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Die Arche

von

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Willkommen in einer neuen Zeit

Hustend kroch ich aus meinem Versteck hervor, richtete mich langsam auf. Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich hier verbracht hatte, oder waren es nur Minuten? Es schien mir eine Ewigkeit her zu sein, dass ich mit meinen Freunden gelacht und gescherzt hatte. Und ein Blick auf die Uhr half mir nicht weiter, sie stand still. Die Sekunden verronnen, jedoch nicht mehr für meine Uhr.

Im Rhythmus der Beben, die die Welt erschüttern, taumelte ich voran. Weg von diesem Ungetüm, das mich gerettet hatte. Aber wovor? Was war geschehen? Wo waren sie alle? Frau Bohnlein, die Lehrerin für vergangene biologische Dinge? Marek, Cara? Wo waren sie? Lauter Fragen stürzten auf mich ein, doch keine Antwort dazu. Und dann fiel es mir zum ersten Mal auf: Es war still. Bis auf die Beben, die Teile, die sich aus den Hochhäusern lösten, war es still. Unnatürlich still. Keine menschlichen Stimmen, keine Übertragungen, nicht das Rauschen unseres Schutzes. Nur eine einsame Sirene durchdrang diese Stille. Diese unerträgliche Stille. Nicht einmal mehr die simulierten Vogelstimmen erklangen, die sonst den botanischen Garten lebendiger machen sollten. Nur fallendes Geröll, zerbrechendes Glas, quietschendes Metall. So klang der Tod. So klang der Untergang. Das war doch der Untergang, oder?

Ich war wie eine Aufziehpuppe, so eine, wie wir sie uns letztes Jahr im Museum angesehen hatten. Schritt für Schritt ging sie vor sich hin, achtete nicht darauf, wohin, achtete nicht auf ihre Umgebung. Einfach nur vorwärts, einfach nur bewegen. Was sollte ich tun? Was wollte ich tun? Gedanken flogen durch meinen Kopf, kreuz und quer, aber ich konnte keine Ordnung hineinbringen. Bruchstücke von Erinnerungen, Angstgefühle und Zukunftssorgen. Das Date morgen war nun wohl hinfällig. Nein! Es musste noch einen sicheren Ort geben. Das hier ist die Arche. Sie bietet Schutz, sie bietet Sicherheit. Nur hier können wir in Frieden leben. Das hier ist die Arche. Sie bietet Schutz, sie bietet Sicherheit. Nur hier können wir in Frieden leben. Das hier ist die Arche. Sie bietet Schutz, sie bietet Sicherheit. Nur hier können wir in Frieden leben.

Monoton murmelte ich die Worte vor mich hin, die ich schon im Kindergarten gelernt hatte. Und an die ich glaubte. Sie gaben mir ein Gefühl der Sicherheit, ich war mir so sicher, dass die Rettungskräfte bald kommen würden. Es konnte nicht alles verloren sein, niemals, das konnte nicht sein. Bald würden sie mich holen, mich retten. Und dann würde alles wieder gut werden. Ja, das würde es.
 

“Hören Sie, ich bin mir vollkommen sicher, wir müssen die Anwohner warnen und zwar jetzt!“ Dringlichkeit lag in seiner Stimme, als er sein Anliegen vortrug. Nicht nur das, auch Angst und leichte Verzweiflung schwangen in diesen Worten mit – sah er doch gerade in diesem Moment die Zukunft so klar vor sich, beängstigend, verstörend. „Es wird genauso geschehen, bisher war jede meiner Vorhersagen korrekt!“

„Kommen Sie, wie oft haben Wissenschaftler oder religiöse Narren schon Weltuntergänge prophezeit und sehen Sie unsere Stadt an“, erwiderte der Colonel und zeigte stolz auf die riesige Glaswand, die sein Büro dominierte. Es war ein wirklich erhebender Anblick, man konnte sich fühlen, als würde man vom Dach der Welt auf diese herabschauen. Doch zugleich erbot sich hinter der Stadtgrenze ein weniger schönes Bild, zerstörtes Land, Zerklüftungen, Krater, Canyons, die sich in den letzten Jahren gebildet hatten. Wüste, verlorenes Land. „Nichts ist so sicher wie die Arche. Sie wissen, was das bedeutet?“

Voller Verzweiflung fuhr der junge Mann sich durch das Haar und nickte heftig: „Natürlich, das weiß hier jedes Kind: Das hier ist die Arche. Sie bietet Schutz, sie bietet Sicherheit. Nur hier kann man in Frieden leben. Aber es stimmt nicht mehr!“

Erregt wanderte er vor dem Schreibtisch des Colonels auf und ab. Rang mit den Händen. Biss sich auf der Unterlippe herum. Es amüsierte den Colonel, seinen jungen Protegé so zu sehen, aber es bereitete ihm zugleich Sorgen. Scheinbar brauchte er wirklich Hilfe, so fahrig, nervös und blass wie er wirkte.

„Colonel! Ich weiß, Sie können mit den ganzen physikalischen Fakten nicht viel anfangen, aber selbst Ihnen muss doch bewusst sein, was eine Sonneneruption dieser Größe ausrichten kann!“ Abrupt war stehen geblieben, den Blick immer noch starr nach draußen gerichtet, in die Ferne, auf die Welt, die nicht mehr die ihre war.
 

Noch immer ging ich vorwärts, dahin wo ich den Ausgang vermutete. Stolperte über die Gummibäume, die künstlichen Pflanzen und die künstlichen Tiere, die das Bild des botanischen Gartens prägten. Stolperte über… ein Bein. Ein menschliches Bein. Endlich ein Mensch! Vielleicht konnte er mir helfen, vielleicht wusste er, was zu tun war. Wohin man in diesem Fall gehen musste. Ich kniete mich neben ihn, schüttelte sanft an der Schulter. Ich wollte nicht mehr alleine sein, ich wollte Hilfe, einen Erwachsenen, ich wollte hier raus, raus aus dem Garten, raus aus diesem Alptraum! Immer stärker zerrte ich an der Schulter und dann… es war Cedric. Der liebe, lustige, runde, nette Cedric. Der liebe, lustige, runde, nette, tote Cedric. Der, mit dem ich erst vor kurzer Zeit Scherze über eine Zombiekalypse gemacht hatte, der, der Comics liebte, gerade die alten und von Superhelden geträumt hatte, die ihn aus so einer Situation retten würde. Der, der jetzt tot und kalt, blass, von Staubüberzogen vor mir lag und nie wieder einen Comic lesen würde. Cedric.

Ich stand langsam auf, wischte mir die Hände an meinen Shorts ab und ging weiter. Schritt für Schritt. Weg von hier, weg von Cedric, einfach nur weg. Immer wieder bebte die Erde, doch ich nahm es nicht mehr wahr. Ich summte leise vor mich hin, das Lied der Arche, und wenn ich es beendet hatte, begann ich von vorne. Denn ich war mir sicher, ich würde bald gerettet werden. Bald. Bald. Bald. Ich glaubte an die Arche, ich glaubte an die Erwachsenen, sie würde mir helfen und dann wäre alles wieder gut. Mama würde bestimmt schon ganz unruhig auf mich warten, den Blick immer abwechselnd auf unserer Kontaktstation, meinen kleinen Bruder und das Essen gerichtet. Sie würde sich Sorgen machen und mir erleichtert um den Hals fallen, wenn ich dann kommen würde. Papa würde bestimmt von der Arbeit nach Hause eilen und dort allen die Hölle heiß machen, bis ich heim käme.

Bei dem Gedanken an unsere Wohnung musste ich lächeln. Dort würde ich mich von dem Staub befreien können und außerdem… außerdem musste ich Cedric ja noch seine Comics zurückgeben. Das durfte ich morgen in der Schule nicht vergessen. Aber zuerst musste ich nach Hause. Also setzte ich Fuß vor Fuß. Schritt für Schritt.
 

Voller Verzweiflung schlug er mit seinen wunden Fäusten gegen die Tür, hämmerte dagegen und schrie so lange, bis er nicht mehr konnte. Wie konnte das geschehen? Warum hatte der Colonel ihm das angetan? Er hatte doch nur die Wahrheit gesagt, hatte versucht, den Führern der Arche die Augen zu öffnen. Sie waren nicht unbesiegbar, auch wenn es den Anschein hatte. Dieses Mal würden viele Menschen sterben, unfassbar viele. Und die, die überlebten, würden auch untergehen. Alles würde enden, einfach alles!

Schluchzend sank er vor der Tür zu Boden, schlug nur noch leicht mit seinen mittlerweile blutigen Händen dagegen. Die Tränen liefen ihm die Wangen runter und tropften auf den Boden. Wie sollte ein Mensch mit diesem Wissen umgehen? Mit dem Wissen, dass selbst die letzte Bastion der Menschheit fallen würde? Und dass ihm keiner glauben würde? Er konnte es nicht. Er wusste, er würde daran zerbrechen, noch bevor die Arche untergehen würde.

Langsam, schwerfällig und unter Schmerzen richtete er sich auf, ging langsam durch den kleinen, abgeriegelten Raum zu dem Stuhl und setzte sich aufrecht hin. Erinnerte sich an die Worte, die ihn schon früh bewegt und beeinflusst hatten, die Geschichte der Arche:

‚Nachdem die Menschen jahrhundertelang Raubbau an unserer Erde betrieben hatte, war sie im Begriff auseinander zu brechen. Atombomben, Kriege, Rodungen, Schürfungen, Kernbohrungen, Treibhauseffekte zerstörten unsere Heimat. Doch ein paar unerschrockene Wissenschaftler erkannten die drohende Gefahr und errichteten die Arche. Eine kleine Stadt, abgeschieden von den damaligen Metropolen der Menschheit. Sie und ihre Familien wurden als religiöse Fanatiker beschrien und verachtet. Doch als der Untergang der Menschheit begann, waren sie sicher und viele bettelten, eingelassen zu werden, wollten gar Millionen, Milliarden und mehr bezahlen, aber unsere Gründerväter blieben hart. Die Arche überstand den ersten Weltuntergang, die Menschen jedoch starben. Erstickten, wurden verschüttet, erlagen der Natur.

Nun leben wir stolz in der Arche fort und sie wird immer größer, moderner, technisierter. Anfangs nahmen der Lebensmittelanbau sowie die Tierhaltung noch viel Platz weg, aber die Arche entwickelte sich weiter und wurde größer. Unter der künstlichen Ozonschicht und dem Stabilisator gegen die Erdbeben, die die gesamte Welt erschüttern, leben wir und begründen einen neuen Teil der menschlichen Geschichte.‘

Doch er wusste, diese Zeit würde enden und das wollte er nicht miterleben. Wollte nicht zusehen, wie der Sonnensturm die Elektrizität zerstörte, wie sämtliche Geräte nicht mehr arbeiten würden, die Ozonschicht sich langsam auflösen würde und Erdbeben die Stadt voller Hochhäuser zerstören würden. Und so beschloss der verlorene Prophet, sich selbst das Leben zu nehmen, denn diese Zukunft sollte nicht seine Zukunft sein.
 

Ich hatte den Ausgang erreicht. Die Tür war vollkommen zerstört, doch das hielt mich nicht auf, im Gegenteil, ich schaffte es, mich hindurch zu zwängen, denn auf einen „Auf“-Befehl hätte sie wohl nicht mehr reagiert. Alle paar Meter liegen diese verstaubten unförmigen Klumpen, hatten alles verloren, was sie früher einmal ausgezeichnet hatte: Leben, Gefühle, Menschlichkeit. Nun waren sie nur noch… na ja, eben unförmiges Material. Ich drehte mich ein letztes Mal um, warf einen Blick auf dieses gigantische Ungetüm, das sich stolz aus den Trümmern dieser Welt empor hob, das mir mein Leben gerettet hatte.

Doch ich hatte keine Zeit, ich musste nach Hause, ich durfte nicht zu spät kommen, meine Mutter mochte das gar nicht und in dieser Situation wollte ich sie erst recht nicht beunruhigen. Ich sah mich um, aber alles hatte seine Form verloren, ich wusste nicht, was hier was war. Alles sah anders aus, und die dicke Staubschicht machte es nicht einfacher.

Und dann sah ich sie, Menschen, die so staubbedeckt waren wie ich und langsam in eine der Straßen gingen. Manche ihrer Blicke waren beängstigend, doch sie lebten. Es waren Menschen und sie wussten sicher, wo sie lang mussten. Ohne weiter nachzudenken folgte ich ihnen. War es nicht eine eiserne Regel, dass alle Menschen in der Regel der Innenstadt entgegen streben? Denn außerhalb der Arche gab es nicht. Nur sie bot uns Sicherheit. Und in der Innenstadt kannte ich mich aus, da wohnte ich, dort wollte ich hin.

Also liefen wir, wurden immer mehr und waren doch noch nicht viele, liefen Schritt für Schritt nebeneinander her. Und über all dem lag immer noch diese unnatürliche Stille, die nur selten von einem Stöhnen oder einer Person, die nicht mehr konnte und mit einem dumpfen Aufprall auf der Straße zusammen brach, durchzogen wurde. So liefen wir, wurden gleichzeitig mehr und weniger, immer der Innenstadt entgegen. Dorthin, wo meine Familie mich glücklich in die Arme schließen würde.
 

Ratlos und fassungslos betrachtete der Colonel die Papiere, die vor ihm lagen. Mit starrem Blick auf seinen Schreibtisch flüsterte er ein leises „Er hatte recht“ vor sich her.

„Was meinen Sie, Sir?“ Seine Sekretärin – diese glücklich, unwissende Frau – sah ihn neugierig an, doch er ging nicht auf sie ein, vertiefte sich wieder in die Papier, in der Hoffnung, dass sich der Inhalt doch ändern würde. Warum hatte er nicht auf seinen Protegé gehört? Warum hatte er ihm nicht geglaubt? Vielleicht hätten sie etwas ändern können, aber jetzt war es… „zu spät… Es ist zu spät“.

Eine ohnmächtige Wut ergriff ihn und mit einem lauten Schrei warf er seine Tasse an die Wand, nur dicht neben der vor Schreck erstarrten Sekretärin.

„Sir?“ Zitternd brachte sie nur dieses eine Wort hervor, das jedoch mehr sagt als tausend davon.

„Es tut mir leid, es tut mir so leid. Es tut mir leid.“ Was war es, das ihm Leid tat? Dieser unnütze Tod? Dass er kein Vertrauen hatte? Dass er die Tasse geworfen hatte? Der Untergang der Arche? Ihm tat alles leid, einfach alles. Doch er konnte nicht mehr zurück, es gab keinen Ausweg mehr. „Gehen Sie nach Hause.“

„Was?“

Er sah in das verblüffte Gesicht seiner Sekretärin. Nachdenklich, ernst und… gefasst.

„Gehen Sie nach Hause. Verbringen Sie einen schönen Abend mit Ihrem Mann, Ihren Kindern. Sie haben doch Kinder, nicht wahr?“ Ihr stummes Nicken nahm er kaum noch wahr. „Genießen Sie Ihren freien Abend, genießen Sie ihn, als wäre er der letzte. Nur… gehen Sie!“

„Vielen Dank, Sir.“ Die Sekretärin verließ den Raum eilig, nicht dass der Colonel seine Meinung doch noch ändern würde. Doch zugleich nahm sie sich vor, die nächsten Tage seinen Zustand genau im Auge zu behalten. Der Tod des sympathischen jungen Mannes, der so oft hier war, musste ihm näher gehen, als sie dachte.

Davon wusste der Colonel nichts, der sein bleiches Gesicht in den großen Fensterscheiben betrachtete. Was hatte er nur getan? Er hatte diese perfekte kleine Welt in Gefahr gebracht, er hatte sie dem Untergang ausgeliefert. Die einzelne Träne, die seine Wange hinunterlief, beachtete er nicht, ließ ihr freien Lauf.

Unter ihm tanzten die Lichter der Stadt, leuchteten sanft und beruhigend, doch er wusste, der Schein trog ihn.

„Wir sind die Arche. Sie bietet keinen Schutz mehr. Sie bietet keine Sicherheit mehr. Unser Frieden ist verloren.“ Und ihm blieb nichts anderes übrig, als zu warten. So wollten es die Führer. „Bringe keinen Unfrieden in die Arche. Lass der Zeit ihren Lauf.“

Was würde eine Massenpanik bringen? Wo sollten sie hin? Es gab keinen Fluchtweg, es gab keine Lösung. Sollten die Menschen ihr Leben weiterleben, solange bis es enden würde. Morgen.
 

Ich wusste nicht, wie lange ich hier schon entlang lief, hatte irgendwann aufgehört, meine Schritte zu zählen. Setzte nur noch einen Fuß vor den anderen, nahm nichts mehr um mich herum wahr. Denn ich hatte nur ein Ziel: nach Hause. Zu meiner Familie. Weg aus diesem Alptraum. Ich stellte mir unsere Wohnung vor, die gemütliche Couch, der Duft nach leckerem Essen, der alles durchdrang, das leise Lachen meiner Eltern, wenn sie dachten, ich würde schon schlafen. Geborgenheit, Frieden, Sicherheit. Das alles erwartete mich, da war ich sicher.

Und dann durchbrach ein Schrei meine kleine Welt, ein Schrei so voller Schmerz und Angst, ein Schrei, der mich wachrüttelte, mir die Augen öffnete. Wir blieben stehen. Wir alle blieben stehen. Unsere Blicke wanderte zu der jungen Frau, die auf die Knie gefallen war und schrie. Einfach nur schrie. Dann sahen wir, was sie sah. Das Haus unserer Führer war nicht mehr. Dort, wo es stand, war nur noch Schutt und Asche. Einzelne Feuer brannten. Vernichtet bis zur Unkenntlichkeit. Nur das Schild, ein kleines Schild, erinnerte daran, was hier zuvor stand. Der Schriftzug „Arche“ war noch erkennbar, wenn auch nur schwer. Unsere Führer, unser sicherer Hafen, sie waren vernichtet. Und in diesem Moment wurde es uns allen klar: Wir hatten keine Heimat mehr. Wir hatten alles verloren. Wir waren allein. Und wir waren nicht viele.
 

“Was ist das?“

Starr vor Schreck und Faszination sahen alle wie gebannt in den Himmel hoch, da wo ein kurzer, kaum sichtbarer Lichtblitz zu sehen war. Natürliche Lichtereignisse, das gab es in der Arche nicht. Es war eine Faszination, wenn die Bewohner dieser kleinen Insel so etwas zu sehen bekamen, und zugleich auch beängstigend. Natur existierte in ihrem Wortschatz nicht mehr: Nahrungsmittel wurden durch Genmanipulation optimiert, Tiere gab es schon lange keine mehr, Fleisch wurde nach Bedarf geklont, und das Einzige, was noch an die einst so grüne Erde erinnerte, waren Gewächsetagen in den Hochhäusern, in denen künstlich gezüchtete Bäume ihren optimalen Ertrag lieferten – schneller Wachstum, große Ernte, keine Schädlinge oder Allergene. Selbst im botanischen Garten gab es keine echten Naturprodukte mehr, alles wurde nachgebaut und nachgestellt. Nur ein riesiger Mammutbaum hatte alles überlebt. Ein gigantisches Exemplar, so hoch wie die Hochhäuser, so dick, dass eine Klasse ihn nicht umfassen konnte.

Und als plötzlich die Erde zu beben begann, rettete ein kurzentschlossener Sprung zwischen die höhlenähnlichen Wurzeln dieses Baums ihr das Leben. Dort wartete sie, dass es vorbeiging, doch es endete nicht. Es endete nie. Es rettete ihr das Leben, aber in der kurzen Lebensspanne, die ihr danach noch blieb, wünschte sie sich oft, sie wäre gleich gestorben. So wie ihre Klassenkameraden, ihre Freunde, ihre Familie. Stattdessen hatte ein echter, lebender Baum ihr Leben gerettet.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Honigschnute
2013-08-20T19:09:56+00:00 20.08.2013 21:09
Tut mir leid ich bin nicht gut in sowas. Geschichten die so dunkel und gleichzeitig wunderbar geschrieben sind kann ich immer recht schlecht kommentieren. Aber ich kann eins sagen:

Ich habe geweint. Ehrlich! Mir sind die Tränen über die Wangen gekullert als hätte ich einen Dichtungsschaden.

Liebe Grüße und hoffentlich bringt du noch mehr so fantastische Geschichten zustande!

Von:  Fanatika
2013-07-22T18:54:11+00:00 22.07.2013 20:54
Was?

Noch kein Kommentar zu dieser Geschichte? Ich muss ehrlich sagen, das schockt mich etwas!
Ich hinterlasse echt selten Kommentare zu Geschichten, aber hier muss ich es einfach tun! Denn ich muss dir sagen, wie wundervoll ich es fand. Ich habe es selten, dass ich mich direkt in ein Szenario einfühlen kann und das hast du geschafft. Ich war direkt drin, konnte die Welt, die du da erschaffen hast, vor mir sehen. Dein Schreibstil ist sehr ausgereift und du bist in der Lage, Emotionen und auch Atmosphäre auf den Leser zu übertragen – das gelingt nicht jedem!
Besonders gut fand ich, dass du innerhalb der Gedankengänge zwischen der Klarheit und dem „Verstehen“ hin zur Verdrängung gewechselt bist. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mich in den Verdrängungsphasen gefragt habe, wie alt die Protagonistin ist – ich gehe jetzt einfach von einer sie aus, es klang für mich irgendwie so <.< - denn sie kam gerade da sehr jung rüber.
Die kursiven Absätze fand ich sehr übersichtlich. Es ist gut, dass du dies auch visuell vom Rest des Textes getrennt hast. Es gab noch einmal ganz andere Informationen zur Arche. Es wirkte auch insgesamt erwachsener und hat der Story durch diesen Wechsel glaube ich das gewisse Etwas gegeben.

Ist die Wiederholung bei Cedric gewollt? Es kam mir irgendwie verstörend vor – eher als wäre es ein Fehler und nicht als gehöre es dorthin.

Und ich glaube bei „Monoton murmelte ich die Worte vor mich hin, die ich schon im Kindergarten lernte.“ hast du die falsche Zeit benutzt. Vllt eher gelernt hatte? Aber das kann natürlich auch persönlicher Geschmack sein.


Ich würde gerne mehr von dieser Welt lesen! Du hast mir wirklich Lust auf weitere Geschichten im postapokalyptischen Stil gemacht. Danke für die tolle Geschichte!

Lieben Gruß
Fanatika



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