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Fegefeuer

Zwischen Hölle und Hölle II
von

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| eins |
 

Das Leben war gemein. Vor allem zu mir. Irgendwie musste das definitiv mal gesagt werden. Eigentlich war ich ja ein ziemlich friedliebender Mensch. Gut, meine eigene Tollpatschigkeit trieb mich oft in den Wahnsinn, aber daran gewöhnte man sich. Wenn man es genau nahm, war es gar nicht so einfach, mich auf die Palme zu treiben oder zu mehr als nur ein paar leise gemurmelten Verwünschungen zu bringen, denn ich mochte die Harmonie, die ruhige Atmosphäre. Gut, die herrschte zu Hause zwar nur selten, aber der normale Zustand, wenn man das mal so nennen wollte, zählte jetzt einfach mal als harmonisch. Für unsere Verhältnisse.

Ich regte mich nicht auf, wenn es draußen regnete oder wenn ich die letzte Bahn verpasste und dann zwei Stunden durch die Dunkelheit laufen musste, die ich noch nie besonders gemocht hatte, und das nur, weil mein Handyakku mal wieder leer war und ich niemanden mit Auto anrufen konnte.

Ich regte mich auch nicht auf, wenn unsere Nachbarin wieder meine Post gelesen und mich darauf angesprochen hatte, dass meine Mutter noch immer die Tinte verwendete, die man so schlecht auf dem Papier lesen konnte.

Es war auch noch zu ertragen, wenn ich im Supermarkt um das Wechselgeld gebracht wurde, wenn die Dame mit dem billigen Parfüm in der Bankfiliale mich viel zu aufdringlich anschmachtete oder wenn alle sich in einer Warteschlange vordrängelten und ich mal wieder zu schüchtern war, um mich zu beschweren.

Auch rabiate ältere Damen mit Stahlhandtaschen, die grundsätzlich mich angriffen, egal, wer sie denn nun geschubst hatte, gehörten zu dieser Liste, ebenso wie klemmende und aggressive Zugtüren, Laternenpfähle, im Weg stehende Mülleimer und plötzlich hochschießende Kanten im Boden. Man gewöhnte sich an so einiges, was einen störte.

Auch an Rukis Fußschweißproblem, Kais Mutterinstinkt und Reitas in der letzten Zeit entwickelter Sockenfetisch, der sich darin äußerte, dass überall – und zwar wirklich überall – Socken des Herrn Bassisten herumlagen. Und niemand wusste, wie diese dorthin gekommen waren. Nicht einmal er selbst.

Wie gesagt, daran konnte man sich annähernd gewöhnen. Sogar an Uruhas Neffen. Einmal hatte ich zusammen mit dem Anderen auf die beiden Rotzbengel aufgepasst, seitdem nie wieder. Reita hatte sich erfolgreich drücken können. Wir hatten in den Zoo fahren wollen, um die beiden zu beschäftigen, aber schon die Bahnfahrt dahin war zum Haareraufen gewesen. Wortwörtlich. Der Jüngere hatte auf Uruhas Schoß gesessen und uns beiden an den Haaren herumgezerrt, den Älteren hatte ich selbst versucht im Zaum zu halten. Es hatte darin geendet, dass das Biest den Inhalt meiner Tasche geschmackvoll und leidenschaftlich-wild über den gesamten Boden des Abteils verteilt hatte. Aber auch da war ich ruhig geblieben und hatte nur tief durchgeatmet, denn ich hatte gewusst, es gab definitiv schlimmere Situationen, in die ich alle mit Sicherheit noch kommen würde.

So wie jetzt.

Der ganze Tag hatte schon fatal angefangen, ach, eigentlich schon der Monat. Vielleicht hatte es auch alles vor zehn Jahren angefangen, als ich in diese chaotische WG gezogen war, ich wusste schon damals, dass diese Entscheidung wahrscheinlich nicht unbedingt die beste gewesen war. Aber dann kamen bessere Zeiten und ich war verblendet gewesen. Jahrelang. Heute war wieder so ein Tag, an dem ich es bereute.

Was in den letzten Jahren alles passiert war? Nun, nicht besonders viel. Reita wusste immer noch nicht, was Ruki früher gearbeitet hatte. Dieses Geheimnis wird ihn noch als Rentner frustrieren. Wir wohnten immer noch in der alten Wohnung im selben Vorort. Der Ausblick auf Uruhas und Kais Seite war immer noch von denselben alten und hohen Gebäuden versperrt, die andere Seite des Flurs war auch nicht mehr so schön wie damals. Schaute man dort hinaus, hatte man früher über die vielen kleineren Häuschen hinwegsehen und nachts die Lichter der Stadt sehen können, inzwischen standen auch hier vereinzelt ein paar höhere Gebäude. Aus meinem alten Zimmer konnte man nun nicht mehr viel sehen, aus Reitas, das zwei Türen weiter rechts war, konnte man noch ganz gut gucken.

Auch das Straßenbild hatte sich ein wenig verändert. Inzwischen gab es einen kleinen Konbini hier um die Ecke, nur zwei Straßen weiter, der etwas weitere Weg bis zum Supermarkt war nicht mehr nötig. Ich fand die Stadt immer noch verwirrend, viel mehr als unser Wohnhaus, ein paar Straßen drumherum und die wichtigsten Punkte wie Krankenhaus, Konbini oder Bahnhöfe in der Nähe kannte ich immer noch nicht, nicht mal nach zehn Jahren. Na gut, den Feierabendverkehr kannte ich und alle Gebäude auf dem Weg zum Kindergarten, da man mit Reita ja nur aus dem Fenster gucken konnte, wenn man mal wieder in der Rushhour nur im Schritttempo vorankam oder im Stau stand. Das hatte sich auch bis heute nicht geändert, aber zum Glück fuhr meistens Kai, wenn wir zur Arbeit mussten.

Reitas kleines rotes Auto war ersetzt worden durch einen kleinen Van, damit wir zusammen fahren konnten; ich hatte ihn getröstet, als er am Zaun des Schrottplatzes gestanden und zugeguckt hatte, wie man sein ›Baby‹ zerqetscht hatte.

Manches hatte sich in unserer Wohnung verändert, anderes nicht. Die zwei Bäder gab es immer noch, ebenso durfte ich immer noch beide benutzen. In der Küche gab es noch immer Uruhas Pinnwand, inzwischen nur etwas vergrößert, damit kein Foto verlorenging. Zum Beispiel meine beiden Lieblingsbilder, eins zeigte Reita und mich in seinem Bett, wie wir friedlich schliefen, als wir das erste Mal in seinem Bett übernachtet hatten. Ich weiß noch, wie ich mich damals angestellt hatte, mich in sein Bett zu legen, das so gemütlich war und nach ihm roch. Das andere Bild zeigte Reita, wie er vor zwei Wochen mit Klopapier kleine Schweinchen auf der Toilette gefaltet hatte, was mich immer wieder aufheiterte, wenn mal alles doof war.

Mein Zimmer war ein Arbeitszimmer und geworden und ich wohnte jetzt seit neuneinhalb Jahren in Reitas Zimmer. Es war zwar klein, aber sehr gemütlich. Keiji lebte noch, ebenso wie Koron-chan und Osuka. So hieß der zweite Vogel, der ein grau gemustertes Federkleid trug und nun bei Keiji im Käfig wohnte, da Reita der Meinung war, der Arme würde sich sonst alleine fühlen, wenn er uns immer zusammen sähe.

Tja, und unsere neuen Jobs. Irgendwie waren wir mit der Zeit darauf gekommen, dass wir alle ein gemeinsames Hobby haben: Musik. Reitas Bass hatte schon im Kindergarten Karriere geschrieben und meine Gitarre hatte ich von Mie mit nach Tokyo genommen, irgendwann und zufällig war Uruha beim Aufräumen unter seinen Kleiderbergen auf seine alte Gitarre gestoßen und Rukis verblüffend guter Gesang war mal aus dem Bad gedrungen, als der Kleine dachte, er wäre allein zu Hause. Als wir dann noch herausgefunden hatten, dass Kai Schlagzeug spielen konnte und im Keller eins verstauben ließ, war es klar gewesen, dass wir unbedingt mal zusammen spielen mussten. Und es hatte richtig gut geklappt. So gut, dass wir regelmäßig im nicht sehr schalldichten Keller gejammt hatten, bis Ruki plötzlich mit einem Text angekommen war.

Die ersten Beschwerden der Nachbarn folgten, das erste Demo-Tape, dann ein Brief, vor dem wir alle eine Woche lang Angst hatten, ihn zu öffnen, weil er so offiziell aussah. Bis wir den Absender lasen. Er war nicht von der Polizei, sondern von einem Plattenlabel, welches uns zum Vorspielen einlud. Bis heute wusste niemand von uns so genau, wie unser Tape zu denen gekommen war – ich vermutete ja, dass Kai irgendwas damit zu tun hatte –, aber nun saß ich hier, konnte aufblicken und die große, gläserne Eingangstür betrachten, neben welcher ein Schild hing, auf dem irgendwas mit Phonetically und FREE-WILL stand, so genau hatte ich es mir noch nie angeguckt, jedenfalls war es die PS Company. Und die hatte eine Menge damit zu tun, warum ich heute verdammt schlechte Laune hatte!

Ich zuckte zusammen, als ich mal wieder ein dumpfes Geräusch hörte. Man hätte meinen können, es gewitterte gerade. Die ganze Zeit grummelte es ohne Unterlass, es klang nach einem heftigen Unwetter. Wirklich wie ein Gewitter. War es aber nicht. Es war mein Magen, dazu kam meine rapide sinkende Laune, die sich in ähnlichen Lauten – nur aus meinem Mund – äußerte. Nur dass das Grummeln von oben hörbar war und das vom Magen nur sehr gedämpft. Verständlich. Immerhin saß ich hier in meinem umfangreichen Kostüm in der Kälte vor der Tür – ich passte nicht hindurch. Leider würde ich morgen keine dicke Erkältung kriegen und leidend im Bett liegen dürfen sowie allen ein schlechtes Gewissen verursachen. Mein Kostüm war leider so dick gefüttert, dass ich schwitzte. In der Kälte. Trotz Frost an der Nasenspitze.

Wie gesagt, der Tag hatte schon so blöd begonnen. Ein Anruf von der PSC, ein strahlender Uruha und schon hatte ich gewusst, dass die Uhr geschlagen hatte. Eine Kostümparty. Jetzt. Mitten im Winter. Nur weil wir unsere Tour erfolgreich hinter uns gebracht und nun ein paar Wochen frei hatten, bis das Final kam.

Die anderen waren alle total begeistert gewesen und hatten zugestimmt; sobald das Wort ›Party‹ auf der internen Webseite der PSC die Runde gemacht hatte, waren auch alle anderen Bands begeistert gewesen. Das war noch nicht so schlimm gewesen, bis das Stichwort ›Kostümparty‹ kurz darauf aufgetaucht war. Wo sollte man auf die Schnelle fünf Kostüme herkriegen? Aber Uruha hatte dank seiner gescheiterten Schauspielkarriere Kontakte zu einem kleinen Theater hier in der Nähe und hatte sich so angeboten, für jeden eins zu besorgen. Leider hatte ich den Fehler gemacht, den wöchentlichen Einkauf zu übernehmen. Uruha war in der Zwischenzeit nach Hause gekommen und jeder hatte sich bereits ein Kostüm aussuchen können. Ich hatte das letzte erwischt. Und nun saß ich hier als überdimensionaler Kürbis schmollend vor der zu engen Eingangstür und sah zu, wie sich drinnen alle amüsierten, vor allem diese aufdringliche Ente mit Teufelshörnern und honigblonden Haaren!

Unglücklich betrachtete ich das so wunderbar warm wirkende Licht, hörte die gedämpft nach draußen schallende Musik, das fröhliche Gelächter und roch das Essen, das es da drinnen gab. Ich fühlte mich wie eine ungeliebte dicke Kugel, die keiner haben wollte. Am Anfang hatte Reita noch Mitleid gehabt und war immer mal wieder zu mir rausgekommen, aber inzwischen hatte er wahrscheinlich zu viel Alkohol intus und einfach vergessen, dass er seinen Kürbis draußen vergessen hatte. Immerhin blieb uns so die Peinlichkeit erspart, an Dingen wie Küsse und Umarmungen zu scheitern. Zum Kuss war es nicht gekommen, weil Reita nicht bis zu meinem Kopf gekommen war, und die Umarmung hatte ich nicht mal gespürt. Das Kostüm boykottierte uns. Und ich konnte nicht mal irgendwas machen, da meine Hände rechts und links wie zwei winzige Knospen aus dem orangefarbenen Ungetüm hervorschauten. Aufstehen ging auch nicht mehr, seit ich beim Versuch, die Tür zu durchqueren, in den Knien eingeknickt war. Ohne Hände war ich machtlos.

Tja, und so saß ich hier fest. Ignoriert und vergessen. Vor allem nach meinem wortreichen, nicht allzu freundlichen und eigentlich für mich völlig untypischen Ausbruch, als so ein Idiot namens Saga mich gefragt hat, ob ich auch Twister und Sackhüpfen spielen will. Witzbold!

»Verdammte Hacke, du gehst mir so was von auf den Sack, Sack!«

Er hatte mich doch nicht vergessen. Schon fast mit Tränen in den Augen sah ich meinem Lichtblick entgegen. Reita – heute als grüne Raupe mit lustig wackelnden Fühlern auf dem Kopf verkleidet – stapfte genervt in meine Richtung durch die mit bunten, flackernden Lichtern leuchtende Eingangshalle und schlug die Hände weg, die von überall gegen seine wippenden Fühler tippten. Und dann drehte er kurz vor der Tür ab und wandte sich nach links ans Buffet.

»Reita, du doofer Penner!«, brüllte ich, doch da man die Tür vor meiner Nase geschlossen hatte – da es ja unheimlich kalt draußen war und man die Kälte nicht reinlassen wollte – hörte er mich natürlich nicht. Nur ich durfte alles hören, was von drinnen kam.

Schmollend sah ich nach unten, schaute die Leine an, die am Mülleimer festgebunden war. »Du findest das auch nicht fair, oder, Koron-chan?«

Nur der Wind heulte als Antwort um meine Ohren.

»Aoi, die sind gemein zu mir!«

Mein Freund war doch noch nicht hoffnungslos verloren. Reita stand wirklich in der Tür und sah mich traurig an. Und stopfte sich ein Häppchen nach dem anderen in den Mund, während mein Magen isoliert von der Außenwelt ›Asshole‹ von Helloween röhrte.

»Der Sack und der Zwerg kloppen sich mit Saga um das letzte Würstchen. Die denken auch nur ans Essen!«

Ich konnte sie wirklich verstehen.

»Was isst du da?«, fragte ich unauffällig und schielte zwischen Reitas Finger.

»Hmm … Irgendwas mit … Grünzeug. Schmeckt eklig.«

»Es sieht wundervoll aus …«

Reita stockte, sah mich seltsam an. »Warum guckst du so?« Und schon verschwand das letzte Restchen von den Fingern in seinen Mund. »Diesche komischen Teigtaschen waren bescher«, schmatzte er noch hinterher, hauchte seinen Alkoholatem in meine Richtung und sah mich irritiert an. »Irgendwasch ischt doch!«

»Was soll schon sein«, seufzte ich dramatisch und sah wieder nach unten.

»Hm, wie du meinst. Ich geh wieder rein, ist echt kalt hier draußen.«

Fassungslos sah ich ihm hinterher. Er war doch sonst nicht so ignorant! Wenn ich dem Idioten begegnete, der meinen Freund abgefüllt hatte, den würde ich eiskalt mit meinem schweren Kostüm überrollen und ersticken!

»Schatz …«, nuschelte da schon der Nächste und Uruha kam herausgetorkelt, stolperte über seine Füße und landete auf meinem Kürbisbauch. »Hassu zugenomm'?«, fragte die Schnapsdrossel verwirrt und betatschte meine Hülle ausgiebig.

»Nein, das ist nur der Stoff«, seufzte ich und sah zu, wie der Andere sich an mir festhielt, während er sich neben mir auf dem Boden niederließ. »Hey, nicht hinsetzen! Es ist viel zu kalt und dein Kostüm zu dünn dafür!«, versuchte ich ihn aufzuhalten, was auch gelang, denn er stand schwankend wieder auf und lehnte sich an die Tür.

»Die sin' alle gemein ssu mir …«, murmelte er und sah mich traurig an. Hatte ich das nicht schon mal gehört?

»Haben sie dir auch an den Hörnern herumgefummelt?«, fragte ich mit einem Blick auf die verrutschen Teufelshörner auf den blonden Haaren.

Uruha zog die Augenbrauen zusammen, fasste sich in den Schritt und schien zu testen, ob der Reißverschluss der viel zu knappen Hose zu war. »Nee, ich glaub nich'.«

»Ich meinte die Hörner auf deinem Kopf und nicht das in deiner Hose!«

»Hm?«

Er hatte es sowieso schon wieder vergessen. Aber irgendwas schien ihn zu belasten, denn statt des sonst so fröhlichem Glanz in seinen betrunkenen Augen entdeckte ich nur eine nachdenkliche Leere.

»Schatz?«, fragte er leise und sah mich wieder an. »Ich will auch'n Freund wie ReiRei …«

Ächzend versuchte ich eine Hand in seine Richtung zu strecken, um ihn irgendwie tröstend zu berühren, aber das Kostüm ärgerte mich schon wieder. Also sagte ich nur: »Hey, Kopf hoch, Ruha. Du wirst bestimmt mal einen ganz lieben und netten Mann kennenlernen. Dann verliebt ihr euch und werdet noch viel glücklicher, ganz bestimmt.«

»Du bis' lieb … Aber glaubstu, dass … dass mich einer scharf findet, der mich so sieht?«

»Natürlich!«, antwortete ich schnell – zu schnell.

»Du nimms' mich nie ernst!«, lallte Uruha empört und verschränkte mit einigen Anlaufschwierigkeiten die Arme vor der Brust.

Schweigend ließ ich meinen Blick über ihn wandern. Angefangen bei den Ringelsocken, die in Strapshaltern endeten und an einer glitzernden Hotpants befestigt waren, weiter hinauf über seine selbstgebastelten und mittlerweile leicht zerfetzten Entenflügeln, die ihn aussehen ließen wie einen gefallen Engel, das bunte, flatternde Nachthemd verstärkte diesen Eindruck. Die eingeflochtenen Federn in seinen Haaren ließen schon fast so etwas wie Mitleid in mir hochkriechen, irgendwie sah er wirklich fertig und bemitleidenswert aus. Vor allem, als ich das mit Edding geschriebene PENIS!!!1! auf seiner Stirn sah. Welcher Idiot war da drin so betrunken, dass er sogar im realen Leben die Shift-Taste vergaß?! Und wieso hatte dieser Idiot es ausgerechnet auf meinen Ruha abgesehen, der betrunken total wehrlos war und damit das perfekte Opfer für fiese Streiche?! Ich bekam gerade wirklich Mitleid mit dem niedergeschlagenen Häufchen Elend vor mir, das unglücklich auf seine Schuhe sah. Für ihn war der spaßige Teil der Party wohl auch vorbei.

»Komm, lass uns gegen«, schlug ich vor. »Wir gehen nach Hause und machen es uns da gemütlich, ja?«

»Ooh …kay.« Schwankend lehnte er sich nach vorne, umarmte mein Kostüm und half mir dabei, aufzustehen.

»Na komm.« Ich versuchte meinen Arm zu heben, um Uruha zu stützen, aber dann fiel mir wieder auf, dass ich ein sperriges Kostüm trug und nicht mal seiner Hand greifen konnte. Na super.

»Ich halt mich an dir fest, ja?«, lallte Ruha auch schon und schlang einen Arm um die Stoffberge, warf mich fast wieder hin, aber so langsam bekam ich ein Gefühl für das Gleichgewicht eines Kürbisses.

Langsam torkelten wir die Straße runter, Richtung Bahnstation. Den Van konnten wir schlecht nehmen, Uruha war betrunken und ich fühlte mich auch langsam so. Und ich trug nur Unterwäsche drunter, also konnte ich das Teil nicht mal ausziehen, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben.

»Sach mal, warum hassu eig'lich draußen gesess'n? Wir ham dich vermisst da drin …«

Ein Schnauben unterdrückend, drehte ich mich nach links, um mich und meine Last Richtung Eingang zu bringen, der bereits am Ende der Straße zu sehen war. Leider drehte ich uns wohl zu schnell, denn Uruha stolperte, lehnte sich gegen mich und riss uns zu Boden. Ich rollte noch ein paar Meter weiter und wurde irgendwann von einem Laternenpfahl gestoppt.

»Hey, was machsu da? Lass den Unsinn!«, wurde ich wieder hochgezogen. »Wir verpass'n noch den Ssug!«
 


 

Nach einigen Schwierigkeiten – ich rollte die Treppe hinab und nahm fast drei Anzugträger mit, musste von Uruha und zwei Zugbegleitern in die Bahn reingedrückt werden, von vier Mitfahrern wieder hinaus – kamen wir irgendwann endlich zu Hause an. Mit der Hoffnung, niemals meine Helfer wiederzusehen, zog ich Uruha umständlich den Schlüssel aus der Potasche und drehte mich halb, um mit meiner Hand an das Schloss der Haustür zu kommen. Nur blöd, dass ich so nicht sehen konnte, was ich tat. So dauerte es ziemlich lange, bis das Kratzen verstummte und ich das Geräusch hörte, welches mir versicherte, dass ich das Loch getroffen hatte. Mit meinem Kürbisbauch stieß ich die Tür auf, fühlte mich wie Rambo und wies Uruha an, sie hinter uns wieder zu schließen. Dann begann der letzte schwierige Teil unserer Reise, die Treppen in den dritten Stock hinauf.

Während mein Begleiter bereits auf den ersten Treppenabsatz stolperte, versuchte ich es auf die Schiffart, schwankte von links nach rechts, um die Füße hoch genug zu bekommen, damit ich die Stufen traf. Nach einer unendlich erscheinenden Zeit kam ich auch vor unserer Wohnungstür an, stolperte über die letzte Stufe und kullerte einmal komplett über Uruha, der auf dem Boden lag und schlief. Nun ja, geschlafen hatte.

»Oh, da bissu ja …«, lallte er benommen und zog sich an mir wieder hoch, half mir dann auch wieder auf.

Zusammen stocherten wir eine Weile mit dem Schlüssel umher, öffneten auch diese Tür und traten ein. Während Uruha sich mit seinem komplizierten Schnürsenkeln abmühte, machte ich kurzen Prozess und zog die Füße einfach in den Kürbis, da die Schuhe so herunterrutschten. Nur traf ich dann nicht mehr den Ausgang aus dem Kostüm und plumpste – im Inneren wild strampelnd – auf die Seite. Doch auch dieses Mal kam mir Uruha zur Hilfe, zog meine Füße wieder hervor machte sich dann daran, die Stufe des Genkans zu überwinden. Was er nicht schaffte. Nicht mal mit meiner Hilfe. Ich begann fast zu heulen.

»Komm schon, wir sind so nah am Ziel!«, flehte ich und stellte ihm mit fest zusammengekniffenen Augen ein Bein. Beziehungsweise einen ganzen Kürbis. Er stolperte über mich und fiel auf den Holzboden. Zum Glück richtete er sich auch auf diesem wieder auf. Erleichtert schwankte ich nach links, riss meinen Fuß hoch und betrat ebenfalls den Flur, schob Uruha in die Richtung seines Zimmers und ignorierte, dass ich dabei fast zwischen den engen Wänden steckenblieb und alle Jacken von der Garderobe mitnahm. Zum Glück war der Weg nicht weit, ich schob den Betrunkenen in das zweite Zimmer auf der linken Seite und hoffte, dass er allein über die Klamottenberge kam, um ins Bett zu gelangen.

»Schlaf dann gut, Ruha.«

»Du auch, Sswerg.«

»Ich bin Aoi.«

Er sah mich verwirrt an. »Oh. Stimmt ja.«

Ich beobachtete, wie er aufs Bett fiel, wollte mich gerade zufrieden umdrehen und die Tür auf der anderen Seite des Flurs in Angriff nehmen, da wurde ich noch einmal zurückgehalten.

»Schatss … Glaubsu wirklich, dass ich … den … ganss lieben un' tollen Mann bekomm?«, nuschelte Uruha und sah mich irgendwie verzweifelt an.

»Na klar. Irgendwann wirst du ihm auf jeden Fall begegnen.«

»Ich kenn ihn doch schon …«

»Wer ist es denn?«, neckte ich ihn. Uruha war wirklich niedlich, wenn er betrunken war. Wahrscheinlich würde er jetzt wieder sämtliche Kerle aufzählen, die er früher mal vom Baugerüst aus angemacht hatte, und sich wundern, dass es so viele waren.

Lächelnd beobachtete ich, wie er sich tiefer ins Kissen grub, herzhaft gähnte und die Augen schloss. Ein leises Grunzen entwich ihm, scheinbar war er schon fast eingeschlafen. Dann verrutschte mein Lächeln.

»Kai …«



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  YuiMadao
2013-03-18T14:43:25+00:00 18.03.2013 15:43
Uiii wie ich mich drauf gefreut habe...
Ein wenig überrascht war ich schon, wie sich das Ganze entwickelt hatte...
Ich finde, dass du den Übergang echt toll gemacht hast.
Ich fand das Kapitel super witzig und das Uruha auf Kai abfährt echt genial^^
Von:  Goesha
2013-03-17T22:13:00+00:00 17.03.2013 23:13
juhee~ es geht weiter!! *_*
*freudentanz aufführ*

das erste kapi ist schon mal echt toll!
zwar schade, das aoi und reita keine kindergärtner mehr sind aber na ja...
jetzt sind se ja im psc-kindergarten gelandet. XD
bin ja mal gespannt, mit was sie sich diesmal alles rumschlagen müssen. ^^

ein kleiner tip: beim nächsten kapi vielleicht ein paar absätze mehr rein machen,
dann liest es sich auch leichter. ^^
Von:  Gabriella-Raynie
2013-03-17T12:11:55+00:00 17.03.2013 13:11
Owwww, omg!!!

Das warten hat sich gelohnt <3

Ich bin gerade soooo glücklich und freu mich total.
Eeendlich die Fortsetzung <3
Ich hab aber auch lange genug darauf gewartet ^.^/ ♥

Und es fängt gleich genial an xD

Du hast nicht zu wenig versprochen

Es IST witzig

Oh Gott.
Aoi in einem Kürbiskostüm...
Du bist wirklich grausam und gemein xD
Und dann leidet er da draußen und hat Hunger
Armer Schatz ^^

Wenigstens ist Uruha bei ihm

Zwei Opfer zsm XD
Aoi kriegt kein Essen und Uruha keine Liebe ^^'
Hihi,
ich stell es mir sehr lustig vor, wie der dicke Aoi, da in den Zug geschoben werden muss xD

Und das Ende <3
Wie süß!
Uruha sagt, dass er Kai liebt *~*

Ich freu mich schon total auf das nächste Kapitel.
Lass mich bloß nicht zu lange warten Q____Q


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