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Fegefeuer

Zwischen Hölle und Hölle II
von

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| zwei |
 

Ich war im Himmel. Ich musste einfach im Himmel sein! Unter mir eine weiche Matratze, über mir eine warme Decke, neben mir ein heißer Kerl und die Sonne kitzelte mein müdes Näschen wach. An so einem Morgen konnte man der leuchtenden Kugel da am Himmel alles verzeihen, auch wenn ich gerne noch länger geschlafen hätte. Aber so konnte ich meinen Kopf auf die Seite drehen, die eingeatmeten, blonden Haare wieder wegpusten und dem Mann neben mir ins Gesicht schauen.

Reita sah wirklich niedlich aus, wenn er schlief. Die Haare ganz wirr, die Arme und Beine auch, das Nasenband verrutscht am Hals. Hals?! Oh Gott, was, wenn er mal – wie ich, wenn ich mal auf der Seite schlief, an der keine Wand war – nachts aus dem Bett fallen sollte? Er würde an der Kante abrutschen und mit dem Band am Griff des Nachtschränkchen hängenbleiben! Ersticken! Getötet von einem dämlichen und unsinnigen Modeaccessoire, das aussah wie ein Tanga!

Erschrocken riss ich die Augen auf, als plötzlich irgendwas klingelte. Hektisch atmend versuchte ich Luft zu holen, aber irgendwas drückte meine Nase ab. Ein Arm. Ein schwerer Arm. Würde meine Nase schief werden, wenn er lang genug auf ihr liegenbleiben würde?

»Nei, nass das!«, näselte ich, aber der werte Herr schnarchte einfach weiter, untermalt von prasselndem Regen. Verdammt, ein Traum.

»Mhh …«, seufzte es in mein Ohr und der Arm verschob sich. Nun lag er halb auf dem rechten Auge und der Rest irgendwo an meiner Stirn. Und leider konnte ich jetzt wieder etwas riechen. Reita stank nach Alkohol und atmete mich immer wieder an.

»Rei, wach auf!«

Nichts. Es war doch immer wieder das gleiche. Und der viel zu laute Wecker klingelte immer noch, aber da ich an der Wand lag und mein Kopf ins Kissen gedrückt wurde, konnte ich nichts dagegen tun. Scheinbar musste ich härtere Geschütze auffahren.

Umständlich zerrte ich meinen linken Arm aus der Umklammerung von Reitas Beinen, die mir fast den Magen zerquetschten, zog ihn aus der Deckenummantlung und ließ ihn einfach nach rechts fallen, irgendetwas würde ich schon treffen.

»AUAA!«, brüllte ich. Gut, Reitas Arm und damit indirekt mein Auge.

»Was … los?«, nuschelte es, dann gähnte Reita herzhaft und biss mir beim Schließen des Mundes ins Ohr. Konnte der Tag noch schlimmer anfangen?

»Na? Wie geht es euch denn so? Na los, raus aus den Federn! Kai wartet schon seit zehn Minuten auf euch, wir müssen noch was besprechen, bevor der Urlaub anfängt!«

Er konnte. Uruha strahlte uns von der Tür her an, reckte den Kopf und versuchte vermutlich zu erkennen, ob wir gerade starben oder wild miteinander rummachten.

»Sack, mach, dass du wegkommst!«, knurrte Reita und nahm endlich seine Extremitäten von mir, sodass ich wieder einigermaßen gut Luft bekam und mich ein wenig aufrichten konnte. Mit einem leisen Ächzen beugte ich mich über ihn und tastete nach dem Wecker, der schließlich verstummte.

»Ich sag Kai, dass ihr gleich kommt, ja?« Uruha grinste, drehte sich um und verschwand.

»Mann …« Reita seufzte langgezogen und zog sich die Decke über das Gesicht. »Nie wieder saufen!«, blubberte es irgendwo darunter.

Da hatte wohl jemand einen Kater. Geschah ihm wirklich recht, immerhin hatte er gestern schön im Warmen feiern und sich vollstopfen können!

»Aoi … Kopfweh …« Er zog die Decke wieder runter, offenbarte mir sein leidendes Gesicht und blinzelte mich an.

Nein, Aoi, du bleibst standhaft. Es ist dir völlig egal, dass es ihm nicht gut geht, er ist selbst schuld daran und hat dich gestern einfach draußen gelassen!

»Mach was … Mir ist nicht gut …«

Standhaft …

»Zuckerstückchen …«

»Was?!« Entsetzt sah ich ihn an.

»Du bist doch mein süßes Stück«, erklärte er dreckig grinsend. Dann schaute er wieder wehleidig, als meine Hand seinen Kopf traf. »Aoi, ich hab doch Kopfweh …«

»Tut mir leid«, sagte ich zerknirscht und schaute zu, wie er sich die Schläfen rieb. »Soll ich?« Schon streckte ich meine Hände aus und massierte sie ihm vorsichtig.

»Ein bisschen tiefer …«

Stirnrunzelnd knetete ich seine Wangen durch.

»Nee, noch tiefer.« Er schob meine Hände Richtung Bauch.

»Hast du auch Bauchweh?«

»Tiefer …«

Verwirrt sah ich wieder nach oben. Er lächelte unschuldig, aber in seinen Augen blitzte es. Dann wanderte sein Blick in eine bestimmte Körperregion und ich wandte mich entrüstet ab. »So schlecht kann es dir ja gar nicht gehen! Du hast Ruha gehört, Kai wartet!«
 

Im Bad traf ich auf Ruki, der Kleine stand im Neoprenanzug neben der Dusche und trocknete sich ab. Mit der Zeit hatte ich erfahren, dass er Angst vor Wasser hat, »man weiß ja nie, wie gründlich die Klärwerke arbeiten«. Und bevor er das Risiko einging, durch Chemikalien und sonstigen Resten, die er nicht näher benennen wollte, vergiftet oder weggeätzt zu werden, duschte er lieber mit Schutzanzug. Bei seiner Größe würde man ihm wahrscheinlich eh nicht helfen können, so schnell wäre er aufgelöst im Abfluss verschwunden.

Es war trotzdem ein unlösbares Rätsel, wie er es schaffte, klinisch rein und völlig frei von Bakterien und Schmutz zu sein. Uruha hatte heimlich einige Petrischalen besorgt, Nährboden hergestellt und nachts eine Probe bei Ruki genommen und sie ins Labor geschickt. Irgendwie konnte ich unseren Kleinsten verstehen, dass er fast allen misstraute. Allerdings wusste ich nicht, ob man nicht ebenfalls Angst vor Uruha haben sollte, der es fertigbrachte, so ein Nährmedium mit Agar-Agar und Wasser herzustellen. Kais Essen schmeckte einmal sehr stark nach dem Zeug, offenbar hatte unser Leadgitarrist vergessen, den Topf wieder gründlich sauberzumachen.

»Morgen, Aoi-chan«, murmelte Ruki und starrte mich böse an.

»Morgen, Ruki-chan. Hast du gut geschlafen?«

»Koron-chan hat mich in den Zeh gebissen.«

Ich nickte mitfühlend und trat zum Waschbecken, drehte den Wasserhahn auf. Ruki schälte sich aus seinem Neoprenanzug, hängte ihn zum Trocknen auf und riss die Badematte nach oben, als Uruha plötzlich reinplatzte. »Na, ihr zwei? Meine Güte, der Penner zieht aber ein Gesicht heute. Hast du ihm die Befriedigung verweigert oder was hat den gebissen?«

Unauffällig tauchte ich halb im Waschbecken unter.

»Na ja, vielleicht hat er auch nur wieder einen Kater. Der verträgt echt keinen Alkohol. Hab ich euch schon die Geschichte erzählt, in der er ewig im Kreis gefahren ist mit der Bahn, weil er den Ausgang nicht gefunden hat?«

»Hast du«, antwortete ich grinsend und griff mir mein Handtuch. »Er meinte, er hätte Kopfschmerzen. Haben wir noch irgendwo Tabletten?« Irgendwie musste man dem armen Tropf schließlich helfen.

»Vielleicht in der Küche, musst du Kai mal fragen.« Uruha schob sich neben mich, nahm eine Bürste zur Hand und striegelte seine Augenbrauen. »Ich hab vorhin schon mal unsere Kostüme wieder zurückgebracht, während ihr noch alle geschlafen habt. Wie war die Party gestern eigentlich? Alles, was ich noch weiß, ist, dass wir dich irgendwie nicht durch die Tür gekriegt haben, Schatz.«

Oh ja, so langsam kehrten meine Erinnerungen zurück.

»Ich durfte von draußen zugucken, wie ihr Spaß hattet«, grummelte ich und schob mir die Zahnbürste in den Mund. »Wenigstens war es schön warm im Kostüm. Aber du hättest dich fast neben mich gesetzt in deinen Fetzen!«

»Oh. Danke, dass du mich aufgehalten hast. Hm, ich glaube, da waren auch total leckere Häppchen. Und irgend so ein schmieriger Arzt, der mir das letzte Würstchen weggenommen hat. Ich glaube, das war Saga. Und danach … weiß ich nichts mehr. War wohl zu viel Alkohol.« Uruha zuckte mit den Schultern und reichte mir den Rasierer, schnappte sich seinen eigenen und stöpselte beide ein. »Zwerg, du brauchst deinen nicht, oder? Du hast eh so wenig Haare da, dass man dir jedes einzeln rausrupfen könnte. Wollen wir das mal machen? Das soll länger halten als so eine Rasur!«

»Ich hab sehr viel Haarwuchs, du dämliche Diva!«

»In der Hose oder wo?«

»Das ist unter meinem Niveau, ich muss mich regenerieren!« Schon stürmte Ruki aus dem Bad. Scheinbar hatte er vergessen, dass er noch immer nackt war, denn vom Flur her hörte man ein hohes Fiepsen und ein paar Worte von Kai.

»Der Kleine ist manchmal wirklich niedlich. Aber sag mal, wie sind wir eigentlich nach Hause gekommen? Kai meinte, du hättest mich vielleicht gebracht. Als er alle einsammeln wollte, waren nur noch Ruki und der Penner im Company-Gebäude.« Uruha sah mich fragend durch den Spiegel an. »Es ist wirklich ein Nachteil, dass ich durch Alkohol alles vergesse, nächstes Mal sollte ich…«

Er redete noch weiter, aber irgendwie konnte ich ihm nicht mehr zuhören. In meinem Kopf stürzten die Gedanken durcheinander, verbanden sich zu einem klareren Bild und ich erinnerte mich wieder, was genau nach dem Verlassen des PSC-Geländes noch passiert war. Wie hatte ich das vergessen können? War ich so müde gewesen, dass mein Hirn einfach alles verdrängt hatte? Uruha hatte doch gesagt, er würde auch gern einen Freund haben. Und dass er seinen Traumtypen schon getroffen hatte. Kai.

»… Auto fahren! Du kennst ihn ja. So wie in der Schule, wenn er mal einen Text vorlesen sollte. Blieb einfach stumm stehen und reagierte nicht mehr, wenn die Lehrer meinten, dass er anfangen soll! – Schatz? Hörst du überhaupt noch zu?«

Eine Schulter stieß gegen meine und fast hätte ich meine Nasenlöcher wegrasiert. Trotzdem rasten die Gedanken weiterhin durch meinen Kopf. Wenn Uruha den gestrigen Abend nur noch bruchstückhaft in Erinnerung hatte und so locker damit umging, dann hatte er vermutlich auch vergessen, was er zu mir gesagt hatte. Und er hatte noch nie eine Andeutung in diese Richtung gemacht, immerhin kannten wir uns jetzt zehn Jahre. Er hatte in seiner Trunkenheit etwas ausgeplaudert, was er entweder selbst erst seit kurzem wusste – es musste ja nicht immer Liebe auf den ersten Blick sein –, oder aber es war ein Versehen und eigentlich sollte das niemand wissen. Denn Uruha hatte bisher alle gekriegt, die er haben wollte. Wenn er offen zugegeben hätte, dass er auf Kai stand, wäre das von Anfang an ein aussichtsloser Kampf gewesen. Kai hatte eine Freundin. Seit elf Jahren.

»… und danach zieht er seinen Finger bestimmt wieder aus deinem Loch raus, das inzwischen ganz weich und schlüpfrig ist, und dann setzt er seine pralle Härte an deinen zuckenden Eingang und …«

»Was?«, fragte ich verwirrt, als Uruhas Worte mich wieder erreichten.

»Oh, du bist wieder da. Irgendwie musste ich dich doch aus deinen Gedanken locken.«

»Indem du dir ausmalst, wie Reita und ich …?!«

»Hm, warum nicht? Ich fand dich schon immer heiß. Und ein Dreier ist nie zu verachten, weißt du?« Uruhas Mundwinkel wanderten in die Höhe und er seufzte. Gut, dass ich keine Gedanken lesen konnte, die Bilder im Kopf des Anderen mussten schrecklich sein. Aber trotzdem, ich musste ihn irgendwie auf das Thema ansprechen, ich konnte doch nicht so tun, als wüsste ich es nicht mehr! Das wäre auch ihm gegenüber unfair, er wusste es schließlich wirklich nicht mehr. Vielleicht konnte ich ihm auch irgendwie helfen?

Plötzlich klopfte es.

»Seid ihr bald mal fertig? Was macht ihr da so lange?«, drang Kais Stimme durch die Tür.

»Willst du das wirklich wissen?«, rief Uruha grinsend zurück.

»Beeilt euch einfach!«

Stirnrunzelnd sah ich in Uruhas Augen, suchte nach irgendeinem Anzeichen, dass die Stimme unseres Leaders etwas in ihm ausgelöst hatte, doch er wirkte fröhlich und mitteilsam wie immer. Vielleicht war das gestern auch nicht sein Ernst gewesen? Betrunken erzählte man viel, wenn die Nacht lang war. Ob es immer die Wahrheit war, konnte man nie wissen.

»Na komm, Schatz. Bevor der Penner noch die Tischdecke isst, weil Kai ihm das Frühstück verweigert, bis wir auch da sind.«
 


 


 

»Wie ihr sicherlich wisst, haben wir in der nächsten Zeit bis zum Final nicht nur frei, sondern noch ein paar Termine. Vermutlich haben mindestens zwei von euch mal wieder während der Besprechung geschlafen und nichts mitgekriegt. Jungs, ihr solltet echt mal lernen, zuzuhören. Das ist wichtig, dann vergesst ihr auch nichts mehr und seid nicht überrascht, wenn man euch mitten in der Nacht aus dem Bett holt. Oder man muss nicht mehr warten, bis ihr doch mal nach Hause kommt, nachdem ihr am Abend zuvor irgendjemanden aufgerissen habt.« Kais Leaderblick wanderte in Richtung Uruha, der schmollend in seine Reisschüssel sah. »Wie auch immer. Da ich euch kenne, habe ich wie immer bei der Besprechung mitgeschrieben und werde euch ignorante Meute jetzt mal erzählen, was noch so ansteht in der nächsten Zeit. Da wäre zum Beispiel … Hey, was soll das denn werden? Wach auf!«

Reita kippte überrascht gegen mich, als Kai ihn anstieß. Im letzten Moment konnte ich mich an der Tischkante festhalten, bevor wir beide zu Boden gegangen wären, aber zumindest war das anvisierte Opfer nun wach.

»Zehn Minuten, dann könnt ihr machen, was ihr wollt. Also, wie ich bereits sagte, gibt es ein paar wichtige Termine in der nächsten Zeit, die wir …«

Nachdenklich stocherte ich in meiner Reisschüssel herum, warf heimlich einen Blick auf die andere Seite des Tisches. Uruha saß völlig teilnahmslos auf seinem Stuhl und klapperte mit seinen Stäbchen, grinste nur hin und wieder, wenn Ruki einen ärgerlichen Laut ausstieß. Der Kleine saß schräg neben mir am Tischende, mit Geschirrtuch und Brille. Tatsächlich hatte er sich vor ein paar Jahren doch mal so etwas zugelegt und benutzte sie auch hin und wieder. Zum Beispiel beim Essen, damit ihm niemand Bomben unterjubelte. Ich musste zugeben, dasselbe hatte ich auch mal ausprobiert. Kurz nachdem wir durchgestartet waren mit unserer Band.

Irgendwann hatte ich plötzlich einen Brief von meiner Mutter erhalten, in dem stand, wie sehr sie sich doch freute, dass es mir gut ging und scheinbar alles in Ordnung war. Wer meine Mutter kannte, wusste, dass es theoretisch so etwas wie eine Entschuldigung war, dennoch war ich mir sicher, dass sie den Brief nie geschrieben hätte, wenn wir nicht bekannt geworden und in den Medien aufgetaucht wären. Irgendwie tat das schon weh, aber es war mir mit all den Jahren egal geworden, ich hatte doch hier in der WG ein viel besseres Zuhause.

Trotzdem schrieb ich hin und wieder auch zurück, ein wenig distanziert und nur das Allerwichtigste, auch von Reita wusste sie nichts. Meine Geschwister hingegen schon, für die war es auch kein Problem, wie sich herausgestellt hatte. Jedenfalls war ich kurz nach dem Brief einmal wieder zu Hause gewesen, an einem Tag, an dem mein Vater nicht da war. Es war seltsam gewesen, es fühlte sich nicht wirklich wie ein Nachhausekommen an, mehr wie ein Besuch bei der grässlichen Tante, zu der man einmal im Jahr hingezwungen wurde. Und bevor ich noch eiskalt in der Küche starb, hatte ich dort das Essen heimlich nach Bomben durchsucht. Vielleicht war Ruki gar nicht so verrückt, wie die meisten immer dachten.

»… Interview. Dann steht kurz vor den ersten Proben zum Final und der Hallenbesichtigung noch ein Fotoshooting an, bei welchem …«

Ich ließ meinen Blick über die Gesichter am Tisch wandern. Wenn ich meine vier Mitbewohner ansah, hatte ich nicht das Gefühl, dass alle extrem steif und bemüht waren, nichts Falsches zu sagen. Ich denke nicht, dass ich noch einmal wieder in mein Elternhaus zurückkehren würde, manche Dinge konnte man einfach nicht wiedergutmachen. Alle paar Wochen ein kurzer Brief reichte völlig aus, und meine Geschwister wollten vielleicht sogar zum Final kommen, wenn sie es schafften.

»… zwei Tage. Wenn der Aufbau beendet ist, wird uns noch einmal alles gezeigt, bei der Probe der Pyroshow sollen wir auch dabei sein. Licht und Ton wird wie immer gleichzeitig mit …«

Stirnrunzelnd sah ich auf die Person, die neben Uruha saß und Kai am anderen Tischende anstrahlte. Irgendwie störte sie die Idylle. Sie war nett, klar, aber trotzdem, seit ich wusste, dass Uruha irgendwie auf Kai stand und nun auch noch direkt neben dessen Freundin frühstücken musste, war es mir nicht mehr ganz so egal, ob sie hier war oder nicht.

Plötzlich schaute Meisa auf, lächelte mich erst an und sah dann verwirrt aus, bis mir auffiel, dass ich wahrscheinlich nicht sehr freundlich aussah mit Stirnfalte und Blick von fast unten, um es aussehen zu lassen, als würde ich weiterhin in meine Schüssel starren. Also hob ich schnell den Kopf, lächelte zurück und sah weg. In Uruhas Gesicht, das sich schnell nach unten wandte. Hatte er das gesehen? Und wenn ja, hieß das, dass er es nur gesehen hatte und sich ebenfalls über meinen Gesichtsausdruck gewundert hat, oder hieß das, dass er gesehen hatte, wie ich Meisa angelächelt hatte, während er sich wieder erinnerte, was er mir gestern erzählt hatte und ich mich somit mehr oder weniger über ihn lustig machte? Oder hieß es vielleicht sogar, dass er dachte, ich hätte Meisa angelächelt, weil ich dachte, dass sie viel besser zu Kai passen würde und ihm somit heimlich signalisieren wollte, dass er seine Hoffnungen begraben kann?

Verwirrt sah ich den Reiskorn an, der auf dem Finger klebte, welcher über meine Hand strich. So viele Gedanken auf einmal.

»Aoi?«

Jetzt wusste ich gar nicht mehr, worüber ich eigentlich nachdenken wollte.

Ein Kuss traf meine Schläfe und ich sah nach oben. Alle am Tisch starrten mich an, Reita und Kai lächelten nachsichtig, Ruki und Uruha grinsten und Meisa kicherte leise. Hatte ich irgendwas verpasst?

»Was ist denn?«

Kai seufzte. »Wenigstens ist er wieder einigermaßen aufmerksam.«

Seltsamerweise standen alle plötzlich auf, Ruki verließ den Raum und Uruha verschwand halb im Kühlschrank, während Kai sich der Spüle widmete und Reita den letzten Schluck seines Tees trank.

»Kai?«, fragte ich vorsichtig und wartete, bis dieser sich seltsam grinsend wieder umgedreht hatte. »Wolltest du nicht etwas mit uns besprechen?«

Mit einem riesigen Fragezeichen vor meinem inneren Auge sah ich zu, wie unser Leader nach einem Blatt griff, welches auf der Arbeitsplatte lag, und zu mir herüberkam, mir durch die Haare wuschelte. »Sei froh, dass ich dich so gut kenne. Hier, für dich wie immer die schriftliche Zusammenfassung. Ich weiß doch, dass du nicht mit Absicht in Gedanken versinkst, ganz im Gegensatz zu anderen hier.«

Mit leuchtenden Ohren nahm ich den Zettel entgegen. »… Danke.«

Kai lächelte noch einmal und drehte sich wieder um, stieß dabei gegen Uruha, der noch immer halb im Kühlschrank hing und sofort meckerte: »Mann, pass doch auf, ich …« Er stoppte, als er einen Blick nach hinten warf und den Drummer entdeckte.

»Oh, entschuldige.« Kai trat einen Schritt zur Seite, griff nach den Schüsseln, die Meisa ihm reichte.

»Ähm … Macht nichts.« Schon wollte Uruha die Küche verlassen, doch der Andere hielt ihn noch einmal zurück.

»Wolltest du nicht irgendwas aus dem Kühlschrank?«

»Also … Ich hab vergessen … was ich wollte.«

»So hat es bei mir damals auch angefangen.« Kai lachte kurz, beugte sich hinab und wühlte nach dem Spülmittel.

»Oh Gott, also ist deine Vergesslichkeit ansteckend? Vielleicht sollte doch lieber Reita kochen, das ist sicherer. Zumindest solange es irgendetwas Rohes ist.«

Nur einen kurzen Moment hatte es den Anschein gemacht, als wäre Uruha verlegen gewesen, doch ich musste mich getäuscht haben. Die fröhlich wippende Augenbraue und das Grinsen, als Reita den Kopf hob und zu verstehen schien, sprachen eindeutig dagegen. Ich musste unbedingt mit ihm reden und wissen, ob es denn nun stimmte oder nicht.

»Moment mal, was soll das denn heißen, Sack?« Empört stand Reita auf, gab Kai seine Tasse und funkelte den Leadgitarristen an.

»ReiRei, dein letzter Kochversuch in der Schule hat den Feueralarm ausgelöst!«

»Ach ja? Wenigstens hat es bei mir gedampft, du hast nicht mal den Herd angekriegt!«

»Du doch auch nicht, das war der Backofen!«

»Selber dick!«

»Müsst ihr euch jedes Mal streiten?«, ging Kai dazwischen und rieb sich über die Stirn. »Schon schlimm genug, dass der Alkohol gestern ein Kätzchen hinterlassen hat.«

Meisa nickte zustimmend. »Echt, ihr könntet wirklich ruhiger sein, Kai-chan hat Kopfschmerzen!«

»Nicht nur er …«, murmelte ich in meine Tasse und musste lächeln, als ich den dankbaren Blick bemerkte, den Reita mir zuwarf.

»Wir streiten uns doch gar nicht, oder, Penner?«, fragte Uruha grinsend.

»Natürlich nicht, blöder Sack.«

»Hm …« Der Honigblonde zog ein kleines Notizbuch aus seiner Hosentasche und öffnete es, griff nach einem Stift und sagte mit dramatischer Stimme: »Liebes Tagebuch, Reita guckt mich schon wieder mit diesem feurig-wilden Blick an, dabei sind noch andere mit im Raum und ich hab keine frische Unterwäsche an …«

»Uruha!«, rief Reita wütend und sprang auf, um den Anderen zu packen, der durch die Tür flüchtete.

Schnell stand ich ebenfalls auf und schlang meine Arme um ihn, hielt ihn zurück. »Lass ihn, du weißt doch, wie er ist.«

»Leider. Ich hatte ja gehofft, er würde irgendwann erwachsen werden!«

»Sagt der, der einen Tanga im Gesicht trägt!«, drang Uruhas kichernde Stimme vom Flur herein.

»Irgendwann …«, knurrte Reita.

»So, da wir das nun geklärt hätten …« Kai drückte dem Blonden ein Geschirrtuch in die Hand. »Du darfst abtrocknen.«

»Aoi!« Flehend sah Reita mich an.

»Es wird dir schon nicht schaden.« Und mir Zeit verschaffen, unauffällig mir Uruha reden zu können.

»Das kriegst du alles zurück!«

Kai packte ihn am Arm und zog ihn zur Spüle hinüber. »Und nähere Details wollen wir auch gar nicht wissen.«

Grinsend winkte ich meinem Freund noch einmal zu, verließ dann den Raum und machte mich auf den Weg zwei Türen weiter, klopfte an den Rahmen der offenen Tür und sah zu, wie Uruha wieder aus seinem Kleiderschrank kletterte und strahlte. »Komm rein, Schatz!«

Ich tat, wie mir befohlen, schloss die Tür hinter mir und brach in Schweiß aus. Wie sprach man so ein Thema an? Langsam und vorsichtig oder einfach und direkt vor den Latz knallen?

»Was gibt es denn? Der nachdenkliche Gesichtsausdruck sagt mir, dass du reden willst.« Uruha griff nach meiner Hand, zog mich über einem Berg Klamotten und platzierte mich auf seinem weichen Bett.

»Na ja, irgendwie schon.« Vielleicht war die langsamere Methode besser. »Also …« Andererseits, was sollte man da schon drumherum reden? »Es geht um gestern Abend.«

»Gestern? Was war denn da? Tut mir leid, aber ich erinnere mich an wirklich wenig; war es sehr anstrengend, mich nach Hause zu bringen?«

»Mein Kostüm war komplizierter als du es jemals hättest sein können …«

»Aber es hat dir wirklich gut gestanden! Die Farbe, die anmutige Ranke, die darum geschlungen war …«

»Ja, der Kürbis war ganz toll, aber es geht mehr … um etwas, das du gesagt hast.«

Uruhas Gesicht wurde betroffen. »Oh Gott. Was war es? Ich rede ja viel, wenn ich betrunken bin, und nie erinnere mich daran. Hab ich etwa gesagt, dass ich dein Curry nicht ausstehen kann? Aoi, das darfst du nicht so persönlich nehmen!«

»Mein Curry?!«

»Nun ja, manchmal ist es wirklich heftig gewürzt, aber das liegt bestimmt an Reita, wenn der Koch verliebt ist, dann … du weißt schon. Wirklich, ich mag dein Curry sehr, sehr gern!«

»Ähm … Also wir kommen damit der Sache schon näher.«

»Nicht das Curry? Oh Gott. Ich hab nicht …? Aoi, wirklich, ich hab auch nichts gegen dein Takoyaki oder … oder …!«

»Ist ja gut! Darum geht es jetzt nicht. Du hast mir gestern gesagt, dass du … auch gerne einen Freund hättest. So wie Reita.«

»Wie Reita?!«

»Nein, nicht genau wie Reita, sondern einen Freund, der dich glücklich macht.«

»Oh. Hab ich das gesagt? Na ja, wer wünscht sich das nicht? Immer nur diese One-Night-Stands sind mit der Zeit echt anstrengend. Vielleicht finde ich ja bald einen.« Er lächelte versonnen.

Nervös nestelte ich an meinem Ärmel herum. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann … wohnt ihr sogar schon zusammen.«

Uruha drehte seinen Kopf entsetzt zu mir.
 

___________________
 

Uruhas Nährboden besteht aus Agar (jap. Kanten), wer es nicht kennt: das ist sozusagen die südostasiatische Gelatine. Agar wird aus verschiedenen Algenarten hergestellt und als Verdickungsmittel bei Lebensmitteln oder eben auch in der Mikrobiologie eingesetzt, um Pilze und Bakterienkulturen zu züchten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Goesha
2013-03-20T19:59:27+00:00 20.03.2013 20:59
Hach~ ich mag, wenn alle in Action sind...
und die Sprüche immer! Rukis Spruch ist aber immer noch am besten. ^^
Bin ja mal gespannt wie Uruha darauf reagieren wird. Wahrscheinlich streitet er es erstmal ab oder so.
Aber wäre schon schön, wenn Uruha und Kai zusammen kommen würden. *_*
Kais Freundin mag ich auch nicht wirklich... die passt da in die Männer-WG doch gar nicht rein! >.<

Und übrigens, diesmal ist es besser zu lesen! ^^
Von:  Gabriella-Raynie
2013-03-20T16:56:12+00:00 20.03.2013 17:56
Q___Q

Waaaaas?? Du hörst wirklich an dieser Stelle auf?
Wäääh~
*auf Boden rumroll*

Das kann nicht dein ernst sein

Ich will weiter lesen.

Jetzt
Sofort
Q______Q

Jetzt werde ich wieder laaaaaange schmachten müssen, bevor ein neues Kappi kommt >///<
(okay, so lange auch wieder nicht, du bist ja wirklich flott xxD
Aber~
Ach, diese ff ist so toll, ich will einfach nicht warten xD)

Aoi tut mir echt leid
Der wird immer so scheiße geweckt xxD
Reita sollte ihn wirklich mal ganz süß und lieb wecken
Aber was erwartet man von einem Nasentanga-Träger? XD

Baaah, Meisa ><
Ich mag sie nicht!
Blöde Kuh
Die hat Kai nicht verdient~

Ruha hat Kai verdient! ><
Und es interessiert mich auch wirklich sehr, wie lange Ruha Kai wohl schon liebt?
Respekt, dass er es sich nicht anmerken lässt.
Und das er Meisa aushalten kann o.O

Ruha ist toll.
Ihm sollte Kai gehören.

Doofe Meisa~

Btw:
Ich hätte gerne nähere Details darüber, wie Reita es Aoi heimzahlen will xxD ♥


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