenigen, die ihn bereits kannten, als Hawkes verstockten kleinen Bruder, der mit zum Spielen kam, weil Mama das ihrem Ältesten aufgetragen hatte. Es half nicht gerade, dass Anders zu beiden Gruppen gehörte.

Vernünftigerweise ignorierte Nathaniel die Bemerkung. „Ich habe ihn jemanden rekrutieren lassen, dem er vertraut.“

Hieß: Würdest du dir bitte nicht sofort neue Feinde anlächeln, wo wir noch nicht mal einen Tag unterwegs sind?

Vergebene Liebesmüh. „Carver und ich mögen uns nicht. Wie sehr überrascht es dich, dass er jemanden rekrutiert, der mich auch nicht mag?“ Anders schob sich eine Brotkruste in die Wange. „Mal ganz davon ab, dass man sehr geschmacklos sein muss, um meinen Charme zu schmähen.“

Nathaniel fette seine Bogensehne ein. „Dein Geschwätz würde die Geduld eines Steins auf die Probe stellen.“

„Danke. Ich arbeite bereits an Shale.“

Nathaniel maß ihn mit einem durchdringenden Blick. So sehr man sich im Kampf auf seine Rückendeckung verlassen konnte, sein Mangel an Humor frustrierte Anders bisweilen. „Shale hat keine guten Erfahrungen mit Magiern“, warnte er. „Wenn du ihn provozierst, kann ich für nichts garantieren.“

„Dir ist klar, dass man exakt dasselbe über Fenris sagen kann, oder?“

Nathaniel schwieg. Es war unmöglich zu erkennen, ob ihm diese Information neu war oder ob er sie lediglich keiner Antwort würdigte. Man musste ihm lassen, dass er gut über seine Rekruten informiert war – mehr als üblich.

„Der Hauptmann der Stadtwache hatte wegen Carver so erhebliche Bedenken, dass sie seinen Beitritt verhindert hat. Was sich die Stadt derzeit kaum leisten kann, und Hauptmann Vallen ist nicht von der hysterischen Sorte“, fügte Anders hinzu, ein wenig Kasernenklatsch einbeziehend.

Nathaniel reinigte seine Hände vom Fett und begann seine eigene Mahlzeit.

„Carver sieht in dir, was seine Zwillingsschwester hätte erreichen können, wenn sie Kirkwall lebendig gesehen hätte“, erwiderte er gemessen und ließ seine Worte einen Moment einwirken, bevor er schloss: „Du bist zu hart mit ihm.“

Anders hatte eine zornige Antwort auf der Zunge, aber diesmal hielt er sie selbst zurück. Was hatte er erreicht? Zumindest ein gewisses Maß an Freiheit. Es war gefährlich, allerdings war es das dieser Tage immer. Nach allem, was Hawke erwähnte (also fast gar nichts) war Bethany ein gutes Mädchen gewesen. Selby hätte sie in den Untergrund bringen können, vielleicht hätte sie sogar den Kontakt zu ihrer Familie erhalten. Jetzt, wo ihr Bruder mächtiger zu werden begann, hätte sie mehr Schutz gehabt als die meisten.

Nur dass sie die Chance nicht bekommen hatte.

Anders seufzte, ein mürrischer Laut von Kapitulation. „Möglich“, räumte er ein. „Dann kann ich später behaupten, ich hätte es dir gleich gesagt. Er ist jetzt dein Rekrut, also…“ Anders hob eine Augenbraue. „Wie schlimm sind seine Fressattacken?“

Der Schatten eines Grinsens huschte über Nathaniels Miene. „Intensiv, aber in der Häufigkeit abnehmend.“

„Mahlzeit.“ Anders klopfte Krümel von seiner Kleidung und schmunzelte, eine Regung, die sich fast ungewohnt anfühlte. Gerechtigkeit teilte seine Belustigung nicht – aber dazu musste man die Veränderungen ohnehin selbst erlebt haben. „Du hättest Oghren mitbringen sollen, dann hätte ich in Gegenwart eines käuflichen Meuchelmörders wenigstens Spaß.“

„Er war nicht abkömmlich. Und er hat sich für Zevran verbürgt.“

Wenn ein Howe log, tat er es nicht so dreist. Anders zögerte, ob er überhaupt wissen wollte, wie so etwas möglich war, und entschied, dass er die Antwort auf diese Frage lieber von der Krähe persönlich haben wollte.

„Ist das alles? Ich brenne nicht gerade auf die Gesellschaft deiner Jungs“, er nickte gen Strand, „aber je länger wir hier bleiben, desto länger denkt Carver, du würdest mich über’s Knie legen.“

Nathaniel hörte auf zu kauen und spülte seine Ration mit Wasser herunter. Sein Tonfall war fast… entschuldigend. „Ich muss mit Gerechtigkeit sprechen. Allein.“

Wie konnte er davon wissen? Anders wollte leugnen, dass es tatsächlich möglich war, doch seine Kehle war trocken. Nathaniel musterte ihn ernst. „Es ist wichtig.“

„Sicher.“ Anders spürte einen wachsenden Druck hinter den Augäpfeln und blinzelte. „Deswegen hast du Delilah und deinen Neffen mitgebracht, anstatt sie in Amaranthine zurückzulassen.“

Nathaniel schien ein winziges bisschen zurückzuzucken. „Ihr Mann hat Geschäfte in Kirkwall“, wehrte er ab, auch wenn er diesmal offenkundig log.

„Du bist erst zu mir gekommen, nachdem du deine Mannschaft in den Tiefen Wegen verloren hast“, fuhr Anders fort und kniff die Augen zusammen. Gerechtigkeits Summen fühlte sich an wie ein heftiger Schwindel. „Du brauchst jemanden aus Vigils Wacht, weil nicht mehr Wächter wissen sollen, was dort im Kerker-“

Anders.

Seine Welt explodierte in Weiß.

 

„… auf seine Socken. Wirklich! Ich würde es nicht als kunstvoll bezeichnen, aber es waren definitiv Monogramme.“

„Ja, sicher!“

„Nun ja, mittlerweile hat er dafür Personal und muss seine Socken vermutlich nicht mehr selbst besticken.“

„Ihr glaubt das ernsthaft?“

„Ich glaube gar nichts, mein junger Freund, ich weiß es.“

Anders kam langsam zu sich. Über ihm spannte sich ein gewaltiger Sternenhimmel von solcher Klarheit, dass er mehrere Sekunden einfach hinaufstarrte. In den Tiefen von Dunkelstadt hatte er beinahe vergessen, wie das Firmament aussah. Es war… wunderschön. Anders hatte sich nie für poetisch oder romantisch gehalten (das eine war die Begleitkrankheit des anderen), aber das Flattern in seiner Brust war sein eigenes.

„Es ist wach.“

Shales knirschende Stimme ließ Anders in die Höhe fahren.

Ihm bot sich ein ungewöhnlich anheimelndes Bild: die Gruppe hatte sich um ein Lagerfeuer verteilt, nur Nathaniel war abwesend und hatte ein Gepäckbündel und eine Lücke hinterlassen. Zevran hatte Carver ein Gespräch aufgenötigt, an dem der junge Mann mit widerwilligem Interesse teilnahm. Fenris hatte sich so weit vom Feuer zurückgezogen, dass der Widerschein sich mühevoll nach ihm ausstrecken musste und er fast im Dunkeln verschwand. Fast, als schrecke ihn der Anstrich von Kameradschaft ab.

Shale hatte sich ähnlich fernab niedergelassen, ob nun aus Solidarität oder weil der Golem das sensorische Wärmeempfinden eines, nun ja, Steins hatte, ließ sich davon nicht ableiten.

Und neben Shale lag Anders wie ein ganz besonders sperriges Gepäckstück. Ihm war kalt, und er hatte einen tauben Geschmack im Mund.

Und absolut keine Ahnung, was in den letzten Stunden passiert war.

Gerechtigkeit hatte ihn kontrolliert, das war ihm nicht fremd. Anders erinnerte sich daran. Der Geist teilte seine Emotionen, reagierte auf sie und wurde dadurch in seiner Präsenz bestärkt. Aber noch nie zuvor hatte er Anders‘ Denken willentlich ausgelöscht wie eine Kerze, und scheinbar mit derselben Mühelosigkeit. Jetzt war Gerechtigkeit kaum noch spürbar, aber Anders hätte nicht sagen können, ob er sich aus eigenem Antrieb oder aus Erschöpfung zurückgezogen hatte.

Seine Magie war intakt, seine Muskeln steif und ausgekühlt. War er mit den anderen in den Abend hinein marschiert, oder hatte Shale ihn über die Schulter geworfen? Er hatte keine Ahnung. Doch etwas daran, wie Fenris‘ Augen ihn lauernd aus der Dunkelheit beobachteten, warnte ihn davor, sich das anmerken zu lassen.

„Ah, es geht Euch besser.“ Zevran schenkte ihm die Art hübsch-unverbindlichen Lächelns, die ihn Anders so suspekt machte. Man konnte jemanden problemlos so anlächeln und gleichzeitig seinen Becher mit Herbstzeitlosen vergiften.

Nathaniel musste sich geirrt haben. Oghren traute keinem Elf, und erst recht keinem Meuchelmörder. Vermutlich hätte sogar Zevrans Vorliebe, sich in anschmiegsames Leder zu kleiden, einen Garanten für ewiges Misstrauen gestellt.

War es ihm zuvor nicht gut gegangen? Anders wusste nicht einmal, ob er geschlafen hatte. Funkensprühend blaue Augen waren kaum zu übersehen, außer wenn er sein Gesicht abgewandt hielt. Nur tendierte Gerechtigkeit nicht zu so unauffälligem Verhalten, erst recht nicht über Stunden hinweg.

Allerdings tendierte er auch nicht dazu, Geheimnisse vor Anders zu haben.

Schließlich tat er, was ihm am sichersten erschien: er zuckte mit den Schultern und rückte dezent ein wenig von Shale ab. „Ja.“ Seine Stimme klang leidlich normal, sodass er hinzufügte: „Wo ist Nate?“

Carver musterte ihn kühl, oder so kühl, wie es jemand konnte, der noch feucht hinter den Ohren war und an dessen Kinn sich bislang kein einziges Barthaar verirrt hatte. Nathaniel hatte Recht, Anders war heftig gegen ihn eingenommen – und das war nicht leichter zu beheben, wenn ihn neuerdings nicht nur eine, sondern gleich zwei Personen dafür kritisierten.

Kommandant Howe ist auf Patrouille.“

Anders schnaubte. „So nennt man das jetzt, ja?“

„Er hat sich für die erste Wache gemeldet, auch wenn er mich nicht vorher informiert hat, was er nebenbei noch so alles macht“, mischte Zevran sich glattzüngig ein, bevor Carver zurückschnappen konnte. „Kommt schon, lasst uns doch nicht so entsetzlich unfreundlich zueinander sein, ja?“

Anders beobachtete den Elf durch die Flammen des Lagerfeuers und versuchte sich zu entschließen, ob er sich die Reste eines verschmitzten Grinsend bloß einbildete. „Er hat Euch angewiesen, die ganze Herde zu hüten, richtig?“

Zevrans strahlendes Lächeln war diesmal besonders charmant. „Falsch. Ich liebe es einfach, meine Nase in fremde Angelegenheiten zu stecken… Und ich glaube nicht, dass wir einander schon vorgestellt wurden.“

Anders beantwortete das mit einem eigenen reizenden Lächeln, auch wenn er befürchtete, dass sein Geschick darin, jeden Zoll den verwegenen Abtrünnigen zu geben, ein wenig eingerostet war. Bloß dass Zevran wahrscheinlich zu professionell war, um unhöflich zu sein. „Ihr wurdet noch nicht gewarnt?“

Zevran lachte leise. „Warnungen führen erst zu den großen Verlockungen des Lebens, nicht wahr?“

“Ich glaube, ich muss kotzen”, stöhnte Carver, doch Anders war zu froh, dass es ihm noch gelungen war, sein eigenes merkwürdiges Zögern von vorher zu kaschieren, um sich davon provozieren zu lassen. Ohne Gerechtigkeits stetigen Sog in seinen Gedanken schien es leichter, sich zu entspannen, die hartnäckigen Falten zwischen seinen Brauen zu glätten. Er richtete ein gönnerhaftes Nicken an Carver (wohl wissend, dass er ihm damit auf die Nerven ging) und neigte grüßend den Kopf.

„Ich bin Anders.“

Wenn Zevran sich über seinen Namen wunderte, ließ er sich das nicht anmerken. Stattdessen rieb er sich das Kinn (was insgeheim ein amüsanter Anblick war, da Elfen bekanntermaßen keinen Bartwuchs hatten) und beäugte Anders über das Feuer hinweg. „Habt Ihr zwei Muttermale zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand?“

Falls er mit der Idee gespielt hatte, sich in Zevrans Gegenwart etwas zu entspannen, verwarf Anders das jetzt schnell wieder. Er ballte seine Faust, obwohl er wusste, dass der Elf es durch das Feuer nicht sehen können sollte.

„Warum?“

Zevran lächelte leicht. Er schien immer zu lächeln. „Eure Hände sind überaus spektakulär.“

„Ihr werdet Euch den Rest Eures Lebens lang fragen, ob das nicht nur eine belanglose Beobachtung war“, erklang Fenris‘ tiefe Stimme. Während die Nacht sein Gesicht überschattete, malte das Feuer zuckende Linien darauf als er sprach. Neben Shale sitzend, in seiner dunklen Kleidung und dem Schopf von silberweißem Haar wirkte er jedes bisschen wie ein bösartig brennendes Irrlicht.

Was nicht bloß poetisch war, sondern auch ein halber Zungenbrecher. Deswegen mochte Anders Gedichte nicht. Und deswegen mochte er Fenris nicht, unter Anderem.

„Höchstunwahrscheinlich, aber es gibt schlimmere Arten zu sterben als in Gedanken an meine eigene Genialität.“ Anders legte den Kopf schief. „Was Ihr selbstverständlich meintet.“

“Eure Genialität sollte mehr als genug Platz lassen, um Euch zu merken, wann Ihr mit der Wache dran seid.“ Der Widerschein des Feuers enthärtete die Schärfe von Fenris‘ kantigem Gesicht, wenn schon nicht seine Stimme.

„Und wie könnte ich auch nicht friedlich schlafen, wenn ein Goldstück wie Ihr aufpasst? Das muss sicherer sein als im Schoß des Erbauers selbst.“

Shale wandte ihm den grob geformten Kopf zu, wobei so etwas wie Belustigung von dem unbewegten Steinkonstrukt ausstrahlte. „Es vergisst, dass ich kein so absurd großes Bedürfnis nach Erholung habe wie die weichen Kreaturen.“

Das klang zumindest nett – so sehr Fenris auch das Gefühl von Unbehaglichkeit vermitteln konnte, die Nacht durchzuschlafen war eindeutig besser, als wieder aufzustehen und die Müdigkeit für endlose Stunden zu bekämpfen. Besonders, da sie noch in relativ sicherem Territorium waren und der Wachposten niemals schläfrig wurde.

„Ihr schlaft nie?“, hakte Anders nach, zur Sicherheit.

„Nie.“

„Ihr könntet die ganze Nacht Wache halten?“

„Das könnte ich.“ Shale klang verdächtig friedlich. “Aber ich werde es nicht tun.”

Fenris schien diese Aussage zu gefallen. Zevran grinste, falls das bei jemandem, der seine Mimik so gut kontrollieren konnte, überhaupt irgendetwas zu bedeuten hatte. Carver, Andraste segne ihn, bekannte sich wenigstens zu seiner Vorliebe für ununterbrochenen Schlaf und runzelte die Stirn. „Warum nicht?“

„Warum sollte ich?“ Obwohl Shales Stimme sich nicht veränderte, fühlte sich das Diskutieren jetzt schon an, als würde man seinen Kopf wortwörtlich gegen eine Steinmauer schlagen. Anders fragte sich, ob man den Golem bezirzen konnte. „Weil wir Eure Reisegefährten sind und Euch unsere fleischlichen Hüllen anvertrauen?“

„Das zu tun wäre grenzenlos dumm.“

Das war also gleich noch etwas, das ihm den Schlaf versüßen würde. Und es half nicht, dass Anders nicht unterscheiden konnte, ob der Golem die Lebenden einfach gern verspottete oder tatsächlich die Verantwortung für ihre Sicherheit ablehnte. Ein Seitenblick auf Carver verriet ihm, dass dieser die Unterscheidung genauso wenig machen konnte.

„Wie sollen wir Euch dann vertrauen?“ Der junge Wächter schien eher befremdet als ärgerlich.

„Das sollte es nicht.“

„Wenn ich so unhöflich sein darf, das zu unterbrechen…“, meldete Zevran sich und drehte eine Strähne honigfarbenen Haars um seinen Finger. Bei jemand anders mochte die Geste unschuldig wirken. „Kommandant Howe war so zuvorkommend, uns zu versichern, dass jeder in seiner Truppe dasselbe Maß an Gerechtigkeit und Gleichheit erfahren würde. Falls ich das so sagen darf, ist das für einen Anführer eine überaus weise Haltung, vor allem da wir so höchst herausragende Persönlichkeiten hier versammelt haben.“ Licht blitzte auf seinen weißen Zähnen auf, als er erneut lächelte. „Andernfalls wäre unsere Zusammenstellung wohl erheblich anders ausgefallen.“

Das war eine subtile Art, sie daran zu erinnern, dass sie auf mehr oder weniger deutliche Weise alle als Kriminelle betrachtet werden konnten, oder zumindest als Individuen, deren Tod für die Gesellschaft erträglich war. Anders konnte sich nicht entsinnen, dass Nathaniel irgendetwas annähernd so Illusteres zu ihm gesagt hätte, und Fenris war jemand, der schlichtweg dafür sorgte, dass man ihm den Respekt entgegenbrachte, den er wollte (und das mit den Maßnahmen, die er wollte).

„Warum haben wir dann überhaupt einen Anführer?“, erkundigte Anders sich mit einer Andeutung von Heiterkeit, woraufhin Carvers Gesicht sich anspannte. „Jemand muss es tun.“

Zweifellos dachte er an seinen Bruder. Die schwache Note von Verbitterung verlangte nach etwas väterlichem Beistand, möglichst von jemandem, der an der Situation beteiligt war, etwas Kitschiges über die Grauen Wächter, die jetzt der Ersatz für die Familie waren und für lästige ältere Brüder, der immer einen Schritt voraus war. Aber Nathaniel schien nie da aus dem Nichts aufzutauchen, wo man ihn brauchte. Anders ließ den Moment verstreichen.

„Nachdem all dieser wundervolle Sand uns davon abhält, hier Zelte aufzustellen, und es angeblich eh nicht kalt ist, kann man sicherlich nicht ohne Weiteres von Zurückziehen sprechen… Doch wir sollten uns alle etwas Ruhe gönnen.“ Wieder war es Zevran, der die Situation sanft unter seine Kontrolle brachte und die Richtung vorgab, womit er Anders bewies, dass er durchaus irgendeine Art von Beaufsichtigungsfunktion hatte, wenn Nathaniel abwesend war. Was eigenartig war; Anders glaubte nicht, dass sein Vergleich mit Isabela so falsch gewesen war, und sie vermittelte oder steuerte nicht, wenn sie nicht auf einem Schiff war. Oder in einem Schlafzimmer. Und das hier war keins von beidem, selbst mit Schlafmatten. Und dennoch sah Zevran es als notwendig an, sich um die dürftige Harmonie unter ihnen zu kümmern.

Carver zuckte zusammen, als er sich an etwa zu erinnern schien. „Ah… Ja. Ich löse den Kommandanten ab, sobald er von seiner Patrouille zurückkommt. Der Beobachtungsposten ist dort drüben“, er deutete auf etwas in der Dunkelheit, das Anders grob als einen steinigen Hügel identifizierte. Als Bogenschütze wählte Nathaniel üblicherweise erhöhte Posten aus, von denen aus er die Umgebung einfacher überwachen konnte und dabei gleichzeitig selbst weit genug vom Licht fernblieb, dass seine Pupillen sich nicht zusammenzogen und seine Nachtsicht blendeten. In der Finsternis ringsum konnte er kaum gesehen werden und war daher ein sehr schwieriges Ziel.

Das war eine gute Strategie, wenn man nach Dunkler Brut Ausschau hielt, da diese sich äußerst selten die Mühe machte, sich anzuschleichen. Aber während Nathaniel einen nahezu perfekten Ausblick auf das Lager hatte, hatte er keinen auf sich selbst. Wer auch immer ihn ausschaltete, machte den Rest somit praktisch wehrlos.

Beim Erbauer, wieso musste er jetzt schon darüber grübeln?! Anders zog über sich selbst die Stirn kraus. Weder Sklavenhändler noch Banditen würden sich einem Golem nähern. Und Tal-Vashoth griffen nachts kaum jemals an, man ging davon aus, dass das ein Überbleibsel ihrer nicht ganz abgelegten Kultur war. In jedem Fall war Panik nicht angemessen.

Und Gerechtigkeit sorgte sich wegen dieser Dinge nicht. Richtig? Mit einem Mal fühlte sich Anders sehr müde.

„Und, wann bin ich dran?“

Oh, er konnte es ja gar nicht erwarten, sich auf diesen windigen Hügel zu hocken, weit weg vom Feuer und seiner Decke, um seine Magie dort greifbar zu halten.

Carvers mürrischer Gesichtsausdruck erhellte sich – es gab Gelegenheiten, wo das kein gutes Zeichen war. „Ihr seid der Vierte in der Reihenfolge. Fenris wird Euch wecken.“

Andrastes kratziger Unterfummel. Das hatte man davon, die Verteilung der Wachablösung zu versäumen – das war mitten in der Nacht, also dann, wenn er gerade erst eingeschlafen war. Außerdem hatte jede Ablösung ihre individuelle Art, den Nächsten zu wecken, der den Dienst aufnehmen sollte. Anders war nicht allzu begierig darauf, herauszufinden, was Fenris tat, wenn er individuell war.

Besagter Elf funkelte ihn finster an, als ahnte er etwas von Anders‘ langer Tradition von Tritten gegen den Kopf als Morgengruß.

„Wir sollten morgen unsere Geschichten miteinander teilen, ja?“ Zevran erhob sich und strahlte in die Runde, was ihm prompt das Recht eintrug, auch von Fenris angefunkelt zu werden. „Ihr redet jetzt schon zu viel. Märchen helfen da nicht.“

Als könnte irgendjemand so viel reden wie Varric, allerdings behielt Anders diese Bemerkung umsichtig für sich, wenigstens bis die Wachen gewechselt hatten. Wie üblich war Zevran sowieso nicht kleinzukriegen. „Es muss nicht um Märchen gehen“, schnurrte er, und Carver schnaubte abrupt. „Dann geht es um den Held von Ferelden – davon handeln heutzutage doch alle Geschichten. Also, wann kommt er wieder und tut mal wieder irgendetwas Heldenhaftes?“

Anders entging nicht, dass er das nur halb im Scherz sagte. Der Held war Fereldens bevorzugte Lösung für jede Art von Krise, sogar für verregnete Sommer und zahnende Säuglinge. Es könnte schlimmer sein; es könnte sich zu einer Religion entwickeln. Und trotzdem erfüllte es Anders mit Unbehagen, das immense Vertrauen zu erleben, mit dem die Fereldener an ihn glaubten.

Zevran sah nicht von seinem Gepäckbündel auf, in dem er nach etwas kramte. Shale schien gar nicht zuzuhören.

„Das scheint mir nicht allzu schwer zu bestimmen“, erwiderte die Krähe. „Weil er tot ist.“

 

Anders hatte auf Nathaniels Rückkehr warten wollen; so sehr er es auch versuchte, er fand in seinem Verstand nichts als bohrende Fragen vor. Gerechtigkeit blieb ausweichend, fast als wäre er gleichgültig. Er antwortete nicht.

Zudem hatte Anders erwartet, Shales wache Präsenz als unangenehm wahrzunehmen, aber der Golem ließ sich lediglich auf dem sandigen Boden nieder und schien in eine Art Trance zu verfallen. Vielleicht meditierte er – bei Shale schien nichts unmöglich. Besonders, da er einst von der heiligen Gegenwart des Helden höchstselbst beehrt worden war.

Es gab keine richtige Entscheidung, wiederholte Nathaniels Stimme geduldig in seinem Hinterkopf.

Anders schlief mit einem Gefühl von Gereiztheit ein. Bis etwas Schweres auf seine Brust und seinen Mund drückte und ihn unvermittelt weckte.

Für einen schrecklichen Moment fühlte es sich an, als würde sein Körper nicht mehr reagieren.

Dann kehrte seine Geistesgegenwart mit der Schnelligkeit von Wächtersinnen zurück. Keine Dunkle Brut. Das Gewicht auf ihm lebte, und etwas Kaltes und Scharfes schwebte über seiner Kehle. Seine Arme wurden von Knien an seine Seiten gepresst, sein Stab war außer Reichweite, obwohl Anders ihn zum Schlafen nie ablegte.

Der wilde Gedanke stieg in ihm auf, dass Zevran die Nächte hier tatsächlich kühler fand als in Antiva und daher beschlossen hatte, sich etwas Gesellschaft zu suchen. Wenn das so war, war er erheblich fordernder, als Anders geglaubt hatte.

„Still“, zischte eine Stimme. Anders erkannte den harschen Bariton sofort, den Geruch von Leder, Harz und Staub. Die bestialischen Panzerhandschuhe ähnelten Krallen, einer von ihnen presste sich auf seinen Mund, der andere auf seinen Kehlkopf mit der stummen Drohung, diesen zu zerdrücken. Ein normaler Mensch würde bei dieser Verletzung einen qualvollen Erstickungstod sterben, der sich über grausame Minuten hinzog. Anders konnte sich ohne diese ziemlich endgültige Folge heilen, aber das bedeutete nicht, dass die ganze Angelegenheit für ihn sonderlich angenehm war, und das wussten sie beide. Die Warnung war deutlich genug.

Fenris war offensichtlich sehr individuell bei seinem Weckritual. Jeder Templer könnte noch etwas von dem Bastard lernen.

Anders blinzelte gegen den Sand in seinen Augen an. Das Feuer war zu ein paar schwachen Glutbrocken heruntergebrannt, was ihn bloß ein paar Silhouetten ringsum erkennen ließ. Fenris war demnach derjenige, der momentan Wache hielt, und nichtsdestotrotz machte der Elf keine Anstalten, Anders loszulassen. Stattdessen blickte er mit kühlem Misstrauen auf ihn hinab.

„Auf ein Wort, Magier.“

Seine Hand auf Anders’ Mund hob sich leicht; die andere nicht. Der Heiler konnte den Kopf weit genug drehen, um einen kurzen Blick auf das Lager zu erhaschen: es war unmöglich festzustellen, ob Shale aufmerksam war. Carver schlief den ruhelosen Schlaf eines Rekruten, der von Alpträumen der Verderbnis in seinem Körper gequält wurde. Zevran war still, doch sein ganzes Leben hatte man versucht, ihn umzubringen, und das vorzugsweise im Schlaf. Nathaniel war der Sohn eines mächtigen Adligen, was genug über die Tiefe seines Schlafs aussagte. Jeder von ihnen war geradezu prädestiniert dazu, beim Klang von Stimmen in der Nähe jederzeit aufzuwachen.

Das war also nicht nur die schlechteste Position zum Reden, es war auch der schlechteste Ort. Vorsichtig, um Fenris nicht zu irgendetwas aufzuschrecken, das für ihn überstürzt und schmerzhaft enden würde, wandte Anders seine Augen bedeutungsvoll zu der Dunkelheit ringsum. „runter von mir.“

Er war zufrieden, dass seine Stimme viel selbstbewusster klang, als er sich eigentlich fühlte. Dennoch schickte er ein Stoßgebet zum Erbauer.

Es gab nur eins, über das Fenris mit ihm im Geheimen reden wollen konnte. Und wenn er herausfand, dass Anders praktisch ahnungslos war, weil er heute nicht allzu viel Kontrolle über seinen Körper gehabt hatte, war es unmöglich zu wissen, was er tun würde.

Doch es würde auf keinen Fall harmlos sein.

Zweifel, die bleiben

Die Dunkelheit schien sie zu verschlucken.

Als Anders ein paar blasse Funken zwischen seinen Fingern beschwor, schien das Licht geradezu schwächlich, es erreichte Fenris kaum. Der Elf bewegte sich leise, seine bloßen Füße verursachten kein Geräusch, das man eindeutig den Schritten einer Person hätte zuordnen können. Früher war Anders davon ausgegangen, dass es sich dabei um eine Dalish-Technik handelte, doch das hier war anders.

„So“, sagte er, eher um seine eigene Stimme zu hören und festzustellen, ob sie angemessen fest klang, als um ein Gespräch zu beginnen. „Das ist ziemlich zwielichtig. Sollte ich in Eurer Gesellschaft jetzt um meine Tugend fürchten?“

„Wohl kaum, Magier.“ Fenris‘ Augen reflektierten das trübe Licht wie eigenartig geschliffene Murmeln. „Weder interessiert mich Eure Tugend, noch bin ich Eure einzige Gesellschaft.“

 „Vor kaum einer Minute wart Ihr ziemlich genau über mir. Wenn das Eure Lieblingsposition zum Reden ist, frage ich mich ernsthaft, was Ihr tut, wenn Ihr interessiert seid“, spottete Anders, wobei er die Betonung imitierte, die Fenris vorhin noch benutzt hatte.

„Euer Freund verheimlicht etwas.“

Themenwechsel – beeindruckend geschickt verpackt.

Anders schnaufte abfällig. „Ihr schleift mich nachts hierher, um mit mir Nates Führungsqualitäten zu diskutieren? Oder forscht Ihr nach, weil er Euch nicht verraten wollte, ob er für eine kurze Nummer zu haben ist?“

Obwohl Fenris‘ Augen sich im Schatten seiner Augenhöhlen verbargen, konnte Anders seinen bohrenden Blick äußerst deutlich spüren. Wider besseren Wissens sträubten sich seine Nackenhärchen dabei; seine bisherigen Erfahrungen hatten ihm einen feinen Sinn für Drohungen verliehen, und seine Instinkte warnten ihn beständig vor Fenris. Was der Elf hatte, war übler als die Fähigkeit der Templer, jede Unze Magie aus jemandem herauszupressen.

„Ihr vertraut ihm.“ Fenris sprach einen Hauch langsamer, als würde Anders ihm sofort nicht mehr folgen können, sobald er aufhörte, in möglichst einfachen Sätzen zu sprechen. Und offenbar hatte er nicht vor, ihn in Ruhe zu lassen, bis er das Spiel mitspielte – obwohl es unklug wäre, sich umzudrehen, ihm den Rücken zuzuwenden und wegzugehen. Der Heiler seufzte, was sich auf halbem Weg in ein Gähnen wandelte.

„Wenn Carver Euch gewarnt hat, dass er nicht bloß ein Adliger, sondern auch ein Howe ist, hat er Recht. Die Howes sind in ganz Ferelden verhasst.“ Und, jetzt trockener: „Aber er bezahlt Euch, und mehr solltet Ihr nicht wissen wollen.“

„Worüber hat er mit Euch gesprochen?“

Fenris‘ Tonfall war so selbstverständlich fordernd, als hätte er jedes Recht der Welt, das zu erfahren. Anders verschränkte seine Arme gegen die Kälte, während ihm nur zu bewusst war, dass er seinen Stab zwar bei sich hatte, dieser jedoch auf seinen Rücken geschnallt war.

„Warum so neugierig?“

Fenris äußerte kaum je Zweifel an den Entscheidungen eines Anführers. Entweder erwartete er von Menschen wie Hawke, seine möglichen Einwände von selbst zu beachten, oder er akzeptierte es, ein Teil der Machtstruktur zu sein. Was konnte ihn an einem Gespräch zwischen zwei theoretisch alten Freunden (oder was auch immer Fenris unter dem Begriff ‚Freund‘ verstand) dermaßen ärgern?

„Howes Plan schließt Euch ein. Das allein ist Grund genug für Misstrauen.“

Fenris‘ giftige Laune hatte sich anscheinend seit dem Abendessen kein bisschen gebessert. Anders zog eine Grimasse und wedelte mit der Hand, ein Versuch seinerseits, sowohl ruhig als auch ungeduldig zu wirken. Lediglich eins von beidem traf zu. „Beim Erbauer, das hat wehgetan – ich würde Euch ja bitten, nicht ständig unter die Gürtellinie zu zielen, aber ich vergesse ständig, dass Ihr ja so verdammt klein seid.“ Und falls das in die Nähe eines empfindlichen Punkts getroffen hatte, fügte Anders hinzu: „Nichts als Wächter-Sachen, alles sehr langweilig und, na ja, verdorben. Wir neigen dazu, uns darüber ständig auszutauschen.“

Fenris starrte ihn an. Es war ein Starren, unter dem einem durchaus unwohl werden konnte, auch wenn sein Gesicht sich bislang nicht auf diese gefährliche Weise angespannt hatte. Anders hatte festgestellt, dass Fenris es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, die Spitzen seiner Ohren zu kratzen, wenn er ihm auf die Nerven ging – was direkt niedlich hätte sein können, wäre das Genervtsein nicht so ein beliebtes Begleitsymptom, sobald sie die Luft eines Raumes teilten. Oder kalte Nachtluft.

„Ihr lügt.“

Für einen verräterischen Moment war Anders sprachlos.

Fenris hatte es mit absoluter Sicherheit gesagt; wenn er bloß Anders‘ Reaktion testete, war er ein besserer Schauspieler, als ihm irgendjemand zugetraut hatte.

„Ich-“

„Euer Körper folgt Euren Worten nicht, Magier“, unterbrach der Elf ihn barsch. „Spart Euch die Mühe.“

Anders öffnete den Mund für eine Parade, dann begriff er, dass sein Versuch tatsächlich vergebens sein würde. Fenris hatte den Großteil seines Lebens damit verbracht, davon abhängig zu sein, wie gut er die Stimmung und Neigungen einer Person von ihrem Körper ablesen konnte: ein Versagen konnte Schläge bedeuten, den Verlust eines dringend notwendigen Mahls oder sogar einen unglücklichen Weiterverkauf. So sehr Fenris auch bestritt, diese Fähigkeiten noch zu besitzen, sie waren ein Teil von ihm.

Bei geschickten Lügnern wie Varric oder Isabela waren diese Kompetenzen nutzlos (daher die Pechsträhne beim Kartenspiel), allerdings offensichtlich nicht bei Anders, der nicht mal wusste, worüber er eigentlich log. Weil er keine Ahnung hatte, welches Geheimnis Nathaniel und Gerechtigkeit miteinander geteilt hatten.

Was auch immer es war, es ging selbst unter Fenris‘ in diesen Fällen sehr dicke Haut.

„Habt Ihr gelauscht?“

„Antwortet mir nicht mit einer Frage, Magier.“

„Ich beantworte gar nichts. An Eurer Technik als Inquisitor müsst Ihr wirklich noch arbeiten“, brummte Anders und löste seine Arme voneinander. „Und Ihr habt auch keinen Grund, Euch Falten in Eure hübsche Stirn zu grübeln – Nate hat einen weiteren Zivilisten mitgebracht“, obwohl es ihm schwer fiel, Zevran als solchen zu bezeichnen, „also werdet Ihr nicht mit Dunkler Brut konfrontiert. Gut, abgesehen von den üblichen Verstreuten.“

„Still“, zischte Fenris, gerade dann, als Anders begann, sich mit seiner Erklärung zufrieden zu fühlen. „Ja, das habt Ihr vorhin schon gesagt – und mich danach aufgefordert zu reden. Eure Signale-“

Diesmal ersetzte Fenris seine ursprüngliche Technik, um Anders zum Schweigen zu bringen, durch eine Neue: er riss dessen Handgelenk nach unten und drückte kräftig zu, sodass die Funken zwischen den Fingern erloschen. Anders verdrängte ein schmerzerfülltes Grunzen gerade noch rechtzeitig.

Weil das Klirren einer Rüstung seine Ohren erreicht hatte. Und es kam nicht aus dem Lager.

Er warf einen schnellen Blick auf den kleinen Ruheort, der größtenteils im Dunkeln lag, doch keiner der schlafenden Umrisse, nicht einmal Shale, rührte sich. Vermutlich, weil die Geräusche die Lee-Seite nicht erreicht hatten. Nur durch ein Drehen des Windes hatten seine Ohren dieses Rasseln überhaupt aufgefangen, auch wenn Fenris‘ scharfe Sinne es als Erstes erkannt hatten.

Der Elf hatte sich geduckt und war bereits außer Reichweite, er bewegte sich tiefer in die Nacht und die Richtung des Geräusches. Anders zögerte, dann entschied er sich, Shale den Vertrauensvorschuss zu geben, den der Golem sich explizit verbeten hatte, und folgte.

Es war schwer, sich ohne jegliches Licht leise zu bewegen. Anders streifte hastig seine Stiefel ab – wenn der Erbauer für ihn vorgesehen hätte, wie ein Dieb herumzuschleichen, hätte er ihm Katzenpfoten statt Magie gegeben! – und biss sich auf die Zunge, wann immer er auf spitze Steine trat. Das Mondlicht war gerade noch genug, um Fenris‘ weißen Haarschopf in der geringen Distanz zu erkennen.

Die Dunkle Brut trug Rüstungen, aber die Sinne eines Grauen Wächters wären darauf längst aufmerksam geworden, schon bevor er den Laut selbst hören konnte. Strauchdiebe und Qunari hatten keine Verwendung für so geräuschvolles Rüstzeug. Anders‘ Herz begann zu rasen, und er packte das Holz seines Stabs fester. Wenn das eine Falle war, um den Wachposten wegzulocken, war er geradewegs hineingerannt und hatte das Lager ohne Schutz zurückgelassen. Wenn Nathaniel das herausfand, würde er ihn förmlich und überkorrekt enthaupten.

Der Panzerhandschuh auf seinem Arm ließ ihn zusammenzucken, und Anders unterdrückte knapp einen Fluch, als er auf den sandigen Boden gezerrt wurde. Orientierungslos und blind in der Dunkelheit tastete er nach irgendetwas – ein Fels, direkt vor ihm. Wenn er Fenris nicht gekannt hätte, hätte er es als freundliche Geste gewertet, ihn aufzuhalten.

Mit einem Mal waren die Schritte sehr viel näher, und Anders schob den Gedanken beiseite. Er presste sich flach auf den Boden und spürte Fenris dasselbe tun, dann kroch er ein Stück vorwärts, um über den Fels zu spähen.

Eine Patrouille der Stadtwache. Eine verdammte Patrouille! Anders spuckte beinahe verächtlich aus. Das hatte ihn also dermaßen erschreckt, ein paar von Avelines pflichteifrigen Kundschaftern?! Ganz ohne Zweifel war sie momentan froh, zwei ihrer fleißigsten Unruhestifter für ein paar Wochen aus der Stadt zu haben, und jetzt-

Anders hielt inne und lehnte sich weiter über den Fels. „Die Rüstungen“, zischte er. „Könnt Ihr das Wappen erkennen?“

Neben ihm neigte Fenris den Kopf. „Es ist nicht Kirkwall“, erwiderte er, Ernst ersetzte die Gereiztheit in seiner Stimme. „Ich höre Kettenhemden.“

Die Stadtwache trug Plattenpanzer – Kettenrüstungen waren kostspielig, und Captain Jeven war überaus gründlich in seiner Tätigkeit gewesen, das Geld für diese Anschaffungen zu veruntreuen. Anders erinnerte sich noch sehr genau daran, dass Aveline jedes Mal vor Zorn brodelte, wenn eine ihrer Wachen deswegen unnötige Wunden in Kämpfen davontrugen, und es würde noch lange dauern, bis das Arsenal aufgestockt werden konnte.

Im Gegensatz dazu gab es in den Freien Marschen eine Stadt, die sich derart hochwertige Ausrüstung für ihre Wachen tatsächlich erlauben konne.

„Andrastes Pfeile“, flüsterte Anders. „Starkhaven!“

Es waren im Ganzen sechs Wachen, vier Männer und zwei Frauen. Zwei von ihnen trugen Laternen, das dumpf von ihren Schilden reflektiert wurde und Anders erlaubte, den weißen Kelch in der Mitte von Starkhavens Wappen zu erkennen. Abgesehen von den Geräuschen ihrer Ausrüstung verhielten die Krieger sich still und machten keine Anstalten, sich in die Richtung der Markierungsfeuer in der Ferne zu wenden.

„Sie verstecken sich nicht“, wisperte Fenris und verengte die Augen. „… aber sie sind auch nicht versessen darauf, bemerkt zu werden“, beendete Anders den Satz. „Weiß Aveline davon?“

Fenris antwortete nicht. Seine Stimme dämpfte sich noch stärker, als die Patrouille sich näherte. „Keine Bogen oder Armbrüste. Sie haben sich auf die Dunkelheit eingestellt.“

„Wenn sie sich verirrt haben, sind sie verdammt weit vom Schuss.“ Anders strengte sich an, um mehr zu hören; obwohl der Wind aus dem Landesinneren wehte und die Geräusche daher zu ihnen herübertrug, sprach keine der Wachen. Sie marschierten schlichtweg stumm voran, ein gelegentliches Drehen der Köpfe deutete auf Wachsamkeit anstatt von Langeweile hin.

Kirkwall und Starkhaven waren nahe Handelspartner, der Umgangston der beiden Städte war sogar direkt freundschaftlich zu nennen. Aber keine Freie Stadt würde fremde Soldaten zur Sicherung ihrer Küste zulassen, zumindest nicht, wenn sie vorhatte, frei zu bleiben. Kein Einziger in der Patrouille trug das Wappen von Kirkwall, und selbst wenn sie eine Verstärkung ihrer Truppen erhalten hätte, hätte Aveline diese Wachen nie unter sich bleiben lassen.

Die Patrouille schien die Küste zu meiden, daher bestand keine unmittelbare Notwendigkeit, einen der anderen zu wecken. Dennoch verspürte Anders ein bohrendes Gefühl von Unruhe, sobald sie sich aus ihrem Versteck zurückzogen und zum Lager zurückkehrten. Es beschwichtigte ihn auch nicht, dass Fenris nicht länger darauf bestand, ihm wegen seines Gesprächs mit Nathaniel die Daumenschrauben anzulegen.

Wenngleich er Zevran später wie vereinbart weckte, um mit ihm den Wachposten zu tauschen, fand er für den Rest der Nacht keinen Schlaf mehr.

 

„Patrouillen aus Starkhaven?“

Offensichtlich war es zu viel von Nathaniel verlangt, jemals überrascht zu sein. Er kämmte mit den Fingern ein paar Sandkörner aus seinem Haar, dann klemmte er seinen Bogen unter dem Oberschenkel ein, um ihn zu spannen. „Bist du sicher?“

„Ich bin nicht der Einzige, der’s gesehen hat.“

„Ich bin lediglich skeptisch. Der Kommandant musste dich jedes Mal mit Gerechtigkeit zur Wache einteilen, weil du ausnahmslos immer eingeschlafen bist.“

Anders biss die Zähne zusammen. „Ich bin wirklich überglücklich, dass es dir fern liegt, jemals nachtragend zu sein. Sei bedankt für dein Vertrauen, und im Übrigen hat Fenris mich wachgehalten.“ Als ihm auffiel, dass das auffällig zweideutig klang, fügte er hinzu: „Seine Ohren sind besser als meine, also frag‘ ihn.“

Nathaniel betrachtete ihn mit seiner typischen Gelassenheit. „Ich bezweifle das nicht. Aber ich hatte nicht erwartet, dass es sich so schnell entwickelt.“

Anders glättete eine Feder auf seiner Schulterklappe und versuchte, das aufkommende Zucken seines Mundwinkels zu unterdrücken. „Wir haben eine sehr lebhafte Vergangenheit“, summte er – bevor er sich erinnerte, dass er hier mit Nathaniel sprach. Der Mann machte keine Scherze über Sex. Und er machte ganz sicher keine Scherze über Sex unter Männern. Seine Jahre in Kirkwall hatten Anders beinahe vergessen lassen, dass die Erziehung in Amaranthine zwar nicht erzkonservativ, allerdings auch nicht sonderlich offen für diese Dinge war. Und das galt doppelt für den Erben eines Arltums, der so viele legitime Bälger brauchte, wie er kriegen konnte.

Zevran wählte sich ausgerechnet diesen Moment der Unannehmlichkeit aus, um sich zu ihnen zu gesellen.

„Eine Vergangenheit, von der ich hoffe, dass Ihr sie heute Abend mit uns teilt. Nichts stärkt Bande untereinander so sehr wie Geschichten, nicht wahr?“

Erbauer, wenn du seine verfluchten Ohren nicht verändern kannst, ändere wenigstens seine Art.

Anders entschied sich, die offenkundige Neugier zu ignorieren. „Welche Entwicklung meintest du tatsächlich?“

Nathaniel wirkte mehr als nur ein bisschen erleichtert, nicht auf das heikle Thema von elfischen Liebhabern festgenagelt zu werden – Zevrans verschmitztem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatten sie das bereits getan. Das sorgte immerhin dafür, dass er erheblich eher bereit war, Anders zu antworten.

„Gerüchte besagen, dass die Auslöschung der Familie Vael von Blutmagiern unterstützt wurde. Der neue Prinz von Starkhaven hat die Patrouillen verstärkt, um die wichtigsten Handelsrouten von Starkhaven und dessen Verbündeten zu kontrollieren.“ Nathaniel hatte seinen Bogen gespannt und streifte ihn über seine Schulter, sichtlich der Meinung, dass seine Aussage ausreichend war.

Anders blickte zwecks einer besseren Klärung zu Zevran und bemerkte, dass Fenris sie aus den Augenwinkeln beobachtete. Er schien sogar ein kleines bisschen ungeduldig, als hätte er darauf gewartet, dass Anders von den Vorkommnissen berichtete, die sie gesehen hatten. Und daher sämtliche unglaublich feinsinnige Witze über ‚geteilte Schichten‘ und frei herumtobende Magier auf sich zog.

„Es steckt etwas mehr dahinter“, stimmte die Krähe zu, nicht ohne dabei ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen zu haben. „Goran Vael ist ein schwacher Herrscher – Maßnahmen wie diese helfen ihm dabei, wie ein entschlussfreudiger, versierter Anführer zu wirken, und gleichzeitig kann er die verbreitete Angst der Adligen vor Magie anheizen. Schließlich ist es kaum möglich, das Gegenteil von seiner Schuldbehauptung zu beweisen.“ Zevran kicherte leise. „Und da er es sich nicht leisten kann, dem mächtigen Zirkel von Starkhaven in die Quere zu kommen und Blutmagier üblicherweise nicht um das Schafott herumstolzieren und ihre Hinrichtung erwarten, gibt es kaum einfache und verlustarme Möglichkeiten.“

„Ich warte noch auf das howe- und stichfeste Problem“, bemerkte Anders und fing sich dafür einen genervten Seitenblick.

„Und Ihr sollt es haben. Genial, wie er nun mal ist, hat Goran sich entschlossen, sein wachsames Auge auf die Magier zu richten, die sich außerhalb des Zirkels befinden, ohne dabei erklärte Kriminelle zu sein – als solches Familien, die für Magie in ihrem Blut bekannt sind, Dalish-Hüter… und Graue Wächter.“

Carvers Kopf ruckte von seinem Frühstück hoch. Anders konnte förmlich sehen, wie sein Appetit sich bei dem Gedanken auflöste, dass seine eigene Familie sehr genau in diese Beschreibung passte.

„Viscount Dumar ringt bereits jetzt darum, seine Macht zu erhalten, und er ist vollauf mit den Qunari beschäftigt, daher hat er keinen Einwand vorgebracht, um den Frieden mit Starkhaven nicht zu gefährden. Kommandantin Meredith hat ihn in diesem Beschluss vermutlich unterstützt, aber sobald diese Angelegenheit gelöst ist, wird sie fremde Patrouillen keinen Moment länger dulden“, fügte Nathaniel hinzu, ohne seine Augen zu heben.

Carver erhob sich und verlagerte sein Gewicht, er kämpfte sichtlich mit dem Drang, auf und ab zu laufen. Es hätte Anders belustigt, wenn das Thema nicht so bitter gewesen wäre. Er hatte geglaubt, ausreichend Abstand zwischen sich und die Templer gebracht zu haben, und nun folgten sie ihm. „Was soll ich also tun, sobald wir am helllichten Tage auf eine Patrouille treffen? Meinen Kopf in den Sand stecken? So tun, als sei ich ein Busch?“

„Ich würde Euch um der Authentizität willen anpissen“, versetzte Carver, womit er Anders prompt bewies, dass emotionaler Aufruhr noch lange kein Grund war, eine Steilvorlage ungenutzt verstreichen zu lassen.

„Ich hätte wissen sollen, dass Ihr Euch sofort auf eine Chance stürzen würdet, mir Euren Familienschatz zu präsentieren. Was soll ich tun, da unten nach irgendetwas Abscheulichem suchen?“

Carver erblasste vor Wut, obwohl seine Hand diesmal nicht den Schwertgriff berührte. „Ich schwöre beim Erbauer, Ihr kleiner, dreckiger-“

„Ihr beide.“

Nathaniel stand auf und staubte Sand von seiner Tunika, ohne einen von ihnen anzusehen. So wie ungehorsame Kinder, die nicht mit Aufmerksamkeit belohnt wurden. Einen kleinen Neffen zu bekommen hatte den Howe offensichtlich mit der neuen Fähigkeit beschenkt, auch alle Anderen wie Kinder zu behandeln.

„Die Bemühungen des Prinzen sind wahrscheinlich nutzlos und werden von seinem Umfeld nicht lange hingenommen werden. Doch selbst bis dahin muss er gewisse Regeln respektieren.“ Nathaniel neigte seinen Kopf gen der Silhouette von Kirkwall in der Ferne. „Wenn er die Unterstützung des Adels will, muss er ihn ehren.“

Und als der Kommandant von Vigils Wacht war Nathaniel der Arl von Amaranthine, wie es sein Geburtsrecht bereits für ihn vorgesehen hatte. Seltsamerweise trug das nicht dazu bei, Anders zu beruhigen; im Gegenteil, er begann unvermittelt, sich erst jetzt wie krank zu fühlen.

Die schützende Hand eines Adligen, die über ihn gehalten wurde, um den Makel seiner Magie zu legalisieren. Es war das Tor zu Willkür und grausamer Ruchlosigkeit, wie die Magister von Tevinter sie praktizierten. Wenngleich es diesmal von einem Freund ausging, dem er vertraute, und bloß aus Notwendigkeit geschah, weckte es ein übles Gefühl von Fehlverhalten in ihm.

Es ist anders. Es ist gerecht.

Wenn er es nach der Unerschütterlichkeit beurteilte, mit der dieser Gedanke in ihm aufstieg, war es nicht sein eigener.

Carvers Anspannung hatte sich ein wenig gemildert, doch er schien nicht mehr in der Stimmung zum Essen zu sein. Er nickte abgehackt, seine Kiefer kauten auf etwas herum, das ebenso gut Goran Vaels Herz hätte sein können. Zevran tätschelte ihm einigermaßen besänftigend den Rücken – ob aus Mitgefühl oder mit subtilem Spott, konnte Anders nicht erkennen.

„Warum so mürrisch, mein Freund? Ich kenne da etwas, das Euch garantiert aufheitern wird: eine kultivierte Schlägerei in dieser überaus romantischen Szenerie. Sobald wir auf irgendetwas stoßen, das es wert ist, Stahl dagegen zu ziehen, gehört es ganz Euch.“

Ah, ja – das war die gesunde Reaktion auf jegliche Art von Problem, oder? Nachdem man ihn wie ein Maultier an einem Strick herumgeführt hatte und ihm in etwa gleich viel Mitspracherecht zugebilligt hatte, war Anders danach, Feuerbälle auf jemanden zu schleudern. Trotz seiner Gabe der Heilung war das immer noch seine Lieblingsmethode, um Frust abzubauen.

„Es wird zunehmend wahrscheinlich, dass ich Moos ansetzen werde, bevor irgendeine von den weichen Kreaturen sich dazu bequemen wird, sich zu bewegen.“ Shales knirschende Stimme gab einen Hauch von Gereiztheit wieder, als der Golem sich erhob und einen kurzen Blick in den Himmel warf. „Ich finde es überaus ermüdend“, fügte er zwecks Betonung hinzu.

Nathaniel nickte knapp, sein Mund hatte sich erneut zu einer grimmigen Linie in seinem Gesicht zusammengepresst. „Gehen wir.“

 

Er hätte sich niemals darauf einlassen dürfen.

Der Satz wiederholte sich in Anders‘ Gedanken; nachdem er wusste, was in Kirkwall vor sich ging, fühlte es sich umso falscher an, jetzt nicht dort zu sein. Und was das Ganze noch schlimmer machte, er hatte keine Ahnung, zu welchem Zweck er überhaupt hier war.

Der Architekt war tot. Dragos Ruhe mochte auch den Held von Ferelden verschlungen haben, aber die Kreatur war gestorben. Anders hatte sie fallen sehen, seine Wächtersinne hatten ihren Tod gespürt. Die Erinnerung war von seinen eigenen aufgewühlten Gefühlen getrübt, doch diese Schwäche hatte Gerechtigkeit nicht.

Nachdem der verstorbene Kommandant Anders und Sigrun weggeschickt hatte, um die verderbte Zwergin zu verfolgen, hatte er sich mit den verbleibenden Kämpfern auf die Suche nach der Mutter gemacht. Anders‘ Erinnerungen hatten sich an diesem Punkt mit Gerechtigkeits vermischt, weshalb er auf Ereignisse zugreifen konnte, die er selbst nicht erlebt hatte. Sigrun und er waren umgekehrt, sobald die grauenvollen Schreie der Kinder erklungen waren, aber die Schlacht war bereits vorbei gewesen, als sie angekommen waren.

Sie hatten die Zwergin nie gefunden.

Konnte das die Wächter alarmiert haben? Dragos Ruhe war, gelinde gesagt, ein ganzes Stück von Kirkwall entfernt, und hätte Hawke seine neugierige Nase nicht in die Thaigs gesteckt, hätten die Grauen Wächter nicht einmal gewusst, dass diese kein exklusives Gebiet mehr waren.

Ein Schatten tauchte in seiner Peripherie auf und lenkte ihn mit stummer Beharrlichkeit ab, bis Anders endlich geruhte, ihn zu bemerken. Der Magier rieb sich die Augen und fühlte das Brennen von salzigem Wind in seinen Augenwinkeln. „Ja, Elf?“

Fenris starrte geradeaus. „Ich wurde aufgefordert, neben Euch zu gehen.“

Nathaniel und seine verblödete Marschordnung – dachte er wirklich, dass Anders davonrennen würde? Der Heiler seufzte. „Wie Ihr sehen könnt, grübele ich bereits. Bietet Ihr mir Eure fachkundige Unterstützung dabei an?”

„Ich ziehe es vor, wenn Ihr den Mund geschlossen haltet.“

„Man hat mir schon öfter gesagt, dass ich dann erheblich charmanter bin.“

„Unwesentlich.“

„Also gut, was habt Ihr auf dem Herzen?“ Anders schmunzelte ätzend. „Welcher glücklichen Fügung schulde ich es, in den Genuss Eurer überwältigenden Unterhaltungskünste zu kommen?“

Fenris musterte ihn kalt, aber er bestritt es nicht. Schließlich sagte er: „Wenn die Patrouille nur eine Zurschaustellung zielloser Aktivität war, warum waren dann keine Templer dabei?“

Anders zuckte mürrisch mit den Schultern. „Wie wollt Ihr wissen, dass es keine gab?“

„Keiner von ihnen trug das Wappen der Kirche.“ Mit einem Mal beobachtete Fenris ihn mit beunruhigender Intensität, als hätte irgendetwas an Anders‘ Reaktion ihn wachsam werden lassen. „Selbst wenn sie das Wappen ausgelassen hätten, wäre es nicht möglich. Starkhaven ist zu weit weg.“

„Und?“, brummte Anders. Er hatte entschieden das Gefühl, wie ein Trottel behandelt zu werden.

Es war gut, wenn die Leute ihn für dumm hielten. Es war weniger gut, wenn er das selbst von sich dachte.

„Lyrium.“ Fenris klang schnippisch. “Sie hatten keines bei sich. Wären sie den ganzen Weg von Starkhaven bis hierher gereist, selbst zu Pferde, und hätten dabei einigermaßen gründlich nach Blutmagiern Ausschau halten müssen, wären mittlerweile Symptome aufgetreten.“

„Ah.“ Anders kam nicht umhin, zumindest kurzzeitig verlegen zu werden. Er war gezwungen, sein ganzes Leben mit den Templern und ihren Praktiken zu teilen, und von allen Leuten auf dem Werk des Erbauers musste ausgerechnet Fenris ihn darauf aufmerksam machen, dass etwas an Nathaniels Geschichte nicht stimmte?!

Beim Erbauer, ich werde endgültig zu alt dafür.

„Woher wisst Ihr, dass sie… keins hatten?“

„Ich weiß es.“ Die Endgültigkeit in Fenris‘ Stimme besagte deutlich, dass er nicht näher darauf eingehen würde, und Anders ließ es darauf beruhen.

Gerechtigkeit hatte ebenfalls ein feines Gespür für Lyrium; das Mineral in dem wimmelnden Bienenstock zu spüren, der Kirkwall nun mal war, war schwierig, und solange Anders keinen Fuß auf die Insel der Galgenburg setzte, konnte er das schwache Kribbeln unterdrücken. Hier in der offenen Landschaft sollte er allerdings in der Lage sein, das Lyrium zu fühlen, das Nathaniel bei sich trug, auch wenn die Menge gering war. Ganz zu schweigen von dem Glühwürmchen neben ihm.

Wenn Glühwürmchen glühten, signalisierten sie damit ihren Wunsch, sich zu paaren. Wenn man dasselbe über Fenris sagen könnte, wären ein paar Dinge viel einfacher. Oder… vielleicht auch nicht.

„Das heißt vermutlich bloß, dass die Kirche keine Lust hatte, bei Gorans Scharade mitzuspielen, und jetzt hofft er, dass niemand zu genau hinschaut.“ Anders kratzte sich die Kopfhaut unter seinem kurzen Zopf. Sie hatten erst eine Nacht an der Küste verbracht, und schon fühlte er sich, als hätte er überall Sand.

„Ihr wollt also nicht glauben, dass er gelogen hat.“ Fenris klang nicht überrascht, als hätte er diese Art von Reaktion erwartet. Ganz offensichtlich hatten die Jahre mit Hawke es noch nicht geschafft, in ihm einen festen Glauben an so etwas wie Freundschaft zu pflanzen. Das, oder er war aus irgendeinem Grund sehr entschlossen, Nathaniel zu misstrauen.

Anders funkelte ihn finster an. Das konnte er morgens am besten. „Bei Andrastes stählernem Mieder, Elf, wofür haltet Ihr mich? Für Euren Komplizen?!“ Er schaute sich flüchtig nach den anderen um, die scheinbar keine Notiz von ihrem leisen Gespräch nahmen. „Macht Ihr immer einen Oger aus einem Opossum, oder passiert Euch das ganz von allein?“

Fenris erwiderte seinen bösen Blick mit gesunder Abneigung; Anders konnte darin jedoch nicht lesen, ob darunter noch etwas Anderes lauerte. Fenris war engstirnig und manchmal unumwunden grausam, aber er spielte Menschen nicht gegeneinander aus. Er konnte schmerzhaft ehrlich sein, und wenn er ernsthaft beunruhigt war… Nur warum wandte er sich damit an Anders?

„Der Kommandant hat einen Meisterspion angeheuert, um ihn mit Informationen zu versorgen, und scheitert dann an einem derart durchsichtigen Manöver?“

Anders stöhnte gereizt. „Bitte, fragt ihn einfach! Oder hattet Ihr den Eindruck, dass ich derzeit irgendwie in die Planung eingeweiht bin?”

„Aber Ihr seid-“

„Fenris!“

Beide drehten sich um, um prompt festzustellen, dass die anderen bereits innegehalten hatten und eine ganze Strecke zurückgefallen waren. Carver hob seinen Arm, um sie hastig herüberzuwinken, doch Zevran drückte diesen sanft herunter.

Nathaniel war ebenfalls stehengeblieben, er verharrte nahezu bewegungslos vor einem felsigen Engpass auf ihrem Weg.

„Ihr angeregtes Gespräch wurde endlich unterbrochen“, bemerkte Shale, wobei seine knirschende Stimme einem gedehnten Murmeln nahekam. „Es scheint, als seien wir in einen Hinterhalt geraten.“

Nathaniel streckte seine Hand langsam nach dem Pfeilköcher aus. Carver begann, sein Schwert zu ziehen: das schabende Geräusch war in der unnatürlichen Stille geradezu laut.

Anders wusste, dass die wahre Gefahr eines Hinterhalts, selbst für eine Gruppe, die so gut ausgerüstet war wie diese, im ersten Angriff lag. Der Bolzen einer Armbrust oder, was der Erbauer verhüten möge, Gaatlok, konnte selbst eine schwere Rüstung durchschlagen und sich dabei zu schnell für jeglichen Reflex bewegen. Gleichzeitig waren die Nerven der Angreifer unter Anspannung, und wenn ihre Beute sich furchtlos zeigte, würden sie vielleicht ganz von ihrem Hinterhalt ablassen.

Sicher, Shales Kristalle waren wahrscheinlich ein Vermögen wert. Aber es hing ein ganzer Golem daran. Wer so verzweifelt war, war selbst in der Knochengrube noch besser aufgehoben.

So oder so war die Gefahr in Anwesenheit eines Golems und eines Heilers drohend, doch nicht tödlich. Dennoch spürte Anders, wie sein Blut in seinen Ohren rauschte, als er seine Finger um seinen Stab schlang, bereit, einen Pfeil mit einem Stoß arkaner Magie abzuwehren. In dieser speziellen Disziplin war er nicht sonderlich gut, aber solange ihm niemand in die Quere kam…

Der Regen aus kurzen, spitzen Speeren setzte plötzlich und heftig ein. Anders hatte kaum noch Zeit, seinen Stab zur Verteidigung zu heben, bevor einer knapp an seinem Hals vorbeisauste und sich in den sandigen Boden bohrte. Fenris pflückte einen anderen Speer aus der Luft, noch bevor dieser seine Rüstung treffen konnte, und warf ihn beiseite, als läge nicht mehr Wucht hinter dem Geschoss als hinter einem harmlosen Stock. Ein weiterer Speer kratzte über Shales steinernen Körper, und der Golem knurrte ärgerlich.

„Tal-Vashoth!“

Carvers wütender Schrei brach den Bann.

Qunari tauchten auf den Felsen auf, ihre erschreckend geschickten Bewegungen straften ihre massigen Gestalten Lügen. Ein paar von ihnen trugen Speerschleudern, die sie bereits für einen weiteren Angriff geladen und gehoben hatten, andere schwangen Streitäxte, als besäßen sie keinerlei Gewicht.

Anders war selten so froh gewesen, Banditen auf sich zustürmen zu sehen. Magie schoss in seine Fingerspitzen und erfüllte sie mit einem grimmigen Kitzeln, und als die erste Flammenlohe einen Angreifer einhüllte, verstummten seine bohrenden Gedanken endlich.

 

„Diese waren… weniger klein.“

„Das ist der Reiz des Reisens, mein Lieber – neue und aufregende Dinge zu erleben.“ Zevran zog seinen Dolch aus der Augenhöhle eines toten Tal-Vashoth und versuchte mit geringem Erfolg, die Klinge an dem gehärteten Leder der Kleidung abzuwischen, die der Gefallene trug. Er seufzte und zog einen Lumpen aus seiner Tasche, um die Klinge zu säubern. „Abwechslung ist wirklich die Würze des Lebens, nicht wahr?“

Shale grunzte vieldeutig. „Diese fallen schwerer. Und reden weniger.” Der grobschlächtige Kopf neigte sich leicht zur Seite. „Ich mag das.“

Sie hatten sich nach dem Kampf wieder versammelt, um Blut abzuwaschen und Verletzungen zu überprüfen. Obwohl es keine Überraschung war, dass ein Golem ein mehr als schmutziges Schlachtfeld zurückließ, hätte Anders fast denken können, Dworkin hätte hier gewütet. Shale hatte massive Steinbrocken aus dem Boden gerissen, um sie auf die Tal-Vashoth zu werfen, und dabei geknurrt, dass wenn sie mich mit Stöcken bewerfen, sollten sie damit rechnen, von mir dafür mit Kieseln beworfen zu werden.

Mittlerweile erwog Anders sehr ernsthaft, die Federn von seinen Schulterklappen abzunehmen.

„Ihr habt noch nie gegen Qunari gekämpft?“

Fenris unterbrach sich kurz dabei, eine Leiche zu durchsuchen, um Shale mit ehrlichem Erstaunen anzusehen – als hätte er das bezweifelt, wenn es irgendjemand anders gesagt hätte. Shale schien daraufhin über den Unterschied von einer matschigen Kreatur zur anderen nachzudenken.

Er kann sich ein Land, wo die Qunari keinen Einfluss haben, nicht vorstellen. Für ihn sind sie immer da gewesen.

Anders‘ Lippen krümmten sich zu einem flüchtigen Grinsen, als er einen kleinen Schnitt auf Carvers Handrücken schloss. Der junge Wächter funkelte ihn düster an – ob wegen der Heilung oder des Händehaltens, wusste Anders nicht. Vermutlich für beides. „Das war ein Kratzer“, murrte Carver und riss seine Hand aus Anders‘ Griff.

„Wo ich herkomme, tauchen die Orth ihre Pfeile in ihren eigenen Dreck, um ihre Feinde selbst dann dahinsiechen zu lassen, wenn sie ihnen entkommen.“ Anders klopfte Carver belustigt auf den gepanzerten Arm. „Ich mag’s nicht, wenn Menschen an Scheiße sterben. Passiert häufiger, als man denkt, kleiner Hawke.“

Nathaniel steckte einen weiteren gereinigten Pfeil in seinen Köcher, und die Furche zwischen seinen Augenbrauen vermittelte deutlich: Du musstest einfach Streit suchen, oder? Dann entschied er sich nur knapp dagegen, seinen Verdruss zu äußern.

„Ihr habt eine effektive Technik“, begann er, ohne Fenris dabei anzuschauen, wenngleich er offensichtlich mit ihm redete. Effektiv war überhaupt ein unangenehm passendes Wort für die Art, wie Fenris kämpfte. „Ich würde Euch mit Freuden bei den Grauen Wächtern willkommen heißen.“

Fenris gönnte ihm keinen Blick. „Ich habe bereits eine Verderbnis in meinen Adern. Ich werde keine Zweite suchen.“

Shale beendete seine Überlegung bezüglich einer Antwort just in diesem Moment.

„Keine mit Hörnern.“

Zevran lachte leise. „Männer mit Hörnern – ah, die Konstellation ist zu schön, um darüber keine Scherze zu machen.“

„Üblicherweise sind die Hörner länger“, warf Fenris ein, womit er bei Zevran eine weitere Welle von Heiterkeit auslöste. Shale wandte sich zu ihm, das Glühen seiner Augen schien ihn mit so etwas wie Neugier zu betrachten. „Wie erklärt es dann, dass der Qunari keine hatte?“

Fenris war sichtlich verwirrt, aber er beschloss, sowohl Zevrans mehr oder weniger leises Amüsement zu ignorieren als auch die Tatsache, dass Shale von lediglich einem Qunari sprach. „Das sind Tal-Vashoth. Sie haben sich vom Qun abgewandt und unterscheiden ihr Aussehen von dem Antaam.“

„Hornlos, ich verstehe. Vermutlich, damit man ihnen wieder die Hörner aufsetzen kann”, kommentierte Zevran, dann schüttelte er den Kopf und gab etwas von sich, das verdächtig nach einem Kichern klang.

Vielleicht taten die Krähen von Antiva das, um ihr Tagewerk auf gesunder Distanz zu halten. Anders konnte sich schlimmere Wege der Bewältigung vorstellen, als fadenscheinige Anzüglichkeiten zu reißen. Und bessere.

Shale seufzte mit leichter Frustration. “Für mich sehen sie ohnehin alle gleich aus.”

Anders wandte den Kopf, um einen der Körper zu mustern, dabei stellte er fest, dass er nicht widersprechen konnte. Die Gesichter waren unerbittlich und verschlossen, selbst das Blut konnte man mit der roten Kriegsbemalung der Qunari verwechseln. Aber über alldem lag Tod, und das glich alles aus. Anders hatte genug davon gesehen, um zu wissen, dass was auch immer manche darüber sagten, wie leicht Tod und Schlaf miteinander zu verwechseln waren, es war nicht wahr. Nichts konnte mit dieser Leblosigkeit verwechselt werden.

„Bald werden sich hier Aasfresser versammeln“, stellte Carver mit einem Blick in den Himmel fest. „Die Möwen könnten-“

„Wir gehen“, unterbrach Shale ihn mit einiger Entschiedenheit und löste seine Aufmerksamkeit sofort von den Gefallenen. Anders sah keinen Grund, etwas einzuwenden – beim Atem des Erbauers, sie plauderten hier inmitten von Leichen. Dunkelstadt hatte ihn gegen den Geruch abgehärtet, doch das subtile Gefühl von Gleichgültigkeit war nicht dort geboren worden. Gerechtigkeit hingegen zollte diesen Dingen wenig Beachtung.

„Wartet.“

Fenris war als Einziger geblieben, wo er war. Er hatte seine Augen nicht von einem Tal-Vashoth genommen, seine Finger berührten behutsam den Stumpf eines Horns. „Es wurde abgesägt“, murmelte er.

„Und?“ Nathaniel war zu diplomatisch, um ungeduldig zu klingen, allerdings war sein Tonfall auch nicht ermutigend.

„Kein Tal-Vashoth würde das tun.“ Fenris‘ Lippen spannten sich leicht, als er mit dem Handballen erneut über die kleine Hornplatte strich, bevor er sich elegant erhob. „Sie hacken sie ab. Die Hörner wachsen niemals nach, je näher das Horn daher am Schädel abgeschlagen wird, desto bedrohlicher und furchtloser erscheint der Träger.“

Nathaniel antwortete nicht, trotzdem konnte Anders sehen, wie seine Ruhe sich verflüchtigte. Zevran beäugte die Körper mit neuem Interesse, aber bevor er vorschlagen konnte, das genauer zu untersuchen, hob der Kommandant eine Hand. „Wir müssen weitergehen.“

Seine Worte ließen keinen Raum für Diskussionen, und er wandte den Seitenblicken, die in der Gruppe ausgetauscht wurden, den Rücken zu. Anders spürte, wie Fenris‘ stechendes Augenmerk sich mindestens durch seine oberste Hautschicht bohrte. Der Elf gesellte sich kein weiteres Mal zu ihm, noch sprach irgendjemand. Nathaniel hatte ein fordernderes Tempo angesetzt, das sowohl Energie als auch Konzentration verlangte.

Etwas geht hier vor sich. Fenris könnte Recht damit haben, dass uns etwas bevorsteht, und wenn die Forschung des Architekten daran beteiligt ist, tut Nate falsch daran, es geheim zu halten. Du tust falsch daran, es geheim zu halten.

Gerechtigkeit antwortete ihm nicht. Sein Schweigen war so tief, dass Anders begann, die langsame Berührung von Angst in seinem Unterbewusstsein zu spüren.

 

Nathaniel ließ sie bis tief in die Nacht marschieren. Als sie endlich das Lager aufschlugen, hatte selbst Zevran keine Lust zum Reden mehr, und Carver wirkte, als sei er bereit, in das nächste sich bewegende Objekt zu beißen, das auch nur entfernt essbar aussah. Es würde eine kurze Nacht werden, und Anders zog eine Grimasse bei dem Gedanken, sie noch mehr zu verkürzen, indem er Nathaniel konfrontierte. Seine Müdigkeit war nicht das Einzige, das ihn widerwillig machte; ein Teil von ihm schien dagegen zu sein, das Thema anzusprechen. Mittlerweile war klarer geworden, was diese Tendenzen verursachte.

Sie hatten kein Feuer angezündet, und der scharfe Wind empfahl, sich irgendwo in den Windschatten zu kauern. Das Wetter veränderte sich zum Schlechten, je weiter sie nach Westen kamen; nicht mehr lange, und sie würden auf die ersten Ausläufer des Planasene-Waldes stoßen.

Nathaniel hob eine Hand, als Anders an ihn herantrat. Im spärlichen bisschen Mondlicht war seine Miene nicht zu lesen, und der Kommandant hatte jegliches Licht außer ein paar Leuchtsteinen verboten.

Unnötig zu sagen, dass all diese schwachen Spuren von Lyrium Gerechtigkeit – und somit auch Anders – allmählich schwindlig machten. Er konnte sich nicht erinnern, dass es jemals so schlimm gewesen war, andererseits konnte er sich auch nicht erinnern, seit wann Gerechtigkeit so überaus… aufmerksam auf seine Umwelt war.

„Wir reden morgen“, schnitt Nathaniel ihm das Wort ab, bevor Anders überhaupt den Mund geöffnet hatte.

„Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du deine Schlafmatte mit mir teilen willst, aber Howdy, du denkst wie immer schon voraus“, schnurrte er stattdessen und fing sich dafür sofort einen eisigen Blick. „Die Antwort ist Nein.“

„Ja, das sagst du zuerst immer.“

„Wir kampieren also zusammen? Das gefällt mir, wirklich sehr geschickt.“ Zevran warf Fenris ein Lächeln zu, das im fahlen Licht geradezu strahlte. „Ihr seht aus, als könnte Euch morgens kalt sein“, bemerkte er mit einem koketten Unterton, der kaum zu überhören war.

„Ich schlafe in meiner Rüstung“, parierte Fenris barsch, und seine Stimme implizierte: Und zwar in der Ganzen. Er hatte nicht bestritten, frieren zu können, und doch – der Erbauer musste demjenigen beistehen, der sich dessen annehmen wollte.

Der kurze Schlagabtausch hatte Nathaniel genügt, um seine Fassung wiederzugewinnen. Der Blick, den er auf Anders richtete, war ernst und ohne jeglichen Hohn.

Na gut… Es war anzunehmen, dass es nicht so unentschuldbar war, die dringend benötigte Erklärung für all das ein paar Stunden nach hinten zu verschieben. Sie würden morgen alle ruhiger sein und weniger anfällig für Überreaktionen, was wahrscheinlich der Grund war, warum Nathaniel diesen Zeitpunkt ausgewählt hatte. Selbst Fenris schien die Verzögerung zu akzeptieren, also warum sollte er darauf beharren?

Anders zog es vor, zu denken, dass das seine Entscheidung war. Er ließ sich auf dem harten Boden nieder und arrangierte seine Matte so bequem, wie es ihm eben möglich war. Bis er schließlich an so etwas wie Abendessen gekommen war und zumindest aufgehört hatte zu zittern, war Nathaniel schon für seine erste Wache verschwunden.

In dieser Nacht schlief Anders ruhig, weder Dunkle Brut noch das Nichts infiltrierten seine Träume. Daher erschienen diese Stunden aus verständlichen Gründen viel zu kurz, und als eine Hand ihn beharrlich wachrüttelte, war er versucht, sich einfach zu wehren.

Der verdammte Elf gibt einfach nicht auf, schläft er denn nie?!

In diesem Moment begriff Anders, dass es Tag war. Der Wind war nicht schwächer geworden, und das Meer war aufgewühlt, doch der Morgen kündigte sich sonnig und mit einem nahezu blauen Himmel an.

Nathaniel war verschwunden.

Keine Rast den Verdorbenen

„Auf die Gefahr hin, eine Antwort zu bekommen, die ich vor dem Frühstück nicht hören will… Was bedeutet das?“

Anders rieb sich die Augen und blinzelte, um seine Sicht zu schärfen. Sein Körper war noch steif von den kalten Überresten aus Schlaf, und sein Verstand holte nur träge auf.

Carver hatte sich aus seiner Hocke erhoben und weggedreht; seine Schultern waren angespannt, seine Stimme nervös. Allerdings nicht zu nervös, um einen dienstälteren Wächter zu ignorieren. „Wie lange?“

Zevran befühlte die verlassene Schlafmatte bereits mit seinen bloßen Händen, dann überprüfte er den Sand auf Fußabdrücke. Obwohl Anders von Spurensuche nicht allzu viel verstand, ahnte er, dass es ein fruchtloser Versuch war. Der Wind war kräftig, jegliche Art von Fährte war vermutlich schon längst verweht worden. Wenn nicht, würde er sich glücklich schätzen, niemals von den Krähen von Antiva als Ziel markiert worden zu sein.

„Eine ganze Weile“, murmelte Zevran. „Tatsächlich würde ich sagen, dass er sich nicht einmal hingelegt hat.“

Als wäre die Sachlage nicht eh schon im Arsch. Anders kämmte ein paar Haarsträhnen mit den Fingern zurück in sein Haarband und sah sich flüchtig um. Shale beobachtete Carver stoisch, oder hatte zumindest seinen Kopf in diese Richtung gewandt. Fenris zog seine Panzerhandschuhe langsam über: seine düstere Miene verriet nichts Gutes.

Nathaniel hatte sein Bündel zurückgelassen, und Zevran begann ohne Zögern, es zu durchsuchen. Er machte darüber keinerlei Bemerkungen, was entweder bedeutete, dass er besorgt war oder nichts Interessantes fand. Zum Beispiel orlaisianische Seidenunterwäsche oder etwas in der Art.

„So.“ Fenris hob den Kopf und dehnte seine Finger. Die scharfen Stahlplatten klickten bei jeder Bewegung. „Euer Kommandant hat also seine eigene Mission im Stich gelassen.“

„Ganz sicher nicht.“ Die ruckartige Vehemenz machte Anders‘ Stimme noch rauer, als sie sonst morgens klang. „Unmöglich.“

Carver warf ihm einen Blick zu, als hätte ihn so viel Loyalität – oder Dummheit – überrascht. „Shale“, schnaubte er, und wenn er dabei nicht ständig sein Gewicht verlagert hätte, hätte Anders ihn für recht beherrscht gehalten, „würdet Ihr dem Magier wiederholen, was Ihr gesehen habt?“

Wie zuvorkommend, ihn als Letzten zu informieren. So gern Anders seine Ruhe hatte, konnte er nicht glauben, dass er den ersten Tumult verschlafen hatte – selbst Fenris wirkte, als sei er bereits seit Minuten wach, und der Elf hatte nicht mal den Anstand, dabei zerzaust zu erscheinen. Wahrscheinlich war es bei so viel Grazie ein Alptraum, neben ihm im Bett aufzuwachen.

„Der Kommandant hat Wache gehalten.“ Shale klang ermattet, als hätte Anders ihm zuvor absichtlich nicht zugehört. „Dann kam es zurück und bat mich, zu übernehmen. Sehr höflich. Die weichen Kreaturen ruhen lassen. Es hat sich einen erhöhten Platz auf den Klippen gesucht. Bei Tagesanbruch war es verschwunden.“

„Warum habt Ihr niemanden geweckt?!“, fauchte Carver, seine Rüstung klirrte, als er frustriert seine Arme hochwarf.

„Ich dachte, der Sinn einer Wache bestünde darin, andere fernzuhalten, nicht die weichen Dinge hierzubehalten.“ Obgleich Shale kaum verändert klang, blitzte etwas in seiner Stimme auf, das wie Gereiztheit zu klingen begann. „Wenn der Kommandant wünschte, in der Dunkelheit herumzusitzen, sollte es.“

„Nehmt es nicht persönlich, mein Lieber.“ Zevran schob das Bündel beiseite und lächelte. „Der junge Hawke ist lediglich besorgt um seinen Vorgesetzten, nicht wahr? Wie auch immer, es fehlt nichts. Zumindest nichts von Bedeutung, nicht einmal Vorräte.“

„Aber sein Bogen.“ Fenris schien die Antwort bereits zu kennen, seine Augen fixierten Anders bohrend. Wie um ihn herauszufordern, dagegen zu widersprechen. „Dieser Bogen schien ihm sehr wichtig zu sein.“

Es stimmte, sein Bogen war das Einzige, was Nathaniel niemals zurücklassen würde; alles Andere war für ihn ersetzbar. Nicht, dass Anders das zugeben würde. „Natürlich hat er seinen Bogen mitgenommen, um Wache zu halten. Er mag ihn verhätscheln wie einen Säugling, aber es ist eine verdammte Waffe!“

Carver war seltsam still geworden, seine Augen flatterten zwischen Anders und Fenris hin und her. Während er es wohl vorgezogen hätte, Ersterem zu glauben, war er immer noch ein Flüchtling: das Erste, was man auf der Flucht lernte, war dass Vertrauen ein Ballast war, für den man sehr leicht zurückgelassen werden konnte. Ironischerweise hatten alle drei von ihnen das erlebt.

„Er hat die Entdeckung seines Verschwindens so lang wie möglich verzögert“, entgegnete Fenris unbeeindruckt. Seine Augenbrauen begannen, eine verärgerte Linie zu formen. „Er hat das nicht aus einer Laune heraus getan.“

Ohne es zu wollen, hustete Anders ein schon beinahe amüsiertes Kichern aus – vielleicht gingen seine Nerven allmählich mit ihm durch, doch die bloße Vorstellung, dass Nathaniel irgendetwas spontan du im Affekt tat, war lächerlich. Der Mann hasste Handlungen, die nicht in mindestens zwanzig mögliche Szenarien geplant worden waren.

Was bedeuten würde, dass er diesen Morgen beabsichtigt hatte, noch bevor sie Kirkwall verlassen hatten.

„Was, wenn er überwältigt würde?“

Wie auf ein Stichwort zuckte Zevran mit den Schultern. „Ich habe den Ort gefunden, wo er Wache gehalten hat, aber es gab keine Hinweise auf einen Kampf. Wobei ich zugeben muss, dass ich kein Waldläufer bin, und der Boden dort ist zu hart für Abdrücke. Anders könnte Recht haben.“

Es war eher eine Gefälligkeit als wirkliche Unterstützung, aber Anders wusste auch, dass es besser nicht werden würde. Vernünftig betrachtet erschien es wirklich, als hätte Nathaniel sie in der Wildnis zurückgelassen, obwohl er zuvor einige Anstrengungen unternommen hatte, um seine Gruppe zu rekrutieren. Was das unmöglich machte, war dass Anders es einfach nicht glauben konnte. „Er ist ein Kommandant. Warum sollte er uns zurücklassen?“

„Sein Rang ist mit einem Titel verbunden. Einem, den er, wie ich es verstanden habe, ohnehin durch seine Abstammung hätte erben sollen.“ Fenris hatte die Arme verschränkt, eher eine Geste der Frustration als des Ärgers. „Eure Freundschaft zu ihm macht Euch blind. Es ist ehrenhaft, aber armselig.“

„Wir sind nicht allzu weit von Kirkwall entfernt“, bemerkte Carver, die Müdigkeit in seiner Stimme gab Fenris‘ Position Recht. Anders konnte sehen, dass es ihn dennoch belastete. „Er hat uns nicht an einem Ort zurückgelassen, wo wir den Rückweg nicht finden können.“

Anders starrte ihn an – tatsächlich hatte er das böse Gefühl, dass er gaffte wie ein Idiot. „Ihr wollt zurückkehren?“

Carver spuckte einen Klumpen nasses Irgendetwas in den Sand, dann erwiderte er seinen Blick. Seine blassen Wangen röteten sich von machtloser Wut, als die Worte einen wunden Punkt trafen. „Was soll ich sonst tun?! Ich weiß nicht mal, was Kommandant Howe in den verdammten Ruinen wollte, ganz davon zu schweigen, was ich mit einem Abtrünnigen soll, wenn wir in eine Patrouille rennen! Ich bin kein Arl, ich muss zur nächstgelegenen Festung-“

„Das ist lächerlich!“

„So lautet mein Befehl!“

„Wen interessiert der – Ihr habt einen Kopf, Junge, benutzt ihn!“

„Ich sehe mich einem guten Beispiel gegenüber, wohin mich das bringen würde, in eine verrottende Gosse, während der Wahnsinn auf meiner Türschwelle heult!“

„Und ich dachte immer, Heiler hätten ein sanftes Temperament“, seufzte Zevran, gerade laut genug, um es Anders hören zu lassen, als er bereits den Mund geöffnet hatte, um zurückzubrüllen. Es ließ ihn lange genug innehalten, um sich bewusst zu werden, dass er nicht einmal bemerkt hatte, wann er die Stimme erhoben hatte, geschweige denn dass er sich erinnerte, wann dieser plötzliche Zorn in ihm aufgestiegen war.

Andrastes stählernes Mieder, er ist bloß ein Junge. Wir haben schlimmere Probleme!

Sagte er das zu sich oder zu Gerechtigkeit?

Weder Shale noch Zevran drückten einen Wunsch aus, ihre Meinung kundzutun, allerdings hielt Anders es für besser, seine Aufmerksamkeit von Carver abzuwenden. Es war, als müsste er sich wieder ins Gedächtnis rufen, dass der Kerl kein Templer war, und der Erbauer möge ihnen beistehen, sie waren ähnlich erschüttert. Es war wirklich nicht nötig, einander anzubellen wie Straßenhunde.

Trotzdem – wenn das hier irgendein idiotischer Streich war und Nathaniel ihnen von einer Klippe aus zusah, würde Anders ihm einen Feuerball in den Arsch schieben.

„Was haltet Ihr davon?“

Einen Golem und einen Assassinen nach ihrer Meinung zu befragen musste einfach die Einleitung eines einfallslosen Witzes sein.

„Größtenteils gar nichts.“ Zevran wischte die Debatte mit einer leichtfertigen Handbewegung beiseite. „Ich habe einen Vertrag mit dem Kommandant. Dieser wurde nicht erfüllt. Und mein effektiver Freund erhält eine reguläre Bezahlung.“

Geld. Darüber konnte man reden… Anders kratzte sich die Stoppeln auf seinem Kinn und richtete ein neugieriges kleines Lächeln auf Fenris. „Ihr auch, Grübler?“

Der Blick, den ihm Fenris unter seinen dunklen Wimpern zuwarf, war giftig genug für ein paar respektable Magenschmerzen. „Die Hälfte“, gab er zu.

„Dann verdient sie.“ Anders deutete auf Carver, der nur mäßig erfreut schien, dass man sich auf ihn bezog. „Der kleine Hawke weiß, wohin wir gehen. Wenn Nate den ganzen Weg von Amaranthine hierhergekommen ist, ist es ihm ernst.“

Fenris musterte ihn erneut mit dieser entmutigenden Schärfe, und Anders betete, dass seine Körpersprache nichts darüber verriet, dass er nicht nur wegen Nathaniels plötzlichem Verschwinden alarmiert war. Der Elf war entschieden zu geschickt dabei, ihn zu durchschauen.

„Ihr seid plötzlich sehr eifrig“, stellte er mit einer beinahe sanften Gelassenheit fest. „Ich dachte, Ihr wärt froh, so bald wie möglich zu Eurer Brutstätte der Magie zurückzukehren.“

Das war, bevor ich befürchten musste, dass die Forschung des Architekten eine Rolle spielt. Außerdem ist Euer Geschmack für Metaphern noch schlechter als meiner.

Anders zwang sich zu einem ekelhaft süßen Lächeln – wenigstens hoffte er, dass es so aussah und nicht wie ein starres Zähneblecken. „Ein Freund von mir ist unter ungeklärten Umständen verschwunden. Zweifellos wäre es genau die richtige Entscheidung, meine Arbeit fortzusetzen, als ob nichts gewesen wäre.“

Shale knirschte leise, ein nichtssagender Laut. Der Golem hatte das Gespräch, das er bereits als ermüdend bezeichnet hatte, bis hierher ertragen, und Anders entschloss sich, dieses Geräusch optimistisch als Zeichen von immerhin schwachem Interesse zu deuten. „Ja, Shale?“

„Bezahlung ist kein Geschenk. Der gefiederte Magier mag vielleicht Recht haben.“ Shales glühende Augen streiften Anders kaum; seine Aussage änderte offenbar nichts an seiner soliden Abneigung gegen Magier. „Auch wenn seine Motive unwichtig sind.“

Ist mir immer ein Vergnügen. Zwei erledigt, weiter geht’s.

Die Mehrheit regierte, allerdings bezweifelte Anders, dass er Shale irgendwohin kriegen konnte, ohne dass Zevran vorher zustimmte, sich dem Ganzen anzuschließen. Er war seit knapp einer Stunde wach, und schon jetzt hatte er genug davon, zwischen Parteien zu vermitteln. Wie hatte Nathaniel das ertragen, ohne gelegentlich jemandem etwas Schweres auf den Kopf zu donnern?

Nun ja, wenn man Fenris Glauben schenkte, hatte er es eben nicht ertragen.

„So entzückt ich auch wäre, Euch zu begleiten“, schnurrte Zevran, bevor Anders auch nur den Mund geöffnet hatte, „fürchte ich, dass mein Fall etwas heikel ist. Kommandant Howe hat mir eine Belohnung versprochen, auf die lediglich er Zugriff hatte. Ich könnte sie von jemandem in ähnlichem Rang erhalten, aber ich brauche eine Art… Versicherung.“

Gerade als er gedacht hatte, die Dinge würden einfacher werden… Anders seufzte und zupfte an seinem Zopf, wobei ein paar Sandkörner in seinen Kragen rieselten. „Könnt Ihr bitte eine klare Forderung stellen, Arainai?“

„Mit dem allergrößten Vergnügen.“ Zevran lächelte ihn entwaffnend an, und Anders bemerkte, dass er ebenfalls vergleichsweise sauber und ordentlich wirkte. Vielleicht war das so eine Art Elfentrick?

„Wir müssen einen neuen Anführer bestimmen. Einen Grauen Wächter, aus offensichtlichen Gründen, und jemanden, der mit Howes Art zu denken vertraut ist.“

Anders fühlte, wie sein Herz in seine Stiefel sank und sich dabei zu dem dort angesammelten Sand gesellte. Er hatte eine Ahnung, wohin das hier führte, und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Und am wenigsten gefiel ihm Zevrans bedeutungsvoller Tonfall.

Erbauer, nein…!

„Deshalb schlage ich vor, dass wir Carver dazu bestimmen.“

Was?!“

Wenn Carver vorher schon blass gewesen war, verlor sein Gesicht jetzt jegliche Farbe. Selbst Fenris schien überrascht, vermutlich fragte er sich, ob er doch Sand in den Ohren hatte. Um dem Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, Anders hatte ebenfalls den Drang, seine Finger in die Ohren zu stecken und zu überprüfen, ob dort irgendetwas Verdächtiges drinsteckte.

Shale war ehrlich gleichgültig. „Heißt das, dass wir dieses Geplänkel hier abbrechen können?“

„Ich… ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist. Nicht das Reden, meine ich. Dieses… Moment, das ist Eure Art, einen Scherz zu machen, oder? Wahnsinnig witzig.“ Carver schüttelte den Kopf; obwohl er den Stimmbruch bereits lange hinter sich hatte, klang das letzte Wort fast schmerzhaft hoch.

Anders war immer noch nicht sicher, ob ihn Zevrans Wahl jetzt erleichtern oder beleidigen sollte.

„Keinesfalls, mein junger Freund.“ Zevran täuschte ein völliges Nichtbemerken von Carvers intuitivem Schrecken vor. „Ihr seid der einzige aktive Graue Wächter, und ich habe vollstes Vertrauen in Euer Können. So wie der Kommandant es tat. Ihr habt die Unterstützung Eurer Freunde,“ jetzt fragte Anders sich, ob es eine Beleidigung für ihn oder Carver war, als Freunde bezeichnet zu werden, „und ich weiß, dass Ihr zu Eurem Wort steht. Wer, wenn nicht Ihr, wäre geeignet, die Führung zu übernehmen?“

Entweder errötete Carver, oder er erholte sich lediglich gerade von seinem Schock und erlangte daher Farbe zurück. Seine geweiteten Augen sprachen von Unsicherheit, und er befeuchtete nervös seine Lippen, nur um sich anschließend daraufzubeißen. Selbst ohne irgendetwas über seine Karriere bei den Wächtern zu wissen, argwöhnte Anders, dass ihn bisher niemand aufgefordert hatte, aus dem Schatten seines Bruders herauszutreten – Nathaniel hatte ihn wegen seiner Blutsbande mitgenommen.

Zumindest hatte Anders das gedacht.

„Ich glaube nicht-“

Jemand muss es tun, das sagtet Ihr selbst. Habt Ihr Eure Meinung geändert?“ Fenris‘ Unterbrechung war nicht allzu heftig, aber Carver schien sich zu straffen. Als er tief einatmete, schien sich die sichtbare Unruhe in seinen Zügen zu legen, und Anders musste ihm ein widerwilliges bisschen Respekt zollen. Nicht ganz so schwächlich, also.

„Kommandant Howe hatte sich Ruinen des Alten Tevinter-Imperiums an den Ausläufern der Vinmarks zum Ziel gesetzt, verstreut in den Panasene-Wäldern. Er hat den Ort auf seinen Karten markiert, doch er war nicht zu genauen Aussagen darüber bereit, was er dort zu finden hoffte.“ Carvers Stimme hatte wieder an Festigkeit gewonnen, als er auf den Inhalt des Bündels deutete, den Zevran zuvor vorbehaltlos überprüft hatte. „Niemand hat ihn gedrängt. Ich erinnere mich bloß, wie Stroud sagte, es sei allemal besser, uns in den Wäldern herumzutreiben als in Kirkwall. Das ist schon alles, was ich Euch sagen kann; mehr weiß ich nicht.“

Immer langsam mit den jungen Pferden, Junge… Das ist mehr, als ich von mir behaupten kann.

Anders spürte, dass dies genau der Moment wäre, um mit einer rührseligen Bemerkung die ungewohnte Ernsthaftigkeit zu zerstören, und sei es nur, um Carver damit auf die Nerven zu gehen und erneut zu betonen, dass dies kein echter Zusammenhalt war, nur ein vorübergehender Schulterschluss zugunsten ihrer individuellen Eitelkeit… Und alles, was es dafür brauchte, war eine einzige, schnippische Note.

„In Ordnung – auf, Trupp Hawke!“

Und doch war es Zevran, der magnetisch sämtliche leere Blicke auf sich zog. Die Krähe senkte die Arme halb, sein Gesicht zeigte dabei eine eigenartige Mischung aus Frustration, Belustigung und Verwirrung. Dann seufzte er tief.

„Südländer. Ihr weigert Euch wirklich, jemals Spaß zu haben, oder?”
 

Sie fanden keinerlei Spuren auf dem Weg, kein Anzeichen, dass Nathaniel oder sonst irgendjemand ihre Straße genommen hatte. Wenn sie zuvor schon schnell gewesen waren, hatte Anders das Gefühl, dass sie jetzt rannten. Und ihm rannte allmählich die Ausdauer davon.

Noch so einer.

„Je weiter wir von Kirkwall wegkommen, desto besser“, erwiderte Carver, wenn er gefragt wurde. Anders wusste nicht, ob er nicht hörte oder schlichtweg ignorierte, dass in diesem Unterton etwas mitschwang von ja, eine kurze Atempause wäre äußerst willkommen, vielen Dank.

„Wenn es ihnen um Magier geht, werden sie kaum vor dem Sunderhügel Halt machen“, widersprach Fenris, und Carver fluchte leise. „Natürlich… Verdammte Dalish.“

Ich will eine Pause.

Verfluchte Säbelrassler, die das einfach mal klarstellen mussten. Anders wusste, dass er den Schmerz in seinen Oberschenkeln und Waden schlichtweg mit etwas Magie auslöschen konnte, doch seine natürlichen Ressourcen darauf zu verschwenden war unklug, selbst wenn er Lyrium hatte. Es dieser Tage zu verdauen fühlte sich… seltsam an, um es so auszudrücken.

„Wir haben keine Zeit zum Faulenzen“, beschied Carver ihn knapp – offenbar erwärmte er sich bereits für seine neue Position, oder er gönnte sich ein freundliches Wortgefecht. Wie immer war Anders reinweg begeistert. „Das Unterholz wird zu dicht, um noch viel zu sehen. Ändert die Aufstellung, Boss.“

Wie durch ein gemeinsames Zeichen kam die Gruppe zum Stehen. Fenris rollte unauffällig seine Schultern, um die Anspannung seiner Muskeln zu besänftigen, sobald er die Gurte von Waffe und Gepäck abgesetzt hatte, und Zevran fegte ein paar tote Blätter von einem Fels, bevor er sich darauf niederließ. „Viel besser… Wenn es so weitergeht, habe ich mir die Stiefel ruiniert, bevor wir in dieser Einöde irgendetwas Interessantes gefunden haben.“ Mit einem kurzen Seitenblick auf Anders, der sich auf den nackten Boden gesetzt hatte, fügte er hinzu: „Und Euren Freund, versteht sich.“

Shale drehte seinen Kopf umständlich, um den Himmel nach Vögeln abzusuchen, grunzte dann zufrieden. „Und keine Vögel.“

„Ein Jammer. Ich hatte auf eine Bereicherung des Abendessens gehofft.“

Fenris verengte die Augen, und Anders nahm an, dass er Zevran davor warnte, es auf eine Bemerkung über den exzellenten Nährstoffgehalt von Fisch und Schalentieren ankommen zu lassen. Sobald die Rationen allmählich schal wurden, würde das eine ziemlich… lebhafte Diskussion geben.

„Ich höre keine. Auch keine Grillen.“

„Schockierend“, brummte Anders und rieb sich seine geröteten Augen. „Macht es Euch auch Sorgen, wenn Ihr das Gras nicht wachsen hört?“

Carver schnaubte, ein Laut, der entweder von Belustigung oder Ermüdung sprach. „Wir hören nicht alle Dämo-“

Es war eigenartig, dass seine Stimme plötzlich zu enden schien. Gleichzeitig schien der Boden unter ihm zu… wanken. Das war unmöglich, oder?

Das ohrenbetäubende Krachen erreichte ihn einen Herzschlag später und schleuderte ihn zur Seite, ließ ihn stumm in einen Himmel starren, der mit einem Mal nicht mehr blau war, sondern schwarz von beißendem Rauch. Für einen beängstigenden Moment verschwand jedes Geräusch.

Ein weiterer Hinterhalt!

Anders griff instinktiv nach seiner Magie und zwang seine Benommenheit zurück, bevor er die Verletzung heilte, die die Druckwelle seinen Trommelfellen zugefügt hatte. Daraufhin kehrte sein Gleichgewichtssinn zurück und ließ ihn wieder Kontrolle erlangen.

Sobald sein Gehör sich erholt hatte, wurde der Lärm ohrenbetäubend. Anders rappelte sich hastig auf und riss seinen Stab aus den Gurten, wobei er versuchte, durch den dicken Qualm zu sehen. Eine weitere Explosion wühlte den sandigen Boden auf und riss einen Krater, wo zuvor eine Pinie gestanden hatte.

Shales raspelnde Stimme erhob sich brüllend über das Chaos, seine Kristalle leuchteten kämpferisch auf seinem Körper und machten es Anders möglich, ihn auszumachen; halb kauernd und anscheinend wohlauf, auch wenn selbst Shales künstliche Augen offenbar keinen Gegner entdecken konnten, denn er blieb, wo er war. Ein klobiger Arm umfasste einen schlaffen Körper, der entweder ohnmächtig war oder zu betäubt, um sich zu bewegen. Wahrscheinlich Zevran. Das ließ noch Carver und Fenris.

Ein zischender Ball rollte gegen Anders‘ Fuß, es handelte sich um ein faustgroßes Stück groben Tons, in dem etwas definitiv Schädliches steckte. Sich von dem verdienten Instinkt leiten lassend, dass alles gefährlich war, was sich von unten anschlich, trat Anders es beiseite und duckte sich – die Explosion, die dem folgte, war beinahe schwächlich zu nennen, die Entstehung von schweflig stinkendem Rauch war hingegen immens. Seine Sicht trübte sich, bis selbst Shales massive Silhouette verschwamm und zu verschwinden schien.

Das war kein Hinterhalt wie der zuvor: jemand vermied geschickt einen Kampf. Wenn sie nicht bald in Deckung vor den Explosionen gingen, würde sich die Lage sehr bald sehr übel wenden.

Anders rannte, schlug Haken, während er seine Magie zu einem Schild formte – er war darin nie sonderlich gut gewesen, und Karl hatte gelegentlich spöttisch bemerkt, dass sein Naturell für einen Geistheiler reichlich zerstörerisch war. Aber der arkane Schild tat mehr, als ihn zu beschützen.

Das Zupfen von Lyrium an seinem Zauber war schwach, selbst für einen Magier nicht wahrnehmbar, allerdings sehr wohl für einen Geist. Anders konnte es spüren, in den Tränken und noch stärker in Fenris‘ Fleisch, als würde das Mineral sich mit dem Wesen seines Besitzers auch verändern. Ob das eine grundsätzliche Eigenschaft war oder eine einzigartige Besonderheit von Fenris, wusste Anders nicht. Vermutlich wusste es niemand, nicht mal der Wahnsinnige, der diese Zeichen eingebrannt hatte.

Es fühlte sich an, als würde ein warnendes Knurren über seine Haut streichen. Anders duckte sich erneut und rannte, das Pulsieren wurde stärker, bis er tatsächlich zu glauben begann, dass er so etwas wie eine Melodie hören konnte… Und dabei stolperte er beinahe.

Fenris hatte sich vornübergebeugt, wobei er seine Axt als Stütze gebrauchte, und hustete krampfhaft. Ein dünner Faden Blut lief aus seinem Ohr. Er hatte sich ein wenig aus dem Nest der Explosionsladungen zurückgezogen, aber ihm fehlten sichtlich Orientierung und richtiges Gleichgewicht. Was exakt das war, was dieser Angriff beabsichtigt hatte.

Fenris erkannte ihn den Bruchteil eines Moments später, und Anders nutzte das winzige Zeitfenster, um seine Hände auszustrecken und die Handflächen flach auf die Ohren des Elfen zu drücken.

Eine andere Sache, die er nie hatte meistern können, war das Schlösserknacken. Vor langer Zeit, es schien fast wie ein anderes Leben, hatte Sigrun ehrbare Versuche unternommen, ihm das beizubringen, für das nächste Mal, wenn du in ein Stelldichein mit Templern gerätst und Handschellen beteiligt sind, aber es hatte nicht gefruchtet. Ein Schloss unterschied sich sehr von der lebendigen Anatomie, zumindest hatte Anders das gedacht, bis er Fenris zum ersten Mal geheilt hatte.

Heilende Magie an Lyrium vorbeizuschmuggeln war ähnlich wie das Knacken eines Schlosses, ohne dabei die Aufmerksamkeit eines Wächters zu erregen. Während das Erwischtwerden schmerzhaft war und ihn sogar vorübergehend bewusstlos werden lassen konnte, fühlte sich der Erfolg… großartig an. Selbst jetzt, auf einem Schlachtfeld, auf dem jemand Sprengstoff benutzte, den Anders noch nie gesehen hatte, kam es ihm vor, als würden Millionen winziger Bläschen an seiner Haut zerplatzen und seine Nerven kitzeln.

Fenris schlug abrupt seine Hände beiseite und hob seine Axt. Sein Husten hatte sich gebessert, und Anders‘ Schild hielt den Großteil des beißenden Qualms ab – was bedeutete, dass er jetzt drauf und dran war, jemanden zu töten. Anders ergriff seinen Arm, bevor er dazu die Gelegenheit wahrnahm, diesmal blendete er das Pulsieren wieder aus. „Sucht Euch Deckung. Wo ist Carver?“

Fenris antwortete nicht. Sein Gesicht hatte sich zu einer schaurigen Grimasse verzerrt, und sein Blick richtete sich auf den Boden, wo seine bloßen Fußsohlen etwas spürten, das Anders nicht auffangen konnte. Doch er wusste, was es bedeutete. Er ließ mehr Magie in seinen Schild fließen und bereitete sich darauf vor, die Wucht des-

Fenris packte seinen Gürtel mit der einen und seinen Kragen mit der anderen Hand mit einer Kraft, die seinen scheinbar zierlichen Körper eindeutig Lügen strafte. Mit einem wilden Knurren spannte er seine Muskeln an und riss Anders herum, in Richtung der Küste, und der Magier verlor schlagartig den Boden unter den Füßen.

Der Moment der Schwerelosigkeit war kurz, und er endete, als Anders über geborstenen Stein rollte und sich fast überschlagend in einem Krater aufkam, den eine frühere Explosion gerissen und dabei nur Schutt und verbrannte Wurzeln zurückgelassen hatte. Er spuckte Sand aus und schmeckte dabei Staub und Ärger auf seiner Zunge.

„Ich kann nicht glauben, dass es jetzt ein Sport wird, mich herumzuwerfen“, hustete er – und wurde von Shales völlig mitleidlosem Blick getroffen. „Klingt zumindest amüsant“, knirschte der Golem.

Zevran hatte das Bewusstsein wiedererlangt; er blutete zwar aus einem Schnitt an seiner Schläfe, doch die Wunde schien ihm keine Probleme zu bereiten. Er strengte sich offenbar an, die Geräusche ringsum zu hören, seine Augenschossen unentwegt hin und her, um das wahrzunehmen, was seine Ohren nicht konnten. Selbst als Anders seine Verletzungen heilte, blieb diese angespannte Wachsamkeit.

„Nicht, dass ich einen guten Hinterhalt nicht zu schätzen weiß, aber das ist definitiv übertrieben dramatisch.“ Die Krähe blinzelte und spähte in den dicken Rauch. „Wo habt Ihr dieses erlesene Stück Elf verloren, das Ihr eben noch hattet?“

Selbst in dieser Lage – er sieht alles und formuliert es in der missverständlichsten Art. Es ist eine Gabe.

Anders war im Begriff, darauf in nicht allzu freundlicher Manier zu antworten, als ein Kribbeln seine Wirbelsäule hinaufwanderte und ihm verriet, dass Fenris nicht allzu weit entfernt war. Als ein gerüsteter Körper in den Krater schlitterte, konnte Anders sich einen Hauch boshafter Freude nicht verkneifen – Carver wirkte unverletzt, allerdings war er sicher auch nicht besonders elegant. Obwohl er es hierher allein geschafft hatte, ohne mit dem Kopf voran geworfen zu werden.

Ganz wundervoll.

„Autsch“, stöhnte der junge Mann und rückte seinen Helm zurecht. „Alle in Ordnung?“

„Ich kann nicht glauben, dass Ihr ‚autsch‘ gesagt habt – das bringt mich fast dazu, Euch in den Arm nehmen zu wollen“, stichelte Anders und verdiente sich dafür einen bösen Blick; vielleicht auch bloß für den Tonfall, den er benutzt hatte, denn das Krachen um sie herum übertönte die Worte.

Fenris kehrte kurz nach Carver in den Schutz des Sandwalls zurück, das Lyrium unter seiner Haut hatte seinen Körper noch nicht wieder völlig verfestigt. Obgleich ihn diese fehlende Substanz beschützt hatte, strahlte er einen Zorn aus, der Anders deutlich verriet, dass der andere nichts zum Töten gefunden hatte.

„Stillstand“, fasste Zevran seine Beobachtung knapp zusammen. „Und zwar einer der explosiven Art… Dergleichen habe ich noch nie gesehen.“

Carver fluchte herzhaft, was auch das Erste war, was Rekruten der Grauen Wächter üblicherweise lernten. „Ist das Magie oder Zwergenpulver?!“

„Die Effizienz ist typisch für Qunari, auch wenn der Zweck nicht darin zu bestehen scheint, uns zu töten.“ Fenris kniff die Augen zusammen und rieb sich mit der flachen Hand darüber, dann schüttelte er den Kopf, was entweder von Wut oder Verwirrung zeugte. Wer ihn kannte, wusste, dass das Zweite unabwendbar zum Ersten führte.

„Greifen wir also an.“ Shales Stimme klang eigenartig unbeeinträchtigt vom Rauch, obwohl es natürlich war, dass der Golem nicht atmete. „Wer auch immer das tut, hat einen Schädel, den ich zerschmettern kann.“

„Und er hat die Substanzen, um Euch zu zerschmettern, mein Freund.“ Zevrans Stimme war nicht nachdrücklich oder schroff, beinahe schon sanft, ohne dabei leise zu sein. Er strich mit einem behandschuhten Finger über einen rußigen Riss in Shales Seite – nicht tief, keine Beeinträchtigung für den Golem, ehrlich gesagt schien er es gerade erst zu bemerken. Seine Reaktion blieb rätselhaft und undurchdringlich.

„Ich bezweifle sehr, dass selbst jemand mit Anders’ Gabe der Heilung Euch behandeln könnte, wenn Ihr zerbrecht. Und das werde ich nicht zulassen. Wir werden uns etwas Anderes überlegen.“ Zevran kämmte ein paar Strähnen blutverkrustetes Haar von seiner Schläfe, eine noch so subtile Geste von Verstörtheit, die Anders die zuvor angenommene Zweckpartnerschaft zwischen Elf und Golem überdenken ließ.

„Sie werden sich kaum mit einem Patt zufriedengeben, wenn sie uns bereits jetzt in die Enge getrieben haben.“ Fenris legte den Kopf schief, seine grünen Augen richteten sich dabei fast sofort auf Anders, als forderte er einen Widerspruch heraus.

Und wer war Anders, ihm das zu versagen?

„Ich sehe niemanden – offen gestanden sehe ich überhaupt einen Scheiß in diesem Qualm! Wenn Ihr nicht zufällig irgendjemanden ausgrabt, den Ihr bekämpfen könnt, werdet Ihr Euch an diesem Sprengstoff nur den Schädel einrennen“, konterte er gereizt, nur um aus seinem Augenwinkel zu sehen, wie Shale nickte. Der Golem schien auf irgendetwas hinter Fenris zu starren, oder womöglich auf gar nichts. „Sie können es versuchen“, bemerkte er gemessen.

„Ein weiteres Patt also.“ Zevran lächelte dünn, seine Zähne blitzten weiß auf in einem Gesicht, das von Staub und Blut verdunkelt war. „Es spielt keine Rolle – wir haben einen Anführer, und er wird das entscheiden.“

Zum zweiten Mal an diesem Tag fand Carver sich im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit wieder, und falls irgend möglich, war ihm das noch unangenehmer als zuvor. Wenn er sich zu einem Angriff entschloss, würde Anders ihm gehorchen müssen, schlichtweg weil er eingewilligt hatte, von ihm Befehle anzunehmen.

Immer dasselbe Lied.

„Es ist… still.“ Carver nahm seinen Helm ab und blinzelte angestrengt in die grauen Schwaden ringsum. „Die Explosionen haben aufgehört.“

Er hatte Recht. Das ferne Rauschen der Wellen erschien jetzt geradezu unheimlich, als suggerierte es Ruhe, nichts bewegte sich, als hielte die Natur nach dem plötzlichen Aufruhr den Atem an. Vögel und Insekten waren längst geflohen, was umso mehr zu einer Atmosphäre der Leblosigkeit beitrug.

Anders packte seinen Stab fester und begann seinen arkanen Schild langsam aufzulösen, sah, wie Zevran ein Wurfmesser zwischen seinen Fingern hervorgleiten ließ. Niemand sprach noch, als der Wind den schweren Rauch allmählich aufhob und die Luft wieder klarer wurde.

Ho.

Das Wort kam abrupt und hallte über die Ebene; es war zu kurz, um viel daraus zu lesen. In der Endung hatte es einen harten Akzent, aber mit den Nachbeben von Flüchtlingen, die die Freien Marschen überschwemmten, war das kaum aussagekräftig.

Es war eine durchsichtige Taktik, um jemanden dazu zu bringen, seine Position zu verraten und dadurch die Verluste zu minimieren – die Gruppe hatte keinen Bogenschützen mehr, allerdings würde Anders diesem Knallfrosch mit Freuden einen Feuerball in den Rachen stopfen. Es wurde endgültig Zeit, dass die Leute lernten, sich nicht mit dem falschen Magier anzulegen…!

„Was wollt Ihr?“

Und Carver brüllte zurück. Heiser und krächzend, aber mehr als hörbar.

Erbauer, triff mich mit deinem Blitz, oder ich treffe gleich IHN.

Unglücklicherweise hatte ebenjener Erbauer ihn mit einer Gruppe querdenkender Einzelkämpfer geschlagen, die allesamt, aus dem einen oder anderen Grund, entschieden hatten, dass ein Frontalangriff ihr Herzenswunsch war. Andererseits, sich kopfüber in Probleme zu stürzen lag offenkundig stark im Erbgut der Familie Hawke.

Die Antwort brauchte so lange, dass Anders sich zu fragen begann, ob jemand zu dumm für seine eigene Taktik war oder tatsächlich sehr intensiv über diese Frage nachdachte. Shale ballte seine riesige Faust – was anscheinend das Golem-Äquivalent zum ungeduldigen Fingertrommeln war – und Carver hob eine Hand, um ihn aufzuhalten. Die Geste wandelte sich zu einem stetigen Herunterzählen der Sekunden, indem er seine Finger nacheinander einklappte. Sekunden bis zu einem Angriff.

„Ihr… habt einen Kräuterkundigen?“

Die Aussprache war holprig, als müsste der Sprecher seine Worte erst zurechtlegen; die Tiefe der Stimme gehörte deutlich einem Mann.

Carver drehte seinen Helm in den Händen, die Rußspuren auf seiner Haut vertieften sein Stirnrunzeln nur, als er Blicke austauschte. Die Schwärze in seinem Gesicht erzeugte eine eigenartige Ähnlichkeit zu seinem Bruder, obgleich die bernsteinfarbenen Augen etwas völlig Anderes ausdrückten.

„Versucht er gerade… zu verhandeln?“, flüsterte der Rekrut entgeistert.

„Ablenkungstaktik“, grunzte Fenris und verlagerte seinen Axtgriff, um das Blatt daran zu hindern, Sonnenlicht zu reflektieren. Es war kein Geheimnis, dass er immer noch vorhatte, anzugreifen, und Anders war entschlossen, genau das zu verzögern. Er legte seine Hand auf den Stiel, wobei ihm durchaus klar war, dass er Fenris damit nicht würde aufhalten können, wenn dieser sich entschied, seine Waffe zu schwingen. „Womöglich hat er nicht erwartet, niemanden zu erwischen, und hat deswegen noch nicht angegriffen.“

Wer den Hinterhalt gelegt hatte, konnte nicht gesehen haben, wie Anders geheilt hatte, er wusste nur, dass irgendetwas nicht nach Plan lief. Carver musterte ihn stumm, wobei er fragend den Kopf neigte, und Anders nickte ihm zu, bevor er sich das genauer überlegen konnte.

„Und wenn es so wäre?“, rief Carver zurück.

Diesmal brauchte die Antwort nicht annähernd so lang. „Dann brauchen wir es.“

Anders begann, es allmählich anstößig zu finden, dass ihn mittlerweile schon mehrere Personen als geschlechtslos bezeichneten – als ob seine Männlichkeit so schwer zu entdecken wäre!

Was bei näherer Betrachtung verdächtig nach etwas klang, was Zevran sagen würde.

„Einen Scheiß braucht ihr!“ Carver schnaubte verächtlich, wobei er entweder tapfer einen Kameraden verteidigte oder geschickt schacherte. Anders zog Ersteres vor.

Eine weitere Pause, als wäre die Zurückweisung des Angebots unerwartet. Dann: „Die anderen können gehen.“

Bevor Carver eine weitere Ablehnung zurückgeben konnte, schlug Zevran rasch die Hand über dessen Mund. Carver wehrte sich nicht; die Krähe hatte ihr Messer noch nicht aus der anderen Hand gelegt, was für diesen Gehorsam vermutlich ein bedeutender Faktor war. „Dieser Kampf wird weitergehen“, raunte der Elf, während seine Augen bereits das Gelände absuchten. Obwohl nicht mehr jeder Atemzug wie Rost in der Lunge kratzte, war der Rauch zu schwer, um sich schneller aufzulösen, deshalb war die Sicht weiterhin auf wenige Meter begrenzt. „Wenn Ihr uns etwas Zeit erkauft-“

„Ich könnte einfach dorthin gehen.“

Anders erkannte die Art von Blick, die er dafür von allen Seiten für seine leise Äußerung empfing. Nicht bewundernd, dankbar oder wenigstens zustimmend – eher wie: Ich hatte fast vergessen, was für ein Idiot er ist.‘

Er neigte dazu, solche zu bekommen. Daran konnte nicht einmal Gerechtigkeit etwas ändern.

„Wahrscheinlich brauchen sie bloß jemanden, der ein paar faulige Zähne zieht, und sie werden kaum herausfinden können, was ich bin“, fuhr er gedämpft fort, bevor irgendjemand ihn unterbrechen konnte. „Damit komme ich zurecht, und wir gehen einem Kampf mit jemandem aus dem Weg, der bereit ist, ganze Trupps von Gegnern zu zerreißen.“

„Und danach werden sie Euch beseitigen“, schmetterte Fenris das ab, was er vermutlich für den verzweifelten Versuch hielt, den Helden zu spielen. Wäre Nathaniel hier gewesen, hätte der alte Griesgram vielleicht darüber gelacht, wie man allein auf diese Idee kam.

„Werden sie nicht.“ Anders hoffte, dass das Überzeugung in seiner Stimme war und nicht Gutgläubigkeit. „Das tut man nicht mit Heilern.“

„Ihr werdet keinen Stab haben, um Eure Zauber zu verstärken“, schoss der Elf zurück, wobei er charmant anklingen ließ, dass er Anders für unfähig hielt, sich ohne eine Waffe verteidigen zu können. Wäre es nicht gerade Fenris gewesen, hätte Anders denken können, er sei besorgt; nur dass Fenris ihm gegenüber nichts als Verärgerung hegte.

„Ich werde-“

„Schnauze!“

Carver hatte seine Stimme nur leicht gehoben, dennoch zuckte jeder außer Shale zusammen. Anders war entgangen, dass Zevran seine Hand überhaupt weggezogen hatte, bloß dass die Krähe ihn selbst nun mit Interesse beobachtete.

Carver war erst seit ein paar Stunden Anführer dieser Gruppe, und schon unterschied sich seine Art, für Ruhe zu sorgen, sehr von Nathaniels. Schließlich richtete der junge Mann seinen Blick auf Anders, seine Lippen waren fast schmollend zusammengepresst. „Habt Ihr vor, Euch umbringen zu lassen, Mann?“

„Es wäre nicht so riskant, wenn ihn jemand begleiten würde“, merkte Zevran behutsam an. Anders war nicht mal ansatzweise überrascht, dass er sich erst jetzt einschaltete – trotz seines vorgeblichen Gehorsams hatte der Assassine sehr deutliche Vorstellungen, was er wollte, er drückte sie lediglich subtiler aus. Und Anders‘ Vorschlag kam ihm zupass. Machte es nicht gerade einfacher, ihm zu vertrauen.

Carver schnalzte abfällig mit der Zunge. „Wen denn? Shale? Die werden begeistert sein, einen riesigen Golem als Assistenten für einen Kräuterkundigen hantieren zu lassen!“

Shale neigte den Kopf und ließ sichtbar den Kiefer kreisen, zumindest erzeugte er dabei ein knirschendes Geräusch. „Es hält mich für riesig“, sagte er leise, nicht ohne einen Hauch Freude.

Zevran wiederholte erneut seine Interpretation eines unschuldigen Lächelns für Carver, wobei er sein sanftes Flüstern beibehielt. „Ich könnte gehen. Ich gehe für einen Dalish durch – zumindest, solange niemand von mir verlangt, eine, ah, Ballade zu singen oder um einen Baum zu tanzen.“

Während Anders sich absolut sicher war, dass niemand, der geistig noch zurechnungsfähig war, Zevran fälschlich für einen Dalish-Elf halten könnte, traute er seiner Stimme – oder seiner Ernsthaftigkeit – nicht sofort. Gefangen zwischen Belustigung und eigenem Empfinden war er sich nicht allzu sicher, was er denken sollte…

„Kein Dalish spricht mit dem Akzent eines antivanischen Hurenhauses. Oder zieht sich dementsprechend an.“ Fenris klang kühl und nahezu schroffer als sonst. Wenn es ihm damit gelang, Zevran zu beleidigen, tauschten sie das allerdings nicht miteinander aus: das professionelle Lächeln des Antivaners blieb, wo es war, und das war genug, um ein ungutes Gefühl zu verursachen.

„Ich fürchte, jemanden zu heilen ist nicht ganz dasselbe wie ihn zu heilen.“ Anders fühlte sich geringfügig dämlich für diese Aussage, als müsste er Zevran ein paar Grundsätze simpel verpacken. „Selbst wenn das... eine Frage der Dosierung von Wirkstoffen ist. Wenn ich bei Tagesanbruch nicht zurück bin, rettet ihr Jungs mich eben – zum ersten und einzigen Mal. Also?“ Er blickte Carver mit hochgezogener Augenbraue an. Der junge Hawke war blass und schweißüberströmt unter dem Ruß auf seiner Haut, seine eisenbeschlagenen Hände kneteten den Saum seiner Tunika auf eine Art, die Anders eher an einen jungen Burschen erinnerte als an einen Soldaten. Das machte Verantwortung mit Menschen: sie konnte sie erblühen lassen, aber in Momenten wie diesen zermalmte sie schlichtweg denjenigen, der sie trug. Keine beneidenswerte Position.

Carver räusperte sich trocken und holte Luft, um etwas zu rufen. Dann blinzelte er, und seine Hände hielten endlich still. „Fenris, würdet Ihr... mit ihm gehen?“

Anders hatte gedacht, der kleine Hawke hätte ihnen heute sein Pensum an Überraschungen beschert – er hatte sich geirrt.

Fenris erwiderte Carvers Blick; seine Augen hatten dieselbe Glätte und Undurchdringlichkeit wie Jade. Isabela verglich seine Augen gern mit Edelsteinen, wenn sie mit dem Elf flirtete, und sie kannte derer eine Menge, daher wiederholte sie sich selten. Zum ersten Mal sah Anders ein, warum sie sich für ausgerechnet dieses Gleichnis entschieden hatte: Fenris war schwer zu lesen. Vielleicht nicht gerade, wenn er Karten spielte oder den Geruch von Stockfisch einatmete, doch wenn er fühlte.

Dann hob er eine Hand und kratzte sich die Spitze seines Ohrs.

„Ja.“

Erbauer, sei mir gnädig.

„Kommandant, Ser, das ist eine miese Idee,“ widersprach Anders – bevor Zevrans geschickte Hand sich mit der Geschwindigkeit einer zupackenden Kobra über seinem Mund schloss, zu schnell, um es überhaupt kommen zu sehen. Die Kuppe eines Daumens drückte sich stumm und kräftig in das Gelenk seines Unterkiefers.

Deswegen trug der Dreckskerl also Handschuhe.

„Ist das Beste, was wir zustande bringen können, mein tapferer Freund. Er ist auch ohne Klingen bewaffnet, und auf den ersten Blick könnte man diese... Tätowierungen für Vallaslin halten.“

Anders pellte die Hand von seinem Mund herunter und warf Zevran einen finsteren Blick zu. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Fenris seinen Brustpanzer ablegte und Carver über das Schlachtfeld spähte. Der ölige Qualm hatte sich jetzt fast gänzlich gehoben, und mit ihm verloren die Angreifer ihren Sichtschutz – so wie ihre Opfer auch. Der Kampf würde weitergehen müssen, und die Zeit bis dahin lief ab. Anders fluchte lebhaft und legte seinen Stab in den Sand, danach zog er ein Messer aus seinem Stiefelschaft und warf es daneben.

Zevran hatte Recht, doch Anders musste ihm deswegen noch lange nicht zustimmen. Unter all den Personen, die er an seiner Seite willkommen geheißen hätte, traf es jetzt denjenigen, der völlig unfähig zur Vorsicht war!

Als wärst du für Diplomatie geboren.

Manchmal wäre es ihm lieber, wenn er seine eigene Klappe halten könnte.

„Dann könnt ihr ihn haben!” Carver war aufgestanden und richtete sich zu voller Größe auf, womit er sich auf eine mehr als riskante Art aussetzte. Dafür machte er sich ziemlich gut, obwohl Anders es vorgezogen hätte, wenn er nicht ganz so... templerisch geklungen hätte.

Die Antwort erscholl diesmal nicht ganz so laut. Entweder hatte der Sprecher sich zurückgezogen, oder so etwas wie Erleichterung schwang darin mit. Anders musste sich anstrengen, um es zu verstehen.

„Schickt ihn.“

Carver straffte sich und bedachte die Gruppe mit einem flüchtigen Blick. Fenris hatte seine Panzerhandschuhe ausgezogen, seine Finger wirkten ungewöhnlich nackt und weich ohne sie. Da er die Panzerung normalerweise weder zum Essen noch zum Glücksspielen ablegte, schien es ihm nicht zu behagen, und Anders musste zugeben, dass der Elf klein wirkte ohne seine stachelbewehrten Schulterplatten und den Axtstiel, der hinter ihm aufragte.

Er sah exotisch aus, künstlich, so wie sein Meister ihn hatte formen wollen.

Carver räusperte sich erneut, spuckte aus. „Nicht allein. Sein-“

„Schickt sie,“ unterbrach die Stimme ihn barsch, als spielte keine Rolle, was auch immer Carver gesagt hätte. Das war... beunruhigend. Anders wandte sich stirnrunzelnd an Zevran, der daraufhin mit den Achseln zuckte. „Entweder sind sie verzweifelt... Oder da braut sich etwas zusammen.“

„Jetzt geht’s mir schon viel besser.“

Zevran klopfte ihm dafür mit beinahe fröhlicher Herzlichkeit auf die Schulter. „Wir retten dich bei Sonnenaufgang, mi héroe!“

„Sollten wir dann noch leben,“ bemerkte Fenris gleichgültig und erhob sich ebenfalls. Wenn er angespannt war, verbarg er dieses Gefühl exzellent – was wiederum dazu angetan war, Anders auf die Nerven zu gehen. Der Elf hatte keine Ahnung vom Heilen, war es da zu viel verlangt, wenigstens ein bisschen, so, nervös zu sein?!

“He.” Carver hustete kurz und wandte sich erstmals vom Schlachtfeld ab, um Fenris anzuschauen. Sein Gesicht war, ganz im Gegenteil zu seinem Gegenüber, hart vor Nervosität; es war sein Entschluss gewesen, auf den Handel einzugehen, auch wenn Zevran ihn ganz passabel manipuliert hatte. Anders fragte sich unwillkürlich, ob Carver sich wünschte, sein Bruder wäre hier – oder ob er genau das nicht wollte.

Fenris dehnte seine bloßen Finger und musterte den jungen Wächter in seiner rätselhaften Art und Weise. Wenngleich er immer noch dünne Handschuhe trug, die das Lyrium teilweise bedeckten, schien diese Sichtbarkeit ihm unangenehm. Als wäre da etwas... Verbotenes, Privates an ihnen.

„Gut, ich... Tut mir leid, dass ich Euch ein elfisches Spielzeug genannt habe. Genauer, also, meines Bruders... elfisches Spielzeug.“ Carver sprach leise, dennoch errötete er dabei. Die Röte färbte sein Gesicht unter dem Ruß wieder ein und verlockte Anders enorm zum Grinsen.

Fenris' Miene blieb leer. „Ich wurde schon Schlimmeres von schlimmeren Personen genannt.“

Carver seufzte verdrießlich und sah zurück auf das Schlachtfeld, wobei er offensichtlich versuchte, sowohl Anders' Grinsen als auch Zevrans Ausdruck lebhafter Neugier zu ignorieren. „Ich weiß. Ich... hätte das nur einfach nicht sagen sollen, in Ordnung?“

Zuerst sah es so aus, als würde Fenris darauf weiterhin mit Desinteresse reagieren. Dann zuckte einer seiner Mundwinkel, und die dort eingegrabene Härte seiner Augen minderte sich ein wenig. „In Ordnung.“

„Ich wette, ich kriege keine Entschuldigung.” Anders summte leise und klopfte Sand von seinen Knien, als er aufstand. Trotz des Schwefelgestanks in der Luft fühlte es sich eigenartig gut an, sich nicht mehr auf den Boden zu kauern – auch wenn Verhandeln möglicherweise falsch gewesen war. So oder so, er musste wissen, womit man sie angegriffen hatte, und er musste Nathaniel finden.

Carver beobachtete ihn mit einem eisigen Ausdruck, als der Magier aus dem Krater kletterte. „Über Euch habe ich meine Meinung auch nicht geändert.“

Anders blickte über die Schulter und fühlte das kalte Prickeln in seiner Schädelbasis, den schwachen Zug des Splitters vom Nichts, das er in sich trug. „Verstehe.“

Carver verschränkte die Arme. „Sonnenaufgang also.“

Die Worte hallten einen Moment lang in Anders' Kopf wieder, als er einen Fuß auf den versengten Sand setzte und es unter seinem Stiefel knirschte. Er sah nur wenig, aber er kannte die Richtung, in die er sich bewegen musste. Sein Rücken fühlte sich ohne seinen Stab angreifbar an, selbst wenn seine Magie nicht von dieser Waffe abhing.

Und dennoch...

„Wenn der Boden zu heiß für Eure Füße ist, kann ich Euch jederzeit tragen – Ihr müsstet nur fragen!“

Fenris tauchte neben ihm auf, vielleicht mit einem ähnlichen Gefühl von Verletzlichkeit und Schwäche, aber absolut nicht bereit, davon etwas zu zeigen. Als sie die Schwaden von bitterem Rauch betraten, kratzte er sich lediglich die Spitze eines Ohrs.

„Idiot.“



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Kommentare zu dieser Fanfic (16)
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Von:  Wolfspirat
2016-08-29T22:11:38+00:00 30.08.2016 00:11
verdammt. diese fanfic ist genial. du bringst hier 3 meiner lieblingscharas (nathaniel, zevran und anders) mit fenris und carver, den (man verzeihe mir den ausdruck) arschkrampen vom dienst zusammen und stellst dabei jeden einzelnen so ic dar dass es einfach passt und es spaß macht, den charakteren zu folgen. das ist großartig.
einzig gefällt mir nicht, dass das hier wohl eine dieser geschichten werden wird, in der anders mit fenris zusammenkommt. ich kann dieses pair nicht leiden, weil ich nicht sehen kann wie es realistisch funktionieren kann. aber lass dich davon nicht aufhalten. vllt werd ich die ff weiterlesen, vllt auch net. im moment bin ich noch neugierig, was anders bei den komischen bombenwerfern erwartet.
Von:  Silverslayer
2015-07-10T19:50:08+00:00 10.07.2015 21:50
maaaaauuuuuu
Ich will wissen wie es weiter geht!

Von:  Caliburn
2015-01-26T12:13:34+00:00 26.01.2015 13:13
Ich habe diese FanFiction schon etwas länger in meinen Favoriten, bin bisher aber nicht dazu gekommen sie zu lesen.
Und mein erster Eindruck ist schon einmal sehr gut. Es ist verdammt lustig und ich hoffe wirklich, dass die Geschichte diesen Humor auch beibehält. :D
Von:  Zebran20121
2015-01-10T21:58:46+00:00 10.01.2015 22:58
hey

super ff bisher ich Find diese Streithaine zum totlachen mach bloß weiter ich möchte wissen wies weitergeht das du grade an so einer guten stelle aufhören musst ich freue mich auf die nächsten teile bis dahin schöne grüße

Zebran
Von:  Legoory
2014-08-17T10:45:11+00:00 17.08.2014 12:45
Wie man sich nur den ganzen Tag streiten kann? Wird das denen nicht zu mühselig oder anstrengend - oder sogar langweilig? Ich hab stellenweise das Gefühl, dass sind keine Männer, sondern Kinder im Kindergarten... Aber es ist total lustig xD
Jetzt bin ich mal gespannt wie Fenris unseren Heiler beschützt. Gut eventuell stürzt er ihn auch ins Verderben. Zutrauen würde ich ihm das schon.
Ich bin schon sehr auf die Fortsetzung gespannt ^^
Von:  Maire
2014-08-11T19:51:21+00:00 11.08.2014 21:51
yeah! ein neues Pitel =)
Wieder sehr cool. dieses hin und her am anfang ist sehr amüsierend, und nun...die beiden zusammen auf dem weg zum 'Feind?' ich bin gespannt was uns im nächsten kapitel erwartet.
Von:  Legoory
2014-03-23T15:41:00+00:00 23.03.2014 16:41
Ich konnte es kaum glauben, als ich gesehen habe, dass ein neues Kapitel online ist. Yay ^^
Wiedermal bin ich begeistert von deinem Schreibstil und stellenweise hätte ich fast meinen Kaffee wieder ausgespuckt vor lachen.
Aber was ich festelle, in jedem Kapitel kommen mehr neue Fragen dazu und bis jetzt noch keine Antwort in Sicht.

Wer waren die Wachen, warum haben sie da patroulliert?
Waren das wirklich Tal-Vashoth?
Wo ist Nate?
Warum will Gerechtigkeit nicht mit der Wahrheit raus?
Und vorallem: Was weiß Fenris??
Von:  Maire
2014-03-21T08:02:34+00:00 21.03.2014 09:02
Ich hab mich total gefreut als ich geshen ab das es ein neues Kapitel gibt =)
und natürlich habe ich es gleich verschlungen. heute habe ich mal einige sätze rausgenommen die mir besonders aufgefallen sind^^, zumeist haben sie mich sehr zum lachen gebracht. ich liebe es wie du alles beschreibst =D

~~~
Anders biss die Zähne zusammen. „Ich bin wirklich überglücklich, dass es dir fern liegt, jemals nachtragend zu sein. Sei bedankt für dein Vertrauen, und im Übrigen hat Fenris mich wachgehalten.“ Als ihm auffiel, dass das auffällig zweideutig klang, fügte er hinzu: „Seine Ohren sind besser als meine, also frag‘ ihn.“
~
„Ich warte noch auf das howe- und stichfeste Problem“, bemerkte Anders und fing sich dafür einen genervten Seitenblick.
~
„Ich hätte wissen sollen, dass Ihr Euch sofort auf eine Chance stürzen würdet, mir Euren Familienschatz zu präsentieren. Was soll ich tun, da unten nach irgendetwas Abscheulichem suchen?“Carver erblasste vor Wut, obwohl seine Hand diesmal nicht den Schwertgriff berührte. „Ich schwöre beim Erbauer, Ihr kleiner, dreckiger-“
~
„Wie Ihr sehen könnt, grübele ich bereits. Bietet Ihr mir Eure fachkundige Unterstützung dabei an?”
„Ich ziehe es vor, wenn Ihr den Mund geschlossen haltet.“
„Man hat mir schon öfter gesagt, dass ich dann erheblich charmanter bin.“
„Unwesentlich.“
„Also gut, was habt Ihr auf dem Herzen?“ Anders schmunzelte ätzend. „Welcher glücklichen Fügung schulde ich es, in den Genuss Eurer überwältigenden Unterhaltungskünste zu kommen?“
~
Hier in der offenen Landschaft sollte er allerdings in der Lage sein, das Lyrium zu fühlen, das Nathaniel bei sich trug, auch wenn die Menge gering war. Ganz zu schweigen von dem Glühwürmchen neben ihm. Wenn Glühwürmchen glühten, signalisierten sie damit ihren Wunsch, sich zu paaren. Wenn man dasselbe über Fenris sagen könnte, wären ein paar Dinge viel einfacher. Oder… vielleicht auch nicht.
~
Shale hatte massive Steinbrocken aus dem Boden gerissen, um sie auf die Tal-Vashoth zu werfen, und dabei geknurrt, dass wenn sie mich mit Stöcken bewerfen, sollten sie damit rechnen, von mir dafür mit Kieseln beworfen zu werden.
~
„Ich schlafe in meiner Rüstung“, parierte Fenris barsch, und seine Stimme implizierte: Und zwar in der Ganzen.
~~~

Einfach super. ^^ ich freue mich auf ein weiters kapitel und die suche nach nate =) bin gespannt was du dir hast einfallen lassen
Lg
Von:  Legoory
2014-02-20T21:50:28+00:00 20.02.2014 22:50
Wieder so ein beeindruckendes Kapitel.
Lass mich raten, die zwei gehen jetzt reden, fangen an zu streiten und enden dann an der Klippe? Und dann? Schreibst du noch weiter?
Hier hast du einen wartenden Fan deiner FF sitzen ^^ ... der jetzt ins Bett geht xD
Von:  Legoory
2014-02-20T21:02:48+00:00 20.02.2014 22:02
Das nenn ich doch mal ne "heitere" Runde xD
über alle Maßen erheiternd ^.-


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